Kristina Jensen: Formen des episierenden Metadramas. Ausgewählte
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Kristina Jensen: Formen des episierenden Metadramas. Ausgewählte
168 Rezensionen Motor macht, nicht auch einen blinden Fleck der historischen Wahrnehmung erzeugte. Der dritte der hier versammelten Filme, Frau im Mond, schließlich knüpft in gewisser Weise an den utopischen Gestus von Metropolis an, fokussiert sich aber ganz auf den Topos der Mondreise. Thea von Harbou (1888–1954), Langs Ehefrau, die mit ihm gemeinsam zahlreiche Drehbücher verfasste, hatte sich durch die Arbeiten von Hermann Oberth (1894–1989) inspirieren lassen. Der Film schwelgt in den Fantasien der Raumfahrt, die seit Jules Vernes De la terre à la lune (1865) und Georges Méliès’ Film Le Voyage dans la Lune (1902) ein fester Bestandteil des populären Imaginären war. Aus heutiger Sicht oszilliert die spielerische Darstellung der Schwerelosigkeit sowie die Detailfreude, mit der die Rakete und die Mondlandschaft dargestellt werden, zwischen genialischer Vision und liebenswertem Anachronismus. Auch an diesem Beispiel lässt sich das Phänomen beobachten, dass die Fabel vor dem Fluss der Bilder in den Hintergrund tritt. So manifestiert sich hier die Lust am Spektakulären bzw. an symbolischem Tableau oder Collage, die das eigentlich leitende Prinzip dieser Filme zu sein scheint. Die Fabel hingegen, wie oft bei Lang, wirkt eigentümlich naiv bzw. dramaturgisch widersprüchlich. Es ist ein glücklicher Umstand, dass durch die digitale Aufbereitung zunehmend erschwingliche und technisch einwandfreie Editionen von Filmen, die einen festen Platz im historischen Diskurs haben, aber eben im ‘üblichen’ Kreislauf von Filmen durch Kino und Fernsehen nur noch eine Randposition einnehmen, wieder verfügbar sind. Es wäre zu wünschen, dass dieser Trend anhält und weitere (Wieder-) Entdeckungen ermöglicht. Bern PETER W. MARX Anmerkung 1 Vgl. Siegfried Kracauer, Von Caligari bis Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993, S. 90. Forum Modernes Theater, Bd. 23/2 (2008), 168–170. Gunter Narr Verlag Tübingen Kristina Jensen: Formen des episierenden Metadramas. Ausgewählte Dramentexte José Sanchis Sinisterras und anderer spanischer Gegenwartsdramatiker. Frankfurt a. M.: Vervuert, 2007, 274 Seiten. Metadrama in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen und in seiner historischen Entwicklung war bereits mehrfach Gegenstand von aktuelleren Untersuchungen. Nun hat die Romanistin Kristina Jensen das Ergebnis ihrer Studien zu Formen des episierenden Metadramas bei spanischen Gegenwartsautoren vorgelegt. Das Hauptaugenmerk richtet die Autorin in ihren Analysen auf die Dramenproduktion von Sanchis Sinisterra, einem der heute erfolgreichsten spanischen Dramatiker. Jensen verortet in ihrer Arbeit das episierende Metadrama des Autors innerhalb des Kontexts zeitgenössischer spanischer Dramenproduktion und der Theorie zum Metadrama und schließt damit eine Forschungslücke. Sie stellt die These auf, dass bei José Sanchis Sinisterrra ein systematischer Rückgriff auf verschiedene Formen metadramatischer Episierung stattfindet, und somit die Selbstreflexivität eine Konstante seiner Dramenproduktion ist. Die Autorin legt ihrer Untersuchung als theoretische Basis die Typologie zum Metadrama von Karin Vieweg-Marks (1989) zu Grunde und modifiziert diese. In ihrer Einleitung bespricht die Autorin ausführlich diese Theorie und zeigt deren Vorzüge und Nachteile auf. Sie weist vor allem auf das Problem der Überschneidungen innerhalb des Kategoriensystems von Vieweg-Marks hin, weshalb sie es um Gradationsskalen zur Explizität episierender Verfahren, zur Betonung von Narration oder Figuration und zur metadramatischen Intensität erweitert. Diese Erweiterung bietet für künftige Analysen im Bereich des Metadramas die Möglichkeit, verschiedene metadramatische Formen systematischer zu verorten. Die Autorin führt für die zu untersuchenden Stücke den Oberbegriff des episierenden Metadramas ein. Dieses umfasst die Unterkategorien thematisches Metadrama, episierendes Metadrama im engeren Sinne und figurales Metadrama. Dieser Dreiteilung folgend ist die Arbeit aufgebaut. Im Hauptteil der Studie werden Dramen analysiert, die sich diesen drei Formen zu- Rezensionen rechnen lassen. Die Rückbindung der Einzelanalysen an die von ihr erarbeitete Theorie zum Metadrama erfolgt leider nicht immer in gleichem Maße, das heißt, es erfolgt bei einzelnen Stücken nicht immer die Einordnung auf allen erarbeiteten Gradationsskalen, so dass der Eindruck entstehen könnte, es seien nicht alle Aspekte in den jeweiligen Analysen berücksichtigt worden. Um das thematische Metatheater als Form des episierenden Metatheaters zu illustrieren, wählt Jensen El cerco de Leningrado (1994), Ñaque (1980) und El retablo de Eldorado (1985). Gerade bei El retablo de Eldorado bietet die Autorin eine stringente und detaillierte Analyse des Textes und der Funktionen der verwendeten metadramatischen Verfahren. Im nächsten Teil der Arbeit werden personalisierte Formen des episierenden Metadramas in Lope de Aguirre, traidor (1986), Monológico und Al lado aus der Sammlung Pervertimiento (1986) und Bartleby, el escribiente (1989) betrachtet. Man hätte sich gewünscht, dass bei Bartleby, el escribiente das Spiel mit dem narrativen Hypotext von Herman Melville für die Analyse fruchtbar gemacht und in Beziehung zu metadramatischen Formen gesetzt worden wäre, denn gerade das Kontrastieren mit einem Erzähltext hätte weitere Facetten des episierenden Metadramas bieten können. Erhellend ist, dass Jensen anhand dieser vier Dramen klar aufzeigt, wie bei Sanchis Sinisterra das Publikum aktiv in seiner eigenen Imagination gefordert wird. Im Gegensatz zu den Stücken von Sanchis Sinisterra konstatiert die Autorin in Jaime Saloms El otro William (1997) eine illusionsfördernde Wirkung, die durch den Erzähler entsteht. Die gelungene Wahl dieses Textes macht es dem Leser möglich, die zwei Pole der Gradationsskala der metadramatischen Intensität zu sehen. Ferner werden Stücke mit impliziten Erzählerfiguren anhand von Caballito del diablo (1983) von Fermín Cabal, Naufragíos de Álvar Núñez (1991) von Sanchis Sinisterra und Rodolf Sireras Indian Summer (1991) untersucht. Die Autorin arbeitet klar heraus, dass alle drei Texte wesentliche Gemeinsamkeiten haben. Erstens wird die zweite Fiktionsebene durch die implizite Erzählerfigur motiviert. Allen drei Texten dient zweitens als Hintergrund ein narrativer mise-en-abyme Text. Drittens werden in allen drei Dramen durch die gewählte Vermittlung Gefühle des Protagonisten sichtbar, Selbsttäuschungen werden aufgedeckt. Demgegenüber stellt Jensen Cardeñas La puta enamorada (1998), bei dem es sich um ein Metadrama mit expliziter Erzählerfigur handelt, die nicht zur Selbstreflexion genutzt wird. Die Autorin erarbeitet schlüssig, dass hier ein wichtiger Unterschied zu den Dramen Sanchis Sinisterras liegt, denn dieser nützt die Techniken des figuralen Metadramas immer in Verbindung mit illusionsstörenden Verfahren. Das folgende Kapitel wendet sich dem figuralen Metadrama unter zwei verschiedenen Aspekten zu. Kollektive Rollenzuschreibungen werden thematisiert in Los figurantes (1989) von Sinisterra und Elsa Schneider (1989) von Sergi Belbel. In beiden Stücken findet eine Überlagerung verschiedener metadramatischer Verfahren statt, deren unterschiedliche Funktionen gekonnt analysiert werden. Der Widerstreit mit einer dominanten Rollenfigur wird anhand von Alonso de Santos’ La sombra del Tenorio (1994), El canto de la rana (1987) aus der Sammlung Mísero Próspero von Sanchis Sinisterra und López Mozos D.J. (1987) untersucht. Im Gegensatz zu diesen Dramen steht Un maldito beso (1989) von Concha Romero. Die Rollenspiele sind hier illusionsfördernd, denn die Figuren werden nicht durch das Vorbild einer berühmten Rollenfigur geprägt, sondern sie spielen sich immer wieder selbst in ihrer eigenen Rolle als Ehefrau, Ehemann, Geliebte und Geliebter. Jensen macht somit nochmals deutlich, wie auch im Bereich des figuralen Metadramas die beiden Pole der Gradationsskala zur metadramatischen Intensität besetzt sind. Die Autorin kommt zum Schluss, dass Sanchis Sinisterras Texte grundsätzlich episierend sind und die konventionelle dramatische Formen aufsprengen, um das Publikum zu aktivieren. “Sie sind eine Kampfansage an das bürgerliche Illusionstheater” (266). Jensen stellt in ihrer Arbeit immer wieder Bezüge zwischen den einzelnen, analysierten Stücken her, so dass Parallelen, aber auch Unterschiede im Einsatz metadramatischer Mittel deutlich werden. Verwirrend für den Laien ist leider, dass Jensen innerhalb einzelner Analysen auf Grund ihrer umfassenden Kenntnis des Werkschaffens Sanchis Sinisterras neue Stücke einführt, 169 170 Rezensionen anhand derer einzelne Aspekte vertieft werden, ohne diese näher zu erläutern. Formen des episierenden Metadramas bietet insgesamt eine gelungene Erweiterung der Typologie von ViewegMarks und eine gute Einführung in das Werkschaffen Sanchis Sinisterras. Passau MARTINA WEIS Meike Wagner, Wolf-Dieter Ernst (Hg.): Performing the Matrix: Mediating Cultural Performances. München: Epodium, 2008, 346 Seiten. Performing the Matrix: Mediating Cultural Performances brings together in article form the contributions of some seventeen speakers at the international conference of the same name held in Mainz in 2005. It includes contributions from renowned scholars who are field-leaders in performance research in a number of European countries and, in this sense alone it is a volume of significance. In a review of this scope it is not possible to remark upon all the contributions and a selection is chosen for comment below in an attempt to give a taste of its contents. But the impact of the volume overall will depend in part upon whether the contents add up to more than the sum of their parts in respect of the guiding notions of “the matrix” imbricated within “performance” and vice-versa. How might such a concept differ from, say, Williams’s seminal ‘structure of feeling’ or Foucault’s ‘regimes of truth’? What might the combination of the established, though contested, sites of both “performance” and “the matrix” contribute to an understanding of the ‘in-between’ in contemporary culture? Wagner and Ernst deftly and knowledgeably mobilise the conceptual model in the introduction. Taking their cue from the now legendary Wachowski brothers’ The Matrix (1999) movie and its legacy in academia, Wagner and Ernst invite a reflection not upon the shadows of Plato’s cave but on “the processes and effects of the media-matrix” (12). Indeed “a double exposure of thematic and methodological issues” (12), arising Forum Modernes Theater, Bd. 23/2 (2008), 170–172. Gunter Narr Verlag Tübingen when performances are inexorably mediatized and media are ineluctably performed, yields a metaphor more akin to a dynamic double helix than the shadows flickering from Plato’s cave fire. Is there any escape, Wagner and Ernst seem to ask, from a virtual web as determining as DNA on the one hand but endlessly deferring the significance of human cultural performance on the other? To assist the reader in pondering her options in respect of this structure in process, Wagner and Ernst provide an etymology of terms from the Greeks to Thomas Kuhn, from Böhme to Butler to show how concepts historically are constructed, and revised, in discourse. Given the understandable editorial refusal to “promote a clear-cut distinction of structure and process in this volume” (18), a range of approaches in the articles might be expected. In ‘Seeing Sound’, Christopher Balme explores an interdisciplinary practice in the form of mental imaging of a postdramatic theatre in which “the drama takes place in the music, not on stage” (80). Drawing upon theories of the “visual” and “iconic” turns and referencing Helmut Lachenmann’s The Match Girl and Adriana Hölsky’s The Invisible Room, Balme proposes a scenography of “a music that is working towards a visual effect without resort to crass, mimetic effects” (80). Balme’s essay finds a resonance with other contributors’ explorations of a new set of aesthetic relations within the “matrix”. In a thought-provoking engagement with the “factual fictions” of Walid Raad with the Atlas Group, Martin Doll brings out the performative aspect of “pictoriality” (as distinct from representative-ness) and goes further to expose “fictitious rules of production as fictitious” (330–31). Doll prefers the lecturepresentations of Raad over his installations precisely because they mobilise a dialogic play in the process of performance and in reception. Both Balme’s and Doll’s pieces, like others in the volume, offer insightful analyses of ground-breaking contemporary arts practices but they do not perhaps promote the “matrix-performance” concept since they might simply be embraced by the, admittedly over-expanded, notion of ‘performativity’. In outlining his ecological perspective, however, Baz Kershaw overtly takes up – and illustrates