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MONUMENT
MONUMENT
D I E E R S T E V O L L S TÄ N D I G E W E R K S C H AU
E I N E R E I N Z I G A RT I G E N B A N D
Mit exklusivem Material von Alan Wilder, Daryl Bamonte und Herbert R. Kollisch
(Intercord). Interviews mit Götz Alsmann, Anne Haffmans (Mute), Olaf Zimmermann
(radioeins), Sven Plaggemeier (depechemode.de) u. a.
Sascha Lange und Dennis Burmeister sind zwei ausgewiesene Depeche-Mode-Experten und
haben mit beeindruckender Akribie eine umfassende Werkschau vorgelegt, an der niemand
vorbeikommen wird, der sich für Depeche Mode und das Phänomen ihrer Fans interessiert.
Anne Haffmans, Mute-Labelmanagerin
Depeche-Mode-Fans wissen mehr über Depeche als ich. Gäbe es ein Quiz mit mir, Martin
und Dave gegen drei Fans, würden sie spielend gewinnen.
Andy Fletcher, Depeche Mode
DENNIS BURMEISTER & SASCHA LANGE
100 Millionen verkaufte Platten, ausverkaufte Touren, eine außergewöhnliche
Fancommunity. Anhand einer der weltweit größten Depeche-Mode-Sammlungen
wird die seit mehr als drei Jahrzehnten andauernde Erfolgsgeschichte greifbar und
anschaulich gemacht: Die komplette Diskografie, unveröffentlichte Fotos, seltene
Tonträger, ausgefallenes Promomaterial der Plattenfirmen, Interviews sowie detaillierte Beschreibungen der vielfältigen Fanszene in Ost und West. Dies ermöglicht,
das Wachsen und Erwachsenwerden der Band von 1980 bis heute noch einmal
zu erleben, und eröffnet einen neuen Blick auf die popkulturelle Bedeutung von
Depeche Mode.
DENNIS BURMEISTER & SASCHA LANGE
ISBN 978-3-351-05003-0
www.blumenbar.de
€ 49,90 [D]
ÖSTERREICH € 51,30 [A]
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MONUMENT
DENNIS BURMEISTER & SASCHA L ANGE
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Inhalt
VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
BASILDON . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
SPEAK AND SPELL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
A BROKEN FRAME . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
CONSTRUCTION TIME AGAIN . . . . . . . . . 70
SOME GREAT REWARD . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
THE SINGLES 81– 8 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
INTERVIEW MIT GÖTZ ALSMANN . . . . . . . . 136
BLACK CELEBRATION . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
INTERVIEW MIT HANS DERER . . . . . . . . . . . . . 164
MUSIC FOR THE MASSES . . . . . . . . . . . . . . . 166
INTERVIEW MIT HARALD BULLERJAHN . . . . . 196
VIOLATOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
INTERVIEW MIT ERIK VAN KASSEN . . . . . . . 222
SONGS OF FAITH AND DEVOTION . . . . 226
ULTRA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
EXCITER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
PLAYING THE ANGEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
SOUNDS OF THE UNIVERSE . . . . . . . . . . . 312
INTERVIEW MIT ANNE HAFFMANS . . . . . . . 336
DELTA MACHINE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
FANKULTUR IN OST UND WEST BEHIND THE WALL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
INTERVIEW MIT OLAF ZIMMERMANN . . . . . 384
INFOSERVICE & BONG-MAGAZIN . . . . . . . . 388
SWISS FANCLUB & BMA . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
INTERVIEW MIT ANDREA KRUMBEIN . . . . . . 398
INTERVIEW MIT KAY SCHWARZBACH . . . . . 400
BOOTLEGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
FANKULTUR 1990 BIS HEUTE . . . . . . . . . . . . . 406
INTERVIEW MIT ELVIS RASHIDI . . . . . . . . . . . . 408
INTERVIEW MIT SVEN PLAGGEMEIER . . . . . 410
ANHANG SÄMTLICHE TOURDATEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
QUELLENVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
DANKSAGUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
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Vorwort
A BOOK FOR THE MASSES
Seit mehr als 33 Jahren begeistern Depeche Mode Millionen von
Menschen und haben doch nie Musik für die Massen gemacht.
Der kaugummisüße Synthie-Pop von Speak & Spell, das metallisch
scheppernde Some Great Reward-Album, das unglaubliche Music
For The Masses, der weltweite Riesenhit Violator, das digital-minimalistische Exciter oder aktuell Delta Machine – Depeche Mode
sind nie irgendwelchen Charttrends hinterhergelaufen, haben sich
nicht durch Kritiker von ihrem Weg abbringen lassen. Und gerade
deshalb hatten und haben sie umso mehr Erfolg bei ihrer riesigen
Fangemeinde. Man kann es also kaum anders sagen: Depeche Mode
sind ein Phänomen.
Mute-Labelmanagerin Anne Haffmanns wusste von Dennis
Burmeisters Sammlung. Seit 25 Jahren sucht er aus aller Welt Promomaterial, Tonträger, Merchandisingprodukte, Zeitungsartikel,
Tourposter und sogar goldene Schallplatten zusammen. Zu seiner
Sammlung zählen auch Raritäten wie das erste Promotape von
1980, mit dem sich Depeche Mode damals noch erfolglos bei Plattenfirmen beworben hatten. Anne Haffmans empfahl Dennis, doch
irgendwann ein Buch darüber herauszubringen. Aber wo sollte man
bei den unzähligen Sammlerstücken anfangen?
Der Zufall wollte es, dass wir uns 2008 ausgerechnet im Büro
von Mute Records in Berlin zum ersten Mal begegneten. Dennis als
Grafik-Designer und Sammler, ich, Sascha, als Buchautor und Historiker für Jugendkultur. Aber vor allem waren wir zwei langjährige
Depeche-Mode-Fans. Aufgewachsen in den Achtzigern, Dennis im
mecklenburgischen Malchin, ich in Leipzig. Schnell kamen wir ins
Gespräch, und plötzlich schien die Buchidee nicht mehr unmöglich.
Fünf Jahre später liegt Depeche Mode: MONUMENT vor. Ziel
war es, eine umfassende Werkschau der Band zu erstellen. Dieses
Buch bietet erstmals die Möglichkeit, die drei Jahrzehnte Musikgeschichte und eine bis ins Detail ausgefeilte Einheit von Musik und
Gestaltung nachzuvollziehen.
Die Geschichte von Depeche Mode ist auch immer die von ihrer
sehr aktiven Fancommunity, die den Style und das Artwork der Band
aufnehmen und weitertragen. Deshalb ist hier erstmalig umfassend
die Geschichte der Fankultur in West und Ost, von Fanclubs, Fanzines, Fanpartys in einem sehr persönlichen Kapitel dokumentiert.
Maßgebend für Depeche Mode: MONUMENT war der Veröffentlichungskatalog von Mute Records in Großbritannien, dem
Mutterland von Band und Label, der sich als komplette Diskografie
über das gesamte Buch erstreckt. Darüber hinaus haben wir (west-)
deutsche Releases, Promosingles und ungewöhnliche Veröffentlichungen aus aller Welt abgebildet. Und wir sind sehr stolz, viele
unveröffentlichte Fotos u. a. aus den Archiven von Tim Williams,
Alan Wilder, Herbert R. Kollisch, Daryl Bamonte zeigen zu dürfen.
Wir bedanken uns an dieser Stelle nochmals herzlich für die Unterstützung von Mute Records, ehemaligen Intercord-Mitarbeitern,
zahlreichen Fotografen, Fans, Sammlern und Freunden.
Wir wünschen eine schöne Zeitreise, viel Spaß beim Schwelgen
in Erinnerungen, beim Wieder- und beim Neuentdecken.
Herzlich, Dennis Burmeister und Sascha Lange
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Basildon
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Basildon
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Basildon Die Geburt einer Band
BASILDON
DIE GEBURT EINER BAND
Basildon ist langweilig. Etwa 50 Kilometer östlich vom Londoner
Stadtzentrum gelegen, ist in Basildon von der Coolness der pulsierenden Weltmetropole nichts zu spüren. Eine langweilige Neubausiedlung voller unzähliger kleiner Reihenhäuser, errichtet im
Nachkriegsengland auf der grünen Wiese für 80 000 Ein­wohner.
Als Teenager in den späten siebziger Jahren kann man sich hier
nur betrinken, prügeln oder eine Band gründen. Und genau hier
beginnt die unglaubliche Geschichte von Depeche Mode.
Dave Gahan, Andy Fletcher, Martin Gore und Vince Clarke,
die Gründungsmitglieder der Band, wachsen in bescheidenen,
aber nicht prekären Verhältnissen in Basildon auf. Vincent »Vince«
John Martin, geboren am 3. Juli 1960 in South Woodford, wird
seinen Nachnamen erst in der Anfangszeit von Depeche Mode in
Clarke ändern, angeblich, damit das Arbeitsamt nichts von seiner
Band erführe. Vince, die treibende Kraft bei der Entstehung der
Band, ist seit Kindertagen bei der Pfadfindergruppe Boys’ Brigade
der St. Paul’s Methodistenkirche von Basildon und lernt dort
Andrew »Andy« Fletcher, geboren am 8. Juli 1961 in Nottingham,
kennen. Während der Schulzeit nimmt Vince Geigenunterricht,
wechselt aber später zur Gitarre. Zu dieser Zeit dominiert noch
der Siebzigersound von Simon & Garfunkel, T. Rex, Pink Floyd
und David Bowie die Radios und Plattenregale.
Mit der Zeit gehen Vince und Andy nicht mehr zur Boys’
Brigade, sondern besuchen die Treffen der Jugendgruppe ihrer
Kirchengemeinde. Dorthin kommt auch gelegentlich der schüchtern wirkende Martin Lee Gore, geboren am 23. Juni 1961 in
London, ein Schulfreund von Andy. Martin ist gut an der Gitarre,
ein großer Fan der Sparks und Talking Heads und gründet 1977
schließlich seine erste Band, ein Duo namens Norman & The
Worms. Vince formiert im selben Jahr in seinem Kirchenumfeld
ebenfalls ein Duo namens Nathan, beeinflusst von der Musik
Simon & Garfunkels. Zum Freundeskreis der künftigen DepecheMode-Mitglieder gehört auch Alison Moyet, die später mit Vince
Clarke das Duo Yazoo gründen wird. Alison geht, wie Martin und
Fletch, auf die Nicholas School und belegt sogar einige Kurse mit
ihnen zusammen.
Zu dieser Zeit träumen viele Jugendliche in Großbritannien
von einer eigenen Band und einem Auftritt bei Top Of The Pops,
der vor dem MTV-Zeitalter populärsten Musikshow im britischen Fernsehen. Wer dort auftreten darf, hat es geschafft – so
die weitläufige Meinung. 1977 bricht in Großbritannien der Punk
aus, eine Seuche, eine Revolution. Wie ein Virus infiziert er die
Gehirne zahlloser Teenager. Auf einmal ist es ganz einfach, eine
Band zu gründen. Kein jahrelanger Musikunterricht, kein Notenlesen mehr. Mit nur zwei (Hand-)Griffen kann man einen Song
auf der Gitarre spielen. Do-It-Yourself ist das Einzige, was man
über Punk wissen muss. Aber Punk beschränkt sich nicht nur auf
schnelle, aggressive Musik.
Als Joy Division aus Manchester 1979 ihr Debütalbum
Unknown Pleasures und ein Jahr später Closer veröffentlichen,
gründen sie damit, ohne es zu wissen, ein ganz neues Genre.
Andere Bands folgen. Langsame melancholische Gitarrenriffs in
Verbindung mit Synthesizern scheinen einer ganzen Generation
von Jugendlichen direkt aus dem Herzen zu sprechen – New
Wave ist geboren. Auch der Synthie-Minimalismus des 1978er
Albums Die Mensch-Maschine der westdeutschen Elektroband
Kraftwerk erlangt in der Punk- und New-Wave-Generation Kultstatus.
Durch die technische Weiterentwicklung elektronischer Musik­­
instrumente sind nun neben der klassischen Rockband­besetzung
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Die Geburt einer Band Basildon
BASILDON, RAILWAY STATION Bonjour Tristesse …
aus Gitarre, Bass und Schlagzeug ganz neue Kombinationen
möglich. Waren Drumcomputer und Synthesizer noch wenige
Jahre zuvor für Teenager der Arbeiterklasse unbezahlbar, können
sich inzwischen immer mehr junge Musiker diese »Instrumente«
leisten. Futuristisch anmutende Maschinen, die auch zur Aus­
rüstung von Han Solos Millennium Falcon gehören könnten, läuten ein neues Zeitalter ein – 1982 spricht das Magazin Der Spiegel
im Zusammenhang mit den zahlreichen neuen elektronischen
Bands aus Großbritannien auch von »Popmusik für die StarWars-Generation«. Die oftmals noch monophonen Synthesizer
geben jeweils nur einen Ton von sich, so dass man zum Spielen
nicht mehr als einen Finger braucht. Somit muss man sich nicht
einmal mehr mit Akkorden auskennen, um Sounds und Melodien zu kreieren. Eines der radikalsten Beispiele für neue elektronische Musik aus der Zukunft ist zu dieser Zeit die westdeutsche
Band Deutsch-Amerikanische Freundschaft, kurz DAF, mit ihrer
LP Die Kleinen und Die Bösen.
Basildon ist langweilig. Und gerade deshalb verbreiten sich die
Do-It-Yourself-Genres Punk und New Wave dort rasant. Die 79er
Cure-Platte Three Imaginary Boys beeindruckt Vince Clarke sehr,
und er hat Lust, auch etwas in dieser Richtung zu machen. Sein
Nathan-Gitarren-Duo ist bereits wieder Geschichte. Das nächste
kurzlebige Gitarren-Bandprojekt ist No Romance In China, das
er mit zwei Kumpels betreibt. Vince und Andy treffen sich in dieser Zeit nicht mehr in der Kirchengemeinde, sondern gehen mit
Martin Gore und Vince’s Kumpel Robert Marlow ins Kulturzentrum von Basildon, um dort über ihre neuesten Lieb­lingsplatten zu
sprechen: OMD, Fad Gadget, The Human League, The Normal
und Kraftwerk. Martin interessiert sich in dieser Zeit sehr für
deutsche Kultur und Sprache, auch weil er an einem Schüleraustausch mit Erfde in Schleswig-Holstein teilnimmt. Besonders begeistert ihn die westdeutsche Elektropunk-Musik­szene mit Bands
wie DAF, Palais Schaumburg und Der Plan.
Doch Musik bleibt zunächst ein Hobby. Im Sommer 1979
schließt Martin die Schule ab und arbeitet für die NatWest Bank
in London. Andy Fletcher ist seit seinem Abschluss ebenfalls in
London bei der Sun-Life-Versicherung angestellt.
Vince sucht sich erst gar keinen festen Job. Das klassische Arbeitsleben langweilt ihn genauso wie Basildon. Vince will Musik
machen, und zwar richtig, nicht nur nach Feierabend. Doch bisher waren seine ersten Bands eher kurzlebig und so gründet er
mit seinem Kumpel Andy Anfang 1980 eine neue mit dem etwas
sperrigen Namen Composition Of Sound.
Ihr Sound soll genauso frisch und futuristisch klingen, wie die
neuen elektronischen Bands, die sie gerade hören. Aber Vince besitzt nur eine Gitarre und Andy nur einen Bass. Also suchen sie
nach weiteren Bandmitgliedern. »Sie nahmen mich, weil ich einer der wenigen Leute in Basildon war, die einen Synthesizer
besaßen«, erinnert sich Martin Gore, der zu dieser Zeit außerdem
mit Robert Marlow bei einer Band namens French Look spielt.
Zunächst proben sie in der kleinen Garage bei Vince zu Hause. Er
hat die Songs geschrieben, die Beats kommen aus einem billigen
Drumcomputer. In dieser Zeit geben sie bereits einige Wohnzimmerkonzerte für Freunde.
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Basildon Die Geburt einer Band
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Die Geburt einer Band Basildon
PLAYGROUND BASILDON 16 Shepeshall (Martin Gore), 59 Mynchens (Vince Clarke), 101 Woolmergreen (Andy Fletcher), 56 Bonnygate (Dave Gahan)
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Basildon Die Geburt einer Band
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Composition Of Sound Basildon
COMPOSITION OF SOUND
Am 30. Mai 1980 haben Composition Of Sound bei einer Party im The Paddock, einem Gemeindezentrum in Basildon, ihren ersten Auftritt vor »echtem« Publikum. Vince ist zwar der
Sänger, überzeugt aber nicht wirklich als Frontmann, da er eher
schüchtern hinter seinem Instrument steht. »Wir brauchten jemanden, damit wir interessant aussahen«, lautet rückblickend
seine Einschätzung. Als mehrere Leute in einem der Proberäume
der Woodlands-Schule David Bowies Heroes singen, fällt ihnen
ein Typ auf, der auch zu ihrem erweiterten Bekanntenkreis gehört: David »Dave« Gahan, geboren am 9. Mai 1962 in Chigwell,
ist ein »junger Wilder« aus einem anderen Teil von Basildon und
zeitweise Teil der lokalen Soul-Boy-Szene. »Ich habe einige Male
mit ein paar Bands geprobt«, erzählt Dave später dem Magazin
Uncut. »Bin aber nie aufgetreten, war nur nach der Schule auf
den Proben. Sie hießen The Vermin. In dem Teil von Basildon
waren die richtig berühmt. In unsern Köpfen waren wir schon
auf dem Weg, die nächsten Sex Pistols zu werden.«
Und er ist zeitweise der Soundmann von French Look. Andy
erinnert sich: »Dave sah besser aus als wir und er hatte tausende
Kontakte. Wir hingegen hatten keine Kontakte. Und er sang wirklich sehr gut.« Kurzentschlossen fragt Vince ihn, ob er Lust hätte,
ihr neuer Sänger zu sein, und am 14. Juni 1980 treten Composition
Of Sound beim Konzert im Garderobenraum der St. Nicholas
School in Basildon das erste Mal zu viert auf.
Poster für das Konzert am 14. Juli 1980 in der Nicholas School in Basildon,
designt von Rodney Martin, dem Bruder von Vince Clarke
Poster für das Konzert am 21. Juli 1980 im Top Alex in Southend-on-Sea, designt von
Rodney Martin, dem Bruder von Vince Clarke
Der neue Sänger macht sich schnell Gedanken um das Image der
Band. Für Mode und Design hat Dave schon lange ein Faible,
daher auch seine begonnene Ausbildung am Technical College in
Southend-on-Sea. Besonders der sperrige Bandname schreit nach
Veränderung. Nach einigen Gigs überzeugt Dave die anderen zu
einem neuen und griffigeren Namen, zu dem ihn eine französische Modezeitung inspiriert hat, die irgendwann vor ihm lag:
DEPECHE MODE.
Nicht nur der Name wird geändert, auch der Sound soll cooler
werden. Wochenlang schlägt sich Vince mit miesen Gelegenheitsjobs rum, um sich endlich einen eigenen Synthesizer kaufen zu
können. Und auch Andy besorgt sich einen. Gitarren haben ausgedient. Aber sie geben sich nicht damit zufrieden, sich gegenseitig
auf die Schulter zu klopfen und stolz zu sagen, man sei eine Band.
Das Wichtigste ist nun, sich bekannt zu machen. Und das geht
naturgemäß am besten, indem man möglichst viele Konzerte gibt.
Ein entscheidender Moment kommt, als der Clubbesitzer
Gary Turner ihnen anbietet, regelmäßig im Crocs in Rayleigh, elf
Kilometer östlich von Basildon, zu spielen. Und so treten sie im
August 1980 dort gleich mehrmals auf. Fast 500 Leute passen in
den Club und an den Samstagabenden ist der Laden nicht selten
komplett voll. Viele im Publikum sind Teil der gerade angesagten New-Romantics-Szene, die sich durch extravagante Klamotten und Frisuren sowie stark geschminkte Gesichter definiert, der
Rest sind Kumpels aus Basildon und Studenten des Technical
College, welches Dave besucht.
Langsam entwickelt sich eine erste kleine Fanszene um die
Band, die auch zu Konzerten nach London mitreist. Vince Clarke
verschafft ihnen dort den ersten Gig in einem Pub im East End
namens Bridgehouse. Obwohl sich nur wenige Leute zu ihrem
Konzert dorthin verirren, bietet ihnen der Ladenbesitzer weitere
Auftritte an. Neben Songs, die Vince geschrieben hat, gehören
auch einige Coverversionen zu ihrem Repertoire, z. B. Price Of
Love von den Everly Brothers. Es läuft ziemlich gut für Depeche
Mode. Und in diesen Tagen kommen ständig Platten von neuen Bands auf den Markt. Vor allem von elektronischen Bands.
Warum sollten sie nicht auch dazu gehören?
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Basildon Dreaming Of A Single
DREAMING OF A SINGLE
»Ein Demotape«, drängt Vince Clarke, denn nur damit würden sie
an bessere Konzerte kommen. Und so nehmen sie im Studio der
Lower Wapping Conker Company im nahegelegenen Barking mit
einer Vierspurmaschine und primitivem Equipment die Songs Ice
Machine, Photographic und Radio News auf. Die Kassette lassen sie
vom Tape Copying Services in London vervielfältigen. Als Kontakt schreibt Vince handschriftlich seine elterliche Wohnadresse
auf die Innenseite der Kassettenhülle.
DEMOTAPE
Das erste Demotape der Band galt lange als verschollen, tauchte dann aber im Februar 2011 in einem großen Online-Auktionshaus auf und wechselte am Ende für ca.
2.000 Britische Pfund den Besitzer. Ein zweites Exemplar aus dem Besitz von Terry
Murphy, dem Inhaber des legendären Bridge House Pub in Canning Town, wurde
nur wenig später ebenfalls versteigert und erzielte sogar einen noch höheren Preis,
der bei ca. 2.800 Britischen Pfund lag.
Poster zum Konzert am 16. Oktober 1980 in London, Bridgehouse
In der Hoffnung auf einen Plattendeal klappern Vince und Dave
damit auch verschiedene Majorlabels in London ab. Zu dieser
Zeit schickt man seine Demos nicht einfach hin, sondern geht
persönlich zu den Artists- & Repertoire-Managern (kurz A&R)
und hört sich das Tape gemeinsam an – wenn die gerade darauf
Lust haben. Aber keiner interessiert sich für Depeche Mode. Ihre letzte Adresse ist das Indielabel Rough Trade mit dem kleinen
Shop in Notting Hill. Dessen Inhaber Richard Scott hört sich das
Tape zwar an, findet aber, dass dies nichts für Rough Trade sei. Er
verweist sie an Daniel Miller von Mute Records, der ebenfalls im
Laden ist. Doch der hat gerade ein technisches Problem mit der
ersten Fad Gadget-LP und winkt nur ab.
Bis hierhin gleicht die Bandgeschichte von Depeche Mode der
unzähliger anderer Bands – junge Musiker mit einem ambitionierten Demotape und kein Plattendeal in Sicht. Also besinnt man
sich zunächst auf weitere Konzerte. Im November 1980 spielen
Depeche Mode als Vorband von Fad Gadget in Canning Town.
Daniel Miller ist auch vor Ort. Nachdem er Depeche Mode an
diesem Abend erstmalig live gesehen hat, ändert er seine Meinung
grundlegend. Es vergehen nur wenige Tage, als sie schon von
Daniel gefragt werden, ob sie für Mute eine Single produzieren
möchten. »Wir waren damals große Fans von Mute«, erklärt
Martin später, »und von ihm spontan ein Angebot für eine Single zu bekommen, war unglaublich.«
Zeitgleich ist der damals 17-jährige Manager von Soft Cell,
Steve »Stevo« Pearce, auf Depeche Mode aufmerksam geworden
und bittet die Band, einen Song für seinen Futurists-Sampler beizusteuern, den er auf seinem Label Some Bizzare veröffentlichen
will. »Futurists« ist kurzzeitig ein Sammelbegriff für einige der
neuen elektronischen Bands, setzt sich jedoch nicht durch.
Auch DJ Stevo, der nebenbei zahlreiche Konzerte mit auf­
strebenden Künstlern organisiert, möchte Depeche Mode unter
Vertrag nehmen und lockt mit Supportauftritten für Ultravox
und einem Deal für mehrere Alben. Depeche Mode bleiben zurückhaltend und wollen sich nicht gleich langfristig verpflichten,
sondern erstmal nur eine Single machen. Für das Some BizzareAlbum sagen sie aber ihren Song Photographic zu, den Daniel
Miller zusammen mit der Band Ende 1980 im Tape One Studio
produziert. Am 30. Januar 1981 steht die Compilation mit dem
ersten Song von Depeche Mode auf Vinyl in den Läden.
Die Jungs sind immer noch vier normale Jugendliche aus Basildon.
Aber von Langeweile ist keine Spur mehr, denn sie können es kaum
erwarten, ihre erste eigene Single in den Händen zu halten.
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Dreaming Of A Single Basildon
SOME BIZZARE ALBUM LP • SOME BIZARRE BZLP 1 • UK
Die Some Bizzare-Version von Photographic war lange Zeit nur auf diesem Album zu
finden, wurde aber am 26. Oktober 1998 mit dem Depeche-Mode-Reissue von The
Singles 81– 85 wiederveröffentlicht.
SOME BIZZARE Album PROMO Poster • UK
TWENTY BIZARRE NIGHTS
Parallel zur Veröffentlichung des Some Bizzare-Albums am 30. Januar 1981 kündigte Stevo Pearce in einer Pressemitteilung Twenty Bizarre Nights für den Februar 1981 an,
bei denen einige der auf dem Album enthaltenen Bands Konzerte gaben.
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Basildon Mute Records
MUTE RECORDS
Do-It-Yourself ist das Gebot der Stunde – für Songs, Produktion,
Artwork und Label. Daniel Miller ist seit Jahren ein großer Fan
westdeutscher Elektronik- und Krautrockbands und braucht ein
Label für sein eigenes Ein-Mann-Elektropunk-Musikprojekt The
Normal. Der DIY-Gedanke der Punkbewegung überzeugt Miller
sofort, denn er hat keine Ambitionen, ein kommerzielles Label
anzufragen, da die ihm nur in seine Musik reingeredet hätten. Also gründet der damals 27-jährige 1978 Mute Records. Ohne die
leiseste Ahnung, wie ein Label eigentlich funktioniert.
Die Debüt-Single von The Normal T. V. O. D. / Warm Leatherette
erscheint am 1. Mai 1978 und verkauft sich etwa 30 000 Mal –
für ein Indielabel ein großer Erfolg, und sie bringt Daniel Miller
viel Anerkennung, wenn auch nur jenseits der Charts und Mainstreampresse.
Die Silicon Teens, Daniel Millers zweites Projekt, stehen für die
Idee, Coverversionen alter Rock-’n’-Roll-Oldies mit Synthesizern
zu instrumentieren – und sind eine subtile Mogelpackung. Die
auf Platten und Flyern gedruckten sowie in Interviews genannten Musiker der »Band«, bestehend aus den Mitgliedern Darryl
(Gesang), Jacki (Synthesizer), Paul (E-Beat) und Diane (Synthesizer), existieren überhaupt nicht. Gesang sowie Musik kommen
alleine von Miller, welcher wie schon beim Vorgängerprojekt The
Normal alles selbst einspielt.
Zu Mute kommen aber auch »echte« Bands hinzu, wie Fad Gadget und zeitweise die westdeutsche Band DAF (Deutsch-Amerikanische-Freundschaft). Selbst Soft Cell sind kurzzeitig für Mute
im Gespräch. »An einem Punkt musste ich mich entscheiden,
ob ich Soft Cell oder Depeche Mode unter Vertrag nehme«,
erinnert sich Daniel Miller später. Er entscheidet sich für Depeche
Mode, Soft Cell gehen zu Some Bizzare und Phonogram. Daniel
produziert aber 1981 noch deren erste Single Memorabilia.
Mute wird zu einer Plattenfirma, die ähnlich wie die Musik, die
dort vertrieben wird, beispielhaft ist für die damalige Entwicklung
des Postpunk: Independent. Diese Unabhängigkeit bezieht sich
sowohl auf künstlerische als auf wirtschaftliche Entscheidungen.
Daniel Miller arbeitet nur mit Bands zusammen, die ihm auch
selbst musikalisch zusagen, und er ist niemandem Rechenschaft
schuldig. Auf der anderen Seite behalten die Bands die Kontrolle
über ihr kreatives Schaffen. Und das ermöglicht etwas, das nicht
nur für ein Indielabel unbezahlbar ist: Authentizität. Nicht Zielgruppen und Verkaufszahlen bestimmen das Programm, sondern
die Musik. Das klingt unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten vielleicht naiv, aber nicht nur im Falle von Mute Records
funktioniert es.
Und gerade weil die Bands der Indielabels oftmals authen­tischer
sind als Produkte der Majorlabels, finden sie größere Akzeptanz,
und ihre Platten werden gekauft, wenn auch erst mal nur von
einem Nischenpublikum.
SILICON TEENS • MEMPHIS TENNESSEE
Promoposter für die Veröffentlichung der ersten Silicon Teens 7" Memphis Tennessee
auf Mute
Zunächst betreibt Daniel sein Label von zu Hause aus, findet in
Rough Trade aber kurz darauf einen ersten Vertriebspartner.
1976 als Plattenladen angefangen, kommen bei Rough Trade
bald ein kleines Label und ein Lager für den Versand hinzu, wo
Mute am Anfang seine Veröffentlichungen einlagern darf. So startet Daniel sein kleines Ein-Mann-Unternehmen und niemand
ahnt, dass Mute weltweit zu einem der erfolgreichsten und beständigsten Independent-Labels avancieren würde.
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Mute Records Basildon
DER ERSTE ROUGH TRADE SHOP in der Londoner Talbot Road 130 wurde 1976 gegründet. Der legendäre Plattenladen erfreut sich noch heute großer Beliebtheit.
THE NORMAL • T.V.O.D. 7" • MUTE • MUTE001 • UK
SILICON TEENS • MEMPHIS TENNESSEE 7" • MUTE • MUTE003 • UK
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Basildon Dreaming Of Me
DREAMING OF ME
Jetzt geht es nicht mehr nur um ein Demotape, sondern um eine
Vinylsingle für Plattenläden, Clubs, Radio- und vielleicht sogar
Fernsehsender. Für ihre erste Mute-Veröffentlichung einigen sich
Depeche Mode und Daniel aus dem Live-Repertoire der Band
auf Dreaming Of Me, ein Song mit süßer, fließender Melodie und
gutem Drive. In dem kleinen Londoner Blackwing Studio nehmen sie ihn zusammen mit Ice Machine als B-Seite auf. Daniel
übernimmt dafür den Part des Produzenten, da er sich durch die
Homerecordingarbeiten für seine eigenen Musikprojekte The
Normal und Silicon Teens mit den Aufnahmeabläufen bereits etwas auskennt. Wird es die Single überhaupt schaffen, im Radio
gespielt zu werden?
Die erste Pressemitteilung von Mute zum Release der Single im UK. Diese Schreiben
wurden den Singles beigelegt und an Radiomoderatoren und DJs verschickt, um sie
mit Releaseinformationen zu versorgen.
Bei all diesen ersten Schritten greifen Depeche Mode auf die Unterstützung ihres Basildoner Freundeskreises zurück. Nicht nur
dass sie die Band zu ihren Konzerten begleiten. Die Zeichnung
auf dem Single-Cover von Dreaming Of Me stammt von Mark
Crick, einem damaligen Freund von Martin Gore, der später Fotograf und Buchautor wird. Sie wohnen in derselben Straße und
gehen beide auf die Nicolas School. In dieser Zeit stößt auch der
erste Roadie aus ihrem Freundeskreis zur Band – Daryl Bamonte,
der jüngere Bruder von Perry Bamonte, späterer Gitarrist von The
Cure. Daryl sollte bis Mitte der neunziger Jahre für Depeche Mode arbeiten und zu einem engen Freund der Band werden.
Dreaming Of Me erscheint am 20. Februar 1981 in Großbritannien, etwa zeitgleich mit der sehr politischen Debütsingle von
Heaven 17 (We Don’t Need This) Fascist Groove Thang. Kurz zuvor
hat die New-Romantics-Ikone Visage mit Fade To Grey die Top
Ten der britischen Charts erreicht. Überraschend kurz nach Erscheinen wird Dreaming Of Me schon im Radio gespielt und klettert in den Singlecharts bis Platz 57. Das ist noch keine Sensation,
aber ein sehr guter Start, denn keine der Mute-Veröffentlichungen
hat es bis dahin in die Hitparade geschafft. Die Stimmung in der
Band ist euphorisch. Martin erinnert sich: »Wir fühlten, wenn
wir uns ein bisschen mehr auf die Band konzentrieren würden,
könnten wir vielleicht unsere Jobs aufgeben, und es wirklich
schaffen.«
HANDSHAKE WITH DANIEL MILLER
Gesucht: Junge Synthie-Band. Die britischen Plattenfirmen sehen
mit Bands wie Visage, Spandau Ballet oder Soft Cell einen Trend
kommen, und plötzlich sind die jungen Vertreter elektronischer
Musik heißer begehrt denn je. Auch für Depeche Mode kommen jetzt vielfältige Angebote: Roger Ames, A&R-Manager bei
Phonogram, kontaktiert die Band und bietet ihnen einen Plattenvertrag inklusive großzügigem Vorschuss. Andere Majorlabels zeigen ebenfalls Interesse. Mit derartigen finanziellen Verlockungen
kann Daniel Miller nicht konkurrieren.
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Handshake with Daniel Miller Basildon
DREAMING OF ME 7" • MUTE • MUTE 013 • UK
Die Erstauflage der UK-Single von Dreaming Of Me enthält auf der Rückseite des
Covers den Hinweis »Distributet by Rough Trade«, während auf späteren Pressungen
neben Rough Trade auch Spartan als Distributor aufgeführt wird.
DREAMING OF ME 7" • INTERCORD • INT 197.206 • GER
Poster mit dem Motiv der Dreaming Of Me-Single für das Konzert in der Londoner
Southbank Poly am 1. Mai 1981. Die Illustration stammt von Mark Crick, einem
Freund von Martin Gore.
In Westdeutschland wurde Dreaming Of Me nicht als Single veröffentlicht.
Einige Exemplare wurden von der Intercord zu Promotionzwecken an Medien und
DJs verschickt. Bei der Single handelte es sich allerdings um die englische Pressung,
welche einen Sticker mit der von Intercord vergebenen Katalognummer 197.206 auf
der Coverrückseite hat.
Erwähnt wird diese Single in der Intercord-Presseinfo zur Veröffentlichung von
Speak & Spell in Deutschland.
Aber Rod Buckle, Mitinhaber der Plattenfirma Sonet und Kooperationspartner von Mute Records, und auch Mutes Radio­
promoter Neil Ferris empfehlen der Band bei Daniel zu bleiben,
da er sich besser um sie kümmern werde. Die Band entscheidet
sich für Daniel und Mute – weil sie ihm vertraut und zutraut, Depeche Mode zusammen mit ihnen zu entwickeln und nicht nur
einen kurzen Majorhype zu erleben. »Warum sollten wir nicht
dazu imstande sein? Die anderen Plattenlabel waren recht altmodisch und poporientiert, aber wir arbeiteten völlig anders«,
erinnert sich Daniel Miller. Per Handschlag besiegeln sie eine
50/50-Gewinnbeteiligung für Großbritannien.
Der Deal verpflichtet Mute Records außerdem, in anderen
Ländern Lizenznehmer zu finden. Zusätzlich hat Rod Buckle von
Sonet einen kleinen Vorschuss organisiert und in Westdeutschland die Plattenfirma Intercord aus Stuttgart als Lizenznehmer für
Mute-Künstler gewonnen. Von da an veröffentlicht Intercord alle
Depeche-Mode-Platten in der Bundesrepublik bis 1998.
Erst wenn man die Bands betrachtet, die zeitgleich bei einem
Major unterschrieben, aber schon bald darauf in der Versenkung
verschwanden, wird deutlich, wie richtig doch die Entscheidung
war, bei Mute und Daniel Miller zu bleiben.
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Basildon New Life
NEW LIFE
Beflügelt vom Erfolg der ersten Single folgt am 13. Juni New Life.
Erstmalig wird auch eine Maxisingle des Songs produziert. Und
New Life bringt die langersehnte Einladung zu Top Of The Pops.
Anschließend klettert die Single auf Platz 11 in den UK-Charts.
Der Song wird ein Hit, und es folgen Angebote von verschiedenen
europäischen TV-Sendern für Playbackauftritte in Fernsehshows.
Der nächste Schritt war somit klar: Es musste ein Album folgen.
BLACKWING STUDIOS
Daniel Miller stieß bereits auf der Suche nach einem Studio für
die Arbeit an dem Album seines zweiten Musikprojektes Silicon
Teens auf das Blackwing. Der Betreiber Eric Radcliffe und sein
Tonassistent John Fryer zeigen sich offen für Daniels Arbeitsweise
und neue elektronische Musik, was damals in der rockorientierten
Studiolandschaft äußerst selten ist. Das Blackwing Studio verfügt
außerdem über einen großen Kontrollraum, in welchem man die
Synthesizer gleich mit aufbauen kann. Das Studio liegt in einer
kleinen Nebenstraße im Herzen Londons und ist in einer ehe­
maligen Kirche untergebracht, die von der deutschen Luftwaffe
bei ihren Bombenangriffen 1941 teilweise zerstört worden war.
Aus Kostengründen kann Gründer Eric Radcliffe 1980 das Studio
zunächst nur mit einer Acht-Spur-Maschine ausstatten. Niemand,
TOP OF THE POPS 1981 Auftritt mit New Life
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Blackwing Studios Basildon
Radcliffe vermutlich am allerwenigsten, ahnt, dass das Blackwing in den Folgejahren zur legendären Geburtsstätte zahlreicher
Mute-Alben werden und auch bei anderen Indielabels wie 4AD
und Creation Records sehr gefragt sein würde. Neben Depeche
Mode arbeiten dort in den folgenden Jahrzehnten Bands wie
Dead Can Dance, My Bloody Valentine und Nine Inch Nails.
Für die Aufnahmen zum ersten Depeche-Mode-Album bringt
Daniel seinen analogen Arp-2600-Synthesizer und Sequenzer mit
ins Studio, wodurch das spärliche Equipment der Band für die
Aufnahmen deutlich erweitert wird. Da Vince keinen Job hat,
verbringt er mit Daniel den ganzen Tag im Blackwing, der Rest
der Band kann erst nach der Arbeit dazustoßen.
Aufgrund der begrenzten Anzahl von nur acht Spuren der Aufnahmemaschine spielen sie die Songs weitgehend live ein. »Ich
wollte, so gut wie ich es konnte, die Atmosphäre der Songs
einfangen, wie ich sie auch live gesehen hatte. Wir wollten einen guten Elektronik-Popsound, aber nichts kopieren«, erklärt
Daniel Miller. Doch der eigentliche Prüfstein kommt erst nach
dem Abmischen. Dazu verlassen sie das Studio, setzen sich in Eric
Radcliffes Auto und schieben eine Kassette hinein. Wenn sich die
Songs auf einem Tape und in einem alten Autoradio gut anhören,
würden sie auf jeder Musikanlage gut klingen.
Hinweis an der All Hallows Church, früher Blackwing Studio, 2012
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Basildon New Life
NEW LIFE 7" • MUTE • 7MUTE014 • UK
Mit der Maxi- oder 12"-Single wurde ab Mitte der siebziger Jahre ein weiteres VinylFormat auf den Markt gebracht. Durch die im Vergleich zu herkömmlichen Singles
und LPs wesentlich breitere Rille einer 12" wurde eine wesentlich bessere Wieder­
gabequalität ermöglicht: höhere Grundlautstärke, deutlich besserer Dynamikumfang,
also sattere Bässe und Höhen. Die höhere Grundlautstärke sorgt außerdem für ein
besseres Signal-Rausch-Verhältnis, so dass bei höherer Abspiellautstärke, also in
Diskotheken, die Klangqualität immens verbessert wurde. Die erste Maxisingle, die
anfangs nur eine identische Auf­nahme der 7"-Single enthielt, wurde im Handel bald
als Super Sound Single angeboten. Die weltweite Etablierung dieser 12"-Single war
im Wesentlichen auf den Bedarf von langen, tanzbaren, sogenannten DiskoVersionen, heute nur noch Remix genannt, zurückzuführen. Mit der New Life 12"
veröffentlichten auch Depeche Mode erstmals Remixe ihrer Songs. Spätere Promo-12" mit Remixen der Band legten den Grundstein für den Erfolg vor allem auf
US-amerikanischen Tanzflächen.
NEW LIFE 12" • MUTE • 12MUTE014 • UK
Die Grafik auf dem Sleeve der New Life-12" im UK basiert auf der Fotografie eines
weinenden Babys, welches bereits 1968 das Deckblatt des wissenschaftlichen
Mind-Alive-Magazins schmückte.
Die englische Rocklegende Black Sabbath nutzten das gleiche Motiv später für das
Cover ihres 83er Album-Release’ Born Again.
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New Life Basildon
Das englische Musikmagazin Sounds veröffentlichte am 27. Juni 1981 die erste große Titelstory über Depeche Mode im UK. Das Coverfoto stammte
von Virginia Turbett, einer bekannten Rock- und Popfotografin. Aufgenommen wurde das Bild im Kirchhof des Blackwing Studios in London.
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Basildon New Life
MERCHANDISE 1981 Notenheft zu New Life von Music Sales Ltd London
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New Life Basildon
NEW LIFE 7" • INTERCORD • INT 111.800 • GER
Das Sleevedesign von Simon Rice blieb vorerst nur der englischen 12" vorbehalten.
Alle anderen Lizenznehmer veröffentlichten die 12" weltweit mit dem Motiv der 7"
und der darauf enthaltenen Fotografie von Rodney Martin.
Eine Verwendung fand das bei Fans als »Baby Sleeve« bekannte 12"-Cover erst wieder mit der Veröffentlichung von Maxi-CDs ab Mitte der Achtziger. Auch die namentliche Bezeichnung des Rio Mixes für die auf der B-Seite der 12" enthaltenen RemixVersion von Shout! erfuhr man vorerst nur auf dem englischen Cover.
In Deutschland verschickte man zur Promotion die handelsübliche 7", versehen mit
einem »Not For Sale«-Sticker.
NEW LIFE 12" • INTERCORD • INT 126.800 • GER
Pressetext über die neue Band bei Intercord von Manfred Gillig-Degrave
(oben) sowie die Pressemitteilung der Intercord zur Veröffent­
lichung von
New Life in Deutschland vom 4. August 1981
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Basildon Erstes Fotoshooting mit Tim Williams
ERSTES FOTOSHOOTING MIT TIM WILLIAMS
Im Juni 1981 wird der Fotograf Tim Williams, ein DepecheMode-Fan der ersten Stunde, von Vince Clarke gefragt, ob dieser
nicht einige Fotos der Band machen könne. Der von Vince Clarkes damaliger Freundin Deb Danahay neu gegründete Information
Service, der die rasant wachsende Depeche-Mode-Fangemeinde in
Zukunft regelmäßig über alle Bandaktivitäten informieren soll,
bekommt immer öfter Fanpost mit Autogrammwünschen.
So fand am 21. Juni 1981 ein Fotoshooting in Basildon statt,
in dessen Rahmen die Motive für die ersten drei offiziellen Autogrammkarten entsteht. Die Karten werden auf Anfrage über den
Information Service verschickt und als Merchandise auf den Konzerten verkauft.
FASHION & FAME
Neben der Musik, den Artworks der Platten und den Liveperformances ist der Kleidungsstil einer Band das Mittel, um zu zeigen,
auf welcher Seite sie stehen, welches Image sie pflegen. Depeche
Mode präsentieren sich 1981 sowohl in dunklen Anzügen, weißen
Hemden und Schlips, fast wie Swingkids aus den Vierzigern, als
Dieses Bild entstand vor dem Elternhaus von Vince Clarke. Das Auto, auf dessen
Motorhaube die Band ganz lässig posiert, gehörte dem Vater von Deb Danahay,
Vince Clarkes damaliger Freundin und Gründerin des Depeche Mode Information
Service, dem ersten Quasi-Fanclub der Band. 500 Autogrammkarten mit diesem
Motiv wurden gedruckt.
Die von der Londoner Firma Walkerprint gedruckten Autogrammkarten stehen bei Sammlern hoch im Kurs. Von dieser Karte wurden insgesamt 1 000 Exemplare gedruckt.
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Fashion & Fame Basildon
Depeche Mode im Juni 1981, fotografiert auf einer Böschung am Vange Hill Drive in Basildon. 500 Autogrammkarten mit diesem Motiv wurden gedruckt.
auch in Lederoutfits, wie sie zu dieser Zeit in Schwulenclubs angesagt sind. Unentschlossen wechselt die Band hin und her, ohne
dass ihr Kleidungsstil eine wirkliche Einheit mit ihrer Musik bildet. Dieses Markenzeichen würden sie erst viel später entwickeln.
Aber mit diesem Style-Mix sind sie nicht alleine. Auch zahlreiche
andere Bands wie z. B. Soft Cell prä­sentieren sich in solchen Klamotten.
Die britische Musikpresse, damals dominiert von New Musical
Express, Sounds und Melody Maker, macht aus Depeche Mode nach
der Veröffentlichung der ersten Single ein Teeniepop-Phänomen.
Möglicherweise liegt es daran, dass Dreaming Of Me keine MollTöne hat und die Band auf ihren Fotos zu optimistisch in die
Zukunft blickt – im Gegensatz zu anderen New-Wave- und NewRomantics-Bands, denen man wahlweise Weltschmerz oder Arroganz im Gesicht ablesen kann. »Die Menschen nahmen uns nicht
so ernst wie zum Beispiel Heaven 17 oder The Human League
oder ähnliche Bands, was sehr deprimierend war«, erinnert sich
Mutes Radiopromoter Neil Ferris.
Mit der Single New Life bessert es sich zwar etwas, aber es ist nicht
einfach für die Band, zu erklären, dass sich die Charttauglichkeit
ihrer Musik, die Ernsthaftigkeit und die Independent-Attitüde
nicht ausschließen. »Depeche Mode sind zu jung, als dass sie so
melancholisch sein könnten wie Kraftwerk, und ihre Unterhosen
sind viel zu sauber für die Verzweiflung von DAF. Allerhöchstens – wenn die drei Synthies bei »I Take Pictures« kurz stottern
und dann aussetzen – wirken sie wie Kinder, die Matchboxautos
überein­anderstapeln«, schreibt der NME im August 1981.
Der westdeutsche Musikexpress glaubt hingegen, dass Depeche
Mode lediglich ein Produkt von Daniel Miller ist, und urteilt
daher mit launigen Worten: »Unkomplizierter Ultra-Synthi-Glamour-Pop von vier hübschen Buben, die Produzenten-As Daniel
Miller (Fad Gadget, Silicon Teens) in seiner Elektro-Werkstatt
zu einem kommerziellen Kraftpaket zusammen­geschweißt hat.
Das Motto: Jede Single ein Hit!« Obgleich die Band – anders als
in Großbritannien – in der Bundesrepublik zu dieser Zeit nur
ein Geheimtipp ist, wählen die Leser der westdeutschen Sounds
Depeche Mode Ende 1981 unter der Rubrik Newcomer/International bereits auf Platz 4. Vor ihnen liegen nur noch Au Pairs
und Bow Wow Wow, die gleich darauf wieder von der Bildfläche
verschwinden sollten – und Heaven 17.
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Basildon Depeche Mode Live
Depeche Mode live im Bridge­
house Pub in Barking, East
London am 29. Juli 1981.
Dieses Konzert fand wenige
Wochen nach dem Top-Of-ThePops-Auftritt statt und wurde
geheim gehalten, um einen
Massenauflauf zu vermeiden.
In der Konzertanzeige im NME.
stand daher auch »Modepeche:
Dreaming of a new life« anstelle
des Bandnamens.
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Depeche Mode Live Basildon
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Basildon Just Can’t Get Enough
JUST CAN’T GET ENOUGH
Noch bevor das Debütalbum veröffentlicht wird, erscheint Anfang September bereits die dritte Single Just Can’t Get Enough,
welche bis auf Platz 8 der britischen Charts klettert. Wieder gelingt ihnen ein Auftritt bei Top Of The Pops. Und nach langem
Zögern scheint die Zeit jetzt reif: Sie kündigen ihre Jobs, um sich
ganz aufs Musikmachen zu konzentrieren. Jetzt gibt es so schnell
kein Zurück mehr.
TOP OF THE POPS
Depeche Mode mit Just Can’t Get Enough bei Top Of The Pops.
Die Produktion der BBC war eine der erfolgreichsten Musiksendungen der achtziger
Jahre. Aufgrund sinkender Zuschauerzahlen wurde sie am 20. Juni 2006 nach über
42 Jahren abgesetzt.
JUST CAN’T GET ENOUGH • PRESSEINFO
JUST CAN’T GET ENOUGH 7" • MUTE • 7MUTE016 • UK
JUST CAN’T GET ENOUGH 12" • MUTE • 12MUTE016 • UK
zum Release von Just Can’t Get Enough im UK. Mit ausführlichen Informationen zur
Band oder dem auf den Singles enthaltenen Material hielt man sich nach wie vor
zurück.
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Just Can’t Get Enough Basildon
Die Freude über das Titelbild, welches mit dem NME am 22. August 1981 erschien
und vom holländischen Fotografen Anton Corbijn stammt, der bereits für Bands wie
Joy Division und U2 tätig war, hielt sich vor allem bei Frontmann Dave Gahan in
Grenzen, schließlich ist dieser nur als verschwommene und grobkörnige Silhouette
erkennbar. Dieses neue und in der Fotografie unübliche Stilmittel machte Anton Corbijn in den kommenden Jahren weltberühmt.
MERCHANDISE 1981 Notenheft von Music Sales Ltd London
JUST CAN’T GET ENOUGH 7" • RCA • SPBO-7292 • ESP • PROMO
JUST CAN’T GET ENOUGH 7" • FERMATA • 88.506 • BRA • PROMO
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