Die Renaissance des Produzierenden Gewerbes in den USA
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Die Renaissance des Produzierenden Gewerbes in den USA
1 Monatsbericht 07-2013 Die Renaissance des Produzierenden Gewerbes in den USA – Schein oder Sein? Das Produzierende Gewerbe der USA ist in den letzten Jahren verstärkt ins politische und wissenschaftliche Interesse gerückt. Präsident Barack Obama bezog sich in seiner diesjährigen State of the Union-Rede sieben Mal auf den Industriesektor. Auch ökonomische Analysen beschäftigen sich zunehmend mit der These der „Re-Industrialisierung“ der US-Wirtschaft. Der Grund: Gemessen an seinem Anteil am nominalen Bruttoinlandsprodukt erlebt das Produzierende Gewerbe gerade die signifikanteste Erholung seit 35 Jahren.1 Obwohl die Annahme einer Renaissance des Industriesektors vor dem Hintergrund des US-Schiefergas- und Schieferöl-Booms nicht überraschend erscheint, stellt sich die Frage, ob in alten und neuen Fabriken von Chicago bis San Francisco tatsächlich so viel mehr Güter von den Bändern rollen werden. Die Analyse einiger zentraler Indikatoren zeigt, dass ein Wiederaufstieg des Produzierenden Gewerbes von den Fakten noch nicht eindeutig belegt wird. Anekdotische Evidenz für die Rückverlage rung von Produktion in die USA In jüngster Zeit häufen sich Beispiele von US-Unternehmen, die Produktionskapazitäten aus Billiglohnländern zurück in die Heimat holen. Darunter sind sowohl Industrie-Giganten wie General Electric, das 2012 die Produktion von Waschmaschinen von China nach Kentucky verlagerte, als auch kleine Unternehmen wie „ET Water Systems“. Die Reihe ließe sich mit Namen wie Boeing, Ford oder Google fortsetzen. Dennoch ist die absolute Anzahl mit bislang unter 100 be kannten Fällen noch eher gering, was in deutlichem Kontrast zur Bedeutung steht, die die Diskussion um die Re-Industrialisierung des Produzierenden Gewerbes der USA aktuell einnimmt. Kein Wiederaufstieg ohne Niedergang … Obwohl die Vereinigten Staaten mit einem Produktionswert von 1,8 Billionen US-Dollar im Jahr 2011 das absolut outputstärkste Produzierende Gewerbe haben, erlebt der Sektor seit Jahren einen relativen Bedeutungsverlust innerhalb der US-Wirtschaft. Gemessen am Wertschöpfungsanteil am nominalen Bruttoinlands 1 Coe, Nigel; et al. (2013): „US Manufacturing Renaissance – Is It a Masterpiece or a (Head)Fake?“, Morgan Stanley Blue Paper, Morgan Stanley Research, S. 14. 2 Monatsbericht 07-2013 produkt (BIP) ist das Produzierende Gewerbe von 28,3 Prozent (1953) über 18,6 Prozent (1983) auf elf Prozent (2009) zurückgefallen (vgl. Abb. 1). Das zweite wesentliche Indiz für einen Niedergang ist ein historisch beispielloser Stellenabbau bis 2010. Allein zwischen April 1998 und Januar 2010 hat das Produzierende Gewerbe in den USA seinen Mitarbeiterstamm um 6,2 Millionen Arbeiter bzw. mehr als ein Drittel verringert. … den es so aber nie gegeben hat Die Zeichen des Niedergangs erscheinen damit eindeutig – jedoch nur auf den ersten Blick. Um den realen Beitrag eines Sektors zum Wachstum einer Volkswirtschaft zu beurteilen, bietet sich statt des nominalen der reale Wertschöpfungsanteil an. Hier zeigt sich, dass das Produzierende Gewerbe der USA seit Jahrzehnten einen konstanten Anteil hält. Lag der reale Anteil am BIP im Jahr 1987 bei 11,8 Prozent, so betrug er 2012 12,4 Prozent (vgl. Abb. 1). In den Jahren dazwischen hat er sich bei geringer Volatilität in etwa stabil gehalten. Das bedeutet, dass das Produzierende Gewerbe der Ver einigten Staaten in den letzten 25 Jahren weitgehend parallel zur US-Wirtschaft gewachsen ist. Damit stellt sich die Frage, wie der reale Anteil konstant bleiben konnte, während der nominale Anteil so deutlich gesunken ist. Die Erklärung liegt in den relativen Preisen für den Output des Produzierenden Gewerbes. Wenn sein Dollar-Wert langsamer ansteigt als das nominale BIP, während der reale Output mit dem Wachstum des realen BIP Schritt hält, so muss dessen relativer Anteil am nominalen BIP zwangsläufig fallen.2 Das bedeutet, dass der Preisanstieg von Gütern des Produzierenden Ge werbes hinter dem Zuwachs der Preise aller anderen Güter und Dienstleistungen zurückbleibt. Hinter diesem Zusammenhang steht eine empirisch beobachtbare Entwicklung: Der Vergleich der Preisindizes für die Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft und des Produzierenden Gewerbes zeigt, dass die Preise für Güter des Produzierenden Gewerbes im Zeitraum von 1987 bis 2011 deutlich langsamer gestiegen sind als für die Güter der gesamten Wirtschaft (vgl. Abb. 2). Damit reduziert sich der vermeintliche Niedergang zum Teil auf Preiseffekte, die mit der realen Produktion nur bedingt zu tun haben. Ein Grund dürfte im Boom des Abbildung 1: Realer und nominaler Anteil des Produzierenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten in den Jahren 1987 bis 2012 (in Prozent) 18 17 16 15 14 13 12 11 10 1987 Anteil real 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 Anteil nominal Quellen: Bureau of Economic Analysis; eigene Berechnung 2 Vgl. Feinman, Joshua N. (2011): „The decline of US manufacturing: fact or fiction?“, Deutsche Bank (DB Advisers), Frankfurt a. M., S. 1f. 2011 3 Monatsbericht 07-2013 Abbildung 2: Preisindizes für den Output des Produzierenden Gewerbes und der Gesamtwirtschaft (in Prozent, berechnet zum Basisjahr 2005) 160 150 140 130 120 110 100 1987 1989 Gesamtwirtschaft 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 Produzierendes Gewerbe Quellen: US-Bureau of Economic Analysis; eigene Berechnungen Finanzsektors in diesem Zeitraum liegen, der mit nominal stark steigenden Gehältern und Preisen für Dienstleistungen im Finanzsektor einherging. Im Zuge der Bereinigungen im US-Finanzsektor könnte sich dieser Trend jedoch sogar umkehren. Die zweite naheliegende Frage lautet: Wie konnte das Produzierende Gewerbe seinen realen Output parallel zum Wachstum der US-Wirtschaft steigern, während in der zurückliegenden Dekade gleichzeitig Millionen von Arbeitern entlassen worden sind? Die Antwort heißt Steigerung der Arbeitsproduktivität. Der Blick in die Daten des US-Bureau of Labor Statistics zeigt, dass das Produzierende Gewerbe seit Jahrzehnten überdurchschnittliche Wachstumsraten der Wertschöpfung pro Stunde aufweist. Während die durchschnittliche jährliche Steigerung von 1990 bis 2000 bei 4,3 Prozent lag, betrug sie von 2000 bis 2007 sogar 6,1 Prozent und von 2007 bis 2011 noch 3,8 Prozent. Die Ursache dafür liegt vor allem im außergewöhnlich hohen Produktivitäts- 3 4 wachstum in der Computer- und Elektroniksparte.3 Außerhalb des Produzierenden Gewerbes wuchs die Produktivität durchgehend langsamer. Für die Produzenten ging mit der Steigerung der Arbeitsproduktivität ein Rückgang der Lohnstückkosten einher. Das liefert schließlich eine Erklärung für die sinkenden relativen Preise. Ferner könnte die Absorption von zuvor im Industriesektor Beschäftigten durch den Finanzdienstleistungssektor zu einer statistischen Verbesserung des Produktivitätswachstums beigetragen haben. Schließlich dürfte das intensivierte Off-shoring im Verarbeitenden Gewerbe der USA seit den 90er Jahren zu niedrigeren Preisen für verstärkt importierte Vorleistungen dieses Sektors geführt haben, die statistisch nicht voll erfasst worden sind. Dadurch wurde der in ländische Wertschöpfungsanteil des Verarbeitenden Gewerbes systematisch zu hoch ausgewiesen.4 Vgl. Houseman, S.; T. Bartik; T. Sturgeon (2013): „Measuring Manufacturing: Problems of Interpretation and Biases in the U.S. Statistics“, W.E. Upjohn Institute for Employment Research, Washington D.C., S. 2. Vgl. Houseman, S.; C. Kurz; P. Lengermann; B. Mandel (2010): „Offshoring Bias in U.S. Manufacturing: Implications for Productivity and Value Added“, International Finance Discussion Papers Number 1007, Board of Governors of the Federal Reserve System, Sept. 2010, Washington D.C. Die Autoren ermitteln auf Basis eigener Analysen für den Zeitraum 1997 – 2007 eine Überbewertung der Produktivität in der US-Industrie von jährlich 0,2 bis 0,5 Prozentpunkten. 4 Monatsbericht 07-2013 Wenig Evidenz für eine Trendumkehr Seit 2009 scheint sich der langjährige Rückgang des nominalen Wertschöpfungsanteils jedoch umzukehren. Er ist in dieser Zeit zwar nur leicht von 11 Prozent auf 11,9 Prozent im Jahr 2012 gestiegen. Dennoch handelt es sich dabei um die signifikanteste Erholung seit 35 Jahren. Allerdings ist fraglich, ob dahinter schon ein nachhaltiger Aufschwung des Produzierenden Gewerbes steht. Betrachtet man die Darstellung des nominalen Wertschöpfungsanteils am BIP über alle Sektoren, so wird offensichtlich, dass rein definitorisch jede An teilssteigerung in einem Sektor mit einem relativen Rückgang in einem oder mehreren anderen Sektoren einhergehen muss – ein klassisches Nullsummenspiel. So ist der nominale Wertschöpfungsanteil des Finanzsektors in den Nachkrisenjahren von 2009 bis 2012 um 0,9 Prozentpunkte gesunken, also im selben Umfang wie der Anteil des Produzierenden Gewerbes gestiegen ist. Auch der Anteil des öffentlichen Dienstes ist im genannten Zeitraum um 0,8 Prozent zurückgegangen – was sich auf die angespannte Haushaltslage des öffentlichen Sektors der USA zurückführen lässt. Damit liegt es nahe, dass das angenommene Wiedererstarken des Produzierenden Gewerbes zumindest zum Teil mit der Schwäche anderer Sektoren zusammenhängt.5 Eine weitere Erklärung für die Steigerung des nominalen Wertschöpfungsanteils liefert wiederum die Entwicklung der Preise. Ein Blick auf Abbildung 2 zeigt, dass sich der Preisindex für den Output des Produzierenden Gewerbes seit 2009 an den Index für die Gesamtwirtschaft annähert und folglich die Divergenz der relativen Preise abnimmt. Das wiederum hat eine günstigere Entwicklung des nominalen Wertschöpfungsanteils zur Folge. Insgesamt dürfte damit ein guter Teil der Trendumkehr auf Ursachen zurückzuführen sein, die kaum Rückschlüsse auf die reale Produktion zulassen. Indikatoren zeigen Stabilisierung Die reale Wertschöpfung: Wie bereits beschrieben, ist der Vergleich der realen Wertschöpfung mit der Entwicklung des realen BIP ein guter Indikator für das tatsächliche Wachstum eines Sektors (vgl. Abb. 3). Abbildung 3: Wachstumsvergleich reales BIP und reale Wertschöpfung des Produzierenden Gewerbes Veränderung gegenüber Vorjahr (in Prozent) 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Reales BIP Reale Wertschöpfung des Produzierenden Gewerbes Quellen: Bureau of Economic Analysis; eigene Berechnung 5 gl. Duesterberg, Thomas J. (2013): „The Manufacturing Resurgence: What It Could Mean for the U.S. Economy – A Forecast for 2025“, Aspen Institute, V Washington D.C., S. 1. 5 Monatsbericht 07-2013 Während das Produzierende Gewerbe demnach in der langen Frist von 1992 bis 2007 (bereinigt um das Krisenjahr 2001) mit durchschnittlichen jährlichen Raten von 3,3 Prozent etwas langsamer als das reale BIP gewachsen ist (4,6 Prozent), hat sich dieses Verhältnis seit 2010 umgekehrt. In den Jahren von 2010 bis 2012 betrug die Steigerung der realen Wertschöpfung des Produzierenden Gewerbes jährlich 5,2 Prozent, während das reale BIP lediglich mit 2,1 Prozent stieg. Das zeigt, dass das Produzierende Gewerbe in den letzten Jahren tatsächlich mehr als doppelt so schnell wuchs wie die gesamte Wirtschaft. Allerdings ist diese Erholung in erster Linie als Gegenreaktion auf den krisenbedingten Einbruch der Jahre 2008/09 zu werten. Während die Realwirtschaft in diesem Zeitraum um insgesamt 3,4 Prozent zurückging, verzeichnete das Produzierende Gewerbe mit -14,4 Prozent einen mehr als viermal so starken Einbruch. Dass das schnelle Wachstum des Produzierenden Gewerbes seit 2009 damit nur bedingt als Indiz für einen nachhaltigen Aufschwung gesehen werden kann, zeigen auch die absoluten Zahlen: Bis 2012 hat das Produzierende Gewerbe mit einer realen Wertschöpfung von 1,68 Bil lionen US-Dollar noch nicht ganz sein Vorkrisenniveau von 1,69 Billionen US-Dollar aus dem Jahr 2007 erreicht. Der reale Output: Ein ähnliches Bild zeichnet die Entwicklung des realen Outputs. Aufschluss darüber gibt der auf das Produzierende Gewerbe heruntergebrochene „Industrial Production Index“ (IP) der Federal Reserve.6 Um die Krisenjahre 1991, 2001 sowie 2008/09 bereinigt lag die langfristige durchschnittliche Steigerungsrate von 1992 bis 2007 bei jährlich 4,1 Prozent. In den für die Betrachtung wesentlichen Jahren von 2010 bis 2012 ist der reale Output allerdings nur um jährlich 3,7 Prozent und damit unterhalb des langjährigen Durchschnitts gewachsen. An diesem Indikator lässt sich also keine umfassende „Re-Industrialisierung“ des Produzierenden Gewerbes erkennen. Produktionskapazitäten/Auslastung: Gäbe es in den USA eine Re-Industrialisierung im großen Stil, so müsste sich diese über die Ausweitung von Produktionskapazitäten des Produzierenden Gewerbes bemerkbar machen. Das ist bislang aber nicht festzustellen. Gemäß den Daten der Federal Reserve liegt die durch- Abbildung 4: Entwicklung der realen Produktion und der Produktionskapazitäten Index (log. Darstellung) Kapazitäten 100 Produktion 50 25 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Insgesamt Verarbeitendes Gewerbe Quellen: Federal Reserve Statistical Release 6Der IP misst die reale Produktion aller Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, des Rohstoffabbaus sowie der Strom- und Gasversorgung innerhalb der USA. Vgl. Federal Reserve (15. Mai 2013): „Federal Reserve Statistical Release – Industrial Production and Capacity Utilization“, www.federalreserve.gov/releases/g17/ 6 Monatsbericht 07-2013 schnittliche jährliche Wachstumsrate der Produktionskapazitäten in der langen Frist von 1995 bis 2013 bei 2,4 Prozent (vgl. Abb. 4). Die jährlichen Veränderungsraten in den für die Re-Industrialisierungsthese relevanten Jahren von 2010 bis 2012 liegen jedoch zum Teil deutlich darunter. De facto wurden die Produktionskapazitäten in der zurückliegenden Dekade kaum noch erweitert, wohingegen sie in den Jahrzehnten davor stetig und stabil ausgebaut worden sind. Dass das Produzierende Gewerbe keinen Druck zur Ausweitung seiner bestehenden Kapazitäten hat, zeigt sich zudem an deren aktueller Auslastung. Sie lag in der langen Frist (wiederum ohne die Krisenjahre 1991, 2001 und 2008/9) von 1992 bis 2007 bei 79,4 Prozent. Im Vergleich dazu war die Auslastung von 2010 bis 2012 mit 73,7 Prozent unterdurchschnittlich. Der Exportanteil: Seit 2007 ist es den Vereinigten Staaten gelungen, ihren Anteil am Weltgüterexport leicht von 8,9 Prozent auf 9,1 Prozent im Jahr 2011 zu steigern. Das Produzierende Gewerbe konnte davon allerdings nicht profitieren. Beschränkt auf seine Produkte weisen die USA seit 2007 fallende Anteile am weltweiten Export auf. Während die US-amerikanischen Ex porteure des Produzierenden Gewerbes nach WTO- Daten im Jahr 2007 noch 9,6 Prozent aller weltweit exportierten Güter dieses Sektors ins Ausland lieferten, waren es im Jahr 2011 nur noch 8,4 Prozent. Die Beschäftigtenzahlen: Ein wesentliches Argument für das Wiedererstarken des Produzierenden Gewerbes der USA ist der Anstieg der Beschäftigtenzahlen. Zwischen Januar 2010 und Mai 2013 wurden insgesamt 507.000 Beschäftigte (+4,4 Prozent) eingestellt, was die signifikanteste Erhöhung seit 15 Jahren darstellt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Zuge der Kon junkturerholung weite Teile des US-amerikanischen Arbeitsmarktes derzeit einen Anstieg der Beschäftigtenzahlen erleben. Mit der Steigerung um 4,5 Prozent steht das Produzierende Gewerbe verglichen mit anderen Sektoren wie den Unternehmensdienstleistungen (+12,9 Prozent von August 2009 bis April 2012) oder dem Freizeit-/Gastgewerbe (+8,8 Prozent von Januar 2010 bis April 2012) relativ schwach da. Zudem ist das Produzierende Gewerbe mit seinen aktuell rund 12,3 Millionen Beschäftigten (April 2013) derzeit noch weit davon entfernt, wieder an das Vorkrisenniveau (Januar 2008: 13,7 Millionen Beschäftigte) anzuschließen. Was hier beobachtet werden kann, ist eher eine moderate Erholung von einer krisenbedingten Entlassungswelle als ein überzeugendes Indiz für eine Re-Industrialisierung des Produzierenden Gewerbes. Auch eine umfas- Abbildung 5: Entwicklung der Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe 160 140 Index; 2000 = 100 120 100 80 60 40 20 0 2000 2001 Deutschland Quelle: US Bureau of Labor Statistics 2002 USA 2003 Kanada 2004 2005 Frankreich 2006 Italien 2007 Südkorea 2008 2009 2010 2011 7 sende Rückverlagerung von Produktion aus dem Ausland im großen Stil kann aus den Arbeitsmarktdaten nicht abgelesen werden. Eine Re-Industrialisierung des Produzierenden Gewerbes der USA lässt sich aus der tatsächlichen Entwicklung des Sektors bislang nicht herauslesen. Zwar haben sich die untersuchten Indikatoren seit 2009 besser entwickelt als in den Krisenjahren davor, allerdings handelt es sich dabei nach Art und Umfang eher um eine moderate Erholung als um Belege für einen neuen Trend. Alle Indikatoren, die als Beleg für die Re-Indus trialisierungsthese herangezogen werden, sind nicht aussagekräftig genug, um so eine weitreichende Aus sage derzeit zuzulassen. Fazit: Re-Industrialisierung der US-Wirtschaft – Wette auf die Zukunft Verglichen mit wichtigen Konkurrenzländern befindet sich das Produzierende Gewerbe der USA in einer günstigen Situation. Laut der Daten des US-Bureau of Labor Statistics ist es in den USA gelungen, die Lohnstückkosten im Betrachtungszeitraum von 2000 bis 2011 deutlich zu senken, während sie in wichtigen Konkurrenzländern wie Deutschland, Frankreich oder Kanada zum Teil deutlich gestiegen sind. Einen weiteren Wettbewerbsvorteil haben US-Unternehmen des Produzierenden Gewerbes angesichts der günstigen Energiepreise im Vergleich zum Weltmarkt. Aufgrund des Schiefergas-/-öl-Booms sind Erdgas, Erdöl und Elektrizität in Monatsbericht 07-2013 den Vereinigten Staaten deutlich billiger als in Konkurrenzländern. Obwohl sich die internationale Wettbewerbsposition für US-Unternehmen des Produzierenden Gewerbes verbessert hat, konnten diese bislang nicht in nennenswertem Umfang davon profitieren. Weder der Export- Anteil noch der Umfang ihrer Produktionsanlagen ist in den letzten Jahren überdurchschnittlich gewachsen. Für die viel zitierte Rückverlagerung von Produktionskapazitäten in die USA gibt es zweifelsohne einige Beispiele. Insgesamt ist die Bewegung allerdings offenbar bislang zu schwach, als dass sie sich in den betrachteten Indikatoren niederschlagen würde. Die „Re-Industrialisierung“ der US-Wirtschaft ist deshalb zurzeit noch ein Hoffnungswert. Sie speist sich aus den US-Energiemärkten, die wegen der Schiefergas- und Schieferöl-„Revolution“ einen Boom ausgelöst haben. Ob die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes künftig messbar stärker davon profitieren werden, als sie es bislang getan haben, ist offen und hängt neben dem relativen Anteil der Energiekosten an der Produktion auch von vielen anderen Faktoren wie Steuern, Infrastruktur oder der Energiepolitik anderer Länder ab. Kontakt: Dr. Berend Diekmann; Christian Raffer (Praktikant) Referat Außenwirtschaft, G8/G20, OECD, USA, Kanada, Mexiko