Heinz Kahlau (geb. 1931) Sommerlied Durch deine Haare seh ich
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Heinz Kahlau (geb. 1931) Sommerlied Durch deine Haare seh ich
Heinz Kahlau (geb. 1931) Sommerlied Durch deine Haare seh ich Himmel scheinen. Auf deiner Haut liegt Sonne, und der See hat zwischen deinen braunen Armen Wellen, und rings um deinen nackten Fuß ist Klee. Dort wo du hinschaust, geht ein Wind vorüber, die Bäume über dir sind von ihm voll. In deinen Händen riecht die Luft nach Ernte, als ob die Zeit der Reife kommen soll. Ich seh dich an und seh durch dich den Sommer. Ich bin der Gast in dieser Sommerruh. Ich möchte so noch gerne etwas bleiben. Der Sommer meint es gut mit mir. Wie du. Interpretation des Gedichts „Sommerlied“ von Heinz Kahlau Einleitung Das Gedicht „Sommerlied“ von Heinz Kahlau ist eine Liebeserklärung des lyrischen Ichs an sein Gegenüber. formale Merkmale; wenn es sich anbietet durchaus auch die dadurch erzielte Wirkung benennen Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit jeweils vier Versen und ist ganz regelmäßig aufgebaut. Die Verse sind 5hebig alternierend mit Auftakt, wobei sich klingender und stumpfer Versschluss auch regelmäßig abwechseln. Das Reimschema ist abcb. Mit einer Ausnahme (Zeile2/3) entsprechen Vers und Satzstruktur einander (Zeilenstil). Durch die regelmäßige Gestaltung, den Zeilenstil und das relativ lange Versmaß entsteht auf mich eine ausgeglichene, ruhige Wirkung beim lauten Lesen des Gedichts. Beschreibung des inhaltlichen Aufbaus; wichtig: Was tut der Sprecher jeweils! Also nicht nur den Inhalt wiedergeben. Das lyrische Ich spricht gleich im ersten Vers sein Gegenüber direkt an („In deinen Haaren seh ich ..“). In den folgenden Versen der ersten Strophe setzt es körperliche Merkmale seines Gegenübers (Haare, Haut, Arme, Fuß) ins Verhältnis zur Natur. Der Blick des lyrischen Ichs geht dabei von Kopf bis Fuß (Haare – Fuß). Gleichzeitig werden bestimmte Natureindrücke Dies ist schon Teil der Interpretation. Die Aussagen sollten durch Textstellen belegt werden benannt (Himmel-Sonne-Wellen-Klee). Auch hier findet sich eine Bewegung von oben nach unten. Somit wird die Situation deutlich: das lyrische Ich befindet sich mit seiner Geliebten im Sommer auf einer Wiese an einem See. In der zweiten Strophe wird zu der bisher rein visuellen Wahrnehmung des lyrischen Ichs der Geruch der Hände erwähnt, also ein weiterer Sinneseindruck benannt. Die ersten beiden Verse bereiten darauf vor, indem sie die Luftbewegungen beschreiben („geht ein Wind vorüber“). In der dritten Strophe fasst das lyrische Ich das bisher Gesagte in einem Satz zusammen: „Ich seh dich an, und seh durch Dich den Sommer.“ Dabei ist die Formulierung „durch dich“ doppeldeutig: Wie in der ersten Strophe dargestellt, blickt das lyrische Ich durch die Geliebte hindurch (durch die Arme und die Haare) und sieht die Natur. Gleichzeitig hat die Formulierung „durch dich“ die Bedeutung „mit deiner Hilfe“: das lyrische Ich nimmt also den Sommertag in seiner Schönheit erst mit der der Geliebten gemeinsam so wahr. Die letzten drei Verse sind eine allgemeine Reflexion des lyrischen Ichs über diese Situation: Es ist sich bewusst, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein wird („Ich bin der Gast“) und es äußert den Wunsch, dass diese entspannte Situation („Sommerruh“) noch andauern möge. Im letzten Vers vergleicht das lyrische Ich die Wirkung der Geliebten mit der wohltuenden Wirkung des Sommers. Durch den Satzbau des letzten Verses und die dadurch entstehende Zäsur beim Lesen wird das angesprochene Du noch einmal betont. Waren die ersten beiden Strophen durch die direkte Anrede an die Geliebte gekennzeichnet, so steht nun das lyrische Ich mit seinen Gedanken im Mittelpunkt der letzten Strophe. Dies wird verstärkt durch die Anapher „Ich seh … Ich bin …Ich möchte …“. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht inhaltlich von einer konkreten Situation ausgeht um dann strophenweise zu verallgemeinern. Detailanalyse und inhaltliche Deutung Satzbau Der Satzbau des Gedichts ist einfach, es überwiegen einfache Hauptsätze und Satzreihen (Parataxe) (Z.2-4), die den dargestellten Zustand der Ruhe und Ausgeglichenheit unterstreichen. Die verwendeten Verben im Text Wortwahl (sehen, liegen, sein, haben, …) unterstreichen das statische der dargestellten Situation. Die einzige Bewegung erscheint in der Naturbeschreibung: die Wellen des Sees und der Wind in den Bäumen. Insofern ist in der zweiten Strophe durchaus bemerkenswert, dass hier das Bild der Bewegung im Vordergrund steht. Hier eröffnen sich vertiefende Deutung Deutungsmöglichkeiten, die über die reine Situationsbeschreibung hinausgehen. Die Geliebte blickt das lyrische Ich nicht an („Dort wo du hinschaust“). Diese Dort wird nun näher bestimmt, als ein Ort, wo der Wind weht („geht ein Wind vorüber“), also ein Ort, der nicht die Ruhe hat, die in der ersten Strophe beschrieben wird. Auch in der Umgangssprache finden sich ja Redewendungen, die bestimmte Situationen mit dem Wind verbinden. Man kann „Rückenwind“ haben, der Wind kann einem ins Gesicht blasen, der Wind kann sich drehen, man kann sein Mäntelchen nach dem Winde hängen. Dass der Wind für eine Veränderung stehen könnte, wird durch den Vergleich in den folgenden beiden Versen noch verstärkt: die Luft richt „nach Ernte“, die „Zeit der Reife kündigt“ sich an. Auf die Jahreszeiten bezogen steht dies für den kommenden Herbst, bezogen auf die Beziehung zur Geliebten kündigt sich schon hier das in der dritten Strophe deutliche ausgesprochene Bewusstsein an, dass dieser Zustand der Gemeinsamkeit nicht von Dauer sein wird. Titel Der Titel „Sommerlied“ benennt das Thema des Textes nur sehr allgemein, allerdings wird das Gedicht als Lied klassifiziert. Das Lied ist traditionell eine sehr einfache Gedichtform, die sich an der Gestaltung von Volksliedern orientiert. Typisch sind dabei eher kurze Verse, wobei Reim und Metrum oft nicht regelmäßig sind. In der formalen Gestaltung unterscheidet sich Kahlaus Gedicht daher durchaus von der Form des Liedes, da der 5hebige Vers wegen seiner Länge für ein Lied eher untypisch ist. Allerdings entsprechen der Inhalt und die sprachliche Gestaltung der Vorgabe „Lied“, denn Kahlau verwendet eine sehr einfache Sprache, die Metaphern und Symbole vermeidet. Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieses Gedicht die Schönheit eines Augenblicks mit einem Geliebten Menschen darstellt, aber gleichzeitig die Endlichkeit des Erlebten thematisiert. Entgegen meines ersten Verständnisses steht in diesem Gedicht daher nicht die Liebeserklärung im Vordergrund.