Erfahrungsbericht über mein Auslandssemester an der Universidad

Transcription

Erfahrungsbericht über mein Auslandssemester an der Universidad
Universität Bremen
Hauptfach: Kulturwissenschaft
Nebenfach: Spanisch
Erfahrungsbericht über mein Auslandssemester an der
Universidad de Buenos Aires (UBA) in Argentinien
→ Zeitraum der Lehrveranstaltungen: 2.8.2010 bis 10.12.2010
(Einführungs-/Orientierungsveranstaltungen für ausländische Studierende schon eine Woche
früher)
→ Studienfach: Antropología an der Facultad de Filosofía y Letras
→ Motivation und Ziele für meinen Auslandsaufenthalt
Aus persönlichem Antrieb, aber natürlich auch für mein Spanischstudium wollte ich gerne mein
Auslandssemester im spanischsprachigen Ausland machen. Da ich schon einmal in Lateinamerika
gewesen bin und es mir dort sehr gefallen hat, war für mich klar, dass ich für mein
Auslandssemester nicht nach Spanien will, sondern auf einen anderen Kontinent.
Über Buenos Aires hatte ich nur Gutes gehört. Sowohl über die UBA, die einen sehr guten Ruf hat
als auch über die Stadt, die mich mit ihrem breitgefächerten Kulturangebot gelockt hat und ich mir
damit eine neue Inspiration für mein Studium der Kulturwissenschaft erhofft habe.
Ich wollte neue Strukturen kennenlernen, die Organisation und Lehre in einem anderen Land. Da
sich in mein Studium in Bremen im letzten Zeitraum vor meinem Auslandssemester etwas Zweifel
und Verwirrung am Studienfach breitgemacht hatten, war für mich unter anderem auch sehr wichtig
mit neuer Motivation und Kraft wieder nach Bremen zurückzukehren.
→ Vorbereitung
Schon im Februar hatte ich meinen Hinflug gebucht ohne zu wissen, ob mich die UBA annehmen
würde oder nicht. Durch Erzählungen anderer Studierender war ich jedoch optimistisch, dass mich
die Fakultät aufnehmen würde. Da zwischen der UBA und der Uni Bremen keine
Hochschulpartnerschaft besteht und man sich somit direkt bei der Fakultät in Buenos Aires
bewerben muss, habe ich bis Mitte Juni auf meine Zusage gewartet. Die letzten Wochen vor
meinem Abflug (27.Juli) waren dann auch noch recht nervenaufreibend, da natürlich sehr viel
Vorbereitungen getroffen werden mussten (Bafög, Impfung etc.) Über Gespräche mit Leuten, die
schon mal in Buenos Aires gewesen waren, konnte ich mir schon im Vorhinein einen kleinen
Überblick verschaffen wie die UBA funktioniert, in welchen Vierteln man lieber nicht nach einem
Zimmer suchen sollte, wo Sportkurse stattfinden etc.
→ Studium
Da ich meinen Flug ohne die Zulassung zu haben gebucht hatte, habe ich die
Einführungsveranstaltungen für ausländische Studierende verpasst. Zur Einschreibung kam ich
jedoch zum Glück noch rechtzeitig auch wenn auf etwas komplizierten Wege. Die Räumlichkeiten
der Fakultät sind nicht sehr ausgedehnt und dennoch gestaltet es sich zum Teil sehr schwierig, den
richtigen Raum zu finden oder die richtige Person zu finden, die einem den Weg erklären kann. So
musste ich mich zum Sekretariat erstmal eine halbe Stunde durchfragen, um es dann geschlossen
vorzufinden. Am nächsten Tag hatte dann Glück und fühlte mich bei den Zuständigen auch sehr gut
ausgehoben und gut beraten.
Je nach dem welchen Studiengang man studieren möchte ( in Argentinien ist eine Kombination eher
unüblich), wählt man aus den angebotenen Veranstaltungen vier aus.
Es gibt materias (Vorlesungen), die in der Regel vier Stunden am Stück stattfinden. Zusätzlich
finden noch ein bis zwei verpflichtende Übungen statt. Während des Semesters gibt es eine Art
Zwischenprüfung und am Ende noch mal eine Abschlussprüfung. Seminare finden auch 4-stündlich
statt, verlangen aber meist nur eine abschließende schriftliche Arbeit am Ende des Semesters.
Wegen des enormen Arbeitspensums wird angeraten eher Seminare zu besuchen als Vorlesungen.
Insgesamt liefen die Veranstaltungen auch frontaler ab als ich es aus Deutschland gewohnt war.
Das Angebot an Veranstaltungen ist relativ groß und es besteht für jeden, der eingeschrieben ist, die
Möglichkeit alle Veranstaltungen zu belegen.
Nach der Wahl der vier Veranstaltungen kann man nicht mehr die Kurse wechseln bzw. kann man in
andere Veranstaltungen gehen, aber ohne Prüfungen ablegen zu dürfen. Die Möglichkeit sich einen
Kurs probehalber anzugucken und dann zu entscheiden, existiert also nicht.
Die Veranstaltungen finden oft spät abends statt (z.B. von 19-23Uhr), da viele Lehrende aus Mangel
an Bezahlung durch die Uni tagsüber arbeiten und zusätzlich noch starker Raummangel herrscht.
Nach ca. 5 Wochen wurde die Fakultät durch Studierende besetzt. Ca. 8 Wochen lang fand kein
einziger Kurs in einem Seminarraum statt. Wenn die Lehrenden sich bereit erklärt hatten auch unter
solchen Umständen zu unterrichten, dann fanden die Kurse auf der gesperrten Strasse vor der
Fakultät oder im Innenhof statt.
In und um die Fakultät herum gibt es sehr viel links-politisches Leben. Im Gebäude gibt es kleine
Essens- und Buchstände, eine Bar, kein Rauchverbot etc. Es existieren sowohl auf dem Campus
also auch in der Straße mehrere Copyshops. Dies kann manchmal etwas zur Verwirrung führen –
man sollte auf jeden Fall immer einmal zu viel als einmal zu wenig fragen, wo die Texte hinterlegt
werden, wenn sie nicht per E-Mail geschickt werden.
Schon mit meinen zwei Seminaren pro Woche war ich sehr gut beschäftigt. Durch das immense
Lesevolumen, den hohen Anspruch und die anfängliche Sprachbarriere war ich mehr als nur einmal
überfordert.
Die Lehrenden sind meiner Erfahrung nach gewillt und interessiert mit einem zu sprechen. Es ist
auch oft möglich eine individuelle Abschlussarbeit einzureichen.
→ Stadt/Land
Buenos Aires ist groß und es dauert etwas sich zurechtzufinden. Fast täglich finden
Demonstrationen, Streiks etc. statt, so dass im Zentrum sehr oft die Strassen gesperrt sind. Die
Verkehrsmittel dann zu benutzen kann sehr nervenaufreibend sein. Pläne für U-Bahn (subte) und
Busse (colectivo oder bondi):
http://www.subte.com.ar/contenido/home.asp
http://www.xcolectivo.com.ar/
http://www2.comoviajo.com/website3/Monitor/Inicio.aspx
Zu empfehlen ist auch einen monedero zu kaufen, eine aufladbare Geldkarte für die U-Bahn und
zum Teil auch für Busse. Das erspart oftmals lange Wartezeiten am Ticketschalter
Wenn man davon genug hat, lohnt es auf jeden Fall sich ein Fahrrad zu organisieren.
http://www.mercadolibre.com.ar/
Es existieren einige wenige Fahrradwege, ansonsten ist größte Vorsicht geboten, da man als
Fahrradfahrer im Strassenverkehr so gut wie gar nicht respektiert wird.
Die Wohnungssuche ist auch nicht gerade leicht. Die Mieten sind sehr hoch und für Ausländer noch
höher. Zusätzlich ist es nicht allzu verbreitet in Wgs zu wohnen wie in Deutschland.
Das Viertel Caballito, in dem die Fakultät liegt, bietet sich sehr zum wohnen an. Ansonsten würde
ich Almagro, Villa Crespo, Balvanera (die Gegend um das Abasto-Shoppingcenter ist schön) und
San Telmo zum wohnen empfehlen. Palermo ist schön, aber ziemlich teuer und etwas weiter von
der Fakultät entfernt.
Ich bin mehrere Male umgezogen, was überhaupt kein Problem war. In der Regel sind die Zimmer
möbliert und man bezahlt Kaution.
Um ein Zimmer zu finden:
http://www.compartodepto.com/
http://buenosaires.es.craigslist.org/
Das kulturelle Angebot in Buenos Aires ist umwerfend, so dass man wirklich schnell ein schlechtes
Gewissen bekommt, wenn man einen Abend lesend auf der Couch verbringt. Die Stadt pulsiert in
weiten Teilen Tag und Nacht. Oftmals gibt es nicht so viele Informationen im Internet zu finden,
deshalb gilt wie immer so viele Leute wie möglich fragen.
Generell ist man in Buenos Aires und seinen porteños extrem gut aufgehoben. Auf gar keinen Fall
ein asado ausschlagen...
→ Auswirkungen meines Aufenthalts
Durch die lange Besetzung der Fakultät und den unregelmäßigen Unterricht kam für mich kaum ein
kontinuierlicher Studienalltag zu Stande, was zum Teil etwas frustrierend war.
Um mich anderweitig zu beschäftigen habe ich in einem Kulturzentrum einen Kurs zur Technik im
Radio (http://fmlatribu.com/) und einen sehr guten zeitintensiven Sprachkurs
(http://ieslvf.caba.infd.edu.ar/sitio/) besucht, der gratis bzw. auf Spendenbasis ist, weil er in einem
staatlichen Institut mit sehr gutem Ruf gegeben wird. Der Sprachkurs hat nicht nur meine
persönlichen Sprachkenntnisse erweitert, sondern auch gleichzeitig dazu beigetragen, dass ich in
meinen Seminaren mehr verstehe und mich in der Wahl zum meinem Spanischstudium extrem
bestärkt.
Der Radiokurs hat mir eine extrem gute praktische Erfahrung beschert und bestärkt mich in der
Vorstellung im Radio arbeiten zu wollen.
Allgemein hatte ich den Eindruck, dass das Studieren an der Fakultät wesentlich freier und
selbstbestimmter abläuft als in Deutschland. Generell kann man jeden Kurs besuchen, den man will
und ist nicht auf einen Modulplan beschränkt. Das führt zu einer wesentlich individuelleren und
breitergefächerten Kurswahl. Durch diese Art und Weise zu studieren und extrem gute Professoren
und Professorinnen kam für mich der Gedanke auf, mich evtl. in Buenos Aires für einen
Masterplatz zu bewerben.
Mein Aufenthalt in Buenos Aires war eine unglaublich schöne und bereichernde Erfahrung. Für
mich hat es sich extrem gelohnt, mich auf etwas komplett Neues einzulassen. Neue Freunde,
Mitbewohner, Kommilitonen, die Stadt erkunden, sich ein neues Umfeld zu erschließen hat mich
oft auf die Probe gestellt. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, hat mich jedoch allein die Sprache
Spanisch, mit der ich ununterbrochen umgeben war, schon glücklich gemacht auch wenn ich nicht
alles verstehen konnte.
Nach etwas mehr Sprachverständnis erschloss sich mir gleich erneut eine neue Welt, da ich mich
endlich viel entspannter mit Leuten unterhalten konnte, ich viele Freunde finden konnte und extrem
viel Spaß hatte an der reinen aktiven Kommunikation.
→ Fazit nach 6-8 Wochen
Die erste Zeit war für mich sehr schwierig, aber hauptsächliche wegen der Sprache. Zusätzlich war
zu meiner Ankunft Winter und somit eine kleine Winterdepression vorhanden. Die Stadt ist extrem
schnell und manchmal sehr erbarmungslos und anonym, so dass ich mir manchmal sehr allein
vorkam. Da das aber nicht mein erster Neubeginn in einer Stadt war, wusste ich, dass ich eine
gewisse Zeit brauchen würde, um mich etwas zu etablieren, die Angst abzubauen und mein neues
Zuhause kennenzulernen. In keinem Moment habe ich daran gezweifelt den richtigen Schritt getan
zu haben und am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein.
→ Fazit im Nachhinein
Mein Auslandsaufenthalt war ein voller Erfolg. Fast ärgere ich mich nicht gleich zwei Semester
geplant zu haben. In einem zweiten Semester hätten sich meine Erfahrungen an der Uni sicherlich
auch etwas vertiefen können. So habe ich das Gefühl nur einen Einblick in das Studentenleben in
Buenos Aires bekommen zu haben.
Sobald ich Zeit habe, werde ich in jedem Fall wieder zurück in diese Stadt fahren.
Viele sagen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, sich zu Buenos Aires zu positionieren:
Entweder man hasst es oder man liebt es. Ich gehöre definitiv zur zweiten Kategorie.