Das Leineschloss im Wandel der Zeiten

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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss
im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Inhaltsverzeichnis
Einführung................................................................................................................. 3
Hannover wird Residenz: Die baulichen Anfänge des Leineschlosses..................... 4
Barocke Hofhaltung................................................................................................... 5
Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten....................................................... 7
Personalunion .......................................................................................................... 7
Französische Besatzung........................................................................................... 8
Allgemeine Ständeversammlung............................................................................... 9
Der Umbau durch Laves ........................................................................................ 10
Das Leineschloss nach der Annexion Hannovers durch Preußen.......................... 14
Zerstörung............................................................................................................... 15
Wiederaufbau.......................................................................................................... 17
Das Leineschloss heute.......................................................................................... 20
LEIBNIZ-SAAL......................................................................................................... 24
Forum für die Kunst................................................................................................. 26
Umbau des Plenarbereiches (seit 2014)................................................................. 28
Interims-Plenarsaal.................................................................................................. 30
Impressum............................................................................................................... 33
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Einführung
Seit dem 11. September 1962 hat der Niedersächsische Landtag seinen Sitz im hannoverschen Leineschloss. Es ist ein Gebäude, das
auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken
kann: Es war Kloster, Schloss und Regierungssitz, Armenhaus, Hospital, Schule, Münzstätte,
Magazin, Kaserne, Wärmehalle, Volksküche
und Museum.
Heute kommen hier die Abgeordneten aus allen
Teilen des Landes zu den Plenar-, Ausschussund Fraktionssitzungen zusammen, hier befinden sich ihre Büros, diejenigen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Fraktionen
und die Büroräume der Landtagsverwaltung.
Unmittelbar an der Leine gelegen und durch
die historischen Wandlungen der vergangenen
Jahrhunderte in besonderer Art gekennzeichnet, kann es in seiner heutigen Gestalt sicher
zu den schönsten Bauwerken Hannovers gezählt werden. Es spiegelt wie kaum eine andere bauliche Anlage die Geschicke des Landes,
seiner Hauptstadt und seiner Bewohnerinnen
und Bewohner wider.
„Machte man sich auf die Suche nach einem
Bauwerk, das - auf dem Gebiet des heutigen
Niedersachsen gelegen - mit der Geschichte
dieses Raumes, aber auch mit der deutschen
und europäischen Geschichte der letzten 350
Jahre auf das engste verknüpft sein müsste, man hätte es rasch gefunden: das Leineschloß.“
anderes Gebäude der Stadt aufgrund seiner
städtebaulichen Lage, seiner Geschichte sowie seines Denkmalwertes so geeignet für den
Sitz des Landesparlaments sei wie das Leineschloss.
Am Leineschloss, das Herzog Georg von Calenberg erbauen ließ, nachdem er Hannover
zur Hauptstadt seines Fürstentums CalenbergGöttingen, der Keimzelle des späteren Kurfürstentums und Königreichs Hannover, gemacht
hatte, und seiner neueren Geschichte lässt
sich in gewisser Weise der Wandel politischer
Machtausübung in Deutschland nachvollziehen:
Heute ist es Sitz des Niedersächsischen Landtages und damit ein Haus der Demokratie,
ursprünglich war es jedoch das Zentrum der
absoluten Macht des fürstlichen Herrschers.
Zahlreiche tief greifende historische Ereignisse,
von denen in diesem Heft die Rede sein wird,
haben die Entwicklung von der Herrschaft über
das Volk zur Herrschaft des Volkes begleitet.
Luftaufnahme des Leineschlosses mit Plenarsaaltrakt, 2013
Auf diese Weise beschreibt Klaus Mlynek das
wohl wichtigste Charakteristikum dieses Hauses. Und der hannoversche Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht war der Auffassung, dass kein
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Hannover wird Residenz: Die baulichen Anfänge des Leineschlosses
Im Jahre 1636 machte Herzog Georg von Calenberg, dem das Fürstentum Calenberg ein
Jahr zuvor von seinem erbenlosen Bruder überlassen worden war, Hannover zum Regierungssitz. Am 16. Februar zog er mit prächtigem Gefolge in der Stadt ein.
Ein Jahr später ließ Herzog Georg das erste
Leineschloss errichten. Zuvor hatte eine fürstliche Kommission das alte, um 1300 erstmalig
urkundlich erwähnte, zwischen Leinstraße und
Leine gelegene und im Zuge der Reformation
säkularisierte Barfüßerkloster auf dem Münchehof als Grundstück für ein „fürstliches Palatium“
gegen den Willen des Rates der Stadt Hannover ausgewählt. Die einzelnen Gebäude des
Klosters waren vom Rat der Stadt nach der Reformation etwa 100 Jahre lang als Zeughaus,
Münze, Hospital, Armenhaus, Schule sowie als
Salz- und Kornmagazin genutzt worden.
Hier begann schon bald der Teilabriss und der
Umbau der auf dem Münchehof gelegenen
Gebäude zur Residenz. Es entstand allerdings
kein prächtiger Palast, sondern ein schlichter Fachwerkbau, der die erhalten gebliebene
Klosterkirche integrierte. Dass dieses erste Leineschloss eher zu einer Behelfslösung geriet,
ist mit den schwierigen Verhältnissen während
des Dreißigjährigen Krieges zu erklären.
Drei Jahre nach Baubeginn konnte Herzog Georg das Schloss beziehen. 1641 war das Gebäude dann nahezu vollendet. Allein die Umgestaltung der alten Klosterkirche zur Schlosskirche
benötigte sehr viel Zeit, so dass sie erst im Juli
1642 mit einer lutherischen Predigt eingeweiht
wurde. Mit der Regierungsübernahme im Jahre
1665 durch Herzog Johann Friedrich, der 1652
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in Italien zum katholischen Glauben konvertiert
war, erfuhr das Leineschloss seinen ersten Umbau. Unter seiner Regentschaft entstand hier
erneut ein Kloster, als er in der Schlossanlage ein Kapuzinerkloster einrichtete, das 1671
vollständig ausgebaut war. Zudem ließ er 1668
unter dem Chor der Schlosskirche die Fürstengruft anlegen.
Herzog Johann Friedrich hatte aber auch Sinn
für die schönen Künste. So entstand an der
Südostecke der Leinefront in der Zeit von 1674
bis 1677 ein Pavillon, der sog. „Französische
Comoediensaal“, und zudem wurden einige
Innenräume des Schlosses prunkvoller ausgestaltet.
1671 erlangte der Herzog den Reliquienschatz
des Braunschweiger Blasiusstiftes, der später
als „Welfenschatz“ weltberühmt werden sollte.
Er ließ ihn in der Schlosskirche verwahren. Auf
seinen Einfluss ist außerdem zurückzuführen,
dass eine umfangreiche Gemäldesammlung
angelegt und die Hofbibliothek ab 1676 von
Gottfried Wilhelm Leibniz betreut wurde. Ferner
fügte er dem Schlossgebäude den sogenannten Kammerflügel an.
Leineschloss - Ansicht von 1637
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Barocke Hofhaltung
Weitere bauliche Veränderungen am Leineschloss begannen 1680 unter Herzog Ernst
August, der 1692 die Kurfürstenwürde erhielt.
Während seiner Regentschaft wandelte sich
das Leineschloss durch vielfältige Umbaumaßnahmen in ein Residenzschloss.
Der neue Landesherr war evangelisch und löste daher 1680 das Kapuzinerkloster auf. Die
baufälligen Häuser und Buden auf der Flussinsel fielen dem Abbruch zum Opfer, so dass
die „Schlossfreiheit“ geschaffen werden konnte.
Der Leinepavillon und die Schlossbrücke entstanden von 1688 an.
Die barocke Hofhaltung wurde besonders durch
die neu gestaltete Leinefront und den prunkvollen Rittersaal mit seinen reichen Stuckarbeiten
und den Welfenporträts, die - ursprünglich von
Gottfried Wilhelm Leibniz ausgewählt - 1866
nach der Annexion durch Preußen gegen brandenburgische Herrscherporträts ausgetauscht
wurden, sichtbar. Der Rittersaal wurde in der
Zeit zwischen 1685 und 1688 im Obergeschoss
des östlichen Querflügels von italienischen
Maurern, Stuckateuren und Malern ausgestal-
Rittersaal
tet und diente dem Hof für große Festlichkeiten. „Italienisch“ war, wie der Historiker Georg
Schnath es formulierte, auch am Hofe Ernst
Augusts „Trumpf“ geblieben, nachdem schon
bei seinem Vorgänger Herzog Johann Friedrich
italienische Künstler ein und aus gegangen waren.
Herzog Ernst August, einem Liebhaber der
italienischen Oper, ist schließlich auch der
Bau des barocken Hofopernhauses im Jahre 1689 zu verdanken, das schon ein Jahr
später fertig gestellt werden konnte. Die Bühne des vollständig aus Holz errichteten Hofopernhauses befand sich an der Leinstraßenfront, während der Zuschauerraum zum Fluss
hin lag. Das Hofopernhaus wurde mit seinen
vier Rängen und 1300 Plätzen von den Zeitgenossen als eines der schönsten und prächtigsten in Europa gerühmt. Der Leinepavillon, in
der die Küche und das kleine Hoftheater eingerichtet waren, wurde in den Jahren von 1690
bis 1693 mit erheblichem finanziellen Aufwand
erneuert.
Das Schloss zu Hannover im 17. Jahrhundert
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Barocke Hofhaltung
Und ein weiteres historisches Ereignis vollzog
sich in diesen Jahren im Leineschloss: Am 15.
August 1701 überreichte der Sonderbotschafter
des englischen Hofes, der Earl of Macclesfield,
der Kurfürstenwitwe Sophie, einer Enkelin König Jakobs I. von England, die „Sukzessionsakte“, die Bestätigung ihres Anspruchs und die ihrer Nachkommen auf die englische Thronfolge.
Leineschlosses weiter aus und vergrößerte den
Kammerflügel, in dem die obersten Landesbehörden arbeiteten. Baulich hat der Kurfürst ansonsten wenig verändert, galt doch sein Interesse vornehmlich dem Heerwesen und der Jagd.
Auf große Bewunderung stieß das Reithaus,
mit dem er die Stallanlagen erweitert hatte.
Für bedeutende europäische Persönlichkeiten
war die Residenzstadt Hannover zu dieser Zeit
ein besonderer Anziehungspunkt: Georg Friedrich Händel dirigierte zeitweilig Kammerkonzerte für Georg Ludwig im Schloss; der Kurfürstin
Sophie war es zu verdanken, dass Leibniz über
vierzig Jahre hinweg in der Stadt gehalten werden konnte (vgl. Kapitel 10); der Herzog von
Marlborough, Prinz Eugen von Savoyen und
Zar Peter der Große waren zu Gast im Leineschloss.
Wappen im Giebelfeld des Portikus
Symbol der hannoversch-britischen Personalunion
Um diesem bedeutenden Anlass beizuwohnen,
kam der Hof eigens aus Herrenhausen in das
Leineschloss. Kurfürstin Sophie starb im Juni
1714 und damit acht Wochen vor der Königin
Anna von England, ihrer Nichte, so dass sich ihr
Wunsch, als englische Königin beerdigt zu werden, nicht erfüllte. Dafür bestieg nun ihr ältester
Sohn, Kurfürst Georg Ludwig, den englischen
Thron.
Während der Regentschaft von Kurfürst Georg
Ludwig entfaltete die Hofhaltung in Hannover
ihr strahlendstes Gepränge. Georg Ludwig, der
im Jahre 1714 als Georg I. den Königsthron von
Großbritannien und Irland bestieg und mit dem
damit die englisch-hannoversche Personalunion begann, gestaltete die Innenräume des
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König Georg I.
König von England und Irland
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss als Residenz ohne
Regenten
Personalunion
Mit der englisch-hannoverschen Personalunion wurde das Leineschloss für 123 Jahre zur
„Residenz ohne Regenten“. Die Könige nutzten
das Leineschloss in diesen Jahren nur selten zu
repräsentativen Zwecken. Das Schloss gewann
aber nun als Sitz oberster Landesbehörden wie etwa der Geheimen Räte, der Rent- und
der Domänenkammer, der Justiz- und Kriegskanzlei sowie von Generalkasse, Bibliothek und
Archiv - an Bedeutung.
Das Leineschloss blieb im Laufe der Jahrhunderte vor Feuersbrünsten nicht verschont. So
brannte am 5. April 1741 der Kammerflügel
ab, in dem die obersten Landesbehörden untergebracht waren. Der Wiederaufbau erfolgte
bis 1746 durch den Baumeister Johann Paul
Heumann - jetzt jedoch als massiver Steinbau,
nachdem der Hof beschlossen hatte, dieses
Gebäudesegment nicht wieder als Fachwerkbau zu errichten. Heumanns Entwürfe waren
übrigens von französischen Architekten überarbeitet worden.
1797 wurde das mittlerweile baufällig gewordene Leinetor abgerissen. Die so frei gewordene
westliche Schmalseite des Kammerflügels wurde von Hofbaumeister Benjamin Hase durch
eine Fassade im gleichen Stil verkleidet. Bis
heute blieb diese äußere Gestaltung des Kammerflügels erhalten und wurde beim Umbau des
Schlosses durch Georg Ludwig Friedrich Laves
bestimmend für die ganze Leinefassade.
Umbaupläne der Baumeister Friedrich Weinbrenner und Josef Krahe kamen wegen der
französischen Besetzung 1803 nicht zur Ausführung, so dass die oben beschriebenen Maßnahmen als vierter Bauabschnitt gelten können.
Brand des Kammerflügels am 5. April 1741
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten
Französische Besatzung
Die Okkupation Hannovers durch französische
Truppen brachte dem Leineschloss Jahre der
Verwüstung. Am 5. Juni 1803 rückten französische Truppen unter der Führung von General
Mortier durch das Steintor in Hannover ein. Mit
der Plünderung des Leineschlosses durch die
französischen Besatzungstruppen begann dessen Verwahrlosung.
Eine Regierungskommission führte eine Bestandsaufnahme der landesherrlichen Schlösser und Gärten durch, nachdem die südlichen
Landesteile dem Königreich Westphalen, das
Jerôme, der Bruder Napoleons I., von Kassel
aus regierte, zugeschlagen worden waren.
Sie befand, dass das Leineschloss heruntergekommen und baufällig sei und es sich daher nur
noch als Kaserne eigne. Jerôme schenkte daraufhin das baufällige Schloss der Stadt Hannover - ein Geschenk, das jedoch sehr kostspielig
werden sollte: Die Stadt war gehalten, es auf
eigene Kosten zur Kasernierung von 3000 Soldaten herzurichten. Da die Mannschaftsquartiere, Offizierswohnungen und Magazine keiner
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festen Garnison dienten, sondern die Räumlichkeiten des Leineschlosses von verschiedenen durchziehenden Truppen belegt wurden,
verwahrloste das Schloss zusehends.
Erst mit dem Ende der zehnjährigen französischen Besatzung 1813 wurde die militärische
Nutzung des Schlosses aufgegeben. Die hannoversche Regierung erhielt von der Stadt das
Leineschloss zurück, so dass hier wiederum die
obersten Behörden einziehen konnten. 20 Jahre später sollte das Schloss während des Umbaus wieder als Kaserne - jetzt für die hannoverschen Gardegrenadiere - genutzt werden.
Leineschloss vom Holzmarkt aus um 1858
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten
Allgemeine Ständeversammlung
Nach der Befreiung des Landes von der französischen Besatzung brachte der Wiener Kongress 1814/1815 eine Neuordnung Europas und
klare Grenzen. Kurz zuvor war Hannover unter
Georg III., der bereits König von Großbritannien
und Irland und zugleich Kurfürst von Hannover
war, Königreich geworden. Es umfasste zehn
ehemalige Fürstentümer und Grafschaften sowie insgesamt sieben Provinziallandtage und
damit etwa 4/5 der Fläche des heutigen Landes
Niedersachsen.
Der Sohn Georgs III., Prinzregent Georg, berief
im Jahre 1814 als Vertreter des Königs in Hannover eine „Allgemeine Ständeversammlung
für das Königreich Hannover“ ein - in deren Geschäftsordnung, damals „Regiment“ genannt,
bereits der Begriff „Landtag“ auftauchte. Die
„Allgemeine Ständeversammlung“ sollte über
alle, das gesamte Land betreffenden Angelegenheiten mitberaten. Damit war eine erste
ständisch repräsentative Versammlung des gesamten Landes geschaffen. Sie stellte zugleich
den vorsichtigen Beginn eines - allerdings auf
die oberen Klassen begrenzten - parlamentarischen Lebens dar.
Die Ständeversammlung bestand aus sieben
„Provinzial-Landständen“ und wurde am 15.
Dezember 1814 im Leineschloss von Herzog
Adolph Friedrich von Cambridge, einem Bruder
Georgs, als königlichem Repräsentanten und
Militärgouverneur in Hannover feierlich eröffnet.
In der Bewilligung der Steuern und der Kontrolle der Finanzen bestand die wichtigste Aufgabe
der „Provinzial-Landstände“.
Im Jahre 1833 veränderten sich die Rechte und
die Zusammensetzung der Ständeversammlung noch einmal grundlegend, indem Hannover
durch die Verabschiedung eines Staatsgrundgesetzes in die Reihe der konstitutionellen Monarchien eintrat.
Die Vertretung des Bürgertums und der frei gewordenen Bauern wurde damit deutlich verbessert. Das erreichte Budgetrecht über eine aus
Generalsteuerkasse und königlicher Schatulle
entstandenen Staatskasse sowie das Recht zur
Gesetzesinitiative ließen die damalige Stände-
Leineschloss, Südseite mit Friederikenplatz, um 1858
versammlung endlich zu einem ersten Baustein
und Vorläufer für die heutige parlamentarische
Demokratie werden.
Ab 1818 tagte die „Allgemeine Ständeversammlung“ im Ständehaus der „Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft“ in der Osterstraße.
Erst 1862 kehrten die sich aus der Ständeversammlung entwickelnden parlamentarischen
Gremien in das Leineschloss zurück.
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Der Umbau durch Laves
Doch zurück in die Zeit des Wiener Kongresses. Die gesteigerte Bedeutung des Königreichs Hannover machte die Wiederherstellung
des Leineschlosses und seine repräsentative
Funktion für das gerade aus der Taufe gehobene Königreich notwendig.
Für den sich über Jahre hinziehenden, von
Rückschlägen, Geldsorgen und Intrigen begleiteten Ausbau des Leineschlosses wurde der
Kasseler Oberhofbaudirektor Christoph Heinrich Jussow hinzugezogen, sein Neffe hingegen, der junge Hofbauverwalter Georg Ludwig
Friedrich Laves, in der Folge einer der bedeu-
tendsten Vertreter des Klassizismus, mit der
Ausführung beauftragt. Angestrebt war, Raum
für die königliche Familie, die Regierung und
die Ständeversammlung zu schaffen.
Im Jahr 1816 legte Laves seine erste Denkschrift vor. Sie sah ein neues Schloss zwischen
Clevertor (heute Brühlstraße in Höhe der Agentur für Arbeit) und Königsworther Platz vor.
Das Leineschloss hingegen sollte nur noch die
Funktion eines Behördenhauses der obersten
Landesverwaltung erfüllen. Die Finanznot des
durch die französische Besatzungszeit gebeutelten Landes ließ allerdings diese Pläne, die
in einem ersten Kostenanschlag mit 3 363 000
Talern kalkuliert waren, scheitern.
Gemeinsam mit Jussow entwickelte Laves noch
im selben Jahr die ersten Entwürfe für den Umbau des Leineschlosses. Auch hierbei spielten
städtebauliche Überlegungen wieder eine zentrale Rolle: Nach Laves´ Plänen war mit Ausrichtung auf das Schloss neben einem neuen,
hauptstädtischen Stadtviertel im Steintorfeld
ein breiter Straßendurchbruch von der Georgstraße her vorgesehen. Der Magistrat der Stadt
lehnte das Vorhaben jedoch ab.
Georg Ludwig Friedrich Laves
Gemälde 1840er Jahre, Privatbesitz
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Am 3. Dezember 1816 erging der Baubefehl, so
dass am 30. September 1817 der Grundstein
gelegt werden konnte. Der Leineflügel und der
westliche Querflügel bis zur Leinstraße waren
acht Jahre später äußerlich fertig gestellt. 1826
machten wachsende Finanzschwierigkeiten
erste Änderungen erforderlich: König Georg IV.
verfügte, die alten Regierungsbauten, die auf
dem heutigen Parkplatz des Landtages standen, nicht wieder zu errichten. Proteste der
Anlieger und finanzielle Probleme hatten zu
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Der Umbau durch Laves
dieser Entscheidung geführt. Ebenso wurde auf
die ursprünglich vorgesehenen Räume für die
Ständeversammlung verzichtet. Der König akzeptierte nun einen von Laves neu vorgelegten
Entwurf, der den Portikus als Mittelpunkt einer
zweiflügeligen, symmetrischen Leinstraßenfront vorsah. Noch im Jahre seiner Thronbesteigung veranlasste Wilhelm IV. - er übernahm
von 1830 bis 1837 die Regierung - die zweite
Änderung der Baupläne.
von dem Steinbildhauer A.W. Blume aus Barsinghausen ausgeführt und zeigen geflügelte,
in verschlungene florale Ornamente eingebundene Fabeltiere. (Die Angaben sind einem
freundlichen Hinweis von Herrn Professor Dr.
Kokkelink, Hannover, zu verdanken.)
Das Leineschloss sollte während der Personalunion schließlich nur noch repräsentativen
Zwecken dienen und im Kammerflügel die Regierungsbehörden beheimaten, da auch der
Nachfolger Wilhelms IV., König Ernst August,
das Leineschloss nicht als Wohnung nutzen
wollte. Von einem östlichen Flügelbau des
Ansicht des Leineschlosses von der Seite des Holzmarktes,
um 1830 (Aquarell Anton Hallmann)
Der klassizistische Portikus ist bis heute das
prägende Charakteristikum des Gebäudes geblieben. Im Frontispiz des Portikus weist das von
Laves entworfene Wappen mit seiner Heraldik
noch auf die Personalunion zwischen Hannover und England (1714 bis 1837) hin. Der vom
Löwen und halsbekrönten Einhorn gehaltene
Wappenschild wird vom Hosenbandorden mit
seinem Wahlspruch „Honi soit qui mal y pense“
(„Ein Schelm, der Böses dabei denkt“) umgeben. Unter dem Schild ist das Spruchband mit
der Devise „Dieu et mon droit“ („Gott und mein
Recht“) zu erkennen (vgl. Abb. Seite 6).
Die Sandsteinreliefs rechts und links vom Portikus wurden vermutlich 1832/33 nach dem
Entwurf des Hofbauinspektors Justus Molthan
Das Leineschloss nach dem Umbau durch Laves
Schlosses sollte abgesehen werden. 1834
wurde der äußere Bau vollendet. Bis zu seiner
Zerstörung 1943 wurde dieser im Wesentlichen
nicht mehr geändert und so in den Jahren von
1958 bis 1962 wiederhergestellt.
Einige weitere Baumaßnahmen schlossen sich
jedoch noch an: Gerühmt wird bis heute der
Einfall von Laves, den zur Leineseite gelegenen Flügel des Schlosses mit einem vorspringenden Wintergarten in klassizistischem Stil zu
akzentuieren. Königin Friederike hatte es HofSeite 11
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Der Umbau durch Laves
baumeister Laves unter Rückgriff auf den Entwurf einer überdachten Terrasse auf einem galerieartigen Unterbau zur Aufgabe gemacht, die
Terrasse zu verglasen und als „Greenhouse“ zu
gestalten. Der Leiter der Münchener Hofbauintendanz, Leo von Klenze, dem Laves seine
Entwürfe zur Überarbeitung schicken musste,
hat diese 1840 modifiziert. Die Königin starb jedoch bereits 1841 und erlebte die Fertigstellung
nicht mehr. Heute befindet sich im ehemaligen
Wintergarten das Arbeitszimmer des Landtagspräsidenten (vgl. Abb. Seite 14).
1839 wurde die Schlosskapelle einer gründlichen Umgestaltung im Stil der englischen Spätgotik unterzogen. 1842 war auch der Innenausbau des Schlosses beendet. Dann verweigerte
die Ständeversammlung die Kostenübernahme
für weitere bauliche Aktivitäten, so dass bis
1847 nur noch der Friederikenplatz angelegt
wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Umbau des Leineschlosses bereits 1 196 540 Taler
verschlungen.
Nach dem Ende der Personalunion mit England
(1714 bis 1837) und mit der Thronbesteigung
Ernst Augusts im Jahre 1837 wurde Hannover zwar wieder königliche Residenz, das Leineschloss aber, wie oben schon erwähnt, nur
noch zu repräsentativen Zwecken genutzt.
Als eine seiner ersten Amtshandlungen nach
seinem Regierungsantritt setzte König Ernst
August von Hannover mit dem königlichen „Patent“ vom 1. November 1837 das von König
Wilhelm IV. eingeführte liberale Hannoversche
Staatsgrundgesetz von 1833 außer Kraft, löste
die Ständeversammlung auf und entband die
Staatsdiener von ihrem Verfassungseid.
Die Göttinger Sieben
Lithografie von Carl Rohde
Oben:
Mitte: Unten:
Seite 12
Wilhelm Grimm, Jacob Grimm
Wilhelm Eduard Albrecht,
Friedrich Christoph Dahlmann,
Georg Gottfried Gervinus
Wilhelm Eduard Weber,
Georg Heinrich August Ewald
Unter Berufung auf ihren Diensteid protestierten
letztendlich sieben Göttinger Professoren (die
„Göttinger Sieben“) gegen diese Entscheidung.
Sie wurden vom König ihrer Ämter enthoben,
drei von ihnen verwies er des Landes. Ein heftiger Verfassungskampf mit der die zweite Kammer der Ständeversammlung beherrschenden
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Der Umbau durch Laves
Opposition war die Folge. Mit dem Staatsgrundgesetz von 1840 wurde diese Auseinandersetzung beendet.
Der Regierungsantritt des blinden Königs
Georg V. ließ die Hoffnungen auf eine Vollendung der symmetrisch geplanten Schlossanlage wieder aufleben - die Häuser in der Leinstraße und das barocke Hofopernhaus, das die
Jahrhunderte unbeschadet überdauert hatte,
wurden dafür abgerissen.
Im Hinblick auf den Neubau des Welfenschlosses durch Hofbaumeister Heinrich Tramm in
Herrenhausen - seit 1879 Sitz der heutigen Universität Hannover - verzichtete König Georg V.
schließlich im November 1856 auf den Weiterbau des Leineschlosses, das somit unvollendet, gewissermaßen als Torso, zurückblieb.
Hatten bis 1854 links neben dem Portikus die
Stirnseite des Hofopernhauses und die folgenden Fronten der Bürgerhäuser für ein bauliches
Gleichgewicht gesorgt, so entstand nach dem
Abriss der Bürgerhäuser und des Opernhauses
dort ein kleiner Park.
Das Landesdenkmal „Die Göttinger Sieben“ des Künstlers
Floriano Bodini befindet seit 1998 vor dem Landtagsgebäude
Eine architektonische Ausgewogenheit des
Leineschlosses konnte letztlich erst nach dem
Zweiten Weltkrieg durch den Anbau des Plenarsaales nach einem Entwurf von Professor Dieter Oesterlen als optisches Gegengewicht zum
klassizistischen Nordflügel hergestellt werden.
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss nach der Annexion
Hannovers durch Preußen
Die Annexion des Königreichs Hannover durch
Preußen im Jahre 1866 verhinderte endgültig
alle weiteren Umbaupläne. König Georg V. hatte in der von Preußen heraufbeschworenen Krise des Deutschen Bundes das Bündnis gegen
Österreich entschieden abgelehnt. Als es zum
Krieg kam, wurde Hannover in nur wenigen
Tagen von preußischen Truppen besetzt. Die
hannoversche Armee konnte am 27. Juni 1866
zwar noch bei Langensalza in Thüringen einen
Sieg erringen, musste aber trotzdem bereits
zwei Tage später kapitulieren.
Am 6. Oktober 1866 wurde im Leineschloss feierlich das Annexionspatent verkündet. Hannover wurde damit preußische Provinz, und König
Georg V. begab sich nach Österreich ins Exil.
Das Leineschloss selbst ging - wie alle anderen
Einrichtungen und Vermögenswerte des hannoverschen Staates - an Preußen über. Am 20.
September war die Flagge mit dem Preußenadler über dem Leineschloss als sichtbares Zeichen des Machtwechsels aufgezogen worden.
Hannover erhielt nun einen Provinziallandtag
mit zuletzt 124 Mitgliedern. Der Provinz stand
der Oberpräsident, Graf Otto von StolbergWernigerode, als Vertreter des preußischen
Königs und der Berliner Regierung vor. Er ließ
sich im Kammerflügel eine prächtige Dienstwohnung einbauen, in die 1873 Prinz Albrecht
von Preußen einzog und die dieser bis 1885
ständig bewohnte. Das preußische Oberpräsidium war ebenfalls von 1867 bis 1873 im Kammerflügel des Leineschlosses untergebracht,
bevor es dann in das gegenüberliegende Alte
Palais umzog. Für die nächsten 90 Jahre sollte
im Leineschloss keine Landespolitik mehr geSeite 14
macht werden. Das Leineschloss selbst war bis
zum Zweiten Weltkrieg keinen nennenswerten
Veränderungen mehr unterworfen. Hin und
wieder wohnte seit 1871 der Kaiser bei seinen
Besuchen in der Provinzhauptstadt und der hier
stationierten Truppen im Schloss.
Nach der Hofchronik zu urteilen, besuchte Kaiser Wilhelm II., der 1898 die „Kaiser-Appartements“ modernisieren und mit bis dahin nicht
vorhandenen Badeeinrichtungen versehen
ließ, Hannover bis 1914 insgesamt 31 Mal.
Dabei waren 21 Übernachtungen im Schloss
zu verzeichnen. Getrennt durch den Mitteltrakt mit dem Wintergarten, befanden sich die
Wohn- und Schlafräume des Herrscherpaares
- wie in der ältesten Zeit des Schlosses - auf
der Leineseite. Auf Weisung Kaiser Wilhelms II.
wurde das Schlossinventar durch Mobiliar und
Bilder aus den preußischen Stammschlössern
zum Großteil ersetzt. Insbesondere Bilder mit
außergewöhnlich großen Formaten gelangten
so nach Hannover.
Wintergarten - Raumansicht von 1866,
heute Büro des Landtagspräsidenten
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Zerstörung
Im Jahre 1921 übereignete der preußische
Staat das Leineschloss der Stadt Hannover
für 100 Jahre zur kostenlosen Nutzung. Noch
während der Weimarer Republik entstanden
Pläne, im Leineschloss mehrere Museen und
ein Magazin für Kunstwerke unterzubringen.
Tatsächlich aber wurde vor dem Hintergrund
der Inflation in den Erdgeschossräumen von
der Volkswohlfahrt eine Volksküche mit Wärmehalle eingerichtet.
Erst die Nationalsozialisten verwirklichten dieses Vorhaben insofern, als sie im Oktober 1936
im Schloss eine Heeresgedenkstätte eröffneten
und so das Gebäude für Zwecke der ideologischen Kriegsvorbereitung benutzten. Das Leineschloss wurde seinerzeit zum bestbesuchten
Museum Hannovers.
Zudem hatten die Nationalsozialisten 1938 weitere Umbaupläne entwickelt: Sie sahen einen
maßstabsprengenden torartigen Durchbruch
etwa in der Mitte des barocken Kammerflügels
vor und zudem die Umgestaltung der Prunkräume. Diese Umbaupläne wurden jedoch nicht
realisiert. Bei Empfängen und Festlichkeiten
hinterließen die Nationalsozialisten mit ihren
Gästen in den Festsälen des Leineschlosses
schwere Schäden. Die Stadt konnte dann jedoch rechtzeitig baupolizeiliche Bedenken vorbringen, um so z.B. den Tanzsaal vor weiteren
Unzuträglichkeiten zu schützen.
Die Verfügung der Baupolizei datiert vom 20.
Juli 1943 - bereits sechs Tage später, am 26.
Juli desselben Jahres, wurde das Leineschloss
zwischen 12.05 Uhr und 12.15 Uhr, also innerhalb von nur 10 Minuten, bei einem amerikanischen Bombenangriff fast vollständig zerstört.
92 amerikanische B-17-Bomber mit 25.000
Brandbomben an Bord hatten Hannover überflogen und einen großen Teil ihrer zerstörerischen Ladung über der Innenstadt abgeworfen.
Das Leineschloss wurde vermutlich an über
100 Stellen getroffen, so dass nicht nur der
Dachstuhl Feuer fing, sondern die Bomben
auch die dünnen Tonnengewölbe über dem
Obergeschoss durchschlugen und zuerst die
Festräume in Brand setzten, von wo aus sich
die lodernden Flammen nur allzu schnell ausbreiteten.
Luftaufnahme des zerstörten Leineschlosses (nach 1943)
Das überalterte Schlosspersonal, neun Frauen
und Männer, taten - von einem Brandwachenhelfer unterstützt - ihr Bestes, um den Brand
unter Kontrolle zu bekommen. Der größte Teil
der hannoverschen Feuerwehren war nämlich
nicht greifbar, da er sich zu Löscharbeiten in
Hamburg befand. Daher konnten nur wenige
Möbelstücke und Gemälde gerettet werden.
Mit Ausnahme des Kammerflügels brannte das
Schloss bis auf die Grundmauern nieder.
Ein ähnliches Schicksal ereilte zeitgleich den
anderen großen hannoverschen Laves-Bau das Opernhaus im Herzen Hannovers. Weitere
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Zerstörung
Beschädigungen, vor allem am Portikus, erfolgten bei einem erneuten Bombenangriff vom 8.
auf den 9. Oktober 1943 durch die Druckwelle
einer in der Leinstraße detonierten Luftmine.
Der architektonisch wertvollste Teil des Leineschlosses, der Portikus, konnte aufgrund
sofort eingeleiteter Sicherungsmaßnahmen
in seiner Substanz erhalten werden, während
der Kammerflügel durch ein Notdach vor den
Witterungseinflüssen geschützt wurde. Mit der
Trümmerräumung wurde noch zu Kriegszeiten
begonnen, und im Kammerflügel der Schlossruine bezogen in den Nachkriegsjahren bis zum
Wiederaufbau des Leineschlosses ab 1957 verschiedene Firmen ihr Notquartier.
Übrig geblieben war somit vom ehemals so repräsentativen hannoverschen Leineschloss ein,
wie Georg Schnath es treffend formulierte, „todwundes Denkmal einstiger Größe, eine stumme
Anklage gegen den Wahnsinn der Zerstörung
und eine fordernde Mahnung an die Überlebenden.“
Zerstörter Portikus
Außenansicht
(um 1945)
Zerstörter Portikus
Innenansicht
(nach 1957)
Seite 16
8
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Wiederaufbau
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am 1. November 1946 durch die „Verordnung Nr. 55“ der
Britischen Militärregierung aus den ehemaligen - selbstständigen - Ländern Braunschweig,
Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe
das heutige Bundesland Niedersachsen mit
Hannover als Landeshauptstadt gebildet. Nach
den ersten freien Landtagswahlen am 20. April
1947 nahm das niedersächsische Landesparlament seine Arbeit zunächst vorübergehend in
der hannoverschen Stadthalle auf.
Der damalige Stadtbaurat Professor Rudolf
Hillebrecht sprach sich bereits in der ersten
Sitzung des neu gewählten Rates der Landeshauptstadt Hannover am 10. November 1948
dafür aus, das Leineschloss zum Sitz des Landesparlaments zu machen.
Rückblickend schrieb Hillebrecht: „In diesem
Augenblick galt es für das junge Land wie für
die alte Hauptstadt, den politischen Auftrag zu
erkennen und zu nutzen, um Hannover das
eindeutige Gepräge einer Landeshauptstadt
und mit der städtebaulichen Neugestaltung
dieser Stadt dem jungen Land Niedersachsen
ein sichtbares und wirksames Zentrum von
politischer Bedeutung zu geben, das zu einem
Begriff für den Gestaltungswillen der jungen
Demokratie werden könnte und im Volke lebendige Resonanz auslösen würde. Das Anliegen
des Landes wie der Stadt war also gleich gut
begründet und gleich gerichtet.“
Nutzungsrecht am Leineschloss zu verzichten
und damit den Weg für die dortige Unterbringung des Landtages frei zu machen.
1954 wurde ein Architektenwettbewerb zum
Wiederaufbau des Leineschlosses zu einem
funktionsgerechten Parlamentsgebäude ausgeschrieben, den der hannoversche Architekt Professor Dieter Oesterlen gewann. Mit 72 gegen
65 Stimmen beschloss dann der Landtag am
11. April 1956, das Leineschloss nach seinen
Plänen auf- und umbauen zu lassen. Heinrich
Hellwege legte als damaliger Ministerpräsident
dann am 30. September 1958 den Grundstein,
nachdem die vorbereitenden Bauarbeiten bereits ein Jahr zuvor begonnen hatten.
Feierliche Grundsteinlegung für den Wiederaufbau
am 30. September 1958
Zwei Monate später, am 6. Januar 1949, befasste sich der Ältestenrat des Landtages mit
diesen Vorschlägen. Noch im selben Jahr, am
17. Juni 1949, traf der Rat der Stadt Hannover
den einmütigen Beschluss, auf das städtische
Seite 17
8
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Wiederaufbau
Unter Wahrung der historischen Bausubstanz
errichtete Oesterlen ein zeitgemäßes Parlamentsgebäude und fügte dem Leineschloss
an der Stelle, an der ehemals das barocke
Schlossopernhaus gestanden hatte, einen
Plenarsaaltrakt an. Das kubische Plenarsaalgebäude sollte das nach außen hin erkennbare bauliche Zeichen für die neue Funktion des
Leineschlosses als Haus der demokratischen
Volksvertretung sein.
Am 11. September 1962 konnte das neue
Landtagsgebäude in Anwesenheit von Bundespräsident Heinrich Lübke feierlich eingeweiht
werden. Seitdem haben hier der Landtagspräsident, die Abgeordneten sowie ihre Fraktionen
und die Landtagsverwaltung ihren Arbeitsplatz.
In seiner Schlussbetrachtung über die „Geschichte des Leineschlosses“ fasste Georg
Schnath im Jahre des Einzugs in das neue
Parlamentsgebäude die charakteristischen Wesenszüge dieses historischen Gebäudes mit
folgenden Worten zusammen:
Sicherungsmaßnahmen am Portikus, 1950
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„Es gibt keine Stätte in Hannover, deren Boden
derart mit Erinnerungen und Überlieferungen
aus den letzten drei Jahrhunderten der Landesgeschichte getränkt wäre wie der des Leineschlosses. So ist es nicht zuviel gesagt, wenn
man behauptet, daß hier, recht im Mittelpunkt
der Hauptstadt, seit Generationen in guten und
in bösen Tagen das Herz des Landes geschlagen hat.“ ... „... in jeder Beziehung findet der
Entschluß, das frühere Leineschloß als Sitz
der heutigen und künftigen Landesvertretung
wieder aufzubauen, seine Rechtfertigung vor
der Geschichte und führt eine dreihundertjährige Tradition fort. Das ist das eine, was die
Geschichte des Leineschlosses der Gegenwart
und Zukunft zu sagen hat. Hinzu kommt ein
Weiteres. Dieses Schloß war nicht nur durch
drei Jahrhunderte mit der Geschichte des Landes und seiner Bewohner verbunden, sondern
in seiner ganzen Anlage und baulichen Gestaltung ein Ausdruck ihres Wesens.“
Treppenfoto vom Lichthof, 1962
8
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Wiederaufbau
Das Leineschloss im Umbau zum Landtagsgebäude (Foto: Heinz Koberg, Region Hannover, Bildarchiv)
Seite 19
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss heute
Die wertvolle historische Bausubstanz konnte
bis heute in Achtung landesgeschichtlicher Tradition erhalten werden.
Die Anlage des „Platzes der Göttinger Sieben“ neben dem Plenarsaal erfuhr 1998 noch
eine Bereicherung durch die Aufstellung eines
„Denkmals für die Göttinger Sieben“, das im
Rahmen der privaten Trägerschaft eines Kuratoriums von der Hand des Mailänder Bildhauers
Floriano Bodini entstand.
In den Jahren von 1991 bis 1994 erfolgte eine
gründliche Restaurierung der Aussenfassade,
für die Laves seinerzeit überwiegend Sandstein
aus Barsinghausen verwendet hatte.
In den Jahren 2009 bis 2014 wurden der Kammerflügel und das Hauptgebäude - mit Ausnahme des Plenarbereiches und der Portikushalle - grundsaniert und mit neuester Technik
ausgestattet.
Der Portikus des Leineschlosses, Frühjahr 2014
Seite 20
Die zahlreichen Sitzungssäle für die Ausschüsse und die Fraktionen des Landtages sowie
die Abgeordnetenbüros liegen in den Flügeln
des Hauses, die den westlichen Innenhof umschließen, im Kammerflügel sowie im Erweiterungsbau auf der gegenüberliegenden Seite
der Leinstraße, der dem Landtag seit 1984 zur
Verfügung steht. War schon das im Krieg zerstörte Alte Palais mit dem Leineschloss durch
einen unterirdischen Verbindungsgang verbunden, so ist es heute das Erweiterungsgebäude
ebenfalls.
Gelangen die Besucherinnen und Besucher
des heutigen Leineschlosses in den parallel zur
Leine gelegenen Verwaltungsflur im Sockelgeschoss, so befinden sie sich in dem Bereich, in
dem das Arbeitszimmer des Landtagspräsidenten liegt. Der Flur selbst bietet den Besucherinnen und Besuchern zahlreiche Portraits niedersächsischer Personlichkeiten: Hier sind so
bedeutende Namen wie Leibniz, Hölty, Knigge
Das Arbeitszimmer des Landtagspräsidenten, 2014
9
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss heute
oder Scharnhorst zu entdecken, und neben den
Bildnissen der „Göttinger Sieben“ finden sich
zudem unter anderem auch die von Werner von
Siemens und Rudolf von Bennigsen.
Auf der anderen Seite - im Flügel zur Leinstraße hin gelegen - ist die Bibliothek des Niedersächsischen Landtages beheimatet. Sie ist eine
Fachbibliothek, in der vornehmlich Literatur
zu den Sachgebieten Politik, Parlamentarismus und Recht verwahrt wird. Sie zählt etwa
140.000 Bände und ca. 600 Periodika, die neben den Abgeordneten und der Landtagsverwaltung in beschränktem Maße auch der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Die Bibliothek mit ihrem Lesesaal und den angrenzenden Bibliotheksräumen befindet sich
heute dort, wo bis zur Zerstörung des Leinesschlosses die Schlosskapelle untergebracht
war. Die darunter liegende Fürstengruft dient
jetzt als Magazin. In dieser Fürstengruft fand
König Georg I. nach seinem Tod am 22. Juni
Bibliothek des Niedersächsischen Landtages, 2015
1727 als einer der ganz wenigen britischen
Herrscher, die außerhalb Englands beigesetzt
wurden, bis 1957 seine letzte Ruhestätte.
Rechts vom Portikus - während der Umbauphase des Plenarbereiches vom Bauzaun verdeckt - ist seit 2007 das Kunstwerk
„Hoffmann von Fallersleben“ von dem Bildhauer Professor Siegfried Neuenhausen zu sehen.
Der Plenarsaal als der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung ist sicherlich der
wichtigste Teil des Parlamentsgebäudes - und
wird es nach Beendigung des momentan stattfindenden Umbaus auch wieder an dieser Stelle sein (vgl. Kapitel 12).
Der alte Plenarsaalbereich - insbesondere der
Plenarsaal selbst - entsprach jedoch nicht mehr
den heutigen funktionalen Anforderungen eines
Landtages und dem Anspruch, seine parlamentarische Arbeit transparent zu gestalten. Zudem
hatte der Plenarsaaltrakt in Teilbereichen starke
bautechnische Mängel. Auch war ein barrierefreier Zugang bisher nicht möglich.
Kunstwerk „Hoffmann von Fallersleben“ des Bildhauers
Professor Siegfried Neuenhausen, 2007
Seite 21
9
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss heute
Aus diesem Grund realisiert der Niedersächsche Landtag seit Juli 2014 eine Um- bzw.
Neugestaltung des Plenarbereiches einschließlich des Eingangsbereiches, der Sitzungs- und
Bürobereiche, der Bereiche für Besucherinnen
und Besucher sowie Medienvertreterinnen und
Medienvertreter und des Restaurant- und Küchenbereiches.
Zu diesem Zweck lobte das Land Niedersachsen durch das Staatliche Baumanagement im
August 2009 zunächst einen Architektenwettbewerb zur Um- oder Neugestaltung des Plenarsaaltraktes aus, bei dem der Entwurf des
Kölner Architekten Yi mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde.
Aufgrund einer vergleichenden Kostenschätzung (Kosten eines Neubaus und eines Umbaus
des Plenarbereiches) wurde jedoch nach entsprechenden übereinstimmenden Signalen aus
der Baukommission und allen Fraktionen des
Landtages Ende des Jahres 2012 entschieden,
den Neubau nicht weiter zu verfolgen. Man verständigte sich vielmehr auf eine Sanierung und
einen Umbau des Plenarsaales im Bestand.
Der alte Plenarsaal, 1962 bis 2014
(Linzenz: CC-BY-SA)
Seite 22
Mit der Sanierung und Neugestaltung des Plenarsaales wurde eine aus zehn Fachplanern
bestehende Projektgruppe beauftragt, die Landtagspräsident Busemann am 25. April 2013 im
Landtag zum Start des Umbauprojektes empfangen hat.
Nach nur achtwöchiger Vorplanungsphase hat
das Architekturbüro Blocher Blocher Partners
mit Unterstützung des Projektsteuerers ARCADIS (Hannover) der Baukommission drei Entwürfe präsentiert.
Eine besondere Herausforderung war dabei der
Wunsch des Landtagspräsidenten, die Entwürfe so zu gestalten, dass den Gestaltungsideen
des Architekten Dieter Oesterlen Rechnung getragen wird.
Planerisches Ziel ist es, das in seiner äußeren
Gestalt zu erhaltende Plenargebäude im Inneren nach den gewachsenen Bedürfnissen des
Landtages im Geiste der Architektur Oesterlens
neu zu interpretieren.
Die Baukommission hat sich am 25. Juni 2013
einstimmig für die Variante „Plenarsaal mit
Stadtbezug“ ausgesprochen.
Variante „Plenarsaal mit Stadtbezug“
(Bildrechte: Blocher Blocher Partners)
9
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss heute
Am Freitag, dem 25. Juli 2014, tagte der Landtag das letzte Mal in seinem alten Plenarsaal.
Das Bauvorhaben hat sofort danach planmäßig
begonnen und soll voraussichtich im Sommer
2017 abgeschlossen sein.
Das Parlament tagt während der Umbauphase
im nahegelegene Forum im ehemaligen Georgvon-Cölln-Haus, das vom Sommer 2013 bis
Sommer 2014 als Interims-Plenarsaal hergerichtet wurde (vgl. Kapitel 13).
Niedersachsentreppe in der alten Portikushalle, 2013
(Linzenz: CC-BY-SA)
Aktuelle Informationen mit Bilder- und Videogalerien sowohl zum Umbau des Forums zum
Provisorium als auch zum Umbau des Plenarbereiches finden Sie als Dokumentation auf
den Internetseiten des Niedersächsischen
Landtages:
www.landtag-niedersachsen.de/
neugestaltung_des_plenarbereiches/
Niedersachsentreppe während des Umbaus, 2015
Die letzte Sitzung im alten Plenarsaal am 25. Juli 2014
Die erste Sitzung im Interims-Plenarsaal im Forum
am 24. September 2014
Seite 23
10
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
LEIBNIZ-SAAL
Seit dem Frühjahr 2005 bis zum Beginn der
Umbaumaßnahmen im Plenarbereich war der
ehemalige Repräsentationssaal des Niedersächsischen Landtages dem großen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis
1716) gewidmet. Der Name Leibniz ist auf das
Engste mit Hannover und dem Leineschloss
verbunden, denn 1676 wurde er von Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg als
Hofrat und Bibliothekar an den hannoverschen
Hof gerufen, an dem er bis zu seinem Tod vierzig Jahre wirkte. Allein zwölf Jahre wohnte er
im Schloss.
Im LEIBNIZ-SAAL befanden sich neben dem
Gipsabguss einer von dem Bildhauer Johann
Gottfried Schmidt um 1789 geschaffenen Büste
(Leihgabe des Historischen Museums Hannover) mehrere Vitrinen, in denen Schrifterzeugnisse des berühmten Gelehrten ausgestellt waren (Reproduktionen nach Originalen aus der
Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover).
Bemerkenswert waren darunter insbesondere
seine Überlegungen zur Ausgestaltung des barocken Rittersaales im Leineschloss mit welfischen Ahnenportraits.
Als Herzstück des LEIBNIZ-SAALES konnte sicher das in Acrylglas gestaltete „Triptychon zur
niedersächsischen Landesgeschichte“ (Leihgabe der Stiftung Niedersachsen, ehemals Niedersächsische Lottostiftung) bezeichnet werden. Es greift drei wichtige historische Daten
der niedersächsischen Landesgeschichte auf:
1648 - Westfälischer Frieden, 1815 - Wiener
Kongress und 1946 - Gründung des Landes
Niedersachsen.
Seite 24
Ergänzend dazu machten Reproduktionen von
Urkunden auf besonders einschneidende Ereignisse der Geschichte des Landes Niedersachsen aufmerksam: zum einen der seinerzeit
im Leineschloss an Kurfürstenwitwe Sophie
übergebene „Act of Settlement“, der auf die
123jährige Personalunion (1714 - 1837) zwischen Hannover und Großbritannien hinweist,
zum anderen die „Verordnung Nr. 55“, mit der
am 1. November 1946 von der Britischen Militärregierung das Land Niedersachsen gegründet wurde. Eine weitere Reproduktion des unter
König Georg V. im Jahre 1860 eingeführten
Hannoverschen Staatswappens spiegelte noch
einmal die besondere enge englisch-hannoversche Verbindung wider.
Für die Frage, inwieweit diese Exponate nach
Beendigung der Umbauphase des Plenarbereiches wieder im LEIBNIZ-SAAL im Niedersächsischen Landtag eingebunden werden
können, ist es zum jetzigen Zeitpunkt sicher
noch zu früh. Aber es ist daran gedacht, diesem berühmten Gelehrten und den erwähnten
herausragenden Ereignissen zur niedersächsischen Landesgeschichte wieder gebührend
Rechnung zu tragen.
Gotfried Wilhelm Leibniz
(von Christoph Bernhard
Francke [Public domain],
via Wikimedia Commons)
10
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
LEIBNIZ-SAAL
Triptychon zur niedersächsischen Landesgeschichte und Blick in die Portikushalle
Seite 25
11
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Forum für die Kunst
Das Leineschloss ist heute nicht nur ein Ort politischen Handelns, sondern auch ein Forum für
die Kunst. Wir haben es dabei natürlich nicht mit
einem Museum zu tun, vielmehr geht die Kunst
hier mit dem Gebäude eine Symbiose ein. Sie
unterstreicht den repräsentativen Charakter des
Hauses und verleiht den Räumlichkeiten Farbe
und Leben. Diejenigen, die im Parlamentsgebäude arbeiten oder zu Gast sind, können sich
so an den Exponaten erfreuen und auf diese
Weise Abwechslung in ihren Alltag bringen.
Denn: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von
der Seele“, wie Pablo Picasso einst treffsicher
feststellte.
Als der Niedersächsische Landtag das nach
seiner Kriegszerstörung wieder aufgebaute und
neu gestaltete Leineschloss 1962 bezog, konnte nicht mehr auf historisches Schlossinventar
zurückgegriffen werden. Es galt also, dem Parlamentsgebäude durch die Präsentation von
zu diesem Zweck erworbenen Kunstobjekten
ein Gesicht zu verleihen. So bildeten Spenden
von Bürgerinnen und Bürgern, von Gemeinden,
Landkreisen, Verbänden, Gewerbebetrieben,
Industrieunternehmen und Banken anlässlich
der Einweihung des Landtagsgebäudes den
Grundstock der Kunstsammlung. Im Laufe
der zurückliegenden Jahrzehnte sind zahlreiche Gemälde, Grafiken, Plastiken und textile
Kunstwerke vornehmlich niedersächsischer
Künstlerinnen und Künstler hinzugekommen
und schmücken die Sitzungssäle, Gänge und
Arbeitszimmer.
Die Kunstgegenstände, die sich im Areal der
derzeit vom Umbau betroffenen Plenarbereiche
befunden haben, sind seit dem Sommer 2014
Seite 26
eingelagert. Sobald der neue Plenarbereich fertiggestellt ist, werden sie wieder zahlreich in den
Räumlichkeiten zu finden sein. Auch wenn viele
Objekte momentan nicht in den Räumlichkeiten
des Landtagsgebäudes zu sehen sind, sollten
einige doch an dieser Stelle erwähnt werden:
In der alten Portikushalle hatte ein großes
Wandbild des niedersächsischen, international
renommierten Künstlers Professor Gerd Winner aus Liebenburg in außergewöhnlicher Weise künstlerische Akzente gesetzt. Es verweist
mit seinem Titel „Richtungen“ auf die spezifische Arbeit des Niedersächsischen Landtages,
in dem unterschiedliche politische Richtungen
vertreten sind und in dem auf dem Wege eines
parlamentarisch-demokratischen
Entscheidungsprozesses „Richtungen“ für die Zukunft
dieses Landes gewiesen werden.
Auch sollte auf das große Gemälde „Einsame
Fahrt bei Worpswede“ von Fritz Mackensen,
dem Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie, die prächtigen flämischen Gobelins, die
Pferdeplastik des Bildhauers Joachim Dunkel
oder die archaische Figur des „Schreitenden“
des 1942 in Russland gefallenen Künstlers Hermann Blumenthal hingewiesen werden.
Nach Beendigung der Umbauarbeiten wird das
Gebäude auch wieder für niedersächsische
Institutionen offen sein, sich im Rahmen von
Ausstellungen mit „Premierencharakter“ mit
ihrer Arbeit den Abgeordneten, aber auch den
interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu präsentieren.
11
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Forum für die Kunst
oben: „Richtungen“ von Prof. Gerd Winner
Mitte links: „Einsame Fahrt bei Worpswede“ von Fritz Mackensen
unten links: Pferdeplastik von Joachim Dunkel
rechts: „Schreitender“ von Hermann Blumenthal
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Umbau des Plenarbereiches
(seit 2014)
Am 25. Juli 2014 tagte der Landtag das letzte Mal in seinem alten Plenarsaal. Zum Ende
der Sitzung zog Landtagspräsident Bernd Busemann in einer Ansprache an alle Abgeordneten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Fraktionen und der Landtagsverwaltung ein
Resümee der zurückliegenden Jahrzehnte.
Im Zuge der Sanierung des Plenarsaales wurde
es erforderlich, die alten Abgeordnetentische
und -stühle auszutauschen. Die ausgedienten
Parlamentsstühle wurden binnen kürzester Zeit
für einen guten Zweck veräußert. Viele Bürgerinnen und Bürger hatten großes Interesse, einen
dieser Stühle zu erwerben. Durch den Verkauf
der Stühle wurde ein Erlös in Höhe von 18.600
Euro erzielt. Diesen Betrag hat der Landtag auf
20.000 Euro aufgerundet. Er wurde an soziale
Einrichtungen gespendet.
Abgeordnetenplatz im Plenarsaal, 2013
(Linzenz: CC-BY-SA)
Seite 28
Am 2. Dezember 2014 wurde das Niedersachsen-Ross mit einem 80-Tonnen-Kran durch eine
Öffnung im Dach aus dem alten Plenarsaal gehoben. Danach wurde das bereits sicher in einer
speziellen Transportkiste verpackte Kunstwerk
des Bildhauers Professor Kurt Schwerdtfeger
zu einem Restaurierungsbetrieb gebracht. Dort
im Landkreis Gifhorn in der Gemeinde Grassel arbeiteten erfahrene Restauratorinnen und
Restauratoren behutsam daran, das Niedersachsen-Ross instandzusetzen. Dies war eine
anspruchsvolle Aufgaben, denn die Arbeiten
sollten so durchgeführt werden, dass die Geschichte des Kunstwerks bewahrt wird. Nach
Fertigstellung der Arbeiten ist das Ross in den
Landtag zurückgekehrt - in den Eingangsbereich des Interims-Plenarsaales im Forum des
ehemaligen Georg-von-Cölln-Hauses.
Freigelegtes Niedersachsen-Ross des
Bildhauers Prof. Kurt Schwerdtfeger, 2014
12
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Umbau des Plenarbereiches (seit 2014)
Der Baubeginn für die Neugestaltung des Plenarbereiches war am 28. Juli 2014. Seit diesem
Tage ist der Haupteingang des Landtages am
Portikus nicht mehr nutzbar. Das Hauptgebäude kann während der Bauzeit nur über den
Landtagsparkplatz am Holzmarkt sowie über
das Erweiterungsgebäude in der Leinstraße
betreten werden.
Nachdem die Entkernung des alten Plenarbereiches abgeschlossen worden war, hat Landtagspräsident Busemann am 14. Juli 2015 den
Grundstein für die Gestaltung des neuen Plenarsaales gelegt. Mit dieser Grundsteinlegung
wurde ganz konkret der Start der eigentlichen
Wiederaufbauarbeiten markiert. In den Grundstein wurde eine Schatulle aus Kupfer eingemauert. Sie enthält druckfrische Tageszeitungen, ausgewählte Münzen, Baupläne sowie ein
Firmen- und ein Abgeordnetenverzeichnis.
Landtagspräsident Bernd Busemann und Finanzminister
Peter-Jürgen Schneider bei der Grundsteinlegung, 2015
Bis zum Frühjahr 2016 soll im Zuge der Rohbauarbeiten die Kubatur des Plenarsaales weitgehend wiederhergestellt sein. Hierfür werden
rund 4000 cbm Beton (das entspricht etwa
der Ladung von 500 Betonfahrzeugen), rund
700 Tonnen Bewehrungsstahl sowie rund 300
Tonnen Stahltragwerke benötigt. Der BruttoRauminhalt des neuen Plenarbereiches wird
später mit rund 60.000 cbm etwa dem von 100
Einfamilienhäusern entsprechen.
Abgeschlossen werden sollen alle Umbauarbeiten voraussichtlich im Sommer 2017.
Luftaufnahme des Leineschlosses mit Baustelle, Sommer 2015
Seite 29
13
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Interims-Plenarsaal
Georg-von-Cölln-Haus
Das Grundstück Am Markte 8 - 11 ist in Hannover bekannt unter dem Namen „Georg-vonCölln-Haus“ und liegt im Zentrum Hannovers
am Rande der Altstadt. Nach der Jahrhundertwende 1900 errichtete der Kaufmann Georg von Cölln dort eine Eisenwarenhandlung
mit Büro- und Lagerflächen. Später befanden
sich hier Büros und Lager der Firma Friedrich
Krupp AG. Im Zweiten Weltkrieg wurde das
Gebäude zerstört, 1951 wieder aufgebaut und
1955 ergänzt.
Mit seiner vorderen, etwa 40 m breiten Straßenfront liegt es unmittelbar gegenüber der im
14. Jahrhundert erbauten Marktkirche. Es bildet
hier den städtebaulichen Abschluss des historischen Marktplatzes als auch den Beginn der
Kramerstraße, des unter Denkmalschutz stehenden Straßenzuges in die Altstadt.
Das Forum vor dem Umbau zum Interims-Plenarsaal, 2013
Seite 30
Ab 1979 wurde das Gebäude zum Teil durch
den Niedersächsischen Landtag und zum Teil
durch das Niedersächsische Landesmuseum
(„Forum Am Markt“, geschlossen 2007) genutzt.
Während der Sanierung des Leineschlosses
war hier die Landtagsbibliothek untergebracht
(2010 bis 2011).
Forum
Die glasgedeckte Halle mit zwei umlaufenden
Emporen ist ein denkmalgeschütztes, historisches Gebäude. Sie ist ein Beispiel für frühe
Industriearchitektur und daher architekturgeschichtlich von besonderer Bedeutung.
Die Fläche umfasst ca. 3500 qm, ist 10 m breit,
30 m lang und 14 m hoch. Sie besteht aus zwei
umlaufenden Galerien aus filigranem Stahlguss. Die gusseisernen Säulen haben keine
Tragefunktion.
Das Forum nach dem Umbau zum Interims-Plenarsaal, 2014
13
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Interims-Plenarsaal
Von 2013 bis 2014 wurde die Halle zum Interims-Plenarsaal umgebaut. Seit September
2014 finden hier bis zum Ende der Umbauphase des Plenarbereiches am Leineschloss die
Plenarsitzungen des Niedersächsischen Landtages statt.
Interims-Plenarsaal
Das Parlament tagte hier erstmals am 24. September 2014.
Es werden während der Sitzungen ca. 21.000
cbm Luft umgewälzt. Insgesamt wurden etwa
10.000 Meter Elektrokabel und 40.000 Meter
Datenleitungen im Forum verlegt.
Die Plenarsitzungen sollen hier voraussichtlich
bis Sommer 2017 stattfinden. Danach soll der
Saal weiterhin für den Parlamentsbetrieb (z.B.
große Anhörungen in den Ausschüssen) und für
Veranstaltungen genutzt werden.
Umbauschwerpunkte waren zuvor die Schaffung von Räumen für den Plenarbetrieb, die
Klima- und Lüftungstechnik, die Medientechnik
und die Akustik. Die Kosten für den Umbau lagen bei ca. 2 Mio. Euro.
Der Fußboden ist ein ca. 400 qm großer Doppelboden, in dem die Belüftung und die Elektrotechnik untergebracht sind. Die speziell
eingezogene Decke ist eine ca. 800 qm große
Akustikdecke.
Die erste Plenarsitzung im Interims-Plenarsaal am 24. September 2014
Seite 31
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Impressum
Herausgeber:
Der Präsident des Niedersächsischen Landtages
Referat für Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Protokoll
Druck:
Druckerei des Niedersächsischen Landtages
Stand:
August 2015
Copyright:
Niedersächsischer Landtag, 2007
Bildquellen:
Tom Figiel, Hannover
Niedersächsisches Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Hannover
Historisches Museum Hannover
Archiv des Niedersächsischen Landtages
Studiengang Kommunikations-Design, Fachbereich Design und Medien der Fachhochschule Hannover
Prof. Manfred Zimmermann, EuroMediaHouse, Hannover
R. Roletschek, Lizenz: CC-BY-SA
Wikimedia Commons
Blocher Blocher Partners
Heinz Koberg, Region Hannover
Grazia Schicht-Laves, Schweiz
Gunter Georg Weber
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten