Militärgeschichte - Zentrum für Militärgeschichte und
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Zeitschrift für historische Bildung C 21234 ISSN 0940 – 4163 Heft 3/2003 Militärgeschichte Militärgeschichte im Bild: Lockheed F-104 G »Starfighter« Die NVA und der »Prager Frühling« Volkstrauertag Die Konvention von Tauroggen NATO-Doppelbeschluss MGFA Militärgeschichtliches Forschungsamt IMPRESSUM Editorial Militärgeschichte Zeitschrift für historische Bildung Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt durch Jörg Duppler und Hans-Joachim Harder Redaktion: Andreas Groh (ag), Clemens Heitmann (ch), Herbert Kraus (hk), Andreas Kunz (ak) Redaktionsassistent: René Henn Anschrift der Redaktion: Militärgeschichtliches Forschungsamt Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam Telefon: (0331) 9714-531 Telefax: (0331) 9714-507 www.mgfa.de Manuskripte für die Militärgeschichte werden an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht gehaftet. Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung, Übersetzung u.s.w. 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Dieses gilt für alle ausgewählten und angebotenen Links und für alle Seiteninhalte, zu denen Links oder Banner führen. © 2003 für alle Beiträge beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt Sollten nicht in allen Fällen die Rechteinhaber ermittelt worden sein, bitten wir ggfs. um Mitteilung. Lektorat: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Aleksandar-S. Vuletić Bildredaktion: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Marina Sandig Layout/Grafik: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Maurice Woynoski Druck: SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden ISSN 0940-4163 das 20. Jahrhundert ist Geschichte – dieser Gedanke drängt sich besonders bei der Betrachtung unserer Themenauswahl im vorliegenden Heft auf. Mit einem eindeutigen Schwerpunkt auf das zeitlich näher liegende Geschehen verfolgt diese Ausgabe der »Militärgeschichte« das Ziel, Ereignisse ins Bewusstsein zu rücken, die unsere unmittelbare Vergangenheit geprägt haben. Jüngeren Lesern sind sie nicht mehr aus eigenem Erleben bekannt, entsprechend sind die Vorstellungen über den »Prager Frühling« oder die Debatte um den NATO-Doppelbeschluss eher dunkel. So kursiert nach wie vor die These, Soldaten der NVA seien an der Niederschlagung des Reformkommunismus in der ČSSR im Jahre 1968 beteiligt gewesen. Rüdiger Wenzke zeigt jedoch in seinem Artikel, dass diese Vermutung ins Reich der Legende gehört – auch wenn die DDR-Führung seinerzeit gern »dem großen Bruder« die Bündnistreue auch militärisch bewiesen hätte, was sich dann allerdings als nicht erforderlich erwies. Die Debatte um den NATO-Doppelbeschluss bewegte Anfang der 80er Jahre die Bundesrepublik; der damalige Kanzler Helmut Schmidt wurde durch seine sicherheitspolitisch verantwortliche Haltung in der eigenen Fraktion isoliert. Schließlich aber wurde die gegen viele Widerstände durchgesetzte atomare Nachrüstung der NATO in Mitteleuropa nur wenige Jahre später durch den Wegfall der kommunistischen Bedrohung überflüssig. Somit war der doppelte Beschluss – nachrüsten und weiter Entspannungspolitik betreiben – letzten Endes erfolgreich. Der Volkstrauertrag, den Clemens Heitmann und René Henn betrachten, ist ein Tag, der seit seiner Entstehung nach dem Ersten Weltkrieg ganz verschiedene Ausformungen gefunden hat. Im »Dritten Reich« gar als »Heldengedenktag« verherrlicht, dient er heute dem Gedenken an die zahllosen Opfer der Weltkriege – auch der nicht militärischen. Die Autoren zeichnen die Geschichte des Volkstrauertages von seinen Ursprüngen bis in die Gegenwart nach. So wird deutlich, dass Erinnern immer von der jeweiligen politischen Grundhaltung und -stimmung geprägt ist. Die Geschichtswissenschaft kann dabei nur versuchen, durch Aufklärung über die Vergangenheit und durch die Widerlegung von Legenden einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten, sie kann aber vom eigenen Selbstverständnis her in einer pluralistischen Gesellschaft kein fest gefügtes Geschichtsbild oder gar eine Tradition verordnen. Jörg Echternkamp zeigt mit der »Rückkehr der Generale«, dass in verschiedenen Epochen naturgemäß unterschiedliche Persönlichkeiten für traditionswürdig befunden werden. Die Tradition ist immer etwas, das sich zwar auf Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung stützt, gleichwohl politisch begründet wird. Dass die Handlungen historischer Personen mitunter in einem sehr schwierigen politischen Umfeld stattfanden, erfährt der Leser in Eberhard Birks Beitrag zur Konvention von Tauroggen. Das Verhalten des preußischen Generals Yorck – glatter Ungehorsam gegenüber dem König – war in dieser Situation das für die anvertrauten Soldaten wie auch für Volk und Staat zukunftweisende Handeln. Gleichwohl steht Yorcks Persönlichkeit im Brennpunkt der Verantwortung des Militärs, der sich über Vorgaben der politischen Führung hinwegsetzt. Dieser Problematik trägt der Beitrag Rechnung. In Bezug auf »neue Medien« und Ausstellungen wird auch in diesem Heft eine reiche Auswahl geboten. Mit der Diskussion von Computerspielen und dem Fazit eines fragwürdigen Lernund Unterhaltungswertes hat die Redaktion im letzten Heft offensichtlich einen Aspekt getroffen, der zahlreiche Leser zu beschäftigen scheint, wie die Zuschriften beweisen. Wir werden uns bemühen, solche Themen auch in Zukunft anzubieten. Bei der Lektüre dieses Heftes jedenfalls wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. Andreas Groh Ortstermin: René Henn, Clemens Heitmann und Andreas Groh vor der Gedenktafel im Neuen Garten in Potsdam, die an das Ereignis der Konvention von Tauroggen erinnert D i e A u t o r e n Inhalt ČSSR 1968 Die NVA und die Niederschlagung des »Prager Frühlings« Dr. Rüdiger Wenzke, geboren 1955 in Baruth/Mark, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich »Militärgeschichte der DDR« am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Potsdam Volkstrauertag Das politische Trauern um die Kriegstoten 4 10 Unter Mitarbeit von René Henn Die Konvention von Tauroggen 14 Der NATO-Doppelbeschluss 1979 18 Service 22 Das historische Stichwort: »Die Rückkehr der Generale« 22 Medien online/digital 24 Lesetipp 26 Ausstellungen 28 Geschichte kompakt 30 Militärgeschichte im Bild 31 am 30. Dezember 1812 Clemens Heitmann M.A., geboren 1969, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Potsdam Dr. Eberhard Birk, geboren 1967 in Heilbronn, Dozent für Militärgeschichte an der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck Zur Strategie des Gleichgewichts Lockheed F-104 G »Starfighter« Markus Wackerbeck, geboren 1975 in Heinsberg, Student der Politik- und Geschichtswissenschaften an der Universität Bonn Starfighter F-104 G im Flug, Aufnahme vom 20. Oktober 1984 / Allgäu (Foto: BMVg) Die NVA und der »Prager Frühling« ČSSR 1968: 1968 Die NVA und die Niederschlagung des dpa D er 20. August 1968, ein Dienstag, war ein warmer Sommertag. In Prag, der tschechoslowakischen Hauptstadt, herrschte Hochbetrieb. Wer nicht seiner Arbeit nachging und Urlaub hatte, traf sich mit Freunden in den zahlreichen Cafés und Restaurants. Tausende Touristen flanierten durch die Gassen und Straßen der »Goldenen Stadt«. Die Stimmung unter den Menschen war – wie im ganzen Land – hoffnungsvoll, entspannt und friedlich. Niemand ahnte, welche dramatischen Ereignisse unmittelbar bevorstanden. Knapp 1600 Kilometer weiter östlich, in Moskau, wusste man dagegen sehr genau, dass in der Tschechoslowakei der 20. August nicht so friedlich enden würde, wie er begonnen hatte. Hier waren Militärs und Geheimdienstler schon im Frühjahr 1968 beauftragt worden, unter größter Geheimhaltung die Möglichkeit einer militärischen Operation gegen die ČSSR zu prüfen und mit ersten Vorbereitungen zu beginnen. Ende Juli 1968 konnte der durch Manöver und Übungen getarnte Aufmarsch jener Verbände, die der 4 5 Massive Proteste der Bevölkerung gegen die Interventen – hier in der Prager Innenstadt am ersten Tag der Besetzung sowjetische Generalstab für eine Intervention vorgesehen hatte, im Wesentlichen abgeschlossen werden. Noch versuchte man aber auf den unterschiedlichsten Ebenen, die Unstimmigkeiten und Probleme, die sich seit dem Frühjahr 1968 zwischen der tschechoslowakischen Führung auf der einen und den Politbürokraten der UdSSR, Bulgariens, Polens, Ungarns und der DDR auf der anderen Seite ergeben hatten, politisch zu lösen. Erst Mitte August 1968 fiel dann im Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) die Entscheidung über den Beginn des Truppeneinmarsches in die ČSSR. Die Staats- und Parteichefs der anderen potentiellen Interventionsstaaten stimmten dem ohne Einwand zu. Albanien und Rumänien waren gar nicht erst gefragt worden. Ein »Einladungsbrief«, geschrieben von drei Mitgliedern des Präsidiums des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, sollte die Intervention der »Klassen- und Waffenbrüder« legalisieren. Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Ziel der Militäraktion sollte es sein, so die offizielle Sprachregelung, dem tschechischen und slowakischen Volk »brüderliche Hilfe« bei der Zerschlagung der »Konterrevolution« in ihrem Land zu leisten. Die vom Westen gesteuerten »Konterrevolutionäre«, so glaubte man zu wissen, wollten nicht nur den Sozialismus in der ČSSR beseitigen, sondern auch das Land aus dem Warschauer Pakt herausreißen. Gemeinsam gegen die »Konterrevolution« – Interessen und Hintergründe W as Leonid I. Breschnew, der Führer des Sowjetimperiums, und seine Vasallen unter dem Begriff »Konterrevolution« subsumierten, war in Wirklichkeit der tschechoslowakische Versuch, den ökonomisch schwachen Sozialismus sowjetischen Zuschnitts in erster Linie »von oben« her zu reformieren. Träger dieser »Erneuerung« – der Begriff »Reform« wurde anfangs offiziell noch vermieden – war eine intellektuelle Parteielite. »Prager Frühlings« dpa Schwerpunkte der angestrebten grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen sollten in einer radikalen Trennung der Macht- und Führungsstrukturen der Kommunistischen Partei und des Staates, in der Einführung wirtschaftlicher Marktmechanismen, in der Freiheit von Kultur und Wissenschaft, in der Entideologisierung der Außenpolitik und nicht zuletzt in der Abschaffung der politischen Zensur liegen. Dabei ging es keinesfalls um die Liquidierung des Sozialismus. Auch die völlige Brechung des Machtmonopols der Partei, euphemistisch ihre »führende Rolle« genannt, stand nicht auf der Tagesordnung. Die Prager Reformkommunisten um Alexander Dubček, der Symbolfigur der Erneuerung, die später unter der Bezeichnung »Prager Frühling« in die Geschichte einging, wollten nach eigener Einschätzung zum ersten Mal innerhalb des Ostblocks die »Einheit von Sozialismus und Demokratie« herbeiführen. Schon allein das Streben nach einem »besseren Sozialismus« rüttelte jedoch nach Ansicht der Dogmatiker im Ostblock an den Grundfesten des Marxismus-Leninismus und des von ihnen vertretenen 5 Prager Bürger blockieren einen sowjetischen Panzer »wahren« Sozialismus stalinistischer Prägung. Aber nicht nur aus politisch-ideologischen Gründen sollte die Parteiführung in der ČSSR diszipliniert und die Situation im Land unter Kontrolle gebracht werden. Es ging um weit mehr. Nachdem sowjetische Marschälle schon frühzeitig ihre Befürchtung zum Ausdruck gebracht hatten, dass durch die Vorgänge in der ČSSR die Front des Warschauer Pakts gegen die NATO an einer wichtigen Nahtstelle der Militärbündnisse in Europa einen Riss erhalten könnte, sah auch die Moskauer Führung Handlungsbedarf. Eine Schwächung im strategisch bedeutsamen Abschnitt der Tschechoslowakei und ihrer Armee, die wichtige Bindeglieder zwischen zwei militärstrategischen Gruppierungen des östlichen Pakts bildeten, durfte aus Sicht der sowjetischen Militärs nicht hingenommen werden, zumal anders als in den übrigen WP-Staaten in der ČSSR bisher keine sowjetischen Truppen stationiert waren. Nur deren dauerhafte Stationierung in der Tschechoslowakei – so das Kalkül der sowjetischen Militärs – konnte das vorgeblich gestörte Kräfteverhältnis an der Trennlinie zur NATO nicht nur wieder stabilisieren, sondern möglicherweise sogar zugunsten der eigenen Überlegenheit verändern. Zugleich wollte man sich damit eine bessere Ausgangsposition in den bevorstehenden Abrüstungsverhandlungen mit den USA sichern. Da aber die Schaffung einer derartigen operativ-strategischen Gruppierung allein politisch und schon gar nicht gegen den Willen der tschechoslowakischen Führung um Dubček durchsetzbar war, blieb für die Sowjets nur die gewaltsame Lösung, um die eigenen Truppenverbände ins »Bruderland« zu bringen. Politische, ideologische und pragmatisch-militärische Gründe der Führungsmacht des Ostblocks gaben somit unter dem Vorwand einer notwendigen »Liquidierung der konterrevolutionären Gefahr« den Ausschlag für die Entscheidung, die Situation in der Tschechoslowakei letztlich mit militärischen Mitteln zu »bereinigen«. Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 5 Die NVA und der »Prager Frühling« wird«. Der Grad der »Zersetzung« in der Tschechoslowakischen Volksarmee sei hoch, und man müsse sich deshalb auch auf eine »kurzfristige Überwindung« von bewaffnetem Widerstand einrichten. Insgesamt, so betonte Jakubowski gegenüber den NVA-Offizieren, sei die Lage in der ČSSR äußerst bedenklich: Alle Maßnahmen müssten daher unbedingt gedeckt, »unter dem Vorwand von Übungen« vorbereitet werden. D Des Weiteren teilte der Oberkommandierende den ostdeutschen Waffenbrüdern Einzelheiten über die geplante Rolle der NVA mit. Danach sollten zwei NVA-Divisionen, die 7. Panzerdivision (PD) Dresden und die 11. Motorisierte Schützendivision (MSD) Halle, in die Militäroperation einbezogen werden. Jakubowskis Ausführungen ließen zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass auch die NVA bei Notwendigkeit auf tschechoslowakisches Territorium vorstoßen sollte. Die sowjetischen Planungen dazu waren eindeutig. Es gab weder bei der SEDFührung noch in der NVA-Spitze Widerspruch oder gar Ablehnung, wie später mitunter behauptet wurde. In der Folge verlegten beide Divisionen in die befohlenen Räume und waren zum 29. Juli 1968 einsatz- und gefechtsbereit. Auf Anforderung des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages, Marschall Iwan Jakubowski, begab sich am 25. Juli 1968 eine operative Gruppe von NVA-Offizieren zu dessen Führungsstab nach Legnica (Polen). Der sowjetische Marschall empfing die kleine Delegation gegen 18.00 Uhr und wies sie in die bestehende Lage ein. Einleitend informierte Jakubowski darüber, dass die Hauptaufgabe der bevorstehenden Übung darin bestehe, »die Arbeiterklasse der ČSSR vor der offenen Konterrevolution zu bewahren, da alle Anzeichen darauf hindeuten, dass sie nicht allein Herr der Lage In den späten Abendstunden des 20. August 1968 überschritten die ersten Spitzeneinheiten der sowjetischen Interventionsstreitkräfte die Staatsgrenzen zur ČSSR. An ihrer Seite befanden sich ein starkes Kontingent polnischer Truppen sowie Einheiten der Ungarischen und der Bulgarischen Volksarmee. Die sowjetische 20. Gardearmee hatte den Befehl, direkt auf Prag vorzustoßen, wo inzwischen die wichtigsten Einrichtungen bereits von sowjetischen Luftlandekräften besetzt worden waren. Die ersten Einheiten des Gardeverbandes erreichten im Landmarsch in den Morgenstunden des 21. August ihr Ziel und bezogen danach an beherrschenden Plätzen der Hauptstadt Stellung. Die ČSSR war in weniger als 12 Stunden von mehr als 200 000 Soldaten der Interventionstruppen besetzt worden. Die Operation »Donau« war damit militärisch durchaus erfolgreich. 5 Ein sowjetischer Panzer in der Prager Innenstadt dpa Die Operation »Donau« und die Rolle der NVA ie entscheidende Operation, die der unmittelbaren Vorbereitung, Absicherung und Durchführung der militärischen Intervention in der ČSSR diente, hatte die Tarnbezeichnung »Dunai« (Donau) erhalten. Mit dieser »Übung« begann auch die Phase der Einbeziehung der Nationalen Volksarmee (NVA) in die sowjetische Militäraktion zur Niederschlagung des »Prager Frühlings«. 6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Die angestrebten politischen Ziele der Intervention wurden dagegen anfangs nicht erreicht, denn es kam weder zu einer raschen Machtverschiebung zugunsten der prosowjetischen Gruppe in der tschechoslowakischen Parteiund Staatsführung noch zu einem bejubelten Empfang für die »Befreier von der Konterrevolution« in der Bevölkerung. Im Gegenteil: Im gesamten Land formierte sich innerhalb kürzester Zeit ein kompromissloser ziviler Widerstand gegen die Besatzer. Im Laufe der folgenden Monate wurden dann die Reformer und ihre Anhänger von den Sowjets schrittweise aus politischen Ämtern und verantwortlichen Funktionen entfernt. Die Phase der sogenannten Normalisierung unter den wieder bzw. neu an die Macht gekommenen moskauhörigen Kommunisten leitete die politische Restauration des Landes ein. Rund 75 000 sowjetische Besatzungssoldaten verblieben im Herbst 1968 unter dem Namen »Zentralgruppe der sowjetischen Streitkräfte« in der ČSSR. Erst zwanzig Jahre später gelang es den Völkern der Tschechoslowakei, das eiserne Korsett des Kommunismus endgültig zu sprengen. Der letzte Sowjetsoldat verließ im Juni 1991 das Land. NVA-Soldaten als Okkupanten? A m 21. August 1968, ab 1.30 Uhr, wurden alle Grenzübergangsstellen zwischen der DDR und der ČSSR für den zivilen Verkehr geschlossen und alle weiteren zivilen Kontakte, wie z.B. der Telefon- und Postverkehr, unterbrochen. Für Reisende richtete man sogenannte Sammelräume in Schulen und Ferienlagern ein. Ebenfalls kurz nach 1.00 Uhr morgens hatte DDR-Verteidigungsminister Armeegeneral Heinz Hoffmann nach Rücksprachen mit den verantwortlichen sowjetischen Marschällen sowie mit dem Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates (damals noch Erich Honecker!) die Stufe »Erhöhte Gefechtsbereitschaft« für die gesamte NVA ausgelöst. In den Stäben, Verbänden und Truppenteilen der Landstreitkräfte, der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung (LSK/ BA-MA, DVW1/12826, Bl. 18 LV), der Volksmarine und der Grenztruppen ertönten die Alarmglocken: Die NVA war in den frühen Morgenstunden des 21. August 1968 vorbereitet, bei Notwendigkeit in militärische Handlungen eingreifen zu können. Die meisten Einheiten der NVA verblieben aber in den Kasernen, nur einige Spezialtruppen verließen ihre Standorte und wurden feldmäßig untergebracht. Zur »Sicherung der Staatsgrenze« der DDR zur ČSSR wurde eine aus zwei Grenzregimentern bestehende Grenzbrigade neu gebildet. In Dresden begann ein Lehrgang mit Offizieren sowie einigen zivilen Spezialisten, die darauf vorbereitet wurden, erforderlichenfalls NVAMilitärkommandanturen im nordtschechischen Raum einzurichten. Entsprechend den Planungen und langfristigen Vorbereitungen durch den Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte standen Stäbe und Truppen der 7. PD und der 11. MSD bereit, direkt am Einmarsch teilnehmen. Die 7. PD mit einem Kampfbestand von etwa 7500 Mann, 1500 Kraftfahrzeugen und 300 Panzern unterstand operativ der 20. Gardearmee der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) und gehörte damit zur 1. Staffel der Interventionsstreitkräfte. Innerhalb der sowjetischen Armee sollte sie aber als 2. Staffel die Staatsgrenze zur ČSSR überschreiten. Der Einsatz der 11. MSD mit ihren rund 9000 Soldaten, 1700 Kraftfahrzeugen, 349 Schützenpanzerwagen und 188 Panzern sah Handlungen in zwei möglichen Varianten vor: Einerseits die Sicherung der Grenze zur Bundesrepublik im Abschnitt »Plauener Pforte« und andererseits Truppenbewegungen und Einmarsch in die ČSSR (Richtung Pilsen). Als aber am 20./21. August sowjetische Truppen aus der DDR kommend die Grenze zur Tschechoslowakei überschritten, warteten die Kommandeure der voll gefechtsbereiten NVA-Divisionen vergeblich auf ihren Marschbefehl. Beide Verbände verblieben an ihren Plätzen. Obwohl die 11. MSD zwar in den Folgetagen nochmals dichter an die Grenze verlegt wurde, verließen nachweisbar beide Divisionen zu keinem Zeitpunkt das Territorium der DDR. 5 NVA-Originalskizze über die geplanten Marschrichtungen der 7. PD und der 11. MSD Militärische und politische Gründe waren offenbar dafür ausschlaggebend. Auch wenn es zahlreiche Spekulationen darüber gibt, wer die Entscheidung für diesen faktischen Nichteinsatz von DDR-Soldaten in der ČSSR angeregt bzw. – offenbar in letzter Minute – auch getroffen hat, muss diese Frage aufgrund des Fehlens wissenschaftlich eindeutig nachprüfbarer Quellen bis heute offen bleiben. Fest steht nur, dass diese Entscheidung in Moskau und wohl kaum in Ost-Berlin getroffen worden ist. Dennoch wurden DDR-Soldaten nach dem Einmarsch der Interventionstruppen in der ČSSR gesehen, teilweise sogar fotografiert. Auch propagandistisch ließ die DDR keinen Zweifel daran, dass sie »an der Seite der Bruderarmeen« ihre »internationalistische Pflicht« erfüllte. Und in der Tat hielten sich NVA-Angehörige von Ende August bis Ende Oktober 1968 in der Tschechoslowakei auf. Dabei handelte es sich jedoch nur um einige Verbindungsoffiziere des Hauptstabes der NVA sowie um etwa 20 Soldaten des Nachrichtenregiments-2 Niederlehme, die die Funk- und Richtfunkverbindungen zwischen dem Stab der Interventionsmächte in Milowice (bei Prag) und dem DDR-Verteidigungsministerium in Strausberg sicherzustellen hatten. Auf dem Boden der ČSSR handelten zudem – oft nur kurzzeitig – offenbar einige Aufklärungs- und Versorgungskräfte in geringer Stärke. Wiederholt überschritten auch NVA-Grenzsoldaten die Grenze, um auf tschechischem Gebiet sogenannte Hetzlosungen und gegen die DDR gerichtete Plakate gewaltsam zu entfernen. Nachdem bereits durch einen Ministerbefehl vom 26. August 1968 bestimmte Maßnahmen der erhöhten Gefechtsbereitschaft in den Stäben und in der Truppe modifiziert worden waren, erlaubte am 11. September 1968 der Oberkommandierende der Vereinten Streitkräfte, »die erhöhte Gefechtsbereitschaft für die Nationale Volksarmee, mit Ausnahme der 7. Panzerdivision und der 11. Mot.-Schützen-Division, aufzuheben«. Als dann ab dem 20. Oktober 1968 der Abzug von Teilen der verbündeten Invasionstruppen aus der ČSSR begann, waren wiederum auch die DDR und ihr Militär gefordert. Der Abzug sollte nach den Worten des sowjetischen Marschalls Andrej Gretschko genauso reibungslos verlaufen wie der Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 7 dpa Die NVA und der »Prager Frühling« 5Prager Bürger erwarten auf dem Wenzelsplatz den am 27. August aus Moskau zurückkehrenden Staatspräsidenten Ludvik Svoboda. 5 Extrablattausgabe des SED-Bezirksorgans Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) vom 21. August 1968 Einmarsch. Für die Verlegung der Truppen benötigte man etwa 600 Eisenbahnzüge, wobei allein von der DDRReichsbahn rund 240 Züge bereitgestellt werden mussten. Für den Rückmarsch der sowjetischen Truppen in die DDR – 3 Divisionen in den Raum Berlin und 4 Verbände in die Südgebiete der Republik – waren 12 Straßen über das Erzgebirge für etwa 3 bis 4 Tage vollständig freizuhalten. Armeegeneral Hoffmann versicherte den Verbündeten in Moskau, dass »seitens der Deutschen Demokratischen Republik alle Maßnahmen unternommen werden, um die Rückführung der Truppen allseitig zu unterstützen«. wichtigen integralen Bestandteil der militärischen Gesamtaktion. Zusammenfassend ist festzustellen: Die NVA war in die Vorbereitung, Absicherung und Durchführung der militärischen Intervention des Warschauer Paktes integriert, auch wenn letztlich keine Kampftruppen der DDR-Volksarmee in die ČSSR direkt einmarschierten. Entscheidend bleibt, dass die ostdeutsche Führung prinzipiell bereit war, jeden Befehl aus Moskau zu erfüllen. Alle Sicherstellungs-, Transport-, Versorgungs- und Unterstützungsmaßnahmen der Militäroperation in der DDR wurden im Auftrag der sowjetischen Stellen eigenverantwortlich geplant, vorbereitet und durchgesetzt. Zivile und militärische Institutionen arbeiteten dabei Hand in Hand. Die Aktivitäten der DDR-Organe und der NVA bildeten damit zweifellos einen 8 Nach dem Einmarsch – Reaktionen in der DDR und in der NVA D ie Nachricht vom Truppeneinmarsch des Warschauer Pakts in die ČSSR verbreitete sich in den frühen Morgenstunden des 21. August 1968 über die Medien. Die Leser der zentral gesteuerten DDRPresseorgane fanden auf der Titelseite ihrer Zeitung bereits die Mitteilung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS über den Einmarsch sowie einen längeren Aufruf des ZK der SED, des Staatsrates und des Ministerrates »An alle Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik«. Darin war die offizielle politische Linie klar vorgegeben: Die Besetzung tschechoslowakischen Territoriums sei rechtmäßig, da man einem Hilferuf aus der ČSSR gefolgt sei. Die Aktion sei eine Tat für Frieden und Sozialismus, die vorgeblich auch im Interesse der DDRBürger lag. Nicht wenige Menschen, unter ihnen vor allem die Mitglieder der SED, schenkten dieser Sicht Glauben. Sie waren von der Rechtmäßigkeit des Einmarsches überzeugt. Ganz in diesem Sinne begrüßten auch in der NVA vor allem Berufsoffiziere und länger dienende Unteroffiziere Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages zur Niederschlagung des als »Konterrevolution« bezeichneten »Prager Frühlings«. Manche meinten, dass die Armeen des Warschauer Vertrages schon eher und konsequenter gegen die »Konterrevolution« hätten vorgehen müssen. Es gab jedoch nicht nur Zustimmung zur Militäraktion und nicht jeder Bürger war bereit, sich in Ergebenheitsbekundungen für die Politik der SED zu üben. Im Gegenteil: Vielerorts waren die Menschen bestürzt über die Vorgänge in der ČSSR. Vorwiegend Jugendliche brachten darüber hinaus ihren Protest gegen die Besetzung des Nachbarlandes offen zum Ausdruck. Das Ministerium für Staatssicherheit registrierte in der Zeit vom 21. August bis zum 14. September, also innerhalb eines knappen Monats, 2129 Protestaktionen in Ost-Berlin und in den Bezirken der DDR, die als »Angriffe gegen die Hilfsmaßnahmen der fünf sozialistischen Bruderstaaten zur Sicherung der sozialistischen Staatsund Gesellschaftsordnung in der ČSSR« gewertet wurden. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Einmarsches traten auch in verschiedenen NVA-Truppenteilen erste Meinungen auf, die die Militäraktion als völkerrechtswidrig bezeichneten. Wehrpflichtige christlichen Glaubens erklärten offen, dass sie im Falle eines Einsatzes ihrer Einheiten gegen die ČSSR nicht von der Schusswaffe Gebrauch machen würden. Ein junger Unteroffizier verglich den Einmarsch von 1968 mit der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht 1938/39: »Ich werde keinen Schuss abgeben, denn ich will nicht wie andere nach dem Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher gehängt werden.« Von besonderer Bedeutung für die SED war natürlich das Verhalten der Angehörigen der NVA-Führungsschicht, der Generale und Offiziere, in dieser Krisensituation. Auch wenn das Offizierkorps erwartungsgemäß in seiner übergroßen Mehrheit die militärischen Maßnahmen der SED vom August 1968 aus politischer Überzeugung mittrug, gab es doch auch einzelne Offiziere, die die Aktion mit offensichtlich gespaltenen Gefühlen betrachteten. Ihre Fragen und Bedenken diskutierten sie aber nur im persönlichen Umfeld. Wer sich dagegen offen ablehnend über den Einmarsch der verbündeten Streitkräfte äußerte oder gar Sympathie für Dubček zeigte, musste umgehend mit Repressalien rechnen. Bereits wenige Tage nach dem Einmarsch konstatierte der Chef der Politischen Hauptverwaltung der NVA, Admiral Waldemar Verner, auf einer Kommandeurtagung, dass fünf NVA-Offiziere – alle Mitglied der SED – wegen »parteifeindlichen Verhaltens« im Zusammenhang mit der Durchführung der »Hilfsmaßnahmen« zur Verantwortung gezogen wurden. Was der Admiral dabei als »Feigheit« bezeichnete, war in Wirklichkeit mutiges persönliches Handeln gegen die Intervention. Die politisch nicht konformen Offiziere – bisher sind insgesamt 12 Fälle bekannt – erwartete ein Parteiverfahren, dass in der Regel mit dem Ausschluss aus der SED endete, sowie harte disziplinarische Strafen, die bis zur Degradierung und Entlassung aus der Armee reichten. Der damit verbundene totale Bruch in der persönlichen und beruflichen Entwicklung zog einschneidende Veränderungen im Leben dieser NVA-Angehörigen und ihrer Familien nach sich. Sie sahen sich in den folgenden Jahren nicht nur erheblichen materiellen und sozialen Einschränkungen und Benachteiligungen, sondern auch vielfältigen gesellschaftlichen und moralischen Diskriminierungen ausgesetzt. Ein ihrer Qualifikation angemessener beruflicher Neuanfang im zivilen Bereich wurde ihnen absichtlich verwehrt, Qualifizierungen sowie die Übernahme von Leitungsfunktionen auf Jahre hinaus erschwert. Noch schlimmer erging es denjenigen, die wegen ihrer politischen Unbotmäßigkeit strafrechtlich verfolgt wurden. Eine Durchsicht der vorhandenen Urteile der Militär- und Militärobergerichte der DDR hat für den Zeitraum 1968 bis 1970 ergeben, dass in mindestens zwanzig Fällen NVA-Angehörige wegen »staatsfeindlicher Hetze« im erkennbaren Zusammenhang mit der militärischen Intervention bzw. unter Bezugnahme auf die ČSSR-Ereignisse zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. In der Mehrzahl standen wehrpflichtige Mannschaftssoldaten sowie einige Unteroffiziere bzw. Unteroffiziersschüler vor Gericht. Die genaue Zahl aller Disziplinierungsmaßnahmen gegen Militärs und Zivilbeschäftigte der NVA, die im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit den Vorgängen in der ČSSR zu sehen sind, lässt sich heute nicht mehr vollständig erfassen. Nachweisbar sind bisher aber mehrere hundert Personen, die 1968/69 wegen ihrer politischen Haltung in der DDR-Volksarmee von nachhaltigen Repressionen betroffen waren. Spuren widerständigen Verhaltens sind dabei bis in das Offizierkorps der NVA zu verfolgen. Viele der damals von der SED sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich Verfolgten sind sich ihrer kritischen politischen Haltung auch in späteren Jahren treu geblieben. Und so verwundert es nicht, wenn auf den großen Montagsdemonstrationen in Leipzig 1989, die bekanntlich den Sturz der SED-Diktatur in der DDR einleiteten, auch Plakate und Transparente mit der Losung »Es lebe der Prager Frühling« zu sehen waren. n Rüdiger Wenzke 5Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Hoffmann, vom 24. August 1968 zur disziplinaren Maßregelung von politisch nicht konformen NVA-Offizieren (Namen der aufgeführten Personen unkenntlich gemacht) BA-MA, DVW1/5667, Bl. 261f. Literatur: Jan Pauer, Prag 1968. Der Einmarsch des Warschauer Paktes. Hintergründe – Planung – Durchführung, Bremen 1995 Lutz Prieß, Vaclav Kural und Manfred Wilke, Die SED und der »Prager Frühling« 1968. Politik gegen einen »Sozialismus mit menschlichem Antlitz«, Berlin 1996 Rüdiger Wenzke, Die NVA und der Prager Frühling 1968. Die Rolle Ulbrichts und der DDR-Streitkräfte bei der Niederschlagung der tschechoslowakischen Reformbewegung, Berlin 1995 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 9 Volkstrauertag Volkstrauertag Das politische Trauern um die Kriegstoten 5Die zentrale Gedenkfeier im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes am Volkstrauertag 2001 Fotos: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. D 5Arbeit für den Frieden. Jugendliche pflegen im Rahmen eines Jugendlagers die Kriegsgräberstätte Damvillers in Frankreich (2002) »Weit in der Champagne im Mittsommergrün Dort, wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn Da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht Im Wind, der sanft über das Gräberfeld streicht Auf deinem Kreuz finde ich, toter Soldat Deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat Die Zahl neunzehnhundertundsechzehn gemalt Und du warst nicht einmal neunzehn Jahre alt ...« 10 as Lied »Es ist an der Zeit« war in den bewegten siebziger und achtziger Jahren in der Bundesrepublik vor allem bei jungen Menschen populär. Hannes Wader sang den Text von dem im Krieg gefallenen Soldaten und verlieh damit der Kriegsangst und zugleich dem Friedenswillen einer ganzen Generation Ausdruck. Das Lied ist sicherlich universell und überzeitlich verständlich, denn wer möchte gerne in einen Krieg ziehen und sterben? Doch für die Deutschen hat der Text eine besondere Bewandtnis: Denn während die auf dem besungenen Schlachtfeld in der Champagne gefallenen französischen Soldaten in Frankreich, also ihrer Heimat begraben liegen, ruhen ihre früheren deutschen Feinde in fremder Erde. Zwar erinnern in Deutschland diverse Denkmäler an die Gefallenen der Weltkriege, an ihre militärischen Taten, ihre Leiden und ihren Tod, doch gibt es meist keine individuelle Grabstelle, die Gelegenheit bietet, für den Einzelnen Blumen niederzulegen und seiner zu gedenken. Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg klagten unzählige Mütter und Väter um ihre verlorenen Söhne; Frauen trauerten um den Verlust ihrer Männer; Kinder weinten um ihre Väter; Lehrer vermissten ganze Schulklassen – zwei Millionen deutsche Soldaten waren im Krieg gefallen und nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Die Schlachtfelder dieses Krieges aber lagen nicht auf dem eigenen Staatsgebiet, sondern in den ehemals von Deutschland besetzten Ländern. Anders als im Zweiten Weltkrieg war dieser Krieg nicht bis nach Deutschland vorgedrungen. Der vierjährige Stellungskrieg an der Westfront hatte in Frankreich und Belgien getobt, nach der kurzen russischen Besetzung Ostpreußens war die Front im Osten zuletzt bis in das Baltikum und die Ukraine ausgedehnt worden, im Südosten standen deutsche Truppen westlich des Kaukasus und im Süden auf dem Balkan. Auch deutsche Schiffe hatten auf See gekämpft und waren einschließlich ihrer Besatzungen dort gesunken. Die schreck- Fotos: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. 5Vertreter einstmals verfeindeter Nationen gedenken auf dem Berliner Friedhof Lilienthalstraße mit einer Kranzniederlegung gemeinsam der Kriegstoten liche Bilanz für den Ersten Weltkrieg verzeichnet neben den zwei Millionen Gefallenen des Deutschen Reiches mindestens 1,2 Millionen Kriegstote für Österreich-Ungarn; deren Kriegsgegner Frankreich und Großbritannien hatten 1,4 Millionen bzw. 744 000 Opfer zu beklagen. Russland verlor durch die unmittelbaren Kampfhandlungen ungefähr zwei Millionen Menschen, im darauffolgenden Bürgerkrieg (1917–1921/22) starben nochmals etwa eine weitere Million Menschen. Für die gesamte Zeit des Ersten Weltkrieges geht man heute von etwa 20 Millionen Kriegstoten aus. Die meisten von ihnen waren fern ihrer Heimat gefallen, wo es für sie keine Grabstätte gab – eine Rückführung der Gefallenen war schon wegen der großen Zahl an Toten nicht möglich, zumal häufig auch gar keine Grabstätte bekannt und oft nicht einmal die sterblichen Überreste der Soldaten vorhanden waren. Die USA versuchten immerhin, ihre Toten umzubetten, damit sie nicht in fremder Erde ruhen mussten, die Mehrzahl der Gefallenen aber blieb in Ländern begraben, in die sie als Besatzer oder Verbündete (Frankreich und Großbritannien rekrutierten in großem Umfang in ihren Kolonien Soldaten für den europäischen Kriegsschauplatz) gekommen waren – »Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur ...« sang Hannes Wader. Mit dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 war für das Deutsche Reich der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen. Die Deutschen suchten nun nach geeigneten Formen und Orten, um der Gefallenen zu gedenken. Der 5Gräber, soweit das Auge reicht. Das Schlachtfeld von St. Laurent-Blagny (Frankreich, nahe Arras) in den zwanziger Jahren und der selbe Ort 1998 4»Den für das Vaterland Gefallenen...« Typische Kriegerdenkmäler, wie sie in den Jahren nach dem Ersten (und später nochmals nach dem Zweiten) Weltkrieg in vielen deutschen Gemeinden errichtet worden sind. MHM, Dresden Versailler Vertrag bestimmte in Artikel 225, dass die Vertragsstaaten die Gräber der gegnerischen Heeres- und Marineangehörigen achten und unterhalten müssten. Außerdem sei ausländischen Beauftragten der Zugang und die Pflege zu ermöglichen. Dazu wurde in Deutschland ein amtlicher Gräberdienst eingerichtet, der die Auffindung, Instandhaltung und Pflege der Gräber übernahm sowie die zentrale Gräberkartei verwaltete, die Angehörigen Auskunft erteilte. Im Dezember 1919 wurde auf private Initiative der »Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge« gegründet, welcher Soldatengräber in Deutschland und vor allem im Ausland errichten und pflegen wollte. Die Gründer des Vereins waren der Ansicht, die Pflege der deutschen Kriegsgräber im Ausland sei eine nationale Aufgabe, deren Träger das deutsche Volk und nicht die gerade erst konstituierte und zumal im Milieu der diversen Vereine ehemaliger Frontkämpfer wenig akzeptierte Republik sein sollte. Um an die Toten erinnern zu können, forderte der private Verein die Einführung eines nationalen Gedenktages. Nicht »befohlene« Trauer war das Motiv, sondern das MHM, Dresden Setzen eines nicht übersehbaren Zeichens der Solidarität derjenigen, die keinen Verlust zu beklagen hatten, mit den Hinterbliebenen der Gefallenen. Doch die politischen Verhältnisse der Weimarer Republik verhinderten lange die Einführung eines einheitlichen Gedenktages. Im Jahr 1925 wurde erstmals im gesamten Reich an einem Sonntag sechs Wochen vor Ostern der Toten des Krieges gedacht. Durch die Wahl des Termins wollte man den Tag als weltlichen Gedenktag in das Kirchenjahr integrieren, doch eine dauerhafte Regelung kam nicht zustande und bereits im darauffolgenden Jahr wurden die Feierlichkeiten auf den fünften Sonntag vor Ostern verlegt. Der Tag als solcher hatte zweierlei Funktion. Er sollte einerseits dazu dienen, die Erinnerung an die Schrecken des Krieges den nachfolgenden Generationen zur Mahnung zu erhalten. Andererseits sollte an diesem Tag auch der gefallenen »Helden« der Nation gedacht werden, die »für Volk und Vaterland« gestorben waren. Dazu war die Reichswehr durch Feldgottesdienste, Ehrenwachen und Kranzniederlegungen aktiv in die Feierlichkeiten eingebunden, später setzte sich auch Reichswehrminister Wilhelm Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 11 Die Konvention Volkstrauertag von Tauroggen DHM-Bildarchiv Groener für einen reichseinheitlichen gesetzlichen Feiertag ein. Neben der individuellen Trauer des Einzelnen stand in Deutschland eine kollektive Anteilnahme. Vor allem das Massensterben an der Westfront hatte unweigerlich dazu geführt, dass jede Familie, sofern sie nicht selbst einen Todesfall beklagte, auf einen Gefallenen aus nächster Umgebung – dem Freundeskreis, der Nachbarschaft, der Kirchengemeinde – verweisen konnte. Wenngleich die Trauer über die hunderttausende Opfer noch während des Krieges einsetzte, begann die Verarbeitung des Sterbens indes erst nach dem Krieg. Nicht zuletzt die von der Mehrheit der Deutschen als demütigend empfundenen politischen Folgen der Versailler Friedensbedingungen, aber auch die Tatsache, dass die Bevölkerung durch die Zensur während des Krieges über die verheerenden Opferzahlen völlig im Unklaren gehalten worden war, führte nun nach dem Kriegsende zu einer starken Anteilnahme der Öffentlichkeit. Es entwickelte sich ein Bedürfnis nach einer gemeinsamen Erinnerung an die Toten. Zum Ausdruck kam dies in den Trauertagen und den Andachten vor den nun im ganzen Land aufgestellten Kriegerdenkmälern. Diese wurden zu »Erinnerungsorten«, an denen man gemeinschaftlich der in der Ferne verbliebenen Bekannten, Freunde und Angehörigen gedachte. Auch in den anderen Ländern wurde der Gefallenen gedacht: In Frankreich, Belgien, Großbritannien, den USA und Kanada erklärte man den Tag des Waffenstillstandes von Compiègne (bei Versailles), den 11. November 1918, zum Gedenk- bzw. Feiertag, welcher gleichsam den Opfern dieser Nationen gewidmet war. 12 MHM 5Im Jahr 1931 wurde die 1817/18 von Karl Friedrich Schinkel für den preußischen König Friedrich Wilhelm III. errichtete Neue Wache zum Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umgestaltet. In ihrer schlichten, doch feierlichen Ausführung sollte die Gedenkstätte allen Besuchern offen stehen. Aus einer Deckenöffnung fiel das Licht auf einen goldenen Kranz, der auf einem schwarzen sarkophagähnlichen Stein in der Mitte des Innenraums ruhte. Zwei Jahre später gestalteten die Nationalsozialisten die Gedenkstätte in ihrem Sinne um, um hier den »Heldengedenktag« zu zelebrieren. In der DDR diente der Ort zur pompösen Inszenierung des Gedenkens an den »Kampf gegen Militarismus und Faschismus«. Nach dem Ende der DDR wurde dort die Skulptur »Mutter mit totem Sohn« von Käthe Kollwitz aufgestellt. Die Neue Wache dient seit 1993 als zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die »Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft«. bpa DHM-Bildarchiv 5Berlin 2001: Mit einer Kranzniederlegung gedenken in der Neuen Wache Vertreter der Verfassungsorgane (Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht, Bundesregierung) der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Nach der Machtübernahme Hitlers wurde in Deutschland das Gedenken an die Kriegstoten im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber instrumentalisiert. 1934 führte man den »Heldengedenktag« ein und ersetzte durch ihn den bisherigen Volkstrauertag. Im Mittelpunkt der Feiern stand dabei nun nicht mehr das Erinnern an die Gefallenen, sondern die Glorifizierung ihrer militärischen Leistungen. Die landesweiten Veranstaltungen entarteten zu einer der vielen Spielarten nationalsozialistischer Kriegsverherrlichung. Anlässlich dieser Feiern verordnete Hitler der Wehrmacht das NSDAP-Parteiabzeichen als Hoheitsabzeichen und führte die Hakenkreuzfahne als Reichsfahne ein. Auch anderweitig nutzte er den Tag ganz in seinem Sinne: Am Heldengedenktag 1936 marschierten deutsche Truppen in das ent- Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 militarisierte Rheinland ein und auch der »Anschluss« Österreichs 1938 fand an diesem Tag statt. Im Jahr 1939 verlegte Hitler per Erlass den Feiertag auf den 16. März bzw. auf den vorausgehenden Sonntag. Damit sollte der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht Achtung gezollt werden. Der Tag wurde hierdurch gleichsam aus dem Kirchenjahr gelöst, er sollte ein staatlicher Gedenktag der neuen Machthaber werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft entschied die Bundesregierung im Jahre 1952, die Tradition des Volkstrauertages wiederaufleben zu lassen, um so der Opfer beider Weltkriege zu gedenken. Um den Tag deutlich von dem nationalsozialistischen Heldengedenktag abzugrenzen, wurde als Termin der zweite Sonntag vor dem Ersten Advent festgelegt, womit auch der kirchlich-christliche Bezug wiederhergestellt werden sollte. Die Bundeswehr begeht seit ihrem Bestehen aktiv diesen Feiertag und unterstützt den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bei den jährlichen Veranstaltungen in vielfältiger Weise. Das Bundesverteidigungsministerium regelte diese Unterstützung in Erlassen vom 15. Juni 1979 und vom 24. Januar 1989. Seit der Wiederverei- bpa Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Fotos: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. D nigung regelt ein Erlass vom 9. Mai 1994 diese zivil-militärische Kooperation. In den einzelnen Standorten entscheidet der jeweilige Standortälteste, ob offizielle Abordnungen der Bundeswehr an den örtlichen Gedenkfeiern teilnehmen. Die zentrale Veranstaltung an diesem Tag besteht zumeist aus einer Ansprache mit einer anschließenden Kranzniederlegung, an der neben Vertretern des Staates auch Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben und Bürger teilnehmen. Seit 1992 werden die Zentralveranstaltungen in Berlin abgehalten. Am 14. November 1993 fand die zentrale Kranzniederlegung erstmals in der Neuen Wache in Berlin statt. In der DDR gab es einen ähnlichen zentralen Gedenktag, allerdings wollte die SED nicht an die im Krieg Gefallenen erinnern, geschweige denn diese ehren. Statt dessen wurden zuerst der 12. und danach der 10. September zum »Gedenktag für die Opfer des Faschismus« bestimmt. Der Tag rückte allerdings nie zu einem gesetzlichen Feiertag auf. Aus Sicht der kommunistischen Machthaber waren die Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges nicht Gefallene oder Helden, sondern Opfer des herrschenden faschistischen Regimes. Dennoch fand der Besucher in der 1969 wiederhergestellten und als Mahnmal eingeweihten Neuen Wache an der Berliner Paradestraße Unter den Linden neben dem Grab des »Unbekannten Widerstandskämpfers« auch das Grab eines »Unbekannten Soldaten« und eine Ehrenwache der Nationalen Volksarmee der DDR vor. n ch/René Henn Literatur: Volker Berghahn, Der Erste Weltkrieg, München 2003 Roger Chickering, Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 2002 Thomas Peter Petersen, Der Volkstrauertag – seine Geschichte und Entwicklung, [o.O.] 1998 er Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. wurde 1919 gegründet. Er ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Motto lautet: »Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden«. Dazu erfasst, erhält und pflegt er in 100 Ländern etwa 1,9 Millionen Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und hilft im Auftrag der Bundesregierung bei der Erhaltung der Kriegsgräber in Deutschland. Ohne die Unterstützung der Bundeswehr und im zunehmenden Maße auch der Reservistenverbände könnte der Volksbund seine vielfältigen Aufgaben nicht wahrnehmen. Grundlage für diese Zusammenarbeit des Volksbundes mit der Bundeswehr ist ein Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung (25. Oktober 2001, VMBI. Nr. 10), in dem es heißt: »Die Bundeswehr unterstützt den Volksbund bei seiner Arbeit seit ihrem Bestehen. Durch diese Unterstützung wird nicht nur in sinnvoller Weise der Opfer der vergangenen Kriege gedacht, sondern auch vor allem jungen Menschen eine Möglichkeit eröffnet, mit der Arbeit an den Gräbern dem mahnenden historischen Erbe zu begegnen und damit den Weg zu unseren europäischen Nachbarn zu ebnen.« Soldaten und Zivilbedienstete der Bundeswehr sammeln bei der Kasernen-, Hausund Straßensammlung jährlich etwa zwei Millionen Euro. Diese Summe macht fast ein Drittel der Gesamteinnahmen aus, die der Volksbund jährlich durch die Sammlung erzielt. Trotz der Personal- und Standortreduzierung, die mit der Neustrukturierung der Bundeswehr einhergehen, ist das Sammelergebnis jedoch nur um wenige Prozent gesunken. Auch mit freiwilligen Arbeitseinsätzen helfen seit vielen Jahren Bundeswehrangehörige bei Instandsetzungs-, Pflege- und Bauarbeiten auf Kriegsgräberstätten im Inund Ausland. Im Jahr 2002 leisteten die Fachleute in Uniform bei insgesamt 101 Arbeitseinsätzen im Ausland vorbildliche Arbeit, des Weiteren half die Bundeswehr auch bei 70 Jugendlagern im In- und Ausland, indem sie Busse, Fahrer und Köche zur Verfügung stellte. Damit wurde gewährleistet, dass der Volksbund die Lager, an denen jährlich etwa 2000 junge Menschen aus vielen Ländern teilnehmen, zu vertretbaren Kosten anbieten konnte. Eine besondere Form der Unterstützung ist jedoch die Teilnahme von Soldaten und Einheiten der Bundeswehr bei zahlreichen Gedenkveranstaltungen des Volksbundes, insbesondere anlässlich des Volkstrauertages. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, in denen einzelne Einheiten Patenschaften für bestimmte Kriegsgräberstätten übernommen haben. Im vergangenen Jahr hat die Luftwaffenunterstützungskompanie der 2. Luftwaffendivision in Birkenfeld die Patenschaft für den Soldatenfriedhof auf dem FutaPass in Italien übernommen. Eine weitere Patenschaft wird die Luftlande- und Lufttransportschule der Bundeswehr in Altenstadt bei Schongau übernehmen: für den Soldatenfriedhof Motta St. Anastasia bei Catania in Italien Soldaten der Bundeswehr sammeln Spenden für den Volksbund Der Volksbund arbeitet eng mit dem Bundesministerium der Verteidigung zusammen, den Kontakt zur Truppe halten acht Beauftragte. Sie informieren in den Kasernen über die Arbeit des Volksbundes, koordinieren die Arbeitseinsätze auf den Kriegsgräberstätten und helfen bei der Vorbereitung der Jugendlager sowie der Haus- und Straßensammlung. Da auch Reservisten die Arbeit des Volksbundes unterstützen, hat der Volksbund 1996 eine Vereinbarung mit dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. über die Zusammenarbeit getroffen. Die Reservisten können manche Hilfeleistung übernehmen, welche die Bundeswehr nicht mehr erbringen kann. Doch ersetzen können sie den wichtigsten Partner des Volksbundes nicht. Fritz Kirchmeier Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 13 akg-images Die Konvention von Tauroggen Die Konvention von Tauroggen am 30. Dezember 1812 Die Vorgeschichte D 5Konvention von Tauroggen, 30. Dezember 1812 zwischen dem preußischen Generalleutnant Yorck von Wartenburg und dem russischen Generalmajor Diebitsch »In militärischer Hinsicht ist es gar nichts, aber in politischer sehr viel.« W as Napoleon am 15. Januar 1813 in Paris dem preußischen Gesandten gegenüber äußerte, ist die prägnante Bewertung eines Ereignisses, das in früheren Geschichtsstunden nirgendwo fehlen durfte, heutzutage aber selbst vielen Militärs nicht (mehr) geläufig ist. Dabei zeigt die Konvention von Tauroggen exemplarisch das Spannungsfeld von Gehorsam und Verantwortung auf: ›Preußische Revolution‹ gegen das Gehorsamsprinzip, Verrat oder nur militärisch begründetes Verhalten eines Feldherrn, der seinem König politisches Handeln wieder ermöglichen, ihn gar dazu zwingen soll? Zur Einordnung dieses gelegentlich als »historisch« hochstilisierten Vorganges ist die Einbettung in die politischen und militärischen Rahmenbedingungen unerlässlich. 14 ie Französische Revolution leitete Ende des 18. Jahrhunderts politische, gesellschaftliche und militärische Umwälzungen von bis dahin ungeahnten Dimensionen ein, deren Grundprinzipien – »liberté, égalité und fraternité« (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), Volkssouveränität und Verfassungsdenken – bis heute kaum etwas von ihrer Gültigkeit verloren haben. Mit Napoleon Bonaparte, dem General und Bändiger der Revolution – 1804 krönte er sich zum Kaiser der Franzosen – erfuhr im Zuge der kriegerischen Expansion Frankreichs die politische Karte Europas vielfältige Veränderungen. Durch Mediatisierung und Säkularisation wurde das alt-ehrwürdige Heilige Römische Reich deutscher Nation zerschlagen und im Jahre 1806 durch den unter französischem Protektorat stehenden Rheinbund ersetzt. Auch Preußen fiel nach der verheerenden Niederlage bei Jena und Auerstedt im Oktober 1806 französischer Besatzung zum Opfer. Frankreich war zur Vorund Besatzungsmacht West- und Zentraleuropas aufgestiegen. Nur Großbritannien und das zaristische Russland entzogen sich Napoleons Diktat. Um dem als eigentlichen Gegner Frankreichs eingestuften britischen Inselreich den sogenannten Festlanddegen zu entwinden, sollte ein Sieg über Russland dem französischen Imperium Weite und Dauer verleihen. Am 4. März 1812 trat ein zwischen Preußen und dem napoleonischen Frankreich geschlossenes Abkommen in Kraft und Preußen wurde Aufmarschund Durchzugsgebiet für die Grande Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Armée. Für Napoleons Russland-Feldzug waren erhebliche Lasten zu tragen: zunächst die Gestellung von 20 000, später 30 000 Mann für den am 24. Juni 1812 mit dem Überschreiten des Grenzflusses Njemen eröffneten Krieg. Dabei wurden die preußischen Truppen der Armee als 27. Division der über 500 000 Mann starken Grande Armée eingegliedert und dem X. Korps des Marschall Etienne Jacques Macdonald unterstellt, dessen Auftrag der linke Flankenschutz während des Vormarsches in Kurland war. Des Weiteren musste Preußen umfangreiche logistische Unterstützung leisten, welche, angesichts der Größe der napoleonischen Armee, das Land an den Rand des Staatsbankrotts trieb. Die Lage D er Vormarsch der französischen Truppen verlief zunächst rasch, und die Russen wurden in der Schlacht von Smolensk am 12. August 1812 besiegt, gleichfalls gelang Napoleon ein taktischer Sieg gegen die russische Armee bei Borodino am 7. September 1812, unweit von Moskau. Diese vermeintlichen Siege dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Napoleon nicht gelang das Gros der russischen Armee in einer Entscheidungsschlacht zu schlagen. Durch die anhaltenden Kämpfe mit der zurückweichenden russischen Armee und Überfalle von Kosaken und Partisanen besaß die Grande Armée bei der kampflosen Einnahme Moskaus am 14. September nur noch einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Stärke. Bayonne, Musee Bonnat / Foto: akg-images Karte nach: Werner Hilgemann/Hermann Kinder: dtv-Atlas Weltgeschichte, Graphiken von R. u. H. Bukor © 1966, 1991 Deutscher Taschenbuch Verlag, München 5Vormarsch und Rückzug der Hauptarmee Napoleons 1812 3Ludwig Graf Yorck von Wartenburg, Punktierstich von Jean akg-images Meno Haas, 1814 Nach dem Brand Moskaus im September 1812, Napoleons Entschluss zum Verlassen der russischen Hauptstadt am 18. Oktober, dem verlustreichen Rückzug und dem Übergang der letzten Reste der einstmals stolzen ›Grande Armée‹ über die Beresina im November war der französische Kaiser erstmals wieder seit seinem beinahe schon vergessenen ägyptischen Abenteuer im Jahre 1798/99 auf der Flucht. Der Oberbefehlshaber des preußischen Hilfskorps, Generalleutnant Hans David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg, konnte die realen Verhältnisse vor Ort besser als sein König Friedrich Wilhelm III. im fernen Berlin einschätzen; er wusste um den Zustand der Truppen Napoleons. Tatsächlich befanden sich die Reste der Armee in einem Zustand der Auflösung, ständig Angriffen der verfolgenden russischen Armee ausgesetzt. Napoleon verließ seine Truppen bei Wilna und eilte über Dresden nach Paris. Aber auch die militärische Lage Yorcks sah nicht unbedingt glänzend aus. Obwohl er noch immer im Ver- / Slg. Archiv für Kunst & Geschichte, Berlin gleich zu den französischen Truppen über eine große Menge einsatzbereiter Kräfte verfügte, gab es unter seinen Soldaten Hunderte von Fleckfieberkranken; die Kälte sowie die vereisten und verschneiten Wege machten ab Mitte Dezember das Ausweichen vor den russischen Truppen immer schwieriger. Seinen Truppen drohte ein Abschneiden der Verbindungen zu den französischen Kolonnen und die Einschließung durch russische Kavallerie unter der Führung von Generalmajor Iwan Iwanowitsch Diebitsch, die sich zwischen die Truppen Yorcks und Macdonalds geschoben hatte. Die russische Aufforderung vom 25. Dezember, Yorck möge die Unterstützung für Frankreich beenden, lehnte dieser zunächst ab. Drei Tage später, als die preußischen Truppen den Bereich um Tauroggen erreichten, lag Yorck eine erneute Aufforderung Diebitschs vor. Andererseits hatte er einen Befehl Macdonalds erhalten, die preußischen Truppen unverzüglich mit den französischen Kräften bei Tilsit zu vereinigen. In Ermangelung konkreter Handlungsanweisungen durch seinen König hatte Yorck selbst abzuwägen: Sollten die preußischen Truppen sich am Aufbau einer Widerstands- bzw. Verzögerungslinie beteiligen, die Napoleon Zeit zum Aufbau einer neuen Armee und Mobilisierung neuer Res- 5Napoleon I., Bonaparte, Ölskizze um 1808 von Anne Louis Girodet-Trioson sourcen geboten hätte? Oder wog die Fürsorgepflicht Yorcks seinen Truppen gegenüber so schwer, dass weitere Kampfhandlungen nicht zu verantworten gewesen wären? Stand dem nicht seine Pflicht zur Seite, sein Korps als das einzige feldverwendungsfähige und gefechtsbereite Kontingent Preußens seinem König zu erhalten? Oder sollte Yorck es in einem aussichts- und sinnlosen Kampf gegen russische Truppen opfern? Kampf und Kapitulation – oder Konvention? Yorck rang tagelang hart um seinen Entschluss, bevor er mit seinem russischen Gegner in der Poscheruner Mühle zusammentraf; während Diebitsch mit klarem Auftrag handelte, stand Yorck in eigener Verantwortung. Die Entscheidung A m 26. Dezember sandte Yorck den bei den preußischen Truppen befindlichen königlichen Flügeladjutanten nach Berlin, um Friedrich Wilhelm III. von der aktuellen Lageentwicklung zu unterrichten. Zugleich führte er mehrere Gespräche mit seinen Offizieren, die überwiegend für eine Beendigung der Kämpfe plädierten, und kam dann am Abend des 29. Dezember zu seiner Entscheidung: »Ihr habt mich.« Nach der freudig-begeisterten Aufnahme seines Entschlusses durch einen Offizier, erwiderte Yorck Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 15 akg-images Die Konvention von Tauroggen 3 als treuer Untertan und wahrer Preuße gefehlt zu haben. Jetzt oder nie ist der Zeitpunkt, wo Eure Majestät sich von den übermächtigen Forderungen eines Alliierten losreißen können, dessen Pläne mit Preußen in einem mit Recht Besorgnis erregenden Dunkel gehüllt waren, wenn das Glück ihm treu geblieben wäre. Diese Absicht hat mich geleitet. Gebe Gott, daß sie zum Heile des Vaterlandes führt.« 5 Generalleutnant Yorck und Generalmajor Diebitsch. Das preußische Hilfskorps der französischen Grande Armée wird für neutral erklärt Holzstich, unbez., um 1870 in klarer Erkenntnis der möglichen Folgen seines Handelns: »Ihr habt gut reden, ihr jungen Leute, mir Altem aber wackelt der Kopf auf den Schultern.« Tatsächlich musste er befürchten, wegen Befehlsverweigerung bestraft zu werden. Am Morgen des 30. Dezember 1812 war es dann so weit: General Yorck, begleitet von Oberst Roeder und Major von Seydlitz, für die preußische, und Generalmajor Diebitsch, begleitet vom Grafen Dohna und von Clausewitz, für die russische Seite trafen in der Poscheruner Mühle bei Tauroggen zusammen und schrieben die Konvention fest. In beiderseitigem Einvernehmen galt es die preußischen Kräfte zu isolieren, zu neutralisieren, aber auf jeden Fall der französischen Verfügungsgewalt zu entwinden. Hier deckten sich die tieferen strategischen Interessen Preußens mit denen des russischen Zarenreiches. Das preußische Korps sollte bis zur Einwilligung des preußischen Königs neutral zwischen den Städten Memel und Tilsit sowie dem Kurischem Haff verharren, bei Wiederaufnahme feindlicher Auseinandersetzungen sollten die Truppen Yorcks bis zum 1. März 1813 nicht gegen russische Kräfte kämpfen. Um seine Entscheidung Friedrich Wilhelm III. bekannt zu machen, schickte Yorck den Major von Thile nach Berlin. Am Schluss seines Begleitschreibens formulierte Yorck seine Beweggründe: »Eurer Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte; ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht 16 Generalmajor Graf Johann (Iwan Iwanowitsch) Diebitsch-Sabalkanskij (1785–1831), Stahlstich, um 1840, nach Bildnis um 1815 akg-images 3 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen (1797–1840), Ölgemälde von Ernst Gebauer, 1814. Kopie nach François Gerard. Schloss Charlottenburg, Berlin Auch seinem französischen Oberbefehlshaber Macdonald schrieb Yorck unmittelbar nach Abschluss der Konvention: »Welches auch das Urteil sein mag, das die Welt über mein Verfahren fällen wird, ich bin darüber wenig in Unruhe. Die Pflicht gegen meine Truppen und die reiflichste Erwägung schreiben es mir vor; die reinsten Beweggründe, wie auch immer der Schein sein mag, leiten mich.« akg-images 3 General Carl von Clausewitz (1780–1831), Farblithographie nach einem Gemälde von Wilhelm Wach, um 1820 Die Beteiligten G eneral Yorck, der ›Hauptakteur‹, galt als die Verkörperung des alten preußischen adligen Offizierstandes. Er verweigerte einem Vorgesetzten während des Garnisonsdienstes in Braunsberg 1780 den Gehorsam, als bekannt wurde, dass sich dieser während des Bayrischen Erbfolgekrieges mit Kircheneigentum bereichert hatte, was mit sofortiger Entlassung und einjähriger Festungshaft Yorcks quittiert wurde. Sein ›russisches‹ Pendant war der junge, zum Zeitpunkt der Konvention erst 27jährige Generalmajor Iwan Iwanowitsch Diebitsch. Er trat 1801 als geborener Preuße (*13. Mai 1785 in Groß Leipe, Schlesien) in russische Dienste, wurde 1824 Chef des Generalstabes und 1829 Feldmarschall und Graf. Einer seiner Berater war der preußische Oberstleutnant Karl Philipp Gottfried von Clausewitz, der 1812 aus Protest gegen das aus seiner Sicht schmachvolle Militärbündnis Preußens mit Napoleon in russische Dienste trat; einflussreiche Kreise am preußischen Hofe betrachteten dies als Verrat und versuchten Clausewitz’ 1813 angestrebte Wiederaufnahme in preußische Dienste zu hintertreiben; es wurde sogar »die Anordnung eines Konfis- Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 akg-images kations-Prozesses gegen den Major im Generalstab Clausewitz, ehemals Lehrer an der Kriegsschule, wegen der Annahme russischer Dienste« initiiert. Die Folgen D ie militärische Folge der Konvention war, dass die linke Flanke der französischen Armee zusammenbrach; Ostpreußen und die Gebiete östlich der Weichsel mussten von französischen Truppen geräumt werden. Die militärische Gefahr auf russischen Territorium bestand somit nicht mehr. Politische Bedeutung erhielt die Konvention in mehrerlei Hinsicht: Preußen war mit der Konvention de facto aus dem Krieg gegen das Zarenreich ausgeschieden und die Truppen Yorcks damit französischer Verfügungsgewalt entzogen. Russland wurde in seiner Bereitschaft bestärkt, den Krieg gegen Napoleon weiterzuführen, bis dessen Herrschaft über Europa beendet war. Die Konvention war das erhoffte reale ten nicht außerhalb, sondern innerhalb seines preußischen Offiziereides; ein Offizier ohne klare Weisung hatte eine Entscheidung im Sinne der übergeordneten Führung zu treffen – was heute von jedem Soldaten einer ›Armee im Einsatz‹ verlangt wird. In vielen Erörterungen über Tauroggen wird meist auf die zögerliche Haltung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. hingewiesen und dieser die entschlussfreudige Tat des Generals gegenübergestellt. Der König konnte jedoch unter Betrachtung der politischen Rahmenbedingungen – französische Okkupation, abwartende Haltung Österreichs – nicht mit fliegenden Fahnen die Seiten wechseln. Dieser politische Schritt bedurfte noch der Vorbereitung und des Faktors Zeit. Deshalb wurde auch Yorck zunächst offiziell seines Kommandos entbunden und ein kriegsgerichtliches Untersuchungsverfahren anberaumt. Erst am 11. März 1813 wurde Yorck von den erhobenen Vorwürfen per königlichem Entscheid »ganz vorwurfsfrei« erklärt, sein Kommando sogar um die ost- und westpreußische Brigade erweitert. in historisch-politisches Ereignis wie die Konvention von Tauroggen musste in der einen oder anderen Weise ›traditionsstiftend‹ werden. Mehrere Traditionsstränge sind leicht zu identifizieren: Zunächst sollte mit der Stilisierung von Tauroggen an ›alte‹ Gemeinsamkeiten Preußens und Russlands im 18. Jahrhundert erinnert werden. Aber auch die neuen monarchischen Prinzipien des Wiener Kongresses standen ganz im Zeichen der preußischen und russischen ›Adler‹. Tauroggen war aber auch der Ausgangspunkt für jahrzehntelange russisch-preußische Zusammenarbeit auf politischem wie militärischem Terrain im 19. Jahrhundert. Bewertung des Verhaltens von Yorck Y orck war ein herausragender Repräsentant des auf Gehorsam aufbauenden preußischen Militärstaates und seines alten Systems. Zugleich aber überwand er diesen, indem er ohne Wissen und mögliche Zustimmung seines Monarchen auf eigene Verantwortung eine weitreichende Entscheidung traf. Vielleicht sah die Bindung an den preußischen Fahneneid von 1808 aber genau das Verhalten Yorcks als das richtige an: danach war er seinem König gegenüber verpflichtet, »in allen und jeden Vorfällen, zu Lande und zu Wasser, zu Kriegs- und Friedenszeiten, getreu und redlich zu dienen« und in Ausübung sämtlicher Pflichten sich »jederzeit so zu betragen, wie es einem ehrliebenden und unverzagten Soldaten eignet und gebühret«. Somit stand Yorcks Verhal- Tauroggen in der Tradition E Nach dem Ersten Weltkrieg suchten die beiden großen ausgestoßenen Mächte des europäischen Systems – das Deutsche Reich als Verlierer des Weltkrieges, Sowjet-Russland nach der Oktoberrevolution 1917 – Anknüpfungspunkte für eine mögliche preußisch/deutschrussische Kooperation. Beide wurden im ›Geist‹ von Tauroggen fündig und in dem am 16. April 1922 abgeschlossenen Vertrag von Rapallo einig, der nicht nur im politischen Raum für Aufsehen sorgte, sondern auch für die militärische Kooperation von Reichswehr und Roter Armee der Eisbrecher war. Die nationalsozialistischen Machthaber des »Dritten Reiches« konnten einem auf eigene Verantwortung handelnden Feldherrn nichts abgewinnen, außer vielleicht der Quintessenz aus dem Erklärungsschreiben Yorcks: »Eurer Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte.« Eine kleine Gruppe von Offizieren war schließlich bereit, aus Verantwortung für Deutschland sich dem bedingungslosen Gehorsam entgegenzustellen und den Sturz des verbrecherischen NS-Regimes zu wagen. Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 3 In Potsdam, der Residenzstadt der preußischen Könige, erinnert im Neuen Garten eine Plakette an das denkwürdige Ereignis der Konvention von Tauroggen MGFA MGFA und symbolische Zeichen, der zündende Funke zur Erhebung der preußischen Bevölkerung wie auch die Vorbereitung des sich später anbahnenden Waffenbündnisses Preußens mit dem zaristischen Russland. Zudem wurde Tauroggen in der deutschen Öffentlichkeit als Fanal wahrgenommen für einen beginnenden Krieg gegen die französische Besatzungsmacht. Der Ort des preußisch-russischen Abkommens ist heute (fast) vergessen. Ein zu Sowjetzeiten im heute litauischen Tauroggen aufgestellter Gedenkstein erinnert in litauischer und russischer Sprache: »Hier in der ehemaligen Poscheruner Mühle unterschrieben am 30. (18.) Dezember 1812 der Generalleutnant des Königreiches Preußen, Yorck, und der russische Generalmajor Diebtisch die Konvention von Tauroggen zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Armee des französischen Kaisers Napoleon«. Da Russland seinerzeit noch den Julianischen Kalender verwandte, ist als zweites Datum der 18. Dezember angegeben. schlug jedoch fehl und die an der Verschwörung beteiligen Offiziere wurden hingerichtet. Nach Kriegsende versuchten beide deutsche Staaten, die DDR und die Bundesrepublik Deutschland, bei der Suche nach legitimierter, verlängerter historisches Traditions- bzw. Kooperationslinien eine Anknüpfung an »Tauroggen«. Die DDR sah in der Konvention die Möglichkeit, den Mythos der deutsch-sowjetischen Waffenbrüderschaft auf ein historisches Fundament zu heben. In der Traditionspflege der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr kam dem militärischen Widerstand, allen voran den Männern des 20. Juli 1944, gegen das NS-Regime hohe Bedeutung zu. Auch der frühere Gehorsamsverweigerer, Yorck von Wartenburg, wurde als Vorbild wiederentdeckt. n Eberhard Birk Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 17 NATO-Doppelbeschluss Der NATO-Doppelbeschluss 1979 Zur Strategie des Gleichgewichts Das atomare Gleichgewicht droht zu kippen Diese Entwicklung wirkte sich aus westlicher Perspektive negativ auf die NATO-Strategie der »Flexiblen Reaktion« aus, da diese auf dem Prinzip der Kriegsverhinderung durch Abschreckung basierte. Mit der Modernisierung seines taktischen Atomwaffenpotentials in Europa konnte der Warschauer Pakt – im Verbund mit dem seit Ende der vierziger Jahre bestehenden Übergewicht an konventionellen Streitkräften in Europa – die europäischen NATO-Mitgliedsländer sowohl militärisch als auch politisch unter Druck setzen. In militärischer Hinsicht verfügte die NATO über keine atomaren Mittelstreckenraketen, welche quantitativ und qualitativ dem Waffensystem SS-20 entsprachen. Die NATO konnte daher nur auf die strategischen Waffensysteme der USA als Gegengewicht zurückgreifen. Dies bedeutete aber, dass die Vereinigten Staaten jederzeit bereit sein mussten, ihre strategischen Nuklearwaffen für die Verteidigung Europas einzusetzen und somit im Falle eines sowjetischen Gegenschla- 18 Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr A b Mitte der siebziger Jahre modernisierte die UdSSR ihr Nuklearpotential durch die Entwicklung einer neuen Generation von Interkontinentalraketen mit Mehrfachgefechtsköpfen (MIRV) der Typen SS-16, 17, 18 und 19 sowie einer neuen Mittelstreckenrakete vom Typ SS-20. Während die sowjetischen Interkontinentalraketen wesentlich gegen das strategische Potential der Vereinigten Staaten gerichtet waren, stellten die auf Westeuropa ausgerichteten SS-20-Raketen eine besondere Gefahr dar, drohten sie doch eine Schieflage des atomaren Gleichgewichts hinsichtlich taktischer Atomwaffen in Europa herbeizuführen. 5Sowjetische Mittelstreckenrakete vom Typ SS-20 ges die eigene Vernichtung durch sowjetische strategische Waffensysteme zu riskieren. Die USA hatten aber bereits in den Strategic Arms Limitation TalksVerträgen (SALT) der frühen siebziger Jahre das Ziel gesetzt, das machtpolitische Konkurrenzverhältnis mit der UdSSR auf die Basis der Parität bei den strategischen Waffensystemen zu stellen. Vor diesem Hintergrund schien einerseits die Glaubwürdigkeit der westlichen Nuklearstrategie ins Wanken zu geraten, andererseits befürchteten die europäischen NATO-Partner ein »Abkoppeln« der USA von Europa. Der »Harmel-Bericht« und die sicherheitspolitischen Positionen der NATO I m Harmel-Bericht der NATO von 1967, benannt nach dem belgischen Außenminister Pierre Harmel, erklärten die Bündnispartner die militärische Verteidigungsfähigkeit und die politischen Bemühungen um Entspannung als grundsätzlich miteinander vereinbar (sogenannte »Zwei-Pfeiler- Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Doktrin«). Die bundesdeutsche Sicherheitspolitik wurde seit 1969 maßgeblich durch den damaligen Verteidigungsminister und späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt beeinflusst. Sie basierte auf drei Elementen: • einer modern ausgerüsteten und ausgebildeten Bundeswehr als Beitrag zur konventionellen Verteidigung Europas • einer engen Kooperation mit den NATO-Partnern, im Besonderen auf der engen Verbindung mit den Vereinigten Staaten und deren Bereitschaft, im Falle eines Konfliktes ihr nukleares Potential zur Verteidigung der europäischen NATO-Partner einzusetzen • sowie der Bereitschaft zu Verhandlungen und teilweisen Kooperation mit den Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes. Die Bundesregierung war somit in der Lage, den Dialog mit der östlichen Welt weiter fortzuführen, ohne ihre Position im westlichen Verteidigungsbündnis in Frage zu stellen. Von grundlegender Bedeutung für die Entspannungs- © Der Spiegel 46/1983 SV-Bilderdienst/Syndication politik, die unter Bundeskanzler Willy Brandt (1969–1974) forciert worden war, galt das Gleichgewicht zwischen den beiden Machtblöcken Warschauer Pakt und NATO. Das Gleichgewicht drohte aber durch die sowjetischen Modernisierungsmaßnahmen zu Ungunsten der NATO zu kippen. Dabei zeigte sich, dass die Befürchtungen der europäischen NATO-Mitgliedsländer hinsichtlich einer möglichen »Abkopplung« der Vereinigten Staaten nicht völlig abwe- gig waren. Tatsächlich unterzog die US-Administration ihre nuklearen Strategie- und Waffensysteme einer umfassenden Neubewertung, um die amerikanischen Fähigkeiten im Rahmen der strategischen Parität zwischen den USA und der Sowjetunion anzupassen. In Hinblick auf Europa wollte man in Washington die Bedeutung der dort stationierten Kernwaffen herunterstufen und den Schwerpunkt der Verteidigung mehr auf konventionelle Streitkräfte ausrichten. Damit sollte im Wesentlichen verhindert werden, dass die USA frühzeitig oder gegen ihren Willen in einen nuklearen Schlagabtausch mit der UdSSR verwickelt werden könnten; denn man war sich in Washington durchaus bewusst, dass ein Einsatz taktischer Nuklearwaffen in Europa mit der Gefahr eines weltweiten Atomkrieges verbunden war. Im Gegensatz dazu waren die westeuropäischen Regierungen an einer umfassenden Modernisierung und Quantifizierung der Nuklearwaffen mittlerer Reichweite interessiert, da sie nur so eine Abschreckung im Sinne der Stra- tegie der »Flexiblen Reaktion« gewährleistet sahen. Konkreter formuliert bedeutete dies, dass die USA einen möglichen Konflikt in Europa konventionell begegnen wollten, die Schwelle eines nuklearen Schlagabtausches möglichst hoch halten wollten und nicht willens waren, die eigene Existenz zu gefährden. Aus europäischer, insbesondere bundesdeutscher Sicht war eben die eigene staatliche Existenz sowohl bei einem konventionellen Angriff als auch bei einem begrenzten taktischen Nuklearwaffeneinsatz gleichermaßen in Gefahr. Deshalb war die Einbindung des strategischen Raketenarsenals der Vereinigten Staaten grundlegend für die Abschreckung vor einem Konflikt jedweder Art. Die taktischen Nuklearwaffen nahmen aus dieser Perspektive eine bedeutende Brückenfunktion ein, da mit ihnen das strategische Potential der USA an eine Abschreckung und Verteidigung Westeuropas gekoppelt werden konnte. Irritationen zwischen den Vereinigten Staaten und den Verbündeten D ie Rüstungskontrollverhandlungen der siebziger Jahre waren im Wesentlichen vom Interessenausgleich auf bilateraler Ebene zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion geprägt. Im Besonderen waren die europäischen NATO-Mitgliedsländer darüber verärgert, dass ihre Interessen in den Verhandlungen gar nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Dies galt insbesondere für die genannten SALT-Verträge, aber auch in den Mutual-Balanced-Force-Reduction-Verhandlungen (MBFR) schienen europäische Interessen von nachrangiger Bedeutung. Bei den in Wien stattfindenden Konferenzen legte die NATO eine Option vor, welche die Reduzierung von 1000 taktischen Nuklearwaffen im Gegenzug für den Abzug einer sowjetischen Panzerarmee aus Europa vorsah. Die europäischen Verbündeten verfolgten insbesondere die bilateralen Rüstungsverhandlungen, namentlich die SALTVerhandlungen, argwöhnisch. Der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (1974–1982) brachte die Befürchtungen Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 19 Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr Weißbuch 1985 NATO-Doppelbeschluss 5Reichweiten der sowjetischen SS-20 und die der Pershing II in seiner bekannten Rede vor dem Londoner Institut für Internationale Strategische Studien (IISS) im Oktober 1977 auf folgenden Nenner: »Durch SALT neutralisieren sich die strategischen Nuklearpotentiale der USA und der Sowjetunion. Damit wächst in Europa die Bedeutung der Disparitäten auf nukleartaktischem und konventionellem Gebiet zwischen Ost und West.« Die Stimmung zwischen US-Amerikanern und ihren westeuropäischen NATO-Verbündeten hatte sich bereits zu Beginn des Sommers 1977 verschlechtert. Zum einen bedingten anhaltende Medienberichte über eine interministerielle Studie zur Verteidigungspolitik der USA, das Presidential Memorandum 10, eine Verstimmung seitens der Europäer. Die Studie sah als mögliche Option vor, bei einem konventionellen Angriff des Warschauer Paktes in Mitteleuropa zunächst einen Rückzug auf die strategisch günstige Weser-Lech-Linie durchzuführen. Die Bundesrepublik hätte bei diesem Szenario ungefähr ein Drittel des Staatsgebietes eingebüßt; dies ließ sich nicht mit dem bisherigen Konzept der Vorneverteidigung in Einklang bringen. Die Frage der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschlands durch NATOVerbände an der Außengrenze war für die Bundesregierung von existenzieller Bedeutung. Ungeachtet der politischen Querelen zwischen der US-Regierung und den europäischen NATOStaaten beschäftigte sich die »Nukleare Planungsgruppe« (NPG) der NATO bereits im Jahre 1975 auf einer Sitzung in Monterey mit der Option der Sta- 20 tionierung neuer nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa. Die Auffassung der US-Administration, dass die vorhandenen Systeme der USA zur Abschreckung eines etwaigen Angriffs völlig ausreichten, wurde davon allerdings in keiner Weise beeinträchtigt. Eine der NPG unterstellte »Arbeitsgruppe 10« sollte der von den Europäern befürchteten »Abkopplung« entgegenwirken. Zur Betonung der Bedeutung wurde die Arbeitsgruppe aus hochrangigen Vertretern der nationalen Verteidigungsministerien zusammengesetzt und erhielt den Namen »High Level Group«, diese gewählte Ebene war durchaus ungewöhnlich. Das neu geschaffene Gremium konzentrierte sich ab Februar 1978 auf Vorschläge zur langfristigen Modernisierung der weitreichenden taktischen Nuklearstreitkräfte des Bündnisses. Dabei waren vier Alternativvorschläge ausgearbeitet worden: 1. Beibehaltung des status quo (keine Modernisierung) 2. Aufbau eines Arsenals an nuklearen Gefechtsfeldwaffen (u.a. nukleare Artilleriegeschosse) 3. Modernisierung (im begrenzten Umfang) der taktischen Raketensysteme in Europa 4. Aufstellung strategischer Raketensysteme in Europa. Dabei zeigte sich, dass allein die dritte Option bei allen NATO-Partnern durchsetzbar war, weil mit dieser Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Lösung die taktischen Nuklearwaffen und somit indirekt die konventionellen Streitkräfte der NATO gestärkt worden wären und weil damit auch eine direkte Antwort auf die Stationierung der sowjetischen SS-20-Systeme in Europa verbunden war. Nach intensiven Beratungen mit den europäischen NATO-Partnern und unter dem Eindruck der sichtbaren Besorgnis der Westeuropäer über die Bedrohung durch die modernen sowjetischen Mittelstreckenraketen entschieden sich die USA für eine Modernisierung der taktischen Nuklearwaffen in Europa. Gleichzeitig setzten die Vereinigten Staaten aber auf die Weiterführung der SALT-Verhandlungen mit der UdSSR. Folglich wollten die USA ein Ausscheren der Europäer durch die Zugeständnisse bei der Modernisierung verhindern. Die von den Europäern, besonders von der Bundesrepublik, befürwortete Einbeziehung der Mittelstreckenraketen in die laufenden Rüstungskontrollverhandlungen wurde dabei von US-amerikanischer Seite abgelehnt. Das Aufrüstungspaket wurde nun unter politischen Gesichtspunkten von den USA geschnürt. Die USRegierung wollte damit einerseits ihre angeschlagene Führungsrolle festigen und gleichfalls die inneramerikanischen Kritiker des SALT-Vertrages beruhigen. Zunächst galt es aber, die europäischen Verbündeten, allen voran die Bundesregierung, von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Der »doppelte« Beschluss – Handeln und Verhandeln I m April 1979 legte die »High Level Group« der NATO ihre Empfehlungen vor: Die Arbeitsgruppe sprach sich für die Stationierung von bodengestützten Marschflugkörpern vom Typ »Tomahawk« sowie Raketen vom Typ »Pershing II-ER« aus. Die Europäer machten ihre Zustimmung abhängig von der Einbeziehung konkreter Verhandlungsangebote an die Sowjetunion und hielten sich hiermit an die Emp- Die intensive Debatte über die Nachrüstungsbestrebungen der NATO wurde von der sowjetischen Führung als Versuch ausgelegt, ein aus ihrer Sicht bereits vorhandenes Kräftegleichgewicht aus der Balance zu bringen. Die UdSSR drohte ihrerseits mit einer Nachrüstung, stellte aber auch – bei einem Verzicht der NATO auf die Nachrüstung – die Reduzierung ihrer Mittelstreckenraketen in Aussicht. Innerhalb der NATO wurden die sowjetischen Annäherungsversuche lediglich als politische Manöver angesehen, um die bevorstehende Nachrüstung zu verzögern. Die Vorschläge des NATODoppelbeschlusses gingen, durch maßgebliche Initiative der deutschen Bundesregierung, weit über das Angebot beidseitiger Obergrenzen bei Mittelstreckenwaffen hinaus und beinhalteten Vorschläge für Rüstungskontrollen im erweiterten Umfeld. Insbesondere sollten Maßnahmen, die bereits bei den MBFR-Verhandlungen 1975 in Wien erörtert worden waren, realisiert werden. Die Nachrüstung bestand aus der Aufstellung von 108 Abschussvorrichtungen für das System Pershing II, welche die veralterten Vorgängersysteme ersetzen sollten. Des Weiteren sollten 464 bodengestützte Marschflugkörper in verschiedenen europäischen Ländern aufgestellt werden. Die öffentliche Kontroverse D Armee in Afghanistan mit der Rückkehr zur Konfrontationspolitik. Durch die unverminderte Stationierung von sowjetischen SS-20-Raketensystemen wurde die Nachrüstung in Europa faktisch besiegelt. Am 22. November 1983 beschloss die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages unter dem neuen Bundeskanzler Helmut Kohl die Aufstellung von Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik. Die Sowjetunion zog daraufhin ihre Delegation bei den Genfer Abrüstungs- er Doppelbeschluss führte in den westeuropäischen Ländern und besonders in der westdeutschen Öffentlichkeit zu einer kontroversen Diskussion darüber, inwiefern mit dem Nachrüstungsteil die Entspannungspolitik nicht unmittelbar gefährdet sei. Diese Kontroverse um die Stationierung der Mittelstreckenwaffen zog sich auch quer durch die bundesdeutsche Parteienlandschaft. In entscheidender Weise hatte der Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan 1979 Folgen für das Ansehen der UdSSR und die Glaubwürdigkeit ihres Friedenswillens. Dadurch verstärkten sich die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion nachhaltig. Durch die sich also insgesamt verschlechternden Ost-West-Beziehungen gewann die Kritik am NATO-Doppelbeschluss an 5Demonstrationszug gegen den atomaren Rüstungswettlauf in dpa fehlungen des »Harmel-Berichtes«. Die Bundesregierung machte ihr Einvernehmen gänzlich von dieser »doppelten« Lösung abhängig. In einem Kommuniqué der Sondersitzung der Außen- und Verteidigungsminister der NATO wurde der »NATO-Doppelbeschluss« am 12. Dezember 1979 verabschiedet. In der Geschichte der Rüstungskontrolle wurde somit ein neuer Ansatz gewählt. Erstmalig wurde die angekündigte Modernisierung der westlichen Mittelsreckenraketen von der Haltung der Sowjetunion abhängig gemacht. Falls die Sowjetunion weiterhin an einer Modernisierung ihrer Mittelstreckenraketen festhalte, werde die NATO mittels einer Nachrüstung gleichwertiger Waffensysteme nachziehen. So heißt es im letzten Satz des Kommuniques: »Der TNF-Bedarf (Theater Nuclear Forces – substrategische Atomwaffen) wird im Licht konkreter Verhandlungsergebnisse geprüft werden.« Ost und West und die Stationierung neuer Nato-MittelstreckenWirksamkeit. Es war die Zeit raketen in Westeuropa am 10. Oktober 1981 in Bonn der Entstehung der Friedensbewegung, welche in dem gewal- verhandlungen ab. Aus der Stationietigen Atomwaffenarsenal von Ost und rung der Mittelstreckenraketen wurde West und insbesondere in der west- aber durch den politischen Umbruch lichen Nachrüstung eine Gefährdung in der Sowjetunion ein Relikt der Gedes Friedens sah und gegen die Statio- schichte. Der Amtsantritt von Michael nierung von US-amerikanischen Rake- Gorbatschow als Generalsekretär der ten öffentlich protestierte. Namhafte KPdSU im Jahre 1985, gemeinhin verVertreter der Friedenbewegung, darun- bunden mit »Glasnost« und »Perester Generalmajor a.D. Gerd Bastian, troika«, führte zu einer Entspannung Petra Kelly und Prof. Gerhard Kader, des Verhältnisses zwischen den Superappellierten in der sogenannten »Kre- mächten. Im Dezember 1987 schlossen felder Erklärung« vom 16. November die Vereinigten Staaten und die Sow1980 an die Bundesregierung, ihre jetunion den Intermediate-Range NucZustimmung zum Nachrüstungsteil lear Forces-Vertrag (INF), der den Abdes Doppelbeschlusses zurückzuzie- bau aller Mittelstreckenwaffen vorsah. hen. Dabei wuchs insbesondere der Druck auf die Bundesregierung dem Insgesamt zeigt sich, dass die NATOVerhandlungsaspekt des Beschlusses Partner – ungeachtet der teilweise mehr Gewicht zu verleihen. Bun- erheblichen Meinungsverschiedenheideskanzler Schmidt versuchte durch ten in den siebziger Jahren zwischen eine aktive Reisediplomatie die Ver- Westeuropäern und Vereinigten Staahandlungsbereitschaft zwischen den ten – zu einem Beschluss fähig waren, beiden Blöcken zu erhöhen. Dies wurde der die Glaubwürdigkeit der nuklearen durch den Regierungswechsel in den Abschreckung garantierte, gleichzeitig Vereinigten Staaten Anfang 1981 je- aber auch die Bereitschaft zur Rüsdoch erschwert; der neue US-Präsident tungskontrolle beinhaltete – was letztRonald Reagan begegnete der Sowje- lich der Sowjetunion, dem vermeintlitunion angesichts ihrer intensiven Rüs- chen Aggressor, die Rolle des »Schwartungsanstrengungen und unter dem zen Peters« eintrug. Eindruck des Einmarsches der Roten n Markus Wackerbeck Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 21 Das historische Stichwort DHM / Foto: A.C. Theil Service »Die Rückkehr der Generale« H obbysoldaten kämpften auch dieses Jahr gegen Napoleon. Im »Gefecht« südlich von Berlin, in Großbeeren, ging es wieder heiß her. Durch einen Angriff auf das Städtchen hatte der preußische General Friedrich Wilhelm von Bülow mit seiner Truppe vor 190 Jahren, am 23. August 1813, die erneute französische Besetzung Berlins verhindert – gegen den Befehl seines Oberbefehlshabers. Wenn heute die Kanonen donnern, wenn sich Pulverdampf über die Gemeinde legt, wenn die rund 300 Zivilisten in historischen Kostümen, darunter viele Reservisten der Bundeswehr, einen Kranz niederlegen – dann wird die Tradition der Siegesfeier gepflegt. Auch wenn es etwas vom Räuber-und-Gendarm-Spiel hat: das Spektakel der verschiedenen Traditionstruppen erinnert an ein bestimmtes militärgeschichtliches Ereignis ebenso wie, wenngleich weniger spektakulär, ein Obelisk (1817), die Bülow-Pyramide (1906), ein Gedenkstein (1906) und nicht zuletzt der 32 Meter hohe Gedenkturm von Großbeeren (1913) mit einem kleinen Museum. Richtige Soldaten pflegen militärische Tradition auf ihre Weise. Gedenkveranstaltungen an Mahn- und Ehrenmalen, feierliche Vereidigungen und Gelöbnisse, Flaggenparaden und Zapfenstreiche, Stapelläufe und der Besuch historischer Stätten – es gibt in der Armee vielfältige Gelegenheiten, Traditionsbewusstsein zu zeigen und zu vermitteln, mit Worten und mit Symbolen. »Tradition« definierte Kai-Uwe von Hassel, Bundesminister der Verteidigung 1963-1966, als »Überlieferung des gültigen Erbes der Vergangenheit«. Aber das Bild trügt. Vergangenes kommt nicht wie eine Erbschaft auf die Nachgeborenen, im Gegenteil suchen diese sich aus »ihrer« Vergangenheit, was ihnen in der jeweiligen Gegenwart und im Licht ihrer Vorstellungen von 22 5 Innenraum der Neuen Wache mit Kopie der Plastik »Mutter mit dem toten Sohn« von Käthe Kollwitz der Zukunft »gültig« zu sein scheint. Dabei geht es häufig nicht darum, was eigentlich wann geschah, sondern wie es charakterisiert, erklärt und in einen größeren Interpretationsrahmen gestellt werden soll. Wer legt nun fest, was in der demokratischen Armee offiziell als besonders erinnerungswürdig gilt? Nach einer Zeit des Wildwuchses in den ersten Jahren der Bundeswehr sollte der oberste Dienstherr die »Traditionsfrage« beantworten: durch »Traditionserlasse« (1965, 1982). Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Selten sind sich die Zeitgenossen so einig wie die Hobbysoldaten von Großbeeren, was für wen als traditionswürdig zu gelten hat und in welcher Form diese Tradition zu pflegen ist. Der Streit um die Tradition hat selbst Tradition. Wie sollte es in einer pluralistischen Gesellschaft auch anders sein? Kein Wunder also, dass es in den 60er Jahren nicht gelungen ist, dem Erlass von Hassels ein mit den Weihen der Wissenschaft versehenes »festes Geschichtsbild« der Bundeswehr zugrunde zu legen. Der damalige Chef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Oberst Dr. Hans Meier-Welcker, hatte zu Recht vor der Gefahr gewarnt, die stets widersprüchliche Vergangenheit für die einseitig positive Traditionsstiftung zurechtzubiegen. Immerhin: Für die Soldaten der Bundeswehr gibt es neben deren eigener Vergangenheit zwei historische Orientierungsmarken mit den dazuge- Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 hörigen Persönlichkeiten: die Männer des militärischen Widerstandes gegen Hitler und die preußischen Militärreformer, zu denen auch Bülow, der Held von Großbeeren, zählt. Gewiss, Traditionspflege, vor allem wenn sie Soldaten in Ehren hält, ist keineswegs eine Angelegenheit des Militärs allein. Das zeigte unlängst die »Rückkehr der Generale« in die Hauptstadt. In einem alten Berliner Straßenbahndepot mussten die Marmorbüsten der preußischen Generale Bülow und Scharnhorst lange Zeit ausharren; nun sind sie – nach längeren politischen Querelen – auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte aufgestellt. Doch eigentlich stehen sie auf der falschen Straßenseite. Für die restaurierten Büsten der Feldherren, die der Bildhauer Christian Daniel Rauch 1820 geschaffen hatte, geht es um den richtigen Standort in einer einzigartigen Denkmallandschaft. Wäre es nach dem Berliner Senat gegangen, hätten die prominenten Feldherrn der Freiheitskriege ihren angestammten Platz auf der anderen Straßenseite, direkt vor der Neuen Wache, wieder erhalten. In diesem Fall jedoch lag die Entscheidung nicht allein beim Senat der Stadt, wie die Vorgeschichte zeigt. 1993 nämlich hatte die alte Neue Wache wieder einmal ihre Funktion geändert. Denn das klassizistische Gebäude, mit dem der 37jährige Karl Friedrich Schinkel 1818 sein glänzendes Debut als Architekt gegeben hatte, besaß eine wechselvolle Vergangenheit, in der sich DHM / Foto: Hans Hartz, Hamburg-Berlin 3 Mitten durch das Zentrum Berlins verläuft die Straße Unter den Linden. Zwischen dem ehemaligen Stadtschloss der Hohenzollern (heute bebaut mit dem Palast der Republik) und dem Pariser Platz sind bedeutende klassizistische Bauten gruppiert, wie u.a. das Brandenburger (eigentlich Friedens-) Tor (1794), die Neue Wache (1817/18) und die Schlossbrücke (1824). Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde diese Linie dann als »via triumphalis« (Triumphstraße) gestaltet und Denkmäler preußischer Könige (Reiterstandbild für Friedrich den Großen, 1851) und Militärs der Befreiungskriege (u.a. Gneisenau, Blücher, Yorck, Scharnhorst) aufgestellt. die Politik der verschiedensten Regime widerspiegelte. Ursprünglich diente das Gebäude der Schlosswache als Erinnerungsmal für die Gefallenen der Befreiungskriege, die 1815 mit dem Sieg über Napoleon zu Ende gegangen waren. In der Tradition des 18. Jahrhunderts ließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. Standbilder erfolgreicher Feldherren aufstellen, die gemeinsam mit der nahen Schlossbrücke, deren Figuren ebenfalls an den Krieg erinnerten, ein historisches Ensemble bildeten. Ab 1931 war die Wache »Gedächtnisstätte für die Gefallenen des Weltkrieges«. Die Nationalsozialistischen feierten hier ab 1934 ihren »Heldengedenktag«. (1934 führten die Nazis den »Heldengedenktag« ein. Näheres dazu im Artikel »Volkstrauertag« in diesem Heft). Seit 1960, zu DDR-Zeiten, diente die restaurierte Neue Wache als »Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus«. Dieser Ort, vor dem NVA-Soldaten zackig auf- und abmarschierten, wurde bald zu einer Touristenattraktion. Die Denkmäler der Generäle waren 1951 von ihrem ursprünglichen Platz entfernt worden, aber nicht zerstört, wie im Jahr zuvor das Schloss. 1963, zum 150. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, wurden sie vor dem Operncafé aufgestellt. Nach der Wiedervereinigung wurde die Neue Wache auf Betreiben des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) zu der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland umgewandelt. Seit den fünfziger Jahren hatte es in Westdeutschland immer wieder Pläne für die Bildung eines nationalen Ehrenmals gegeben. Doch die Umwidmung sorgte schon 1993 für Furore. Die Entscheidung, eine vielfach vergrößerte Kopie der Plastik »Mutter mit dem toten Sohn« der pazifistischen Künstlerin Käthe Kollwitz anfertigen zu lassen und in der Neuen Wache aufzustellen, sorgte nicht nur bei Kunstexperten für Unmut. Auch der nebulöse Name der künftigen Gedenkstätte: »für die Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft« war äußerst umstritten. Welche Opfer waren gemeint? Die Eröffnung just am Volkstrauertag, an dem in Deutschland der deutschen Kriegstoten, der Soldaten und Bombenopfer, gedacht wird, legte ein Verständnis nahe, das die Grenze zwischen den doch recht verschiedenen Opfergruppen im gemeinsamen Gedenken aller Toten verwischt. Als die Skulptur »Mutter mit dem toten Sohn« in der Mitte der Neuen Wache aufgestellt wurde, hatten die Erben der pazifistischen Künstlerin Käthe Kollwitz zur Bedingung gemacht, dass die Feldherren der Pietà nicht zu nahe rücken dürften. Verträgt sich etwa die trauernde Mutter, die an die Schrecken des Krieges gemahnt, mit den Generalen, die den preußischen Militarismus ins Gedächtnis rufen? Wer so schweres Geschütz auffährt, verkennt indes die Rolle der beiden Generale in der deutschen Militärgeschichte. Friedrich Wilhelm von Bülow und Gerhard Johann David von Scharnhorst, beide Jahrgang 1755, gelten als führende Köpfe der Reform von Staat und Militär in der Zeit der Befreiungskriege. Deshalb wurden sie auf den Sockel gehoben – auch in der DDR. Kritikern mag im übrigen der Abstand zum alten Standort die Distanz zur Militärgeschichte des 19. Jahrhunderts symbolisieren. Bülow und Scharnhorst sind nicht allein. Sie befinden sich im Blickfeld ihrer Kameraden Gneisenau, Blücher und Yorck, deren Bronzestatuen ebenfalls auf dem Platz stehen – wenn auch in der zweiten Reihe. Der kleine Denkmalstreit in der Hauptstadt lässt eins jedenfalls nicht vergessen: Auch die militärische Vergangenheit wird stets aufs Neue vergegenwärtigt. Das absichtsvolle Erinnern an das Militär, in den Streitkräften als Traditionspflege, in der Öffentlichkeit als Erinnerungspolitik, hat seine eigene Vergangenheit. Auch sie ist ein spannungsreicher Teil der Militärgeschichte. So viel steht fürs Erste fest: Den Generalen ist ein Platz an der Prachtstraße sicher. Immerhin sind sie an diesem Erinnerungsort besser aufgehoben als in einem Straßenbahndepot. Jörg Echternkamp Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 23 Service Medien online/digital CD-ROM »Nationalsozialismus« B ücher zum Thema Nationalsozialismus gibt es in vielfältiger Form: umfangreiche Gesamtdarstellungen und spezifische Einzelstudien. In den letzten Jahren hat sich aber auch viel im Bereich der Wissensvermittlung durch die sogenannte »Lernsoftware« getan. Wir wollen Ihnen ein Produkt vorstellen, das sowohl einen Gesamtüberblick als auch etliche Details bietet. Die multimediale CD-ROM »Nationalsozialismus« von medialesson eignet sich besonders für Unterricht, Studium und Erwachsenbildung; sie dürfte jedoch auch dem Geschichtsinteressierten neue Perspektiven erschließen. on 5Eine interaktive Karte vermittelt den zeitlichen und räumlichen Verlauf des Zweiten Weltkrieges 5Zahlreiche Schaubilder helfen die Themen in übersichtlicher Form darzustellen. Hier ein Schaubild zum Thema »Legenden und Lügen« des Nationalsozialismus 24 Thematisch gliedert sich die CD-ROM in sieben große Bereiche: Aufstieg der NSDAP, »Machtergreifung«, Gleichschaltung, Ideologie, Expansion bis 1939, Zweiter Weltkrieg, Verfolgung der Juden, Widerstand und Alltag. Somit wird die gesamte Entwicklung des Nationalsozialismus vom Ausgang des Ersten bis zum katastrophalen Ende des Zweiten Weltkrieges geschildert. Der Nutzer wird an die einzelnen Themen in Form von Kurzfilmen herangeführt. Zudem wird die Möglichkeit geboten einen darstellenden Text, Quellen – wie beispielsweise Goebbels´ Sportpalastrede vom Februar 1943 –, Materialien und Bilder zum jeweiligen Thema einzusehen. Der Nutzer entscheidet folglich selbstständig über Art und Umfang des Dargebotenen. Die CD-ROM besticht vor allem durch ihre große Anzahl an Quellen, die sowohl in Form von Tondokumenten und Texten als auch Bildern und Fotos präsentiert werden. Diese finden eine gute Ergänzung durch Textauszüge aus der »Standardliteratur« zum Thema. Erwähnenswert dürfte auch ein Beitrag in Form eines Interviews mit Professor Hajo Funke, Freie Universität Berlin, zum Thema »Rechtsextremismus heute« sein. Dadurch wird der historische Horizont bis in die politische Gegenwart hinein erweitert. Die Herausgeber Johannes Gienger, Tobias Jersak und Gerhard Hirschfeld wollen dies als besonderen Beitrag zur politischen Bildung verstanden wissen. Zwar traten bei der Testnutzung leichte Tonprobleme und einige Fehler auf, über die Qualität des Produktes konnte dies jedoch nicht hinwegtäuschen. Der CD-ROM ist eine hohe Nutzerzahl zu wünschen. Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 René Henn Johannes Gienger, Tobias Jersak und Gerhard Hirschfeld, Nationalsozialismus. Multimediale CD-ROM für Unterricht, Studium und Erwachsenenbildung (= medialesson, Band 1) Preis: 49,90 Vertrieb: medialesson GmbH Rathaldenstraße 7 75397 Simmozheim Telefon: (07051) 93 02 07 Telefax: (07051) 93 02 08 [email protected] www.medialesson.de Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (www.volksbund.de) I m aktuellen Heft stellen wir Ihnen den Volkstrauertag und dessen Geschichte vor. Der Gedenktag wäre ohne den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. nicht vorstellbar. Dies betrifft sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart. Der Volksbund wirkte nach dem Ende des Ersten Weltkrieges maßgeblich an der Einführung des Gedenktages mit. Auch nach dem Zweiten Weltkriege verstummte der Verein nicht. Die Folge war die Wiedereinführung des Volkstrauertages – nunmehr – als Gedenktag der Gefallenen und Opfer der beiden Kriege. Doch was verbirgt sich hinter dem Volksbund? Der Verein wurde am 16. Dezember 1919 gegründet. Er nimmt als gemeinnütziger Verein einen humanitären Auftrag für sich in Anspruch und handelt nach dem selbstgewählten Motto: »Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden.« Zu diesem Zweck erfasst, erhält und pflegt er die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft im Ausland. Er hilft auch bei der Erhaltung der Kriegsgräber in Deutschland. Ingesamt werden rund 1,9 Millionen Kriegsgräber auf über 806 Friedhöfen in 43 Staaten betreut. Dies geschieht durch die mehr als 10 000 ehrenamtlichen und 582 hauptamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Volksbundes. Des weiteren hilft der Volksbund den Angehörigen bei der Suche nach den Gräbern ihrer gefallenen Verwandten, Freunde und Bekannten bzw. trägt zur Klärung von Kriegsschicksalen bei. Heute hat der Verein ca. 1,3 Millionen Mitglieder und Spender, die mit ihren Beiträgen und Spenden sowie den Erträgen aus der Haus- und Straßensammlung, die einmal im Jahr stattfindet, dessen Arbeit finanzieren. Die Bundesregierung hilft dort, wo die Mittel des Volksbundes allein nicht mehr ausreichen. diesem Zweck unterhält der Verein vier Jugendbegegnungsstätten. Belgien, Frankreich, Italien und in den Niederlanden. Jährlich arbeitet der Volksbund so mit 3000 jungen Menschen in Deutschland und im Ausland zusammen. Mehr über den Volksbund und seine Arbeit erfährt man auf dessen InternetSeite. Hier werden dem Interessierten neben einer Kurzdarstellung des Vereins zahlreiche weitere Angebote eröff4In Form einer »Online-Suche« kann der Besucher der Seite nach dem Verbleib von Angehörigen forschen. Über 3,4 Millionen Verlustmeldungen sind zur Zeit abrufbar net. So besteht beispielsweise die Möglichkeit via Internet den Verbleib von gefallenen Verwandten zu recherchieren bzw. den Ort von deren Grabstätten zu erfahren. Sollten die Angehörigen in der Datenbank indes nicht fündig werden, so besteht die Möglichkeit einen Grabnachforschungsantrag an die Abteilung Gräbernachweis zu senden. Falls auch hier die Recherchen erfolglos bleiben, bietet der Volksbund die Aktion »Letzte Hoffnung«. Hierunter ist die Online-Veröffentlichung von Anfragen zu verstehen, bei denen alle genannten Stellen bisher nicht helfen konnten. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass dadurch neue Hinweise zum Verbleib der gesuchten Person gefunden werden können. line Besonders interessiert ist der Verein an der Zusammenarbeit mit Jugendlichen. Diesen wird in Form von Jugendlagern die Möglichkeit gegeben andere Länder kennenzulernen und bei der Gräberpflege mitzuwirken. Zu 5Momentan sind 1101 Kriegsgräberstätten in 57 Ländern im System des Volksbundes erfasst. Selbst in Australien lassen sich deutsche Gräber finden. Hier waren während der beiden Weltkriege zahlreiche deutsche Staatsbürger, Kaufleute und Besatzungen von Handelsschiffen interniert oder, sofern es sich um Soldaten handelte, als Kriegsgefangene inhaftiert. Dies war vorallem 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Fall, als die deutschen Schutzgebiete in der Inselwelt des Pazifischen Ozeans, wie Neuguinea und Samoa, von den Truppen der Entente-Mächte besetzt wurden. Die verstorbenen Internierten und Gefangenen setzte man meist in der Nähe ihrer Verwahrorte bei. Der Nutzer kann auch mehr über die einzelnen Kriegsgräberstätten und die Jugendarbeit des Volksbundes erfahren. Es besteht zudem die Möglichkeit an einzelnen Grabstellen Grabschmuck niederlegen bzw. Fotos von diesen machen zu lassen. Ein Kalender informiert unter anderem über Einweihungen, Gedenkfeiern und Veranstaltungen der Jugendarbeitskreise. René Henn Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 25 Service Lesetipp Kalter Krieg im Überblick I n Deutschland rückt der Kalte Krieg nach dem Ende der historischen Epoche zunehmend in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit, während in der anglo-amerikanischen Geschichtsschreibung Cold War Studies schon lange einen prominenten Platz einnehmen. Daher ist es allemal nützlich, in einer Art Zwischenbilanz auf zwei neu erschienene Bändchen zurückgreifen zu können, die auf jeweils 128 Seiten den gegenwärtigen Kenntnisstand knapp umreißen und im Buchhandel im gleichen, günstigen Preissegment erhältlich sind. Beide Autoren, als Hochschullehrer in Potsdam und Innsbruck ausgewiesene Kenner des Themas, ordnen die Phase des Kalten Krieges zunächst in den Rahmen eines älteren Ost-West-Konfliktes ein. Als machtpolitische Auseinandersetzung bereits im 19. Jahrhundert erkennbar (Krimkrieg 1853–1856!), entwickelte sich dieser Konflikt dann zum Fundamentalgegensatz zweier unvereinbarer Weltanschauungen – kapitalistische Demokratie im Westen, kommunistische Diktatur im Osten – seit der Oktoberrevolution und dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg (beides im Jahre 1917). Während Bernd Stöver den eskalierenden Gegensatz der Supermächte USA und Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg ganz wesentlich auf verfehlte Wahrnehmungen der gegenseitigen Absichten und Möglichkeiten sowie daraus resultierenden falschen Entscheidungen ableitet, weist Rolf Steininger diese Deutung zurück, denn: »Mit Stalin war eine Kooperation nicht möglich« – weshalb US-Präsident Harry S. Truman und seine Nachfolger die kommunistische Herausforderung annahmen. Ein »Richtig« oder »Falsch« in der Beurteilung dieser Interpretationen kann es derzeit nicht geben; über ein angemessenes Verständnis der Entstehung des Kalten Krieges wird noch lange gestritten werden. Stövers Buch berücksichtigt jenseits der entscheidenden Hauptereignisse in der Weltpolitik zwischen 1945 und 1991 (Berlin-Blockade 1948/49, Korea-Krieg 1950–1953, Ungarn/Suez 1956, Mauerbau 1961, Kubakrise 1962, SALT Iund KSZE-Verhandlungen 1972–1979, NATO-Doppelbeschluss 1979, SDI-Of- 26 Bernd Stöver, Der Kalte Krieg, München 2003. ISBN 3-406-48014-4; 128 S., 7,90 Rolf Steininger, Der Kalte Krieg, Frankfurt a.M. 2003. ISBN 3-596-15551-7; 128 S., 8,90 fensive 1983) auch die StellvertreterSchauplätze, an denen der Kalte Krieg heiß wurde: Vietnam, südliches Afrika, Mittelamerika, Chile, Afghanistan. Wichtig sind ihm innergesellschaftliche Rückwirkungen und die kulturelle Verarbeitung des Systemkonflikts (z.B. im Kinofilm). Steininger geht mehr auf militärische und diplomatische Aspekte der Konfrontation ein. Der häufige Gebrauch von Zitaten der historischen Akteure macht seine Schilderung sehr lebendig. Auch ordnet er das Geschehen mit deutlichen Bewertungen häufig klarer ein als Stöver, dem die Analyse in der Breite der Darstellung gelegentlich aus dem Blick gerät. Der formale Aufbau von Steiningers Buch in einem knappen Abriss der Zeit von 1945 bis 1991 und davon getrennten, sich anschließenden »Vertiefungen« (Marshallplan, Kubakrise, Atombomben etc.) kann im Vergleich mit Stövers zusammenhängender Darstellung jedoch nicht überzeugen. Fazit: Für einen allerersten Überblick über die großen Linien des Kalten Krieges – besonders im Rahmen der historischen Bildung in der Bundeswehr – mag Steiningers Buch zwar besser geeignet sein, allerdings nur um den Preis einer Verkürzung auf die »hohe Politik«, der Stöver seine breit angelegte Gesamtperspektive dieser knapp fünf Jahrzehnte Zeitgeschichte entgegenstellt. Armin Wagner Strategie B ei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die deutsche Übersetzung von Luttwaks berühmter Strategiediskussion aus dem Jahr 2001, deren erste Auflage bereits 1987 erschienen Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 ist. Luttwak verbindet empirische Tiefenforschung mit Politikberatung, und er versteht es deshalb außergewöhnlich gut, Theorie praxisnah zu diskutieren. Seine Clausewitz folgende Erkenntnis des Paradoxen am Krieg anhand zahlreicher Beispiele von der Antike bis zur Gegenwart begründet, ist intellektuell besonders stimulierend. So könne man den Gegner zur Fehlkalkulation verleiten, indem man gerade nicht das tut, was am plausibelsten wäre. Nach dem Kulminationspunkt des Angriffes werde der Angreifer zunehmend schwächer, wie auch schon Clausewitz betonte. Und schließlich könne der Sieg dann doch zur Niederlage führen, wenn ihm nicht ein allseits annehmbarer Friede folge. Edward Luttwak, Strategie: Die Logik von Krieg und Frieden Lüneburg 2003. ISBN 3-934920-12-8; 356 S., 34,00 Die Neuauflage hat dem alten Text noch Beispiele aus den 90er Jahren hinzugefügt, die Luttwaks Theorien durchaus noch weiter bestätigen. Eine lohnende Lektüre für diejenigen, die die erste Auflage nicht schon gelesen haben. Beatrice Heuser Siege und Niederlagen M it »333 – bei Issos Keilerei« oder »Mit Mann und Ross und Wagen hat sie der Herr geschlagen« – haben viele Redewendungen einen militärgeschichtlichen Hintergrund, ohne dass in jedem Fall das dahinterliegende Ereignis bekannt ist. Wolfgang Hebolds Werk ist gut dazu geeignet, bekannte und unbekannte Schlachten erstmalig und im Überblick kennen zu lernen. Ohne weitreichende Vorkenntnisse kann der Leser die Grundzüge der Schlachten, beispielsweise von Cannae – der »Mutter aller Schlachten« –, Verdun – der »Knochenmühle« oder auch »Blutpumpe« –, Tannenberg – des operativen Sieges, der zeitgleich Teil der strategischen Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg war –, oder Stalingrad – nomen est omen – erfahren. 50 Klassiker. Siege und Niederlagen. Militärische Entscheidungen von Troja bis Jom Kippur, dargestellt von Wolfgang Hebold, Hildesheim 2002. ISBN 3-8067-2527-6; 280 S., 19,95 Kurz umrissen schildern die nicht mehr als vier Seiten umfassenden Artikel das ›Wer gegen wen‹, die Ursachen und Konsequenzen zahlreicher militärischer Konfrontationen. Wenn auch so bedeutende Schlachten wie Leuthen und Königgrätz, welche die deutsche Geschichte nachhaltig prägten, fehlen, bietet das Buch erstaunlich viele ansprechende Darstellungen, um nahezu dreitausend Jahren Kriegsgeschichte zu begegnen. Viele dieser Schlachten hatten politisch ungeahnte Folgen, die den jeweiligen Zeitgenossen verschlossen blieben und erst sich Jahre später abzeichneten. Die ansprechenden Illustrationen, die Hinweise auf weiterführende – nicht nur militärische – Literatur sowie auf Homepages, Filme und Museen wie auch die jeder Schlacht angefügten komprimierten Analysen machen den Band zu einem gewinnbringenden Einstiegswerk, das gerade für junge Soldaten geeignet ist. Heiner Möllers Mit Gottes Segen in die Hölle B is zum heutigen Tage ist die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg tief im kollektiven Gedächtnis der Deutschen eingegraben. So ist es kein Zufall, dass zur Beschreibung von besonders grausamen Kriegserlebnissen immer wieder der Vergleich mit diesem Krieg herangezogen wird. Er gilt als größte Katastrophe der Frühen Neuzeit und forderte – bezogen auf die damalige Bevölkerung – in den Jahren 1618-1648 mehr Todesopfer als der Zweite Weltkrieg. Ehemals blühende Landstriche wurden verwüstet, Millionen Menschen verloren Hab und Gut, wurden ins Elend gestürzt und fielen Seuchen, Hungersnöten oder einer marodierenden Soldateska zum Opfer. Rückschauend erscheint uns diese Zeit als eine düstere Epoche. Nur schwer kann man sich heute vorstellen, was die gottesgläubigen und – angesichts des ein Menschenleben währenden Krieges – apokalyptisch gestimm- ten Zeitgenossen empfunden haben mögen. In dem Buch werden daher nicht nur die politischen und militärischen Ereignisse während dieser 30 Jahre beschrieben, sondern auch die handelnden Personen vorgestellt: Der Habsburger Kaiser Ferdinand II. und sein Kriegsherr Wallenstein sowie deren Gegner, Gustav Adolf II. von Schweden. Und auch über das Leben der einfachen Leute erfährt man Interessantes. Über die Söldnerheere und ihre Kampftechnik, die Feldärzte und ihre Patienten, über den Kampf belagerter Städte, das Inferno der Schlachten und das Leiden der Bauern sowie natürlich über den Tod des Schwedenkönigs in der Schlacht bei Lützen (1632) und die Ermordung Wallensteins in der »Blutnacht von Eger« (1634). Mit Hans-Christian Huf, Mit Gottes Segen in die Hölle. Der Dreißigjährige Krieg, München 2003. ISBN 3-430-14873-1; 384 S., 25,00 dem »Westfälischen Frieden« (Oktober 1648), den die Kriegsparteien aushandelten, wurde der Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken schließlich beendet. Beide Konfessionen sollten künftig im Reich wieder friedlich zusammenleben können, das politische Gleichgewicht zwischen dem Kaiser und den Landesherren wurde erfolgreich für lange Zeit festgeschrieben. Nicht zuletzt deshalb galten die Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück bis in das 19. Jahrhundert als Vorbilder für internationale Konfliktregelung. Das Buch ist ausgesprochen spannend zu lesen und eignet sich besonders für diejenigen, die sonst kein Interesse an dem mitunter etwas verwirrenden 17. Jahrhundert haben. Der stattliche Umfang von 400 Seiten sollte daher auf gar keinen Fall abschrecken, über die Hälfte davon sind (teils farbige) Abbildungen von Soldaten, zeitgenössischen Bildern und Aufnahmen der historischen Orte, die hervorragend verdeutlichen, was Soldat-Sein in der Frühen Neuzeit bedeutete. ch Militärische Uniformen in der DDR 1949–1990 D as Buch stellt die militärischen Uniformen der Nationalen Volksarmee und ihrer Vorgängerorganisationen (z.B. die Kasernierte Volkspolizei) sowie diverser anderer paramilitärischer Verbände der DDR (z.B. Grenztruppen, Zivilverteidigung) vor. Damit dokumentiert es einen wesentlichen Teil der deutschen Militärgeschichte – immerhin hat die DDR vierzig Jahre existiert, die Streitkräfte des ostdeutschen Staates (und die verschiedenen Vorläufer in der Sowjetischen Besatzungszone) also fast genauso lange wie die Armeen des Kaiserreichs und weit länger als Reichswehr und Wehrmacht zusammen. Viele hundert, teils farbige, detailliert und systematisch kommentierte Abbildungen führen den Leser durch dieses Kapitel deutscher Militärgeschichte. Ein kleines Uniformlexikon und ein Kapitel über die »Nachwendeuniformen« des Jahres 1990 machen das Buch zu einem Nachschlagewerk für alle Liebhaber historischer Uniformen. Es wendet sich aber auch an Fachhistoriker und alle sonstigen militärgeschichtlich Interessierten. Denn die vorgestellten Uniformen sind nicht nur für Sammler von Militaria interessant. Vielmehr spiegeln sie auch die veränderte Kampftechnik, die eingeschränkKlaus-Ulrich Keubke und Manfred Kunz, Militärische Uniformen in der DDR 1949–1990. Mit einem Geleitwort von Admiral a.D. Theodor Hoffmann, Schwerin 2003. ISBN 3-00-011362-2; 240 S., 68,00 ten Möglichkeiten der DDR-Staatswirtschaft, Einflüsse der Mode und somit gesellschaftliche Entwicklungen wider. Und schließlich dürfte es nicht zuletzt für diejenigen, die in der NVA und den anderen (para-)militärischen Verbänden der DDR gedient haben, interessant sein. ch Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 27 Service Ausstellungen •Berlin Das Eiserne Kreuz. Zur Geschichte einer Auszeichnung Luftwaffenmuseum der Bundeswehr Groß Glienicker Weg 14089 Berlin-Gatow Telefon: (030) 81 10 76 9 Telefax: (030) 36 43 11 98 e-mail:[email protected] www.luftwaffenmuseum.de Dienstag bis Sonntag 9.00 bis 17.00 Uhr (letzter Einlaß 16.00 Uhr) Bis 4. Januar 2004 •Bern (Schweiz) Von Krieg und Frieden – Bern und die Eidgenossen Historisches Museum Helvetiaplatz 5 3005 Bern Telefon: (+41) 31 350 77 11 Telefax: (+41) 31 350 77 99 e-mail: [email protected] www.bhm.ch Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr Bis 30. November 2003 ð 28 Verkehrsanbindungen: Ab Bahnhof Bern Tramlinie 3 (Richtung Saali) und Tramlinie 5 (Richtung Ostring) bis Haltestelle »Helvetiaplatz« •Bitterfeld Volksaufstand. Der 17. Juni 1953 in Bitterfeld-Wolfen Metall-Labor Bitterfeld-Wolfen Zörbiger Straße 22a 06749 Bitterfeld Telefon: (0160) 911 84 226 oder (0160) 911 92 132 e-mail: [email protected] Täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt frei Bis 15. Dezember 2003 Verkehrsanbindungen: Die Ausstellung ist in 10 bis 15 Minuten, zu Fuß vom Bahnhof aus zu erreichen. Der Weg ist ausgeschildert. Vom Busbahnhof vor dem Bahnhof Bitterfeld fährt der Bus S in Richtung Wolfen in regelmäßigen Abständen. Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 •Halle Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944 Tschernyschewskij-Haus Moritzburgring 10 06108 Halle Telefon: (0341) 96 28 63 0 Telefax: (0341) 96 28 63 1 e-mail: [email protected] www.kulturpunkt13.de Montag bis Donnerstag 10.00 bis 18.00 Uhr Freitag bis Sonntag 10.00 bis 20.00 Uhr 14. November 2003 bis 11. Januar 2004 •Hamburg Ein offenes Geheimnis – Postund Telefonkontrolle in der DDR Museum für Kommunikation Gorch-Fock-Wall 1 20354 Hamburg Telefon: (040) 35 76 36 0 Telefax: (040) 35 76 36 20 e-mail: [email protected] www.museumsstiftung.de ð Dienstag bis Sonntag 9.00 bis 17.00 Uhr Bis 2. November 2003 Gruppen mind. 2 bis max. 20 Personen Anmeldung: (040) 35 76 36 17 Verkehrsanbindungen: U-Bahn: U1 bis Haltestelle »Stephansplatz«, U2 bis Haltestelle »Gänsemarkt«. S-Bahn: S11/S21/S31. Bus: Linien 4, 5, 109, 112 bis Haltestelle »Stephansplatz« •Magdeburg Der Russlandfeldzug Napoleons 1812. Aquarelle und Zeichnungen Deutsche Jüdische Soldaten. Von der Epoche der Emanzipation bis zum Zeitalter der Weltkriege Landtag Sachsen-Anhalt Domplatz 6-9 39104 Magdeburg Telefon: (0391) 560 – 0 Telefax: (0391) 560 – 11 23 e-mail: [email protected] 18. November 2003 bis 15. Januar 2004 Neues Schloss Paradeplatz 4 85049 Ingolstadt Telefon: (0841) 93 77 0 Telefax: (0841) 93 77 200 www.bayerischesarmeemuseum.de Dienstag bis Sonntag 8.45 bis 16.30 Uhr Bis 26. Oktober 2003 Verkehrsanbindungen: Ab Hauptbahnhof mit Bus bis Haltestelle »Roßmühlstraße/ Paradeplatz« •Potsdam Wege zur Freundschaft. Ausgewählte Zeugnisse der deutsch-amerikanischen Beziehungen •Nürnberg Widerstand in der DDR Potsdam-Center am Hauptbahnhof Ab 8. November 2003 •Rasdorf Grenzmuseum Rhön »Point Alpha« e.V. Festungen. Graphiken und Bücher aus dem Besitz des Bayerischen Armeemuseums Neues Schloß Paradeplatz 4 85049 Ingolstadt Telefon: (0841) 93 77 0 Telefax: (0841) 93 77 200 www.bayerischesarmeemuseum.de Dienstag bis Sonntag 8.45 bis 16.30 Uhr Bis 21. März 2004 Verkehrsanbindungen: Ab Hauptbahnhof mit Bus bis Haltestelle »Roßmühlstraße/ Paradeplatz« 1. Oktober bis 10. November 2003 Museum Industriekultur Äußere Sulzbacher Str. 62 90317 Nürnberg Telefon: (0911) 231-38 75 Telefax: (0911) 231-34 70 e-mail: [email protected] Dienstag bis Freitag 9.00 bis 17.00 Uhr Samstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr 4. November bis 25. November 2003 •Osnabrück Deutsche Jüdische Soldaten. Von der Epoche der Emanzipation bis zum Zeitalter der Weltkriege Graf-StauffenbergGymnasium OS Gottlieb-Planck-Strasse 1 49080 Osnabrück Telefon: (0541) 38 03 1-0/11 Telefax: (0541) 38 03 13 9 ð Hummelsberg 1 36169 Rasdorf Telefon: (06651) 91 90 30 Telefax: (06651) 91 90 31 www.pointalpha.com Im Winterhalbjahr täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr Im Sommerhalbjahr täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr •Rastatt Zwangsarbeit in der Kirche während des Zweiten Weltkriegs Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Bundesarchiv, Außenstelle Rastatt Herrenstrasse 18/Schloß 76437 Rastatt Telefon: (07222) 77 13 9-0 Telefax: (07222) 77 13 9-7 e-mail: [email protected] www.freiheitsmuseumrastatt.de Dienstag bis Sonntag 9.30 bis 17.00 Uhr Eintritt frei 20. November 2003 bis 12. Januar 2004 • Wilhelmshaven Ringelnatz als Mariner im Krieg 1914–1918 Deutsches Marinemuseum Wilhelmshaven Südstrand 125 26382 Wilhelmshaven Telefon: (04421) 41 06 1 Telefax: (04421) 41 06 3 e-mail: [email protected] www.marinemuseum.de April bis September 9.30 bis 18.30 Uhr Oktober bis März 10.00 bis 17.00 Uhr 12. Juli 2003 bis 11. Januar 2004 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 René Henn •Ingolstadt 29 Oktober 1973 Geschichte kompakt Der Yom-Kippur-Krieg Unter dem Decknamen »Badr« (arabisch für Neumond) griffen die Streitkräfte Ägyptens und Syriens am 6. Oktober 1973, inmitten des jüdischen Versöhnungsfestes »Yom Kippur« – dem heiligsten aller jüdischen Feiertage – Israel und die von Israel 1967 im Verlauf des Sechs-Tage-Krieges eroberten und besetzten Gebiete im Süden und Norden an. Die israelischen Streitkräfte wurden völlig überrascht, hatten sie doch – ungeachtet von Geheimdienstinformationen über große Truppenbewegungen – nicht mit einem Angriff Golanhöhen (Israel), Mahnmal: zerstörter gerechnet, zumal der jüdische Feiertag mit dem moslemisyrischer Panzer (T-54) zum Gedenken schen Fastenmonat Ramadan zusammenfiel. Der zunächst an den Yom-Kippur-Krieg erfolgreiche Angriff der arabischen Koalition war erst durch Foto: akg-images / Jürgen Sorges massive materielle Unterstützung der Sowjetunion möglich geworden; die israelische Armee war ihrerseits von Rüstungslieferungen der USA abhängig. Somit hatte der Konflikt bereits zu Beginn eine internationale Dimension. Die Rückeroberung der 1967 besetzten Gebiete war das primäre Kriegziel der arabischen Verbündeten. Den Israelis gelang es – nachdem sie ihren anfänglichen Schock überwunden hatten – schnell, das verlorene Terrain zurückzuerobern. Im Norden standen die israelischen Panzerverbände schließlich 60 Kilometer vor der syrischen Hauptstadt Damaskus und im Süden reichte die Angriffsspitze bis 100 Kilometer an die Metropole Kairo heran. Damit zeichnete sich ein militärisches Desaster für Ägypten und Syrien ab. Außerdem drohte eine weltweite Rezession, da die Organisation der Arabischen Erdölexportierenden Staaten (OAPEC) beschloss, die Produktion und den Export von Erdöl zu reduzieren und »Israel freundliche« Länder völlig zu boykottieren, bis Israel sämtliche besetzten Gebiete wieder räumte. Hinzu kam die sowjetische Drohung einer militärischen Intervention. Daher übten maßgeblich die USA massiven Druck auf die israelische Führung aus, um die Gegenoffensive zu stoppen. Diese willigte schließlich am 24. Oktober 1973 in ein Waffenstillstandsabkommen ein. Die mit dem Einsatz der »Ölwaffe« verbundene rasante Verteuerung des Rohstoffs war jedoch damit nicht mehr aufzuhalten. Eine weltweite Rezession war die Folge, von der sich die Industrienationen erst Jahre später erholten. Markus Wackerbeck 21. April 1993 Der Bundeswehr-Einsatz in Somalia Bereits seit August 1992 leistete Deutschland humanitäre Hilfe für Somalia, wo seit dem Sturz des Diktators Mohammed Siad Barre am 26. Januar 1991 Bürgerkrieg herrschte. Doch schnell wurde der Ruf auch nach militärischem Beistand laut. Am 21. April 1993 beschloss das Bundeskabinett, die UNO durch die Entsendung eines verstärkten Nachschub- und Transportbataillons nach Somalia zu unterstützen. Diese Kräfte sollten im Rahmen der humanitären Bemühungen der UNO in einer befriedeten Region bei Aufbau, Unterstützung und Sicherstellung der Verteilerorganisation Konvoi deutscher Soldaten der für Hilfs- und Logistikgüter mitwirken – so der Wortlaut des UNOSOM II fährt durch Belet Huen Kabinettsbeschlusses. Der Deutsche Bundestag billigte den Foto: BMVg/Detmar Modes Beschluss am 2. Juli mit den Stimmen der Regierungskoalition. Danach wurde zügig mit der Verlegung des Hauptkontingentes von rund 1700 Soldaten begonnen. Ein Vorauskommando war bereits im Mai nach Belet Huen, dem zukünftigen Stationierungsort, verlegt worden. Die indische Brigade, die in der Region hätte eingesetzt und von den Deutschen logistisch unterstützt und versorgt werden sollen, ist dort allerdings nie eingetroffen. Das Bundeskabinett beschloss am 21. Dezember, die Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II zum 31. März 1994 zu beenden. Es reagierte mit seiner Entscheidung auf die veränderte politische und militärische Lage in Somalia. Maßgeblich war der Beschluss der Vereinten Nationen, auf Antrag der USA die Mission vorzeitig zu beenden. Vor dem Abzug der deutschen Einheiten kam es jedoch noch zu einem ernsten Zwischenfall, bei dem die Wachsoldaten des Lagers einen somalischen Eindringling erschossen. Dessen Familie wurde daraufhin mit 3000 Dollar und zwei Lastwagenladungen Holz abgefunden. Ende Februar 1994 verließ der Kommandeur des deutschen Verbandes als letzter das Wüstencamp bei Belet Huen. Die Soldaten wurden kurzfristig von einem deutschen Verband aus Kriegs- und Versorgungsschiffen über See aus dem unsicheren Hafen Mogadischu in den sicheren Hafen Mombasa in Kenia transportiert und von dort aus nach Deutschland geflogen. Die Gesamtkosten des unplanmäßig verlaufenen Einsatzes beliefen sich auf 310 Mio. DM, von denen rund 70 Mio. von den UNO erstattet wurden. René Henn 30 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 Heft 4/2003 Service Militärgeschichte Zeitschrift für historische Bildung Ü Vorschau Die politische Wende 1989/90 beendete nicht nur den Konflikt zweier deutscher Staaten und ihrer Armeen, sondern auch den Kampf zweier Kontrahenten auf der Aschenbahn. Dieser hatte in der Mitte der 60er Jahre begonnen, als die anfängliche gemeinsame ost- und westdeutsche »Nationalmannschaft« ein Ende fand. Es begann ein verbissener Kampf um öffentliches Ansehen und sportliches Prestige. Wichtig schien hierbei nicht immer der Sieg zu sein, sondern der Verweis des mißliebigen Bruders auf die hinteren Plätze. Olympische Winterspiele 1988: Siegerehrung auf dem Olympic Plaza im Zentrum von Calgary. In der Herren-Einsitzerkonkurrenz des Rennschlittenwettbewerbes verwies der NVA-Soldat Jens Müller den Bundeswehrsoldaten Georg Hackl auf den zweiten Platz. Dritter wurde Juri Chartschenko aus der UdSSR. Foto: Bundesarchiv Von Anfang an spielten sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik die Armeen eine wichtige Rolle bei der Förderung des Sportes. In der DDR war diese weit stärker als in Westdeutschland ausgeprägt. Als in der Bundesrepublik wegen der Wehrpflicht auch sportliche Talente zum »Bund« mussten, setzte man sich auch dort mit der Sportförderung auseinander. In Ostdeutschland dagegen geschah dies aus einem anderen Grund. Hier stand die bewusste Rekrutierung von Sportlern durch die NVA im Vordergrund. Man wollte den Sportnachwuchs »selbst entwickeln und heranbilden«. Zu diesem Zweck gab es Kinder- und Jugendabteilungen an den Standorten der Nationalen Volksarmee sowie Patenschaften über Schulsportgemeinschaften. In der nächsten Ausgabe der Militärgeschichte beschreibt Uta A. Balbier diese spannende Geschichte des Kampfes zweier unterschiedlicher politischer Systeme auf der Aschenbahn. René Henn Militärgeschichte im Bild I n der Geschichte der Bundeswehr hat wahrscheinlich kein anderes Waffensystem ein so nachhaltiges, aber auch differenziertes Meinungsbild hinterlassen wie das Kampfflugzeug F-104 G mit der NATO-Bezeichnung »Starfighter«. So ist im Weißbuch des Jahres 1970 zu lesen: »Die Einsatzbereitschaft dreier Waffensysteme hat in den letzten Jahren Anlass zu berechtigter Kritik und besonderer Besorgnis gegeben. Sie galten dem Starfighter 104 G, dem Schützenpanzer HS-30 sowie den fünf korrosionsanfälligen U-Booten.« 5 »Crash« einer F-104 am 31. Oktober 1969 General Flugsicherheit in der Bundeswehr Im Zuge des Aufbaus der Luftwaffe beschloss die Bundesregierung die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges auf dem seinerzeitigen Stand der Technologie, das in Westdeutschland in Lizenz gebaut werden konnte; somit sollte auch die deutsche Flugzeugindustrie den Anschluss an das technologische Know-how anderer NATOStaaten finden. In den Jahren 1957/1958 wurden deshalb 14 verschiedene Flugzeugmuster als mögliches zukünftiges Kampfflugzeug durch die Luftwaffe geprüft. Schließlich billigte der Verteidigungsausschuss des Bundestages die Beschaffung von zunächst 300 Kampfflugzeugen des Typs F-104 G »Starfighter« des US-Rüstungsherstellers Lockheed. unter den klimatischen Bedingungen in Europa nicht optimal, deshalb entwickelte Lockheed die G-Version (»G« steht für Germany) für den Einsatz im europäischen Luftraum. Die Luftwaffe forderte außerdem den Einsatz des Flugzeuges als Mehrzweckkampfflugzeug. Es sollte die Optionen eines Jagdbombers mit Nuklearwaffenkapazität, eines Aufklärers und eines Allwetter-Abfangjägers bieten. Dazu wurden umfangreiche Modifikationen am Flugzeug vorgenommen. So wurde der Rumpf zusätzlich verstärkt, um die Stabilität des Flugzeuges zu erhöhen; weiterhin wurden neue Navigationssysteme eingebaut. Insgesamt führten die Nachrüstungsmaßnahmen zu einer starken Gewichtserhöhung, die – angesichts der kleinen Tragflächen und damit verbundenen extremen Flächenbelastung – hohe Anforderungen auch an die Piloten stellte. Die ersten Maschinen des Typs wurde im Laufe des Jahres 1961 den fliegenden Verbänden der Luftwaffe, später auch der Marine zugeführt. Sie stammten zunächst noch aus amerikanischer Herstellung und wurden später in Lizenz durch ein deutsches Firmenkonsortium gebaut. Nach einer Serie von Abstürzen mit Todesfolge hatte der Starfighter mit dem Ruf als »Witwenmacher« zu kämpfen. Aufgrund der hohen Unfallzahlen musste im Frühjahr 1966 der Inspekteur der Luftwaffe vor dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages über die Flugsicherheitslage berichten (sogenannte StarfighterKrise) und am 24. März 1966 befasste sich das Parlament in der »Starfighter-Debatte« mit den Ursachen der hohen Unfallzahlen. Der Bundesregie- BMVG Lockheed F-104 G »Starfighter« rung wurde vorgeworfen, bei dem Beschaffungsprogramm nicht mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt zu haben. Diese beharrte auf dem Standpunkt, dass das Waffensystem im NATO-Vergleich mit der Gesamtnote »Gut« abgeschnitten hatte, und hielt am Starfighter fest. Es blieb jedoch die Notwendigkeit für das fliegende und das technische Personal, den großen technologischen Sprung von den bei ihrer Einführung bereits veralteten Vorgängermustern F-84 und F-86 zu vollziehen. Erst nach einer längeren Phase des Erfahrungsgewinns sowie systematischer Fehlersuche und -analyse, die alle Bereiche des Waffensystems umfasste und deren Ergebnisse mit der zentralen Autorität des Bundesverteidigungsministerium vor Ort umgesetzt werden mussten, »normalisierte« sich die Unfallrate. Ungeachtet der Abstürze war der Starfighter bei vielen Bundeswehrpiloten wegen seiner herausragenden fliegerischen Leistungsfähigkeit sehr beliebt. Im Jahre 1970 gab das Bundesverteidigungsministerium erstmals die genaue Zahl der Abstürze bekannt und teilte mit, dass seit der Einführung des Waffensystems – insgesamt waren 700 Flugzeuge geordert worden – bis zum 1. April 1970 insgesamt 118 Maschinen verloren gegangen waren; dabei hatten 57 Piloten ihr Leben verloren. Bis zur Außerdienststellung des Starfighters im Jahre 1991 erhöhte sich die Zahl der Abstürze auf 292, wobei 110 Piloten den Tod fanden. Markus Wackerbeck 6 Lockheed TF-104 G c/n 5736 des Jagdbombergeschwaders JaboG 33 mit Übungsbomben und Startbehälter für ungelenkte Raketen Fliegerrevue / Zeichnung M. Meyer Der Starfighter wurde als F-104 A in den fünfziger Jahren als leichter Schönwetter-Abfangjäger für die US Air Force entwickelt. Die frühen Versionen der F-104 waren für den Einsatz Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2003 31 NEUE PUBLI K AT I O N E N des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes K Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Bernhard Chiari, Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt München: Oldenbourg 2003, X, 654 S., (= Beiträge zur Militärgeschichte, 59) ISBN: 3-486-56716-0 49,80 rieg, Militär und Film stehen in einer engen, komplexen Verbindung zueinander. Kaum ein anderes Medium hat die Erinnerung und Wahrnehmung von organisierter Gewalt und Krieg im 20. Jahrhundert mehr geformt als der Film. In international vergleichender Perspektive wird in diesem Buch das Spannungsverhältnis zwischen dem Film als einem Medium der Unterhaltung und der politischen Meinungsbildung beleuchtet. Die interdisziplinäre Stellung des Films und methodische Fragen kommen ebenso zur Sprache wie die Rezeption im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik, die Affinität von Militär und Film im Nationalsozialismus sowie die katalytische Funktion von Militär- und Kriegsfilmen im Kalten Krieg. Das Spektrum der Betrachtung reicht von militärspezifischen Inhalten über Fragen der narrativen Konstruktion, der cineastischen Form bis zu den Mechanismen der politischen Instrumentalisierung und gesellschaftlichen Wirkung.