Erol Sander
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Erol Sander
„Es ist ein sehr moderner Film!“ Interview mit Erol Sander: Herr Sander, Sie lassen die Herzen vieler Zuschauerinnen höher schlagen. Man sah Sie bislang im Fernsehen vor allem in Filmen, in denen die Liebe im Vordergrund steht. Wie ist es für Sie, im Bremer Tatort „Familienaufstellung“ den strengen, undurchschaubaren türkischen Familienpatriarchen Durmus Korkmaz zu spielen? Zuallererst muss ich sagen: Der „Tatort“ ist mein Jubiläumsfilm der letzten neun Jahre. Ich glaube, es ist mein 50ster Film! Aber das waren nicht nur Liebesfilme. Ich glaube das waren so 10 Prozent ausländische Filme, 30 Prozent Krimis und andere Filme, aber 60 Prozent schon Heimat- und Liebesfilme. Aber birgt nicht jeder Film Liebe in sich? Geht es nicht immer um Hass und um Liebe und um die Spannung zwischen den Geschlechtern? Das sind so Fragen, die sich mir stellen. Wenn ich eine Rolle annehme, ist es jedes Mal eine große Herausforderung für mich und ich bereite mich immer so vor, dass der Charakter so authentisch wie möglich ist. So war es auch mit der Rolle des Durmus Korkmaz. Seine Situation ist im Grunde genommen mit der einer jüdischen Familie in New York vergleichbar, die jeden Abend vor dem Abendessen betet und regelmäßig in die Synagoge geht. Sie liebt und lebt ihre Traditionen und ist dennoch in die Gesellschaft integriert. Der Türke Durmus Korkmaz lebt in Deutschland und erlebt die Zerrissenheit seiner drei Kinder zwischen der deutschen und der türkischen Kultur. Das ist ein großer Konflikt. Darüber hinaus ist Korkmaz ein sehr wohlhabender Mensch, er ist ein großer Unternehmer, ein Immobilienmillionär, lebt aber trotzdem noch mit den Traditionen seines Ursprungs. Auch das birgt Spannungen. Von daher war diese Rolle eine große Herausfor-derung für mich. Herr Sander, Sie sind türkischer Abstammung, kamen jedoch schon mit vier Jahren nach Deutschland. Welcher Kultur fühlen Sie sich mehr verbunden: der türkischen oder der deutschen? Meine Heimat ist Bayern, Deutschland. Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich mein Abitur gemacht und hier fühle ich mich zuhause. Aber ich vergesse nie den Ursprung. Meine Mutter und mein Vater kommen aus der Türkei. Ich bekomme immer Gänsehaut, wenn ich dorthin fahre. Meine Frau ist Französin und ich habe lange in Paris gelebt. Ich bin Europäer (lacht)! Ich bin ein VollblutEuropäer! Aber ich fühle mich in Deutschland zuhause, das ist meine Heimat. Kennen Sie die dargestellten engen Familienstrukturen aufgrund Ihrer eigenen Herkunft? Ich lebe persönlich nicht mit diesen Strukturen. So musste ich mir die Familienstrukturen von „Familienaufstellung“ erarbeiten. Jedes Land – egal ob Afrika, Italien oder Amerika – hat seine eigenen Familienstrukturen und man muss sich darauf vorbereiten. Was ist Ihrer Ansicht nach das Besondere des Bremer Tatorts „Familienaufstellung“? Es ist ein sehr moderner Film! Eine traditionelle, türkische Familie, die in Deutschland lebt und zugleich voll integriert ist, das entspricht der Realität absolut, glaube ich. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Mark Schlichter war einfach wunderbar. Herr Sander, vielen Dank für das Gespräch.