Arbeitsmarkt Kultur
Transcription
Arbeitsmarkt Kultur
Tipps, Berichte und zahlreiche Stellenangebote für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen – jede Woche aktuell. Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de Dialoginszenierung zwischen Vertretern von Studienangeboten und Akteuren des Arbeitsmarktes Kultur. © Karl Heinz Laube/pixelio.de Bessere Ausbildung – bessere Chancen? STANDPUNKTE Arbeitsmarkt Kultur Eine neue Studie analysiert die Qualifikationsanforderungen des Arbeitsmarktes Kultur und prüft, inwieweit diese in den entsprechenden Studien- und Fortbildungsgängen vermittelt werden. An der fragilen Arbeitsmarktsituation im Kulturbereich wird sich deshalb aber nichts ändern. | Andreas Pallenberg D ie Studie „Arbeitsmarkt Kultur – Ergebnisse des Forschungsprojektes „Studium – Arbeitsmarkt – Kultur“ wurde von 2008 bis 2011 vom Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft durchgeführt. Seit Ende 2011 liegen nun die Ergebnisse im Band 13 der Reihe „Materialien“ vor. Ziele des Projektes waren: • Die Erarbeitung eines qualifizierten Überblicks über Studienangebote der Kulturvermittlung • Die Ermittlung und Analyse der Bedürfnisse des Arbeitsmarktes Kultur • Intensivierung des Dialoges zwischen Akteuren des Arbeitsmarktes und der Studienangebote arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN Dazu wurden bis Abschluss der Studie 2011 bei weiter Auslegung des Begriffs 364 Studiengänge der Kulturvermittlung ermittelt. Alle Angebote sind verfügbar unter www.studium-kultur.de Zur Ermittlung der Anforderungen bediente sich das Forschungsteam zahlreicher Studien, die zu diesem Thema bereits vorliegen („Sekundäranalyse“). Ebenso wurden vorhandene Absolventenbefragungen erneut analysiert, um auch von den Betroffenen Einschätzungen zu erhalten. Schließlich wurden 45 Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern des Arbeitsmarktes Kultur(vermittlung) durchgeführt. Die eigentliche Arbeit entstand dann bei der 1 Die Kernfrage dieser Studie lautet: Inwieweit bieten die Curricula der Hochschulen eine passende Vorbereitung für die erforderlichen Kompetenzen auf dem Kulturarbeitsmarkt? Damit unterstellen die Autoren eine mögliche Diskrepanz zwischen den vermittelten Inhalten und den tatsächlich geforderten Fähigkeiten auf dem aktuellen Arbeitsmarkt. Eine weitere These schwingt ebenfalls mit: Wenn passendere Inhalte vermittelt würden, gäbe es vielleicht weniger Probleme mit dem Einstieg in den Arbeitsmarkt. Vielleicht ist dies ja zu pragmatisch gedacht. Aber was, wenn nicht die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen auf ihrem Arbeitsmarkt, soll denn das Ziel der curricularen Veränderungen seit Proklamation des Bologna-Prozesses sein? Hintergrund ist die Tatsache, dass sich der Arbeitsmarkt für Absolventen der Kulturwissenschaften im Laufe der Jahre deutlich verändert hat: Die Universitäten können schon lange nicht mehr die selbst ausgebildeten und zahlreichen Absolventen der beliebten Kunst- und Kulturwissenschaften aufnehmen. Auch die Traumjobs an Museen, Theatern und anderen Kultur schaffenden und verbreitenden Institutionen sind begrenzt und bleiben für die meisten unerreichbar. Was bleibt, sind die vielen freien Kulturinitiativen, die höchst kreativ und mitunter selbstverwaltet ihrem eigenen Anspruch folgen und „ihre Kultur“ schaffen und vermarkten. Sie arbeiten in Projekten, in ihren Kulturvereinen und investieren oft viel in ihre Sache und ihre Inhalte. Mit etwas Glück gibt es befristete Jobs, Teilzeitstellen, ein paar Aufträge oder freiberufliche Mitarbeit. Oft genug aber auch ein Künstlerleben mit regelmäßigem Gang zur Arbeitsagentur oder mit hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Buschstr. 85, 53113 Bonn [email protected], Tel. 0228/20161-15 Tipps, Berichte und zahlreiche Stellenangebote für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen – jede Woche aktuell. Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de einem wenig romantischen Broterwerbsjob nebenbei. Qualifizierung schafft keine Stellen Niemand erwartet, dass sich durch eine Studie die reale Arbeitsmarktsituation verändert. Aber es reicht leider nicht, wenn der Teilarbeitsmarkt Kultur und seine Akteure an die Hochschulen zurückmelden, welche Kompetenzen erforderlich sind und zukünftig besser auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Das führt zu schönen Dialogen und Gesprächsrunden, deren Ergebnisse sich mit kaum zu vermeidender Zähigkeit in den Curricula niederschlagen werden. Gleichzeitig wollen immer mehr junge Studierende „Irgendwas mit Kultur“ machen und suchen in entsprechenden Fächern ihre Heimat. Wenn dort der Bologna-Wind mit seinem Motto „Förderung der Employability“ durchgeweht ist, dann werden neben den „Schönen Künsten“ auch arbeitsmarktrelevante Inhalte vermittelt. Das ist gut so, aber nichts Neues. Auf dem Arbeitsmarkt Kultur gibt es nur eine vergleichsweise geringe Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Dies erfahren wir jede Woche aktuell bei unserer Stellenauswertung im Tätigkeitsfeld 3. „Kunst und Kultur“. Verglichen mit den anderen sieben Tätigkeitsbereichen bietet er regelmäßig die geringste Stellenausbeute. Dem gegenüber steht ein großes Angebot an arbeitsuchenden, hochkarätig ausgebildeten Expertinnen und Experten. Auch wenn über die Stellschraube der Qualifizierung aus den gut qualifizierten zukünftig noch besser qualifizierte Experten werden, gibt es deshalb auf dem überschaubaren Arbeitsmarkt Kultur keine einzige Stelle mehr. Die Gefahr solcher Studien liegt darin, dass sie suggerieren, es bedürfe nur besserer Qualifizierung und erhöhter Passgenauigkeit bei den Bewerbern, um den Umsatz auf diesem speziellen Arbeitsmarkt zu erhöhen. Qualifizierung ist immer gut, aber sie darf nicht zum Aufbau von Strukturen arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN führen, die die Illusion fördern, dass man nur das richtige Studium absolvieren müsse, um anschließend in den Arbeitsmarkt einzumünden. Die Arbeitgeber freuen sich. Sie haben die Auswahl unter bestens qualifizierten Bewerbern. Allerdings haben sie dann auch den Aufwand bei öffentlicher Ausschreibung Hunderte von Absagen zu verschicken. Allein das führt dazu, dass immer weniger Kulturstellen öffentlich ausgeschrieben, statt dessen unter der Hand vergeben werden. Das meiste läuft ohnehin über den verdeckten Stellenmarkt: Gute Leute bieten sich direkt und initiativ an, sind längst bekannt oder werden empfohlen. Berufspraxis und Persönlichkeit Kulturwissenschaftliche Studiengänge sind eine gute Grundlage, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt Kultur zu schaffen, aber sie sind keine Eintrittskarte. Die dort vermittelten arbeitsmarktrelevanten Inhalte lassen sich auch über praktische Einsätze in entsprechenden Projekten mit möglichst viel Verantwortungsübernahme aneignen, wahrscheinlich sogar viel besser als über das Studieren „angewandter Kulturwissenschaften“ oder über einschlägige Fortbildungen zum „Kulturmanagement“ mit integrierten Minipraktika. Es gibt viele bestens qualifizierte Fachund Führungskräfte, die sofort eingesetzt werden könnten, wenn es entsprechende Stellen gäbe. Sie haben Verantwortung übernommen, ihre fachlichen und methodischen Kompetenzen im Studium entwickelt und haben ihre persönlichen Kompetenzen im realen Arbeitseinsatz ausbauen können, insbesondere über Projektarbeit, über konkrete Erfahrungen in Kulturinitiativen, öffentlichen oder privaten Einrichtungen der Kulturförderung bzw. -distribution. Sie haben sich ehrenamtlich oder für Minijobs in Museen krummgelegt, haben unbezahlte Langzeitpraktika in Auktionshäusern absolviert und haben sich für ihre geliebten Inhalte 2 selbst ausgebeutet. Solche Fachkräfte, die ihre Kompetenz und Belastbarkeit bereits bewiesen haben, dürften immer bevorzugt werden gegenüber solchen, die allein mit gut klingenden Studienabschlüssen aufwarten. Welche Auswirkungen könnte diese Studie mit ihren Dialoganregungen haben? Werden Studierende zukünftig besser auf den Kulturarbeitsmarkt vorbereitet? Vermutlich ja. Kulturinteressierte Geisteswissenschaftler/innen werden auch zukünftig multikompatibel für einen höchst spannenden Arbeitsmarkt vorbereitet, auch wenn dafür viele Werkzeuge notwendig sind, die mit „Kultur“ zunächst wenig in Verbindung gebracht werden. Sie müssen sich zum Beispiel mit Betriebswirtschaftslehre, Rechnungswesen, Veranstaltungstechnik, Organisation und Mittelakquise beschäftigen, wenn sie in der aktuellen Kulturlandschaft Projekte anzetteln und durchführen wollen. Wer so gerüstet auf dem Arbeitsmarkt auftritt, Museumsführung – ein Job für fest Angestellte, für freie Mitarbeiter oder für Praktikanten? © www.lvr.de hat bessere Chancen als jemand, der mit solch profanen Dingen möglichst wenig zu tun haben will. Aber trotzdem werden die potenziellen Arbeitgeber für Kulturfachleute auch zukünftig keinen Cent mehr Geld zur Verfügung haben, um Stellen einzurichten, die ordentlich bezahlt werden können. Die befragten Institutionen in der Studie gaben auch – wenig überraschend – an, dass die Anzahl der Stellen in den letzten zehn Jahren gesunken sei. hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Buschstr. 85, 53113 Bonn [email protected], Tel. 0228/20161-15 Tipps, Berichte und zahlreiche Stellenangebote für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen – jede Woche aktuell. Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de Auch der Übergang von fester zu freier Mitarbeit wie auch von unbefristeter zu befristeter Beschäftigung oder von Vollzeit- zu Teilzeitstellen wird angezeigt. Beispielhaft wird ein Experte zitiert: „Die Rahmenbedingungen für Kunstproduzenten und Kulturvermittler haben sich verschlechtert – siehe dazu die prekären Lebensverhältnisse der Künstler und zunehmend auch der Kunstvermittler. Im gesellschaftlichen Diskurs werden die prekären Lebensverhältnisse oft verklärt und als Vorbild für den ganzen Arbeitsmarkt hingestellt“. Geschönte Aussichten Ebenso entlarvend ist die Prognose für die Stellenanzahl in den nächsten zehn Jahren. Die Expertinnen aus allen drei Sektoren (öffentlicher, privater und intermediärer Sektor) sehen mehrheitlich (54 %) ein Sinken der Stellen, 27 % glauben an eine Steigerung und 19 % sehen gleichbleibende Verhältnisse. Kuriosum am Rande: Trotz der vorwiegend pessimistischen Prognosen für den Arbeitsmarkt Kultur geben die ExpertInnen den AbsolventInnen kulturvermittelnder Studiengänge vorwiegend gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dieser Widerspruch ist den Verfassern der Studie auch aufgefallen und „kann durch die Untersuchungsergebnisse nicht geklärt werden.“ Vermutlich wollen sie keine Spielverderber sein. Geradezu fahrlässig optimistisch äußerten sich die befragten Studiengangskoordinator/innen zu den Perspektiven ihrer Absolventen auf dem Arbeitsmarkt. Auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht) landeten sie durchschnittlich bei 1,76. Dies deuten die Verfasser mit der möglichen Befangenheit („berufsbedingt?“) der Befragten. Und es liegt auf der Hand: Die Universitäten leben von den Studierenden ebenso wie die Fortbildungsinstitute in privater Trägerschaft. Sie würden den Teufel tun, wenn sie eine realistischere Einschätzung über die späteren Arbeitsarbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN marktchancen abgäben. Aber sie werden auch mit bester Ausbildung nichts daran ändern, dass der anvisierte Arbeitsmarkt zunehmend weniger ordentliche, dafür immer mehr fragile Beschäftigungsformen zu bieten haben wird, die wegen der bescheidenen Aussichten nur die eine Botschaft zulassen: Wer Kunst und Kultur studiert, sollte dies in erster Linie aus Leidenschaft tun. Wer einen festen, angemessen bezahlten und inhaltlich adäquaten Job im Kulturbereich anstrebt, sollte neben einem einschlägigen Studium über konkrete praktische Berufserfahrungen verfügen und frühzeitig hilfreiche Kontakte und Beziehungen aufbauen. Gerade die praktischen Erfahrungen und die „Beziehungen“ lassen sich nicht kompensieren über noch so gute Noten und Abschlüsse oder zusätzliche Qualifizierungen. Realitäten integrieren Der Arbeitsmarkt Kultur folgt damit den gleichen Gesetzen wie alle anderen geisteswissenschaftlichen Teilarbeitsmärkte, die von einem Überangebot an formal bestens qualifizierten Fachkräften bestimmt sind. Es kommt auf die praktische, einschlägige und verwertbare Berufserfahrung und auf die Persönlichkeit des Einzelnen an. Um diese Fähigkeiten jenseits der Fachqualifikation zu entwickeln, müssen sich viele Absolventinnen und Absolventen auch weiterhin zunächst in prekäre und fragile Beschäftigungsverhältnisse begeben, wenn sie nicht über Jahre in Konkurrenz mit vielen anderen meist vergeblich um die wenigen Traumstellen buhlen wollen. Bei aller wohlmeinenden und Bologna-konformen Praxisnähe im inhaltlichen und methodischen Bereich dürfen die harten Realitäten des Arbeitsmarktes nicht verdrängt werden. Die Universitäten (und nicht erst die Agenturen für Arbeit!) müssen die Studierenden auf ihre mögliche prekäre Situation vorbereiten und ihnen ohne Schwarzmalerei deutlich machen, wie es um ihre Chancen auf dem 3 Arbeitsmarkt steht. Sie müssen somit vorbereiten auf Phasen von Freiberuflichkeit, fragile Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Aufstockerei, Ehrenamtlichkeit und den Umgang damit. Dabei sollte ebenfalls vermittelt werden, dass es sich inhaltlich und persönlich auch lohnen kann, nicht aufzugeben und solche Unsicherheiten zumindest zeitweise auf sich zu nehmen. Beispiele für entsprechende Lebensentwürfe gibt es ja. Es darf aber nicht mehr dazu kommen, dass junge Absolventinnen und Absolventen kulturwissenschaftlicher Studiengänge erstaunt und frustriert feststellen müssen, dass sie trotz bester Noten, höchster Abschlüsse und weiterer Qualifizierungen („ich hab doch alles getan, was ich konnte“) Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben. Und wer dann Kunst und Kultur studiert, weil es Spaß bereitet und der persönlichen Bereicherung dient, der macht es, owohl er um die beruflichen Aussichten weiß. Die Studie: Arbeitsmarkt Kultur – Ergebnisse des Forschungsprojektes „Studium – Arbeitsmarkt – Kultur“ von Ulrike Blumenreich (HRSG.), Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft, Bonn 2011 hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Buschstr. 85, 53113 Bonn [email protected], Tel. 0228/20161-15