16.07.2016 – Schorndorfer Wochenblatt

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16.07.2016 – Schorndorfer Wochenblatt
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1
Nummer 163 – RMKSA
Samstag, 16. Juli 2016
Schön und lärmig zugleich
Zum Auftritt von Black Virginia Creeper diesen Samstag auf dem Schlosshof in Schorndorf
Donaueschingen
spielt Schlager
Von unserem Redaktionsmitglied
Jörg Nolle
D
ie Donaueschinger Musiktage sind
auch nicht mehr das, was sie noch
nie waren. Früher hat hier die Avantgarde der E-Musik, also die Ober-Ernsten,
nämlich die Adepten der Neuen Musik,
ein Treffen arrangiert. Eines, das sie
sofort wieder in die Isolation trieb, in der
sie sich eh am wohlsten fühlt. Wohlklang war schließlich verboten.
Nun aber heißt es, die Avantgarde
greife nach der Popmusik. Siehe da, im
Programm findet sich ein gewisser Peter
Ablinger mit seinem neuen Werk „Die
schönsten Schlager der 60er und 70er
Jahre“. Es sei an der Zeit, heißt es im
Pressetext, diese verführerischen Konzepte der „musikalischen Sorglosigkeit“ solchermaßen hörbar zu machen,
dass sie filetiert und als Skelett vor einem stehen. Wobei von der Instrumentierung her eigentlich wieder Fleisch
und Fett rankommen. E-Gitarre und EPiano halten Einzug in die heil’gen
Hallen der Musiktage.
Loben wir so viel Öffnung, preisen wir
die Dieter Thomas Kuhns der Neutönerei.
(no)
Zu Tisch bei der
Langen Nacht
Fellbach.
Die achte Lange Nacht diesen Samstag,
16. Juli, von 19 bis 24 Uhr steht diesmal
ganz im Zeichen der von Juni bis Oktober stattfindenden Triennale Kleinplastik mit dem Titel „Food - Ökologien des
Alltags“. Unter dem Motto „Zu Tisch!“
laden Kultureinrichtungen und Ladengeschäfte mit einem delikaten Programmangebot zum Flanieren und
Schauen, Hören und Verweilen, Probieren und Feinschmecken ein. Feine Tafelmusik spielt das Berliner Duo Orchestra
Nueva in der Triennale Kleinplastik in
der Alten Kelter, die ab 19 Uhr bei freiem
Eintritt erkundet werden kann, sowie in
der Stadtbücherei und in der Galerie der
Stadt Fellbach, wo Arpad Dobriban in
seiner Ausstellung „abstrakte Überreste“ Kunst und Essen buchstäblich in einen Topf wirft. Der in Fellbachs Partnerstadt Pécs aufgewachsene Künstler widmet sich in seinem Werk den verschiedensten Aspekten des Kochens als einer
der
ältesten
Kulturtechniken
der
Menschheit. Im Stadtmuseum ist die
Triennale-Begleitausstellung „Die Kartoffel - Geschichte und Geschichten“ zu
sehen. Sie wird mit Gedichten und Kurzprosa zu Speis und Trank literarisch unterfüttert von Bernhard Hurm (Theater
Lindenhof, Melchingen).
In der Stadtbücherei Fellbach bereitet
derweil Götz Schneyder literarische Leckerbissen. Angefangen mit Appetizern
aus der Gedichteküche.
Schorndorf.
Es ist mal wieder der Versuch, einem
Bierfest Manieren beizubringen. Das
Kulturforum hält seit Jahr und Tag bei
der SchoWo dagegen, und zwar mit
einer „Kulturoase“ im halbwegs abgeschottenen Hof des Schlosses. Hauptact
jetzt an diesem Samstag, obwohl sehr
neu auf der Band-Bildfläche: Black Virginia Creeper. Worum handelt es sich
bei diesem jungen Dreier?
Gerufen wird der Schreiber nach Kallenberg. Dort werde geprobt, weit ab vom
Schuss, die ungedämpfte Bass-Trommel
stört niemanden. Dort sei’s zugleich lauschig genug, um in Ruhe über das Projekt zu
reden.
Fahrt hoch Richtung Althütte. Diejenige,
die da (mit) geladen hat, verrät sich auf den
ersten Blick. Man schaut auf ihr T-Shirt,
ein Fan-T-Shirt, und erkennt die Präferenz.
Es ist ein Leible von Sonic Youth. Der
Band, die als Referenz angegeben wird von
so gut wie allen, die eine Zukunft im Rock
sehen, die eine Vorstellung haben von PostRock, dem dank innovativ verstörender
Soundmustern Gegenteil vom schwieligen
70er-Jahre-Heroenrock.
Black Virginia Creeper, die Band macht
es einem damit recht einfach, noch vor dem
eigentlichen kleinen Vorspiel im Übungsraum. Was es dann auf die Ohren gibt, ist
freilich etwas von Sonic Youth plus Ella
Raetzer, Daniel Herrmann und Paul Quast.
So heißen die drei. Teilweise geht es in der
Anmutung auch klug wieder hinter den
Postrock zurück, weil Sängerin und Multiinstrumentalistin Ella Raetzer viel mit ihrer
Stimme zu sagen hat. Also schleichen sich
wieder Songstrukturen ein, meint man, eine
Hookline zu erkennen und eine Strophe.
Kein Problem, es gibt ja auch keine Dogmen. Nur gute Musik.
Das Spiel um
Begriffs-Hoheiten
Der letzte Schlag aufs Becken ist verklungen. Es beginnt das unabdingliche Spiel um
Begriffs-Hoheiten und Kennzeichnungen.
Siehe da, Ella Raetzer atmet auf, als man
sich schnell auf eine Kennzeichnung einigt vorläufig. Die da heißt bis zur Findung von
etwas anderem: schöner Noise-Rock. Auch
wenn es ein Widerspruch in sich sein mag.
Entweder schön oder Krach. Aber genau
um das Widersprüchliche, um den Einbau
von Widerhaken in das Sound- wie in das
Song-Konzept geht es ja. Stampf-Rock
können andere. Denen wird das auch gerne
überlassen.
Ella Raetzer ist an der E-Gitarre wie am
Keyboard viel eher Produzentin von Klangflächen, welche die Gehörknöchelchen aufkratzen, denn Virtuosin nach Rock-RiffMachart. Das gekonnt gespielte Solo interessiert sie nicht. Auch gut so.
Black Virginia Creeper sind Ella Estrella Tischa, Daniel Herrmann, Bass, und Paul Quast, Schlagzeug.
Ganz erstaunlich, dass das Aufkratzende,
das Kontrapunktische im Sound-Konzept,
das schön enervierend Repetetive eben auch
mit drei Menschen am Instrument gelingt
und nicht einen Riesen-Apparat braucht.
Wahrscheinlich ist es eben doch das
Händchen einer 22-Jährigen, die der Musik
gar nicht ausweichen konnte. Zu dominant,
was ihr Vater, Zam Helga, nicht einfach
einbrachte, sondern Tag für Tag vorlebte.
Er galt in den 90er-Jahren als größte PopHoffnung in Stuttgart mit dem Potenzial,
die Republik zu überrollen mit seinem sehr
ernsthaften Pop. Längst hat die Familie in
Plüderhausen ihr Quartier aufgeschlagen,
mit Studio und Unterrichtsraum. Man sieht
mal wieder: Es braucht Talent, aber auch
Förderung. Weit und breit gibt es wohl keinen anderen, der beides besser mitgeben
kann.
Daniel Herrmann aus Fellbach, der Bassist und Sänger bei Black Virginia Creepers,
gab und gibt seiner Band Brothers of Ivory,
Stimme, Klang und Gewicht. Hier handelt
es sich um eine der wichtigsten Neugründungen im Remstal der letzten Jahre. Paul
Quast aus Schorndorf, geschult an den
Drums bei der Big Band des Max-PlanckGymnasiums, zeigte schon in der Formation
Maze, dass sein Verwendungszweck quasi
allseitig ist. Das gewiss vertrackte Zeug einer kunstvoll verschleppenden Alternative
Rock Band schüttelt er locker aus dem Ärmel, steuert aber auch Drang und Drive zu
dem, was man als Dringlichkeit bezeichnen
kann. Es ist der entschiedene Zugriff aufs
Material, was diesen Dreier magnetisch
macht.
Bild: Schlegel
nächste Mensch nicht einfach so vollkommen aus dem Leben. Davon ist zu künden.
Und davon ist auch zu spüren.
@ Video auf zvw.de
Am Start
� Black Virginia Creeper spielt jetzt
am Samstag als Hauptact auf dem
Schlosshof in Schorndorf, Beiprogramm zur SchoWo. Beginn 21.30 Uhr.
Das Elegische
in der Stimme
� Die Band hat elf fertige Songs, die
Die Stücke sind samt und sonders von Ella
Estrella Tischa Raetzer, so der Langname.
Ihr Vortragston hat etwas Elegisches, der
verdüsterte TripHop steht Pate. Es braucht
aber keine aufgeregten Phrasierungen, um
bald drauf zu kommen, dass sie mit ihrer
Stimme was zu sagen hat. Es muss dabei
nicht die Depri-Attitüde sein an einer Tour.
Aber es verschwindet einer aus ihrem Leben nicht einfach so, wenn er nach Amerika
geht. Es verschwindet auch der ihr aller-
demnächst auch auf Platte erscheinen.
Produziert im Studio von Zam Helga in
Plüderhausen. Derzeit wird ein Agent
gesucht, der die Band in der Öffentlichkeit unterbringt. Ella sagt dazu:
„Man muss es versuchen. Und wenn es
nicht klappt, dann geht es einfach um
die Musik.“
Der monumentale Aufmarsch der Blasmannschaften
Masse und hoffentlich auch Klasse beim Blasmusikfestival am kommenden Donnerstag in Plüderhausen
Von unserem Redaktionsmitglied
Jörg Nolle
Plüderhausen.
Kapellen wie einst im Mai gibt es jetzt
am kommenden Donnerstag beim fünften Blasmusikfestival im Zelt der Plüderhäuser Festtage. Fast ist es ein Gegenmodell zum Blech-Duell des SWR 4.
Dort treten wendige, trendige Fregatten
an, am Donnerstag aber obsiegen die
Panzerkreuzer mit ganz viel Blech.
Wer kommt, bekommt garantiert das: einen
satten, sonoren, honorigen Sound aus vollem Brass. Man schaue sich nur die Welz-
Gewiss keine kleine: Die Stadtkapelle Welzheim.
heimer Formation an, siehe unten, oder die
Unterweissacher. Mannen und Maderl fast
ohne Zahl, als ob sich ein ganzer Jahrgang
im Ort des gemeinsamen Musizierens verschrieben hätte.
Heuer dabei sind außer den schon Genannten die Haubersbronner Dorfmusikanten
und der Musikverein Reichenberg aus dem
Blasmusikverband Rems-Murr. Aus dem
Ostalb-Gäu kommt der Musikverein Leinzell, mit 40 Musikern auch kein kleiner. Aus
dem Raum Göppingen dabei ist der Musikverein Ebersbach, der gleich 45 Mannen
schickt. Der Musikverein Cannstatt aus
dem Verband Stuttgart/Filter bringt nur 35
Leute auf die Bühne, die aber schauen alle
auf den Stab einer Frau: Sophie Pope.
Mengenmäßig kann niemand mit den
Welzheimern mithalten. Da sind es 55 Gezählte. Es handelt sich ja auch um den äl-
testen Musikverein im ganzen Kreis, er hat
wahrlich Ruf, Schall und Klang zu verlieren.
Und er ist schon Stammgast beim Remstäler Gegenstück zu dem, was einst die
Göppinger angefangen haben: Blasmusiker
aus verschiedenen Himmelsrichtungen an
einem Abend zu konzentrieren in einem
Zelt. Dazu einen gescheiten Moderator zu
holen, der Freundliches sagt und nicht Frivoles. Es ist in Plüderhausen mal wieder
Michael Branik vom SWR.
Blech total. Mit den sieben Kapellen ist es
noch nicht getan. Die Arge Plüderhäuser
Festtage im Zusammenspiel mit dem Musikverband Rems-Murr holt eine internationale Nummer zudem auf eine der beiden
Bühnen.
Es handelt sich um das Puhacki Okestar
Lovran aus Istrien, Kroatien, das selbst
Ausrichter spielt eines internationalen Festivals.
Wem dann noch nicht die Ohren klingeln,
dem laufen alsbald die Augen über. Ein
„prächtiges Großfeuerwerk“ verspricht
Hartmut Bay zum Finale. Er, der Werber
und Macher der Feststage, muss es wissen,
er ordert es schließlich.
@Video auf zvw.de
Stargast Blasorchester Lovran
� Beginn ist am Donnerstag, 21. Juli, um
18 Uhr im Festzelt an der Rems in Plüderhausen. Das Festival bildet zugleich den
Auftakt der Plüderhauser Festtage.
� Der Stargast, das Blasorchester Lov-
ran aus Kroatien, wurde 1912 gegründet
und bietet ein vielfältiges und modernes
Repertoire. Mit einer guten Kombination
Auch nicht schlecht: Die Unterweissacher.
aus traditioneller heimischer Musik, Jazz,
modernen Hits und klassischen Werken
präsentiert sich das Orchester mit einem
breit gefächerten Unterhaltungsprogramm. Für die Ausbildung von Nachwuchsmusikern wurde ein einzigartiges
Konzept entwickelt, heißt es. Die Kroaten
spielen mehrere Male im Zelt.
Bilder: Privat