Wort zum Tage - Katholische Kirche beim hr

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Wort zum Tage - Katholische Kirche beim hr
Morgenfeier in hr2-kultur / Ostersonntag, 5. April 2015 / Beate Hirt, Frankfurt
Halleluja!
Es ist mittlerweile ein richtiges Ritual für mich am Ostermorgen: Wenn ich vom
Gottesdienst oder vom Osterfrühstück nachhause komme, dann lege ich mir die CD
mit Händels Messias ein. Und dann stell ich es laut: das berühmte Halleluja. In der
Osternacht hab ich schon ein paar Mal Halleluja gesungen – und jetzt höre ich es mir
in der großen Händel-Fassung an, und ich summe ein bisschen mit. Die Stimmung
dabei ist ganz eigenartig: Einerseits fühl ich mich froh und jubilierend, andererseits
auch wehmütig. Meistens kommen mir mitten im Halleluja die Tränen. Mitten in dieser
großen Auferstehungsmusik muss ich auch an die Toten denken, die ich vermisse.
meine Mutter, eine gute Freundin, einen guten Freund. Ich hoffe: Sie erleben diese
Auferstehung, die ich in der Osternacht gefeiert habe. Ich hoffe, die Auferstehung Jesu
hat Auswirkungen auf sie und irgendwann auf mich und wir werden ihn erleben, den
großen Ostermorgen, der niemals endet. Ich hoffe darauf: dass wir uns einst
wiedersehen. Und vielleicht werden wir dann auch gemeinsam das Halleluja singen.
diesen großen Jubel auf Gott und aufs Leben.
Musik 1: aus: Georg Friedrich Händel, Messias, Halleluja (CD: Georg Friedrich
Händel: Messiah, Stockholm Kammerkören, Concentus Musicus Wien, Nikolaus
Harnoncourt)
Georg Friedrich Händel hat mit diesem großen Chor aus dem „Messias“ wohl das
berühmteste Halleluja geschrieben. Eine Freundin hat mir einmal erzählt: Wenn dieses
Stück im englischsprachigen Raum gesungen wird, dann stehen alle auf, selbst in
großen Konzertsälen hält es keinen auf dem Stuhl. Halleluja: Das ist ein Gesang, der
die Leute von den Sitzen reißt. Im katholischen Gottesdienst ist das übrigens auch
schon so. Wenn dort das Halleluja ertönt, stehen alle in der Kirche auf. In der
katholischen Liturgie hat der Ruf seinen Platz vor dem Evangelium. Es ist eine Art
Begrüßungs- und Jubelruf für Jesus Christus, von dem dann im Evangelium erzählt
wird und der durch diesen biblischen Text nun quasi gegenwärtig wird. Natürlich ist
dieses Halleluja im Gottesdienst nicht so lang und feierlich wie bei Händel. Aber es
klingt auch an der Stelle schon nach großem Lobpreis.
Am Ostermorgen wirkt das Halleluja besonders feierlich – das hat nicht zuletzt damit
zu tun, dass man es eine ganze Weile nicht gehört hat. In der Fastenzeit, also seit
Aschermittwoch wird das Halleluja in den Gottesdiensten ersetzt durch einen anderen
Ruf. Halleluja: Das hab ich jetzt also fast sieben Wochen lang nicht gesungen und
gehört. Und natürlich ist es schon deswegen besonders, dass es nun nach langer
Pause wieder erklingt. Das Halleluja in der Osternacht wird deshalb traditionell in einer
besonders festlichen Fassung gesungen.
Musik 2: Ostern: Alleluja (CD: Greogrianische Gesänge, Choralschola der
Benedikinterabtei Münsterschwarzach, Godehard Joppich)
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Das Halleluja kommt aber im Gottesdienst an Ostern längt nicht nur in diesem Ruf vor.
In praktisch allen Kirchenliedern an Ostern steckt es auch drin. „Wir wollen alle fröhlich
sein in dieser österlichen Zeit“ – in dem Lied zum Beispiel folgt auf jede Strophe der
immer wieder kehrende Kehrvers: Halleluja, gelobt sei Christus, Marien Sohn (vgl.
Gotteslob Nr. 326). Oder das Lied „Gelobt sei Gott im höchsten Thorn“ (vgl. Gotteslob
328): Da schließt auch jede Strophe mit einem dreifach donnernden Halleluja. Und
dieses „Halleluja-ha-ha“ am Ende klingt sogar ein bisschen nach Lachen – früher hat
man ja in der Kirche an Ostern nicht nur diese schwungvollen Lieder gesungen, es
gab sogar Osterwitze und Osterlachen im Gottesdienst.
Auch das älteste Osterlied hat natürlich sein Halleluja, es klingt nicht ganz so
tänzerisch und fröhlich wie die jüngeren Lieder, aber dafür ist es vermutlich sogar das
älteste deutsche Kirchenlied überhaupt: „Christ ist erstanden“. Es geht bis auf das 12.
Jahrhundert zurück und ist , was Text und Melodie angeht, mit der lateinischen
Ostersequenz verbunden – auch in dieser Sequenz aus dem 11. Jahrhundert werden
die Christen schon aufgefordert: Sie sollen ein Loblied singen auf Christus, den
Auferstandenen. „Christ ist erstanden“ – das ist ein Lied mit drei kurzen Strophen, und
die dritte beginnt mit dem dreifachen Halleluja. Martin Luther hat dieses Lied
besonders gemocht und immer wieder darüber gepredigt. Und Johann Sebastian
Bach schließt seine Osterkantate „Erfreut euch, ihr Herzen“ mit dieser dritten Strophe
aus „Christ ist erstanden“. Der Text geht so: „Halleluja, halleluja, halleluja. Des soll wir
alle froh sein, Christ muss unser Trost sein. Kyrieleis.“
Musik 3: Schlusschoral aus J.S. Bach, Kantate „Erfreut euch, ihr Herzen“ (CD: J.S.
Bach, Osteroratorium, Philippe Herreweghe)
„Christ muss unser Trost sein“, so heißt es in diesem Schlusschoral aus Bachs
Osterkantate. Im heutigen Kirchenlied steht leicht variiert: „Christ will unser Trost sein.“
Irgendwie passt der Text dieses alten Osterliedes auch ganz gut zu meiner HallelujaStimmung am Ostermorgen. Sie ist eben nicht einfach nur überschwänglich und schon
gar nicht triumphalistisch fröhlich. Am Ostermorgen ist nicht einfach alles Leid der Welt
vergessen und beiseite gewischt. Auch meine Sorgen sind nicht verschwunden, und
um meine Toten trauere ich immer noch. Wie gut tut es, wenn da im Osterlied vom
„Trösten“ die Rede ist. In diesem alten Lied heißt es außerdem: Christ ist erstanden
„von der Marter alle“. Da wird gleich am Anfang des Osterliedes auch noch mal an
Jesu Passion erinnert, an die Schmerzen, die er durchgestanden hat. Auch darin
schwingt ja mit: Es ist nicht einfach alles weggewischt und gut an Ostern.
Eindrucksvoll zeigen das für mich übrigens nicht nur die Osterlieder, sondern auch die
Osterbilder: Auch in der Kunst ist der Auferstandene nicht nur die strahlende
Lichtgestalt. Er hat fast immer auch ganz erkennbar seine Wundmale an sich, an
Händen und Füßen und an seiner Seite ist noch das Blut der Kreuzigung zu sehen. In
der Bibel wird erzählt: Die Jünger erkennen Jesus an diesen Wundmalen. Thomas,
der Zweifler, soll sogar seine Hände in die Wunden Jesu legen, um zu begreifen: Ja,
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das ist er wirklich, das ist derselbe, der am Kreuz gehangen hat. Er hat Schmerz und
Marter überwunden, aber er musste sie eben auch durchstehen. Er hat gelitten wie ein
Mensch – und ist nicht auferstanden als unverwundbarer Held. Christus ist mir
deswegen auch nah: weil er Leid erfahren hat in seinem Leben, weil er auch um seine
toten Freunde geweint hat – und er ist mir Trost, weil er im Leid an Gott festgehalten
hat. Und weil ihn dieser Gott letztendlich aus Leid und Tod herausgeholt hat.
Im Halleluja schwingt diese Mischung aus Trauer und Trost für mich immer mit. Und
es sind deswegen auch gerade die etwas zurückhaltenderen Halleluja-Töne, die mich
immer wieder faszinieren. Zum Beispiel dieses Halleluja aus einem Abendhymnus von
Henry Purcell.
Musik 4. aus: Henry Purcell, An Evening hymn (CD: Purcell, Songs and Airs, Emma
Kirkby, Hogwood, Rooley)
Das Halleluja: Es ist seit Jahrhunderten eine Art Trostgesang, ein Gesang, der
aufzeigt: Leid und Tod sind nicht das Letzte. Christ ist erstanden, Halleluja – und auch
wir Menschen werden auferstehen, Halleluja, wir dürfen hoffen auf Heil und Leben,
auch auf ein Leben nach dem Tod.
Gott steht uns bei, er holt uns heraus aus dem Dunklen ins Licht: Das ist ja eine
Botschaft, die nicht erst das Christentum erfunden hat. Sondern die auch schon das
so genannte Alte Testament durchzieht. Auch in den Schriften des Judentums heißt
es: Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell. Und auch das
Halleluja ist natürlich keine Erfindung der Christen. Es ist ein hebräischer Ruf, und er
findet sich schon zwei Dutzend Mal im Buch der Psalmen. Halleluja, das bedeutet:
Lobt den Herrn! Und viele Psalmen tun genau das: Sie loben und preisen Gott aus
vollem Herzen und aus vollem Munde. Vor allem Psalm 113 bis 118 sind solche
Lobeslieder, sie werden deshalb sogar so ähnlich wie das Halleluja genannt: HallelPsalmen. Psalm 113 beginnt in der Übersetzung von Martin Buber und Franz
Rosenzweig so: „Preiset o Ihn! Preiset, ihr SEINE Knechte, preiset SEINEN Namen!
Sein Name sei gesegnet von jetzt bis hin in die Zeit, vom Aufstrahlen der Sonne bis zu
ihrer Heimkunft SEIN Name gepriesen! ER ist über alle Weltstämme erhaben, sein
Ehrenschein über den Himmel. Wer ist wie ER, unser Gott, der Sitz hat in der Höhe,
der Sicht hat in die Tiefe im Himmel und auf der Erde, vom Staub aufrichtet den
Armen…“
Diese Hallel-Psalmen werden übrigens in diesen Tagen auch bei einem wichtigen
jüdischen Fest gesungen, ähnlich wie das festliche Halleluja beim christlichen Ostern.
Seit Freitag begehen Juden das Pesach, und sie singen beim gemeinsamen Mahl das
Pesach-Hallel, das Loblied, das aus diesen Psalmen 113 bis 118 besteht. Das
Pesachfest erinnert jedes Jahr an den Auszug aus Ägypten, die Befreiung aus der
Knechtschaft – und Gott wird gepriesen für alles, was er einst geschaffen hat, und für
alles, was er an den Menschen bis heute an großen Taten vollbracht hat.
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Ich finde es faszinierend, dass Juden und Christen durch diese Hallel oder Halleluja
miteinander verbunden sind: Sie preisen Gott in ihren Feiern, sie singen Gott ihre
Loblieder. Die Psalmen haben auch christliche Komponisten über die Jahrhunderte
immer wieder zu neuen Gesängen inspiriert. Heinrich Schütz zum Beispiel hat sie
wunderbar und besonders festlich vertont. Etwa den letzten Psalm, den 150., im
Judentum wird er das „Kleine Hallel“ genannt. In ihm wird das Lob Gottes noch einmal
endgültig gesteigert. Bei Martin Buber und Franz Rosenzweig hört sich dieser Psalm
in der Übersetzung aus dem Hebräischen so an: „Preist oh Ihn! Preiset Gott in seinem
Heiligtum, preist ihn am Gewölb seiner Macht! … Preiset ihn mit Posaunenstoß,
preiset ihn mit Laute und Leier, preiset ihn mit Pauke und Reigen, preiset ihn mit
Saitenklang und Schalmei, preiset ihn mit Zimbelnschall, preiset ihn mit
Zimbelngeschmetter! Aller Atem preise oh Ihn! Preiset oh Ihn!“ Kein Wunder, dass das
einen Musiker inspiriert.
Musik 5: Heinrich Schütz, Psalm 150 SWV 38 (CD: Psalmen Davids, Frieder Bernius)
Was mich an so einem Halleluja auch fasziniert: Es reißt nicht nur von den Stühlen
und lässt einen aufrecht stehen. Es lässt einen auch mitsummen und singen! Die
Lobpsalmen und das Halleluja: Die kann man eigentlich nicht sprechen. Man muss sie
singen, musizieren, vielleicht sogar tanzen im Reigen. Von Anfang an sind Psalmen
und Halleluja so überliefert. Die Psalmen Davids, der Tradition nach hat König David
sie vor dreitausend Jahren als einer der ersten Komponisten geschaffen und selbst
gesungen und auf seiner Harfe begleitet. Im Psalm 150 werden die Instrumente
aufgezählt, die da noch so mitmachen können: Laute, Schalmei, Zimbeln, Posaunen.
Es ist ein großer, vielfältiger Klang, der beim Halleluja entsteht. Durch viele
unterschiedliche Instrumente – aber auch durch viele unterschiedliche Stimmen. Beim
Halleluja im Gottesdienst singen seit Jahrtausenden alle mit: Jung und Alt, Mann und
Frau, Juden und Christen. Es ist ein Gesang, der Religionen, aber auch Konfessionen
verbindet: evangelisch und katholisch und orthodox. Besonders zu hören ist das in
Taizé, dem kleinen Ort im Burgund mit der großen ökumenischen Tradition. Dort
treffen sich junge Menschen aus allen Nationen und Konfessionen – und sie singen es
dort auch zusammen: das Halleluja.
Musik 6: Taizé, Alleluja 2 (CD: Gesänge aus Taizé, Junger Chor St. Paul, Aachen,
Solisten und Instrumentalisten, Leitung: Josef Hansen)
„Wer singt, betet doppelt!“ Das soll der heilige Augustinus einmal gesagt haben, und
ich finde, es gilt fürs Halleluja ganz besonders. Das ist doppeltes Gebet, doppeltes
Lob. Ohne Töne wäre das Halleluja nur halb. Es braucht eben die Musik und den
Einsatz der ganzen Stimme und des ganzen Körpers. Und vielleicht berührt es mich
auch deswegen so besonders: Weil das Halleluja mich eben ganzheitlich erfasst, weil
es Körper und Seele ins Schwingen bringt.
Es ist eigentlich ein Lobpreis, der sich an Gott und Christus richtet. Aber ich spüre
ganz deutlich: Die Wirkung dieses Halleluja, die zielt auch auf den, der es singt. Wenn
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ich Gott ein Loblied singe, dann preise ich auch mich ob so eines Gottes. Ich freue
mich darüber, dass es diesen Gott gibt. Dass er die Welt geschaffen hat, dass er mich
geschaffen hat und trägt und hält und mein Leben will, sogar über den Tod hinaus. In
Psalm 149 gehören solches Lob und solche Freude auch ganz eng zusammen, da
heißt es: „Halleluja! Singt dem Herrn ein neues Lied! Sein Lob erschalle in der
Gemeinde der Frommen. Israel soll sich über seinen Schöpfer freuen, die Kinder
Zions über ihren König jauchzen.“ Auch, wenn das nicht jeder so singen kann am
Ostermorgen und auch wenn manche Sorgen und Trauer bleiben: Ich will mich
aufrichten und trösten lassen von solch einem Halleluja-Lobgesang.
Musik 7: Georg Friedrich Händel, Messias, Halleluja (CD: Georg Friedrich Händel:
Messiah, Stockholm Kammerkören, Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt)
Zum Nachhören als Podcast
http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=43760
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