Erfahrungsbericht Studienaufenthalt mit ERASMUS in Sevilla
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Erfahrungsbericht Studienaufenthalt mit ERASMUS in Sevilla
Erfahrungsbericht Studienaufenthalt mit ERASMUS in Sevilla Oktober 2007 – Mai 2008 Escuela de Ingenieros Universidad de Sevilla Matthias Doll 1. Vorbereitung Der Studienaufenthalt wurde mir über das europäische Austauschprogramm ERASMUS ermöglicht. Die Koordination lief über das Institut für Werkzeugmaschinen (IFW). Dort war Frau Sybille Krug als Institutional Coordinator für das Programm zuständig. Dann fängt die eigentliche Prozedur an. Man muss nun eine Reihe verschiedener Dokumente (Application Form, Datos Personales, Transcript of courses, Vordiplomszeugnis) ausfüllen und übersetzen . Außerdem wird ein kurzes Motivationsschreiben und ein Lebenslauf verlangt. Hat man alles zusammen muss man sich zunächst online an der Universität von Sevilla registrieren. Nach einiger Zeit bekommt man dann eine Antwort bzw. eine Aufforderung alle Unterlagen nach Spanien zu schicken. Danach erhielt ich ca. zwei Monate lang keine Antwort – auch nicht auf Nachfrage. Wenn man Glück hat, ist die EMail, die man dann irgendwann mal erhält, sogar an einen sebst gerichtet. Diese E-Mail enthält dann Informationen über das Verkehrssystem, Busse, Anbindungen, Notrufnummern und Adressen von Wohnheimen. Auf weitere Information wie z.B. Einführungsveranstaltungen, Kennenlernwoche o.Ä. wartet man vergeblich. Diese Informationen erhielt ich dann erst in Sevilla, als es dann schon zu spät war. Neben diesem, auf das ERASMUS Programm bezogenen, Papierkrieg sollte man sich natürlich aber auch rechtzeitig um Beurlaubung kümmern, sowie bei der Krankenkasse nachfragen ob man in dieser Zeit weiterhin versichert ist ohne etwas zuzuzahlen. Bevor ich nach Sevilla ging versuchte ich online eine Wohnung zu finden. Dies gelang mir aber nicht, und ist auch nicht unbedingt empfehlenswert, da man sich die Wohnungen besser zweimal anschauen sollte. Als Erstdomizil entschied ich mich für eine “Jugendherberge” und quartierte mich im “Backpackers Hostel” für ca. 12 Tage ein. Bezüglich der Flüge nach Sevilla ist zu sagen, dass es kaum günstige Flüge gibt wie z.B. nach Barcelona. Außerdem gibt es auch kaum Direktflüge. Ich probierte zwei Alternativen aus. Die eine Möglichkeit ist die unkompliziertere mit Air Berlin über Palma de Mallorca nach Sevilla zu fliegen. Die andere Möglichekit besteht darin von Stuttgart mit German Wings nach Barcelona und von dort mit Iberia (ClickAir als Billigfluglinie) nach Sevilla zu fliegen. Dann muss man allerdings in Barcelona auschecken und wieder neu einchecken, ist unter Umständen aber etwas günstiger beraten. In beiden Fällen muss man mindestens mit ca. 170€ rechnen, kann aber auch weit mehr als 230€ bezahlen. Währed meines Auslandsaufenthaltes schrieb ich meine Diplomarbeit. Hierzu suchte ich mir im Vorraus einen Betreuer und klärte das Thema mit ihm ab. Außerdem sollte man sich natürlich auch ein Institut an der Universität in Stuttgart suchen, das dann dieses Thema als Diplomarbeit akzeptieren wird. 2. Ankunft in Sevilla Der Semesterbeginn in Sevilla ist Ende September. Da ich unabhängig von Vorlesungen in Sevilla war und in Deutschland noch Prüfungen hatte, reiste ich mit leichter Verspätung Anfang Oktober an. Entgegen dem in Sevilla üblichen Wetter kam ich bei Regen an. Der Flughafen in Sevilla ist ziemlich klein und macht eher den Anschein eines Provizflughafens als der einer Landeshauptstadt. Vom Flughafen in Sevilla kommt man mit der Buslinie EA (2,30€) oder mit dem Taxi (20€) in die Stadt. Ich bin dann in die Jugendherberge “Backpackers Hostel” (calle Santa Patronas) gegangen. Die vorherige Onlinebuchung hat ohne Weiteres funktioniert. Das Hostel ist ein kleines Matratzenlagen inklusive Frühstück und Internet, das ich für meine Wohnungssuche ausgiebig nutzte. Es gibt weitere Hostels dieser Art und der gleichen Preiskategorie (ca. 18€/Nacht) rund ums Zentrum in der Nähe der Giralda: Hostel Picasso, Van Gogh, Dalí, ... Am nächsten Tag bin ich dann zuersteinmal in die alte Tabakfabrik gegangen um mich anzumelden. Dort kann man sich dann auch gleich das Ankunftsdatum quittieren lassen und an das IZ in Stuttgart faxen lassen. Man sollte auf jeden Fall Passfotos, Personalausweiskopien sowie alle bisherigen Unterlagen dabei haben. Außerdem bekommt man nun ein Willkommenspaket, das sämtliche Informationen über Einführungsveanstaltungen, universitäre Einrichtungen, usw. enthält. Ein paar Tage später kann man sich dann den provisorischen Studentenausweis abholen. 3. Wohnungssuche In dem Informationspaket ist auch die Adresse der Universitären Einrichtung SACU enthalten, wo man sich bei der Wohnungssuche helfen lassen kann. Weiter hilfreiche Quellen sind natürlich das Internet aber auch die Zeitung, insbesondere “Cambalache” - eine wöchentlich erscheinende Immobilienzeitung. Hier fand ich meine WG. Als Wohngegenden sind sowohl Macarena als auch Triana unter den Studenten sehr beliebt. Auf Grund meiner etwas verspäteten Anreise, war der Wohnungsmarkt schon etwas geschwächt, so dass ich ca. 12 Tage nach einer Wohnung gesucht hatte. Auch die mir bis dahin fast unbekannte spanische Sprache machte es natürlich etwas schwerer eine Wohnung zu finden, da man sich auf Englisch nur an der Universität verständigen kann. Ich fand meine Wohnung im Stadtviertel Macarena, nahe dem Fluss Guadalquivir. Es war eine WG mit drei Spaniern und kostete 200€/Monat. Die Mietpreise liegen i.d.R. Zwischen 180€ und 260€. Die Wohnung enthielt wie fast alle Wohnungen in Sevilla keine Heizung. Die ist auch nicht unbedingt erforderlich, da die Temperaturen auch im Winter sehr milde sind. Dennoch gab es eine kurze Periode im Dezember in der ein kleiner Elektro Heizlüfter (20€) angemessen war. 4. Studium Sprachkurse werden im Institutio de Idiomas im Süden von Sevilla (Reina Mercedes) angeboten. Dort befindet sich der Großteil der über die ganze Stadt verbreiteten Universität (Informatik, Architektur, Biologie,...). Hier kann man sich dann einen Termin für einen Einstufungstest gegben lassen. Diese Einstufungstests finden wöchentlich bis in den November statt. Sobald man ein paar wenige Spanischkenntnisse hat wird man schon in Spanisch II eingestuft. Am Ende vom Semester findet der Abschlusstest statt, welcher aus einem schriftlichen Teil (Sprachteil, Diktat, Lektürefragen) und aus einem mündlichen Teil (Dialog, Lektürefragen) besteht. Außer dem Spanischkurs belegte ich keine Vorlesungen, da ich in Sevilla meine Diplomarbeit schrieb. Die Ingenierstudiengänge sind ein bisschen außerhalb in der “Escuela de Ingerios” auf der “Isla de Cartuja” untergebracht. Allerdings kommt man dort gut mit dem Bus (Linien C1 u. C2) hin. Die Diplomarbeit machte ich an dem Institut: “Ingeniería de sistemas y automática”, in der Gruppe der modellprädiktiven Regelung, und arbeitete an einer Brennstoffzelle. Da die Diplomarbeit schon 30 ERASMUS Credits bringt, war es nicht nötig Vorlesungen zu belegen. In der Mensa bekommt man für 3,30€ eine Vorspeise (primero), ein Hauptgericht (segundo) inklusive Weisbrot und Nachtisch. Das universitäre Sportangebot in Sevilla ist ähnlich differenziert, wie man es aus Stuttgart kennt. Um das Sportangebot nutzen zu können muss man beim SADU im Süden von Sevilla vorbeigehen und sich eine Sportkarte erwerben. 5. Sevilla Die Stadt ist eine alte, durch arabischen Einfluss geprägte Stadt am Gualdalquivir. Sie hat sehr schöne Fußgängerzonen, viele Plätze und Parks, in denen es sich auch bei größter Hitze ertragen lässt. Die maurische Baukunst spiegelt sich in sehr viele Gebäuden wider (Giralda, Alcázar,...). Es gibt eine Fülle an Kirchen und kleinen Gassen. Verkehrstechnisch ist die Stadt nicht gerade auf dem modernsten Stand. Es gibt weder U-Bahnen noch S-Bahnen, lediglich ein Bahnhof für überregionale Züge. Im Oktober 2007 wurde die “Tranvia” in der Fußgängerzone in Betrieb genommen, mit der man lediglich drei Stationen im Zentrum der Stadt fahren kann. Allerdings wird in Sevilla sehr viel gebaut, unter anderem eine Metro. Um sich in der Stadt zu bewegen, kann man die Busse nutzen, welche in dem Verkehrschaos aber auch nicht gerade die schnellste Reisemöglichkeit darstellen. Die beste Alternative ist natürlich das Fahrrad. In ganz Sevilla gibt es gut ausgebaute Fahrradwege und Fahrradleihstationen. Um ein Fahrrad zu kaufen gibt es immer Sonntags die Möglichkeit auf den Flohmarkt auf der Isla de Cartuja zu gehen. An Bars Discos, Keipen und Restaurants mangelt es in Sevilla bestimmt nicht. Die “Alamdea de Hercules” ist ein großer langezogener Platz im Zentrum von Sevilla, der sehr viele Bars und Kneipen enthält. Auch nahe der Kirche “El Salvador” gibt es zahlreiche Tapasbars, ganz abgesehen von den vielen Möglichkeiten in der Stadt sich die spanische Küche zu Gemüte zu führen. “Levis” ist eine unter den Studenten sehr beliebte Tapasbar im Stadtviertel “Santa Cruz”. Nahe dieser Tapasbar befindet sich eine weitere, unter den Studenten sehr beliebte Bar “Carbonería”, in welcher abends Flamenco aufgeführt wird. Der Eintritt ist umsonst. Zwei Höhepunkte des sevillianischen Lebens sind die “Semana Santa” und die “Fería de abril”. Während der “Semana Santa” - also der Osterwoche – bekommt man die tiefe katholische Glaubensausrichtung der Stadt anhand von über 50 Prozessionen der Bruderschaften, die bis spät in die Nacht dauern, zu spüren. Am Gründonnerstag kann man sich diese Prozessionen sogar rund um die Uhr über 36 Stunden am Stück anschauen. Die “Fería de abril” ist ein volkstümliches einwöchiges Fest im April. Es besteht aus einem Teil, der sehr viele Fahrgeschäfte enthält – ähnlich dem Frühlingsfest in Stuttgart. Der andere Teil besteht aus vielen kleinen meist privaten Zelten und nur wenigen öffentlichen Zelten, in denen Sherry getrunken und Flamenco bzw. Sevillanas getantzt wird. Auch tagsüber bietet es eine eindrucksvolle Stimmung, bei der viele auf dem Pferd anreiten und in Flamenco Kleidern herumlaufen. Die Lebenshaltungskosten sind sehr ähnlich im Vergleich zu Deutschland. Lebensmittel sind manchmal sogar etwas teurer, wenn man sie nicht gerade bei Lidl,Alsi oder Plus kauft, die auch des Öfteren in Sevilla vorhanden sind. Günstig sind die Tapas, die man manchmal gratis zu einem Getränk hinzubekommt. Auch ein Glas Bier für einen Euro ist angemessen. Sparen kann man auch beim Busfahren, wenn man sich einen “Bonobus” kauft für 10 Einzelfahrten (4,3€) oder gar ein Monatsticket (26€). Um in Spanien mobil erreichbar zu sein, ist es am einfachsten sich eine spanische SIM-Karte zu kaufen. Dies geht dort ziemlich unkompliziert. Für 10€ erhält man eine SIM-Karte ohne auch nur den Namen nenn zu müssen und kann sofort telefonieren. Orange ist sehr weit verbreitet, ist aber bestimmt nicht die günstigste Alternative. Allerding kann man bei Orange eine “tarjeta intenacional” für 5€ kaufen, mit der man vom Handy aus ins deutsche Festnetz ca. 150 Minuten telefonieren kann. 6. Umgebung von Sevilla In der direkten Umgebung von Sevilla ist außer ein paar kleineren Dörfern nicht viel zu finden. Andalusien an sich bietet sehr viel an kulturellen Schönheiten. Einen Strandausflug ans Meer kann man ohne Probleme bis Ende Oktober noch machen. Dafür kommt Cadíz in Frage, da man nur ca. Eine Stunde mit dem Bus benötigt (ca. 11€) und die Stadt an sich auch lohnenswert ist. Im November wurde von der Ingenieursfakultät für die ERASMUS Studenten eine kostenlose Ausfahrt nach Córdoba angeboten. Dort besichtigten wir eine Archäologische Ausgrabung und die Moschee. Lohnenswert ist auf jeden Fall ein Ausflug nach Granada, das mit der Al-Hambra im Vordergrund und der Sierre Nevada m Hintergrund eine beeindruckende Kulisse abgibt. Wenn man lange Wartezeiten vermeiden will, kein Frühaufsteher ist, aber dennoch eine Chance auf den Eintritt in die Al-Hambra haben will, sollte man sich schon vorab in Sevilla bei der Bank BVA die Eintrittskarten besorgen. Für einen Trip nach Gibraltar nimmt man sich am besten zwei Tage Zeit, da man mit dem Bus von Sevilla aus sehr lange benötigt um dort hin zu fahren und es nur sehr wenige Fahrten pro Tag gibt. Auch Jerez de la Frontera lohnt sich für einen Tagesausflug. Die Nähe zu Portugal lädt auch für einen mehrtägigen Urlaub an der Algarveküste ein. Insbesondere zeigt die Küste ihr schönstes Gesicht bei Lagos. Für Lissabon sollte man sich schon mindestens drei Tage Zeit nehmen. 7. Fazit Alles in allem kann ich den ERASMUS Aufenthalt in Sevilla nur empfehlen. Man sollte allerdings frühzeitig mit der Planung und der Anerkennung der Kurse/Diplomarbeit anfangen. Das ERASMUS Stipendium enthielt eine monatliche Vergütung von 150,00€, von denen der erste Teil (90€ pro veranschlagter Monat) im November 2007 ausbezahlt wurde. Der zweite Teil (60€ pro Monat) folgte dann im Juni 2008. Die Verzögerungen im Vorfeld bezüglich den Informationen der Einführungsveranstaltungen spiegeln die spanische Gelassenheit wider und sollten nicht zur Beunruhigung führen. Man sollte auf jeden Fall früh genug anreisen (spätestens Mitte September) um eine entspannte Wohnungssuche zu haben. Auch ist ein längerer Aufenthalt als ein halbes Jahr empfehlenswert, da man eine Zeit braucht sich einzuleben, die Sprache zu lernen und Freunde zu finden. Während dem Aufenthalt bekommt man einen sehr schönen Einblick in die spanische Lebensweise, sammelt Erfahrungen und hat einfach ein schöne Zeit. Auch Sprachkenntnisse sind sehr empfehlenswert, da man bei der Verständigung mit der Bevölkerung auf der Straße mit Englisch kaum weiter kommt. Außerdem hilft es auch bei der Wohnungssuche. Ansonsten kann ich nur sagen, genießt die schönen angenehmen Temperaturen in Sevilla, die spanische Mentalität und Lebenslust.Ich beneide all diejenigen, welche den Auslandsaufenthalt in Sevilla nun noch vor sich haben.