5 U 1/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

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5 U 1/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht
019
5 U 1/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht
10 O 467/97 Landgericht Potsdam
Anlage zum Protokoll
vom 24.1.2002
verkündet am 24.1.2002
...
Justizsekretärin
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Im Namen des Volkes
U r t e il
In dem Rechtsstreit
1.
des Herrn Dr. E... B...,
...,
2.
der Frau B... R...,
...,
Kläger und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ... -
gegen
1.
die ... GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführung,
diese vertreten durch den Geschäftsführer ...,
...,
2.
den Wasser- und Abwasserzweckverband "...",
ZP 650
Urteil OLG allgemein
-2vertreten durch den Vorstandsvorsteher ...,
...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ... -
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
im schriftlichen Verfahren auf Grund der Sach- und Rechtslage
am
14. Dezember 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für
Recht
erkannt:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom
25. November 1999 - 10 O 467/97 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu je ½.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 3.000,00 EUR abzuwenden,
wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
6.000,00 EUR leisten.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch in Form einer
selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen schriftlichen Bürgschaftserklärung eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen
Kreditinstituts zu erbringen.
Wert der Beschwer der Kläger: 55.833,00 EUR (= 109.200,00 DM)
Tatbestand
-3-
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Entfernung einer im Grundstück verlegten Wasser- und Abwasserleitung, die Unterlassung künftiger Eigentumsstörungen, hilfsweise die
Unterlassung des Betriebs der Leitungen und weiter hilfsweise Zahlung einer Nutzungsentschädigung, äußerst hilfsweise eine Zahlung einer Nutzungsentschädigung gegen Bewilligung
einer Dienstbarkeit für die verlegten Leitungen.
Die Kläger sind im Wege der Erbfolge Eigentümer verschiedener Grundstücke in der Gemarkung S... , bezeichnet mit "Die Mittelblöcke", die nunmehr - seit dem 15. Dezember 1993 im Grundbuch von S... des Amtsgerichts ... Blatt 1019 eingetragen sind. Diese Grundstücke
sind aus einem Grundbesitz hervorgegangen, der ehemals im Grundbuch von S... Band III,
Blatt 99 für die Rechtsvorgänger der Kläger eingetragen war. Die Kläger sind unter anderem
Eigentümer der Grundstücke der Gemarkung S... , Flur ... , Flurstück 925, 927 und 928.
Mit notarieller Erklärung vom 14. Januar 1929 (Urkunde des Notars K... in B... , UR-Nr.
65/1929) haben die damaligen Eigentümer, die Rechtsvorgänger der Kläger, folgende Erklärung abgegeben:
"Die Gemeinde S... hat uns als Miteigentümer des im Grundbuch von S... Band III, Blatt 99
verzeichneten Grundstücks die ausnahmsweise Befreiung vom Bauverbot erteilt.
Als Gegenleistung hierfür übernehmen wir als Gesamtschuldner folgende Verpflichtung:
1. das zum Straßenbau in bebauungsplanmäßiger Breite erforderliche Gelände an die Gemeinde unentgeltlich, sowie schulden- und lastenfrei zu übereignen (den Zeitpunkt der Auflassung
bestimmt die Gemeinde, ...);
2. an die Gemeinde S... für die jeweilige von der Gemeinde zu bestimmende Befestigung,
Pflasterungen sowie für die Entwässerungs- und Beleuchtungsvorrichtung der Straßen auf
dem genannten Grundstück wiederkehrende Beiträge zu leisten, deren Höhe ..... .
Diese Reallast beschränkt sich auf 30 Jahre seit Eintragung.
-4Zur Sicherung des Anspruchs der Gemeinde S... auf Übereignung des in Ziffer 1 erwähnten
Geländes bewilligen und beantragen wir die Eintragung einer Vormerkung und bewilligen und
beantragen ferner die Eintragung der unter Ziffer 2 vereinbarten Belastung."
Demgemäß wurden im Grundbuch zu Gunsten der Gemeinde S... eine Auflassungsvormerkung sowie ebenfalls in Abteilung II eine Reallast eingetragen.
Sodann wurde mit der Parzellierung der Flächen begonnen, die jedoch offensichtlich nie zu
Ende geführt worden ist. Hinsichtlich des Anteils eines der ursprünglichen Miteigentümer
wurde am 15. Dezember 1933 die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet und ins
Grundbuch eingetragen.
Das spätere Flurstück 925 soll von Beginn an als Straßenland genutzt worden sein; zumindest
ab 1980 wurde das Flurstück als Straßenverkehrsfläche genutzt.
In einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Potsdam nahmen die Eigentümer die Gemeinde
S... auf Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung sowie der Reallast und einer
Sicherungshypothek in Anspruch. Das Amtsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 14. Mai 1996
- 28 C 119/95 - die Gemeinde S... antragsgemäß zur Abgabe der Löschungsbewilligung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. Auflassungsvormerkung sowie Reallast wurden
dementsprechend am 19. September 1996 im Grundbuch gelöscht.
1996 wurden in dem Flurstück 925 eine Trinkwasserleitung sowie eine Schmutzwasserleitung
verlegt. An diese Leitungen sind derzeit die nicht im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücke, Flurstücke 923 und 924 der Flur ... der Gemarkung S... , angeschlossen, die jeweils
mit einem Wohnhaus bebaut sind.
Vor Beginn dieser Bauarbeiten zur Verlegung wurde eine Genehmigung der Kläger für diese
Verlegung der Leitungen nicht eingeholt.
Auf Grund eines Bauvertrages vom 21. September 1995/05. Oktober 1995 ließ der Beklagte
zu 2. einen Schmutzwasserkanal in S... im R...weg herstellen, der in das Flurstück 925 hin-
-5eingeführt wurde. Ebenso ließ er eine Trinkwasserleitung verlegen. Durch Betriebsführungsvertrag vom 30. Juni 1994 hatte der Beklagte zu 2. die Beklagten zu 1. mit dem Betrieb, der
Unterhaltung und der Bauüberwachung der Wasser- und Abwasseranlagen beauftragt.
Einen Vorschlag der Kläger zur Wiederbelebung des Vertrages vom 14. Januar 1929 hat das
Amt S... mit Schreiben vom 20. März 1997 abgelehnt und sich vorsorglich auf die Einrede
der Verjährung hinsichtlich der Ansprüche aus diesem Vertrag berufen. Für das Jahr 1997 hat
das Amt S... für die Nutzung des Flurstückes 925 als öffentliches Straßenland eine Entschädigung nach Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB in Höhe von 46,20 DM bezahlt.
Die Prozessparteien haben sich in der Berufungsinstanz, da zunächst der Wortlaut des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes für alle Prozessbeteiligten nicht bekannt war, in der mündlichen Verhandlung vom 1. November 2001 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren
einverstanden erklärt.
Die Kläger haben behauptet, sie seien mit ihren Eigentümergrundstücken, nämlich Flurstücke
927 und 928, nicht an die Wasser- und Abwasseranlage angeschlossen. Sie haben geltend gemacht, sie würden letztlich durch die Inanspruchnahme des Grundstücks durch die Verlegung
der Frischwasserleitung sowie des Abwasserkanals entschädigungslos enteignet.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, den Abwasserkanal und die Frischwasserleitung in dem
Flurstück 925 des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von S... des Amtsgerichts
... Blatt 1019, zu entfernen und künftige Eigentumsstörungen zu unterlassen,
hilfsweise,
die Beklagten zu verurteilen, eine künftige Inanspruchnahme des Flurstücks 925 für
Betriebsführung, für Versorgung mit Frischwasser und die Entsorgung von Abwasser
zu unterlassen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
-6Die Beklagten haben behauptet, das Urteil des Amtsgerichts Potsdam sei ihnen nicht bekannt.
Sie haben vorgetragen, die Flurstücke 919 und 925 seien an die Wasserversorgung angeschlossen. Die Flurstücke 927 und 928 hätten hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil. Die
Pflicht zur Duldung der Leitungen ergebe sich aus § 19 Abs. 1 der Entwässerungssatzung des
Beklagten zu 2. vom 24. März 1995 sowie aus § 8 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative der Allgemeinen Versorgungsbedingungen BWasserV.
Mit Urteil vom 25. November 1999 hat das Landgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Entfernung der Leitungen gegen die Beklagte
zu 1. bestehe nicht, weil diese lediglich als unmittelbare Besitzerin auf Grund des bestehenden
Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten zu 2., dem Eigentümer der Leitungen, nicht zur Entfernung berechtigt sei. Auch gegen den Beklagten zu 2. bestehe ein solcher Anspruch nicht,
weil die Kläger zur Duldung der verlegten Leitungen verpflichtet seien, wobei sich schon aus
§ 19 Abs. 1 der Satzung und § 8 Abs. 1 AV BWasserV eine solche Duldungspflicht ergeben
könnte.
Die unterbliebene vorherige Benachrichtigung mache die Duldung für die Kläger nicht unzumutbar. Für die Beklagten sei im Zeitpunkt der Leitungsverlegung nicht erkennbar gewesen,
dass es zu der durch Vormerkung noch gesicherten Auflassung von Straßenland hinsichtlich
des Flurstücks 925 nicht kommen werde, zumal dieses Flurstück 925 bereits als öffentliche
Straße gewidmet gewesen sei. Auch derzeit hätten die Kläger keine Gründe für die Unzumutbarkeit dargelegt. Im Gegenteil, sie seien "Nutznießer" der verlegten Leitungen.
Da ein Anspruch auf Entfernung nicht bestehe, sei auch der Hilfsantrag auf Unterlassung der
Nutzung der verlegten Leitungen unbegründet.
Gegen das ihnen am 02. Dezember 1999 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz
vom 03. Januar 2000, eingegangen bei Gericht am selben Tage, einem Montag, Berufung eingelegt und dieselbe - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich
03. März 2000 - mit weiterem Schriftsatz vom 03. März 2000, eingegangen bei Gericht am
selben Tage, begründet.
Unter Wiederholung, Erweiterung und Vertiefung des Vorbringens machen die Kläger mit der
Berufung geltend, beide Beklagten seien passivlegitimiert. Es handele sich um verbotene Ei-
-7genmacht. Auf Grund der Betriebsführungsabrede hätten beide Beklagten die Verlegung veranlasst.
Eine wirksame öffentlich-rechtliche Widmung für das Flurstück 925 liege nicht vor. Bei dem
Flurstück 925 handele es sich nicht um Straßenland, sondern um einen unbefestigten Sandweg, der als Notweg für die Flurstücke 923 und 924 sowie für das sich daran anschließende
Kleingartengelände der Flurstücke 931 und 932 (Lageskizze Bl. 254 d. A.) diene. Das Flurstück 925 sei im Jahre 1929 lediglich als Wegefläche parzelliert worden. Es habe lediglich der
Vorbereitung der Vertragsdurchführung gedient, nicht aber dem Vollzug des Vertrages. Die
Parzellierung sei auch nicht abgeschlossen worden. Die Moratoriumsregelung sei nicht einer
Widmung gleichzusetzen. Eine Widmung habe zur Zeit des Beitritts nicht bestanden.
Ebenso wenig bestehe eine Duldungspflicht. Eine Regelung aus dem Einigungsvertrag und
hierauf beruhende besondere Regelungen kämen nicht in Betracht, da die Leitungen später
verlegt worden seien. Auch aus der früheren Nutzungsbefugnis der Gemeinde ergebe sich kein
Leitungsrecht. Eine Duldungspflicht sei ihnen auch unzumutbar, weil sie bestimmte Abstandsflächen bei der Bebauung einhalten müssten.
Die Beklagten müssten sich die Kenntnis der Gemeinde zurechnen lassen. Der Bürgermeister
der Gemeinde sei Mitglied des Vorstandes des Beklagten zu 2.
Auch das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz ändere hieran nichts. Zwar sei es richtig, dass
die Gemeinde S... das Flurstück 925 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe in Anspruch
genommen habe. Diese beschränke sich aber lediglich auf die Nutzung als Verkehrsfläche.
Die Nutzung als oberirdische Verkehrsfläche ergebe aber nicht die Befugnis zu einer unterirdischen Inanspruchnahme des Flurstücks. Gleiches gelte für das Nutzungsrecht aus dem bisherigen Moratorium. Offengehalten sei nur die Abgeltung der Verkehrsflächennutzung.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 25. November 1999, Az.: 10 O 467/97,
abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, die Frischwasserleitung und den
Abwasserkanal in dem Flurstück 925 des Grundstücks auf Blatt 1019 des Amtsgerichts ... für S... zu entfernen und künftige Eigentumsstörungen zu
unterlassen,
hilfsweise,
-8den Betrieb der Frischwasserleitung und des Abwasserkanals in dem Flurstück 925
des Grundstücks auf Blatt 1019 des Amtsgerichts ... für S... zu unterlassen,
äußerst hilfsweise,
an die Kläger gesamtschuldnerisch einen Teilbetrag in Höhe von 1.000,00 DM zzgl.
4 % Zinsen seit dem 10. März 2000 zu zahlen,
äußerst äußerst hilfsweise,
an die Kläger gesamtschuldnerisch Zug um Zug gegen Bewilligung einer Dienstbarkeit
für eine im Erdreich unterirdisch verlegte Leitung für Frischwasser und für einen Abwasserkanal einen Teilbetrag von 1.000,00 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 10. März
2000 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche
Urteil und tragen insbesondere vor, die Verlegung der Leitungen sei nicht durch beide Beklagten veranlasst worden. Eine solche Veranlassung ergebe sich nicht daraus, dass Erweiterungsmaßnahmen zwischen dem Beklagten zu 2. und der Beklagten zu 1. abzustimmen seien.
Ein Anspruch auf Beseitigung der verlegten Leitungen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt
der Besitzstörung komme nicht in Betracht. Es sei fraglich, ob die Kläger überhaupt an dem
Flurstück 925 Besitz hätten, da es sich, wie sie auch in zweiter Instanz vortragen, um einen
Sandweg handele.
Im Übrigen seien die Kläger verpflichtet, die Verlegung von Leitungen für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung unter dem als öffentliche Straßenfläche genutzten Flurstücks
925 durch den Beklagten zu 2. zu dulden. Bei dem Flurstück 925 handele es sich um eine
Verkehrsfläche im Sinne des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz vom 26.10.2001. Auf
Grund dessen stehe der Gemeinde S... ein Recht zum Besitz zu. Hierdurch seien die Kläger
rechtlich und tatsächlich an eine anderweitige Nutzung des Flurstücks gehindert. Durch die
Verlegung der Leitungen komme es nicht zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger.
-9Auch die Hilfsanträge seien unbegründet. Auf Grund der Nutzung des Flurstücks als öffentliches Straßenland fehle den Klägern bereits die Beeinträchtigung ihres Eigentums und ferner
scheitere der Anspruch an dem Ausschließungsinteresse.
Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien
sowie auf die hierzu überreichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 5 EGZPO zulässige
Berufung der Kläger ist nicht begründet. Denn die Kläger als Eigentümer des als Verkehrsfläche in Anspruch genommenen Grundstücks, Flurstück 925 der Flur ... der Gemarkung S... ,
sind auf Grund eines abgeleiteten Rechts zum Besitz der Beklagten gemäß Art. 233 § 2 a Abs.
9 EGBGB in Verbindung mit Art. 1 §§ 3, 9 des Gesetzes zur Bereinigung offener Fragen des
Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz) vom
26.10.2001 (BGBl. I 2001 S. 2716 ff.) verpflichtet, die Verlegung der Leitungen zu dulden.
Die Kläger können von den Beklagten weder die Entfernung der Frischwasserleitung und des
Abwasserkanals, d. h. die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung, noch die Unterlassung
einer fortbestehenden Eigentumsbeeinträchtigung verlangen. Ein solcher Anspruch ergibt sich
weder aus § 1004 BGB, noch aus dem Gesichtspunkt der verbotenen Eigenmacht als Besitzschutz nach § 862 BGB, noch aus § 823 BGB.
Die Kläger sind, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, Eigentümer des Flurstücks 925 der
Flur ... der Gemarkung S... . Durch die Verlegung der Frischwasserleitung sowie des Abwasserkanals im Jahre 1996 ist ihr Eigentum beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung dauert auch
zukünftig fort, da diese Versorgungsleitungen auf Dauer in das Grundstück verlegt worden
sind. Gemäß § 905 Satz 1 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten wurde die Trinkwasserleitung mit einem Durchmesser von 100 mm mit einer Gesamtlänge von 61 m mit zwei
Hausanschlüssen für die Flurstücke 923 und 924 in einer Tiefe von 1,20 m in das Grundstück
der Kläger verlegt. Ebenso unwidersprochen von Seiten der Kläger - und damit als unstreitig
anzunehmen - blieb, dass die Schmutzwasserableitung mit einem Durchmesser von 200 mm
- 10 mit einer Länge von 54,45 m und drei Hausanschlüssen in einer Tiefe von 1,80 m verlegt
wurde. Bei denen in üblicher Tiefe verlegten Leitungen ist eine etwaige Nutzung des Grundstücks durch die Kläger beeinträchtigt, wobei mit zu berücksichtigen ist, dass letztlich offen
ist, ob die Gemeinde S... von ihrem Erwerbsrecht gemäß Art. 1 § 3 Abs. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes Gebrauch macht. Denn für die Frage, ob ein Interesse des Eigentümers im Sinne des § 905 Satz 2 BGB gegeben ist, ist auch die zukünftige Entwicklung des
Grundstücks zu beachten (BGH in WM 1981, S. 129 (130)).
Im Hinblick auf diese Eigentumsbeeinträchtigung sind sowohl der Beklagte zu 2. als auch die
Beklagte zu 1. Störer im Sinne des § 1004 BGB.
Der Beklagte zu 2. ist ein Zweckverband, bei dem es sich um die typische Organisationsform
der interkommunalen Zusammenarbeit handelt. Der Zweckverband ist als Körperschaft des
öffentlichen Rechts organisatorisch und rechtlich verselbstständigt. Er verwaltet seine Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung. Wenn der Zweckverband
eine einzelne kommunale Aufgabe übernimmt, geht die kommunale Aufgabe selbst, nicht
lediglich die Aufgabenerfüllung auf den Verband über. Die abgebende Gemeinde wird insoweit vollständig von ihrer Verpflichtung befreit. Bei den einzelnen Gemeinden verbleiben
keinerlei Rechte und Pflichten hinsichtlich der betreffenden Aufgabe. Die Verantwortlichkeit
kann folglich nach dem Übergang der Aufgaben auf den Zweckverband auch nicht mehr
durch Aufsichtsmittel gegenüber den beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbänden durchgesetzt werden. Der Zweckverband ist möglicher Aufgabeninhaber und Aufgabenträger. Dem
Beklagten zu 2. ist die öffentliche Wasserversorgung, die sowohl die Trinkwasser- als auch
die Abwasserversorgung umfasst, übertragen worden. Gemäß § 59 Abs. 1 Brandenburgisches
Wassergesetz vom 13. Juli 1994 (GVBl I 1994, S. 302 ff.) ist die öffentliche Wasserversorgung eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde. Nach §§ 5, 15 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg vom 15. Oktober 1993 (GVBl I 1993, S. 398 ff.) in
Verbindung mit § 6 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Lande Brandenburg i. d. F. der Bekanntmachung vom 28. Mai 1999 (GVBl 1999 I, S. 194 ff.) ist die Aufgabe
der öffentlichen Wasserversorgung in der Gemeinde S... auf den Beklagten zu 2. übergegangen. Im Rahmen dieser übertragenen Aufgabe hat der Beklagte zu 2. entsprechend seiner Verpflichtung mit Hilfe eines Bauunternehmens Abwasserkanal sowie die Trinkwasserleitung
verlegt.
- 11 -
Auch die Beklagte zu 1. ist Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Denn Störer ist auch
derjenige, der eine störende Anlage hält, d. h. betreibt, wenn von seinem Willen die Beseitigung abhängt. Die Beklagte zu 1. ist jedenfalls mittelbare Störerin, weil sie die unmittelbare
Sachherrschaft über diese Leitungen ausübt, wie sich dies aus dem Betriebsführungsvertrag
ergibt.
Die Kläger sind jedoch zur Duldung dieser Anlagen verpflichtet. Das Flurstück 925 ist Teil
der B...straße in S... und wurde von Alters her faktisch als öffentliche Straße genutzt. Dabei
kann offen bleiben, ob das Grundstück der Kläger auch bereits vor dem 8. Mai 1945 als öffentliche Straße genutzt wurde. Jedenfalls während der Zeit, in der die Deutsche Demokratische Republik bestand, wurde dieses Grundstück wie eine öffentliche Straße genutzt, was
auch die Kläger jedenfalls für die Zeit ab ca. 1980 ab einräumen.
Zwar vermag der Senat nicht festzustellen, dass es sich bei dem Grundstück um eine Straße
im Rechtssinne handelt, die gemäß §§ 3, 4 der Verordnung über die öffentlichen Straßen vom
22. August 1974 (GBl/DDR 1974 I S. 515) in Verbindung mit § 48 Abs. 7 Brandenburgisches
Straßengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Juni 1999 (GVBl 1999 I, S. 211 ff. d. A.)
als gewidmet gilt. Denn ein Beschluss des Rates der Gemeinde über die öffentliche Nutzung
und über die Zuordnung zu Straßen, die ausschließlich der öffentlichen Nutzung dienen, ist
hinsichtlich dieses Grundstückes nicht feststellbar. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben,
denn das Grundstück wurde wie eine öffentliche Straße genutzt, was für den Zeitraum ab
1980, als die Anliegergrundstücke bebaut wurden, zwischen den Parteien unstreitig ist. Die
tatsächliche Nutzung des privaten Grundstücks für öffentliche Zwecke ist nämlich ausreichend für ein Recht zum Besitz gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB.
Bei dem Grundstück der Kläger handelt es sich um einen unbefestigten, jedoch befahrbaren
Straßenteil der Bahnhofstraße in S... . Ausweislich des vorgelegten Stadtplanes bildet das
Grundstück die Fortsetzung der Bahnhofstraße ab der Straßeneinmündung R... weg in S... . An
diesem unbefestigten Straßenteil befinden sich zwei mit Wohnhäuser bebaute und genutzte
Grundstücke, die ihren Zugang über diesen Straßenteil erhalten. Dieser Straßenteil wird zudem als Zufahrt für eine sich auf der Kopfseite der Straße befindlichen Kleingartenanlage genutzt. Gemäß dem vorgelegten Auszug aus dem Straßenkataster der Gemeinde S... wird das
- 12 Grundstück als unbefestigte Straße geführt. Daraus folgt aber, dass dieser Straßenteil durch
Anliegerverkehr befahren wird. Damit ist aber festzustellen, dass die Gemeinde S... als öffentliche Körperschaft das Grundstück der Kläger insgesamt zur Erfüllung ihrer öffentlichen
Aufgabe im Sinne des Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB nutzt. Diese bereits vor dem 3. Oktober
1990 erfolgte Grundstücksnutzung für öffentliche Zwecke gewährt der nutzenden öffentlichrechtlichen Körperschaft ein Recht zum Besitz. Dieses sich aus der Regelung des Art. 233 § 2
a Abs. 9 EGBGB ergebende Recht zum Besitz setzt sich jedoch gemäß Art. 1 § 3 in Verbindung mit § 9 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz (BGBl. 2001 I, S. 2716 ff.) längstens
bis zum 30. Juni 2007 fort.
Nach § 1 gilt dieses Gesetz für Grundstücke privater Eigentümer, sofern das Grundstück innerhalb des Zeitraums vom 9. Mai 1945 bis 30. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurde, einer Verwaltungsaufgabe noch
dient und Verkehrsfläche im Sinne dieses Gesetzes ist. Wie oben dargelegt, wurde das Grundstück tatsächlich für den öffentlichen Verkehr, zumindest Anliegerverkehr der Kleingartenanlage sowie der Grundstückseigentümer der Flurstücke 923 und 924 genutzt, was nach wie
vor der Fall ist. Auch handelt es sich um eine Verkehrsfläche im Sinne des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes. Nach Art. 1 § 2 dieses Gesetzes sind Verkehrsflächen dem öffentlich Verkehr gewidmete oder kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege, Plätze und einschließlich Zubehör und Nebenanlagen. Es genügt für das Tatbestandsmerkmal Verkehrsfläche eine tatsächliche Inanspruchnahme eines privaten Grundstücks, ohne dass ein förmlicher Widmungsakt oder Beschluss des Rat des Kreises zur öffentlichen Nutzung vorliegt (vgl. Trimbach/Matthiessen, Das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz in VIZ 2002, S. 1 ff. (2)).
Auf dieses Recht zum Besitz können sich auch die Beklagten berufen. Denn die Gemeinde
S... hat die ihr nach § 59 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz obliegende öffentlichrechtliche Aufgabe der Beklagten zu 2. übertragen, die sich zur Erfüllung und Durchführung
ihrer Pflicht der Beklagten zu 1. bedient. Der Rat der Gemeinde S... hat das private Eigentum
für einen öffentlichen Zweck in Anspruch genommen, für den er allein in seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich war. Auch das durch das Moratorium begründete Besitzrecht der
Gemeinde S... gründet sich auf einen öffentlichen Zweck, der allein in ihren Aufgaben- und
Zuständigkeitsbereich fällt, da die Verkehrsfläche als anliegergenutzte Fläche allein der Stra-
- 13 ßenbaulast der Gemeinde unterfällt. Das zur Bereinigung des Rechtsverhältnisses gewährte
Erwerbsrecht und das damit verbundene Besitzrecht erfasst das Grundstück als Ganzes, ohne
dass eine Unterscheidung zwischen oberflächenbedingte Nutzung des Grundstücks und eine
Nutzung in der Tiefe des Grundstücks vom Gesetzgeber getroffen wird. Zudem umfasst das
Nutzungsrecht von öffentlichen Straßen neben einen Gemeingebrauch oder Anliegergebrauch
auch die sonstige Nutzung des Straßengrundstücks. Diese sonstige Nutzung umfasst auch die
öffentliche Versorgung, wie Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Gerade diese Aufgaben waren aber auch eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde S... , die sie
der Beklagten zu 2. übertragen hat. Die vor dem 3. Oktober 1990 begonnene öffentliche Nutzung des Grundstücks als Verkehrsfläche für Anlieger umfasste von vornherein auch die Nutzung des Grundstückes für weitere öffentliche Zwecke, die üblicherweise mit der Nutzung als
öffentliche Verkehrsfläche verbunden sind.
Daraus folgt zugleich, dass eine Besitzbeeinträchtigung der Kläger sowie zukünftige Eigentumsbeeinträchtigung wegen der bestehenden Duldungspflicht nicht gegeben ist, da die Besitzbeeinträchtigung gegen den Willen der Kläger sowie die zukünftige Eigentumsbeeinträchtigung nicht widerrechtlich war bzw. ist.
Auf Grund der bestehenden Duldungspflicht steht den Klägern auch nicht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung des Betriebes der Frischwasserleitung und des Abwasserkanals zu.
Auch die äußerst hilfsweise geltend gemachten Ansprüche, die als sachdienlich - in zweiter
Instanz erstmals geltend gemacht - zulässig sind, sind nicht begründet. Den Klägern steht sowohl der in Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB und der in Art. 1 § 9 Abs. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz normierte Nutzungsentgeltanspruch nicht zu. Dieser richtet sich gegen den
öffentlichen Nutzer, der für die Verkehrsfläche unterhaltspflichtig ist. Unterhaltspflichtig für
die durch die Anlieger genutzte Straßenfläche Flurstück 925 ist der Träger der Straßenbaulast
die Gemeinde S... , nicht die Beklagten.
Dies gilt auch hinsichtlich des Anspruchs auf Nutzungsentgelt Zug um Zug gegen Bewilligung einer Dienstbarkeit für die beiden Leitungen.
- 14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren:
109.200 DM (= 55.833 EUR)
Bei der Wertversetzung hat sich der Senat davon leiten lassen, dass die Kläger mit dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch der Eigentumsbeeinträchtigung wirtschaftlich den
vollen Grundstückswert geltend machen. Der Senat sieht für das streitgegenständliche Grundstück einen Preis von 200,00 DM/m² als angemessen an. Bei 536 m² Grundstücksfläche ergibt
dies einen Betrag von 107.200,00 DM. Der erste Hilfsantrag hat nach Auffassung des Senates
keinen darüber hinausgehenden Wert. Hinsichtlich der beiden weiteren Hilfsanträge, über die
entschieden worden ist, ist jeweils ein Betrag von 1.000,00 DM anzusetzen.
Vorsitzender Richter am
OLG ... ist ortsabwesend
und deshalb gehindert zu
unterschreiben
Richterin am OLG ...
ist urlaubsbedingt gehindert
zu unterschreiben
...
...
...