Musikermedizin Handprobleme bei Musikern mit

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Musikermedizin Handprobleme bei Musikern mit
Musikphysiologie und Musikermedizin 2001, 8. Jg., Nr. 1
19
Musikermedizin
Handprobleme bei Musikern mit Stoffwechselerkrankungen
und Hormonstörungen
M. Schuppert und F. Schuppert, Bad Oeynhausen
Zusammenfassung
Summary
Stoffwechselerkrankungen und Hormonstörungen können die Funktion der Musikerhand
beeinträchtigen. Die hohe Sensibilität der
Musiker, gepaart mit den extremen Anforderungen an die Sensomotorik beim Musizieren,
lassen entsprechende funktionelle Störungen
bereits in einem sehr frühen Stadium und
zuweilen ausschließlich beim Instrumentalspiel
erkennbar werden. Besonders der Diabetes
mellitus ("Zuckerkrankheit") und Erkrankungen
der Schilddrüse können zu neurologischen und
muskulären Symptomen an der Hand führen
und mitunter dauerhafte Funktionseinschränkungen verursachen. Ferner wurden bei
Patienten mit diesen Erkrankungen einige
neuromuskuläre Handprobleme häufiger als in
der Gesamtbevölkerung beobachtet. Funktionsstörungen der Hand des Musikers könnten
demnach auch auf eine zugrundeliegende,
noch nicht erkannte Stoffwechselerkrankung
oder eine hormonelle Fehlregulation hinweisen.
In der musikermedizinischen Sprechstunde
spielen diese Erkrankungen eine untergeordnete Rolle, werden jedoch aufgrund ihrer oft
unspezifischen Symptome auch leicht übersehen. Sie müssen daher bei Störungen der
manuellen instrumentaltechnischen Fähigkeiten des Musikers in die Differentialdiagnose
einbezogen und anamnestisch sowie gegebenenfalls klinisch abgeklärt werden.
Metabolic and endocrine disorders may affect
hand function in musicians. Due to their high
sensitivity and the extreme demands on their
sensorimotor abilities, instrumentalists may
become aware of functional impairments at a
very early stage and symptoms may even be
noticeable in musical instrument playing only.
Particularly diabetes mellitus and disorders of
the thyroid gland are known to induce neurological and muscular hand symptoms and
sometimes lead to lasting impairments. Also,
some neuromuscular disorders of the hand
have been observed more frequently in
patients suffering from these illnesses. Impairments of hand function in musicians may thus
also present a symptom of an underlying
metabolic or endocrine disease, that has not
been recognized before.
These disorders certainly form only a small
proportion of all hand problems in instrumentalists. They can, however, easily be missed,
since symptoms are often unspecific. Therefore, they should be included in the differential
diagnosis and need to be examined in musicians presenting with hand problems.
Schlüsselworte
Instrumentalmusiker – Handfunktion – Stoffwechselerkrankung – Hormonstörung
Key-Words
instrumental musicians – hand function –
metabolic disease – endocrine disease
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M. und F. Schuppert - Stoffwechselerkrankungen und Hormonstörungen bei Musikern
Einführung
Bei den verschiedenartigen Handproblemen
von Musikern, welche zu Einschränkungen der
instrumentaltechnischen Leistungen führen,
unterscheiden wir zwei ursächliche Kategorien.
Die Probleme können als Folge der Belastung
oder Überlastung beim Instrumentalspiel
entstanden sein oder aber ihre Ursachen im
„außermusikalischen“ Bereich haben und in
manifesten Beeinträchtigungen am Instrument
resultieren. Mischformen sind häufig dann
anzutreffen, wenn Musiker unter eingeschränkten physiologischen Bedingungen auf dem für
sie unabdingbaren hohen feinmotorischen,
kräftezehrenden Niveau arbeiten und sich
hierdurch
sekundäre
Überlastungen
im
Handbereich zuziehen. Beide Kategorien
beinhalten wiederum eine Vielzahl von Möglichkeiten, die zur Entwicklung von Spielproblemen beitragen können. So gestaltet sich
oftmals die gezielte Zuordnung zu einem
Problemkreis entsprechend schwierig.
In die Kategorie der nicht unmittelbar spielbedingten Beschwerden fallen neben jedweden
äußeren Verletzungen die Überlastungen der
Handstrukturen durch Sport, Hobby oder
Alltag. Jedoch können auch systemische, d.h.
den Gesamtorganismus betreffende Umstände
zugrunde liegen. Hierzu zählen in erster Linie
internistische Krankheitsbilder bei Erkrankungen des Stoffwechsels und der hormonproduzierenden Organe. Sicherlich sind diese nur für
einen kleinen Anteil der funktionellen Beeinträchtigungen beim Instrumentalspiel verantwortlich. Doch es ist zu vermuten, daß sie
auch oftmals nicht als zugrundeliegende
Ursache erkannt werden, da die Symptomatik
unspezifisch oder spärlich sein kann und sie
aufgrund der Komplexität der Musikerhand
äußerst leicht fehlinterpretiert werden.
Verschiedene Stoffwechsel- und Hormonerkrankungen können mit Beeinträchtigungen
oder sogar dauerhaften Schädigungen solcher
Strukturen einhergehen, die für eine abgestimmte, zuverlässige feinmotorische Funktion
der Hand verantwortlich sind. Dabei ist zu
beachten, daß diese Symptome unter Umständen so diskret sind, daß sie nicht bei
Alltagsaktivitäten sondern ausschließlich beim
professionellen Instrumentalspiel erkennbar
werden. Dies impliziert wiederum, daß Musiker
aufgrund ihrer hohen Sensibilität, gepaart mit
den extremen Anforderungen an die Sensomotorik beim Musizieren, bereits in einem sehr
frühen Stadium auf eine eventuell zugrundelie-
gende Störung aufmerksam werden. Ferner
wurden bei Patienten mit speziellen Stoffwechsel- und Hormonstörungen einzelne neuromuskuläre Krankheitsbilder der Hand häufiger
als in der Gesamtbevölkerung beobachtet.
Zur Ergänzung der Differentialdiagnose von
Handproblemen bei Musikern soll daher im
Folgenden eine Übersicht über die peripheren
Erscheinungen der oberen Extremität bei den
häufigsten Stoffwechsel- und Hormonstörungen gegeben werden.
Erkrankungen des Stoffwechsels
Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“)
Der Diabetes mellitus, die sogenannte Zuckerkrankheit, ist nach den Störungen des Fettstoffwechsels die häufigste Stoffwechselerkrankung in industrialisierten Ländern mit
hohem Lebensstandard. Nach den Leitlinien
der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
leiden derzeit sieben bis acht Prozent der
erwachsenen Bevölkerung unter einem
Diabetes mellitus (4). Die Zahl der Diabetespatienten nimmt seit vielen Jahren beständig zu
und wird sich nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO in den nächsten
15 Jahren verdoppeln (19). Die Wahrscheinlichkeit, daß auch Musiker im Laufe ihrer
beruflichen Tätigkeit einen Diabetes entwickeln, ist demnach entsprechend hoch.
Wir unterscheiden als wichtigste Untergruppen
zwei Erkrankungsformen: den selteneren Typ1-Diabetes, der überwiegend beim jüngeren
Menschen auftritt und eine Autoimmunkrankheit
darstellt,
bei
der
die für die
Blutzuckerregulation
zuständigen
insulinproduzierenden
Zellen
der
Bauchspeicheldrüse zugrunde gehen. In circa
95 % liegt jedoch ein Typ-2-Diabetes vor, der
meist
bei
älteren,
typischerweise
übergewichtigen Patienten auftritt. Hier kann
die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse
den Bedarf des Körpers aufgrund der Körpermasse und falscher Ernährung nicht
decken (Insulinresistenz), allerdings spielen
auch das Alter und Erbfaktoren eine Rolle.
Diabetische Folgeschäden an Nerven und
Blutgefäßen sind durch langjährige unzureichende Einstellung des Blutzuckers sehr
häufig und treten unabhängig von der Genese
des Diabetes auf.
Diabetesbedingte Erkrankungen des Nervensystems (diabetische Neuropathien) betreffen
in der häufigsten Form, der chronischen
distalen symmetrischen sensiblen Neuropathie
Musikphysiologie und Musikermedizin 2001, 8. Jg., Nr. 1
(etwa 50 – 70 %), nicht nur die sensiblen
Nerven der Füße und Beine, sondern können
ebenso – wenn auch seltener – im Hand- und
Armbereich auftreten und so das Instrumentalspiel erheblich beeinträchtigen (16, 18). Die
Symptome sind besonders in den Fingern oft
diskret und können sich in einer leichten
Muskelschwäche, Missempfindungen, Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Störung der Zweipunkt-Diskrimination in den Fingerspitzen
äußern. Beim professionellen Instrumentalspiel
können hierdurch ebenso Schwierigkeiten
auftreten wie beim Lesen der Blindenschrift
Braille (7).
Seltener sind der symmetrisch-paretische
Manifestationstyp (etwa 15 – 20 %) und der
asymmetrische Manifestationstyp (20 %).
Hierbei kann es durch Beeinträchtigungen der
Beweglichkeit der Muskulatur zu unterschiedlichen Bewegungseinschränkungen und damit
Behinderungen beim Instrumentalspiel kommen.
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Missempfindungen der Fingerspitzen beeinträchtigen die instrumentaltechnische Leistungsfähigkeit gravierend.
Einige Beschwerden des Muskel - Bandapparates der Hand treten bei Diabetikern vermehrt
auf. Besonders ist hier die Dupuytren`sche
Kontraktur zu nennen, bei der es am häufigsten über dem 4. und 5. Mittelhandstrahl der
Hohlhand durch bindegewebige Veränderungen zu einer fixierten Beugehaltung kommt.
Ebenso sind ein höheres Auftreten von
entzündlichen Veränderungen der Beugesehnen und verminderte Gelenkbeweglichkeiten
im Handbereich beschrieben (3, 14). In
Kombination mit einer Neuropathie kann es
dann durch Atrophie der Zwischenknochenmuskeln (Mm.interossei) zur Abnahme der
Feinmotorik der Hand kommen, die Patienten
weisen das typische „prayer sign“ auf, bei dem
die Handflächen nicht mehr glatt aneinander
gelegt werden können (8) (Abb. 1).
Für Musiker mit Diabetes sind auch die
sogenannten Mononeuropathien bedeutsam,
welche besonders die anatomisch relativ
oberflächlich liegenden Nerven betreffen.
Vermutlich aufgrund einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Druck und verminderter
Durchblutung reagieren die größeren Nerven
der oberen Extremität frühzeitig mit Kompressionserscheinungen. So kommt es bei 15 - 25
% der Diabetiker zur Entwicklung eines
Karpaltunnelsyndroms (eingeengter Mittelhandnerv; N. medianus), aber auch Ellen- und
Speichennerv (N. ulnaris, N. radialis) sind
erhöhtem Risiko ausgesetzt (1, 3, 17, 18). In
diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß
das intensive Spielen einiger Instrumente
zusätzlich die Entstehung dieser Nervenkompressionssyndromen fördern kann (10).
Störungen des autonomen Nervensystems
(autonome Neuropathien) können nahezu
jedes Organsystem betreffen. Sie können die
somatische diabetische Neuropathie begleiten,
aber auch isoliert auftreten. Sind Typ-1Diabetiker betroffen, so sind die Patienten bei
Ausbruch dieser Beschwerden häufig noch
berufstätig, da diese Erkrankung ja meist früh
erworben wird. Die Handfunktion des Musikers
kann insofern beeinträchtigt sein, als es zu
einer verminderten oder fehlenden Wahrnehmung einer Unterzuckerung des Körpers
kommt (18). Die für eine nur milde Unterzuckerung typischen Symptome wie Tremor,
Schwitzen,
Koordinationsstörungen
oder
Abb. 1: Typisches „prayer sign“ bei Patient mit
Diabetes mellitus
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M. und F. Schuppert - Stoffwechselerkrankungen und Hormonstörungen bei Musikern
Schäden der kleinen und großen Blutgefäße
(Mikro- und Makroangiopathien) sind eine
wesentliche Komplikation eines langjährig
bestehenden, schlecht eingestellten Diabetes.
Ganz überwiegend treten hierbei Durchblutungsstörungen der unteren Extremität, des
Herzens und der Netzhaut- und Nierengefäßen
auf, doch prinzipiell können alle Körperregionen, auch Arme und Hände, von Arterien- und
Kapillarschäden betroffen sein. Bei Diabetikern
ließ sich eine Korrelation zwischen den oben
aufgelisteten
neurologisch-orthopädischen
Handproblemen und dem Vorhandensein von
Mikroangiopathien nachweisen (3).
Zuletzt wäre auf spezielle Hautprobleme bei
Diabetikern hinzuweisen, welche für Musiker
unangenehm und beim Spielen behindernd
sind. Aufgrund der schlechteren Durchblutung
der Hände und des gestörten Stoffwechsels
besteht die Gefahr von Nagel- und Nagelfalzerkrankungen durch Hefen, ebenso wie eine
Neigung zur Verdickung der Hornschicht
(Hyperkeratosen) und zu sehr trockener Haut,
die sich in Ekzemen, Juckreiz und Hautrissen
der Hand manifestieren kann (12).
Für alle genannten Erscheinungen im Rahmen
des Diabetes mellitus gilt, daß die beste
Vorbeugung in der Konstanthaltung normaler
Blutzuckerwerte liegt. Der Typ-1-Diabetes
erfordert eine regelmäßige Gabe von Insulin,
für den übergewichtigen Typ-2-Diabetiker ist
die Gewichtsabnahme und ggf. Blutdrucksenkung die primäre therapeutische Maßnahme,
außerdem
können
blutzuckerregulierende
Medikamente gegeben werden. Es ist selbstverständlich, daß zusätzliche Risikofaktoren
vermieden werden sollten. So gelten Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und Rauchen als
gefäßschädigend. Zur Prävention der Nervenschäden sollte der Diabetiker ebenfalls Nikotin
und übermäßigen Alkoholkonsum vermeiden.
Fettstoffwechselstörungen
Fettstoffwechselstörungen sind für die Hände
wesentlich weniger gefährdend als für das
Herz - Kreislaufsystem. Sie sind zu einem
geringen Prozentsatz genetisch bedingt
(familiäre Dyslipoproteinämien), ganz überwiegend entstehen sie in der Folge anderer
Grunderkrankungen wie Übergewicht, Diabetes mellitus, Schilddrüsenunterfunktion oder
durch Einnahme bestimmter Medikamente. Zu
feinmotorischen Behinderungen der Hand
kann es durch knotenförmige Einlagerung von
Fettsubstanzen im Bindegewebe (Xanthome)
kommen. Je nach Art der Fettstoffwechselstö-
rung treten diese gelblichen Knötchen u.a. am
Ellenbogen auf, wo sie meist in Gruppen
stehen und eine beachtliche Ausdehnung
erreichen können (tuberöse Xanthome).
Andere für den Musiker sehr störende Formen
sitzen, ebenfalls oft gruppiert angeordnet, an
den
Fingerstrecksehnen
und
den
Fingergrundgelenken (2, 11).
Bei Behinderung des Bewegungsablaufs
müssen diese Knötchen operativ entfernt oder
teilentfernt werden, wobei Rezidive nicht
ausgeschlossen sind (2, 5). Entscheidend ist
aber eine Normalisierung der Blutfettwerte
durch Behandlung der Grunderkrankung,
Gewichtsreduktion und eventuell medikamentöse Therapie.
Hormonstörungen
Schilddrüsenerkrankungen
Die Hormone der Schilddrüse werden über das
Blut im Körper verteilt und sind an der Steuerung und Regulierung nahezu aller Organsysteme und biologischer Prozesse beteiligt. Sie
sind überdies für die Tätigkeit der Muskeln und
des Nervensystems von Bedeutung. Über- und
Unterfunktionen der Schilddrüse führen zu
vielfältigen, charakteristischen Beschwerden,
die sich auch im Bereich der oberen Extremität
manifestieren und negativ auf die instrumentaltechnischen Fähigkeiten auswirken können.
Bei einer Überfunktion der Schilddrüse
(Hyperthyreose) besteht eine zu hohe Konzentration an Schilddrüsenhormonen im Blut
und im Gewebe. Hierfür können unterschiedliche Erkrankungen der Schilddrüse verantwortlich sein. Die hohe Hormonkonzentration führt
u.a. bei einem Großteil der Patienten zu einem
feinschlägigen Zittern (Tremor) der Hand und
Schwitzen der Handflächen. Ebenso kommt es
typischerweise zu einer Schwäche der stammnahen Muskulatur, also bevorzugt der Oberschenkel und der Schultern, die sich beispielsweise als Armhebeschwäche äußert. Es
wurde jedoch auch nachgewiesen, daß Stärke
und Kraftausdauer des Handgriffs vermindert
sind. Elektromyographische Untersuchungen
zeigten zudem bei einem Teil der Patienten
Funktionsveränderungen an den kleinen
Fingerstreckmuskeln (13).
Eine besonders starke Einschränkung stellt die
hyperthyreoseassoziierte Akropachie dar, die
zwar nur selten auftritt (weniger als 1 %),
jedoch aufgrund ihrer Veränderungen an
Knochen und Haut zu besonders starken
Einschränkungen der Beweglichkeit führt (Abb.
2).
Musikphysiologie und Musikermedizin 2001, 8. Jg., Nr. 1
Die Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) definiert sich durch eine verminderte
Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen.
Auch diesem Syndrom können verschiedene
Erkrankungen der Schilddrüse oder, sehr viel
seltener, auch der Gehirnanhangsdrüse
zugrunde liegen. Die klinischen Zeichen sind
oft schwierig zu erkennen, da sie sich schleichend entwickeln und häufig gering ausgeprägt sind. An der oberen Extremität sind
Polyneuropathien
mit
Missempfindungen,
Kribbeln und sensiblen Ausfällen im Bereich
von Fingern und Händen kennzeichnend (9).
Zudem konnte bei Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion signifikant häufiger ein Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert werden (17).
Muskelschmerzen sowie ein Steifigkeitsgefühl
treten häufig auf und werden durch Kälte
verstärkt (9).
Abb. 2: Akropachie bei Überfunktion der Schilddrüse
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Erscheinungen im allgemeinen komplett nach
drei bis sechs Monaten. Dagegen leidet ein
Teil der Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion auch noch ein Jahr nach Therapiebeginn
unter einer geschwächten Muskulatur (6, 13).
Andere Hormonstörungen
Wesentlich seltener wirken sich andere
hormonelle Fehlregulationen auf die Handfunktion aus. So führen bestimmte Erkrankungen
der Nebenniere zu Störungen hormoneller
Regelkreise: Beim sogenannten primären
Hyperaldosteronismus (Morbus Conn) kommt
es zu einer Verminderung der Kaliumkonzentration im Blut, welche sich wiederum in
Muskelschwächen und Missempfindungen im
Handbereich äußern kann. Der Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom), bei dem eine zu
hohe Konzentration an Kortisol im Serum
vorliegt, entsteht überwiegend durch langdauernde hohe Kortisonmedikation, seltener durch
Erkrankungen der Nebenniere oder der
Gehirnanhangsdrüse. Auch hier kommt es zu
Muskelschwächen der stammnahen Muskulatur von Armen und Beinen (15).
Bei der Akromegalie kommt es durch ein
Zuviel an Wachstumshormon, typischerweise
bedingt durch einen Tumor der Gehirnanhangsdrüse, zu einem Wiederbeginn des
Wachstums der langen Röhrenknochen im
Erwachsenenalter sowie begleitender Weichteilschwellung, was zu deutlichen Verplumpungen der Finger mit entsprechenden
Einschränkungen in der Beweglichkeit führt
(Abb. 3).
Schlußfolgerungen
Abb. 3: Wiederbeginn des Wachstums der langen
Röhrenknochen und Weichteilschwellung bei
Akromegalie
Die Muskelschwäche im Rahmen einer
Überfunktion der Schilddrüse entwickelt sich
oft sehr rasch (6). Durch die medikamentöse
Behandlung der Hormonstörung verschwindet
sie jedoch ebenso wie die neurologischen
Stoffwechselstörungen
und
hormonelle
Fehlregulationen können sich demnach in
mannigfaltiger Weise auf die Handfunktion
auswirken. Meist sind die Symptome weniger
prägnant als bei den wesentlich häufigeren
muskulo-tendinösen Überanstrengungen der
Musikerhand, beeinträchtigen aber dennoch
das professionellen Instrumentalspiel oder
können sekundäre Überlastungsschäden nach
sich ziehen. In der musikermedizinischen
Sprechstunde spielen sie sicherlich eine
untergeordnete Rolle, werden aber aufgrund
ihrer eventuell unspezifischen Symptome auch
leicht übersehen oder fehlinterpretiert. Internistische Erkrankungen sollten in die Differentialdiagnose der Handprobleme bei Musikern
einbezogen und anamnestisch sowie gegebenenfalls klinisch abgeklärt werden.
24
M. und F. Schuppert - Stoffwechselerkrankungen und Hormonstörungen bei Musikern
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