Der Wies-ionär Er wurde vom Betriebsratsvorsitzenden

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Der Wies-ionär Er wurde vom Betriebsratsvorsitzenden
REPORTAGE
Ein Mann, mehrere Leidenschaften: Thomas Wiese und
Lord Moritzburg, dahinter ein
Pick up mit Corvette-Motor.
REITSPORTZENTRUM MASSENER HEIDE
Der Wies-ionär
18 www.st-georg.de 2/2012
Er wurde vom Betriebsratsvorsitzenden zum Unternehmer, steht auf
schnelle Autos und Cowboys und Indianer aus Plastik. Und weil er Kinder
im Allgemeinen und seine Töchter ganz besonders mag, hat Thomas Wiese
jetzt eine Fünf-Sterne-Reitanlage und ein gutes Dutzend Hengste.
TEXT: Jan Tönjes FOTOS: Jacques Toffi
2/2012 www.st-georg.de 19
REPORTAGE
W
ar Hollywood nicht
schon längst da? Gibt
es denn niemand, der
diese unglaubliche
Geschichte verfilmen möchte?
Gegen die vergangenen turbulenten 20 Jahre im Leben von Thomas
Wiese liest sich manch eine vomTellerwäscher-zum-MillionärGeschichte wie ein abgeschmackter Groschenroman. Wiese, der
annähernd 20 Millionen Euro in
das Reitsportzentrum gesteckt
hat, ist nicht reich geboren. Als
17-Jähriger hat er eine Schlosserlehre in Unna begonnen, heute
gehört er zum Aufsichtsrat der
Aluminiumwerk Unna AG. Da
sitzt der Mann nun im italienischen Restaurant an der kurzen
Seite der Eventhalle, der größten
von insgesamt fünf Reithallen
THOMAS WIESE
Jahrgang 1966, begann
seine Karriere 1983 als Auszubildender zum Betriebsschlosser im Aluminiumwerk Unna
und wurde später Betriebsratsvorsitzender. Als eine Massenentlastung drohte, übernahm
er für eine symbolische Mark
im Jahr 2000 das vor dem Aus
stehende Unternehmen. Ihm
gelang die unternehmerische
Wende.
2005 beschloss er, die Reit­
anlage Massener Heide in Unna
zu übernehmen. 2011 wurde sie
von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) mit fünf
Sternen ausgezeichnet.
Er lebt mit seiner Frau Irene
und den vier Töchtern Isabell
(20), Ines (19), Ivonne (17) und
Ilene (14) in Unna.
www.reitsportzentrummassener-heide.de
Sandra Ernst ist Reitlehrerin und Geschäftsführerin des Reitsportzentrums mit 146 Boxen.
des Reitsportzentrums Massener
Hei­de. Aus der einen Ecke drängt
aufgeregtes Geschnatter. Vor der
Theoriestunde essen die Teilnehmer am Reitabzeichenkurs
Spaghetti, leerer Bauch studiert
nicht gern … In der Eventhalle
wird geritten. Sie ist ausgestattet
mit fernsehtauglichem Licht. Ein
Soundsystem sorgt für optimalen
Klang. Die Arena bietet Platz für
zwei 20-mal-60-Meter-Vierecke.
Doch Thomas Wiese guckt nicht
etwa voller Stolz auf die Pferde im
Training, sondern auf ein Meer
kleiner Plastikfiguren, Cowboys,
Indianer, Ritter, Kutschen –
„Timpo Toys“. Das Massenspiel-
Von dem großen Stallgang (Hintergrund) gehen
kleine Stallgassen mit Paddockboxen ab.
zeug, ohne das kaum ein Junge in
den 1970er Jahren groß wurde, ist
mittlerweile ein Kultobjekt, um
das sich Fans schlagen. Wiese ist
einer der größten Sammler.
„Ich war naiv“
Was er macht, das macht er
richtig. Der große Sprung vom
Schlosser zum Manager ist ihm
gelungen. Und dennoch ist er
auch immer noch ein bisschen
ein großer Junge, dieser Vater von
vier Töchtern. „Er muss immer
organisieren“, sagt seine Frau Irene. Und dass ihm das Abdimmen
des Hallenlichts am Schaltkasten
mehr Freude bereitet, als die dreifache Pirouette, die Reitlehrerin
Sandra Ernst vollführt, während
Fotograf Jacques Toffi seine Kameras einstellt, daraus macht
Thomas Wiese keinen Hehl. Der
große Junge ist mittlerweile der
größte Arbeitgeber in Unna, oder
präziser gesagt ist es die Aluminium Werke Unna AG, deren Geschäftsführer er bis Mai 2011 war
und deren Mehrheitsaktionär er
nach wie vor ist.
1983 hat Wiese als Betriebsschlosser seine Ausbildung begonnen. Die Produktion läuft
24 Stunden. Wiese arbeitet im
Drei-Schichten-System. Das Un-
Paddocks vor den Boxen der kleinen Stallgassen, die Platz für acht
oder zehn Pferde bieten.
Kinder und Jugendliche sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil
des „Gesamtkunstwerks“ Massener Heide.
ternehmen fertigt Röhren aus
Aluminium, kann auch kleinste
Durchmesser auf den Tausendstel Millimeter und komplizierte
Formen – rund oder kantig – äußerst genau arbeiten, Präzisionsarbeit „made in Germany“. Produkte für Hightech-Branchen.
Die Europa-Rakete Ariane, das
Space Shuttle, Airbus, Boeing
– ohne die Röhrchen aus Unna
kommen sie nicht aus. Trotz dieses Vorteils im Weltmarkt gerät
das Unternehmen in Schieflage.
Auf einer Betriebsversammlung
wird der Belegschaft 1989 eine
Massenentlassung angekündigt.
150 Arbeitsplätze sollen bestehen
bleiben, 820 Menschen sind zu
diesem Zeitpunkt in der Fabrik
beschäftigt. Was jetzt folgt sind
Minuten, die das Leben von Thomas Wiese nachhaltig verändern
sollen. „Ich habe gar nicht lange überlegt, bin spontan aufgesprungen und habe eine Rede gehalten. Einfach so aus dem Bauch
heraus. Ich habe gesagt, was viele
gedacht haben. Dass es einfach
nicht sein kann, das ein so gut
arbeitendes Unternehmen platt
gemacht wird, ehrliche Arbeiter
ihren Job verlieren sollen, einfach
so.“ Thomas Wiese guckt hoch,
seine Augen blicken in die Weite. Für einen Moment ist er ganz
wo anders. Vermutlich läuft gerade ein Film vor seinem inneren
Auge ab. „Die Leute standen auf
den Bänken, haben getobt. Am
nächsten Tag war ich im Betriebsrat!“ 1991 wird er Vorsitzender
des Betriebsrats. Sein Abschied
von der Drehbank. Als Gewerk-
schaftsfunktionär wird er freigestellt, steigt ins Management ein
als Vertreter der Arbeitnehmer.
Das Unternehmen ist zu diesem
Zeitpunkt in österreichischem
Besitz, schafft es aber nicht, aus
den roten Zahlen zu kommen.
In der Rückschau findet Wiese
sich naiv. Auch wenn er auf den
zweiten entscheidenden Moment
seiner Karriere zurückschaut. Im
Oktober kommt aus der österreichischen Konzernzentrale die
Ansage: Zum 1. Januar 2000 ist
in Unna Schluss. Die Versuche,
das defizitäre Werk zu verkaufen,
sind gescheitert. Also Türen dicht,
Abfindungen an die Arbeiter und
hoffen, dass zumindest der Maschinenpark zu verkaufen ist.
Wiese entschließt sich, das Werk
zu kaufen, entwickelt Konzepte,
führt Gespräche, geht bei Banken ein und aus. Am 14. Januar
WOHL-
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Noch eine Leidenschaft: Thomas Wiese hat eine riesengroße Sammlung von Timpo Toys – Wert: über eine Million Euro.
20 www.st-georg.de 2/2012
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REPORTAGE
holsteiner
Keiner ist besser geputzt, als diese saubere Truppe: Die Shettys in
ihrer eigenen Halle.
Kinder sollen früh den Kontakt zum Pferd bekommen, entsprechend
begehrt ist die Shettyabteilung für die kleinen Reiter.
2000 werden die Verträge unterschrieben. Für eine symbolische
Mark kauft der Gewerkschafter
die Firma. 180 Millionen Mark
Verluste hat das Unternehmen in
den zehn Jahren vorher gemacht,
19,3 Millionen Euro ist der Schuldenstand, den der neue Mehrheitsaktionär übernimmt. Doch
Wiese schafft das Unmögliche,
bindet die Belegschaft mit ein,
25,1 Prozent der Aktien gehören
der Belegschaft, über deren Kopf
hinweg deswegen keine Entscheidungen getroffen werden kann.
Die Dividende wird ausgeschüttet, jeder profitiert vom Erfolg
des Unternehmens. Die Arbeit-
hat diverse Probleme. Seine
Ehe steht vor dem Aus. Die
Verpächter, ein älteres Ehepaar,
wollen verkaufen, finden auch
in einem Pferdehändler einen
Interessenten. Der macht eines
klar: Kinder, Jugendliche, Ponys
und Schulunterricht haben hier
nichts verloren. Die Gesichter
der Mädchen werden jeden Tag
länger. 40 bis 50 Jugendliche
sehen ihr Hobby schwinden.
nehmer verzichten anfangs auf
Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Schon im ersten Jahr kann Wiese
das Ruder herumreißen. Damals
steht der Aktienkurs bei ungefähr
3,60 Euro, heute sind es 180 Euro.
Kleiner rechnet sich nicht
Doch während das berufliche
Märchen immer noch an Fahrt
zunimmt, spielen sich Zuhause
Dramen ab: Vier Töchter hat das
Ehepaar Wiese, alle reiten auf Spaghetti satt kosten
einer kleinen Reitanlage direkt
im Restaurant für
an der Autobahn. Der Betrieb
die Teilnehmer des
ist verpachtet und droht vor die
ReitabzeichenlehrHunde zu gehen. Der Pächter
gangs 3,50 Euro.
Irgendwann fassen sich die Eltern ein Herz. „Du hast doch
die Kontakte, Thomas. Du weißt
doch, wie man mit Banken
verhandelt, wir gründen einen
Verein und übernehmen den
Laden.“ Wer einen Großbetrieb
wieder auf die Beine bringt, wird
ja wohl einen Reitstall retten
können.
„Kein Eigenkapital, kein Geschäftsmodell – die Banken haben
ter – in all
en Preisk
lassen
www.dietzundconsorten.de / Foto: Janne Bugtrup
CHARAKTER. CHARISMA. KLASSE.
Holsteine
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24. März 2012: Holsteiner Frühjahrsauktion
Frühjahrsauktion in Elmshorn.
Die ideale Zeit, Ihre Wünsche zu erfüllen.
Heinz-Holger Lammers (kl. Bild)
gibt in der großen Haupthalle über
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Frühjahrsauktion in 2010 des Holsteiner Verbands in Elmshorn ersteigert.
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4 bis 6-jährige Holsteinern wird Ihnen die neuen Perspektiven aufzeigen.
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22 www.st-georg.de 2/2012
sind offizielle Ausrüster der Holsteiner Elite-Auktion
REPORTAGE
VR Classics
Mehrere Außenplätze
mit Ebbe-/Flutsystem –
lassen sich sogar nach
tagelangem Starkregen
noch gut bereiten.
Internationales Reitturnier CSI***/CDI-W
der Volksbanken und Raiffeisenbanken
Komplettes Angebot: Die Reitanlage verfügt auch über einen Reitsportladen, der demnächst in eigene Räume umziehen wird.
nur gelacht“, erinnert sich Wiese
an diese Zeit. Vor allem aber an
die leeren Blicke seiner Töchter,
als der Verkauf näher rückt. „Ich
habe mir einen Planer zur Hand
genommen. Stell dir vor, dass ist
eine grüne Wiese und du musst
dort eine profitable Reitanlage errichten, habe ich ihm als Auftrag
gegeben.“ Das Konzept ist gigantisch und mittlerweile umgesetzt:
Vier Reithallen, drei Longierhallen eine davon mit integrierter
Führanlage, die Eventhalle, zwei
Dressurplätze, ein Springplatz,
14 Stallgassen mit 146 Paddockboxen. Um die weiß eingezäunten
Weiden, ca. 8,5 Hektar, verläuft
ein vier Kilometer langer Reitweg. „Kleiner“, schmunzelt Wiese, „hätte es sich nicht gerechnet,
hat der Planer gesagt.“
Der Bauherr hat sich einige technische Spielereien geleistet: In den
einzelnen Stallgassen, die zwischen zehn und 16 Pferden Platz
bieten, gibt es iPod-Docking Stations. So kann jeder seine eigene
Musikberieselung haben, wenn
ihm die anderen Musikkanäle,
zwischen denen man per Schalter wählen kann, nicht gefallen.
Die Paddockbox kostet derzeit
324 Euro, Weide und Solariumsbenutzung inbegriffen. 34 Schulpferde und -ponys stehen auf der
Anlage. Darunter auch Shettys
für den Erstkontakt zwischen
Kind und Pferd. Mehrere Reitlehrer bieten Dressur- und Springtraining. Marion Wiebusch, die
schon westfälische Meisterin war,
und ihr Lebensgefährte HeinzHolger Lammers gehören neuerdings zum Team. Sandra Ernst
hat den gesamten Umbau der
Anlage miterlebt. Früher hatte sie
24 www.st-georg.de 2/2012
Lehrgänge in dem damals noch
kleinen Stall gegeben, heute ist
sie eine der Geschäftsführerinnen
des Zentrums. Sie reitet bis Grand
Prix, gibt aber auch Schulunterricht und ist streng in den Theoriestunden. Late Entry-Turniere,
ein großes Turnier mit vielen
Jungpferdeprüfungen – das stellt
das Team auf die Beine. Und
schafft den Spagat zwischen professionellem Anspruch und Vereinsleben. Kein Profivermarkter
managt diese Events. Die wichtigste Ressource, das hat Thomas
Wiese bei der Sanierung seines
Werks gezeigt, ist der motivierte
Mensch. In der Massener Heide
wird diese Ressource gepflegt,
von Kindesbeinen an, Karrierestart Startertafel.
Von der Deutschen Reiterlichen
Vereinigung (FN) wurde die Anlage als Fünf-Sterne-Betrieb ausgezeichnet, als zweite in Deutschland. Fertig ist sie noch lange
nicht. Denn bundesweit ist der
Begriff Massener Heide über das
Hengstgeschäft bekannt geworden. In den vergangenen Jahren
wurden auf verschiedenen Körungen Hengste eingekauft und
diese vor allem in den Landgestüten Moritzburg und Warendorf
aufgestellt. Hengste wie der Stutenmagnet Collestus und Sir Hayfield, oder der Quidam de RevelSohn, der unter Markus Döhring
an der Weltmeisterschaft der
jungen Springpferde in Lanaken
erfolgreich teilnahm. Hinter der
Longierhalle wird derzeit gebaut.
Ab 2013 soll es auch eine Hengststation Massener Heide geben.
Mit zehn bis 16 Hengsten. Wie
war das? „Kleiner rechnet es sich
nicht …“
16.–19. Februar 2012
Holstenhallen Neumünster
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