Bruder und Schwester sein

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Bruder und Schwester sein
P. Ulrich Zankanella OFM
Leiter von „Franziskaner für Mittel- und Osteuropa
Franz – hilf“ Wien
Wien, 1. Dezember 2010
B R U D E R U N D S C H W E S T ER S E I N
Bruder und Schwester sein ist das sehr anspruchsvolle oder, wenn sie wollen auch sehr
triviale Thema, denn die meisten Religionen propagieren so etwas wie
Geschwisterlichkeit.
Wie schaut das nun in der Realität aus?
Wir können Brüder und Schwestern beobachten, die ein sehr inniges Verhältnis
zueinander haben, die wie die Turteltäubchen sind, aber wir kennen auch das ganz
andere, nämlich solche, die sich wie Hund und Katz zueinander verhalten. Beides ist
möglich, das Leben spielt alle Varianten dazwischen.
So müssen wir uns fragen: Was führt denn zum Streit unter Geschwistern? Ich glaube
wir denken zu wenig darüber nach. Es ist weniger die Tagesverfassung, die da eine
Rolle spielt, vielmehr sind da urgewaltige Triebe am Werk, die dahinter stehen. Jeder
von uns trägt sie in sich. Es sind Urkräfte des Menschen, die auch in der Tierwelt
vorhanden sind, und sie führen sehr oft zum Streit.
1)Der Selbsterhaltungstrieb. Er ist verantwortlich auch für Existenzängste, denn mein
Leben und das meiner Sippe muss gesichert werden. Daraus folgt oft die Gier, der Geiz,
der Brotneid – also Material genug für Streit.
2)Der Arterhaltungstrieb – umgangssprachlich wird das meist mit Sex bezeichnet..
dieser Trieb führt oft zu einem Gruppenegoismus, die Familie will zusammengehalten
und versorgt sein. Natürlich gibt es zwischen Bruder und Schwester sehr bald eine
soziale Schranke, aber zwischen Brüdern gibt es Hahnenkämpfe, die bis zum Duell
führen können, unter Schwestern kommt es oft zur Stutenbissigkeit, das kann bis zum
Giftmord führen, wenn es um eine bedeutende Position geht, die man für sich selbst
oder die eignen Nachkommen erreichen will.
3)Geltungstrieb: welchen Rang nehme ich in der Familie, in der Gesellschaft ein, da
gibt es Hackordnungen wie im Hühnerhof. Die Lieblingshenne darf alle Hühner
niederpecken – und das letzte Huhn hat kaum mehr Federn, weil alle auf ihm
herumpecken. Hier geht es um den Platz an der Sonne, jeder will so einen Platz, wo er
Bestätigung und Bejahung erfährt. Wer wurde von den Eltern am meisten geliebt –
diese Kämpfe setzen sich oft fort bis ins hohe Alter.
Diese mächtigen Triebe beeinflussen uns in unserem sozialen Verhalten.
Es gibt da eine Nagelprobe, wenn man erforschen will: Wie ist es in unserer Familie
zwischen Bruder und Schwester und das Signalwort dafür heißt Erbschaft. Welche
Kämpfe und Streitereien gibt es doch bei der Erbschaft!
Nun ein anderer Aspekt: Welche Bedeutungen haben die Worte Bruder und Schwester
religionsgeschichtlich?
Die ältesten Texte sind zumeist Mythen, über die Entstehung der Welt, also über die
Schöpfung. Die Urbedeutung von Bruder und Schwester ist: Sohn oder Tochter eines
Schöpfergottes, eines Vaters, nicht immer einer Mutter. Der Mensch ist Geschöpf eines
Gottes, der der Urquell des Lebens ist.
2) Im Alten Testament : Das hebräische Wort für Bruder ist : ach, die Schwester ist
achot
Der Bruder ist zunächst einmal das Mitglied einer Familie, später wird diese Bedeutung
erweitert auf die Angehörigen einer ganzen Sippe, ja dann wurde es erweitert auf
Freunde und auf die Stammes- und Volksgenossen. Auch sie werden Brüder genannt.
Beispiel: 2 Sam 1,26 : Die Freundschaft zwischen David und Jonathan, dem Sohn des
Königs Saul wird hier beschrieben und sie werden als Brüder bezeichnet. In der Klage
Davids um Jonathan wird das Wort Bruder eingesetzt für den Freund.
Lev 19/17 „Du sollst im Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen. Weise deinen
Stammesgenossen zurecht, so wirst du seinetwegen keine Schuld auf dich laden. Da
wird der Stammesgenossse, das Mitglied der Sippe als Bruder bezeichnet. Und einen
Satz weiter: An den Kindern deines Volkes sollst du sich nicht rächen und ihnen nichts
nachtragen. Bruder = Volksgenosse!
Eine späte Form dieses Verständnisses haben wir in Albanien und im Kosovo und im
Süden Montenegros. Im sogenannten Kodex Lectubergin, wo die maximal Grenzen der
Blutrache geregelt sind heißt es: „Du darfst keinem Mitglied der Familie Übles antun –
aber es ist ehrenvoll die anderen zu schädigen!“
Welche Begründung gibt es dafür?
Die Bruderschaft im erweiterten Sinn gründet in der Stammvaterschaft Abrahams:
Abraham ist der Urvater und Stammvater des Volkes, er ist aber auch der Vater des
gemeinsamen Glaubens, weil er der Berufung
durch JAHWE gefolgt ist. So kommt es, dass mit dem Begriff Bruder, in den auch die
Schwestern includiert sind, das Gebot entsteht in Lev 19/18: „ Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst, denn ich bin dein Herr.“
Gott, der Schöpfer, befiehlt die Nächstenliebe, denn der Nächste ist dein Bruder bzw
deine Schwester. Nicht Jesus hat das erfunden, er zitiert aus dem Buch Leviticus.
Es gibt aber noch einen anderen Gebrauch und da werden die Worte Bruder und
Schwester elitär benützt.
Eine gewisse Gruppenidentität führt zu einer formierten Bruderschaft, z.B. bei den
Essenern in Qumran, die sich für den Endkampf, den Kampf des Lichtes gegen das
Dunkel rüsten, bei den Juden in der Diaspora, wo das Judentum Stellung bezieht gegen
den aufklärerischen Hellenismus, aber das gibt es auch in Griechenland, obwohl das
griechische Wort Bruder = adelphos (getrennt von) d.h. der aus demselben
Mutterschoß kommt, ursprünglich wirklich nur den leiblichen Bruder meinte. Bei
Xenophon finden wir, dass er den Freund Bruder nennt.
Später werden die Volksgruppen Brüder genannt, aber eine besonders elitäre Form gibt
es bei den Fürsten, die einander mit Bruder und Schwester anreden, als Zeichen eines
elitären Bewusstseins.
In Rom kommt es zu einer Bildung von Landsmannschaften, es gab ja so viele
verschiedene Völker, ein melting pot aus dem gesamten römischen Reich, und dieses
Landsmannschaften redeten einander mit Bruder und Schwester an. Sie hielten
gemeinsame Mähler ab und kannten ein gemeinsames Toten Gedenken. Plinius erzählt
davon im 10. Brief. Die Verbindung von Religiosität und Gemeinschaftspflege
beschreibt Tertullian, ein christlicher Schriftsteller des 4. Jahrhunderts.
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3)Wie ist die Wortbedeutung im Neuen Testament?
Wie verwendet Jesus das Wort Bruder?
Mk 3/31 -35: Jesus predigt und es wird ihm gesagt: die Mutter und die Brüder stehen
vor dem Haus und können nicht zu ihm und man sagt ihm: „Deine Mutter und deine
Brüder sind draußen!“ und er antwortet: „Wer sind meine Mutter und meine Brüder?
Und er blickte auf die Menschen die im Kreis um ihn herumsaßen und sagt: „Das hier
sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes, meines Vaters erfüllt, der
ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
Lukas 8/21 „……….. meine Brüder und Schwestern sind……… die das Wort Gottes
hören und danach handeln“ wir sehen hier eine gewisse Abgrenzung gegenüber den
Söhnen Abrahams, den gläubigen Juden, die natürlich in einen gewissen Formalismus
gefallen sind, denken Sie an das Reinheitsgebot. Jesus sagt ihnen: „Meint nicht, ihr
könnt sagen: wir haben Abraham zum Vater, sondern wer den Willen Gottes tut, der
kann gerettet werden.“
Johannes 3/3 in seinem Gespräch mit Nikodemus: „Wer nicht von neuem geboren wird,
kann das Reich Gottes nicht sehen.“ Also nicht der Stammvater begründet die
Erwählung, sondern diese neue Geburt aus dem Wasser und dem Geist sind das
Fundament des Bruder-Seins und das wird später als Taufe gedeutet.
Die Deutung der Urchristen:
Die Evangelien, besonderes die späteren von Lukas und von Johannes, die ja schon ein
Spiegel des Gemeindelebens sind und die Fragen, die die Gemeinden beschäftigen zu
beantworten suchen, antworten z.B.
Joh 20/17, 18 Die Botschaft der Maria Magdalena, der ersten Apostolin: „Du aber geh
zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem
Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott!“ Die Vaterschaft Gottes begründet daher die
Bruderschaft der Christen untereinander. Die Gläubigen sind Kinder dieses Gottes, so
wie Jesus das Kind, der Sohn Gottes ist.
1Joh. Brief, der ca 30 Jahre später geschrieben wurde:
„Jeder der die Gerechtigkeit nicht tut und seine Brüder nicht liebt, ist nicht aus Gott.
Denn das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir sollen einander
lieben und nicht wie Kain handeln, der vom Bösen stammte und seinen Bruder
erschlug“
1 Thess 1/ 4 „Wir wissen, von Gott geliebte Brüder, dass ihr erwählt seid!“ Die
Vaterschaft Gottes begründet die Zusammengehörigkeit in der christlichen Gemeinde.
Sie sind die von Gott geliebten Brüder!
Daher auch im Hebräerbrief 2/11: „Denn er, der heiligt (der Sohn) und sie, die geheiligt
werden, stammen alle von einem ab; darum scheut er sich nicht, sie seine Brüder zu
nennen.“
Wir haben also in den frühen Schriften des Neuen Testaments eine sehr starke, immer
wieder kehrende Reflexion über die Frage: Wer ist mein Bruder?
Antwort: Alle kommen aus der Vaterschaft Gottes, alle sind von Gott erwählt, sie
werden durch Jesus in diese Familie Gottes aufgenommen und werden so nicht nur
Brüder Jesu sondern Kinder Gottes! Natürlich gibt’s noch eine weitere Bedeutung, die
Jesus in den Bildern des Weltgerichts verwendet:
Mt 25/40
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“ d.h.
die Bewertung eines Lebens ist nicht so sehr an den irdischen Erfolg geknüpft, sondern
die Grundlage der Bewertung ist: Wie habe ich mich für andere verausgabt?
Das ist nicht nur materiell eingeschränkt gemeint, denn jeder von uns hat eine Fülle von
Potential an Menschlichkeit und diese Menschlichkeit soll sich dahingehen äußern,dass
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ich nicht nur physiologisch Leben schenke, sondern Leben möglich mache, Leben zum
Blühen bringe, durch meine Menschlichkeit, meine Partnerschaft, durch meine
Vergebungsbereitschaft und durch meinen Versöhnungswillen, dadurch, dass ich kreativ
in die Zukunft schaue und nicht in der Vergangenheit hängen bleibe.
Daher verwendet Paulus die Worte Bruder und Nächster als Synonym. Mein Nächster,
das ist der, der mich braucht, ist auch mein Bruder, er gehört zu meiner Familie, weil
ihn der Herr-Gott zu mir geschickt hat, damit er bei mir Hilfe findet.
Im Römerbrief 15/2 „Jeder von uns soll Rücksicht auf den Nächsten nehmen, um Gutes
zu tun und aufzubauen“
Eph 4/25: „Redet untereinander die Wahrheit, denn wir sind als Glieder miteinander
verbunden. Ahmt Gott nach, als seine geliebten Kinder.“
Extrem sehen wir das im Brief an Philemon, wo er über den Sklaven Onesimus
schreibt, er bittet Philemon, Onesimus nicht wieder als Sklaven sondern als geliebten
Bruder bei sich aufzunehmen. Damit handelt er gegen die Konvention!
Wir wissen, dass die Gemeinde in Jerusalem alles gemeinsam besaß – alle haben alles
verkauft und den Erlös an alle verteilt. Wir wissen auch, dass diese Gemeinde letztlich
in den Bankrott gerutscht ist und Paulus hat alle Hände voll zu tun gehabt um für den
Unterhalt der Gemeinde in Jerusalem in Kleinasien Geld zu sammeln. Diese radikale
Form hat sich nicht durchgesetzt und schwindet gänzlich mit dem Wachstum der
Kirche. Massivius, ein christlicher Autor aus dem 5. Jhdt bedauert, dass mit dem
Werden des Christentums zur Staatsreligion aus „der Kirche der Heiligen“ „die heilige
Kirche“ wurde, aus der Kirche der heiligen Menschen wird eine Institution, die
Heiligkeit für sich beansprucht. Der Feudalismus fand Eingang in die kirchliche
Gesellschaft.
Im Mittelalter schaut die Kirche nicht mehr so brüderlich aus, es gibt eine feudale
Gesellschaftsordnung, aber nicht nur in der Welt, sondern auch in der Kirche, denn fast
alle Bischöfe, Äbte und Kardinäle kommen aus dem besitzenden Stand – d.h. aus dem
Adel.
So wird die Idee des Bruder-Seins spiritualisiert. Bruderschaften werden gegründet, und
Gebetsgemeinschaften in Klöstern, die sich das Gebet untereinander zusichern und
getrachtet wird für die Bischöfe und den Klerus zu beten.
Reformation:
Martin Luther antwortet auf diese Bruderschaften in seinem Brief an den christlichen
Adel:
„Du hast in der Tauf ein Bruderschaft mit Christus, allen Engeln, Heiligen und Christen
auf Erden angefangen. Halt dieselbe und tu ihr genug, so hast du genug der
Bruderschaften!“
„Die allen Christen in der Tauf überkommene Bruderschaft hat den Sinn, dass die
Christen allesamt sollen wie Brüder sein und keinen Unterschied unter ihnen machen.“
Luther bezieht diese Bruderschaft sehr pointiert auf die Taufe und das Sakrament der
Eucharistie. Gott wendet sich uns zu in der Taufe, nimmt uns an als seine Kinder und
hat damit eine Bruderschaft, eine Verwandtschaft mit allen Christen begründet und in
der Eucharistie wird sie ständig erneuert.
Luther 1519 (Predigt über das Abendmahl) „Ist die Frucht dieses Sakraments
Gemeinschaft und Lieb, die sowohl mit Christus als auch mit allen Christenmenschen
vereinigt und besteht sie darin, dass die eigennützige Liebe seiner selbst durch dieses
Sakrament ausgerodet und gemeinnützige Liebe aller Menschen erweckt werde, dann
wird und handelt die christliche Bruderschaft, durch der Liebe Verwandlung.“
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Natürlich spielt der Begriff des Bruders eine sehr, sehr große Rolle schon 300 Jahre
früher bei
Franz von Assisi
Bruder Franz und Schwester Klara waren keine einfachen Zeitgenossen, das muss man
betonen. Franz stellt in seiner Ordensregel die mittelalterliche Gesellschaft auf den Kopf
wenn er sagt: „die Brüder müssen mit ihren Oberen so reden können, wie die Herren mit
ihren Dienern.“ Nicht die Oberen sind die Herren sondern die Brüder. Klara streitet ein
Leben lang um die Eigenständigkeit ihres geistigen Weges mit niemand geringerem als
dem Papst. Es ist Honorius III., der frühere Kardinal Hugolin, der die franziskanische
Bewegung von Anfang an kennt, und erst als der Papst an ihr Krankenbett eilt und
bestätigt, dass sie das Privileg der allerhöchsten Armut mit ihren Schwestern leben darf,
erst dann legt sie sich hin zum Sterben.
Franz und Klara haben diese Vision einer geschwisterlichen Welt, die Vision des
Friedens, der dadurch begründet wird und des Teilens, ein Teilen das ermöglicht, dass
niemand verhungern sollte.
Der Schlüssel zum spirituellen Fundament des Franz von Assisi ist in 2 Sätzen zu
finden, in seiner ursprünglichen Regel, die vom Vatikan verworfen wurde. Hier
schreibt er im 17. Kapitel, Vers 17:
„Und alles Gute wollen wir dem Herrn, dem erhabensten und höchsten Gott
zurückerstatten, und alles Gute als sein Eigentum anerkennen und ihm für alles Dank
sagen, von dem alles Gute kommt.“
Im Vers 19:
Und wenn wir sehen oder hören, dass Menschen Böses sagen oder tun oder Gott lästern,
dann wollen wir Gutes sagen und Gutes tun und Gott loben, der gepriesen ist in
Ewigkeit!“
Was wird damit gesagt?
Der hl. Franz sagt damit: „Die Welt gehört dem Herrn, er hat sie gemacht, aber nicht
nur die Welt, sondern auch alle Menschen.“ D.h. er hat eine positive Sicht dieser Welt,
mit dem Übel, mit dem Bösen kann man nicht fertig werden indem man das Böse tut.
Da wird das Böse nur größer. Gott ist der Grund allen Lebens, Ihm gehört die gesamte
Schöpfung und es gibt immer die Möglichkeit zum Guten.
Ich hatte die Gelegenheit den brasilianischen Kardinal Paul Evaristo Arns zu erleben, in
der Zeit der Militärdiktatur hatte er sein Amt inne. Es gab sehr eklatante Fälle, wo
hunderte Menschen verschwunden und nie wieder aufgetaucht sind. Das ist das
traurigste Kapitel der jüngeren Geschichte Lateinamerikas. Wir haben den Kardinal
gefragt: „Wie schaffst du es, wenn du diesen Generälen gegenübersitzt, von denen du
weißt, sie haben hunderte in den Tod gebracht, wie schaffst du es mit ihnen zu reden?“
Und er antwortete: „Ich höre ihnen immer zuerst lang zu, und schaue sie an und frage
mich: Was hat dieser Mensch Gutes in sich, und wenn ich das gefunden haben, dann
kann ich auch mit ihnen reden.“
Das ist eine franziskanische Einstellung! Franziskus sagt: „Die Schöpfung, also alles um
mich herum gehört nicht mir, sondern Ihm, dem Schöpfer. Ich besetze – bzw. besitze
seine Schöpfung, aber es ist und bleibt Seine Schöpfung! Das heißt aber auch, dass ich
mit fremdem Gut umgehe und fremdes Gut verwalte, nämlich Gottes Gut. Die
Konsequenz ist eine Reduktion der Gier, immer mehr besitzen zu wollen, die
Aggression fällt da heraus, Nachhaltigkeit ist geboten, denn diese Schöpfung gehört
nicht mir, ich verwalte sie nur. Administrare =verwalten= dienen
Daher ist Teilen angesagt. Mit dem was ich verwalte bin ich auch für andere
verantwortlich, denn auch sie haben Anteil an der Schöpfung.
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Der Hl Ambrosius (Bischof von Mailand, Lehrer von Augustinus) sagt: Der
Vermögende, damit ist nicht nur materielles Gut sondern auch die Fähigkeiten des
Menschen gemeint, verwaltet den Besitz für die Unvermögenden = das sind die, die
nichts haben oder nicht können.
Teilen ist also angesagt, die Berechtigung meiner Ansprüche soll überprüft werden,
Partnerschaft statt Gegnerschaft ist gefragt, die Selbstverwirklichung erfährt ihre
Grenzen durch das Lebensrecht anderer. Zu ihnen gehören auch die Unsympatler und
vielleicht tut es gut, dass auch wir von manchen Menschen als Unsympatler empfunden
werden, wenn wir ihnen widersprechen oder eine andere Lebenshaltung haben als sie.
Mit dieser Haltung sieht sich Franz auch als Bruder aller Geschöpfe (Vergl
Sonnengesang und die Predigt an die Vögel). Das heißt nicht, dass ich nicht mehr essen
und trinken kann und dabei eine Pflanze oder ein Tier töte. Die Frage heißt: Wie ernähre
ich mich und wie viel werfe ich weg? Was beanspruche ich unbedingt für mich und
anderen fehlt gerade das? Der Umgang mit den Nahrungsmitteln, mit der Natur und mit
den Ressourcen und der Energie wird dann zur Frage.
Mit dieser Auffassung wird eines klar: Wenn die ganze Schöpfung Gott gehört, dann
bin ich selbst ein Geschenk Gottes an die anderen! Das relativiert mein Eigenstreben,
das relativiert meine Freiheit, das relativiert mein ‚sich Breitmachen’, denn wenn ich
anderen nützen soll, dann heißt das aber auch, dass auch andere mich beanspruchen
dürfen, mein Geld, meine Zeit, meine Möglichkeiten.
Schauen Sie sich in den Spiegel: Sie sind ein Geschenk Gottes an andere – auch wenn
wir einmal mit den linken Fuß aufstehen.
Dieser Gedanke des Teilens und der Versöhnung baut eine Familie auf, die positiv
handelt Das ist die Grundidee der Geschwisterlichkeit innerhalb der Glaubensgemeinschaft. Erich Fromm bezeichnet diese Haltung als biophil, das Gegenteil als
nekrophil. Wer nur haben will und nur auf seinen Besitz schaut ist nekrophil, er tötet im
Endeffekt das Leben um sich. Wer auf das Leben schaut ist biophil, er wird liebesfähig
sein und wird damit auch seinem Schöpfungsauftrag gerecht werden.
Jesus sagt: alle, und vor allem die Geringsten sind unsere Brüder und Schwestern.
Unsere Urtriebe kämpfen gegen diese Idee aber:
„Ihr seid Kinder eines Vaters, ihr seid Brüder und Schwestern eines Erlösers, ihr seid
befreit zum Guten damit wir alle Zukunft haben!“
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