App und Sex – Wie das Smartphone unser Liebesleben
Transcription
App und Sex – Wie das Smartphone unser Liebesleben
App und Sex Wie das Smartphone unser Liebesleben verändert. Eine Sendung von Johannes Nichelmann Redaktion: Jana Wuttke Länge: 54:35 Minuten Sendung vom 07. Februar 2015, 13.05 Uhr Deutschlandradio Kultur Redaktion „Breitband“ Hans-Rosenthal-Platz 10825 Berlin [email protected] breitband.deutschlandradiokultur.de twitter.com/breitband facebook.com/breitband © Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. DKultur – Breitband Feature – App und Sex Sandra Gerade ein bisschen schmusig, hä? Johannes Frühstückst Du gerne? Was gibt’s da immer so? Sandra Ich frühstücke eigentlich nie. Ich mach so ein klassisches Nuttenfrühstück. Zigarette und Kaffee. Johannes Was isst Du am Liebsten? Sandra Ich mag ganz gern deftig so. So ein Hackbraten oder Gulasch oder Buletten. Super! Johannes Was hörst Du am Liebsten für Musik? Sandra Musik hör ich eigentlich, klingt zwar komisch, alles. Aber ist einfach nur, ich bin breit aufgestellt. Manchmal hab ich Bock auf Jazz, manchmal Bock auf Blues, dann hab ich wieder Bock auf Rock, dann wieder auf Elektro. Und da verschiedene Richtungen. Johannes Wie groß bist Du? Sandra Ein Meter, dreiundachtzig. Johannes Und Augenfarbe? Sandra (lacht) Grün! Johannes Bist Du eher so ein Outgoing-Typ oder eher so ein Home-Typ? Sandra Ne, ne. Raus! Action! Tanzen! Tanzen ist wichtig. Johannes Was suchst Du? Sandra Hm... Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Nicht konkretes. Autor Es ist eine Revolution. Dating-Apps verändern den Weg, wie wir uns kennenlernen. Sie heißen „Tinder“, „Lovoo“, „Happen“ oder „Grindr“. Wir können uns Kontakte aus der Umgebung wie im Katalog aussuchen und bieten uns selber an. Unkompliziert und einfach. Damit machen wir uns zum gläsernen Menschen. AppBetreiber wissen alles über uns. Im Gegenzug gibt es Sex. Oder den glauben daran, dem Traum von der großen Liebe näher kommen zu können. 2 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Das Breitband-Feature: App und Sex – wie das Smartphone unser Liebesleben verändert. Mein Name ist Johannes Nichelmann. Roger Heute hatte ich, dann genau wie immer, zwei Brötchen und dann Kaffee plus einen O-Saft und... Johannes Was machst Du gerade so? Roger Ich bin Illustrator. Selbstständiger Illustrator und ich bin in ganz verschiedenen Projekten jetzt. Also hab immer mit Illustration zu tun. Johannes Wo kommst Du her? Wie alt bist Du? Roger Ich komme aus Barcelona und ich bin jetzt 32. Autor Roger wohnt in Berlin. Drei Monate lang hat er die Dating-App „Tinder“ benutzt. Sie ist der Klassiker und weltweit wohl am Meisten in Gebrauch. Er bekam Fotos und Profile von Frauen angezeigt. Dann hat er mit seinem Daumen nach links gewischt, wenn er kein Interesse hatte. Nach rechts, wenn er sich einen Chat oder mehr vorstellen konnte. Fand ihn die Dame seiner Wahl auch gut, gab es ein Match. Und der Weg stand beiden frei, miteinander zu chatten. Sich kennenzulernen. Am Ende hatte Roger eine Liste mit 80 Frauen für die er sich interessiert hat. Und sie sich für ihn. Eine Stunde täglich hat er sich Minimum damit beschäftigt. Roger Ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen am Anfang, weil es ist wie ein IKEA-Katalog. Manchmal. Aber dann... alle sind da. Vögeln und Sex haben und am Ende es ist... man muss nicht so viele Gedanken sich machen. Es ist einfach so. Ich glaube, ich hab mich mit sechs oder sieben Frauen getroffen. Ich hatte so ein bisschen alles. Dates im Mauerpark, Dates im Café, Dates in irgendwelchen Bars und ich hatte schöne Zeiten. Manchmal am Ende waren wir bei ihr oder bei mir. Schon ab und zu Sex gehabt. Aber irgendwie hat man kein Bock mehr auf wieder die gleichen Geschichten erzählen. Von Null. Johannes Also bei jedem Date muss man neu anfangen. Ich bin, ich heiß, ich mach ganz gern, war vorher da und bin jetzt hier. 3 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Roger Genau. Und man hat auch das Problem, das man vermischt ein bisschen die Geschichten. Hab ich zu ihr das erzählt oder das war die da oder? Keine Ahnung. Das ist mir passiert ein paar Mal. Johannes Warum ist es beim One-Night-Stand geblieben? Roger Ich glaube manchmal stirbt es. Man hat keinen Bock mehr, die Nachrichten sind langweilig. Die Geschichte stirbt. Hat keinen guten, tiefen Grund. Sandra Hm... So... Gut, okay. Hab ich mich nun über Facebook angemeldet, kann ich natürlich mein Profil erstellen. Hab ich alles schon längst gemacht und dann kommt man zu dieser Wall. Mit Fotos von Männern in meinem Fall. Also es gibt ein Startbild, dann sagt er dir, wann du dem begegnet bist und wie oft. Autor Sandra, 26 Jahre alt, kommt aus Stuttgart. Sie nutzt die App „Happen“. Die wurde in Frankreich entwickelt und dort zuerst auf den Markt gebracht. „Happen“ nutzt die GPS-Funktion des Smartphones und zeigt Sandra alle Happen-User im Umkreis von 250 Metern an. Sandra ist Single und hat die App vor ein paar Monaten aus Langeweile auf ihr Telefon geladen. Sie wohnt in einer belebten Straße, an der viele Touristen vorbei kommen. Sie checken direkt auf Sandras Handy ein. Johannes Dass heißt, die App läuft die ganze Zeit und dated sich immer ab mit „Happen“-Leuten, die in der Umgebung unterwegs sind. Sandra Genau. Jeder, der quasi diese App aktiviert hat, ploppt in dieser Wall auf. Haste Namen, Alter. Kannst sehen, wie viele Bilder der noch hat. Irgendwie manche Leute haben nur eins, dann brauchst du nicht draufklicken und noch weiter gucken. Und dann kannst du sofort irgendwen liken, mit nem Herzchen oder via eines „X“ ihn einfach wegklicken. Haben wir hier jemanden? Willstes mal sehen? Johannes Naja, der hier ganz oben, der sah doch nett aus. Nein? Ich hab meine Brille nicht auf. Sandra Naja. Der zeigt den Mittelfinger. Kann ganz lustig sein. Johannes Oh nee... Sandra Vielleicht aber auch nicht. 4 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Johannes Scheint auch ein bisschen bekifft zu sein. Sandra Ja, vielleicht. Oder betrunken, mit dem Drink in der Hand. Wissen wir nicht. Dann hast Du hier unten so eine kleine Karte, die dir zeigt, wo ihr euch getroffen habt. Johannes Wo war das? Irgendwo in Stuttgart hier... Sandra Ja klar, hier bei mir zu Hause. Siehst du gleich. (lacht) Johannes Also der ist hier auch vorbeigelaufen vor der Tür? Sandra Muss hier eindeutig vorbeigelaufen sein. Ich hab auch festgestellt, vielen bin ich hier schon zwanzig Mal oder so begegnet. Ich denke, das sind meine Nachbarn. Johannes Das ist auch was. Ich mein, wenn jemand... wenn jetzt der Typ, der über Dir wohnt oder so auf einmal drin ist, der, dem man im Gang immer „Hallo“ sagt... da würde ich zum Beispiel nicht wollen das meine Nachbarin oder mein Nachbar von mir jetzt weiß, das ich gerade Lust habe jemanden zu daten. Sandra Hm... ach bei meinen Nachbarn finde ich das gar nicht so schlimm. Das ist ja genauso, wie mit meinen Mitbewohnern. Die kriegen ja auch alles mit. Ich schalte das aber Prinzipiell auf dem Weg auf Arbeit aus. Weil ich nicht möchte, das bei mir in der Agentur irgendwer mitkriegt... ich find das unangenehm, wenn das mit Kollegen irgendwie... wenn die wissen, das ich auf der Suche bin und solche Sachen. Johannes Dass heißt, Du musst aber jeden Morgen daran denken, das Ding wieder auszumachen. Auf dem Weg zur Arbeit. Das ist schon so in Deinem Kopf drin. Sandra Das ist schon Routine. Ja. Ja, ja. Auf jeden Fall. Johannes Zum Nuttenfrühstück gibt’s immer den Happen-Aus-Knopf. Sandra Na erst mal wird durchgescrollt und geguckt, ob was Neues, Nettes dabei war und... Johannes Wann nutzt Du es zum ersten Mal am Tag? Sandra Unterschiedlich. Also entweder tatsächlich morgens, wenn ich noch Zeit habe und meine Zigarette rauche und alle News durchgeguckt hab, die ich da irgendwie morgens bei dem ersten Kaffee durchschaue. Ansonsten da tatsächlich nur, um das auszuschalten und dann abends. Aber auch nicht immer. Manchmal mach ich das auch abends gar nicht wieder an. Dann hab ich das auch vergesse oder hab irgendwas anderes vor. 5 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Roger Ich hatte auch ein paar Freunde, die wussten über mein Date. Und dann ich hab ein bisschen alles vorbereitet. Wenn das Date nicht klappt, könnt Ihr mich anrufen und wir treffen uns und dann ich absagen. Ich sage Tschüss zu diesem Mädchen. Johannes Achso, Du schreibst eine SMS ganz kurz und sagst: Bitte rettet mich! Das hast Du echt vorbereitet? Roger Genau. Ja. Ja, weil manchmal ist es sehr, sehr ätzend. Johannes Wie hast Du Deine Freundin kennengelernt? Roger Also sie war eine Bekannte von zwei Freundinnen. Aber lustiger Weise wir hatten uns in „Tinder“ auch... und dann haben wir ein Date organisiert und dann hat es sehr, sehr gut geklappt. Johannes Scheinbar, Ihr seid ja zusammen! Roger Ja! Ja, ich bin so ein bisschen dankbar auch. Also ich bin auf jeden Fall dankbar so „Tinder“ wegen das. Sound: Zimmer (Sandra) Johannes Du wohnst im Erdgeschoss, in dieser sehr belebten Straße. Hier kommen wahnsinnig viele Touristen und Stuttgarter vorbei. Was sind so Deine Erfahrungen mit „Happen“? Sandra Sehr lange hab ich das einfach nur auch wieder als so eine Art Spiel benutzt und hatte aber tatsächlich letzte Woche mein erstes Online-Date über „Happen“. Ich hab mir jetzt vorgenommen: Okay, wenn dann rigoros sagen, gleich treffen und angucken. Immer dieses schreiben liegt mir dann einfach nicht. Dann hab ich das auch relativ spontan gemacht. Letzte Woche war ich auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Hab den Typen gefragt, was er noch macht. Er meinte, mit Dir einen Drink nehmen. Dann bin ich gleich wieder umgestiegen. Ich war noch in der Bahn. Zack! Und fünf Minuten später haben wir uns an der Haltestelle getroffen. Sind was trinken gegangen, zwei Bier. Haben uns ganz nett unterhalten. Keine üble Überraschung, sah auch aus, wie auf dem Foto. Netter Typ. Ein bisschen nervös wirkte er. Ging dann aber doch zum Ende hin. Wir sind dann so eine Feuerleiter hochgeklettert. Hat sich so ergeben. Haben wir gesehen und gedacht: kann man da hoch? Hatten Ausblick über die Stadt und dann hat der mich geknutscht und dann sind wir auch noch zu ihm gegangen. Also hat dann noch so ein Ende genommen. Naja... Johannes Hat Dich das jetzt angefixt das häufiger noch zu benutzen, auch echt Leute zu treffen? 6 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Sandra Ja, klar! Total! War super! Deswegen habe ich auch gleich, warte, lass mich überlegen, drei Tage später oder so den Nächsten getroffen. Der war leider gar nichts. Er hat mir dann auch zu verstehen gegeben, dass er irgendwie mich ganz gut findet und dann hab ich aber auch, wie ich das sonst mache, ziemlich ehrlich dem gleich ins Gesicht gesagt: Ja, ich glaube, das mit uns beiden, das wird hier nix. Also erstens, sah der auf den Fotos attraktiver aus, als in Wirklichkeit. Dann bin ich ziemlich groß und er war nicht ganz so groß. Und von der Art her hat das einfach nicht gepasst. Den hab ich aber auch gefragt, wie viele er bisher getroffen hat. Er meinte: Ja, ab und zu. Ich hab mir von ihm sein Telefon geben lassen. Ich wollte nämlich mal sehen, wie sich Mädchen so darstellen in dieser App. Und hab gefragt, ob ich da mal durchscrollen kann, auf seiner Wall. Und dann kam aber auch die super Überraschung! Der Typ hatte halt wirklich jede Tussi geliked. Jede! (lacht) Jede! Auf dieser scheiß Wall! Tja, so geht’s auch. Ich so: wieso machste das? Na, man muss doch wissen, wer einen gut findet auf der Straße, sagt er. Fand ich am Ende doch ehrlich und ganz witzig. Eine Niete! Neue Runde, neues Glück. Gucken wir mal. Ich bin, wie gesagt, seit letzter Woche, seitdem ich dieses erste Treffen hatte, wirklich motiviert. Ansagerin Tanzstunden besuchen im Allgemeinen die 16 bis 18-jährigen die dort ihre erste schüchternen Tanzschritte versuchen und lernen sollen sich in Gesellschaft sicherer zu benehmen. Tanzschüler Der Abschlussball war eigentlich so ganz toll. Zuerst mussten wir halt einmarschieren zusammen und dann mussten wir uns alle im Kreis aufstellen. Reporterin Junge Leute, sagen sie, gehen wieder auf Tuchfühlung. Händchenhalten ist nicht mehr verpönt. Autor Früher waren die Tanzstunden die erste Gelegenheit dem anderen Geschlecht körperlich nahe zu kommen. Schon länger aber sind es die 13 bis 15-jährigen, die ihre ersten schüchternen Versuche auf dem Liebesparkett des Internets starten. Ein Drittel der Paare in den USA, die zwischen 2005 und 2012 geheiratet haben, haben sich online kennengelernt. Viele noch über Internetseiten. Jetzt aber kommen die Apps. Konrad Paul Liessmann ist Professor an der Universität Wien. Für Methoden und Vermittlung von Philosophie und Ethik. Von ihm will ich wissen, was uns antreibt. Welche Machtgefühle entstehen und wie können wir der Vielfalt von angebotenen Sexualpartnerinnen und –Partnern Herr werden? 7 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Johannes Herr Professor Liessmann, finden Sie es schade, dass es zu Ihrer Studentenzeit keine Dating-Apps gab? Liessmann (Pause) Naja, wenn ich mir so die Aktivitäten meiner Assistentinnen und Studenten ansehe, könnte man das in der Tat ein wenig bedauern, denn natürlich ist es gerade für junge Menschen ganz wichtig. Wie lerne ich wo wen unter welchen Umständen kennen? Und Dating-Apps haben gewisser Weise diese Frage schon sehr erleichtert. Johannes Jetzt scheinen diese Apps ja vor allen Dingen Wert auf das Aussehen der Menschen zu legen. Partnerinnen und Partner werden ja aufgrund ihrer Erscheinung für gut oder schlecht befunden. Und auch nur für eine Erscheinung, die auf einem Bild manipuliert sein kann oder zumindest nicht so die ganze Wahrheit darstellt. Was ist Ihrer Meinung nach schön im digitalen Zeitalter und wie unterscheidet sich das von dem Schönen der Vergangenheit? Liessmann Naja, es war ja immer schon so, dass wenn man darauf aus war, jemanden kennenzulernen, in einem Zusammenhang, wo man auf nichts anders setzen konnte, als auf das Aussehen. Es gibt ja unterschiedliche Formen. Früher vor allem, wie Menschen zueinander geführt worden sind. Da gab’s ja auch ritualisierte Formen der Begegnung. Man denke an die Rolle, die Tanzkurse mal gespielt haben. Die Gesellschaften gespielt haben, die Kirchgänge gespielt haben, nicht. Also Faust lernt Grete nach einem Kirchgang kennen. Wenn solche ritualisierten Formen nicht existieren, sondern man auf der Straße in einem öffentlichen Verkehrsmittel, bei einer Party, in einem Club jemanden ansprechen will oder kennenlernen will, geht man ja auch nach dem Aussehen. Aber es ist natürlich das Aussehen, das eine Person in ihrer gleichsam lebenden Umgebung an den Tag legt. Man sieht auch gleichzeitig, wie er blickt. Man sieht, wie er sich bewegt. Man hört ihn vielleicht sogar schon im ersten Moment, wo man ihn erblickt, wie er spricht. Und das ist ganz was anderes, als nur ein Foto zu sehen. Also jemanden nur nach dem Foto auszuwählen, das ist sozusagen die Reduktion auf das Minimum äußerlicher Merkmale. Soweit ich das Beobachten kann, kommt es dann doch eher darauf an, auch in diesem einen Foto, das jetzt alles sagen muss, vielleicht eine Pose an den Tag zu legen oder eine kleine Andeutung zu machen, einer bestimmten, ja, erotischen Ausstrahlung. Ein entblößter Oberkörper oder Andeutungen von Reizunterwäsche. Wie auch immer, das scheint mir dann das Entscheidendere zu sein, als die krumme Nase digital gerade zu machen. Was macht das mit einer Gesellschaft, die sich ihre Partner aussucht aufgrund von Fotos? Zwei, drei Fotos, die man auf so einer App sehen kann. Johannes 8 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Liessmann Das ist eher so eine Art von Marktbeobachtung. Eine Art von Austesten. Wie komme ich an, wie spontan bin ich selber? Wie bereit bin ich selber, mich auf jemanden sehr schnell, sehr kurz, sehr oberflächlich einzulassen? Und vielleicht entwickelt sich dann daraus etwas. Deshalb sind ja solche Dating-Apps ja auch anders konstruiert als etwa diese Möglichkeiten der Internetpartnersuche. Wo man ja wirklich komplexe Profile eingeben muss. Und wo alles sozusagen vom ganzen Design her darauf aus ist. Du suchst mehr als nur eine flüchtige Begegnung. Du suchst wirklich einen Partner und überleg Dir das gut. Also das sind, denke ich, doch noch mal zwei Ebenen. Johannes Also relativ unwahrscheinlich, das die Hochzeit irgendwann ansteht, wenn ich jemanden über „Tinder“ kennengelernt hab? Liessmann Es liegt noch davor. Es ist sozusagen eine Form sozialer erotischer, sexueller Kommunikation. Stark gekennzeichnet noch von diesen Moment einer gewissen Spontanität, Beliebigkeit und damit auch zur Konsequenzlosigkeit. Und das ist vielleicht auch das, wo man sagen kann, dass man jetzt hier ein bisschen kulturphilosophisch drüber nachdenken könnte, das verändert natürlich das Verhalten der Menschen im Bereich des Sexuellen und des Erotischen, des Sozialen. Es verstärkt natürlich diese Mentalität: die Welt ist ein riesiger Markt! Auch die Welt der sozialen Beziehungen, auch die Welt der sozialen Kontakte ist ein riesiger Markt. Ich schaue, in welchem Marktsegment ich mich am Besten positionieren kann. Ich wähle aus. Dieses berühmte Wegwischen der Bilder bei „Tinder“ ist ja legendär. Man blickt jemanden für eine Sekunde an und entscheidet, käme der in Frage, käme der nicht in Frage. Ist das ein Mensch, der mich interessiert oder interessiert der gar nicht? Und eine kleine Bewegung mit einem Finger hat sozusagen die Möglichkeit eines Schicksals, unter Anführungszeichen, jetzt entschieden. Das verstärkt natürlich. Johannes Haben diese Apps nicht aber auch so ein impliziertes Machtgefühl, das wir haben, wenn wir auf „Tinder“ eben entscheiden können, weg damit oder her damit oder ich kann sagen, ich antworte Dir nicht. Was macht dieses Machtgefühl auch mit dem Sexual- und Liebesverhalten? Liessmann Ganz sicher gibt es dieses Machtgefühl. Aber das ist sozusagen ein Element überhaupt dieser digitalen Kommunikationswelten. Ja, wir fühlen uns ja auch in anderer Weise, wenn wir uns in der digitalen Welt bewegen, mächtig. Wir haben Zugriff auf alle Informationen dieser Erde. Also das galt früher nur für einen Gott. Heute gilt das für jeden, der ein Smartphone besitzt. Im Bereich des erotischen und des sexuellen, im Bereich der sozialen Kommunikation ist das meines Erachtens ein ganz starkes Moment. 9 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Also dieses Gefühl, ich habe jetzt hier eine Auswahl von Menschen und ich kann jetzt tatsächlich ganz souverän darüber entscheiden, wen will ich, wen will ich nicht, wird ja nur von dem Bewusstsein getrübt, dass auf der anderen Seite über mich selber genauso schnell entschieden wird. Johannes Es erscheinen hunderte Leute auf dem Display, die alle parat stehen, von mir entdeckt und kennengelernt zu werden. Was macht diese Optionenvielfalt mit uns? Liessmann Optionenvielfalt verschafft auf der einen Seite immer eine Zunahme an Freiheit. Das ist auch bei der Optionenvielfalt in jedem Marktgeschehen der Fall und schafft auf der anderen Seite eine ganz spezifische Form von Überforderung. Nämlich nachdem es im menschlichen Leben ja nichts Vollkommendes gibt, wird man immer das Gefühl haben: Naja, der Mensch ist jetzt zwar ganz nett. Ich verstehe mich gut mit ihm, finde ihn auch sexuell anziehend und alles. Aber es gibt noch ungefähr hunderttausend, die darauf warten, auch von mir gedated zu werde und da ist doch sicher einer dabei, der alle diese Vorstellungen, die ich habe, eben noch höheren Maße erfüllt, als der, der jetzt mir gerade gegenüber sitzt und mich dumm anstarrt. Johannes Die Suche geht weiter. Was würden Sie den Leuten empfehlen? Liessmann Das ist ganz, ganz schwierig! Denn auf der einen Seite kann man, gerade weil die Möglichkeit besteht, es niemandem Verwehren weiter zu suchen. Man kann ja auch süchtig werden nach diesen Optimierungen. Dass heißt, wir verschaffen uns und auch unseren Partnerinnen und Partnern dieses Gefühl: Pass mal auf, das ist alles echt nur vorläufig. Was man raten kann ist, wenn man jemanden gefunden hat oder mit jemanden zusammen sein will und einem das wirklich etwas wert ist, muss man sich von diesen Applikationen einfach abmelden. Ansonsten bleibt das als ständig irritierendes Moment im Hintergrund und wird es uns nicht erlauben uns auf einen Menschen wirklich einzulassen. Johannes Was hätten denn Ihre Kollegen, die Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts zu alldem gesagt? Liessmann Ein von mir sehr geschätzter Philosoph, Günther Anders, hat schon als er im Exil in Amerika in den 40er Jahren war, die Erfahrung gemacht, das dort am Campus an den Universitäten die Studenten und Studentinnen Beziehungen auf sehr direkte Art und Weise anbahnen. Er hat das vermisst, was er die europäische Kultur des Erotischen genannt hat Das heißt, das ein Einschlagen von Umwegen. Das Schreiben von komplizierten und verklausulierten Briefen. 10 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Das nächtelange Diskutieren über politische und philosophische Probleme. Und jeder weiß, darum geht’s eigentlich gar nicht. Sondern, man will mit diesem Mensch, mit dem man diskutiert, eine erotische Beziehung aufnehmen. Günther Anders hat diesen Befund schon damals in dem Satz zusammengefasst: Das Prompte ist das Barbarische. Andere Philosophen, ich denke da an Schopenhauer, der einen sehr nüchternen Blick auf den Menschen hatte, der hätte wahrscheinlich gesagt: Na, endlich wird nicht lange herumgeredet! Na, endlich wird die Liebe nicht verklärt als etwas, was sie nicht ist. Sondern es wird ganz klar auf den Punkt ohne große Umwege, ohne Abstriche, ohne unnötigen Aufwand, das getan und das gesagt, worum es geht. Nämlich um Sex. Um nichts anderes. Oder es wird gar nicht mehr so getan, als ginge es um etwas anderes. Sondern, dieser Schleier falscher Gefühle, wie das auch Karl Marx etwa diagnostiziert hat, wird durch diese Marktorientierung in der bürgerlichen Gesellschaft zerrissen und die Dinge treten in ihrer Klarheit und ihrer Nacktheit zu Tage. Jeder weiß, woran er ist. Jeder weiß, worum es geht. Und jeder weiß, diese Dinge werden nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage, also nach Marktgesetzen geregelt. Also auch so könnte man sich vielleicht denken, haben das Philosophen gesehen. Johannes Wie beeinflusst das unsere moderne Kultur? Wenn ich jetzt an die Schmonzetten im Abendprogramm denke. Da lernen sich die Leute auf ganz altertümliche Wege kennen. Kann das nicht sein, das irgendwann im ZDF Herzkino, Sonntagabend, die Leute sich per App kennenlernen und alles ganz schnell geht, der Film nun nicht mehr 90 Minuten dauern muss? Liessmann Ja, der Film würde dann nur noch neun Sekunden dauern und das ist kein abendfüllendes Programm. Deshalb denke ich, dass in bestimmten kulturellen Produktionen natürlich unsere Sehnsucht danach, dass nicht alles so nüchtern ist und nicht alles so schnell geht, weiterhin erfüllt wird. Sie sich weiterhin halten wird. Es werden ja auch wahrscheinlich weiterhin Liebesromane geschrieben werden, wo Begegnungen simuliert werden, die so in der Realität wahrscheinlich gar nicht mehr stattfinden können. So vielleicht auch nie stattgefunden haben. Man muss schon unterscheiden, zwischen der Art und Weise, wie wir leben und wie wir hier unser Beziehungsleben sozusagen auch organisieren. Und gleichzeitig den Sehnsüchten und den Fantasien, die wir entwickeln. Die Nüchternheit solcher Dating-Applikationen und dem, was daraus folgt, wird auch junge Menschen nicht daran hindern, trotzdem von Begegnungen zu träumen, wo man an einem Strand entlangspaziert und da kommt jemand einem entgegen und man blickt sich an und die Sonne geht unter und der Wind pfeift durchs Haar. Und das ist der magische Moment. 11 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Solche magischen Momente liefern natürlich diese DatingApplikationen nicht. Aber ich glaube menschliches Leben kommt ohne solche Momente auch nicht aus. Autor Wir verdoppeln uns. Unsere Profile auf den Dating-Apps erhalten ein Eigenleben. Sie spiegeln den Teil von uns wieder, den wir für besonders spannend, attraktiv und vorzeigbar halten. Unsere Armmuskeln, die Büchersammlung im Hintergrund auf unseren Profilfotos oder unseren einstudierten Selfie-Blick. Die erste Dating-App kommt 2009 auf den Markt. Sie heißt „Grindr“ und ist bis heute für homosexuelle Männer ein wichtiges Dating-Instrument, hat um die 7 Millionen User. Sie kommen aus 192 verschiedenen Ländern. Täglich werden 30 Millionen Nachrichten ausgetauscht und 2 Millionen Bilder versendet. Die homosexuellen Nutzer der Dating-Apps sind den heterosexuellen Nutzern im Vorteil. Sie sind länger dabei, haben mehr Erfahrung im Umgang mit der neuen Technologie. Cyril Guten Tag, ich heiße Cyril und bin 24 Jahre alt. Seit sieben Jahren lebe ich in Paris. Ich nutze diese Dating-Apps schon seit es sie gibt. Vor „Grindr“ und „Tinder“ war ich auf ähnlichen Internetseiten unterwegs. Als ich noch jünger war, hatte ich das Problem, das ich abhängig von ihnen war. An einige Erfahrungen kann ich mich kaum noch erinnern. Als die Dates irgendwann zur Gewohnheit wurden sind viele der Gesichter langsam aus meinem Gedächtnis verschwunden. Einmal, es war schon spät, hatte ich entschieden, einen Typen zu mir einzuladen. Ich war ein bisschen besorgt, weil wir kaum Informationen über uns ausgetauscht hatten. Er schien etwas brutal zu sein. Aber vielleicht ist das ja einer der Hauptgründe, warum wir uns von diesen Apps Dates servieren lassen. Weil es praktisch unmöglich ist, eine wirkliche Idee von den Personen zu bekommen. Ich meine im Vergleich dazu wie wir uns auf den Plattformen darstellen. Also dieser Typ, der ein bisschen gewalttätig wirkte, kam dann zu mir und am Ende war es jemand mit dem ich eine ganz schöne Nacht verbracht habe. Ich habe es am Ende nicht bereut. Tim Ich hab mit dem Typen geschrieben und der sah auch mega gut aus. Wusste nicht so richtig, ist das Fake oder nicht. Autor Tim ist 25 Jahre alt und kommt aus Hamburg. 12 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Tim Musste am nächsten Morgen super früh raus, um in die USA zu fliegen. Aber er war den letzten Tag in Berlin, angeblich. Und dann dachte ich mir so: Fuck it! Das willste wissen! Der war halt so ehemaliger Footballspieler. Und jetzt angeblich in einem Anwaltsbüro, die Timoschenko mitvertreten. Und dann dachte ich mir, das klingt doch zu spannend. Das war im „Radisson“, auf der obersten Etage. Wo ich auch schon dachte: gut, wenn das dann kein Fake ist, dann muss er reiche Eltern haben. Weil das da ein bisschen teuer da oben ist. Dann bin ich halt oben und dann ähm... war der halt echt. Johannes Und dann? Tim Dann hab ich gemeint: Sex will ich eigentlich eh nicht haben. Wir können ja noch was trinken. Muss ja auch bald wieder los eigentlich, um zumindest noch zu Ende zu packen und dann schlafen passt eh nicht mehr. Ja, zwanzig Minuten später haben wir gebumst. Und jetzt schreiben wir zwei, drei Jahre später immer noch mal auf Facebook. Aber gesehen haben wir uns seitdem nicht mehr. Johannes Diese Verabredungen. Wenn man sich verabredet und man will sich treffen und dann hat man ja irgendwie so einen Vertrag miteinander geschlossen. Leute schreiben sich ja vorher genau, wie es ablaufen soll. Wie schwer ist es denn, wenn man so einen Vertrag geschlossen hat, da wieder rauszukommen, wenn man merkt: eigentlich ist das gar nicht mein Typ? Tim Also für mich relativ einfach. Am Anfang hab ich einfach irgendwelche Ausreden gefunden und bin danach direkt abgehauen. Im Restaurant aus dem Hintereingang oder sonst wo. Hab denjenigen dann mit der Rechnung sitzen lassen. Weil er so ein richtig schlimmer Typ irgendwie war. Später hab ich mir einfach einen Spaß draus gemacht. Hab dann einfach gemerkt, okay, die Zeit ist jetzt irgendwie eh vergeudet, da wird nicht mehr viel mit laufen. Sonst hab ich eigentlich kein Problem diesen Vertrag aufzulösen, wenn man meint, so wie du dich im Internet dargestellt hast und auch die Fotos, die du da drin hattest, die waren dann wohl doch ein bisschen sehr schmeichelnd. Sieht super gut auf einem Foto aus, aber bewegt sich nicht gut, hat kein schönes Lächeln. Ist einfach unsympathisch. Da finde, hat man jetzt keinen Vertrag geschlossen, trotzdem denjenigen super nett finden zu müssen oder mit dem ins Bett zu steigen. Ja. Cyril Ein anderes Mal hab ich nach jemandem gesucht, der direkt in meiner Nähe war. Mit der GPS-Funktion von „Grindr“ geht das ja. Dann hab ich gemerkt, dass eine Person sieben Meter von mir entfernt war. Ich lag in meinem Bett. Es war zwei Uhr morgens. Ich bin verrückt geworden. Ich hab in meinen Schrank und unter mein Bett geschaut. 13 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Dann haben wir angefangen miteinander zu schreiben. Das war aber rasch vorbei. Ich denke, dass wir beide uns unwohl fühlten, zu nah an der Privatsphäre des andern. Wir waren uns räumlich zu nah, als das wir uns im echten Leben hätten treffen können. Ich denke, dass das ganz lustig ist und am Ende auch irgendwie beruhigend. Johannes In welchen Momenten löschst Du die App wieder? Wie fühlst Du Dich in diesen Momenten? Was für Gründe gibt es dafür? Tim Einfach die Enttäuschung über mich selbst, das ich schon wieder soviel Zeit einfach mit diesen Dingern verbracht hab. Vor allen Dingen, weil sie dich total ablenken. Du denkst die ganze Zeit nur so, hat vielleicht jemand geschrieben? Hat jemand geantwortet? Das hab ich gemerkt, als ich die Apps mal gelöscht hab. Einfach wirklich mal mit Augen auf so durch die Stadt da. Da ergeben sich eigentlich auch relativ viele Möglichkeiten und das ist dann vielleicht nicht so, in Anführungszeichen, schnell geht, wie im Internet. Aber andererseits ist es ja über die Apps auch nicht wirklich schnell, weil Du ewig hin und her schreibst. Aber manchmal reizt es einen dann doch und die Apps werden wieder installiert, um zu gucken, was hat sich geändert, was ist neu, wie beliebt bin ich. Und genau dann fällt man wieder in das alte Muster rein, das man aufwacht und das erste, was man macht: man öffnet diese App, um zu gucken, ob man eine Antwort bekommen hat. Und wenn nicht, dann guckt man eben nach dem Zähneputzen nochmal und nach dem Frühstück und zum Mittag und ist dann irgendwann ganz verzweifelt, das niemand schreibt und wenn, dann nur ein alter Sack. Cyril Also ein abschließendes Urteil habe ich nicht. Aber ich kann sagen, dass die Apps mir zweimal geholfen haben, Leute zu finden, mit denen ich für einige Jahre zusammen war. Also vielleicht ist das grundsätzlich gar nicht so eine schlechte Sache. Wir werden sehen... Autor Die Technologie sorgt für eine Pluralisierung der sexuellen Angebote. Die Suche nach Sex und Beziehung wird enorm beschleunigt. Die Auswahl von potentiellen Partnerinnen und Partnern wird größer. Der Suchradius ausgeweitet. Über unser soziales Umfeld hinaus. Und dennoch entstehen durch die Apps neue Blasen. Irgendwann kennen wir das Angebot im Umkreis. Profile, Avatare werden zu direkten Nachbarn. Wir wissen, wann sie online und zuhause sind. 14 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Sharif Mowlabocus ist Senior-Dozent an der Universität von Sussex, in Großbritannien. Seit 15 Jahren erforscht er die Dating-Subkultur homosexueller Menschen weltweit. Johannes Was macht „Grindr“ so erfolgreich? Mowlabocus Ich denke, dass „Grindr“ bei dieser Art von Applikation unbestritten weltweit der Marktführer ist. Und es ist ganz interessant. Wenn Sie in die App-Stores schauen, ob für Android oder Apple, werden Sie viele ähnliche Angebote finden. „Grindr“ aber ist in meiner Forschung von Studienteilnehmern oft als das Allgemeine, als die Haupt-App dieser Form charakterisiert worden. Der Grund, warum sie so erfolgreich ist, dass sie mit dieser Technologie zuerst auf dem Markt gekommen ist. Es hat ein sehr einfaches und sauberes Design. Mit vielen Aspekten bedient sich die App den Elementen der schwulen Dating-Kultur, die bereits durch Internetseiten bestand hatte. Sie haben das für Smartphones adaptiert und angepasst. Außerdem haben sie die GPS-Funktion mit eingebaut. Denn eines war für alle Schwulen-, Lesben-, Bi- und Transgender-Gemeinschaften schon immer sehr wichtig. Andere zu lokalisieren, die auch dieser Gruppe angehören. Zum ersten Mal haben wir eine Technologie, die homosexuellen Menschen erlaubt, sich gegenseitig in echten Räumen zu finden. „Grindr“ denke ich bleibt sehr populär, aber soweit ich das gerade mitbekomme, sagen viele Benutzer: Ich habe „Grindr“ auf meinem Telefon, aber ich habe auch andere Applikationen und ich wechsle zwischen ihnen hin und her. Johannes Was haben Ihre Studienteilnehmer darüber gesagt, wie lange sie online sind und vor allem wo sie die App benutzen? Mowlabocus Qualitativ, was ich bei den meisten meiner Studienteilnehmer herausgefunden habe ist, das sie zwischen einer und fünf Minuten auf der Plattform verbringen, um schnell zu gucken, was gerade los ist. Wenn sie dann mit jemanden schreiben, kann das natürlich erheblich länger dauern. Die meisten Leute beschreiben das als eine Aktivität, die sie betreiben, wenn sie gerade zwischen zwei Aktivitäten Zeit haben. Sie gehen zu „Grindr“, wenn sie das dringende Bedürfnis haben oder weil sie gerade zwischen irgendwas stehen. Wenn sie Bus oder Bahn fahren. „Grindr“ kann benutzt werden zwischen einem Meeting und dem Abendessen. Oder wenn man gerade von einem Ort zum anderen läuft. Nicht viel Zeit, um mit dem Profil Leute zu ködern. Es geht ja um den ersten Eindruck, wie erstellt man für sich das perfekte Profil und wie haben die sich im Laufe der Zeit gewandelt? Johannes 15 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Mowlabocus Wenn ich die Antwort darauf hätte, wie man das perfekte „Grindr“-Profil erstellt, würde ich furchtbar viel Geld damit machen können. Es gibt bestimmte Trends, die bestimmte Reize setzen. Zuerst einmal würde ich sagen, dass ein Foto vom Gesicht, das sogenannte „Facepic“, sehr wichtig ist. So wie das ja in vielen digitalen Kulturen Bedeutung hat. Sein Gesicht zu zeigen wird hier zu einer Währung. Das ist unvermeidlich, denn es geht hier um Sex und Dating und beides basiert meistens auf Körperlichkeit. Es ist ja nicht erlaubt öffentlich Bilder zu zeigen, die völlige Nacktheit, Genitalien oder explizit sexuelle Handlungen zeigen. Sie werden aber zu Hauf Leute finden, die Fotos von ihren im Fitnessstudio trainierten athletischen Körpern zeigen. Das sichert denen eine Menge Aufmerksamkeit zu. Eine Sache, die „Grindr“ und alle anderen Applikationen betrifft ist, dass Sie nicht viele Informationen auf ihrem Profil geben können. Es handelt sich gänzlich um visuelle Formen der Kommunikation. Ihr Bild, das erste Bild, das Leute von Ihnen auf Ihrem Profil sehen, ist ein unheimlich wichtiges Bild. Und wenn Sie nicht hart daran arbeiten, wenn Sie an dieser Stelle nichts Reizvolles anbieten, kann das zu einem Problem werden. Johannes Haben denn die Menschen jetzt durch diese Apps mehr Sex als früher, bevor es das alles gab? Mowlabocus Um ehrlich zu sein, die Forschung ist sich da nicht sicher. Zu erst einmal müssen wir definieren, was wir genau als Sex begreifen. Der zweite Aspekt ist, dass wir nicht viele Daten darüber haben, wie viel Sex homosexuelle Männer vor dem Einzug der digitalen Technologien hatten. Was wir heute wissen und was auch meine Forschungen zeigen ist, dass Menschen die „Grindr“ und andere Applikationen, aber auch Dating-Websites, benutzen, mehr Sex haben als Leute, die diese Angebote nicht nutzen. Aber ich muss deutlich sagen, diese Leute, die dort nicht zu finden sind, suchen vielleicht gar nicht nach Sex. Es könnte also so sein, dass Leute nicht mehr Sex haben, weil es „Grindr“ gibt, sondern dass für die Suche danach „Grindr“ einfach stark genutzt wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen Trefforten, wie Cruising-Areas, Bars oder Saunen. Johannes Geht es bei diesen Applikationen aber wirklich immer nur um Sex? Mowlabocus Eine meiner Lieblingsgeschichten stammt von einem Mann, der „Grindr“ benutze, um in einer neuen Stadt, in die er bald ziehen wollte, herausfinden, wo eine schwulenfreundliche Wohngegend sei. Er stellte sich also auf die Straße und schrieb 15 Männer an, die in der Nähe dieser Straße lokalisiert wurden. Er schrieb: „Ich suche nicht nach Sex. Aber ich suche nach einer neuen Wohngegend. 16 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Ist das hier eine schwulenfreundliche Nachbarschaft?“ Das ist ein komplett anderer Weg „Grindr“ zu benutzen. Völlig asexuell. Nichtsdestotrotz erinnert uns das an die Idee der Möglichkeit für homosexuelle Männer, miteinander in Verbindung treten zu können. Und zwar nicht nur für Sex, sondern auch aus vielen anderen Gründen. Das ist in einem gewissen Sinne die Reformation der homosexuellen Gemeinschaft. Johannes Dennoch, Homosexuelle gelten in weiten Teilen der Gesellschaft als nicht gerade monogam. Promiskuität lautet ein ewiger Vorwurf. Verstärken solche Dating-Apps dieses Gefühl bei den Leuten, die nicht Teil des Netzwerks sind? Mowlabocus Wenn wir von Paaren, also von nicht-monogamen Beziehungen dort sprechen, die auf „Grindr“ gesehen werden, müssen wir Berücksichtigen, dass „Grindr“ ein neuer Weg ist, das einfach sichtbar zu machen. Das gab es ja schon immer. Und außerdem ist folgender Aspekt sehr wichtig. Wenn Sie ein monogames Leben führen, ein monogames Paar sind, dann sind sie dort unvermeidlich nicht sichtbar. Sie haben sich dazu entschieden, sich in der schwulen Szene nicht so sehr einzubringen. Autor Grindr, Gaydar oder Tinder – sie bringen Vorteile für eine Gruppe von Menschen, die jahrzehntelang auch in Deutschland kriminalisiert und an den Rand gedrängt worden ist. Jetzt gibt es die Gelegenheit sich zu erkennen, zu begegnen, ohne einschlägige Orte aufsuchen zu müssen. In der Stadt und auf dem Land. Das ist vor allem in Gesellschaften nützlich, in denen noch heute Jagd auf Homosexuelle gemacht wird. Treffen sind möglich, ohne bekannte Treffpunkte zu besuchen. Aber die Dating-Apps bringen nicht nur Gutes. Wer Grindr benutzt, gibt seinen Standort bekannt. Die App zeigt 50 andere Nutzer in der Umgebung an. Es wird nicht gezeigt, in welche Richtung man gehen muss, um jemanden zu begegnen, aber exaktes Orten ist dennoch möglich. Durch „Triangulation“ ist es einfach Menschen zu finden. Wenn man weiß, dass die Person von einem Ort einen Kilometer entfernt ist und vom anderen Ort 800 Meter, dann ist klar, wo sie sich aufhält. So haben in Ägypten angeblich Polizisten Jagd auf Homosexuelle gemacht. 17 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Seit einiger Zeit gehen Warnmeldungen durch das Netz. Auch „Grindr“ selbst hat nach einigem Zögern reagiert und die Distanzfunktion ausgeschaltet. Nicht nur in Ägypten. Auch in Saudi-Arabien, Nigeria und Russland. Seitdem hat sich viel verändert. Ich rufe Ahmed via Skype an. Er wohnt in Kairo, ist 30 Jahre alt. Ahmed Ich nutze die App, wenn ich jemanden einladen will oder wenn mir gerade langweilig ist. Dann gucke ich halt so herum. Es ist für mich auch zu einem sozialen Medium geworden. Ich checke es regemäßig und wenn es Klick macht, macht es eben Klick. Johannes Die Betreiber von „Grindr“ haben ja nach einigem Druck von außen die GPS-Funktion für Ägypten ausgeschaltet. Vermisst Du das? Ahmed Oh ja. Das mache ich. Zu Beginn, als sie das geändert hatten, fühlte ich mich sicherer. Und dachte, dass es wirklich nett ist, dass sie sich um unsere Sicherheit kümmern und uns diesen Schutz gewähren. Aber ja, ich vermisse es wirklich. Ich vermisse es. Johannes Wie sehr ist diese Fahndungsmethode der Polizei denn Thema? Ahmed Ich hab auf „Grindr“ Warnungen erhalten, die das Netzwerk den Usern geschickt hat. Wir sollen vorsichtig sein, weil die sich im Chat so verhalten wie normale Leute, wohl aber verdeckte Ermittler der Polizei seien. Ich hab nicht gehört, dass irgendjemand direkte Erfahrungen gemacht hat, aber Angst haben wir schon. Das spüre ich richtig, wenn ich mit Leuten schreibe. Die Umgangsformen auf „Grindr“ haben sich verändert. Johannes Was genau hat sich verändert? Ahmed Ich denke da sind mehr Leute, die jetzt schüchterner sind. Dieses „Hi, wie geht’s Dir? Wonach suchst Du? Nach Sex oder nach was anderem“ – das gibt es immer noch. Aber da sind welche, die sich nur noch treffen wollen, um Freundschaft zu schließen. Der Wandel zeigt sich auch dadurch, dass die Leute weniger Fotos von sich zeigen. Es sind kaum noch Gesichter auf den Profilen zu sehen und die meisten wollen auch keine Bilder mehr tauschen. Normalerweise frage ich nach dem ganzen „Hallo“, ob ich ein Foto haben kann. Jetzt sagen sie: „Nein, nein! Ich muss Dich kennen, bevor ich Dir ein Foto von mir schicke“. Du bekommst erst nach einer Stunde chatten ein Bild zu sehen. Oder manchmal sogar erst nach ein paar Tagen. 18 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Nicht jeder hat dafür die Geduld. Einige, und ich bin einer davon, lassen das dann halt sein. Wenn Du so paranoid bist, hab ich keine Lust auf ein Treffen und auch nicht auf ein Gespräch. Verstehst Du? Johannes Aber Du triffst Dich immer noch mit Leuten über die App? Wie versuchst Du Dich zu schützen, nicht an die Falschen zu geraten? Ahmed Ja, das mach ich. Ich siebe jetzt aber mehr aus, mit wem ich schreibe und mit wem nicht. Ich bevorzuge auf Englisch zu schreiben, nicht auf Arabisch. Wenn jemand kein Englisch spricht und nicht gleich Fotos mit mir teilt, filtere ich ihn aus. Aber mir ist was Interessantes aufgefallen. Ich hatte keine unheimlichen Begegnungen, aber seit diese ganze UndercoverDiskussion begonnen hat, bekomme ich komische Mitteilungen. So was wie: „Hi, ich bin Ahmed oder Ahmad“ oder wie auch immer „Ich bin Ingenieur, ich lebe in dieser und dieser Gegend und ich bin 29 Jahre alt“. Ich kriege also kurze Biographien geschickt. Und dann immer die Frage: „Und Du?“. Es kommen echt viele dieser Nachrichten. Aber so läuft das normalerweise ja nicht. Und sie sind immer auf Arabisch. So als würde sie jemand kopieren und einfügen. Das macht mir Angst. Ich antworte darauf nie. Ich bin da skeptisch. Aber vielleicht ist das nur die Paranoia, die jeder hier jetzt hat. Ich blocke die dann immer. Johannes Wenn Du aber jemanden gefunden hast, den Du treffen magst, wo macht Ihr das? Wo trefft Ihr Euch? Ahmed Ehrlich gesagt, bei mir zu Hause oder bei denen zu Hause. Normalerweise. Es ist ja kein Blind-Date. Ich denke, dass ich einige Informationen über mein Gegenüber habe und dass ich auch bis zu einem bestimmten Level Vertrauen gewonnen habe. Wenn das nicht so ist, dann treffen wir uns halt an einem Ort, wo mehr Leute sind. Ich weiß nicht, wenn Du mit neuen Leuten sprichst, dann ist das wie eine neue Erfahrung. Ich will keine Angst haben. Wenn ich mich wohl fühle, fühle ich mich wohl. Wenn nicht, gibt es kein Treffen und ich gebe auch meine Telefonnummer nicht weiter. Das ist, was sie wollen. Sie wollen, dass wir immer in Angst leben. Und uns die ganze Zeit Sorgen machen. Ich will da nicht mitmachen, weißt Du. Johannes Thank you very much! I let you know, when we are going to broadcast it. Ahmed Absolutely. Thanks for caring actually. That’s great. Bye, bye. 19 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Autor Egal bei welcher App. Egal ob Homo oder Hetero, Bi oder Transgender. Ich frage mich, welche Daten wir bei sämtlichen App-Betreibern abgeben und was die damit anfangen. Dirk Engling vom „Chaos Computer Club“ ist von Berufswegen skeptisch und hat da so eine Ahnung. Ich erzähle ihm von Cyril und Tim, die Grindr nutzen. Von Sandra, die sich über Facebook bei „Happen“ einloggt und von Roger, der dasselbe bei „Tinder“ macht, aber seine Freundin darüber kennengelernt hat. Johannes Wie gut oder wie schlecht ist es, die ganzen Dating-Apps mit Facebook verbunden zu haben? Weil ich mich ja nur über Facebook anmelden kann. Engling Das ist einfach ein Indiz, inwieweit diese sozialen Netzwerke zur Optimierung ihres Bildes von Dir noch weiter in Dein intimstes Leben vordringen und natürlich muss man doll vorsichtig sein, inwieweit man privateste Dinge über sich in diese Netzwerke reintut und solche spontanen DatingAbenteuer dort auch Facebook mitzuteilen ist natürlich ein Problem. Johannes Wie genau? Also ich bin jetzt bei „Tinder“ und ich sag jetzt immer „Brünette find ich blöd, die schicke ich jetzt nach links und blonde finde ich Top, die schicke ich nach rechts.“ Sind das schon Informationen, die dann an Facebook gehen und wenn ja, was machen die damit? Engling Natürlich weiß Facebook das, weil ja die Profile, die Du danach aufrufst sich dann in ein bestimmtes Schema einsortieren lassen. Schon allein durch die Profile, die „Tinder“ für Dich von Facebook abholt, sagen Facebook mehr, als Du wahrscheinlich über Dich selber weißt. Die Frage danach ist, was Facebook vor allem in seinen Vorschlägen dann, welche Leute es Dir zum Beispiel als Werbebotschafter für bestimmte Produkte mitteilt. Und inwieweit sie dann da in Deine Seele eindringen, um noch weiter personalisierte Werbung von bestimmten Männern oder Frauen Deines Typs dort zu präsentieren. Da sind ja die Möglichkeiten fast endlos. Autor Ein Online-Sicherheitsdienst hat herausgefunden, dass 80 Prozent der Dating-Apps persönliche Informationen an Dritte weitergeben. Und 70 Prozent verfügen wohl über eingebaute Möglichkeiten, die unsere wahre Identität enthüllen können. 20 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Stichwort: Big Data. Innerhalb weniger Minuten lassen sich Analysen von Texten durchführen. Analysen, die uns einem bestimmten Persönlichkeitsspektrum zuordnen lassen. Dabei muss nicht nur relevant sein, wen wir attraktiv finden und was wir schreiben, sondern auch zu welchen Uhrzeiten wir aktiv sind und an welchen Orten. Johannes Dieses ungute Gefühl ist irgendwie da. Sollte man die Finger davon lassen oder soll man es einfach nutzen? Engling Wie alle neuen Technologien macht’s natürlich Spaß, damit zu spielen und es wird vermutlich eine Generation geben, die sich die Finger daran verbrennt aber dann auch ziemlich schnell daraus lernt und die Konsequenzen zieht und ihren Freunden davon erzählt. Und am Wichtigsten ist es einfach zu verstehen welche Technik dahinter steckt. Wer welche Möglichkeiten hat damit und sehr bewusst damit umzugehen und nicht einfach nur die funkelnden neuen Möglichkeiten zu sehen. Aber natürlich ist es schon ein spannendes Werkzeug, was man sich nicht komplett verbauen sollte, wenn man weiter Spaß am Gerät haben will. Autor Irgendwann haben wir vielleicht jemanden gefunden, mit dem wir zusammen sein wollen. App-Betreiber haben dafür längst Programme entwickelt, die Paare bei Laune halten sollen. „Couple“ heißt eine dieser Applikationen, in denen Paare ihr Leben festhalten können. Eine Art gemeinsames Tagebuch. Aber auch die Erotikbranche ist inzwischen auf das Smartphone gekommen. Noch ist sie nicht soweit den Sex virtuell simulieren zu können, aber es gibt neue Entwicklungen. Schwarz Autor Da muss ich jetzt mal kurz gucken, ob das schon geladen ist. Die haben wir gerade seit zwanzig Minuten erst, erst im... Sabine Schwarz betreibt ein Erotikfachgeschäft in Berlin. Gerade ist eine frische Lieferung mit Vibratoren gekommen, die per App gesteuert werden können. Johannes Was genau für Spielzeuge sind das und wozu brauche ich da das Smartphone? 21 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Schwarz Ja, das ist so der neue Trend. Dass man eben auch über die Entfernung miteinander spielen kann. Dass Paare... der eine benutzt es und führt es eventuell auch ein und der andere sitzt vielleicht in einer Büroatmosphäre am anderen Ende der Welt und könnte dann das Produkt steuern, wann immer er meint, das er es an- und ausschalten möchte und natürlich auch dann die Intensität bestimmen kann. Johannes Ist das denn die Weiterführung von einer Sache, die es schon immer gab oder ist das was ganz Neues, was Paare jetzt erst für sich entdecken können, über diese technische Möglichkeit? Schwarz Also das ist absolut neu. Also die ersten ferngesteuerten Produkte im Luxussegment, die auch von der technischen Verbauung her hochwertiger sind, die gibt es ungefähr seit zwei Jahren und die App-gesteuerten Geschichten, die gibt es jetzt seit September 2014. Autor Entwickelt hat eines der Modelle Suki Dunham von „OhMiBod“ aus den USA. Ich erreiche sie an der Ostküste der Staaten und will wissen, warum das Smartphone nicht mehr einfach nur neben dem Bett liegen, sondern auch das Sexualleben beeinflussen soll. Dunham Als ich noch ein Kind war, vielleicht so 14 Jahre alt, da war meine erste intime Handlung im Kino Händchen zu halten oder jemanden auf der Tanzfläche in der Schule zu küssen. Heute machen junge Leute ihre ersten Erfahrungen auf Skype oder Snapchat. Das alles kommt in diese digitale Welt. Ob die Leute diese Tatsache mögen oder nicht. Es ist so. Du gehst abends mit Deinem Partner ins Bett und anstatt miteinander rumzumachen hast Du Dein iPad im Bett und machst damit irgendwas. Warum nutzen wir also diese Technologie nicht, um Paare wieder miteinander zu verbinden? Johannes Wer nutzt das denn bisher? Sind dass Geschäftsleute oder geht das durch alle Schichten durch? Dunham Ich gebe Dir ein Beispiel von einem besonderen Kundenkreis, der unser Produkt liebt. Wir haben viele Leute vom Militär! Also wenn Du irgendwo stationiert bist und Dein Ehepartner ist zu Hause, ist das ein wundervoller Weg miteinander verbunden zu sein. Ganz intim, wenn dazwischen tausende Meilen liegen. Die Welt ist kleiner geworden und Leute arbeiten überall und haben viele Fernbeziehungen. Johannes Wie funktioniert diese Verbindung technisch? Über wessen Server läuft das? 22 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Dunham Das passiert alles über „Google Plus“. Also um Dich zu verbinden, brauchst Du einen „Google Plus“-Account und die Frau brauch auch einen solchen Account. So findet und verbindet Ihr Euch. Johannes Warum machen Sie das ausgerechnet über Google? Denen würde ich ungern solche Daten und Informationen anvertrauen. Dunham Aus Perspektive eines Unternehmens muss man immer schauen, dass das Produkt auch auf dem Markt bestehen kann. Investitionen in Software und Server sind groß. Aber gerade arbeiten wir an einer Peer-to-Peer-Verbindung, die unsere eigenen Server verwendet. Sodass wir „Google Plus“ komplett rausnehmen können. Das machen wir aber vor allem, weil beispielsweise in China Google gar nicht erlaubt ist. Wenn wir also den Kunden dort unseren Service anbieten wollen, dann brauchen wir Server, die in China sind. Nur so können sich die Leute dort miteinander verbinden. Es gibt also viele Gründe von Google wegzugehen. Johannes Was ist, wenn jemand meinen Account hackt? Das könnte einigermaßen unangenehm werden, oder? Dunham (lacht) Ach, zu erst einmal muss die Benutzerin dem Zugriff von Außen zustimmen. Das geht vielleicht schief, wenn jemand den „Google Plus“-Account irgendwie hackt. Aber dann müssen die schon auch wissen, dass Du diese App auch hast. Johannes Was ist denn für die Zukunft geplant? Das wird ja nicht alles gewesen sein. Dunham Was ich bereits sagen kann ist, dass wir in diesem Jahr auf der CES, der „Consumer Electronic Show“ in Las Vegas, der größten Verbrauchermesse in den Vereinigten Staaten oder eigentlich von der ganzen Welt, dass wir dort eine App präsentieren werden, die für die Smartwatch erhältlich ist. Wir geben dort erst mal einen kleinen Einblick, wir hoffen das im Frühjahr fertig zu haben. Außerdem: in unserer App wollen wir biometrische Daten verwenden, um unsere Vibratoren zu steuern. Wenn Du also in Berlin bist und ich hier und wir verbunden sein wollen, kann Dein Herzschlag meinen Vibrator kontrollieren. Das ist echt cool. Johannes Yes, of course! 23 DKultur – Breitband Feature – App und Sex Autor Wir werden uns vielleicht nie mehr näher kommen. Das war Breitband. App und Sex – Wie das Smartphone unser Liebesleben verändert. Es sprachen Florian Prokop, Konstantin Bez, Margarete Wohlan, Stephan Karkowsky, und andere. Redaktion: Jana Wuttke Mein Name ist Johannes Nichelmann. Johannes Wie geht das wieder aus? Hier oben? Ja. Schwarz Genau. Johannes Jetzt hat’s noch einen anderen Modus bekommen. Schwarz Immer auf den Startknopf paar Sekündchen drücken und dann geht das aus. Wie bei allen anderen Produkten auch. Johannes Wie beim Toaster. Schwarz Wie beim Toaster, ja. Johannes Alles klar, vielen herzlichen Dank für das Gespräch! Schwarz Gerne. Autor Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur, 2015. Infos zur Sendung, Podcast und Stream gibt’s auf breitband.deutschlandradiokultur.de. - ENDE - 24