Klausurvorbereitung
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Einführung in die Textanalyse Verse Matuschek Vers = kleinste Einheit der metrisch gebundenen Sprache (Ggs.: metrisch ungebundene Sprache = Prosa). Der Vers ist in der deutschen Sprache definiert durch: 1. die Zahl der betonten Silben (= Hebungen) 2. den Umgang mit den unbetonten Silben (=Senkungen): (a) am Versanfang (mit oder ohne Auftakt = Anfang mit unbetonter oder betonter Silbe), (b) in seinem Verlauf (regelmäßiger (= alternierender) Wechsel von Hebung und Senkung(en) oder varierende Zahl der Senkungen (= Füllungsfreiheit)), und (c) am Versende (letzte Silbe betont oder unbetont = männliche oder weibliche Kadenz) Dazu kommt die Möglichkeit und, wenn realisiert, Position des Reims (= Gleichklang von Wörtern ab dem letzten betonten Vokal; nach Stellung im Vers: Anfangs-, Binnen- und Endreim). Der Stabreim ist kein Reim, sondern eine besondere Form der Alliteration in mittelalterlichen deutschen Versen, die im Neuhochdeutschen nur sehr selten nachgeahmt wurde. Wo Verse durch die Zahl der Hebungen definiert sind, spricht man vom akzentuierenden Versprinzip; wo es nur um die Anzahl der Silben geht, vom silbenzählenden, wo es um die Länge oder Kürze der Silben geht, vom quantitierenden Versprinzip. Deutsche Verse folgen in erster Linie dem akzentuierenden Prinzip, dh. sie definieren sich als n-hebig (auch n-Takter), näher bestimmt durch die Fragen nach Auftakt, Alternation, Kadenz und ggf. Reim. Durch die Nachahmung fremdsprachiger Verse kommt das silbenzählende Prinzip hinzu, das quantitierende spielt im Deutschen keine Rolle. Bsp.e für in erster Linie silbenzählendes Versprinzip sind die romanischen Sprachen; für das quantitierende Altgriechisch und Latein. Die Definition der Versfüße stammt aus der quantitierenden Metrik der griechisch-römischen Antike, wo sie nach Abfolge der langen und kurzen Silben bestimmt sind. Im Deutschen hat man dies auf die Akzentuierung übertragen und die Versfüße entsprechend nach der Abfolge von Hebungen und Senkungen bestimmt (Jambus SH, Trochäus HS, Daktylus HSS, Anapäst SSH, Spondeus HH). Man sollte diese Termini nur dort benutzen, wo deutsche Verse der antiken Metrik nachempfunden sind. Allgemein gilt im Deutschen die Regel, dass die Akzentuierung im Vers dem natürlichen Wortakzent folgt. Die Wörter werden im Vers also genauso ausgesprochen wie in der Prosa. Die Kunst, Verse zu machen, besteht darin, die Wörter so zu wählen, dass sie das gewählte metrische Schema erfüllen. Wo dies nicht der Fall ist und metrische und natürliche Akzentuierung nicht zusammenfallen, spricht man von Tonbeugung. Wo man dies nicht einfach als Fehler, sondern als gesuchten Effekt ansieht, spricht man von schwebender Betonung. Zum Verhältnis Vers – Syntax: Reicht ein Satz über die Versgrenze hinaus, spricht man von Enjambement, liegt die Versgrenze dabei zwischen den engeren syntaktischen Einheiten, kann man von einem glatten, liegt sie innerhalb einer syntaktischen Einheit, von einem harten Enjambement sprechen. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, denn nur ein hartes Enjambement ist – zumal bei kürzeren Versen – als ein Stilmittel auffällig. Glatte Einjambements sind eher die Regel. Auffälliger ist demgegenüber die fortgesetzte Übereinstimmung von Vers und Satzgrenze (=Zeilenstil; im Versdrama bei jeweils wechselnden Sprechern: Stichomythie und, bei Halbverswechseln: Hemistichomythie). In der Zäsur treffen metrische Pause und syntaktische Grenze innerhalb eines Verses zusammen. Abweichung von der üblichen Syntax durch Trennungen und Umstellungen syntaktischer Einheiten heißen Hyperbaton oder Sperrung; sie können im Vers wie in der Prosa zur Betonung einzelner Wörter dienen, im Vers auch dazu, das metrische Schema mit dem natürlichen Akzent übereinzubringen. Etablierte Verstypen: Aus deutsch-muttersprachlicher Tradition: Liedvers: 4 oder 3hebig, zumeist alternierend und gereimt Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Knittelvers: 4hebig, füllungsfrei Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin Und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor. Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft.Einsam wacht Nur das traute heilige Paar. Holder Knab‘ im lockigtenHaar Schlafe in seliger Ruh! Schlafe in seliger Ruh! Ach, was muß man oft von bösen Kindern hören oder lesen! Wie zum Beispiel hier von diesen, Welche Max und Moritz hießen; Aus englischer Tradition: Blankvers: 5hebig, mit Auftakt, alternierend, ohne Reim Heraus in eure Schatten, rege Wipfel Und an dem Ufer steh‘ ich lange Tage, Des alten heil’gen dichtbelaubten Heines, Das Land der Griechen mit der Seele suchend; Wie in der Göttin stilles Heiligtum, [Prosafassung:Heraus in eure Schatten, ewig rege Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, Wipfel des heiligen Hains, hinein ins Heiligtum der Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, Göttin, der ich diene, tret‘ ich mit immer neuen Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. Schauer und meine Seele gewöhnt sich nicht So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen hierher! So manche Jahre wohn ich hier unter euch Ein hoher Wille dem ich mich ergebe; verborgen, und immer bin ich, wie im ersten, Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. fremd, denn mein Verlangen steht hinüber nach Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten, dem schönen Lande der Griechen.] Aus romanischer Tradition: Alexandriner: 6hebig, alternierend, mit Auftakt, Zäsur nach der 3. Hebung Du sihst/ wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden Was dieser heute baut/ reist jener morgen ein Wo itzund Städte stehn/ wird eine Wiese seyn Auff der ein Schäfers-Kind wird spilen mit den Herden: Vers commun: 5hebig, alternierend, mit Auftakt, Zäsur nach der 2. Hebung, bei freier Zäsur Nachbildung des italienischen Endecasillabo (dt. Elfsilber) Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrthe still und hoch der Lorbeer steht. Antikisierende Versformen: Hexameter: 6hebig als akzentuierende Nachbildung von 6 Versfüßen, Zäsur zumeist nach der 3. Hebung Pentameter: 6hebig, Hebungsprall (Aufeinandertreffen zweier Hebungen) und Zäsur zwischen 3. und 4. Hebung, der zweite Versteil HSSHSSH; tritt zumeist in Kombination mit einem vorausgehenden Hexameter als Distichon auf Im Hexametersteigt des Springquells flüssige Säule, Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab. Aus dem Nordmeere steigt des Untiers grässliche Fratze, selbst zu Tode erschreckt, sinkt es gebrochen hinab. Einführung in die Textanalyse Strophen und Gedichtformen (Matuschek) Strophe = aus mehreren Versen bestehender Abschnitt eines Gedichts oder einer Verserzählung, im engeren Sinne dann, wenn diese Abschnitte gleich oder ähnlich gebaut sind Sachliche Romanze Als sie einander acht Jahre kannten (Und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie anderen Leuten ein Stock oder Hut. Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei, und sahen sich an und wußten nicht weiter. Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensvch Klavier. Sie gingen ins kleinste Café am Ort und rührten in ihren Tassen. Am Abend saßen sie immer noch dort. Sie saßen allen, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen. Gedicht in nicht strophischen Abschnitten: Selbstbildnis im Supermarkt trotzdem. Und ich geh weiter In einer großen Fensterscheibe des Super- bis ich vor einer kahlen Wand steh und nicht weiter weiß. markts komme ich mir selbst entgegen, wie ich bin. Dort holt mich später dann sicher jemand ab. Der Schlag, der trifft, ist nicht der erwartete Schlag aber der Schlag trifft mich Strophentypen: Liedstrophe: vier zumeist 3- oder 4hebige gereimte Verse (s.o. Liedverse), je nach Traditionszusammmenhang Kirchenlied-, Volkslied-, Romanzenstrophe mit jeweils engeren Festlegungen. Gedichte in solchen Strophen heißen liedhaft. Stanze: 8 Verse im Reimschema abababcc (Hauptform der italienischen Versepik, im Dt. nachgebildet) ANAΓKH, Nötigung Da ists denn wieder, wie die Strene wollten: Bedingung und Gesetz; und aller Wille Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten, Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille; Das Liebste wird vom Herzen weggescholten, Dem harten Muß bequemt sich Will und Grille. So sind wir scheinfrei denn nach manchen Jahren Nur enger dran, als wir am Anfang waren. NÖTIGUNG, Fun Als die Verdammten konnten, wie sie wollten, Da einte Jung und Alt der feste Wille, Daß Trauer, Schmerz und Angst verschwinden sollten Samt Langsamkeit, Bedächtigkeit und Stille. Wer nicht vergnügt war, wurde weggescholten, Schon Abseitsstehen galt als trübe Grille Humor war Trumpf und sorgte mit den Jahren Dafür, daß alle elend gut drauf waren. Nachbildungen antiker Odenstrophen: Akzentuierende Übertragung altgriechischer Metren, unterschieden nach beispielgebenden Dichternamen: sapphische, asklepiadeische, alkäische Odenstrophe Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen Und einen Herbst zu reifen Gesange mir Daß williger dann mein Herz, vom süßen Spiele gesättiget, dann mir sterbe. SHSHS/HSSHSH SHSHS/HSSHSH S H S* H S H S H S [* SS im Text] H S S H S S H S H S (alkäisch) Sonett: 14 gereimte Verse, 2 Quartette + 2 Terzette oder (Shakespeare-Sonett) 3 Quartette + Verspaar Ist Liebe lauter nichts, wie daß sie mich entzündet? Ist sie dann gleichwohl was, wem ist ihr Tun bewußt? Ist sie auch gut und recht, wie bringt sie böse Lust? Ist sie nicht gut, wie daß man Freud‘ aus ihr empfindet? Lieb‘ ich ohn allen Zwang, wie kann ich Schmerzen tragen? Muß ich es tun, was hilft’s daß ich solch Trauern führ? Heb‘ ich es ungern an, wer dann befiehlt es mir? Tue ich es aber gern‘, um was hab ich zu klagen? Ich wanke wie das Gras so von den kühlen Winden Um Vesperzeit bald hin geneiget wird bald her: Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer Von Wellen umgejagt nicht kann zur Ruhe finden. Ich weiß nicht was ich will, ich will nicht was ich weiß: Im Sommer ist mir kalt, im Winter ist mir heiß. Madrigalverse: nicht strophisch, sondern in unregelmäßigerer Abschnitte gegeliederte Folge von Versen unterschiedlicher Hebungszahl mit Alternation und Reim Wandrers Nachtlied II (Ein Gleiches) Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch. Freie Verse: Verse ohne metrisches Schema, ohne Reim und Strophen im engeren Sinne. Diese Form entsteht im 18. Jh. in der Nachbildung von antiken Odenmaßen und deren freier Variation und sie bleibt über das 19. Jh. dem begeisterten, erhebenden Sprachgestus antiker Oden und Hymnen verbunden. Erst im 20. Jh. löst sie sich davon und begnet auch nüchterner und alltagssprachlicher. Nicht in den Ocean Der Welten alle Will ich mich stürzen! Nicht schweben, wo die ersten Erschafnen, Wo die Jubelchöre der Söhne des Lichts Anbeten, tief anbeten, Und in Entzückung vergehn! (Klopstock, 1759) Nicht umsonst Wird der Anbruch jeden neuen Tages Eingeleitet durch das Krähen des Hahns Anzeigend seit alters Einen Verrat. (Brecht 1943) Visuelle Poesie: Gedichte, deren Text nicht konventionell in Zeilen, sondern darstellerisch bildhaft angeordnet ist (Ein Gedicht über einen Springbrunnen in Form eines solchen gesetzt). Konkrete Poesie: Gedichte, die keine sprachlichen Texte im konventionellen Sinne sind, sondern Worte oder auch nur Schriftzeichen als optische oder akustische (Lautgedichte) Reize bieten. Einführung in die Textanalyse Erzähltheorie I Grundlagen, Gattungen Faktuales Erzählen: Erzählen einer überprüfbaren, durch alternative Zeugnisse verifizierbaren oder falsifizierbaren Geschichte, kann in diesem Sinne wahr oder falsch sein. Faktuales Erzählen erschafft keine eigene Erzählwelt, sondern referiert auf die Wirklichkeit. Fiktionales Erzählen: Erzählen einer nicht überprüfbaren Geschichte, für die es keine alternativen Zeugnisse gibt, ist deshalb weder wahr noch falsch. Fiktionales Erzählen kann realistisch, wahrscheinlich, unwahrscheinlich, phantastisch sein, je nachdem, wie es sich an die bekannte Realität anschließt oder von ihr abweicht. Es schafft (auch in der realistischen Variante) eine eigene Erzählwelt mit eigenen Regeln und Möglichkeiten. Die Begriffe Fiktionalität und fiktional werden als metasprachliche Begriffe verwendet, d.h. sie beziehen sich auf sprachliche Elemente (z.B. fiktionale Rede, fiktionale Texte, fiktionale Aussagen …); die Begriffe Fiktivität und fiktiv sind dagegen keine metasprachlichen Ausdrücke, sondern beziehen sich auf die Inhaltselemente der fiktionalen Texte und bezeichnen deren Unwirklichkeitsstatus. Fiktionale Literatur ist nicht fiktiv, denn es gibt sie ja, sie ist real; fiktive Literatur ist solche, die es tatsächlich nicht gibt, sondern etwa in der Vorstellungswelt einer Fiktion. Robinson Crusoe ist als Romanfigur ein fiktiver Schiffsbrüchiger; der Roman „Robinson Crusoe“ ist nicht fiktiv, sondern real und fiktional. Grundlegende Unterscheidung der Erzähltextanalyse: das Was und das Wie der Erzählung, begrifflich: Erzähltes – Erzählung Geschichte – Darstellung erzählte Welt, deren Elemente, Eigenschaften u. Ereignisse – Art u. Weise d. erzählerischen Vergegenwärtigung Gattungen der Erzählliteratur: Fiktionales Erzählen: Versepik: (Helden-, National-)Epos, Idylle, Komisches Epos, Tierepos, Lehrgedicht, Fabel, Höfischer Roman/ Ritterroman (ma.) (Prosa-)Roman: (inhaltlich definiert:) Abenteuerroman, Autobiographischer Roman, Bildungs-/ Entwicklungsroman, Detektivroman, Gesellschaftsroman, Historischer Roman, Kriminalroman, Künstlerroman, Schauerroman (gothic novel), Schelmen- / (Picaro-)roman, Reiseroman, Ritterroman, Robinsonade, Science fiction, Utopischer Roman, Zeitroman, Zukunftsroman (formal definiert:) Briefroman, Dialogroman Erzählungen: Anekdote, Gespenstergeschichte, Historische Erzählung, Kunstmärchen, Kurzgeschichte, (Volks)Märchen, Novelle, Schwank, Witz Faktuales Erzählen: Autobiographie, Bericht, Biographie, Memoiren, Reisebericht, Reportage Einführung in die Textanalyse Erzähltheorie II Zeit und Modus Zeit: Bei der Analyse der Zeitverhältnisse im Erzählttext geht es um das Verhältnis von erzählter Zeit (Zeit der Geschichte, des Erzählten) und der Erzählzeit (Zeit der Darstellung, der Erzählung), insbesondere um - Ordnung (Reihenfolge der Ereignisse) chronologische Erzählung (Reihenfolge der erzählten und der Erzählzeit stimmen überein) Anachronie = Reihenfolge stimmt nicht überein, entweder Rückwendung (Analepse) oder Vorausdeutung (Prolepse) der Erzählung (Geschichte: A B C; Analepse: B A C; Prolepse: A C B). Eine aufbauende Rückwendung ist eine solche, die nach einem in medias res-Einsatz das notwedendige Vorwissen für den Erzähleinstieg nachliefert; eine auflösende Rückwendung eine solche, die einen bislang ungeklärten Zusammenhang im Nachhinein aufklärt (beliebt in Detektivromanen). Vorausdeutungen kann man in zukunftsgewisse und zukunftsungewisse unterscheiden. - Dauer (Zeitumfang der Erzählzeit im Verhältnis zur erzählten Zeit): zeitdeckendes Erzählen = Szene (Erzählzeit gleicht etwa der erzählten Zeit) zeitdehnendes Erzählen = Dehnung (Erzählzeit länger als die erzählte Zeit, analog der Zeitlupe im Film) zeitraffendes oder summarisches Erzählen = Raffung (Erzählzeit kürzer als erzählte Zeit) Zeitsprung = Ellipse (Erzählung lässt einen Teil der Geschichte aus, explizite oder implizite Ellipse) Pause (Erzählung geht weiter, ohne das Geschehen voranzubringen, etwa bei Exkursen, Beschreibungen, Reflexionen) - Frequenz (Häufigkeit der Ereignisse) singulative Erzählung (ein einmaliges Ereignis wird einmal erzählt) repetitive Erzählung (wiederholtes Erzählen eines Ereignisses, etwa aus verschiedenen Blickwinkeln) iterative Erzählung (einmaliges Erzählen sich wiederholender Ereignisse, etwa beispielhaftes Erzählen von Gewohnheitshandlungen) Mit Modus bezeichnet man Perspektivierung (Fokalisierung) der Erzählung und den Grad an Mittelbarkeit (Distanz) - Fokalisierung („Wer sieht?“ Perspektivierung des Erzählten, Standpunkt des Wahrnehmenden) Nullfokalisierung („Übersicht“) Perspektivierung aus übergeordnetem Standpunkt, der mehr weiß und wahrnimmt als alle Figuren, auch in diese hineinsehen kann Interne Fokalisierung („Mitsicht“) Perspektivierung aus dem Standpunkt einer Figur Externe Fokalisierung („Außensicht“) Perspektivierung aus einem nebengeordneten Standpunkt, von dem aus nicht in die Figuren hineingesehen werden kann Eine Erzählung kann in ihrem Verlauf bei einer Fokalisierung bleiben oder einen Typ als dominante Fokalisierung etablieren, sie kann Fokalisierungwechsel vornehmen. Die interne Fokalisierung kann auf eine Figur beschränkt sein (fixierte i. F.), sie kann zwischen mehreren Figuren wechseln (variable i. F.) oder insbesondere auch ein und dasselbe Geschehen aus verschiedenen Figurenperspektiven zeigen (multiple i. F.) - Distanz (Grad an Mittelbarkeit, mit dem eine Erzählung ihre Geschichte darstellt). Als idealtypische Gegensätze, wie mittelbar oder unmittelbar eine Erzählung sein kann, unterscheidet man den narrativen Modus, in dem alles Geschehene, Gesagte und Gedachte durch eine Erzählerstimme berichtet wird (höchster Grad an Mittelbarkeit) und den dramatischen Modus, der die Rede oder die Gedanken der beteiligten Figuren wörtlich zitiert (höchster Grad an Unmittelbarkeit). Die meisten Erzähltexte mischen die beiden Modi, so dass die Erzählung in ihrem Verlauf unterschiedliche Grade an Mittelbarkeit zeigt. Bei der Wiedergabe von FigurenRede und –Gedanken kann man folgende Verfahren unterscheiden, gestaffelt nach dem Grad der Mittelbarkeit: Einführung in die Textanalyse Erzähltheorie III Stimme und Erzähler Modus = Antwort auf die Frage „Wer sieht?“ (vgl. Erzähltheorie II) Stimme = Antwort auf die Frage „Wer spricht?“ Im Erzähltext ein oder mehrere Erzähler oder zitierte Figurenrede. Die Erzählstimme kann markiert (der Erzähler ist als Figur erkennbar) oder unmarkiert sein. Der Autor ist in fiktionalen Texten nicht der Erzähler, er erfindet den Erzähler und dessen Erzählstil. Zeitpunkt des Erzählens: späteres, gleichzeitiges, früheres Erzählen Ort des Erzählers und sein Verhältnis zur erzählten Welt (= Diegese): extradiegetisch = außerhalb der erzählten Welt, der extradiegetische Erz. bringt die erzählte Welt hervor intradiegetisch = innerhalb der erzählten Welt, der intradiegetische Erz. ist Teil der erzählten Welt heterodiegetisch = der Erz. ist keine Figur der erzählten Welt homodiegetisch = der Erz. ist Figur der erzählten Welt Grade der Beteilung des Erzählers am Geschehen (aufsteigend): 1. Unbeteiligter Erz. (heterodiegetisch); 2. Unbeteiligter Beobachter, 3. Beteiligter Beobachter, 4. Nebenfigur, 5. Eine der Hauptfiguren, 6. Die Hauptfigur (2-6 homodiegetisch) Metadiegese nennt man die in einer Erzählwelt (Diegese) von einem (fiktiven) Erzähler seinerseits neu geschaffene Erzählwelt (Erzählung in der Erzählung). Metalepse nennt man eine Grenzüberschreitung zwischen Diegese und Metadiegese, eine Art erzählerischer „Kurzschluss“ zwischen zwei getrennten Erzählwelten. Stanzels Typologie dreier Erzählsituationen (auktorialer, personaler, Ich-Erzähler) modelliert prägnante, oft begegnende Erzähler-Typen. Ihr Nachteil ist die schematische Starrheit, die den wechselnden Verhältnissen in Erzähltexten nicht gerecht wird. Genettes Unterscheidung von Stimme und Modus sowie die zugehörigen Differenzierungen kommen den vielfältigen Erzählverfahren und deren Dynamik näher. Unzuverlässiges Erzählen nennt man Aussagen über die erzählte Welt, die zweifelhaft oder falsch sind. Einführung in die Textanalyse Erzähltheorie IV Handlungsmotivierung, Erzählte Welten Handlungsmotivierung (Antwort auf die Frage, wie sich in einer Erzählung Ereignisse erklären lassen) kausale Motivierung: Erklärung durch einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang, Indiz für eine rationale, realistische Erzählwelt finale Motivierung: Erklärung durch ein Ziel, auf das die Handlung hinausläuft, Indiz für ein mythische, nicht rational erklärliche Erzähltwelt kompositorische oder ästhetische Motivierung: Erklärung nicht auf der Handlungsebene, sondern auf der Ebene der künstlerischen Darstellung, der Komposition (etwa gattungsspezifische Handlungsschemata) Erzählte Welten: homogene vs. heterogene Welt (Bsp. realist. Roman vs. Kafka, Die Verwandlung) uniregionale vs. pluriregionale Welt (Bsp. realist. Roman oder Volksmärchen vs. Kunstmärchen, etwa E.T.A. Hoffmann, Der goldene Topf) stabile vs. instabile Welt (Bsp. Kafka, Die Verwandlung vs. Hoffmann, Der goldene Topf) mögliche vs. unmögliche Welt (Bsp. realistisches, historisches, historisch-kontrafaktisches Erzählen vs. phantastisches Erzählen) thematischer Vordergrund – unthematischer Hintergrund (ergibt sich aus den Implikaturen des thematisch Vordergründigen, auch durch Gattungskonventionen festgelegt) Einführung in die Textanalyse Drama I Grundbegriffe Drama (gr. ‚Handlung‘): ein auf die Aufführung angelegter Text aus Figurenrede und –dialog (= Haupttext) und zugehörigen Szenen- und Regieanweisungen (= Nebentext). Insofern es auf die Aufführung angelegt ist, ist das Drama kein rein sprachlich-literarisches Phänomen, sondern als Theaterstück/ Schauspiel ein plurimediales Kunstwerk. Dessen Elemente: Dramentext, Schauspielkunst, Regie, Bühnenraum (+ Zuschauerraum), Bühnenbild, Maske, Kostüm, Requisite Lesedrama: Dramentext, der vordringlich auf die Lektüre und nicht auf eine Aufführung angelegt ist Dramentexte sind in der Regel auf die Möglichkeiten des historisch zugehörigen Bühnenraums/ der Bühnentechnik bezogen: Simultanbühne (kein wechselndes Bühnenbild, ein Schauplatz oder mehrere verschiedene Schauplätze durch wenige Requisiten angedeutet): Haupttext markiert den jeweiligen Schauplatz Guckkastenbühne (Darstellung eines spezifischen Schauplatzes durch dreiwändige Kulisse): Nebentexte beschreiben den jeweiligen Schauplatz Illusionistisches Theater/ Aristotelisches Theater: zielt auf das Sich-Hinein-Versetzen der Zuschauer, die die vorgespielte als möglichst realistische Welt mitempfinden sollen (Mittel: Guckkastenbühne, wirklichkeitsnahe Rede, mittlere Charaktere …, Gebot der Wahrscheinlichkeit); zugehörig die Aristotelische Katharsis-Lehre: Absicht der Tragödie, durch die Erregung von Affekten (Jammern gr. phóbos und Schaudern gr. éleos) von diesen Affekten zu „reinigen“ (Katharsis = Reinigung); die dt.e Aufklärung (maßgeblich: Lessing im Zusammenhang mit dem bürgerlichen Drama) moralisiert die Katharsis-Lehre, indem sie die genannten Affekte als „Furcht und Mitleid“ übersetzt Anti-illusionistisches Theater/ Episches Theater: zielt auf die bewusste Distanz der Zuschauer, die die vorgespielte als künstliche Welt reflektieren sollen (episierende Mittel: alles, was die Immanenz der dialogischszenischen Gegenwart aufbricht: Prolog, Epilog, Verfremdungseffekt, gereimte Verse…) Geschlossene Form: Dramen, die einer festen Bauform folgen, musterbildend: Klassizistisches Drama: im Kontext des französischen Hoftheaters Ludwigs XIV. (Barock, ausgehendes 17. Jh.) kodifizierte Norm einer den Kunstregeln entsprechenden Tragödie: wohlproportionierte Akt-/Szene-Gliederung, zumeist 5 Akte (dt. auch Aufzug), unterteilt in Szenen (dt. auch Auftritt) durch Auftritt und Abgang einzelner Figuren, begrenztes Personal, die drei „aristotelischen“ Einheiten Ort, Zeit, Handlung, Ständeklausel, rhetorische Stillehre (genera dicendi) in Abhängigkeit des Standes und des Themas: Stilus sublimis/gravis (erhabener Stil), Stilus mediocris (mittlerer Stil), Stilus humilis (niederer Stil). Darauf bezogen des Pyramidenschema von Gustav Freytag: Höhepunkt/Peripteie erregendes Moment/steigende Handlung Exposition fallende Handlung Katastrophe/Lösung des Konflikts Offene Form: Dramen, die keiner festen Bauform folgen. Inspirierend seit dem 18. Jh. in Dtl. vor allem Shakespeare (shakespearisierndes Drama), keine zwingende Akt-/Szene-Gliederung, freie Szenenfolge, Ortswechsel, Zeitsprünge, mehrere Handlungsstränge, viele Personen und Personengruppen, Stilmischung, Offenheit für märchen-, traum- und zauberhafte Elemente, liedhafte/ lyrische Einlagen grundsätzliche Differenz der Dramenfiguren: Typus (= schematische Verkörperung einer Eigenschaft) – Charakter (= komplexere individuelle Figur) Einführung in die Textanalyse Drama II Rollenfach oder Rollentypus: konventionalisiertes, aus festgelegten Eigenschaften bestehendes Figurenschema bestimmter dramatischer Gattungen (Bsp. Hanswurst/ Lustige Person), einflussreichstes Muster: Commedia dell’arte (=italienisches Stegreiftheater) mit den Typen: Dottore (schwadronierender pedantischer Gelehrter), Pantalone (geiziger Kaufmann und Schürzenjäger), Capitano oder Skaramuz (prahlsüchtiger Militär), Arlecchino (gerissener Schelm), Colombina (kokette Dienerin), Pulcinella (gefräßiger, listiger, fauler Diener), typenhaft festgelegt auch das Junge Liebespaar, die alte Kupplerin … Die Rollenfächer wandern vom Improvisiationstheater auch in das literarische Drama ein, werden dort aber variiert und charakterlich differenziert. Rollenfächer bedeuten zugleich eine Fach-Zuordnung des Schauspielerpersonals. Parabase = Aus-der-Rolle-Fallen, möglich im Monolog oder Dialog der Figuren oder als direkte Publikumsansprache Spiel im Spiel = ein in der fiktiven Schauspielwirklichkeit aufgeführtes Schauspiel Botenbericht und Teichoskopie (gr. „Mauerschau“) = erzählerische und beschreibende Wiedergabe von Ereignissen, die zur Handlung gehören, aber nicht auf der Bühne dargestellt werden Deus ex machina („Gott aus der [Theater]Maschine“): nicht aus der Handlung entwickeltes, unerwartetes Eingreifen einer konfliktlösenden Instanz (hergeleitet aus der Gotteserscheinung am Ende antiker Dramen) Einführung in die Textanalyse Drama III Gattungen und Formtypen Basis: Zweiteilung in ein ernstes und ein komisches Genre, in regelpoetisch idealtypischer Gegenüberstellung: Tragödie (dt.: Trauerspiel): konstituierende Merkmale: Handlung entspringt aus einer objektiven oder subjektiven katastrophenträchtigen Konfliktsituation (Tragik) der Hauptfigur(en), die einen höhen sozialen Rang bekleidet(/n) (Ständeklausel mit zugehörigem erhabenem Stil), damit ihr (tatsächlicher oder nur drohender) Untergang möglichst eindrucksvoll ist (Fallhöhe). Komödie (dt. Lustspiel): konstituierende Merkmale: Handlung enstpringt aus der Spannung, die aus der Abweichung einzelner von der allgemeinen gesellschaftlichen Norm resultiert. Die Komik ergibt sich aus der Normabweichung. Die Typenkomödie realisiert sie als ein bestimmtes, typisiertes Laster (Bsp. Molière, „Der Geizige“, Lessing, „Der junge Gelehrte“), das der Lächerlichkeit preisgegeben wird (Verlachkomödie). Das gute, heitere Ende besiegt das Laster und bestätigt die Norm. Jenseits der regelpoetischen Idealtypen begegnen vielfältige Mischungen, die tragische und komische Elemente verbinden. Mit regelpoetischer Terminologie sind solche Werke als Tragikomödie zu bezeichnen. Im Deutschen tritt häufig der Ausdruck Schauspiel als Gattungsbezeichnung ein, um die Distanz zu den regelpoetischen Idealtypen zu markieren. Neue (in ihrer Tendenz konvergente) Erfolgsformen der Dramenliteratur im 18. Jh.: Bürgerliches Trauerspiel: Ablösung der Tragödie aus den Vorschriften der Ständeklausel und des erhabenen Stils, Versetzung in die bürgerliche Welt mit zugehöriger mittlerer Stillage Weinerliches oder Rührendes Lustspiel: Zurückdrängung des Lächerlichen in der Komödie zugunsten tugendhafter Figuren, die sich gegen Intrigen behaupten Formtypen: Analytisches Drama: k. M.: Das entscheidende konfliktbegründende Ereignis liegt zeitlich vor der eigentlichen Bühnenhandlung, die nur dessen nachträgliche Entdeckung darstellt (Muster: Sophokles: „König Ödipus“, Kleist: „Der zerbrochene Krug“) Lyrisches Drama: k. M.: Handlungselemente treten zugunsten von Stimmungsausdruck zurück Stationendrama: k. M.: Die Handlung hat keinen zentralen Konflikt, sondern besteht aus einer Reihe von Episoden Inhaltlich- und teilweise formal bestimmte Typen: Märchendrama Märtyrerdrama Historisches Drama/ Geschichtsdrama Soziales Drama, Milieudrama Dokumentartheater/ Dokumentarstück Volkstheater/ Volksstück Formtypen der Komik: Handlungs- , Situations-, Figuren- Sprachkomik; Komik der literarischen Form: Travestie, Parodie Dramatische oder Tragische Ironie: Widerspruch zwischen der Handlungsabsicht einer Figur und der tatsächlichen Wirkung der Handlung unter der Voraussetzung, dass der Widerspruch aus dem unzureichenden Wissen der Figur entsteht Einführung in die Textanalayse Formen jenseits der Gattungstrias Essay: ein nichtfiktionaler Prosataext, der nicht nur mit argumentativen, sondern zugleich stilistischästhetischen Mitteln ein Thema erörtert; Grenzgattung zwischen wissenschaftlichem und künstlerischem Text Aphorismus: kurzer, nichtfiktionaler Prosatext, der einen Gedanken in prägnater, knapper, pointierter Weise formuliert, (in Versen: Epigramm); erscheinen in der Regel in Sammlungen mit thematischer Reihenbildung Dialog/ Gespräch (außerhalb des Dramas): auf fiktionale Figurenrede verteilte Erörterung eines Themas Begriffe, die quer zur Gattungstrias liegen: Idylle: Darstellung einer selbstgenügsamen, zufriedenen heilen Welt Satire: verspottende Darstellung einer als schlecht, fehlerhaft bewerteten Welt, Spott durch die ästhetische Überzeichnung (Karikatur) des Fehlerhaften. Wie der Begriff Karikatur stammt der Begriff Groteske aus der bildenden Kunst, meint dort durch Kontrast geprägte Darstellungen (etwa: Wesen halb Mensch, halb Pflanze); Übertragung auf strukturell analoge Kontrastästhetik in der Literatur