BWS_Erfahrungsbericht_Kerstin Anselm
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BWS_Erfahrungsbericht_Kerstin Anselm
ERFAHRUNGSBERICHT KERSTIN ANSELM HEIMATHOCHSCHULE: PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE HEIDELBERG GASTHOCHSCHULE: THOMPSON RIVERS UNIVERSITY KAMLOOPS, KANADA STUDIENRICHTUNG UND- ZIEL: MASTER OF EDUCATION (PROFIL: FÜHRUNG UND INNOVATIONEN IN BILDUNGSINSTITUTIONEN) AUFENTHALTSDAUER: EIN SEMESTER (2.MAI-10. AUGUST 2012) 1 EINLEITUNG: Im Zuge des Masterprogramms „Führung und Innovationen in Bildungsinstitutionen“ der Pädagogischen Hochschule Heidelberg habe ich im Sommersemester 2012 an dem Austauschprogramm mit der Thompson Rivers University in Kanada teilgenommen. Dafür verbrachte ich zusammen mit drei Kommilitonen ein Semester in Kamloops, dem Standort der TRU. In dem folgenden Erfahrungsbericht möchte ich jeden interessierten Leser an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. VORBEREITUNGEN: Die Vorbereitungen für das Auslandssemester begannen bereits ein Jahr zuvor durch die Kontaktaufnahme mit dem akademischen Auslandsamt und dem Bekunden meines Interesses. Da es sich bei unserem Kurs um die erste Kohorte handelte, die die Möglichkeit erhielt nach Kamloops zu gehen (durch die kurz zuvor beschlossene Partnerschaft der Hochschulen), war allerdings Vieles noch lange unklar, wie zum Beispiel der eigentliche Studienbeginn. Zugleich hatten wir jedoch die Chance, bei Besuchen von kanadischen Professoren dabei zu sein und erste Kontakte knüpfen zu können. Im Dezember 2011 begann die intensive Vorbereitung mit den Bewerbungsgesprächen für das Baden-Württemberg Stipendium und dem Sammeln der geforderten Dokumente (Motivationsschreiben, Lebenslauf etc.). Da die Dokumente in Englisch verfasst werden müssen, empfiehlt es sich, mit diesen rechtzeitig zu beginnen. Angenehm war die Nachricht, dass wir keinen Nachweis über unsere Englischkenntnisse in Form eines Tests (z.B. TOEFL) benötigten. Dies bedeutete eine große Zeit- und Geldersparnis. Auch ein Visum war unnötig, da man dieses erst braucht, wenn man länger als sechs Monate in Kanada verweilen möchte. Nachdem wir die vorläufige Zusage für das Stipendium und die Immatrikulationsbescheinigung der TRU im Januar erhalten hatten, war es für mich von Bedeutung, mich beruflich und privat vorzubereiten. Vom Zwischenmieter und laufenden Verträgen bis hin zum letzten Arbeitstag musste alles genau geplant werden. Von großer Hilfe waren an dieser Stelle die verschiedenen Kontakte nach Kanada, da diese uns direkt und ohne Umwege mit den wichtigsten Informationen versorgten. Im April 2012 konnte es dann losgehen. Zwar war der eigentliche Studienbeginn erst im Mai, doch ich wollte mich 2 sprachlich noch etwas vorbereiten und hatte aus diesem Grund beschlossen, privat einen Sprachkurs in Vancouver zu besuchen. Die Einreise nach Kanada verlief problemlos, doch es empfiehlt sich die Immatrikulationsbescheinigung der Universität, das Rückflugticket, die Bescheinigung über das Stipendium und ein ärztliches Attest vorzeigen zu können, um eine einfache Einreise reibungslos zu ermöglichen. STADT UND FREIZEIT: Es gibt zwei Möglichkeiten von Vancouver, der Hauptstadt British Colombias, nach Kamloops zu gelangen. Zum einen per Flugzeug. Dies ist allerdings eher kostenintensiv. Zum anderen kann man ganz klassisch den Greyhound-Bus nehmen - die deutlich kostengünstigere Alternative. Für diesen Weg haben wir uns auch entschieden und machten uns Anfang Mai in das kanadische Hinterland auf, um sechs Stunden später in Kamloops anzukommen. Zugegeben, nach vier Wochen Vancouver und dem aufregenden Leben einer Großstadt, war es zunächst schwer sich an eine Stadt zu gewöhnen, die kaum mehr als 85.000 Einwohner hat und deren Nachbarstadt mehrere Stunden entfernt ist. Doch es dauerte nicht lange und wir entdeckten die Abwechslung und Attraktivität, die Kamloops bietet. Besonders interessant ist die Natur. Kamloops liegt in einer Halbwüste und erinnert mit seiner Pflanzenwelt und dem Klima ständig an einen amerikanischen Western. Doch es dauert nur ein paar Minuten und schon ist man wieder in der kanadischen Wildnis und kann seine Füße in eiskaltes Wasser hängen. Dies machen die verschiedenen Seen der Umgebung möglich, wie der Adams oder Pauls Lake. Doch auch der River Side Park im Stadtzentrum gibt eine schöne Kulisse- gerade bei den Konzerten von „Music in the Park“, die den ganzen Sommer lang stattfinden und kostenlos sind. Ansonsten bietet das Nachtleben zwar nicht allzu viel, doch es lassen sich einige nette Pubs und Bars finden (wie das Kelly O’Brians und das Nobel Pig), die einem das Wochenende aufbessern können. Besonders gefallen hat mir die Homepage von Kamloops, da man sich dort jederzeit über die zahlreichen Veranstaltungen informieren kann. Vor allem die Events der First Nations(den Ureinwohnern Kanadas) kann ich an dieser Stelle nur empfehlen! Die Kanadier selbst lassen sich als durch und durch aufgeschlossene, nette und hilfsbereite Menschen berschreiben, die ein besonders großes Herz für ausländische Mitstudenten haben. Trotzdem ist es teilweise einfacher zu internationalen Studenten Kontakt zu knüpfen, 3 da auch sie auf der Suche nach neuen Freundschaften sind. Besonders geeignet für das Kennenlernen ist die erste Woche - eine Art „Warm-up“-Woche an der Uni. Bei den täglichen gemeinsamen Mittagessen, der Stadtralley und diversen anderen Veranstaltungen kommt man ganz leicht miteinander ins Gespräch. Unbedingt mitmachen! Vor allem bei den Masterkursen im Juli, die leider viel zu schnell vorbei waren, konnten wir Freundschaften mit Kanadiern knüpfen. So wurde ich über ein langes Wochenende auf einen typisch kanadischen Campingtrip mitgenommen – Volleyball- Tunier und Barbecue inklusive. Und das ganze noch an dem wunderschönen Shuswap-Lake - eine unvergessliche Erinnerung! Wichtig ist mir persönlich an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Kommunikation mit Kanadiern sehr leicht fällt. Dennoch sollte man auf verschiedene Aspekte achten. Dazu gehört sich immer offen und begeisterungsfähig zu zeigen. Zudem sollte man sich immer für Einladungen und Ähnliches bedanken (idealerweise mit einer Dankeskarte und einem kleinen Dankeschön). Da ich aus dem Schwarzwald komme, hatte ich immer kleine Kuckucksuhren dabei, die sehr gut ankamen. UNTERKUNFT: Es gibt verschiedene Möglichkeiten in Kamloops als Austauschstudent zu leben. Die Beliebteste ist meiner Meinung nach die on-campus Möglichkeit „The Residence“. Dieses Wohnheim wurde erst vor zwei Jahren gebaut und bietet 2er bzw. 4er WGs mit gemeinsamer Küche und gemeinsamen Bad in unmittelbarer Nähe zur Universität. Ich habe exakt vier Tage in der Residence gelebt und mich dann für eine Alternative entschieden. Dies hatte verschiedene Gründe. Zum einen steht das Haus im Sommer ziemlich leer, was dem Ganzen eine für mich unheimliche Atmosphäre gibt. Zum anderen ist es einfach verhältnismäßig teuer und mit dem Umzug konnte ich über 1.500 Dollar einsparen. Doch was mich fast am meisten gestört hat war die Tatsache, dass die Küche über keinen Herd und Ofen verfügt. Zwar gibt es auf jedem dritten Stockwerk eine Gemeinschaftsküche, doch da ich jeden Tag selbst gekocht habe (da die Mensa über den Sommer geschlossen ist), empfand ich es als mühsam dafür erstmal einen weiten Weg in Kauf zu nehmen. Aus diesem Grund bin ich praktisch direkt in die „Upper Collgege Highs“ gezogen - ein älteres Wohnheim „off- Campus“ gelegen. Ich zog in eine WG mit einer Nigerianerin und einer 4 Thailänderin. Insgesamt habe ich für die vier Monate 1.200 Dollar gezahlt, was für kanadische Verhältnisse in Ordnung ist. Zudem hatte ich einen Balkon und viele nette Nachbarn in unmittelbarer Nähe. Der Superstore (eine Art kanadischer Aldi) war direkt gegenüber und die Universität nur 10 Minuten zu Fuß entfernt. Zwar hätte ich auch noch in einer Gastfamilie unterkommen können, doch ich wollte diese Zeit nutzen, um in meiner Eigenständigkeit zu wachsen. STUDIUM UND KURSE: Unser Studium war von zwei Teilen geprägt. Von Mai bis Juni hatten wir Englischkurse (in „Academic Reading“und „Academic Writing“). Diese waren für mich leider nur wenig ergiebig, da ich einfach schon weiter in meinen Kenntnissen und Fähigkeiten war. Dies ergab auch der Placement-Test am Anfang des Semesters. Dennoch lohnt es sich meiner Meinung nach hinzugehen, da man hierbei seinen Wortschatz erweitern kann und viel über die Kulturen der anderen internationalen Studenten lernt. Im Juli begannen unsere Masterkurse zu den Themen „Diversity“ und „Leadership“. Ich war von der ersten Minute an begeistert. Die Struktur, die Dozenten und unsere Mitstudenten haben mich nachhaltig beeindruckt. Zwar war es ein sehr arbeitsreicher Monat, da wir immerhin neun Assignments in Form von Präsentationen und Hausarbeiten zu absolvieren hatten, doch ich habe sehr viel mitgenommen. Gerade der erste Kurs zu „Diversity“ ermöglichte mir einen echten Perspektivenwechsel. Dies wurde vor allem durch die Dozentin gefördert. Man konnte spüren, dass sie direkt von dem Thema beeinflusst wurde und mit viel Herzblut bei der Sache war. Jeden Tag kamen wir in den Genuß neuer Vorträge von Dozenten, Studenten und Schülern, die zu aktuellen Themen Stellung nahmen und ihre Meinung präsentierten. Insgesamt handelte es sich um ein sehr emotionalen und intensiven Kurs, der nicht nur mein pädagogisches Wissen erweiterte, sondern auch meine innere Einstellung. Der zweite Kurs zum Thema „Leadership“ zeichnete sich ebenfalls durch eine hohe Qualität aus. Zwar war er insgesamt eher theoriegeprägt, doch durch seinen großen Erfahrungsschatz gelang es dem Dozenten, diese greifbar zu machen und eine Praxisbezug herzustellen. Auch die Tatsache, dass es sich bei der Thompson Rivers um eine Privatuniversität handelt und die Studenten viel Geld dafür zahlen müssen, fördert die hohe Qualität der Vorlesungen. 5 Als deutscher Austauschstudent wird man an dieser Stelle sehr demütig und dankbar, dass man die Möglichkeit bekommt umsonst daran teilhaben zu können und in der Heimat auch kostengünstig studieren zu dürfen. Das Highlight des Semesters war für mich die Konferenz zu „language, culture and community“. Über ein ganzes Wochenende hinweg konnten wir uns Fachvorträge von Dozenten anhören, die von der ganzen Welt kamen (China, Venezuela, Südafrika usw.). Während den Mittagessen und Kaffepausen hatten wir dann die Möglichkeit mit den Dozenten ins Gespräch zu kommen. Eine wunderbare Erfahrung! Das Einzige, was wirklich schade war, war die Tatsache, dass im Sommersemester nahezu keine Vorlesungen stattfinden und aus diesem Grund kaum etwas los war. Sogar die Bibliothek war geschlossen. Leider. DAS FORSCHUNGSPROJEKT: Wichtiger Teil unsers Auslandsaufenthalts war unser Forschungsprojekt. Bereits im Vorfeld hatte ich erste Emails mit meiner Mentorin ausgetauscht, doch leider änderte sich kurz vor meiner Ankunft meine Praktikumsstelle. Dies ist etwas, das ich auf jeden Fall mitgenommen habe: Im Ausland lässt sich nicht Alles genau planen und man sollte immer erstmal ruhig bleiben und nicht in Panik geraten. Denn in der Regel wird alles gut-so war es auch in diesem Fall. Mir wurde ein neues Programm zugeteilt, eine Schule speziell für junge Mütter, die ihnen erlaubt, auf diesem Weg ihren Schulabschluss nachzuholen. Maureen, meine Mentorin, gab sich viel Mühe, mich nicht nur bei meinem Forschungsprojekt zu begleiten, sondern auch in die Gemeinde zu integrieren. So nahm sie mich mit auf eine Literacy-Konferenz, bei der ich auch mit anderen Projekten, wie der TREC-School (einem Präventionsprogramm für Jugendliche mit erhöhtem pädagogischen Förderbedarf) und der Streetschool (ermöglicht allen zwischen 19-70 Jahren den Schulabschluss) Kontakt knüpfen konnte. So nahm mein Forschungsprojekt nach und nach Gestalt an, bis ich zum Schluss mein Thema formuliert hatte: „Alternative Routes to the Highschool-Diploma“, ein Thema, das sich vor allem durch eine hohe gesellschaftliche Relevanz auszeichnet, da sowohl in Kanada, als auch in Deutschland jährlich zahlreiche Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Ich bin sehr glücklich über die Tatsache, dass ich viele inspirierende Ideen für Deutschland sammeln und mich auch während der Zeit aktiv in die Programme miteinbringen konnte. So 6 habe ich beispielsweise bei First Steps die Gestaltung und Leitung des Buchklubs übernommen. Bei der Erstellung meiner Interviews mit den Lehrern, Mentoren und Schülern der einzelnen Programme hat mir Pat Neufeld geholfen - die Leiterin des Education Departments der TRU. Es ist an dieser Stelle wohl kaum notwendig zu erwähnen, dass ich von ihr vorzüglich betreut wurde. Da meine Interviewpartner alle älter als 18 Jahre alt waren, benötigte ich keine Genehmigung der Erziehungsberechtigten. Dies erleichterte den Prozess erheblich, da die Forschungskriterien in Kanada insgesamt sehr streng sind. Aus diesem Grund empfehle ich, so früh wie möglich Kontakt mit den Betreuern aufzunehmen. Als Tipp würde zudem mitgeben, dass man unbedingt jedem seiner Interviewpartner eine Kleinigkeit als Dankeschön mitbringen sollte. ALLGEMEINES: Bevor ich nun zu meinem Fazit komme, möchte ich all denen, die sich überlegen nach Kamloops zu gehen, ein paar Ratschläge mitgeben. Zum einen muss man sich vor dem Aufenthalt klar machen, dass Kanada teuer ist und viele Kosten anfallen können, mit denen man vorher nicht gerechnet hat. Zum anderen ist es wirklich bedeutend, dass man Gastgeschenke mitbringt und sich mit Gepflogenheiten vorher vertraut macht, um nicht unangenehm aufzufallen. Desweiteren sollte man nie „Nein“ sagen und die Angebote, die einem gemacht werden, wahrnehmen. Am Anfang des Semesters sollte man bald möglichst Kontakt zu seinen Studentenbetreuern aufnehmen und beim ISAP-Team vorbeischauen, da darüber immer schöne Ausflüge stattfinden (wie Rafting und Hochseilgarten). Der Studentenausweis, den man sich auch direkt am Anfang holen sollte, bietet einem die Möglichkeit, kostenlos das Schwimmbad und den Busverkehr zu nutzen. Eine Kreditkarte macht das Leben leichter und ist ein Muss.Und falls man wirklich mal genug von Kamloops hat, bietet es sich an, ein Auto zu mieten und sich in die Rocky Mountains und das Okanagan-Valley aufzumachen. Es lohnt sich! FAZIT: Man muss sich erst an Kamloops gewöhnen. Mitten im Nirgendwo gelegen erscheint es einem zunächst sehr überschaubar. Doch ich würde mutig behaupten, dass wir das Beste aus der Zeit gemacht haben- sowohl was das Universitäre, als auch das Persönliche angeht. Ich 7 habe Freundschaften für‘s Leben geschlossen, eine neue Perspektive auf Deutschland erhalten, mein pädagogisches Wissen erweitert und ein Land lieben gelernt, dass Vielfalt nicht nur fordert, sondern auch lebt! Nachdem ich viel über mich und den Rest der Welt gelernt habe, kann ich nun voller Überzeugung sagen, dass ich jederzeit wieder gehen würde! ZUSTIMMUNG ZUR VERÖFFENTLICHUNG Hiermit stimme ich der Veröffentlichung meines Erfahrungsberichtes zum Auslandssemester an der Thompson Rivers University Kamloops auf der Internetseite des Baden-WürttembergStipendiums und des akademischen Auslandamtes der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zu. Ich bedanke mich herzlich für die Unterstützung! Kerstin Anselm 8