Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
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Das Leineschloss im Wandel der Zeiten
Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Inhaltsverzeichnis Einführung................................................................................................................. 3 Hannover wird Residenz: Die baulichen Anfänge des Leineschlosses..................... 4 Barocke Hofhaltung................................................................................................... 5 Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten....................................................... 7 Personalunion .......................................................................................................... 7 Französische Besatzung........................................................................................... 8 Allgemeine Ständeversammlung............................................................................... 9 Der Umbau durch Laves ........................................................................................ 10 Das Leineschloss nach der Annexion Hannovers durch Preußen.......................... 14 Zerstörung............................................................................................................... 15 Wiederaufbau.......................................................................................................... 17 Das Leineschloss heute.......................................................................................... 20 LEIBNIZ-SAAL......................................................................................................... 24 Forum für die Kunst................................................................................................. 26 Umbau des Plenarbereiches (seit 2014)................................................................. 28 Interims-Plenarsaal.................................................................................................. 30 Impressum............................................................................................................... 33 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten 1 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Einführung Seit dem 11. September 1962 hat der Niedersächsische Landtag seinen Sitz im hannoverschen Leineschloss. Es ist ein Gebäude, das auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken kann: Es war Kloster, Schloss und Regierungssitz, Armenhaus, Hospital, Schule, Münzstätte, Magazin, Kaserne, Wärmehalle, Volksküche und Museum. Heute kommen hier die Abgeordneten aus allen Teilen des Landes zu den Plenar-, Ausschussund Fraktionssitzungen zusammen, hier befinden sich ihre Büros, diejenigen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Fraktionen und die Büroräume der Landtagsverwaltung. Unmittelbar an der Leine gelegen und durch die historischen Wandlungen der vergangenen Jahrhunderte in besonderer Art gekennzeichnet, kann es in seiner heutigen Gestalt sicher zu den schönsten Bauwerken Hannovers gezählt werden. Es spiegelt wie kaum eine andere bauliche Anlage die Geschicke des Landes, seiner Hauptstadt und seiner Bewohnerinnen und Bewohner wider. „Machte man sich auf die Suche nach einem Bauwerk, das - auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen gelegen - mit der Geschichte dieses Raumes, aber auch mit der deutschen und europäischen Geschichte der letzten 350 Jahre auf das engste verknüpft sein müsste, man hätte es rasch gefunden: das Leineschloß.“ anderes Gebäude der Stadt aufgrund seiner städtebaulichen Lage, seiner Geschichte sowie seines Denkmalwertes so geeignet für den Sitz des Landesparlaments sei wie das Leineschloss. Am Leineschloss, das Herzog Georg von Calenberg erbauen ließ, nachdem er Hannover zur Hauptstadt seines Fürstentums CalenbergGöttingen, der Keimzelle des späteren Kurfürstentums und Königreichs Hannover, gemacht hatte, und seiner neueren Geschichte lässt sich in gewisser Weise der Wandel politischer Machtausübung in Deutschland nachvollziehen: Heute ist es Sitz des Niedersächsischen Landtages und damit ein Haus der Demokratie, ursprünglich war es jedoch das Zentrum der absoluten Macht des fürstlichen Herrschers. Zahlreiche tief greifende historische Ereignisse, von denen in diesem Heft die Rede sein wird, haben die Entwicklung von der Herrschaft über das Volk zur Herrschaft des Volkes begleitet. Luftaufnahme des Leineschlosses mit Plenarsaaltrakt, 2013 Auf diese Weise beschreibt Klaus Mlynek das wohl wichtigste Charakteristikum dieses Hauses. Und der hannoversche Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht war der Auffassung, dass kein Seite 3 2 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Hannover wird Residenz: Die baulichen Anfänge des Leineschlosses Im Jahre 1636 machte Herzog Georg von Calenberg, dem das Fürstentum Calenberg ein Jahr zuvor von seinem erbenlosen Bruder überlassen worden war, Hannover zum Regierungssitz. Am 16. Februar zog er mit prächtigem Gefolge in der Stadt ein. Ein Jahr später ließ Herzog Georg das erste Leineschloss errichten. Zuvor hatte eine fürstliche Kommission das alte, um 1300 erstmalig urkundlich erwähnte, zwischen Leinstraße und Leine gelegene und im Zuge der Reformation säkularisierte Barfüßerkloster auf dem Münchehof als Grundstück für ein „fürstliches Palatium“ gegen den Willen des Rates der Stadt Hannover ausgewählt. Die einzelnen Gebäude des Klosters waren vom Rat der Stadt nach der Reformation etwa 100 Jahre lang als Zeughaus, Münze, Hospital, Armenhaus, Schule sowie als Salz- und Kornmagazin genutzt worden. Hier begann schon bald der Teilabriss und der Umbau der auf dem Münchehof gelegenen Gebäude zur Residenz. Es entstand allerdings kein prächtiger Palast, sondern ein schlichter Fachwerkbau, der die erhalten gebliebene Klosterkirche integrierte. Dass dieses erste Leineschloss eher zu einer Behelfslösung geriet, ist mit den schwierigen Verhältnissen während des Dreißigjährigen Krieges zu erklären. Drei Jahre nach Baubeginn konnte Herzog Georg das Schloss beziehen. 1641 war das Gebäude dann nahezu vollendet. Allein die Umgestaltung der alten Klosterkirche zur Schlosskirche benötigte sehr viel Zeit, so dass sie erst im Juli 1642 mit einer lutherischen Predigt eingeweiht wurde. Mit der Regierungsübernahme im Jahre 1665 durch Herzog Johann Friedrich, der 1652 Seite 4 in Italien zum katholischen Glauben konvertiert war, erfuhr das Leineschloss seinen ersten Umbau. Unter seiner Regentschaft entstand hier erneut ein Kloster, als er in der Schlossanlage ein Kapuzinerkloster einrichtete, das 1671 vollständig ausgebaut war. Zudem ließ er 1668 unter dem Chor der Schlosskirche die Fürstengruft anlegen. Herzog Johann Friedrich hatte aber auch Sinn für die schönen Künste. So entstand an der Südostecke der Leinefront in der Zeit von 1674 bis 1677 ein Pavillon, der sog. „Französische Comoediensaal“, und zudem wurden einige Innenräume des Schlosses prunkvoller ausgestaltet. 1671 erlangte der Herzog den Reliquienschatz des Braunschweiger Blasiusstiftes, der später als „Welfenschatz“ weltberühmt werden sollte. Er ließ ihn in der Schlosskirche verwahren. Auf seinen Einfluss ist außerdem zurückzuführen, dass eine umfangreiche Gemäldesammlung angelegt und die Hofbibliothek ab 1676 von Gottfried Wilhelm Leibniz betreut wurde. Ferner fügte er dem Schlossgebäude den sogenannten Kammerflügel an. Leineschloss - Ansicht von 1637 3 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Barocke Hofhaltung Weitere bauliche Veränderungen am Leineschloss begannen 1680 unter Herzog Ernst August, der 1692 die Kurfürstenwürde erhielt. Während seiner Regentschaft wandelte sich das Leineschloss durch vielfältige Umbaumaßnahmen in ein Residenzschloss. Der neue Landesherr war evangelisch und löste daher 1680 das Kapuzinerkloster auf. Die baufälligen Häuser und Buden auf der Flussinsel fielen dem Abbruch zum Opfer, so dass die „Schlossfreiheit“ geschaffen werden konnte. Der Leinepavillon und die Schlossbrücke entstanden von 1688 an. Die barocke Hofhaltung wurde besonders durch die neu gestaltete Leinefront und den prunkvollen Rittersaal mit seinen reichen Stuckarbeiten und den Welfenporträts, die - ursprünglich von Gottfried Wilhelm Leibniz ausgewählt - 1866 nach der Annexion durch Preußen gegen brandenburgische Herrscherporträts ausgetauscht wurden, sichtbar. Der Rittersaal wurde in der Zeit zwischen 1685 und 1688 im Obergeschoss des östlichen Querflügels von italienischen Maurern, Stuckateuren und Malern ausgestal- Rittersaal tet und diente dem Hof für große Festlichkeiten. „Italienisch“ war, wie der Historiker Georg Schnath es formulierte, auch am Hofe Ernst Augusts „Trumpf“ geblieben, nachdem schon bei seinem Vorgänger Herzog Johann Friedrich italienische Künstler ein und aus gegangen waren. Herzog Ernst August, einem Liebhaber der italienischen Oper, ist schließlich auch der Bau des barocken Hofopernhauses im Jahre 1689 zu verdanken, das schon ein Jahr später fertig gestellt werden konnte. Die Bühne des vollständig aus Holz errichteten Hofopernhauses befand sich an der Leinstraßenfront, während der Zuschauerraum zum Fluss hin lag. Das Hofopernhaus wurde mit seinen vier Rängen und 1300 Plätzen von den Zeitgenossen als eines der schönsten und prächtigsten in Europa gerühmt. Der Leinepavillon, in der die Küche und das kleine Hoftheater eingerichtet waren, wurde in den Jahren von 1690 bis 1693 mit erheblichem finanziellen Aufwand erneuert. Das Schloss zu Hannover im 17. Jahrhundert Seite 5 3 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Barocke Hofhaltung Und ein weiteres historisches Ereignis vollzog sich in diesen Jahren im Leineschloss: Am 15. August 1701 überreichte der Sonderbotschafter des englischen Hofes, der Earl of Macclesfield, der Kurfürstenwitwe Sophie, einer Enkelin König Jakobs I. von England, die „Sukzessionsakte“, die Bestätigung ihres Anspruchs und die ihrer Nachkommen auf die englische Thronfolge. Leineschlosses weiter aus und vergrößerte den Kammerflügel, in dem die obersten Landesbehörden arbeiteten. Baulich hat der Kurfürst ansonsten wenig verändert, galt doch sein Interesse vornehmlich dem Heerwesen und der Jagd. Auf große Bewunderung stieß das Reithaus, mit dem er die Stallanlagen erweitert hatte. Für bedeutende europäische Persönlichkeiten war die Residenzstadt Hannover zu dieser Zeit ein besonderer Anziehungspunkt: Georg Friedrich Händel dirigierte zeitweilig Kammerkonzerte für Georg Ludwig im Schloss; der Kurfürstin Sophie war es zu verdanken, dass Leibniz über vierzig Jahre hinweg in der Stadt gehalten werden konnte (vgl. Kapitel 10); der Herzog von Marlborough, Prinz Eugen von Savoyen und Zar Peter der Große waren zu Gast im Leineschloss. Wappen im Giebelfeld des Portikus Symbol der hannoversch-britischen Personalunion Um diesem bedeutenden Anlass beizuwohnen, kam der Hof eigens aus Herrenhausen in das Leineschloss. Kurfürstin Sophie starb im Juni 1714 und damit acht Wochen vor der Königin Anna von England, ihrer Nichte, so dass sich ihr Wunsch, als englische Königin beerdigt zu werden, nicht erfüllte. Dafür bestieg nun ihr ältester Sohn, Kurfürst Georg Ludwig, den englischen Thron. Während der Regentschaft von Kurfürst Georg Ludwig entfaltete die Hofhaltung in Hannover ihr strahlendstes Gepränge. Georg Ludwig, der im Jahre 1714 als Georg I. den Königsthron von Großbritannien und Irland bestieg und mit dem damit die englisch-hannoversche Personalunion begann, gestaltete die Innenräume des Seite 6 König Georg I. König von England und Irland 4 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten Personalunion Mit der englisch-hannoverschen Personalunion wurde das Leineschloss für 123 Jahre zur „Residenz ohne Regenten“. Die Könige nutzten das Leineschloss in diesen Jahren nur selten zu repräsentativen Zwecken. Das Schloss gewann aber nun als Sitz oberster Landesbehörden wie etwa der Geheimen Räte, der Rent- und der Domänenkammer, der Justiz- und Kriegskanzlei sowie von Generalkasse, Bibliothek und Archiv - an Bedeutung. Das Leineschloss blieb im Laufe der Jahrhunderte vor Feuersbrünsten nicht verschont. So brannte am 5. April 1741 der Kammerflügel ab, in dem die obersten Landesbehörden untergebracht waren. Der Wiederaufbau erfolgte bis 1746 durch den Baumeister Johann Paul Heumann - jetzt jedoch als massiver Steinbau, nachdem der Hof beschlossen hatte, dieses Gebäudesegment nicht wieder als Fachwerkbau zu errichten. Heumanns Entwürfe waren übrigens von französischen Architekten überarbeitet worden. 1797 wurde das mittlerweile baufällig gewordene Leinetor abgerissen. Die so frei gewordene westliche Schmalseite des Kammerflügels wurde von Hofbaumeister Benjamin Hase durch eine Fassade im gleichen Stil verkleidet. Bis heute blieb diese äußere Gestaltung des Kammerflügels erhalten und wurde beim Umbau des Schlosses durch Georg Ludwig Friedrich Laves bestimmend für die ganze Leinefassade. Umbaupläne der Baumeister Friedrich Weinbrenner und Josef Krahe kamen wegen der französischen Besetzung 1803 nicht zur Ausführung, so dass die oben beschriebenen Maßnahmen als vierter Bauabschnitt gelten können. Brand des Kammerflügels am 5. April 1741 Seite 7 4 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten Französische Besatzung Die Okkupation Hannovers durch französische Truppen brachte dem Leineschloss Jahre der Verwüstung. Am 5. Juni 1803 rückten französische Truppen unter der Führung von General Mortier durch das Steintor in Hannover ein. Mit der Plünderung des Leineschlosses durch die französischen Besatzungstruppen begann dessen Verwahrlosung. Eine Regierungskommission führte eine Bestandsaufnahme der landesherrlichen Schlösser und Gärten durch, nachdem die südlichen Landesteile dem Königreich Westphalen, das Jerôme, der Bruder Napoleons I., von Kassel aus regierte, zugeschlagen worden waren. Sie befand, dass das Leineschloss heruntergekommen und baufällig sei und es sich daher nur noch als Kaserne eigne. Jerôme schenkte daraufhin das baufällige Schloss der Stadt Hannover - ein Geschenk, das jedoch sehr kostspielig werden sollte: Die Stadt war gehalten, es auf eigene Kosten zur Kasernierung von 3000 Soldaten herzurichten. Da die Mannschaftsquartiere, Offizierswohnungen und Magazine keiner Seite 8 festen Garnison dienten, sondern die Räumlichkeiten des Leineschlosses von verschiedenen durchziehenden Truppen belegt wurden, verwahrloste das Schloss zusehends. Erst mit dem Ende der zehnjährigen französischen Besatzung 1813 wurde die militärische Nutzung des Schlosses aufgegeben. Die hannoversche Regierung erhielt von der Stadt das Leineschloss zurück, so dass hier wiederum die obersten Behörden einziehen konnten. 20 Jahre später sollte das Schloss während des Umbaus wieder als Kaserne - jetzt für die hannoverschen Gardegrenadiere - genutzt werden. Leineschloss vom Holzmarkt aus um 1858 4 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss als Residenz ohne Regenten Allgemeine Ständeversammlung Nach der Befreiung des Landes von der französischen Besatzung brachte der Wiener Kongress 1814/1815 eine Neuordnung Europas und klare Grenzen. Kurz zuvor war Hannover unter Georg III., der bereits König von Großbritannien und Irland und zugleich Kurfürst von Hannover war, Königreich geworden. Es umfasste zehn ehemalige Fürstentümer und Grafschaften sowie insgesamt sieben Provinziallandtage und damit etwa 4/5 der Fläche des heutigen Landes Niedersachsen. Der Sohn Georgs III., Prinzregent Georg, berief im Jahre 1814 als Vertreter des Königs in Hannover eine „Allgemeine Ständeversammlung für das Königreich Hannover“ ein - in deren Geschäftsordnung, damals „Regiment“ genannt, bereits der Begriff „Landtag“ auftauchte. Die „Allgemeine Ständeversammlung“ sollte über alle, das gesamte Land betreffenden Angelegenheiten mitberaten. Damit war eine erste ständisch repräsentative Versammlung des gesamten Landes geschaffen. Sie stellte zugleich den vorsichtigen Beginn eines - allerdings auf die oberen Klassen begrenzten - parlamentarischen Lebens dar. Die Ständeversammlung bestand aus sieben „Provinzial-Landständen“ und wurde am 15. Dezember 1814 im Leineschloss von Herzog Adolph Friedrich von Cambridge, einem Bruder Georgs, als königlichem Repräsentanten und Militärgouverneur in Hannover feierlich eröffnet. In der Bewilligung der Steuern und der Kontrolle der Finanzen bestand die wichtigste Aufgabe der „Provinzial-Landstände“. Im Jahre 1833 veränderten sich die Rechte und die Zusammensetzung der Ständeversammlung noch einmal grundlegend, indem Hannover durch die Verabschiedung eines Staatsgrundgesetzes in die Reihe der konstitutionellen Monarchien eintrat. Die Vertretung des Bürgertums und der frei gewordenen Bauern wurde damit deutlich verbessert. Das erreichte Budgetrecht über eine aus Generalsteuerkasse und königlicher Schatulle entstandenen Staatskasse sowie das Recht zur Gesetzesinitiative ließen die damalige Stände- Leineschloss, Südseite mit Friederikenplatz, um 1858 versammlung endlich zu einem ersten Baustein und Vorläufer für die heutige parlamentarische Demokratie werden. Ab 1818 tagte die „Allgemeine Ständeversammlung“ im Ständehaus der „Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft“ in der Osterstraße. Erst 1862 kehrten die sich aus der Ständeversammlung entwickelnden parlamentarischen Gremien in das Leineschloss zurück. Seite 9 5 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Der Umbau durch Laves Doch zurück in die Zeit des Wiener Kongresses. Die gesteigerte Bedeutung des Königreichs Hannover machte die Wiederherstellung des Leineschlosses und seine repräsentative Funktion für das gerade aus der Taufe gehobene Königreich notwendig. Für den sich über Jahre hinziehenden, von Rückschlägen, Geldsorgen und Intrigen begleiteten Ausbau des Leineschlosses wurde der Kasseler Oberhofbaudirektor Christoph Heinrich Jussow hinzugezogen, sein Neffe hingegen, der junge Hofbauverwalter Georg Ludwig Friedrich Laves, in der Folge einer der bedeu- tendsten Vertreter des Klassizismus, mit der Ausführung beauftragt. Angestrebt war, Raum für die königliche Familie, die Regierung und die Ständeversammlung zu schaffen. Im Jahr 1816 legte Laves seine erste Denkschrift vor. Sie sah ein neues Schloss zwischen Clevertor (heute Brühlstraße in Höhe der Agentur für Arbeit) und Königsworther Platz vor. Das Leineschloss hingegen sollte nur noch die Funktion eines Behördenhauses der obersten Landesverwaltung erfüllen. Die Finanznot des durch die französische Besatzungszeit gebeutelten Landes ließ allerdings diese Pläne, die in einem ersten Kostenanschlag mit 3 363 000 Talern kalkuliert waren, scheitern. Gemeinsam mit Jussow entwickelte Laves noch im selben Jahr die ersten Entwürfe für den Umbau des Leineschlosses. Auch hierbei spielten städtebauliche Überlegungen wieder eine zentrale Rolle: Nach Laves´ Plänen war mit Ausrichtung auf das Schloss neben einem neuen, hauptstädtischen Stadtviertel im Steintorfeld ein breiter Straßendurchbruch von der Georgstraße her vorgesehen. Der Magistrat der Stadt lehnte das Vorhaben jedoch ab. Georg Ludwig Friedrich Laves Gemälde 1840er Jahre, Privatbesitz Seite 10 Am 3. Dezember 1816 erging der Baubefehl, so dass am 30. September 1817 der Grundstein gelegt werden konnte. Der Leineflügel und der westliche Querflügel bis zur Leinstraße waren acht Jahre später äußerlich fertig gestellt. 1826 machten wachsende Finanzschwierigkeiten erste Änderungen erforderlich: König Georg IV. verfügte, die alten Regierungsbauten, die auf dem heutigen Parkplatz des Landtages standen, nicht wieder zu errichten. Proteste der Anlieger und finanzielle Probleme hatten zu 5 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Der Umbau durch Laves dieser Entscheidung geführt. Ebenso wurde auf die ursprünglich vorgesehenen Räume für die Ständeversammlung verzichtet. Der König akzeptierte nun einen von Laves neu vorgelegten Entwurf, der den Portikus als Mittelpunkt einer zweiflügeligen, symmetrischen Leinstraßenfront vorsah. Noch im Jahre seiner Thronbesteigung veranlasste Wilhelm IV. - er übernahm von 1830 bis 1837 die Regierung - die zweite Änderung der Baupläne. von dem Steinbildhauer A.W. Blume aus Barsinghausen ausgeführt und zeigen geflügelte, in verschlungene florale Ornamente eingebundene Fabeltiere. (Die Angaben sind einem freundlichen Hinweis von Herrn Professor Dr. Kokkelink, Hannover, zu verdanken.) Das Leineschloss sollte während der Personalunion schließlich nur noch repräsentativen Zwecken dienen und im Kammerflügel die Regierungsbehörden beheimaten, da auch der Nachfolger Wilhelms IV., König Ernst August, das Leineschloss nicht als Wohnung nutzen wollte. Von einem östlichen Flügelbau des Ansicht des Leineschlosses von der Seite des Holzmarktes, um 1830 (Aquarell Anton Hallmann) Der klassizistische Portikus ist bis heute das prägende Charakteristikum des Gebäudes geblieben. Im Frontispiz des Portikus weist das von Laves entworfene Wappen mit seiner Heraldik noch auf die Personalunion zwischen Hannover und England (1714 bis 1837) hin. Der vom Löwen und halsbekrönten Einhorn gehaltene Wappenschild wird vom Hosenbandorden mit seinem Wahlspruch „Honi soit qui mal y pense“ („Ein Schelm, der Böses dabei denkt“) umgeben. Unter dem Schild ist das Spruchband mit der Devise „Dieu et mon droit“ („Gott und mein Recht“) zu erkennen (vgl. Abb. Seite 6). Die Sandsteinreliefs rechts und links vom Portikus wurden vermutlich 1832/33 nach dem Entwurf des Hofbauinspektors Justus Molthan Das Leineschloss nach dem Umbau durch Laves Schlosses sollte abgesehen werden. 1834 wurde der äußere Bau vollendet. Bis zu seiner Zerstörung 1943 wurde dieser im Wesentlichen nicht mehr geändert und so in den Jahren von 1958 bis 1962 wiederhergestellt. Einige weitere Baumaßnahmen schlossen sich jedoch noch an: Gerühmt wird bis heute der Einfall von Laves, den zur Leineseite gelegenen Flügel des Schlosses mit einem vorspringenden Wintergarten in klassizistischem Stil zu akzentuieren. Königin Friederike hatte es HofSeite 11 5 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Der Umbau durch Laves baumeister Laves unter Rückgriff auf den Entwurf einer überdachten Terrasse auf einem galerieartigen Unterbau zur Aufgabe gemacht, die Terrasse zu verglasen und als „Greenhouse“ zu gestalten. Der Leiter der Münchener Hofbauintendanz, Leo von Klenze, dem Laves seine Entwürfe zur Überarbeitung schicken musste, hat diese 1840 modifiziert. Die Königin starb jedoch bereits 1841 und erlebte die Fertigstellung nicht mehr. Heute befindet sich im ehemaligen Wintergarten das Arbeitszimmer des Landtagspräsidenten (vgl. Abb. Seite 14). 1839 wurde die Schlosskapelle einer gründlichen Umgestaltung im Stil der englischen Spätgotik unterzogen. 1842 war auch der Innenausbau des Schlosses beendet. Dann verweigerte die Ständeversammlung die Kostenübernahme für weitere bauliche Aktivitäten, so dass bis 1847 nur noch der Friederikenplatz angelegt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Umbau des Leineschlosses bereits 1 196 540 Taler verschlungen. Nach dem Ende der Personalunion mit England (1714 bis 1837) und mit der Thronbesteigung Ernst Augusts im Jahre 1837 wurde Hannover zwar wieder königliche Residenz, das Leineschloss aber, wie oben schon erwähnt, nur noch zu repräsentativen Zwecken genutzt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen nach seinem Regierungsantritt setzte König Ernst August von Hannover mit dem königlichen „Patent“ vom 1. November 1837 das von König Wilhelm IV. eingeführte liberale Hannoversche Staatsgrundgesetz von 1833 außer Kraft, löste die Ständeversammlung auf und entband die Staatsdiener von ihrem Verfassungseid. Die Göttinger Sieben Lithografie von Carl Rohde Oben: Mitte: Unten: Seite 12 Wilhelm Grimm, Jacob Grimm Wilhelm Eduard Albrecht, Friedrich Christoph Dahlmann, Georg Gottfried Gervinus Wilhelm Eduard Weber, Georg Heinrich August Ewald Unter Berufung auf ihren Diensteid protestierten letztendlich sieben Göttinger Professoren (die „Göttinger Sieben“) gegen diese Entscheidung. Sie wurden vom König ihrer Ämter enthoben, drei von ihnen verwies er des Landes. Ein heftiger Verfassungskampf mit der die zweite Kammer der Ständeversammlung beherrschenden 5 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Der Umbau durch Laves Opposition war die Folge. Mit dem Staatsgrundgesetz von 1840 wurde diese Auseinandersetzung beendet. Der Regierungsantritt des blinden Königs Georg V. ließ die Hoffnungen auf eine Vollendung der symmetrisch geplanten Schlossanlage wieder aufleben - die Häuser in der Leinstraße und das barocke Hofopernhaus, das die Jahrhunderte unbeschadet überdauert hatte, wurden dafür abgerissen. Im Hinblick auf den Neubau des Welfenschlosses durch Hofbaumeister Heinrich Tramm in Herrenhausen - seit 1879 Sitz der heutigen Universität Hannover - verzichtete König Georg V. schließlich im November 1856 auf den Weiterbau des Leineschlosses, das somit unvollendet, gewissermaßen als Torso, zurückblieb. Hatten bis 1854 links neben dem Portikus die Stirnseite des Hofopernhauses und die folgenden Fronten der Bürgerhäuser für ein bauliches Gleichgewicht gesorgt, so entstand nach dem Abriss der Bürgerhäuser und des Opernhauses dort ein kleiner Park. Das Landesdenkmal „Die Göttinger Sieben“ des Künstlers Floriano Bodini befindet seit 1998 vor dem Landtagsgebäude Eine architektonische Ausgewogenheit des Leineschlosses konnte letztlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Anbau des Plenarsaales nach einem Entwurf von Professor Dieter Oesterlen als optisches Gegengewicht zum klassizistischen Nordflügel hergestellt werden. Seite 13 6 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss nach der Annexion Hannovers durch Preußen Die Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen im Jahre 1866 verhinderte endgültig alle weiteren Umbaupläne. König Georg V. hatte in der von Preußen heraufbeschworenen Krise des Deutschen Bundes das Bündnis gegen Österreich entschieden abgelehnt. Als es zum Krieg kam, wurde Hannover in nur wenigen Tagen von preußischen Truppen besetzt. Die hannoversche Armee konnte am 27. Juni 1866 zwar noch bei Langensalza in Thüringen einen Sieg erringen, musste aber trotzdem bereits zwei Tage später kapitulieren. Am 6. Oktober 1866 wurde im Leineschloss feierlich das Annexionspatent verkündet. Hannover wurde damit preußische Provinz, und König Georg V. begab sich nach Österreich ins Exil. Das Leineschloss selbst ging - wie alle anderen Einrichtungen und Vermögenswerte des hannoverschen Staates - an Preußen über. Am 20. September war die Flagge mit dem Preußenadler über dem Leineschloss als sichtbares Zeichen des Machtwechsels aufgezogen worden. Hannover erhielt nun einen Provinziallandtag mit zuletzt 124 Mitgliedern. Der Provinz stand der Oberpräsident, Graf Otto von StolbergWernigerode, als Vertreter des preußischen Königs und der Berliner Regierung vor. Er ließ sich im Kammerflügel eine prächtige Dienstwohnung einbauen, in die 1873 Prinz Albrecht von Preußen einzog und die dieser bis 1885 ständig bewohnte. Das preußische Oberpräsidium war ebenfalls von 1867 bis 1873 im Kammerflügel des Leineschlosses untergebracht, bevor es dann in das gegenüberliegende Alte Palais umzog. Für die nächsten 90 Jahre sollte im Leineschloss keine Landespolitik mehr geSeite 14 macht werden. Das Leineschloss selbst war bis zum Zweiten Weltkrieg keinen nennenswerten Veränderungen mehr unterworfen. Hin und wieder wohnte seit 1871 der Kaiser bei seinen Besuchen in der Provinzhauptstadt und der hier stationierten Truppen im Schloss. Nach der Hofchronik zu urteilen, besuchte Kaiser Wilhelm II., der 1898 die „Kaiser-Appartements“ modernisieren und mit bis dahin nicht vorhandenen Badeeinrichtungen versehen ließ, Hannover bis 1914 insgesamt 31 Mal. Dabei waren 21 Übernachtungen im Schloss zu verzeichnen. Getrennt durch den Mitteltrakt mit dem Wintergarten, befanden sich die Wohn- und Schlafräume des Herrscherpaares - wie in der ältesten Zeit des Schlosses - auf der Leineseite. Auf Weisung Kaiser Wilhelms II. wurde das Schlossinventar durch Mobiliar und Bilder aus den preußischen Stammschlössern zum Großteil ersetzt. Insbesondere Bilder mit außergewöhnlich großen Formaten gelangten so nach Hannover. Wintergarten - Raumansicht von 1866, heute Büro des Landtagspräsidenten 7 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Zerstörung Im Jahre 1921 übereignete der preußische Staat das Leineschloss der Stadt Hannover für 100 Jahre zur kostenlosen Nutzung. Noch während der Weimarer Republik entstanden Pläne, im Leineschloss mehrere Museen und ein Magazin für Kunstwerke unterzubringen. Tatsächlich aber wurde vor dem Hintergrund der Inflation in den Erdgeschossräumen von der Volkswohlfahrt eine Volksküche mit Wärmehalle eingerichtet. Erst die Nationalsozialisten verwirklichten dieses Vorhaben insofern, als sie im Oktober 1936 im Schloss eine Heeresgedenkstätte eröffneten und so das Gebäude für Zwecke der ideologischen Kriegsvorbereitung benutzten. Das Leineschloss wurde seinerzeit zum bestbesuchten Museum Hannovers. Zudem hatten die Nationalsozialisten 1938 weitere Umbaupläne entwickelt: Sie sahen einen maßstabsprengenden torartigen Durchbruch etwa in der Mitte des barocken Kammerflügels vor und zudem die Umgestaltung der Prunkräume. Diese Umbaupläne wurden jedoch nicht realisiert. Bei Empfängen und Festlichkeiten hinterließen die Nationalsozialisten mit ihren Gästen in den Festsälen des Leineschlosses schwere Schäden. Die Stadt konnte dann jedoch rechtzeitig baupolizeiliche Bedenken vorbringen, um so z.B. den Tanzsaal vor weiteren Unzuträglichkeiten zu schützen. Die Verfügung der Baupolizei datiert vom 20. Juli 1943 - bereits sechs Tage später, am 26. Juli desselben Jahres, wurde das Leineschloss zwischen 12.05 Uhr und 12.15 Uhr, also innerhalb von nur 10 Minuten, bei einem amerikanischen Bombenangriff fast vollständig zerstört. 92 amerikanische B-17-Bomber mit 25.000 Brandbomben an Bord hatten Hannover überflogen und einen großen Teil ihrer zerstörerischen Ladung über der Innenstadt abgeworfen. Das Leineschloss wurde vermutlich an über 100 Stellen getroffen, so dass nicht nur der Dachstuhl Feuer fing, sondern die Bomben auch die dünnen Tonnengewölbe über dem Obergeschoss durchschlugen und zuerst die Festräume in Brand setzten, von wo aus sich die lodernden Flammen nur allzu schnell ausbreiteten. Luftaufnahme des zerstörten Leineschlosses (nach 1943) Das überalterte Schlosspersonal, neun Frauen und Männer, taten - von einem Brandwachenhelfer unterstützt - ihr Bestes, um den Brand unter Kontrolle zu bekommen. Der größte Teil der hannoverschen Feuerwehren war nämlich nicht greifbar, da er sich zu Löscharbeiten in Hamburg befand. Daher konnten nur wenige Möbelstücke und Gemälde gerettet werden. Mit Ausnahme des Kammerflügels brannte das Schloss bis auf die Grundmauern nieder. Ein ähnliches Schicksal ereilte zeitgleich den anderen großen hannoverschen Laves-Bau das Opernhaus im Herzen Hannovers. Weitere Seite 15 7 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Zerstörung Beschädigungen, vor allem am Portikus, erfolgten bei einem erneuten Bombenangriff vom 8. auf den 9. Oktober 1943 durch die Druckwelle einer in der Leinstraße detonierten Luftmine. Der architektonisch wertvollste Teil des Leineschlosses, der Portikus, konnte aufgrund sofort eingeleiteter Sicherungsmaßnahmen in seiner Substanz erhalten werden, während der Kammerflügel durch ein Notdach vor den Witterungseinflüssen geschützt wurde. Mit der Trümmerräumung wurde noch zu Kriegszeiten begonnen, und im Kammerflügel der Schlossruine bezogen in den Nachkriegsjahren bis zum Wiederaufbau des Leineschlosses ab 1957 verschiedene Firmen ihr Notquartier. Übrig geblieben war somit vom ehemals so repräsentativen hannoverschen Leineschloss ein, wie Georg Schnath es treffend formulierte, „todwundes Denkmal einstiger Größe, eine stumme Anklage gegen den Wahnsinn der Zerstörung und eine fordernde Mahnung an die Überlebenden.“ Zerstörter Portikus Außenansicht (um 1945) Zerstörter Portikus Innenansicht (nach 1957) Seite 16 8 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Wiederaufbau Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am 1. November 1946 durch die „Verordnung Nr. 55“ der Britischen Militärregierung aus den ehemaligen - selbstständigen - Ländern Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das heutige Bundesland Niedersachsen mit Hannover als Landeshauptstadt gebildet. Nach den ersten freien Landtagswahlen am 20. April 1947 nahm das niedersächsische Landesparlament seine Arbeit zunächst vorübergehend in der hannoverschen Stadthalle auf. Der damalige Stadtbaurat Professor Rudolf Hillebrecht sprach sich bereits in der ersten Sitzung des neu gewählten Rates der Landeshauptstadt Hannover am 10. November 1948 dafür aus, das Leineschloss zum Sitz des Landesparlaments zu machen. Rückblickend schrieb Hillebrecht: „In diesem Augenblick galt es für das junge Land wie für die alte Hauptstadt, den politischen Auftrag zu erkennen und zu nutzen, um Hannover das eindeutige Gepräge einer Landeshauptstadt und mit der städtebaulichen Neugestaltung dieser Stadt dem jungen Land Niedersachsen ein sichtbares und wirksames Zentrum von politischer Bedeutung zu geben, das zu einem Begriff für den Gestaltungswillen der jungen Demokratie werden könnte und im Volke lebendige Resonanz auslösen würde. Das Anliegen des Landes wie der Stadt war also gleich gut begründet und gleich gerichtet.“ Nutzungsrecht am Leineschloss zu verzichten und damit den Weg für die dortige Unterbringung des Landtages frei zu machen. 1954 wurde ein Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau des Leineschlosses zu einem funktionsgerechten Parlamentsgebäude ausgeschrieben, den der hannoversche Architekt Professor Dieter Oesterlen gewann. Mit 72 gegen 65 Stimmen beschloss dann der Landtag am 11. April 1956, das Leineschloss nach seinen Plänen auf- und umbauen zu lassen. Heinrich Hellwege legte als damaliger Ministerpräsident dann am 30. September 1958 den Grundstein, nachdem die vorbereitenden Bauarbeiten bereits ein Jahr zuvor begonnen hatten. Feierliche Grundsteinlegung für den Wiederaufbau am 30. September 1958 Zwei Monate später, am 6. Januar 1949, befasste sich der Ältestenrat des Landtages mit diesen Vorschlägen. Noch im selben Jahr, am 17. Juni 1949, traf der Rat der Stadt Hannover den einmütigen Beschluss, auf das städtische Seite 17 8 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Wiederaufbau Unter Wahrung der historischen Bausubstanz errichtete Oesterlen ein zeitgemäßes Parlamentsgebäude und fügte dem Leineschloss an der Stelle, an der ehemals das barocke Schlossopernhaus gestanden hatte, einen Plenarsaaltrakt an. Das kubische Plenarsaalgebäude sollte das nach außen hin erkennbare bauliche Zeichen für die neue Funktion des Leineschlosses als Haus der demokratischen Volksvertretung sein. Am 11. September 1962 konnte das neue Landtagsgebäude in Anwesenheit von Bundespräsident Heinrich Lübke feierlich eingeweiht werden. Seitdem haben hier der Landtagspräsident, die Abgeordneten sowie ihre Fraktionen und die Landtagsverwaltung ihren Arbeitsplatz. In seiner Schlussbetrachtung über die „Geschichte des Leineschlosses“ fasste Georg Schnath im Jahre des Einzugs in das neue Parlamentsgebäude die charakteristischen Wesenszüge dieses historischen Gebäudes mit folgenden Worten zusammen: Sicherungsmaßnahmen am Portikus, 1950 Seite 18 „Es gibt keine Stätte in Hannover, deren Boden derart mit Erinnerungen und Überlieferungen aus den letzten drei Jahrhunderten der Landesgeschichte getränkt wäre wie der des Leineschlosses. So ist es nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß hier, recht im Mittelpunkt der Hauptstadt, seit Generationen in guten und in bösen Tagen das Herz des Landes geschlagen hat.“ ... „... in jeder Beziehung findet der Entschluß, das frühere Leineschloß als Sitz der heutigen und künftigen Landesvertretung wieder aufzubauen, seine Rechtfertigung vor der Geschichte und führt eine dreihundertjährige Tradition fort. Das ist das eine, was die Geschichte des Leineschlosses der Gegenwart und Zukunft zu sagen hat. Hinzu kommt ein Weiteres. Dieses Schloß war nicht nur durch drei Jahrhunderte mit der Geschichte des Landes und seiner Bewohner verbunden, sondern in seiner ganzen Anlage und baulichen Gestaltung ein Ausdruck ihres Wesens.“ Treppenfoto vom Lichthof, 1962 8 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Wiederaufbau Das Leineschloss im Umbau zum Landtagsgebäude (Foto: Heinz Koberg, Region Hannover, Bildarchiv) Seite 19 9 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss heute Die wertvolle historische Bausubstanz konnte bis heute in Achtung landesgeschichtlicher Tradition erhalten werden. Die Anlage des „Platzes der Göttinger Sieben“ neben dem Plenarsaal erfuhr 1998 noch eine Bereicherung durch die Aufstellung eines „Denkmals für die Göttinger Sieben“, das im Rahmen der privaten Trägerschaft eines Kuratoriums von der Hand des Mailänder Bildhauers Floriano Bodini entstand. In den Jahren von 1991 bis 1994 erfolgte eine gründliche Restaurierung der Aussenfassade, für die Laves seinerzeit überwiegend Sandstein aus Barsinghausen verwendet hatte. In den Jahren 2009 bis 2014 wurden der Kammerflügel und das Hauptgebäude - mit Ausnahme des Plenarbereiches und der Portikushalle - grundsaniert und mit neuester Technik ausgestattet. Der Portikus des Leineschlosses, Frühjahr 2014 Seite 20 Die zahlreichen Sitzungssäle für die Ausschüsse und die Fraktionen des Landtages sowie die Abgeordnetenbüros liegen in den Flügeln des Hauses, die den westlichen Innenhof umschließen, im Kammerflügel sowie im Erweiterungsbau auf der gegenüberliegenden Seite der Leinstraße, der dem Landtag seit 1984 zur Verfügung steht. War schon das im Krieg zerstörte Alte Palais mit dem Leineschloss durch einen unterirdischen Verbindungsgang verbunden, so ist es heute das Erweiterungsgebäude ebenfalls. Gelangen die Besucherinnen und Besucher des heutigen Leineschlosses in den parallel zur Leine gelegenen Verwaltungsflur im Sockelgeschoss, so befinden sie sich in dem Bereich, in dem das Arbeitszimmer des Landtagspräsidenten liegt. Der Flur selbst bietet den Besucherinnen und Besuchern zahlreiche Portraits niedersächsischer Personlichkeiten: Hier sind so bedeutende Namen wie Leibniz, Hölty, Knigge Das Arbeitszimmer des Landtagspräsidenten, 2014 9 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss heute oder Scharnhorst zu entdecken, und neben den Bildnissen der „Göttinger Sieben“ finden sich zudem unter anderem auch die von Werner von Siemens und Rudolf von Bennigsen. Auf der anderen Seite - im Flügel zur Leinstraße hin gelegen - ist die Bibliothek des Niedersächsischen Landtages beheimatet. Sie ist eine Fachbibliothek, in der vornehmlich Literatur zu den Sachgebieten Politik, Parlamentarismus und Recht verwahrt wird. Sie zählt etwa 140.000 Bände und ca. 600 Periodika, die neben den Abgeordneten und der Landtagsverwaltung in beschränktem Maße auch der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Bibliothek mit ihrem Lesesaal und den angrenzenden Bibliotheksräumen befindet sich heute dort, wo bis zur Zerstörung des Leinesschlosses die Schlosskapelle untergebracht war. Die darunter liegende Fürstengruft dient jetzt als Magazin. In dieser Fürstengruft fand König Georg I. nach seinem Tod am 22. Juni Bibliothek des Niedersächsischen Landtages, 2015 1727 als einer der ganz wenigen britischen Herrscher, die außerhalb Englands beigesetzt wurden, bis 1957 seine letzte Ruhestätte. Rechts vom Portikus - während der Umbauphase des Plenarbereiches vom Bauzaun verdeckt - ist seit 2007 das Kunstwerk „Hoffmann von Fallersleben“ von dem Bildhauer Professor Siegfried Neuenhausen zu sehen. Der Plenarsaal als der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung ist sicherlich der wichtigste Teil des Parlamentsgebäudes - und wird es nach Beendigung des momentan stattfindenden Umbaus auch wieder an dieser Stelle sein (vgl. Kapitel 12). Der alte Plenarsaalbereich - insbesondere der Plenarsaal selbst - entsprach jedoch nicht mehr den heutigen funktionalen Anforderungen eines Landtages und dem Anspruch, seine parlamentarische Arbeit transparent zu gestalten. Zudem hatte der Plenarsaaltrakt in Teilbereichen starke bautechnische Mängel. Auch war ein barrierefreier Zugang bisher nicht möglich. Kunstwerk „Hoffmann von Fallersleben“ des Bildhauers Professor Siegfried Neuenhausen, 2007 Seite 21 9 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss heute Aus diesem Grund realisiert der Niedersächsche Landtag seit Juli 2014 eine Um- bzw. Neugestaltung des Plenarbereiches einschließlich des Eingangsbereiches, der Sitzungs- und Bürobereiche, der Bereiche für Besucherinnen und Besucher sowie Medienvertreterinnen und Medienvertreter und des Restaurant- und Küchenbereiches. Zu diesem Zweck lobte das Land Niedersachsen durch das Staatliche Baumanagement im August 2009 zunächst einen Architektenwettbewerb zur Um- oder Neugestaltung des Plenarsaaltraktes aus, bei dem der Entwurf des Kölner Architekten Yi mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde. Aufgrund einer vergleichenden Kostenschätzung (Kosten eines Neubaus und eines Umbaus des Plenarbereiches) wurde jedoch nach entsprechenden übereinstimmenden Signalen aus der Baukommission und allen Fraktionen des Landtages Ende des Jahres 2012 entschieden, den Neubau nicht weiter zu verfolgen. Man verständigte sich vielmehr auf eine Sanierung und einen Umbau des Plenarsaales im Bestand. Der alte Plenarsaal, 1962 bis 2014 (Linzenz: CC-BY-SA) Seite 22 Mit der Sanierung und Neugestaltung des Plenarsaales wurde eine aus zehn Fachplanern bestehende Projektgruppe beauftragt, die Landtagspräsident Busemann am 25. April 2013 im Landtag zum Start des Umbauprojektes empfangen hat. Nach nur achtwöchiger Vorplanungsphase hat das Architekturbüro Blocher Blocher Partners mit Unterstützung des Projektsteuerers ARCADIS (Hannover) der Baukommission drei Entwürfe präsentiert. Eine besondere Herausforderung war dabei der Wunsch des Landtagspräsidenten, die Entwürfe so zu gestalten, dass den Gestaltungsideen des Architekten Dieter Oesterlen Rechnung getragen wird. Planerisches Ziel ist es, das in seiner äußeren Gestalt zu erhaltende Plenargebäude im Inneren nach den gewachsenen Bedürfnissen des Landtages im Geiste der Architektur Oesterlens neu zu interpretieren. Die Baukommission hat sich am 25. Juni 2013 einstimmig für die Variante „Plenarsaal mit Stadtbezug“ ausgesprochen. Variante „Plenarsaal mit Stadtbezug“ (Bildrechte: Blocher Blocher Partners) 9 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Das Leineschloss heute Am Freitag, dem 25. Juli 2014, tagte der Landtag das letzte Mal in seinem alten Plenarsaal. Das Bauvorhaben hat sofort danach planmäßig begonnen und soll voraussichtich im Sommer 2017 abgeschlossen sein. Das Parlament tagt während der Umbauphase im nahegelegene Forum im ehemaligen Georgvon-Cölln-Haus, das vom Sommer 2013 bis Sommer 2014 als Interims-Plenarsaal hergerichtet wurde (vgl. Kapitel 13). Niedersachsentreppe in der alten Portikushalle, 2013 (Linzenz: CC-BY-SA) Aktuelle Informationen mit Bilder- und Videogalerien sowohl zum Umbau des Forums zum Provisorium als auch zum Umbau des Plenarbereiches finden Sie als Dokumentation auf den Internetseiten des Niedersächsischen Landtages: www.landtag-niedersachsen.de/ neugestaltung_des_plenarbereiches/ Niedersachsentreppe während des Umbaus, 2015 Die letzte Sitzung im alten Plenarsaal am 25. Juli 2014 Die erste Sitzung im Interims-Plenarsaal im Forum am 24. September 2014 Seite 23 10 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten LEIBNIZ-SAAL Seit dem Frühjahr 2005 bis zum Beginn der Umbaumaßnahmen im Plenarbereich war der ehemalige Repräsentationssaal des Niedersächsischen Landtages dem großen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis 1716) gewidmet. Der Name Leibniz ist auf das Engste mit Hannover und dem Leineschloss verbunden, denn 1676 wurde er von Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg als Hofrat und Bibliothekar an den hannoverschen Hof gerufen, an dem er bis zu seinem Tod vierzig Jahre wirkte. Allein zwölf Jahre wohnte er im Schloss. Im LEIBNIZ-SAAL befanden sich neben dem Gipsabguss einer von dem Bildhauer Johann Gottfried Schmidt um 1789 geschaffenen Büste (Leihgabe des Historischen Museums Hannover) mehrere Vitrinen, in denen Schrifterzeugnisse des berühmten Gelehrten ausgestellt waren (Reproduktionen nach Originalen aus der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover). Bemerkenswert waren darunter insbesondere seine Überlegungen zur Ausgestaltung des barocken Rittersaales im Leineschloss mit welfischen Ahnenportraits. Als Herzstück des LEIBNIZ-SAALES konnte sicher das in Acrylglas gestaltete „Triptychon zur niedersächsischen Landesgeschichte“ (Leihgabe der Stiftung Niedersachsen, ehemals Niedersächsische Lottostiftung) bezeichnet werden. Es greift drei wichtige historische Daten der niedersächsischen Landesgeschichte auf: 1648 - Westfälischer Frieden, 1815 - Wiener Kongress und 1946 - Gründung des Landes Niedersachsen. Seite 24 Ergänzend dazu machten Reproduktionen von Urkunden auf besonders einschneidende Ereignisse der Geschichte des Landes Niedersachsen aufmerksam: zum einen der seinerzeit im Leineschloss an Kurfürstenwitwe Sophie übergebene „Act of Settlement“, der auf die 123jährige Personalunion (1714 - 1837) zwischen Hannover und Großbritannien hinweist, zum anderen die „Verordnung Nr. 55“, mit der am 1. November 1946 von der Britischen Militärregierung das Land Niedersachsen gegründet wurde. Eine weitere Reproduktion des unter König Georg V. im Jahre 1860 eingeführten Hannoverschen Staatswappens spiegelte noch einmal die besondere enge englisch-hannoversche Verbindung wider. Für die Frage, inwieweit diese Exponate nach Beendigung der Umbauphase des Plenarbereiches wieder im LEIBNIZ-SAAL im Niedersächsischen Landtag eingebunden werden können, ist es zum jetzigen Zeitpunkt sicher noch zu früh. Aber es ist daran gedacht, diesem berühmten Gelehrten und den erwähnten herausragenden Ereignissen zur niedersächsischen Landesgeschichte wieder gebührend Rechnung zu tragen. Gotfried Wilhelm Leibniz (von Christoph Bernhard Francke [Public domain], via Wikimedia Commons) 10 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten LEIBNIZ-SAAL Triptychon zur niedersächsischen Landesgeschichte und Blick in die Portikushalle Seite 25 11 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Forum für die Kunst Das Leineschloss ist heute nicht nur ein Ort politischen Handelns, sondern auch ein Forum für die Kunst. Wir haben es dabei natürlich nicht mit einem Museum zu tun, vielmehr geht die Kunst hier mit dem Gebäude eine Symbiose ein. Sie unterstreicht den repräsentativen Charakter des Hauses und verleiht den Räumlichkeiten Farbe und Leben. Diejenigen, die im Parlamentsgebäude arbeiten oder zu Gast sind, können sich so an den Exponaten erfreuen und auf diese Weise Abwechslung in ihren Alltag bringen. Denn: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“, wie Pablo Picasso einst treffsicher feststellte. Als der Niedersächsische Landtag das nach seiner Kriegszerstörung wieder aufgebaute und neu gestaltete Leineschloss 1962 bezog, konnte nicht mehr auf historisches Schlossinventar zurückgegriffen werden. Es galt also, dem Parlamentsgebäude durch die Präsentation von zu diesem Zweck erworbenen Kunstobjekten ein Gesicht zu verleihen. So bildeten Spenden von Bürgerinnen und Bürgern, von Gemeinden, Landkreisen, Verbänden, Gewerbebetrieben, Industrieunternehmen und Banken anlässlich der Einweihung des Landtagsgebäudes den Grundstock der Kunstsammlung. Im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte sind zahlreiche Gemälde, Grafiken, Plastiken und textile Kunstwerke vornehmlich niedersächsischer Künstlerinnen und Künstler hinzugekommen und schmücken die Sitzungssäle, Gänge und Arbeitszimmer. Die Kunstgegenstände, die sich im Areal der derzeit vom Umbau betroffenen Plenarbereiche befunden haben, sind seit dem Sommer 2014 Seite 26 eingelagert. Sobald der neue Plenarbereich fertiggestellt ist, werden sie wieder zahlreich in den Räumlichkeiten zu finden sein. Auch wenn viele Objekte momentan nicht in den Räumlichkeiten des Landtagsgebäudes zu sehen sind, sollten einige doch an dieser Stelle erwähnt werden: In der alten Portikushalle hatte ein großes Wandbild des niedersächsischen, international renommierten Künstlers Professor Gerd Winner aus Liebenburg in außergewöhnlicher Weise künstlerische Akzente gesetzt. Es verweist mit seinem Titel „Richtungen“ auf die spezifische Arbeit des Niedersächsischen Landtages, in dem unterschiedliche politische Richtungen vertreten sind und in dem auf dem Wege eines parlamentarisch-demokratischen Entscheidungsprozesses „Richtungen“ für die Zukunft dieses Landes gewiesen werden. Auch sollte auf das große Gemälde „Einsame Fahrt bei Worpswede“ von Fritz Mackensen, dem Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie, die prächtigen flämischen Gobelins, die Pferdeplastik des Bildhauers Joachim Dunkel oder die archaische Figur des „Schreitenden“ des 1942 in Russland gefallenen Künstlers Hermann Blumenthal hingewiesen werden. Nach Beendigung der Umbauarbeiten wird das Gebäude auch wieder für niedersächsische Institutionen offen sein, sich im Rahmen von Ausstellungen mit „Premierencharakter“ mit ihrer Arbeit den Abgeordneten, aber auch den interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu präsentieren. 11 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Forum für die Kunst oben: „Richtungen“ von Prof. Gerd Winner Mitte links: „Einsame Fahrt bei Worpswede“ von Fritz Mackensen unten links: Pferdeplastik von Joachim Dunkel rechts: „Schreitender“ von Hermann Blumenthal Seite 27 12 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Umbau des Plenarbereiches (seit 2014) Am 25. Juli 2014 tagte der Landtag das letzte Mal in seinem alten Plenarsaal. Zum Ende der Sitzung zog Landtagspräsident Bernd Busemann in einer Ansprache an alle Abgeordneten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen und der Landtagsverwaltung ein Resümee der zurückliegenden Jahrzehnte. Im Zuge der Sanierung des Plenarsaales wurde es erforderlich, die alten Abgeordnetentische und -stühle auszutauschen. Die ausgedienten Parlamentsstühle wurden binnen kürzester Zeit für einen guten Zweck veräußert. Viele Bürgerinnen und Bürger hatten großes Interesse, einen dieser Stühle zu erwerben. Durch den Verkauf der Stühle wurde ein Erlös in Höhe von 18.600 Euro erzielt. Diesen Betrag hat der Landtag auf 20.000 Euro aufgerundet. Er wurde an soziale Einrichtungen gespendet. Abgeordnetenplatz im Plenarsaal, 2013 (Linzenz: CC-BY-SA) Seite 28 Am 2. Dezember 2014 wurde das Niedersachsen-Ross mit einem 80-Tonnen-Kran durch eine Öffnung im Dach aus dem alten Plenarsaal gehoben. Danach wurde das bereits sicher in einer speziellen Transportkiste verpackte Kunstwerk des Bildhauers Professor Kurt Schwerdtfeger zu einem Restaurierungsbetrieb gebracht. Dort im Landkreis Gifhorn in der Gemeinde Grassel arbeiteten erfahrene Restauratorinnen und Restauratoren behutsam daran, das Niedersachsen-Ross instandzusetzen. Dies war eine anspruchsvolle Aufgaben, denn die Arbeiten sollten so durchgeführt werden, dass die Geschichte des Kunstwerks bewahrt wird. Nach Fertigstellung der Arbeiten ist das Ross in den Landtag zurückgekehrt - in den Eingangsbereich des Interims-Plenarsaales im Forum des ehemaligen Georg-von-Cölln-Hauses. Freigelegtes Niedersachsen-Ross des Bildhauers Prof. Kurt Schwerdtfeger, 2014 12 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Umbau des Plenarbereiches (seit 2014) Der Baubeginn für die Neugestaltung des Plenarbereiches war am 28. Juli 2014. Seit diesem Tage ist der Haupteingang des Landtages am Portikus nicht mehr nutzbar. Das Hauptgebäude kann während der Bauzeit nur über den Landtagsparkplatz am Holzmarkt sowie über das Erweiterungsgebäude in der Leinstraße betreten werden. Nachdem die Entkernung des alten Plenarbereiches abgeschlossen worden war, hat Landtagspräsident Busemann am 14. Juli 2015 den Grundstein für die Gestaltung des neuen Plenarsaales gelegt. Mit dieser Grundsteinlegung wurde ganz konkret der Start der eigentlichen Wiederaufbauarbeiten markiert. In den Grundstein wurde eine Schatulle aus Kupfer eingemauert. Sie enthält druckfrische Tageszeitungen, ausgewählte Münzen, Baupläne sowie ein Firmen- und ein Abgeordnetenverzeichnis. Landtagspräsident Bernd Busemann und Finanzminister Peter-Jürgen Schneider bei der Grundsteinlegung, 2015 Bis zum Frühjahr 2016 soll im Zuge der Rohbauarbeiten die Kubatur des Plenarsaales weitgehend wiederhergestellt sein. Hierfür werden rund 4000 cbm Beton (das entspricht etwa der Ladung von 500 Betonfahrzeugen), rund 700 Tonnen Bewehrungsstahl sowie rund 300 Tonnen Stahltragwerke benötigt. Der BruttoRauminhalt des neuen Plenarbereiches wird später mit rund 60.000 cbm etwa dem von 100 Einfamilienhäusern entsprechen. Abgeschlossen werden sollen alle Umbauarbeiten voraussichtlich im Sommer 2017. Luftaufnahme des Leineschlosses mit Baustelle, Sommer 2015 Seite 29 13 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Interims-Plenarsaal Georg-von-Cölln-Haus Das Grundstück Am Markte 8 - 11 ist in Hannover bekannt unter dem Namen „Georg-vonCölln-Haus“ und liegt im Zentrum Hannovers am Rande der Altstadt. Nach der Jahrhundertwende 1900 errichtete der Kaufmann Georg von Cölln dort eine Eisenwarenhandlung mit Büro- und Lagerflächen. Später befanden sich hier Büros und Lager der Firma Friedrich Krupp AG. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört, 1951 wieder aufgebaut und 1955 ergänzt. Mit seiner vorderen, etwa 40 m breiten Straßenfront liegt es unmittelbar gegenüber der im 14. Jahrhundert erbauten Marktkirche. Es bildet hier den städtebaulichen Abschluss des historischen Marktplatzes als auch den Beginn der Kramerstraße, des unter Denkmalschutz stehenden Straßenzuges in die Altstadt. Das Forum vor dem Umbau zum Interims-Plenarsaal, 2013 Seite 30 Ab 1979 wurde das Gebäude zum Teil durch den Niedersächsischen Landtag und zum Teil durch das Niedersächsische Landesmuseum („Forum Am Markt“, geschlossen 2007) genutzt. Während der Sanierung des Leineschlosses war hier die Landtagsbibliothek untergebracht (2010 bis 2011). Forum Die glasgedeckte Halle mit zwei umlaufenden Emporen ist ein denkmalgeschütztes, historisches Gebäude. Sie ist ein Beispiel für frühe Industriearchitektur und daher architekturgeschichtlich von besonderer Bedeutung. Die Fläche umfasst ca. 3500 qm, ist 10 m breit, 30 m lang und 14 m hoch. Sie besteht aus zwei umlaufenden Galerien aus filigranem Stahlguss. Die gusseisernen Säulen haben keine Tragefunktion. Das Forum nach dem Umbau zum Interims-Plenarsaal, 2014 13 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Interims-Plenarsaal Von 2013 bis 2014 wurde die Halle zum Interims-Plenarsaal umgebaut. Seit September 2014 finden hier bis zum Ende der Umbauphase des Plenarbereiches am Leineschloss die Plenarsitzungen des Niedersächsischen Landtages statt. Interims-Plenarsaal Das Parlament tagte hier erstmals am 24. September 2014. Es werden während der Sitzungen ca. 21.000 cbm Luft umgewälzt. Insgesamt wurden etwa 10.000 Meter Elektrokabel und 40.000 Meter Datenleitungen im Forum verlegt. Die Plenarsitzungen sollen hier voraussichtlich bis Sommer 2017 stattfinden. Danach soll der Saal weiterhin für den Parlamentsbetrieb (z.B. große Anhörungen in den Ausschüssen) und für Veranstaltungen genutzt werden. Umbauschwerpunkte waren zuvor die Schaffung von Räumen für den Plenarbetrieb, die Klima- und Lüftungstechnik, die Medientechnik und die Akustik. Die Kosten für den Umbau lagen bei ca. 2 Mio. Euro. Der Fußboden ist ein ca. 400 qm großer Doppelboden, in dem die Belüftung und die Elektrotechnik untergebracht sind. Die speziell eingezogene Decke ist eine ca. 800 qm große Akustikdecke. Die erste Plenarsitzung im Interims-Plenarsaal am 24. September 2014 Seite 31 Das Leineschloss im Wandel der Zeiten Impressum Herausgeber: Der Präsident des Niedersächsischen Landtages Referat für Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Protokoll Druck: Druckerei des Niedersächsischen Landtages Stand: August 2015 Copyright: Niedersächsischer Landtag, 2007 Bildquellen: Tom Figiel, Hannover Niedersächsisches Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Hannover Historisches Museum Hannover Archiv des Niedersächsischen Landtages Studiengang Kommunikations-Design, Fachbereich Design und Medien der Fachhochschule Hannover Prof. Manfred Zimmermann, EuroMediaHouse, Hannover R. Roletschek, Lizenz: CC-BY-SA Wikimedia Commons Blocher Blocher Partners Heinz Koberg, Region Hannover Grazia Schicht-Laves, Schweiz Gunter Georg Weber Das Leineschloss im Wandel der Zeiten