Helikopter-Eltern - Gudrun Mebs Kinderhaus
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Helikopter-Eltern - Gudrun Mebs Kinderhaus
Helikopter-Eltern von Silke R. Plagge Es gibt Eltern, die kreisen immer um ihr Kind herum – sie wollen jederzeit helfen und vor allem schützen. Damit machen sie sich und ihrem Nachwuchs das Leben schwer. „Helikopter-Eltern“ nennen Experten dieses Phänomen. Was dagegen hilft? Mehr Mut. Nicht ganz einfach. Kindheit im 21. Jahrhundert ist gar nicht einfach. Wer auf einen Spielplatz geht, wird bemerken, dass Eltern immer präsent sind. Ein paar Mütter sitzen vielleicht zusammen, doch die meisten Eltern sitzen gemeinsam mit ihren Kindern in der Sandkiste, rutschen und machen Spielangebote. Einfach mal alleine spielen? Das trauen Eltern ihren Kindern oft gar nicht zu. Mama und Papa als unbezahlte Kinderanimateure Erinnern Sie sich noch an die eigene Kindheit? Wie war das, wenn ein anderes Kind zu Besuch war? Heute jedenfalls meinen Mütter, dass sie ihrem Kind und dem Besucherkind etwas bieten müssen. Und zwar nicht nur einen Kakao, sondern noch ein tolles Bastelprojekt oder vielleicht ein Plätzchenbacken? „Kinder bespaßen“ wird das mit einem Schmunzeln genannt. Mama und Papa als Alleinunterhalter. Und das auch schon für die ganz Kleinen. Wenn Zweijährige ihre ersten Verabredungen haben, sitzen die Mütter immer daneben und bieten dem Nachwuchs Spielideen an. Die Eltern organisieren das Spiel der Kinder, lösen Konflikte, entscheiden das tägliche Programm. Deshalb treffen sich Kinder nicht mehr wie früher auf der Straße oder spielen alleine in der Umgebung. Sie sind beim Kinderturnen, im Musikkurs, lernen Englisch oder werden zum Indoor-Spielplatz gebracht. Mama mutiert zum Taxi und Fachleute schütteln besorgt den Kopf. „Verinselung“ nennen die Soziologen diese Entwicklung, denn die Kindheit findet nur noch auf kleinen ausgewählten Flecken statt. Eltern, die immer herumschwirren, rauben ihrem Kind Erfolge Besonders schwierig ist es, dass viele Eltern konstant um ihre Kinder herumschwirren. Sie sind dienstbare Geister, jederzeit bereit einzugreifen oder sich einzumischen. Und damit tun sie weder sich, noch ihren Kindern einen Gefallen. Denn so rauben Sie ihren Kindern auch Erfolgserlebnisse. Obwohl sie eigentlich wissen müssten, wie wichtig es für den Nachwuchs ist, eigene Erfahrungen und Fehler zu machen. Wieso werden Eltern Hubschrauber? Die Amerikaner haben den Begriff der “helicopter parents” – Helikopter-Eltern für diesen Erziehungsstil geprägt. Sie überbehüten und wollen vor Gefahren schützen und organisieren das Leben ihrer Kinder komplett. Aber warum? Vielleicht weil viele Kinder eben langersehnte Wunschkinder später Eltern sind. Weil moderne Eltern sich eng an ihr Kind binden und es sehr lieben. „Wer über Jahre für sein Baby und Kleinkind da war, dessen Abhängigkeit gespürt hat, sein Bedürfnis nach Nähe, kann das alles nicht so einfach loslassen. Er möchte weiter wachen und über das Wohl seines Kindes bestimmen“, sagt der Entwicklungspsychologe Ulrich Diekmeyer. Die sehr enge Bindung, Schwierigkeiten beim Loslassen können – und dazu kommt auch noch eine übersteigerte Erwartungshaltung. Wer mag sich schon den Vorwurf gefallen lassen, seinem Kind nicht alles bieten zu können? Und so werden eben Kurse angeboten und eine Animationsprogramm. Auch aus Unsicherheit heraus, denn es gibt immer weniger Kinder und vieles ist deswegen nicht mehr selbstverständlich. Beispielsweise war es in einer kleinen Wohnanlage mit 30 Wohneinheiten vor dreißig Jahren nie langweilig – einfach auf den kleinen Spielplatz gehen und schon fanden sich andere Kinder ein. Heute wohnen in solchen Anlagen einfach nicht mehr genügend Kinder, so dass sich eben auch nicht unkompliziert Spielpartner finden. Eltern sind zu ängstlich – so lernen Kinder keine Eigenverantwortung Viele Eltern fühlen sich auch durch die Medien und schreckliche Geschichten sehr verängstigt. Eine Fünfjährige einfach alleine hinausschicken? Was könnte da alles passieren? Kinder gelten als dauergefährdet und das unbeaufsichtigte Spiel als bodenloser Leichtsinn. Der britische Soziologe Frank Furedi nennt das Eltern-Paranoia. Denn die Bedrohung sei nicht real, das Kind kann nicht so schnell verletzt werden. Es sind die Eltern, die ihre eigenen Sorgen auf das Kind übertragen. Tatsächlich ist es so, dass die Gefahren für Kinder heute nicht größer geworden sind. Viele Kinder starben im Strassenverkehr – auch weil Eltern ihren Nachwuchs ohne jede Sicherung sogar im Kofferraum eines Kombis transportierten. Heute gibt es die Pflicht, Kinder im Kindersitz mitfahren zu lassen, Herdschutzgitter und diverse andere Sicherheitsmaßnahmen, die Kinder gut schützen. Die Unfallstatistiken zeigen, dass die Zahl der getöteten Kinder deutlich gesunken ist. Kinder spüren die Ängste der Eltern. Wer permanent kontrolliert, zeigt damit nicht nur die eigene Verunsicherung, er signalisiert dem Kind damit auch: „Ich glaube nicht, dass du das alleine schaffst.“ Damit wird das Kind vielleicht geschützt – vor einer vermeintlichen Gefahr. Es wird aber auch nicht lernen, sich etwas zu zu trauen. Die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Sigrid Tschöpe-Scheffler nennt dies „Krisenklau“. Und erklärt: “Sätze wie ‘Dazu bist du noch zu klein’ oder ‘Lass nur, ich mach das schon’ erziehen Kinder dazu, die Verantwortung an andere abzugeben. Sie werden träge, lustund einfallslos.“ Kinder, die nie alleine spielen können und immer unter Aufsicht sind, lernen nicht, sich selbst zu beschäftigen. Und sie machen nicht die Erfahrung, wie man mit Risiken und Gefahren umgehen kann. Wer selbst keine Fehler machen kann, kann auch nicht lernen, wie man damit umgeht und an ihnen wachsen kann. Wieviel Überwachung muss sein? Natürlich sollte man Kinder auch nicht selbst überlassen. Kleinkinder sehen wirklich schlimme Gefahren nicht, können sich mit dem Wasserkocher verbrühen oder in einem Fischteich ertrinken. Sie brauchen unsere Aufsicht – aber nicht unser permanentes Spielangebot. Zweijährige können alleine mit Lego-Duplo spielen. Sie müssen eben auch lernen, sich selbst zu beschäftigen – und das geht nur, wenn Mama eben auch mal nicht mitbaut. Kinder brauchen Fürsorge, Schutz und auch Kontrolle! Aber damit sie selbstständiger werden können, müssen sie dies auch in kleinen Schritten lernen. Es gibt keine Gebrauchsanweisungen dafür, wie das geht. Jedes Kind ist verschieden, manch Fünfjähriger kann wirklich schon allein mit seinem Freund auf dem Spielplatz spielen – wenn die Mutter in der Wohnung ist und jederzeit geholt werden kann. Andere Gleichaltrige sind vielleicht noch nicht so weit. Erinnerungen können Eltern helfen – was noch? Eltern, die ihren Kindern etwas zutrauen, brauchen keine Handys, die per GPS das Kind orten können. Sie wissen, dass sie sich auf ihren Nachwuchs verlassen können. Kinder brauchen Mut und Zutrauen. Das ist nicht einfach für uns Eltern. Aber vielleicht hilft es, sich an die eigene Kindheit zu erinnern. An die Freude daran, im Garten mit den anderen Kindern eine Hütte zu bauen, an den Ball, der in den Tümpel gerollt war und den man herausfischte – obwohl das verboten war. An viele kleine Krisen, die gemeistert wurden. Waren unsere Eltern locker, unbesorgter oder unbedarfter? Auf jeden Fall mutiger. Sätze wie: „Ach, mein Kind kann das schon“ waren häufiger. Erstklässler als Schlüsselkinder? Heute undenkbar, vor dreißig Jahren modern und normal. Es ist nicht einfach, Kindergartenkinder und kleine Grundschüler alleine durch die Gegend stromern zu lassen. Aber vielleicht können wir lernen, wieder weniger Angst zu haben? Mehr Freiraum zu lassen, damit Kinder wieder mehr freie Kindheit erleben können? Sehen Sie das auch so? Oder ist es vielleicht besser, dass Eltern heute viel vorsichtiger sind als ihre eigenen Eltern?