Lach dich gesund! - Willibert Pauels

Transcription

Lach dich gesund! - Willibert Pauels
Humor
14
6. März 2011
Lach dich gesund!
Diakon Willibert Pauels – erfolgreicher Büttenredner des Kölner Karnevals
■ Wenn das Adventslied „Tochter Zion“ erklingt, weiß jeder im
Saal, wer kommt. Eine in rot und
schwarz gekleidete Gestalt mit
Clownsnase, dicker Brille, Hut
und Handschuhen betritt die
Bühne. An einer Schnur zieht
sie einen großen Wecker hinter
sich her. „Gelobt sei der Herr“,
sagt der Mann mit den etwas zu
kurzen Hosen, und das Publikum antwortet „Amen“.
Im Rheinland sind die Auftritte vom „Bergischen Jung“,
alias Willibert Pauels, längst
ein liebgewonnenes Ritual, und
der Diakon aus dem beschaulichen Örtchen Wipperfürth
im Bergischen Land aus dem
Karneval nicht mehr wegzudenken. Der gefragte Büttenredner
macht auch vor der Kirche nicht
Halt und nennt den Kölner Erzbischof schon mal „Kanalmeister“ statt Kardinal Meisner.
„Witze über die Kirche? Würde ich nie machen“, verkündet
der „DiaClown“ der Jeckenschar
bei der Mädchensitzung im Kölner Gürzenich. „Aber wenn sie
gut sind ...“ Sagt es und legt los,
denn erlaubt ist, was die Menschen zum Lachen bringt. Der
Witz über die zwei Priester, die
sich darüber unterhalten, ob sie
noch die Abschaffung des Zölibats erleben werden, zündet:
„Diakon mit Zivilberuf“, wie Willibert Pauels es selber nennt.
Fotos (3): Michael Schopps
„Wir nicht, aber unsere Kinder.“
Spätestens jetzt sind die „Mädcher“ (Kölsch für Mädchen) au-
ßer Rand und Band. Oder der:
„Was ist der Unterschied zwischen einem katholischen und
einem evangelischen Pfarrer?
Beim evangelischen Pastor hängt
die Kinderwäsche ums Haus,
beim katholischen im ganzen
Dorf.“ Der Saal gehört ihm.
Uneingeschränkten Zuspruch
erntet der Kabarettist und Büttenredner mit seinem Tun allerdings
nicht, zumal er in seiner Heimatgemeinde Wipperfürth und
sieben Nachbargemeinden nach
wie vor nebenberuflich als Diakon tätig ist. Er bringe Schande
über die Kirche, ist ein Vorwurf,
dem er sich immer wieder stellen
muss, das aber auch bereitwillig
tut. „Ich versuche, den Menschen meine Sicht zu erklären“,
sagt Pauels, dem es fern liegt,
jemanden verletzen zu wollen
und über den Joachim Kardinal
Meisner unlängst sagte: „Ich bin
froh, dass wir ihn haben.“
Grundsätzlich besteht für den
„DiaClown“ kein Widerspruch
zwischen Kirche und Karneval,
Religion und Humor, seiner Tätigkeit auf beiden Bühnen. „Für
mich ist das innerste Wesen der
Religion der Trost“, erklärt er.
Die zentrale Botschaft des Christentums sei, dass Gott das Elend
nicht ignoriere. Kurz gesagt die
Osterbotschaft, die „durch den
Auferstandenen sagt, dass das
Leid und der Tod und das Böse
und die Angst nicht das letzte
Wort haben“.
Den Menschen zu trösten, ist
für Pauels die Parallele zum Karneval, den man auch als „Hochfest der Heiterkeit und des Lachens“ betrachten könne. „Er
wird ja zelebriert wie ein Hochamt mit Ritual und allem Drum
und Dran.“ Und schließlich sei
das Lachen in Zeiten der Krankheit oder der Dunkelheit wie ein
Lichtstrahl. Von Menschen mit
schweren Depressionen höre
er immer wieder: „Die Hölle
ist, dass ich nicht mehr lachen
kann“, erzählt Pauels. „In dem
Moment, in dem der Mensch
lacht, hat er eine Ahnung vom
Himmel.“ Sein Humor ist derb,
deftig, saftig. „Gott ist Mensch
geworden, der Mensch hört aber
nicht unterhalb des Gürtels auf“,
sagt Pauels. „Ein Witz ist dann
tabu, wenn er erniedrigt, wenn
er demütigt. Da ist die Grenze.“
Kirche und Karneval
Die Wege des Herrn, sagt man,
seien unergründlich. Und doch
war Pauels‘ Werdegang möglicherweise mehr vorgezeichnet,
als man denken mag: Geboren
1954, wuchs er in einem Umfeld auf, das er in Anlehnung an
die Schriftstellerin Ulla Hahn als
sehr „eng katholisch“ bezeichnet. „Das war eine geschlossene Welt, gab aber auch Halt“,
meint Pauels.
Diese Welt prägte und faszinierte ihn so sehr, dass er nach
seinem Abitur 1973 Katholische
Theologie in Bonn und Münster
studierte, um Priester zu werden. „Da wirst du unglücklich“,
6. März 2011
Humor
15
„In dem Moment, in dem der Mensch lacht, hat er eine Ahnung vom Himmel.“
erkannte er schließlich und wurde Diakon. Heute ist er glücklich verheiratet, seine Tochter ist
mittlerweile 18 Jahre alt.
Die ersten Auftritte hatte Pauels
1975 bei kleineren Dorf- und
Pfarrsitzungen in der Umgebung, „eine sehr, sehr wichtige
Schule“. Es ist ein typischer
Start für eine Karriere in der
Bütt – „90 Prozent meiner Bühnenkollegen kommen aus den
Pfarrsitzungen“, erklärt Pauels. Noch so eine Verbindung
zwischen Kirche und Karneval. Sechs Tage lang wird noch
einmal richtig gefeiert, bevor
Aschermittwoch die Fastenzeit
anbricht.
So hätte es weitergehen
können als Diakon, der Menschen tauft, traut und beerdigt
und ab und zu auf der Bühne
steht. Doch die Welt ist klein:
Eine Mitarbeiterin erzählte
ihrem Chef Hans Meiser von
dem Kirchenmann, der seit
20 Jahren mit seinen Auftritten die Jecken in der Heimat
begeistert. Und schon war
der „Bergische Jung“ in einer
Sendung des Talkmasters auf
der Berliner Funkausstellung
1995. Dort sah ihn Dieter
Steudter von den „3 Colonias“,
eine echte Größe im Kölner Karneval, und holte ihn in die großen Säle der Domstadt.
Die Zahl der Auftritte nahm
zu, und irgendwann musste
er sich entscheiden. Die Zeit
reichte nicht mehr, seiner Arbeit
als hauptamtlicher Diakon gerecht zu werden. Pauels zog die
vor mit tiefster Überzeugung. Inzwischen hat er sich auch als Kabarettist einen Namen gemacht,
ist Träger des Kleinkunst-Preises
„Morenhovener Lupe“, spricht
regelmäßig das „Wort zum
Samstag“ beim Kölner „Domradio“ und schreibt ab und zu
als Kolumnist für die Kölner
Boulevardzeitung „Express“.
Herausforderung Auftritt
Konsequenz und wurde „Diakon
mit Zivilberuf“, wie er es nennt.
Nur noch auf Anfrage steht er
seither „seinen Pfarrkindern“ zur
Verfügung, das aber nach wie
Und da sind natürlich die
über 200 Auftritte in der Session, oft sechs bis sieben am
Tag. Dann ist der Zeitplan eng,
sehr eng. Verspätet er sich,
ist die Gage weg, umgekehrt
muss auch der Künstler keine
langen Wartepausen akzeptieren. Hängt die Veranstaltung, kann er gehen und wird
dennoch bezahlt. „Das ist ein
heißer Kampf hinter den Kulissen“, erzählt Pauels.
Dafür, dass er zumindest
stressfrei sein Ziel erreicht,
sorgen zwei Fahrer im Wechsel. Lampenfieber hat der
„Bergische Jung“ vor den Auftritten ohnehin genug – vor
jedem Auftritt, auch vor der
Mädchensitzung im Gürzenich. „Ich war bestimmt schon
über 2000 Mal auf der Bühne,
und jedes Mal ...“ Er zeigt seine Hände, die vor Anspannung
leicht zittern. Da hilft auch die
Foto: Peter Gauger
eilig gerauchte Zigarette und der
Smalltalk mit den Kollegen nicht.
„So ein Auftritt klappt ja auch
nicht immer“, sagt er. „Dann
geht man kaputt auf der Bühne.“
Man kann eben nie wissen, welche Art Auftritt das wird. Große
Säle sind ohnehin eine Herausforderung, und er und seine Kollegen freuen sich immer über
Kostümsitzungen: „Da halten
die Damen die Herren beim
Trinken zurück.“
Schwieriger sind da schon die
reinen Herren- oder Damensitzungen. Die Männer sind einfach
laut, Frauen dagegen multitaskingfähig. „Die reden einfach
weiter. Das muss man kennen,
sonst denkt man, die hören nicht
zu.“ Nicht irritieren lassen, weiter
im Programm, und zwar so, als
würde man die Witze zum ersten
Mal erzählen – oder besser, als
ob man sie selbst gerade zum ersten Mal hört und richtig darüber
lachen kann. Das habe schon ein
wenig von „Und täglich grüßt das
Murmeltier“, sagt Pauels. Aber
auch, wenn er die Witze beim
139. Mal gar nicht mehr lustig findet, gibt er alles auf der Bühne.
Für das Publikum ist es schließlich das erste Mal. „Man motiviert sich und gibt alles.“ Und das
tut er. Die „Mädcher“ im Gürzenich wissen das zu schätzen. Es
war ein guter Auftritt.
Ulrike Völler