Konjunkturmonitor Österreich
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Economics 9. Jänner 2013 Seite 1 von 17 Konjunkturmonitor Österreich 1. Quartal 2013 Wirtschaftswachstum 3. Quartal ’12 AT: Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, saison- und arbeitstägig bereinigt Keine Rezession in Österreich: reales BIP steigt neuerlich um 0,1 % gegenüber Vorperiode (+0,7 % gegenüber Vorjahr) Privater Konsum stagniert, Anstieg des öffentlichen Konsums beschleunigt sich; Lagerabbau, aber auch rückläufige Nachfrage nach Ausrüstungsgütern bewirkt deutlichen Rückgang der Bruttoinvestitionen Belebung des Außenhandels: Exporte und Importe nehmen kräftig zu 1,2 1,0 0,8 4Q11 0,6 0,4 0,2 1Q12 0,0 3Q11 -0,2 2Q12 -0,4 Privater Konsum Öffentlicher Konsum Bruttoanlageinvestitionen Exporte Importe Quelle: Macrobond Economic Sentiment AT: Wirtschaftswachstum und Economic Sentiment Indicator 6,0 120 Nach Jahrestief im Oktober verbesserte sich der Frühindikator im November und Dezember wieder, bedingt durch Aufhellung des Geschäftsklimas in der Industrie, am Bau und im Dienstleistungssektor Durchschnittswert für Q4 dennoch um 2 Punkte schlechter als in Q3 – lässt auf ein schwaches Schlussquartal 2012 schließen; gesamtwirtschaftliche Nachfrage könnte in Q4 sogar leicht gesunken sein 115 4,0 Reale BIP (y-o-y %) 105 2,0 100 95 0,0 90 -2,0 Reales BIP yoy % 85 Economic Sentiment Indicator Economic Sentiment Indicator 110 80 -4,0 75 1Q12 1Q11 1Q10 1Q09 1Q08 1Q07 1Q06 1Q05 1Q04 1Q03 1Q02 1Q01 70 1Q00 -6,0 Q: Macrobond Arbeitsmarkt AT: Arbeitsmarkt 8,0 1,6 7,0 0,8 6,0 0,0 5,0 -0,8 4,0 -1,6 3,0 Aktiv Beschäftigte (y-o-y %) Arbeitslosenquote (AMS) Arbeitslosenquote (Eurostat) 2,0 Quelle: Macrobond, WIFO Jul.12 Okt.12 Apr.12 Okt.11 Jän.12 Jul.11 Apr.11 Okt.10 Jän.11 Jul.10 Apr.10 Jän.10 Jul.09 Okt.09 Apr.09 Jän.09 Jul.08 Okt.08 Apr.08 Jän.08 -2,4 Arbeitslosenquote (%) Aktiv Beschäftigte (Veränderung gegen Vorjahr in %) saisonbereinigt 2,4 Dezember: Mehr Arbeitslose (+6,0 %), aber auch mehr Beschäftigte (+1,0 %) als im Vorjahr Österreich verzeichnete 2012 neuen Beschäftigungsrekord: Durchschnittlich 3,37 Mio unselbstständig Aktivbeschäftigte Saisonbereinigte Arbeitslosenquote laut WIFO verharrt seit Juli bei 7,1 % (Dezember 2011: 6,8 %) Arbeitslosenquote laut Eurostat zuletzt (Oktober) bei 4,3 % Economics 9. Jänner 2013 Seite 2 von 17 Die aktuelle Lage Die österreichische Wirtschaft überraschte im dritten Quartal 2012 mit einem Output-Plus von 0,1 % gegenüber der Vorperiode (+0.7 % gegenüber dem dritten Quartal 2011). Überraschend war dieses Ergebnis deswegen, weil nicht nur die Frühindikatoren einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes befürchten ließen, sondern die erste Schätzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung tatsächlich eine Kontraktion von 0,1 % ausgewiesen hatte. Freilich macht es nur einen geringen Unterschied, ob die gesamtwirtschaftliche Produktion um 0,1 % steigt oder fällt, aber im Vergleich zu vielen anderen Mitgliedsländern des Euroraumes ist der leichte Anstieg ein sehr gutes Ergebnis. Abgesehen vom öffentlichen Konsum (+0,5 % q-o-q) trug die inländische Nachfrage allerdings nichts dazu bei. Der private Konsum stagnierte (tatsächlich nahmen die Ausgaben der Verbraucher im gesamten bisherigen Jahresverlauf kaum zu), und die Investitionsnachfrage der Unternehmen schrumpfte zum zweiten Mal in Folge. Im Gegensatz dazu nahmen die Exporte mit +1,0 % gegenüber dem Vorquartal kräftig zu. Da sich aber auch der Anstieg der Einfuhren auf 0,8 % beschleunigte, war der Außenbeitrag zum BIP gering. Was ist für das Schlussquartal 2012 zu erwarten? Der OeNB-Konjunkturindikator deutet auf eine Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hin (dieser Indikator wurde allerdings bereits im Oktober erstellt). Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe fiel zu Quartalsbeginn auf 44,8 Punkte, den tiefsten Stand seit Sommer 2009 (!), stieg im November wieder kräftig an, korrigierte aber zum Jahresende neuerlich nach unten. Mit 48,1 Punkten notiert der Einkaufsmanagerindex nun bereits seit sechs Monaten unterhalb der Expansionsschwelle. Die aktuelle Beurteilung der Auftragseingänge, der Produktion und der Beschäftigung ist nach wie vor sehr zurückhaltend. AT: Einkaufsmanagerindex, Verarbeitendes Gewerbe Index, saisonbereinigt 64 60 56 52 48 44 40 Gesamtindex Auftragseingänge 36 Beschäftigung 32 Okt.12 Jul.12 Apr.12 Jän.12 Okt.11 Jul.11 Apr.11 Jän.11 Okt.10 Jul.10 Apr.10 Jän.10 Okt.09 Jul.09 Apr.09 Jän.09 Okt.08 Jul.08 Apr.08 Jän.08 28 Quelle: Macrobond Die jüngst veröffentlichten Indikatoren der EU-Kommission zeigen für Dezember ein leicht aufgehelltes Geschäftsklima in der Industrie, am Bau und im Dienstleistungssektor. Die Economics 9. Jänner 2013 Seite 3 von 17 Einschätzung der Geschäftslage im Einzelhandel hat sich nach einer kurzfristigen Verbesserung im November hingegen zuletzt wieder eingetrübt. Der Verbrauchervertrauensindex tendierte in den letzten drei Monaten seitwärts. Insgesamt legte der Economic Sentiment Indicator zum Jahresende um 1 ½ auf 92,3 Punkte zu, bleibt aber im Quartalsdurchschnitt unter dem Niveau der Vorperiode. Damit dürfte sich die Konjunktur im Schlussquartal 2012 nur sehr verhalten entwickelt haben; auch ein leichter Rückgang der Nachfrage ist nicht auszuschließen. Die Inflationsrate verharrte im November auf dem Stand vom Vormonat und war damit ebenso hoch wie zu Jahresbeginn 2012 (2,8 %). Laut Statistik Austria beschleunigte sich der Preisauftrieb im Vergleich zu Oktober bei Nahrungsmitteln (+3,6 %) und Bewirtungsdienstleistungen (+3,9 %), war jedoch bei Mineralölprodukten rückläufig (nur noch +2,7 %, nach +8,1 % im Oktober). Als größter Einflussfaktor für die Teuerung gilt nach wie vor die Ausgabengruppe „Wohnung, Wasser und Energie“, im Wesentlichen bedingt durch höhere Wohnungsmieten. Diese Ausgabengruppe trug zuletzt 0,52 Prozentpunkte zum gesamten Verbraucherpreisanstieg von 2,8 % bei. An zweiter Stelle folgt die Kategorie „Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke“ mit einem Einfluss von 0,44 Prozentpunkten auf die Teuerung. Der für internationale Vergleiche herangezogene Harmonisierte Verbraucherpreisindex, der sich in der Zusammensetzung nur unwesentlich vom heimischen VPI unterscheidet, stieg im November um 2,9 % im Vorjahresvergleich. Die so genannte Kerninflationsrate, die Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak ausklammert, war zuletzt mit 2,8 % fast so hoch wie die gesamte HVPI-Inflation. Damit hat sich die Kerninflationsrate seit August nahezu verdoppelt. Die österreichische Tourismuswirtschaft startete erfolgreich in die Wintersaison 2012/13. Im November verzeichnete Statistik Austria 4,15 Millionen Gästenächtigungen aus dem Inland und Ausland. Gegenüber dem bisherigen Rekordnovember 2011 entspricht dies einem weiteren Anstieg um 4,3 %. Obwohl der November nur rund 6 % zur gesamten Wintersaison beiträgt (entscheidend sind Jänner und Februar), lässt dieser neuerliche Rekord auf einen sehr guten Verlauf des Wintertourismus schließen und unterstreicht die zunehmende Bedeutung der Nebensaison. Im bisherigen Jahresverlauf Jänner bis November überschritt die Zahl der Übernachtungen mit 120,81 Millionen das Vorjahresniveau um 3,5 %. Dabei stieg die Zahl der Nächtigungen ausländischer Gäste (+4,2 %) stärker als jene der Inländer (+1,9 %). Economics 9. Jänner 2013 Seite 4 von 17 Die aktuelle Prognose von WIFO und IHS (Dezember 2012) Die Winterprognosen der beiden österreichischen Wirtschaftsinstitute zeigen ein ambivalentes Bild: Während das Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) einen Wendepunkt in der Finanz- und Staatsschuldenkrise Europas ausmacht, schätzt das Institut für Höhere Studien (IHS) die Wirtschaftsentwicklung etwas verhaltener ein und korrigiert die Zahlen gegenüber seiner Herbstprognose nach unten. Statt +1,3 %, wie noch im September prognostiziert, erwartet das IHS für 2013 nun nur noch einen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,8 %. Das WIFO bestätigte hingegen seine Prognose von +1,0 %. Einigkeit besteht allerdings hinsichtlich der Aussichten für 2014: Beide Institute rechnen mit einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums auf 1,8 %. Trotz anhaltender Finanz- und Staatsschuldenkrise dürfte gegen Ende 2012 ein Wendepunkt erreicht worden sein. Dafür spricht einerseits das wieder aufgehellte weltwirtschaftliche Umfeld. Der Schwächephase im Jahresverlauf 2012 konnte durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik offensichtlich erfolgreich entgegnet werden. Andererseits haben die Spannungen an den Finanzmärkten im Zuge der politischen Fortschritte auf europäischer Ebene, insbesondere aber infolge der entschlossenen Haltung der Europäischen Zentralbank, merklich nachgelassen. Darüber hinaus haben die Vorlaufindikatoren im Spätherbst ihren Tiefpunkt durchschritten und tendieren nun wieder aufwärts. AT: Bruttoinlandsprodukt Wachstumsbeitrag der Nachfragekomponenten 3,0 3,0 2,0 2,0 1,0 1,0 0,0 0,0 -1,0 -1,0 -2,0 Privater Konsum -2,0 Öffentlicher Konsum -3,0 Bruttoinvestitionen Nettoexporte -4,0 -3,0 -4,0 Wirtschaftswachstum -5,0 -5,0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: WIFO Freilich findet die Erholung auf einem sehr niedrigen Niveau der wirtschaftlichen Aktivität statt und schreitet nur langsam voran. Die fiskalpolitische Konsolidierung bringt nach wie vor stark negative Nachfrageeffekte mit sich; das hohe Volumen an Not leidenden Krediten und die Korrektur an den Immobilienmärkten bewirkt zusammen mit den strengeren Eigenkapitalvorschriften für Finanzinstitute einen fortgesetzten Deleveraging-Prozess und erschwert damit den Zugang zu Krediten. Nicht zuletzt könnte das Wiederaufleben unerwünschter Rückkopplungseffekte zwischen der Qualität der Finanzaktiva von Banken und dem Länderrisiko verschiedener Staaten den gerade erst beginnenden Aufschwung Economics 9. Jänner 2013 Seite 5 von 17 zunichte machen. Dementsprechend sieht das WIFO darin das zentrale Abwärtsrisiko im Euroraum. Dieses Risiko entsteht dadurch, dass die europäischen Finanzmärkte zunehmend segregiert sind. Der Anteil inländischer Staatsanleihen am Gesamtbestand der von Banken gehaltenen Staatsanleihen stieg in den letzten rund zweieinhalb Jahren merklich an und lag laut IMF zuletzt in Frankreich bei knapp 70 %, in Italien bei rund 99 %, in Spanien bei 94 % und in Portugal bei 90 %. Dadurch verstärkt sich die Abhängigkeit zwischen Staat und dem Finanzsektor der jeweiligen Länder dramatisch. Heimische Konjunktur: Gute Chancen für Aufschwung im Frühjahr Die Rezession, die viele Mitgliedsländer des Euroraums erfasst hat, ist in Österreich bislang nicht angekommen. Die heimische Wirtschaft ist in den ersten drei Quartalen 2012 stetig gewachsen, und wenngleich für das Schlussquartal ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nicht ausgeschlossen werden kann, so wäre dies wohl nicht mehr als eine Wachstumsunterbrechung. Die Weltwirtschaft hat wieder Tritt gefasst, und die Nachfrage aus dem Euroraum wird wohl nicht weiter zurückgehen. Die wichtigsten heimischen Frühindikatoren haben im Spätherbst eine Trendwende vollzogen und deuten auf einen allmählichen Aufschwung in den nächsten Monaten hin. Freilich setzt dies voraus, dass die Vertrauenskrise im Euroraum weiter abebbt und die Reformanstrengungen fortgesetzt werden. Ein wesentlicher Faktor für die Erholung der heimischen Konjunktur sind die Impulse aus dem Ausland. 2012 stagnierten oder schrumpften viele Exportmärkte Österreichs. Die Warenausfuhren dürften 2012 real lediglich um 0,8 % (IHS: +0,5 %) zugenommen haben. In den Jahren 2013 und insbesondere 2014 sollte die Auslandsnachfrage jedoch wieder an Schwung gewinnen. Das WIFO rechnet mit einem realen Plus der Warenexporte um 3,8 % (2013) und 6,0 % (2014). Dabei sollten die Exporte in Drittländer rascher zunehmen als der Intra-Euroraum-Handel. Das WIFO erwartet zudem eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exporteure infolge rückläufiger Lohnstückkosten. Die Wareneinfuhren blieben 2012 deutlich hinter den Ausfuhren zurück (-0,4 % bis -0,6 %), da die Unternehmen ihre Investitionstätigkeit einschränkten und ein Großteil der Ausrüstungsgüter importiert wird. Die voraussichtliche Belebung der Investitionstätigkeit ebenso wie der Exporte im Prognosezeitraum wird auch die Importe wieder ansteigen lassen. Das WIFO geht von einem Plus in Höhe von 3,5 % (2013) bzw. 5,5 % (2014) aus. Die Leistungsbilanz dürfte 2012 mit einem Überschuss von 2,0 % des BIP geschlossen haben. Bis zum Prognosehorizont könnte sich der positive Saldo auf 2,7 % des BIP ausweiten. Erholung der Ausrüstungsinvestitionen Österreich war und ist von der europäischen Schuldenkrise zweierlei betroffen: Einerseits bewirkten der Vertrauensverlust und die hohe Unsicherheit einen neuerlichen Konjunktureinbruch bzw. verstärkte die Rezession in den heimischen Exportmärkten, andererseits aber drückte die Kapitalflucht aus den hoch verschuldeten Ländern die Zinsen in Österreich und anderswo auf historische Rekordtiefs. Die niedrigen Zinsen am Geld- und Staatsanleihenmarkt ließen auch die Zinsen für Unternehmenskredite in Österreich sinken. Die Kreditvergabe der Banken an heimische Unternehmen hat sich vor dem Hintergrund der labilen Konjunktur mit einem Plus von durchschnittlich 2,8 % (Jänner bis Oktober) sehr gut entwickelt. Aber auch die Finanzierungsbedingungen am Markt für Unternehmensanleihen und am Aktienmarkt haben sich im Jahresverlauf merklich verbessert. Dennoch blieb die Investitionsgüternachfrage 2012 verhalten. Das WIFO rechnet mit einem mageren Plus von 0,5 %, das IHS erwartet sogar einen Rückgang um 1,0 %. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen haben sich die Absatzerwartungen infolge der Abschwächung der Weltwirtschaft Economics 9. Jänner 2013 Seite 6 von 17 im Jahresverlauf erheblich eingetrübt, zum anderen liegt die Kapazitätsauslastung in der Industrie immer noch unter dem langfristigen Durchschnitt. 2012 ist der Auslastungsgrad – nach einem Anstieg im Jahr zuvor –wieder leicht gesunken. Vor diesem Hintergrund werden zwar Ersatzinvestitionen getätigt, aber kaum Erweiterungsinvestitionen. Im Zuge der erwarteten globalen Konjunkturerholung, aber auch der allmählichen Belebung im Euroraum, sollte die Investitionstätigkeit der Unternehmen im Prognosezeitraum wieder an Dynamik gewinnen – das erwartet zumindest das WIFO: Es prognostiziert für 2013 ein Plus von 2,5 %. Im Gegensatz dazu rechnet das IHS mit einem sich vertiefenden Rückgang von 2,0 %. In dieser Diskrepanz (mit einer absoluten Differenz von 4 ½ Prozentpunkten!) offenbart sich die äußerst unterschiedliche Einschätzung der beiden Institute hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Eurokrise. Erst für 2014 gleichen die Sichtweisen der beiden Institute einander wieder an (Ausrüstungsinvestitionen: +3,0 %) – freilich von einem dann sehr unterschiedlichen Niveau ausgehend. Baukonjunktur gespalten Die realen Bauinvestitionen wurden in den ersten drei Quartalen 2012 gemäß IHS um 2 % gegenüber dem Vorjahr ausgeweitet. Dies war jedoch ausschließlich auf die kräftige Zunahme im Wohnbau zurückzuführen (+6,7 %), während die sonstigen Bauinvestitionen um 1,2 % sanken. Diese unterschiedliche Entwicklung dürfte sich im Prognosezeitraum fortsetzen. Die wachsende Bevölkerung, die niedrigen (Real-)Zinsen und anziehende Immobilienpreise begünstigen den Wohnbau, während vor allem der öffentliche Sektor vor dem Hintergrund der budgetären Konsolidierung bei den Infrastrukturinvestitionen Zurückhaltung zeigen dürfte. Das IHS rechnet 2013 und 2014 mit einem Anstieg der Bauinvestitionen um 1,8 % bzw. 1,9 % (das WIFO jedoch lediglich mit einer Zunahme von 0,6 % bzw. 1,1 %). Privater Konsum bleibt hinter gesamtwirtschaftlicher Nachfrage zurück Die Konsumausgaben der privaten Haushalte bildeten im Jahr 2012 eine wesentliche Stütze der heimischen Konjunktur – nicht nur, weil deren Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mit mehr als 50 % äußerst gewichtig ist, sondern auch deswegen, weil die Konsumausgaben stetig, wenn auch nur mäßig, zunahmen. Mit einem Plus von 0,6 % entsprach das Konsumwachstum etwa jenem des Bruttoinlandsprodukts. Die Rekordbeschäftigung hätte eigentlich eine stärkere Expansion erwarten lassen, die Reallohnentwicklung wurde jedoch durch eine vergleichsweise hohe Teuerungsrate belastet. Im Prognosezeitraum werden die Wachstumsimpulse in erster Linie von den Nettoexporten und in weiterer Folge von den Unternehmensinvestitionen ausgehen. Die Ausgaben der Verbraucher dürften dagegen mit +0,7 % (2013) und +1 % (2014) hinter dem Wirtschaftswachstum zurückbleiben, da das real verfügbare Haushaltseinkommen ebenfalls nur mäßig zunimmt. Aufgrund der Lohnabschlüsse im Vorjahr dürften die privaten Tariflöhne um knapp 3 % ansteigen. Für den öffentlichen Dienst wurde eine Nulllohnrunde vereinbart. Das Überangebot an Arbeitskräften am Arbeitsmarkt dürfte eine negative Lohndrift bewirken (Effektivverdienste steigen weniger als Tarifverdienste), die Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter werden daher etwas niedriger ausfallen. Bereinigt um die Inflation ergibt sich somit nur ein äußerst geringer Reallohnzuwachs. Im Jahr 2014 sollte sich immerhin ein gewisser Spielraum für eine leichte Anhebung der Sparquote auf knapp 8 % ergeben. Die Ersparnisbildung der privaten Haushalte ist im Zuge der Wirtschaftskrise deutlich gesunken und hat sich in den letzten beiden Jahren bei 7 ½ % des verfügbaren Einkommens stabilisiert. Beschäftigungszuwachs schwächt sich ab, Arbeitslosenquote steigt weiter Trotz der konjunkturellen Eintrübung, die sich bereits ab der zweiten Jahreshälfte 2011 bemerkbar machte, setzte sich der Beschäftigungsanstieg am heimischen Arbeitsmarkt fort. Economics 9. Jänner 2013 Seite 7 von 17 Nach +1,9 % im Jahr zuvor hat die Zahl der unselbständig Aktivbeschäftigten 1 2012 nochmals um 1,4 % zugenommen und einen neuen Beschäftigungsrekord von 3,37 Millionen erreicht. Da gleichzeitig das Arbeitskräfteangebot rascher zunahm als die Beschäftigung, in erster Linie bedingt durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte, ist jedoch auch die Arbeitslosigkeit angestiegen (+5,7 % im Jahresdurchschnitt 2012). Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote (auf Basis der Daten des Arbeitsmarktservice) stieg im Jahresverlauf von 6,8 % auf 7,1 %, was im Einklang mit der Konjunkturabschwächung steht. Angesichts dessen, dass der Arbeitsmarkt in der Regel verzögert auf den Konjunkturverlauf reagiert und der Beschäftigungsanstieg in den letzten Monaten bereits nachgelassen hat, dürfte die Zahl der unselbständig Erwerbstätigen 2013 wesentlich langsamer wachsen (WIFO: +0,6 %; IHS: +0,3 %). Erst 2014 ist wieder mit einer leichten Beschleunigung zu rechnen. Die Arbeitslosenquote könnte sich im Prognosezeitraum bei 7,4 % stabilisieren. Anstieg der Verbraucherpreise verlangsamt sich Der Verbraucherpreisanstieg verlangsamte sich in den ersten acht Monaten 2012 den Erwartungen entsprechend. Bedingt durch Missernten zogen die Nahrungsmittelpreise im Spätsommer jedoch deutlich an. Gleichzeitig kam es zu höheren Notierungen des Rohölpreises, wodurch die Inflationsrate im Oktober und November auf 2,8 % kletterte (Jahresdurchschnitt 2012: voraussichtlich 2,5 %). Das IHS vermutet zudem, dass der Preisauftrieb auch auf den vergleichsweise starken Anstieg der Lohnstückkosten zurückzuführen ist, da die Unternehmen die gestiegenen Lohnkosten wenigstens teilweise auf die Verkaufspreise überwälzt haben dürften. Für den Prognosezeitraum rechnen beide Wirtschaftsforschungsinstitute mit einem Rückgang der Teuerung auf rund 2 % p.a.: Von der Binnenwirtschaft dürften trotz der Erholung keine wesentlichen Preisauftriebstendenzen ausgehen. Der angebotsseitige Inflationsdruck wird ebenfalls niedrig bleiben, da die heimische Wirtschaft in den kommenden beiden Jahren unter Potenzial wächst. Hinsichtlich des Rohölpreises rechnet das IHS mit einem ähnlich hohen Niveau wie 2012, das WIFO erwartet auf Basis der Terminkurse eine niedrigere Notierung. Sollte die Abwärtskorrektur der Rohstoffpreise länger anhalten (und sich der EuroWechselkurs gegenüber dem US-Dollar stabilisieren), könnte die Inflation 2013 laut WIFO auch stärker sinken. Öffentliche Haushalte unter dem Eindruck der Konsolidierung Die budgetäre Lage der öffentlichen Haushalte ist in den beiden Folgejahren vom Konsolidierungsprogramm geprägt, das Anfang 2012 beschlossen wurde. Zudem wirken sich Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte („Bankenhilfe“) auf das Budget aus. Eine gewisse Entlastung kommt hingegen von der konjunkturellen Belebung. Das gesamtstaatliche Defizit dürfte 2012 mit 3,1 % des BIP um einen halben Prozentpunkt höher ausgefallen sein als im Jahr zuvor. Dieser Anstieg ist in erster Linie durch Einmalmaßnahmen zur Bankenhilfe begründet. Für 2013 erwarten beide Institute eine leichte Verbesserung der Defizitquote auf 2,6 % des BIP, da ein Großteil der Konsolidierungsmaßnahmen in Kraft tritt. 2014 schließlich sollte das gesamtstaatliche Defizit weiter sinken, begünstigt durch höhere Nettoeinnahmen infolge des kräftigeren Wirtschaftswachstums: Das WIFO rechnet mit einer Quote von 2 % des BIP, das IHS mit 1,5 % des BIP. Die Schuldenquote des Gesamtstaates belief sich zum Jahresende 2012 nach Schätzungen auf 74,6 % des BIP. Sie ist damit gegenüber dem Vorjahr um mehr als zwei Prozentpunkte angestiegen. Für das laufende Jahr ist mit einer neuerlichen 1 Unselbständig Beschäftigte exklusive Kindergeldbezieher und Präsenzdiener. Economics 9. Jänner 2013 Seite 8 von 17 Erhöhung zu rechnen (EU-Kommissionsprognose: 75,9 % des BIP), erst 2014 dürfte sich eine Trendwende ergeben. Die Veröffentlichung der Frühjahrsprognosen der österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitute ist für 28. März 2013 vorgesehen. Abstract: Economic Outlook for 2013 and 2014 Compared to the autumn forecasts, the Institute for Advanced Studies (IHS) has revised its forecast of real GDP growth in 2013 considerably, from 1.3 % to 0.8 %. Contrary to that, the Austrian Institute of Economic Research (WIFO) has left its forecast unchanged at 1.0 %. For 2014, both institutes expect the Austrian economy to grow by 1.8 %. The WIFO outlook is less gloomy than that of IHS, since the analysts believe that the European debt crisis passed its trough in the course of the second half of 2012, and the stabilisation of financial markets will continue in the forthcoming year. Moreover, the global economic situation has improved most recently, thanks to a very loose monetary and fiscal policy. In Europe, many leading indicators stopped their downward trend and have started to improve. Nevertheless, the economic recovery is starting from a rather low level of activity. Fiscal consolidation continues to dampen overall demand. The high volume of distressed loans and the adjustment on real estate markets together with new regulatory capital requirements causes an ongoing deleveraging process and thus hampers access to credit. Moreover, a renewed negative feedback loop between banks’ financial asset quality and sovereign risk could shatter the just beginning recovery. This risk arises from the increasing segregation of European financial markets – security holdings of banks comprise an ever rising share of domestic government bonds. Thus, the interdependence between the state and the corresponding financial services sector is increasing dramatically. The recession which hit many Eurozone member states has not arrived in Austria yet. In the first three quarters of 2012, the domestic economy continued to grow on a stable path. Even if there was stagnation or a decline of output in the 4th quarter, this would not be seen as a recession but rather as a temporary standstill. Anyway, Austrian leading indicators point to a recovery in the course of the following months, with the main impetus coming from external demand. In 2012, goods exports only grew marginally. Until the forecast horizon however, external demand should gain momentum. Besides, WIFO is expecting an improvement of price competitiveness of Austrian companies due to falling unit labour cost. The recovery of export markets will also foster gross fixed capital formation, which was quite weak in 2012. Financing conditions on credit as well as on security and stock markets have improved considerably. However, due to a below-average capacity utilisation there was only little need for capital-widening investment. In the past year, private consumption expenditures supported economic growth significantly. In 2013 and 2014 however, private consumption growth is likely to fall behind GDP growth, since real disposable personal income will also increase only moderately. In 2014, there should be at least some space for lifting the savings rate, which fell to a long-term low during the crisis. Payroll employment continued to increase in 2012. The Austrian economy observed a new record high in employment. Since labour supply rose stronger than employment, the number of unemployed persons also went up. Generally, the labour market lags the business cycle. Economics 9. Jänner 2013 Seite 9 von 17 This is why the unemployment rate will continue to rise in the forecast period, from 7 % in 2012 to an average of 7.4 % in 2013 and 2014. Rising food and energy prices lifted the inflation rate to 2.8 % in October and November 2012. However, both research institutes expect the upward pressure on consumer prices to fade in the upcoming months. Against the background of the slow recovery, there will not be any demand or supply factors pushing prices upwards. Also, forward prices suggest a lower crude oil price level in 2013. Therefore, both institutes expect the inflation rate to fall to around 2 % in the forecast period. The general government will continue its consolidation programme. Net borrowing of the Austrian public sector was 3.1 % of GDP in 2012, and is likely to fall to at least 2 % of GDP in 2014. Many of the consolidation measures already adopted last year will come into effect in 2013. In 2014, stronger economic growth will additionally support the deficit reduction thanks to increasing revenues. Economics 9. Jänner 2013 Seite 10 von 17 Die aktuelle Prognose in Zahlen Bruttoinlandsprodukt (GDP) 1 Privater Konsum (Private consumption) 1 Öffentlicher Konsum (Public consumption) 1 Bruttoinvestitionen (inkl. Lager) (Gross investment) 1 Bruttoanlageinvestitionen (Gross fixed investment) 1 Ausrüstungen (Equipment) 1 Bauten (Residential and structures) 1 Inlandsnachfrage (Domestic demand) 1 Exporte i.w.S. (Total exports) 1 Warenausfuhren (lt. VGR) (Goods exports) 1 Importe i.w.S. (Total imports) 1 Wareneinfuhren (lt. VGR) (Goods imports) 1 Sachgütererzeugung (Manufacturing) 1 Handel (Trade) 1 Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte (Disposable personal income of households) 2012 2013 2013 2014 2014 WIFO IHS WIFO IHS WIFO IHS +0,6 +0,6 +1,0 +0,3 +0,8 +0,5 +1,1 +0,4 +1,1 +0,8 +0,8 -0,4 +1,5 -1,0 +0,5 +0,7 +0,6 +0,8 -1,2 +0,6 -1,0 +2,0 +0,2 +1,4 +0,5 +0,6 -0,6 . . . +1,0 +0,7 +0,7 +1,0 +1,5 +2,5 +0,6 +0,8 +3,4 +3,8 +3,1 +3,5 +2,5 +0,6 +0,7 +0,8 +0,7 +0,3 -0,6 +0,1 -2,0 +1,8 +0,3 +2,2 +2,0 +1,6 +1,3 . . +0,7 +1,8 +1,0 +1,0 +2,7 +2,0 +3,0 +1,1 +1,4 +5,4 +6,0 +5,0 +5,5 +4,0 +1,2 +1,3 +1,8 +1,1 +0,3 +3,7 +2,4 +3,0 +1,9 +1,5 +5,9 +6,5 +6,0 +6,5 . . +1,4 7,5 7,0 7,5 7,0 7,6 7,4 . 7,4 7,9 7,4 . 7,4 +1,4 2,4 2,2 +2,0 -3,1 +1,4 2,5 . . -3,1 +0,6 2,1 2,0 +2,4 -2,6 +0,3 1,8 . . -2,6 +0,9 2,0 1,9 +2,7 -2,0 +0,7 1,9 . . -1,5 1 Sparquote der privaten Haushalte (Savings rate) Arbeitslosenquote (laut AMS) (Unemployment rate, national definition) 2012 2 Unselbständig Aktivbeschäftigte (Payroll employment) 3 Inflationsrate (VPI) (Headline inflation) Kerninflationsrate (Core inflation) 4 Leistungsbilanzsaldo (Current account balance) 5 Finanzierungssaldo des Staates (inkl. ausgegliederte Unternehmen des Bundes) (General government balance) 5 1 Reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent (Year-on-year volume percentage change) 2 In Prozent der unselbständig Erwerbstätigen (As a percentage of payroll employed persons) 3 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; ohne Präsenzdiener und Bezieher von Karenz- und Kinderbetreuungsgeld und ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnehmer (Year-on-year percentage change; persons in active dependent employment) 4 Ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel (Excluding energy and unprocessed food) 5 In Prozent des Bruttoinlandsproduktes (As a percentage of GDP). Prognose: WIFO, IHS Economics 9. Jänner 2013 Seite 11 von 17 Das aktuelle Thema: BIP und Lebensqualität – Unzulänglichkeiten und Alternativen Überlegungen, wie man wirtschaftlichen Fortschritt und Wohlstand eines Landes misst, sind beinahe so alt wie die Wirtschaftswissenschaft selbst. Der derzeitige Standard, die Stärke einer Volkswirtschaft mittels des Bruttoinlandprodukts zu messen, wird immer wieder kritisiert, da diese Berechnungsmethode allein auf der „vermarktbaren“ Produktion von Gütern und Dienstleistungen beruht. Dadurch werden viele Aspekte nicht berücksichtigt oder verzerrt. Man denke nur an einen Verkehrsstau: Je mehr Autos im Stau stecken und je länger dieser Stau dauert, desto größer wird nach der BIP-Berechnungsmethode der Beitrag zum Wirtschaftswachstum des Landes ausfallen – einfach weil aufgrund des Staus mehr Benzin in die Luft geblasen wird, welches man natürlich bei der nächsten Tankstelle wieder nachtanken muss. Die Kosten für die Umwelt oder die verlorene Zeit jedes einzelnen Autofahrers werden in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Andererseits findet beispielsweise die Hausarbeit keine Beachtung in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung – es sei denn, eine professionelle Putzhilfe übernimmt diese Arbeit gegen (steuerwirksame) Bezahlung und die Tätigkeit wird somit „vermarktbar“. Dass der Fokus allein auf der Produktionsseite liegt, um Wirtschaftswachstum und den Reichtum eines Landes zu messen, wird insbesondere in Zeiten der Krise hinterfragt – auch von höchster Stelle. So legte mit Ausbruch der derzeitigen Finanz- und Staatsschuldenkrise der ehemalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy viel Energie an den Tag, um die internationalen Märkte zu überzeugen, dass Frankreichs Volkswirtschaft nicht so schlecht positioniert sei, wie einige internationale Ratingagenturen befürchteten. Man müsse nur die Bemessungsgrundlage anders interpretieren und sich von der herkömmlichen, alleinigen Betrachtung des BIP als Indikator für die Wirtschaftsleistung und den Wohlstand eines Landes verabschieden. Schließlich sei die „Lebensqualität“ in Frankreich zu berücksichtigen, nicht nur die banalen Produktionszahlen der französischen Wirtschaft. Das ist natürlich nichts anderes als Schönfärberei. Dennoch: 2007 wurde die Kommission zur Messung der Wirtschaftsleistung und des sozialen Fortschritts unter Federführung des WirtschaftsNobelpreisträgers Joseph Stiglitz ins Leben gerufen (daher wird sie auch „StiglitzKommission“ genannt), um alternative bzw. ergänzende Messkonzepte zu erarbeiten. Die Stiglitz-Kommission empfahl in ihrem Abschlussbericht 2 im Jahr 2009 zusätzlich zur BIP-Berechnung, Informationen über Wohlbefinden und Nachhaltigkeit heranzuziehen. Daten zum Einkommen der Haushalte, Energieverbrauch oder Gesundheitszustand sind beispielsweise Möglichkeiten, den „effektiven“ Wohlstand, soziales Wohlergehen und den Zustand der natürlichen Umwelt einer Gesellschaft abzubilden. Bei der Berechnung des materiellen Wohlstands ist die ausschließliche Betrachtung der Produktionsseite nicht ausreichend, sondern es müssten das Einkommen und der Konsum der privaten Haushalte gemeinsam mit ihrem Vermögen analysiert werden. Laut StiglitzKommission müsse die Frage der Verteilung von Einkommen, Konsum und Vermögen künftig genauso in den Vordergrund rücken wie das soziale Wohlbefinden bzw. die Lebensqualität. Um diese letzteren „qualitativen“ Aspekte quantifizierbar zu machen, empfahl die Stiglitz-Kommission eine Aufsplitterung in drei Bereiche, welche von ihr als wesentlich für die subjektive Lebensqualität angesehen werden. Diese Bereiche sind: „Materieller Wohlstand“, „Soziales Wohlbefinden“ sowie „Natürliche Umwelt“ und umfassen jeweils mehrere Indikatoren. 2 Stiglitz-Sen-Fitoussi-Bericht: http://www.stiglitz-sen-fitoussi.fr/documents/rapport_anglais.pdf Economics 9. Jänner 2013 Seite 12 von 17 Basierend auf diesen Empfehlungen veröffentlichte Statistik Austria im November 2012 eine Analyse 3 , die sich mit dem Konzept der Lebensqualität befasst und bereits erfasste Daten einer Mikrozensus-Erhebung zu Umweltbedingungen und Umweltverhalten aus dem Jahr 2007 in diesem Lichte neu interpretierte. In diesem Mikrozensus wurde die österreichische Bevölkerung befragt, wie sie ihre Lebensqualität einschätzt: Rund 38 % fanden dieser Erhebung zufolge die Lebensqualität sehr gut, rund 55 % gut. In dieser Umfrage wurden neun direkte Einflussgrößen auf die Lebensqualität erhoben, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren gibt den Gesundheitszustand als zentrale Einflussgröße der Lebensqualität an (90,8 %), gefolgt vom sozialen Netz (Freunde, Familie, soziale Kontakte) mit 79,1 %. Die Wohnsituation und regelmäßiges Einkommen fallen mit 67,9 % bzw. 66,2 % ebenfalls stark ins Gewicht. In ihrer neu durchgeführten Analyse ordnete die österreichische Statistikbehörde diese neun direkten Einflussfaktoren auf die Lebensqualität nun den von der Stiglitz-Kommission empfohlenen drei Bereichen zu: 1. Materieller Wohlstand: a. Regelmäßiges Einkommen bzw. Erwerbstätigkeit b. Höhe des Einkommens 2. Soziales Wohlbefinden: a. Gesundheitszustand b. Soziales Netz c. Wohnsituation/Wohnumfeld d. Berufszufriedenheit e. Ausgewogenheit von Freizeit/Erwerbstätigkeit f. Freizeitgestaltung 3. Natürliche Umwelt: a. Zustand der natürlichen Umwelt Die Auswertung ergab, dass in Österreich 64,2 % dem sozialen Wohlbefinden den größten Einfluss auf die subjektive Lebensqualität beimessen, gefolgt von der natürlichen Umwelt (61,1 %) und dem materiellen Wohlstand (59,2 %). Diesem Ergebnis zufolge würde in Österreich eine Betrachtung der Lebensqualität mittels dieser drei Bereiche also durchaus Sinn machen, da alle Bereiche einen großen Einfluss auf die subjektive Wertschätzung der Österreicher haben. 3 Statistik Austria, Statistische Nachrichten, November 2012: Auswirkungen aktueller Lebensbedingungen auf die Beurteilung der Lebensqualität. Economics 9. Jänner 2013 Seite 13 von 17 Einflussbereiche auf die Lebensqualität in Österreich in % Weiß nicht; keine Angabe Wenig Mittel Stark 100% 0,6 6,4 8,2 33,8 26,2 32,9 64,2 61,1 Soziales Wohlbefinden Natürliche Umwelt 1,5 0,1 5,9 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 59,2 20% 10% 0% Materieller Wohlstand Quelle: Statistik Austria Allerdings bemängelt Statistik Austria, dass die Stiglitz-Kommission die subjektive Einschätzung der breiten Bevölkerung und ihre Bedeutung bei der Erarbeitung dieser Empfehlungen nicht berücksichtigt hat. Soziodemographische Aspekte wie das Bildungsniveau, der Erwerbsstatus, der Haushaltstyp, die Urbanität, das Alter oder Geschlecht wirken sich laut den Statistikern deutlich auf die Beurteilung der drei Bereiche als Einflussgrößen der Lebensqualität aus. So zeigt die Berücksichtigung der soziodemographischen Faktoren in Österreich beispielsweise, dass Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, deutlich häufiger annehmen, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei wichtig für ihr allgemeines Wohlbefinden. Nicht erwerbstätige Personen (z.B. Arbeitslose, Pensionisten) sehen diesen Bereich als deutlich weniger wichtig an. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen haben auch eine deutlich unterschiedliche Perspektive hinsichtlich der Bedeutung des zweiten Einflussbereichs „Soziales Wohlbefinden“ für ihre persönliche Lebensqualität. Berufstätige mit einem höheren Bildungsniveau (tertiärer Ausbildungsstand) bewerten diesen Einflussbereich am stärksten als wichtig, die Faktoren „Alter“ sowie „Single“ sind hingegen mit diesem Bereich negativ korreliert – sprich, je älter man z.B. ist, desto unwichtiger wird der Einfluss des sozialen Wohlbefindens auf die persönliche Lebensqualität. Statistik Austria fasst diesen Umstand zusammen: „Menschen, die in einem reichen sozialen Umfeld leben, legen mehr Wert auf ihr soziales Wohlbefinden als Personen in sozial ärmerer Umgebung.“ 4 Weiters zeigt die Umweltvariable, dass Personen, die von bestimmten Umweltbelastungen wie Lärm oder Geruch betroffen sind, dem Umweltaspekt keinen höheren Stellenwert für die Lebensqualität beimessen als Personen, die solchen Belastungen nicht ausgesetzt sind – auf gut österreichisch: „Des passt scho’, ’s geht jo eh.“ 4 Die Statistikbehörde weist jedoch auch darauf hin, dass dem – ohne weitere Untersuchungen –keine Kausalität zugrunde gelegt werden kann. Economics 9. Jänner 2013 Seite 14 von 17 Dementsprechend liest Statistik Austria aus den Daten heraus, dass in der (österreichischen) Bevölkerung unterschiedliche Wahrnehmungen des Begriffs Lebensqualität vorherrschen und dass diese Wahrnehmungen mit den persönlichen Lebensumständen in Zusammenhang stehen. Die tatsächlichen Lebensbedingungen beeinflussen also die Beurteilung der von der Stiglitz-Kommission empfohlenen drei Bereiche. Gerade erwerbsaktive Personen, die Aspekte des materiellen Wohlstands für ihre allgemeine Lebensqualität als relevanter einschätzen als nicht-erwerbstätige Personen, halten demnach klassische Wirtschaftsindikatoren wie das BIP für wichtiger für die Messung von Wohlstand und Fortschritt als etwa pensionierte oder arbeitslose Personen. Somit macht eine alternative Messmethode laut Statistik Austria eher nur für Menschen mit „alternativer“ Lebensführung Sinn (wenn man Arbeitslosigkeit und Ruhestand so bezeichnen will). „Diese These“, so die Statistiker zum Abschluss ihrer Analyse, „bedarf jedoch weit reichender Analysen und Untersuchungen.“ Economics 9. Jänner 2013 Seite 15 von 17 Kapitalmarktrenditen: 10 Jahre Bund Aktuell Österreich Deutschland 10-jährige Renditen von Staatsanleihen 5,0 1,86 1,49 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 AT 1,5 DE 1,0 0,5 Jän.13 Jul.12 Okt.12 Apr.12 Jän.12 Jul.11 Okt.11 Apr.11 Jän.11 Jul.10 Okt.10 Apr.10 Jän.10 Jul.09 Okt.09 Apr.09 Jän.09 Jul.08 Okt.08 Jän.08 Apr.08 0,0 Q: Reuters (EcoWin) Vermögensbestand inländischer Investmentfonds Aktienfonds Rentenfonds Gemischte Fonds Geldmarktnahe F. Alternative und sonstige Fonds Summe Mrd EUR % y-o-y 18,3 60,8 55,2 8,6 +17,7 +11,5 +6,9 -14,5 Aktienfonds Rentenfonds Gemischte Fonds Geldmarktnahe Rentenfonds 150 125 100 Mrd EUR November 2012 75 50 1,3 144,1 -16,6 +8,2 25 Okt.12 Jul.12 Apr.12 Okt.11 Jän.12 Jul.11 Apr.11 Okt.10 Jän.11 Jul.10 Apr.10 Okt.09 Jän.10 Jul.09 Apr.09 Okt.08 Jän.09 Jul.08 Apr.08 Jän.08 0 Kredit- und Einlagengeschäft der inländischen Banken (EZB-Monetärstatistik) % y-o-y 1 Kredite an inländische Nichtbanken Private Haushalte und Organisationen Konsumzwecke Schaffung/Erhaltung von Wohnraum Sonstige Ausleihungen Nicht-finanzielle Unternehmen Nichtbanken-Finanzintermediäre Öffentlicher Sektor Einlagen von inländischen Nichtbanken Private Haushalte und Organisationen Nicht-finanzielle Unternehmen Nichtbanken-Finanzintermediäre Öffentlicher Sektor 1 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent 2 Jahresdurchschnittswerte 2011 2 Jul 12 Aug 12 Sep 12 Okt 12 +2,3 +4,2 -3,1 +7,1 +2,8 +2,2 -7,4 +3,1 +0,7 +1,0 -3,0 +9,8 +4,6 +1,3 -0,4 -4,6 +2,0 -3,5 +2,7 +0,4 +3,7 +4,1 +1,7 +7,7 +8,8 +24,0 +1,5 -0,3 -5,4 +2,5 -3,3 +3,0 +1,3 +3,0 +4,3 +2,8 +5,7 +8,4 +19,7 +1,8 +0,9 -2,8 +3,4 -2,6 +2,5 +0,0 +4,3 +1,8 +0,5 +6,7 -10,8 +25,7 +1,8 +0,9 -3,6 +3,6 -2,5 +2,4 +0,5 +4,0 +2,5 +1,7 +7,0 -10,5 +19,9 Economics 9. Jänner 2013 Seite 16 von 17 Disclaimer Dieses Dokument wurde von der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse Aktiengesellschaft, Georg-Coch-Platz 2, 1018 Wien („BAWAG P.S.K.“) ausschließlich zu Informationszwecken erstellt („Information“). Die Information stellt keine Anlageberatung bzw. sonstige Beratung dar. Die Information ist kein Angebot und keine Empfehlung, Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente zu kaufen oder zu verkaufen. Die Information stammt aus öffentlich zugänglichen Quellen, die die BAWAG P.S.K. als zuverlässig erachtet hat. Die BAWAG P.S.K. gibt keine Garantie oder Gewährleistung ab, indirekt oder direkt, im Hinblick auf die Richtigkeit und Genauigkeit, die Verlässlichkeit und die Vollständigkeit der Information. Die BAWAG P.S.K. übernimmt für die Information keinerlei Haftung. 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