Sieg für die Manufactum-Generation - Uschi Bauer

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Sieg für die Manufactum-Generation - Uschi Bauer
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SPIEGEL ONLINE - 09. März 2007, 10:54
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GRAND-PRIX-VORENTSCHEID
Sieg für die Manufactum-Generation
Von Folker Kramer
Wen wollen die Deutschen beim Grand Prix sehen? Einen Wertarbeiter mit Schwung
und Zuversicht. Der Swing-Sänger Roger Cicero fährt für die Generation 30 plus nach
Helsinki - die Jugend muss sich mit Heidi Klum trösten.
Drei Mädchen weinten - und ein lachender Mann sagte: "Komplett unfassbar", "überwältigend"
und "sensationell". Er war der Gewinner des deutschen Grand-Prix-Vorentscheids, Roger Cicero,
36 Jahre, Jazzmusiker und neuer Held der Manufactum-Generation, die auf Geschmack hält,
Techno für Lärm und Monrose für kommerziellen Kitsch.
GRAND-PRIX-VORENTSCHEID: SWING IST DAS DING
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Cicero gewann mit mehr als Hälfte der TED- und SMS-Stimmen mit seinem Song "Frauen regier'n
die Welt" - als wär's ein Kommentar zum internationalen Tag der Frau. Ciceros Swingpop
entzückte offenbar noch mehr Menschen als im Vorjahr Texas Lightning, die auch schon mit 47
Prozent der Stimmen ihr Ticket zum Eurovision Song Contest gewannen.
Am Ende der Show aus dem Hamburger Schauspielhaus war Cicero der wahrscheinlich perfekte
Gewinner: Seine Konkurrenz wirkte wie ein Vorwand, um ihm, den Spross des Jazzpianisten
Eugen Cicero, den Teppich zum Flug nach Helsinki am 12. Mai auszubreiten.
Heinz-Rudolf Kunze nahm sich mit seinem "Die Welt ist Pop" wie
ein Relikt aus rotgrünen Zeiten aus - dem Vernehmen nach hat er
nur knapp zehn Prozent der insgesamt 900.000 Voten erhalten.
Und Monrose, die Casting-Siegerinnen von "Popstars", erreichten
nur knapp 20 Prozent der Stimmen, weil ihre Kernkundschaft
möglicherweise zeitgleich bei ProSieben dem "Germany's Next
Supermodel" entgegenschmachtete.
Cicero jedenfalls passte zum Gemüt des 30- bis 60-jährigen ARDPublikums kongenial: Er hält auf handgemachte Musik, auf
Foto: Warner Music
Authentizität, auf Konzerte mit echter Band und Gesang, der nicht
erst durch technische Manipulationen am Steuerpult hörbar wird.
Ob er in Helsinki im Mai besser als Texas Lightning abschneiden wird, die im Vorjahr in Athen nur
den 15. Platz belegten, mochte Cicero nicht beantworten: "Ich fahre nicht zum Grand Prix, um
schlecht abzuschneiden. Lordi hat auch gezeigt, dass man mit unkonventionellen Mitteln gewinnen
kann." Zunächst wird er weiter touren mit seinem "Projekt" - gute Musik, wie Cicero und Freunde
sie verstehen, auf Deutsch die Texte, jenseits von Schlager und Disco.
Thomas Hermanns, Moderator des Abends, resümierte zufrieden: "Das war wieder typisch Grand
Prix - Tränen, Glamour und Drama - großartig." Allein: Die Quote war etwas schwächer als im
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Vorjahr. 4,6 Millionen Zuschauer waren eine halbe Million weniger als 2006. Die Show lebte
abermals von starken Retroelementen, Anklängen aus guten alten seligen Schlagerzeiten Wencke Myhre, Siw Malmkvist, Gitte Haenning wie Johnny Logan, Katrina (von den Waves) und
die Reste von Buck's Fizz zeigten dem deutschen Publikum, dass Livemusik keine Strafarbeit
bedeuten muss.
Cicero, der mit filigranen Jazzimproviationen lange vor seiner jetzt platingekrönten CD
"Männersachen" Ambition und Anspruch bewies, war im Grunde der Ausdruck zur
demographischen Entwicklung: Er gewann offenbar im erwachsenen Altersbereich so überragend,
dass die kaum nachwachsende Jugend es mit ihrem Votum für die Monrose-Mädchen schwer
hatte. Das Publikum im Schauspielhaus applaudierte allein Cicero mit stehend dargebrachtem
Beifall: Er sollte der Held des Abends werden, ihn, nur ihn sollten die betagten Kessler-Zwillinge
am Ende als Sieger verkünden.
VOTE
Roger Cicero in Helsinki
Wie wird Roger Cicero beim
European Song Contest in Helsinki
abschneiden?
Die beiden deutschen Tänzerinnen waren ein weiterer
Höhepunkt des Abends: Saßen wie Muppet-Puppen auf dem
Theaterbalkon im ersten Rang und huldigten mit feinem
Lächeln der Show. Sie selbst, 1959 beim Grand Prix für
Deutschland am Start, sagten nur knapp: "Wir waren
schrecklich damals, aber die Kleider waren toll."
Die Abstimmung ist beendet. Klicken
Sie hier um das Ergebnis zu sehen.
Hermanns, der nur diese Show für die ARD moderiert,
zeigte den Intendanten aus der sogenannt ersten Reihe, wie
Lockerheit sich mit Witz paart: Das macht ihn zum
heimlichen Gewinner des Abends - wie eine selbstbewusste
Antwort auf die Jörgpilawarisierung der ARD.
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