Marketingkonzept - Compendio Bildungsmedien

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Marketingkonzept - Compendio Bildungsmedien
compendio
Bildungsmedien
Marketingkonzept
Grundlagen mit zahlreichen Beispielen, Repetitionsfragen
mit Antworten und Glossar
Stefan Michel unter redaktioneller Mitarbeit von Clarisse Pifko
5., überarbeitete Auflage 2013
1.3.4
Beurteilung eines Marketingkonzepts
Für die Beurteilung eines Konzepts sind drei Dinge entscheidend:
•
•
•
2
Erstens müssen alle Elemente von der Analyse bis zur Kontrolle behandelt werden,
sonst ist das Konzept unvollständig. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn nach der Analyse direkt Massnahmen entschieden würden, ohne die Zielsetzung und die Strategie vorher festzulegen.
Zweitens müssen die Elemente des Konzepts zusammenpassen. Wenn also zum Beispiel bei der Analyse festgestellt wird, dass das Hauptproblem eine mangelnde Differenzierung ist, dann müssen die Strategie und der Marketingmix darauf abzielen, sich über
das Produkt oder die Dienstleistung von der Konkurrenz zu differenzieren. Wenn hingegen
die Strategie darin besteht, in den chinesischen Markt einzutreten, müssen die entsprechenden personellen, juristischen und finanziellen Mittel im Budget bereitgestellt werden.
Drittens muss das Marketingkonzept den Vorgaben der Geschäftsleitung entsprechen,
sonst harmoniert es nicht mit der Gesamtstrategie des Unternehmens. In der Praxis ist es
manchmal so, dass die Vorgaben der Geschäftsleitung eher vage und sogar widersprüchlich sind. In solchen Fällen empfiehlt es sich, die grobe Struktur des Konzepts als Diskussionsgrundlage für eine weitere Verfeinerung und Klärung der Vorgaben der Geschäftsleitung zu erarbeiten.
2.3
Marktgrössen und Kennzahlen
Im Rahmen der Marktanalyse werden verschiedene Marktgrössen und Kennzahlen berechnet. Die wichtigsten Marktgrössen sind hier in Form einer Hierarchie aufgelistet. Die Marktgrössen werden für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel ein Jahr) und für ein bestimmtes
geografisches Gebiet (z. B. ganze Schweiz) berechnet. Besonders zu beachten ist jedoch,
dass alle Marktgrössen abhängig sind von der Marktdefinition (siehe oben).
Abb. [2 - 7]
Marktgrössen und Kennzahlen
Marktgrösse
Beschreibung
Beispiel
Marktkapazität
Maximale Menge einer bestimmten Marktleistung, die zum
Preis 0 in einem bestimmten Zeitraum im relevanten Markt
abgesetzt werden könnte.
Die Marktkapazität für Hundefutter entspricht der Menge, die
von allen Hunden in der Schweiz
in einem Jahr gefressen wird.
Marktpotenzial
Gesamter Umsatz oder Absatz aller Anbieter einer bestimmten Marktleistung, der unter optimalem Einsatz der Marketinginstrumente bei heutiger Kaufkraft in einem bestimmten
Zeitraum im relevanten Markt erzielt werden könnte.
Absatz von Hundefutter in der
Schweiz in einem Jahr, wenn alle
Hundebesitzer, die sich Hundefutter leisten können, auch Hundefutter kaufen.
Marktvolumen
Mengenmässig: Abgesetzte Menge im Markt, entspricht der
Summe aller Absätze aller Anbieter.
Tatsächlicher Absatz und Umsatz
von Hundefutter in der Schweiz in
einem Jahr.
Wertmässig: Geldwert aller Käufe, entspricht der Summe
aller Umsätze aller Anbieter in Markt.
Absatz von
Produkt X
Anzahl verkaufter Produkte X (mengenmässig).
Tatsächlicher Absatz von «Frolic»
in der Schweiz in einem Jahr.
Umsatz von
Produkt X
Geldwert aller Verkäufe in Franken von Produkt X.
Tatsächlicher Umsatz von «Frolic»
in der Schweiz in Franken in einem
Jahr.
Marktanteil
(Share of market)
Mengenmässig: (Absatz von X) / (mengenmässiges
Marktvolumen) · 100%
Wertmässig: (Umsatz von X) / (wertmässiges
Marktvolumen) · 100%
Absatz von Frolic / Marktvolumen
bzw. Umsatz von Frolic / Marktvolumen.
Relativer
Marktanteil[1]
(wird für die PortfolioAnalyse berechnet)
Mengenmässig: (Absatz von X) / (durchschnittlicher Absatz
der grössten drei Konkurrenten) · 100%
Wertmässig: (Umsatz von X) / (durchschnittlicher Umsatz
der grössten drei Konkurrenten) · 100%
Absatz von Mercedes / durchschnittlicher Absatz von VW, Opel
und Toyota.
Umsatz von Mercedes / durchschnittlicher Umsatz von VW,
Opel und Toyota.
Sättigungsgrad
= Marktvolumen / Marktpotenzial · 100%
= Marktvolumen von / Marktpotenzial von Hundefutter.
Penetrationsgrad
= Anzahl der Kunden (Haushalte, Betriebe), die das Produkt
X in der Periode T mindestens einmal gekauft haben / alle
potenziellen Kunden · 100%
Haushalte, die im letzten Jahr mindestens einmal ein Fondue
gekauft haben / alle CH Haushalte.
)
Die Hierarchie kann auch in einem Diagramm dargestellt werden, sodass sichtbar wird, dass
beispielsweise das Marktvolumen nicht grösser sein kann als das Marktpotenzial oder dass
der Marktanteil nicht grösser sein kann als das Marktvolumen. Setzt man den Absatz oder
Umsatz ins Verhältnis zum Marktvolumen, so lässt sich der Marktanteil berechnen. Setzt man
das Marktvolumen ins Verhältnis zum Marktpotenzial, ergibt sich der Sättigungsgrad.
Abb. [2 - 8]
Diagramm der Hierarchie von Marktgrössen
XMK001_PEBAde.eps
Marktkapazität
Maximale Menge einer bestimmten Marktleistung, die zum Preis 0 in einem bestimmten
Zeitraum im relevanten Markt abgesetzt werden könnte
Marktpotenzial
Gesamter Umsatz oder Absatz aller Anbieter einer bestimmten
Marktleistung, der unter optimalem Einsatz der Marketinginstrumente
bei heutiger Kaufkraft in einem bestimmten Zeitraum im relevanten
Markt erzielt werden könnte
Marktvolumen
Gesamter von allen Anbietern effektiv realisierter
Umsatz oder Absatz einer Marktleistung in einem
bestimmten Zeitraum im relevanten Markt
Marktanteil
Marktsättigungsgrad
Prozentualer Anteil des
Marktvolumens am
Marktpotenzial in einem
bestimmten Zeitraum
Prozentualer Umsatz- oder Absatz-Anteil von
Anbieter X am Marktvolumen des relevanten
Markts in einem bestimmten Zeitraum
Das folgende Beispiel illustriert, wie die Marktgrössen am Beispiel von Golfbällen berechnet
werden können.
Beispiel
Berechnung und Interpretation von Marktgrössen und Kennzahlen
In der Schweiz leben etwa 8 Mio. Menschen (Stand Ende 2011, gemäss Bundesamt für Statistik).
Davon sind etwa 75% bezüglich Alter und Gesundheit potenzielle Golfspieler. Weil jeder Golfspieler
theoretisch unendlich viele Golfbälle besitzen kann, macht es keinen Sinn, die Kapazität in Golfbällen
zu berechnen. Es reicht, die Marktkapazität in Spielern zu berechnen. Von diesen 6 Mio. Menschen
(75% von 8 Mio.) können sich 20% das Golfspielen finanziell leisten. Damit beträgt das Marktpotenzial 1.2 Mio. Golfspieler (20% von 6 Mio.).
Wenn jeder Golfspieler im Durchschnitt pro Jahr 36 Bälle[1] braucht (die entweder vom Spieler selber
oder vom Golfplatz für die Benutzung auf der Driving Range gekauft werden), entspricht das einem
Marktpotenzial von 43.2 Mio. Golfbällen. Bei einem Durchschnittspreis von CHF 1.–[2] beträgt das
Marktpotenzial entsprechend 43.2 Mio. CHF.
Tatsächlich spielen in der Schweiz etwa 80 000 Menschen Golf[3], was ca. 1% der Wohnbevölkerung
entspricht. Diese Zahl ist höher als in Deutschland (0.67%), aber tiefer als in Schottland (4.81%), England (1.5%) und Österreich (1.26%). Diese 80 000 Golferinnen und Golfer brauchen pro Jahr 2 880 000
Golfbälle (Marktabsatz) im Wert von CHF 2 880 000.– (Marktumsatz).
Die Firma Swiss GolfPro[4] verkauft jährlich 210 000 Golfbälle im Wert von CHF 250 000.–. Damit
beträgt ihr mengenmässiger Marktanteil 7.29% (210 000 / 2 880 000) und ihr wertmässiger Marktanteil 8.6% (CHF 250 000.– / CHF 2 880 000.–). Der Sättigungsgrad des Markts beträgt 6.67%
(2 880 000 / 43 200 000 Golfbälle). Wenn von den 80 000 Golfern 50 000 in einem Jahr mindestens einmal Golfbälle gekauft haben, beträgt die Penetration für dieses Jahr 62.5% (50 000 / 80 000), wobei
hier die Käufe durch die Golfplätze nicht berücksichtigt sind. Bei den Golfplätzen beträgt die Penetration 100%, weil jeder Golfplatz mindestens einmal im Jahr Golfbälle kauft.
[1]
[2]
[3]
[4]
*
http://www.enotes.com/golf-ball-reference/golf-ball.
http://www.topball.ch/?gclid=COLY--aO3LQCFUpd3godlW8A_g.
European Golf Association, Januar 2009, zitiert auf http://www.golf-forum.ch/golf-golf-golf/191-ein-golfer-auf-100-schweizer.html.
Fiktives Beispiel, da die effektiven Verkaufszahlen nicht öffentlich publiziert werden.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich für die Firma Swiss GolfPro ableiten? Da nur 6.67% des
Markts gesättigt sind, würde Swiss GolfPro stark wachsen, wenn mehr Leute Golf spielen würden.
Diese Form der Marktentwicklung ist jedoch sehr teuer und mit einem Umsatz von CHF 250 000.– in
Golfbällen aussichtslos. Der mengenmässige Marktanteil beträgt 7.29%, der wertmässige 8.6%.
Damit ist Swiss GolfPro teurer als der Marktdurchschnitt. Eine Strategie könnte nun darin bestehen,
Kunden von der Konkurrenz zu gewinnen, zum Beispiel über tiefere Preise oder über mehr Werbung.
Eine andere Strategie würde darin bestehen, den bestehenden Kunden mehr Bälle oder Bälle zu höheren Preisen zu verkaufen (siehe dazu das Kapitel «Wachstumsstrategien aus Marktsicht nach Kühn»,
Kap. 5.2.3, S. 77).
+
5.3.2
Formen der Internationalisierung
A] Export
Arten von Export
Der übliche Weg, in einen Auslandmarkt einzusteigen, ist der Export. Es kann auch vorkommen, dass das Unternehmen gar nicht plant, im Export tätig zu werden, jedoch als Folge von
häufigen Bestellungen vom Ausland beginnt, in diesen Markt zu exportieren. Man kann zwischen indirektem und direktem Export unterscheiden:
Der indirekte Export erfolgt über einen unabhängigen Exportvermittler. Dieser kann seinen
Sitz im In- oder Ausland haben. Oft werden auch Exportverbände, die für mehrere Produzenten tätig sind, benutzt. Die Vorteile des indirekten Exports sind die geringen Investitionen, die
ein Unternehmen tätigen muss, sowie das relativ kleine Risiko, das es dabei zu tragen hat.
Beim direkten Export bemüht sich das Unternehmen selber um die Abwicklung des Exportgeschäfts. Der direkte Export kann ebenfalls auf mehrere Arten durchgeführt werden: Das
Unternehmen kann eine Exportabteilung im Inland errichten, eine Tochtergesellschaft für den
Export gründen, reisende Exportvertreter ins Ausland schicken oder im Ausland ansässige
Händlerinnen oder Vertreter engagieren. Das Risiko und die Investitionen sind gegenüber
dem indirekten Export höher; dafür ist auch der potenzielle Gewinn höher.
Exportmarketing
Ein Marketingkonzept für eine Exportstrategie folgt demselben Muster wie das generelle
Marketingkonzept in Abbildung 1 - 8, S. 19. Was sich ändert, ist die konkrete Ausgestaltung
der einzelnen Schritte, weil die Marktsituation im Ausland je nach Situation wesentlich anders
ist als im Heimmarkt.
Insbesondere müssen externe und unternehmensinterne Herausforderungen überwunden werden. Die ersten sechs Punkte der externen Analyse bilden auf Englisch das Akronym PESTEL (siehe
Kapitel 3.3, S. 57), das im Exportmarketing der bekannten SWOT-Analyse vorangestellt wird.
Wir bringen dazu ein Beispiel.
,
Beispiel
Herausforderungen des Exportmarketings
Die folgende Tabelle beschreibt die Herausforderung des Exportmarketings für ein Produkt der Medizinaltechnik, das vom amerikanischen Konzern General Electric (GE) in Indonesien eingeführt werden soll.
GE hat Indonesien als neuen Markt gewählt, weil es mit 237 Mio. Einwohnern (2011) zu den bevölkerungsreichsten Ländern gehört und weil die Bevölkerung weiter stark wachsen wird. Das Produkt ist
ein Ultraschallgerät, mit dem das ungeborene Baby im Mutterleib untersucht werden kann. Im Vergleich zu den Modellen, die in amerikanischen oder westeuropäischen Spitälern anzutreffen sind,
wurde der Vscan speziell für den Einsatz in Wachstumsmärkten entwickelt. Das Gerät ist tragbar, relativ einfach zu bedienen, sehr robust und kostet zwischen 2 000 USD und 4 000 USD.
Im Rahmen einer qualitativen Marktforschung hat das Product Management mit verschiedenen
Anspruchsgruppen vor Ort Gespräche geführt und wurde mit folgenden Herausforderungen konfrontiert.
Abb. [5 - 10]
Extern
Intern
[1]
Herausforderung des Exportmarketings
Herausforderung
Erklärung am Beispiel Vscan in Indonesia
Politische Herausforderungen
Seit 2004 ist Indonesien als demokratischer Staat anerkannt. Es versucht,
aussenpolitisch einen eigenen Weg zu gehen und unabhängig von Bündnissen zu agieren. Die Korruption der Beamten und der Richter ist allerdings
nach wie vor ein grosses Problem[1].
Wirtschaftliche Herausforderungen
Das kaufkraftbereinigte Bruttosozialprodukt ist mit 4 666 USD sehr tief
und viele Menschen leben in bitterer Armut. Die wenigsten Patienten
und Schwangeren haben eine Krankenversicherung und können sich eine
Behandlung nach neuesten medizinischen Methoden leisten.
Soziale, kulturelle Herausforderungen
Die Feldstudie hat viele interessante soziale und kulturelle Unterschiede
aufgezeigt. So ist zum Beispiel der «Witch Doctor» (Dorfheiler) ein wichtiger
externer Beeinflusser in den Dörfern. Obwohl er über keine medizinische
Ausbildung im klassischen Sinn verfügt, vertrauen die Patienten und
Schwangeren seinem Rat.
Technische Herausforderungen
Die technische Infrastruktur ist in grossen Teilen unterentwickelt, was sich
auf alle Prozesse (Vertrieb, Betrieb, Schulung, Support) auswirkt.
Ökologische Herausforderungen
Keine wesentliche Herausforderung für die Markteinführung.
Rechtliche Herausforderungen
Es gilt, die regulatorischen Hürden zu überwinden, damit der Vscan die
Zulassung für medizinische Behandlungen erhält.
Vertragsrisiken
Es ist für eine ausländische Firma wie GE schwierig, in Indonesien Vertragsverletzung einzuklagen und Vertragserfüllung zu erzwingen, speziell gegen
staatliche Institutionen wie Spitäler.
Debitorenrisiken
Die Inkassokosten und die Ausfallrisiken sind beträchtlich, wenn an Spitäler,
Ärzte und Hebammen geliefert wird.
Währungsrisiken
Die indonesische Rupie hat von 2009 bis 2013 über 20% ihres Werts gegenüber dem Schweizer Franken verloren.
Investitionsrisiken
Wie jede Internationalisierungsstrategie ist der Markteintritt mit Investitionen verbunden (Aufbau der Logistik, des Supports, Schulung, Kundenakquisition).
Reputationsrisiken
In der Medizinaltechnik besteht das Risiko, dass der Hersteller für fehlerhafte Behandlungen oder Todesfälle bei Patienten verantwortlich gemacht
wird, auch in ungerechtfertigten Situationen.
http://en.wikipedia.org/wiki/Corruption_in_Indonesia.
-
6.1.1
Teilmix Handel
Im Kapitel 2.7, S. 42 wurden die verschiedenen Vertriebsmöglichkeiten besprochen. Für
Unternehmen, die einen direkten Vertrieb wählen, sind die folgenden Ausführungen nicht
relevant.
A] Zieldivergenzen zwischen Hersteller und Handel
Die veränderten Machtverhältnisse zwischen Hersteller und Handel zugunsten des Handels
haben dazu geführt, dass in vielen Märkten der Handel mehr oder weniger das Marktgeschehen prägt. Dadurch sind die Hersteller heute vielfach nicht mehr in der Lage, das Marketing
für ihre Produkte im Sinn ihrer eigenen Strategien konsequent umzusetzen. Der Handel
durchkreuzt dieses Vorhaben mit seinen eigenen Strategien.
Es lohnt sich deshalb, sich den grundsätzlichen Zieldivergenzen zwischen Hersteller und Handel bewusst zu werden.
.
Abb. [6 - 3]
Zieldivergenzen Hersteller-Handel[1]
Zielbereiche
Herstellerziele
Handelsziele
Produkt
Hohes Produkt- und Markenimage
Hohes Sortiments- und Ladenimage
Hohe Produktinnovation
Hohe Produktkonstanz
Forcierung Herstellermarken
Forcierung Handelsmarken
Eher hochpreisige Politik
Eher tiefpreisige Politik
Abbau überhöhter Spannen
Durchsetzung zusätzlicher Konditionen
Grosse Bestellmengen
Schnelle Auslieferung kleiner
Bestellmengen
Hohe (optimale) Distributionsdichte
Selektive Distribution (evtl. Alleinvertretungsansprüche)
Günstige Platzierung der eigenen
Ware
Günstige Platzierung des gesamten Sortiment
Hohe Lieferbereitschaft
Niedrige Lagerhaltung
Möglichst viel Beratung und Service
Möglichst wenig Beratung und
Service
Produktwerbung
Firmenwerbung
Aufbau von Markenpräferenzen
Aufbau von Präferenzen für den
Laden
Bevorzugte Markenplatzierung
Sortimentsgerechte Platzierung
Herstellerorientierte Verkaufsförderung
Handelsorientierte Verkaufsförderung
Erhöhung der Markentreue
Erhöhung der Ladentreue
Preis
Distribution
Kommunikation
B] Marketingmix mit Push- und Pull-Wirkung
Eine zweite wichtige Vorüberlegung zum Teilmix Handel ist die angestrebte Wirkung des
gesamten Marketingmix. Dabei wird zwischen Push (Angebotsdruck) und Pull (Nachfragesog) unterschieden. Die Unterscheidung zwischen Push- und Pull-Marketing kann sowohl im
Submix Kommunikation gemacht werden[2] als auch im Teilmix Handel.
Die Abbildung zeigt, dass der Hersteller beim Push-Marketing sein Produkt in den Handel
drückt (englisch push) und dass der Handel das Produkt in den Einkaufswagen des Kunden
drückt. Beim Pull-Marketing versucht der Hersteller, einen Nachfragesog zu erzeugen,
sodass der Kunde das Produkt aus dem Regal zieht (engl. pull) und der Handel das Produkt
beim Hersteller nachfragt.
[1]
[2]
Becker, Jochen: Marketing-Konzeption. Grundlagen des strategischen Marketing-Managements, 5. Auflage, München: Vahlen, 1993,
S. 525.
Michel, Stefan und Oberholzer Michel, Karin: Marketing. Eine praxisorientierte Einführung mit zahlreichen Beispielen, 2. Auflage, Zürich:
Compendio, 2006.
/
Abb. [6 - 4]
Push- und Pull-Wirkung
XMK003_HOBAde.eps
Hersteller
Hersteller
Push (Angebotsdruck)
Pull (Nachfragesog)
Handel
Handel
Push (Angebotsdruck)
Pull (Nachfragesog)
Kunden
Kunden
Marketingmix
Entsprechend unterschiedlich sind die Zieldimensionen. Beim Push-Marketing geht es um die
Marktabdeckung (Distributionsgrad), die Erhältlichkeit, die Lagerhaltung. Beim Pull-Marketing stehen die Bekanntheit und Beliebtheit im Vordergrund, es geht um Kundenzufriedenheit
und -treue.
In der Praxis werden die beiden Ansätze meistens kombiniert, um eine maximale Wirkung zu
erzielen. Faustregeln, wonach das Push-Pull-Verhältnis immer 50 : 50% sein soll, sind aber
sicherlich falsch, da unterschiedliche Marktsituationen und Marketingstrategien zu unterschiedlichen Schwerpunkten führen.
Das folgende vereinfachte Beispiel illustriert, welche Marktanalysen und welche Kriterien bei
der Wahl zwischen Push- und Pull-Massnahmen angewendet werden können.
Beispiel
Planung und Instrumente der Push- und Pull-Beziehungen
Zwei Konsumgüter der Marke 1 und der Marke 2 erzielen die identische Penetration[1] von 1.8% innerhalb einer bestimmten Periode. Die folgende Marktanteilsanalyse[2], einige nennen es auch Verkaufstrichter, zeigt, in welchen Stufen die Marke ihre potenziellen Kunden verliert. Marke 1 wird von
60% der Zielgruppe erkannt, somit verliert sie 40% bei der Bekanntheit. Von diesen 60% hat die eine
Hälfte ein positive, die andere Hälfte eine negative Einstellung. Von den positiv eingestellten Konsumenten begegnen nur 10% dem Produkt am Point of Sales, und von diesen finden 60% den Preis
akzeptabel und kaufen. Somit berechnet sich die Penetration als 0.6 · 0.5 · 0.1 · 0.6 = 0.018 (d. h. 1.8%
der Zielgruppe).
[1]
[2]
10
Penetration: Marktdurchdringung. Es soll mit bestehenden Produkten ein Mehrumsatz innerhalb eines bestehenden Strategischen
Geschäftsfelds (SGF) erzielt werden.
Best, Roger J. (2013), Market-Based Management. Strategies for Growing Customer Value and Profitability (6 ed.). Upper Saddle River, NJ:
Prentice Hall.
Abb. [6 - 5]
Kaufanalyse Produkt 1
100%
100%
60%
Zielgruppen
10%
50%
60%
Kennen das
Produkt
Positive
Einstellung
zum Produkt
50%
40%
90%
Sehen das
Produkt am
Point of Sales
Finden den
Preis akzeptabel
1.8%
Finden den
Preis nicht
akzeptabel
1.2%
40%
Sehen das Produkt nicht am POS
Keine positive Einstellung zum Produkt
27%
30%
40%
Kennen das Produkt nicht
Die Marke 2 erzielt ebenfalls eine Penetration von 1.8%, allerdings «verliert» sie die Kunden auf anderen Stufen, insbesondere bei der Bekanntheit. 80% der Zielgruppe kennen die Marke nicht und 60%
der Konsumenten, die die Marke kennen, habe eine negative Einstellung zu ihr. Mit 75% Kundenkontakt am Point of Sales ist die Marke aber sehr gut vertreten. Allerdings ist sie mit 30% Preisakzeptanz
eher hochpreisig positioniert.
Abb. [6 - 6]
Kaufanalyse Produkt 2
100%
100%
30%
Zielgruppen
75%
40%
20%
80%
Kennen das
Produkt
60%
Positive
Einstellung
zum Produkt
25%
Sehen das
Produkt am
Point of Sales
Finden den
Preis akzeptabel
18%
Finden den
Preis nicht
akzeptabel
4.2%
70%
Sehen das Produkt nicht am POS
Keine positive Einstellung zum Produkt
Kennen das Produkt nicht
2%
12%
80%
Diese vereinfachte Marktanteilsanalyse für zwei Produkte im selben Markt mit identischer Penetration
führt zu völlig unterschiedlichen Push-/Pull-Verhältnissen. Marke 1 wird eher in Push-Massnahmen
investieren, da sie zwar bekannt und beliebt, aber im Handel nicht erhältlich ist. Bei Marke 2 ist genau
das Gegenteil der Fall. Hier lohnt es sich vermutlich, die starke Distribution (75% Erhältlichkeit) mit
Pull-Massnahmen besser auszuschöpfen.
1'
6.1.2
Teilmix externe Beeinflusser
Externe Beeinflusser sind Personen und Organisationen, die weder dem Handel noch den
Produktverwendern zuzurechnen sind, die aber die Kaufentscheidung beeinflussen können.
Beispiel Schulbücher
Für Schulbücher ist die Dozentin eine Beeinflusserin, was
die Käufe ihrer Studierenden betrifft. Für einen Verlag
oder eine Buchhandlung kann es sich lohnen, den Lehrern gewisse zusätzliche Anreize zu bieten, z. B. Hintergrundinformationen, Aufgaben mit Lösungen, didaktische Hilfsmittel.
Weitere Beispiele von externen Beeinflussern
•
•
•
•
•
Journalistinnen, die über Produkte und Dienstleistungen schreiben.
Kritiker, die Filme und Bücher beurteilen.
Ärztinnen, die ein Medikament verschreiben, aber
nicht selber verkaufen. Wenn Ärztinnen oder Apotheker das Medikament selber verkaufen, sind sie nicht
Beeinflusser, sondern ein Handelskanal.
Krippenleiterin, die eine bestimmte Babywindel empfiehlt.
Fussballtrainer, der einen bestimmen Fussballschuh
empfiehlt.
Berufsverbände, die bestimmte Produkte und Praktiken
empfehlen.
Quelle: Compendio Bildungsmedien AG
Mit dem Internet hat ein an sich bekanntes Phänomen völlig neue Dimensionen angenommen. In Blogs[1] schreiben Personen Positives und Negatives über Produkte und Dienstleistungen. Teilweise wird diese Peer-to-Peer[2]-Empfehlung ganz bewusst zur Beurteilung
genutzt. So werden zum Beispiel die Hotels auf www.orbitz.com systematisch durch die
Gäste beurteilt. Wenn ein neuer Kunde ein Hotel in einer bestimmten Stadt sucht, kann er die
Suche eingrenzen auf Hotels, die von den anderen Kunden mindestens die Note 4 erhalten
haben.
Beispiel
Bewertung und Auswahl von Submixen und ihrer Instrumente
Die amerikanische Firma CBR (http://www.cordblood.com) plant mit einer Marktentwicklungsstrategie nach Ansoff den Markteintritt in die Schweiz. CBR schliesst Verträge mit werdenden Eltern ab,
damit bei der Geburt ihres Kinds die Stammzellen in der Nabelschnur auf unbestimmte Zeit eingefroren werden. Diese Stammzellen können bei über 70 Krankheiten (z. B. Knochenmark-Schädigung)
durch Transplantation Leben retten.
In der Schweiz werden jährlich ca. 70 000 Kinder geboren. CBRs Ziel ist es, dass jährlich 1 400 (2%
Penetration) Eltern die Nabelschnur einfrieren lassen. Die Kosten betragen einmalig CHF 2 400.– und
dann jährlich CHF 200.–. Es stellt sich die Frage, mit welchen Teilmixen CBR operieren soll und wie
die einzelnen Instrumente eingesetzt werden. Die folgende Übersicht zeigt eine Kurzzusammenfassung der Argumente.
[1]
[2]
1(
Weblogs, eine Art elektronische Tagebücher, z. B. www.blogspot.com.
Peer, englisch gleichranging, also Kunde zu Kunde.
Abb. [6 - 7]
Abb. [6 - 8]
Kurzzusammenfassung der Argumente
Teilmix
Begründung
Kunde
Zielgruppe sind werdende Eltern. Da die Dienstleistung relativ neu und in vielen
Kreisen auch umstritten ist (religiöse Gründe, Verhältnismässigkeit, ethische
Gründe, finanzieller Aufwand), ist der Informationsbedarf relativ gross. Es ist auch
wichtig, durch ein Innovatorensegment (siehe Abb. 7 - 15, S. 160) rasch positive
Mundpropaganda zu erzielen. Werdende Eltern haben ein grosses Informationsbedürfnis, das sie in ihren sozialen Kreisen durch Diskussionen stillen.
Handel
Da CBR direkt vertreibt, entfällt der Teilmix-Handel.
Beeinflusser
Als wichtigste Beeinflusser gelten die Hebammen, die vor allem in Geburtsvorbereitungskursen viele Informationen vermitteln, und Gynäkologen, die die Geburt
medizinisch begleiten. Auch in diesen Kreisen bestehen grosse Vorbehalte, sodass
ein Ziel darin liegt, den Befürwortern genügend Argumente zu liefern. Gleichzeitig
wird versucht, eine ursprünglich ablehnende Haltung in eine neutrale Meinung
zu überführen, damit die Hebamme oder die Gynäkologin den Wunsch der Eltern
nach einer Stammzellen-Konservierung respektieren und sie bei der Prozedur unterstützen.
Einsatz der Instrumente
Teilmix
Instrument
Entscheid und Begründung
Kunde
Werbung: Printmedien
Ja. Es können gezielt werdende Eltern über glaubwürdige
Medien angesprochen werden.
Werbung: TV
Nein. Streuverlust und damit die Kosten sind zu hoch. Nur
die Minderheit der TV-Zuschauer sind werdende Eltern.
Werbung: Radio
Nein. Argument wie oben. Dazu ist das Thema für Radiowerbung zu komplex.
Werbung: Plakat
Nein. Argument wie oben. Dazu ist das Thema für Plakatwerbung zu komplex.
Event
Ja. Teilnahme an Elterninfotagen, weil die Zielgruppe direkt
und umfassend informiert werden kann.
Verkauf
Ja. Inbound-Callcenter[1], damit auftauchende Fragen besonders während der Markteinführung direkt und kompetent
beantwortet werden können.
Promotion mit
Direktversand
Ja. Direkte Addressierung der werdenden Eltern mit einer
informativen Broschüre ist möglich.
PR
Ja. Pressekonferenzen mit Experten und Personen, die ihre
Heilung Stammzellen von CBR verdanken, fördern die
Akzeptanz bei den werdenden Eltern, aber auch bei Fachpersonen.
Internet
Ja. Informative Website mit Bereichen für werdende Eltern,
Hebammen, Ärzte und andere Zielgruppen (Spitäler, Krankenversicherungen, Politiker).
Werbung
Ja. Gezielte Werbung in Fachzeitschriften, mit Internet-Link
zu weiterführenden Informationen und publizierten Studien.
PR
Ja. Förderung von Forschungsprojekten, die an medizinischen Kongressen und Hebammen-Konferenzen präsentiert
werden.
Events
Nein. Keine geeignete Events vorhanden für dieses spezielle
Thema.
Direkter Verkauf
Nein. Kosten / Nutzen rechtfertigt Ärztebesuche nicht, insbesondere da es immer schwieriger oder praktisch unmöglich
wird, Termine von Gynäkologen zu erhalten.
Internet
Ja. Informative Website mit Bereichen für werdende Eltern,
Hebammen, Ärzte und andere Zielgruppen (Spitäler, Krankenversicherungen, Politiker).
Beeinflusser
[1]
Inbound Callcenter nehmen den Anruf des Kunden entgegen und leisten den traditionellen Kundendienst.
1)
9.8
E-Business als Plattform für neue Geschäftsmodelle
Die dritte Stufe der Integration des Internets ins Marketing, nach der Internetkommunikation
und dem E-Commerce, ist das E-Business als Plattform für neue Geschäftsmodelle.
E-Business-Modelle entstehen, wenn das Internet bestehende Branchen revolutioniert oder
wenn durch das Internet neue Branchen entstehen. Aus diesem Grund haben wir die folgenden neuen E-Business-Modelltypen hinsichtlich der Funktion des Internets unterschieden.
Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über verschiedene Geschäftsmodelle. Im Kapitel 2.4.5, S. 31 wurde das Marktsystem für Google dargestellt. Auf ähnliche Weise liesse sich
für jedes dieser Modelle ein anderes Marktsystem skizzieren.[1]
Abb. [9 - 14]
Typologie der E-Business-Modelle (eigene Darstellung)
Typus
Funktion des Internets
Beispiele
Navigation
Navigatoren helfen den Kunden, im Internet das beste
Angebot im Markt zu finden.
www.yahoo.com, www.comparis.ch,
www.bizrate.com
Suchmaschine
Suchmaschinen helfen den Kunden, die richtigen Informationen zu finden.
www.google.com,
www.askjeeves.com, www.search.ch,
www.musicline.de/
Marktplatz
Das Internet führt Nachfrager und Anbieter effizienter
zusammen als andere Marktplätze.
Liegenschaften
(http://www.immobilienscout24.ch),
Autos (www.car4you.ch), Sportwetten
(www.betfair.com)
Online-Auktionen
Das Internet dient als Plattform für Online-Auktionen.
www.ebay.com, www.priceline.com
Mass Customizing
Das Internet ermöglicht eine kostengünstige Individualisierung der Marktleistung.
www.dell.ch
Disintermediation
Das Internet schaltet etablierte Handelskanäle aus.
www.hotels.com, www.bluenile.com,
www.itunes.com
E-Tailing und Social
Commerce
Das Internet ermöglicht neue Formen des Einzelhandels (E-Tailing statt Retailing).
www.amazon.de
Communities
Das Internet führt Menschen mit ähnlichen Interessen
zusammen.
www.facebook.com, www.xing.com
Wiki
Online-Lexika, die von Usern geführt werden
www.wikipedia.org
Mediasharing
User stellen anderen Usern Fotos und Videos zur
Verfügung
www.flickr.com, www.youtube.com
E-Content
Das Internet ermöglicht einen besseren Zugang zu
digitalen Marktleistungen.
E-Learning (www.phoenix.edu), Open
Source Software
(http://www.opensource.org), E-Zeitungen (http://online.wsj.com)
Breitband-Kommunikation
Das Internet ersetzt andere Kommunikationskanäle.
Internetfernseher (http://www.swisscom.ch/res/tv/index.htm), Videokonferenzen (www.skype.com)
Internet-Infrastruktur
(Hardware, Software,
Dienstleistungen)
Internet-Dienstleister stellen die Infrastruktur für die
Nutzung des Internets zur Verfügung.
Cisco (Hardware), Microsoft (Software),
Internet Service Provider (z. B.
www.bluewin.ch, www.green.ch), spezialisierte Branchenmarktforschung
(www.forrester.com)
Das folgende Fallbeispiel zeigt, wie ein Team der Firma Dow Corning den Auftrag erhält, für
ein bestimmtes Segment eine E-Business-Lösung aufzubauen[2].
[1]
[2]
1*
Eine detaillierte Beschreibung der E-Business-Modelle findet sich in Michel, Stefan und Oberholzer Michel, Karin: Marketing. Eine praxisorientierte Einführung, 5. Auflage, Zürich: Compendio, 2011.
Kashani, Kamran (2011), «Xiameter. The Past and Future of a Disruptive Innovation», IMD Case 5-0702.
Beispiel
Aufbau eines E-Business-Modells anhand von Vorgaben der Geschäftsleitung
Dow Corning ist ein Produzent von Silikonen, die in der Industrie eingesetzt werden. Traditionell hatte
Dow Corning den Markt in verschiedene Segmente eingeteilt, je nach Kundenbranche (d. h. Health
Care, Haushaltsprodukte wie Shampoo, Elektronik, Automobil, Gebäude und Spezialapplikationen).
Dow Corning wurde zunehmend von Mitbewerbern angegriffen, die zwar weniger Beratung und eine
schlechtere Qualität lieferten, aber mit einem tieferen Preis operierten. Eine gross angelegte Bedürfnisstudie der Kunden von Dow Corning zeigte auf, dass sich in jeder der sechs Kundenbranchen vier
verschiedene Bedürfnissegmente identifizieren lassen.
1. Innovatoren: Diese Kunden wollen zusammen mit Dow Corning die allerneusten Technologien
ausprobieren und sind auf das Forschungswissen angewiesen. Sie sind wenig preissensitiv, aber
äusserst beratungsintensiv.
2. Problemlöser: Diese Kunden sind nicht an den allerneusten Innovationen interessiert, sondern an
modernen Lösungen, die sich bereits im Markt bewährt haben. Sie sind auch wenig preissensitiv,
aber sehr qualitätsbewusst.
3. Optimierer: Diese Kunden wollen von Dow Corning wissen, wie sie ihre Produkte günstiger produzieren können. Sie sind zum Beispiel bereit, mehr für eine neue Silikonanwendung zu bezahlen,
wenn sie sich dabei einen kostspieligen Arbeitsschritt in der Fabrik sparen.
4. Preisdrücker: Diese Kunden kaufen prinzipiell nur vom Anbieter mit dem günstigsten Preis. Sie
sind nicht bereit, für Beratung oder Innovationen zu bezahlen, und zeigen keine Kundenloyalität.
Das Dilemma für die Geschäftsleitung von Dow Corning lässt sich nun folgendermassen zusammenfassen: Die «Preisdrücker» sind ein stark wachsendes Segment, und zwar in allen Branchen. Dow Corning verliert zunehmend Aufträge an die Konkurrenz, die zwar schlechtere Produkte produzieren, aber
billiger sind. Wenn Dow Corning die Preise ebenfalls reduziert, zerstört es die Marge, die notwendig
ist, um weiterhin Beratung und Forschung anzubieten. Damit wird langfristig der Wettbewerbsvorteil
von Dow Corning zerstört. Die Geschäftsleitung hat nun dem Marketingteam den Auftrag gegeben,
ein Konzept zu entwickeln, das einerseits die «Preisdrücker» anspricht, anderseits aber die Margen im
Kerngeschäft nicht kannibalisiert.
Das Marketingteam hat aufgrund dieser Vorgabe ein E-Business-Modell entwickelt, das sich durch
einige Besonderheiten vom etablierten Dow-Corning-Modell unterscheidet. Um die Kunden nicht zu
verwirren und um die Dow-Corning-Marke nicht mit einem Tiefpreis-Image zu schädigen, wurde für
die neue E-Business-Plattform auch eine neue Marke, «Xiameter», kreiert.
Abb. [9 - 15]
Vergleich Dow Corning and Xiameter
Kriterien
Dow Corning
Xiameter (E-Business-Plattform)
Zielsegmente
• Innovatoren
• Problemlöser
• Optimierer
Preisdrücker
Beratung
Intensive Beratung via Telefon
und persönliche Kontakte
Keine Beratung
Forschung und
Innovationen
Intensive Zusammenarbeit bei
Produktentwicklung
Keine Forschung und keine Innovationen
Sortiment
7 500 Produkte
350 Produkte (keine Spezialitäten)
Auftragsvolumen
Flexibel nach Kundenwunsch
Nur Grossaufträge, keine Kleinmengen
Lieferung
Flexibel nach Kundenwunsch
In einem Zeitfenster, keine Expresslieferungen
Preis
Preis enthält Marge für Service
und Forschung
Tiefster Tagespreis
1+
10.4.1 Arten von Marketingkontrollen
Es lassen sich vier Arten von Marketingkontrollen unterscheiden:[1]
•
•
•
•
Jahresplankontrolle
Profitabilitätskontrolle
Effizienzkontrolle
Strategiekontrolle
Wir besprechen diese im folgenden Text.
Jahresplankontrolle
Die Jahresplankontrolle soll sicherstellen, dass die gesetzten Ziele, die in die Jahresplanung
eingeflossen sind, erreicht werden. Das Management untersucht z. B.
•
•
•
•
•
die erzielten Verkaufsergebnisse,
die Entwicklung des Marktanteils,
das Verhältnis Umsatz zu Marketing-Ausgaben,
die Entwicklung der finanziellen Grössen,
Veränderungen in der Wahrnehmung des Konsumenten (Bekanntheitsgrad unserer Produkte, Image etc.).
Profitabilitätskontrolle
Bei dieser Kontrolle steht die Frage im Vordergrund, wo das Unternehmen Gewinne bzw. Verluste macht. Dabei kann die Profitabilität nach verschiedenen Kriterien ermittelt werden, z. B.
•
•
•
•
•
nach Produkten,
nach Regionen,
nach Kunden,
nach Distributionswegen oder
nach Auftragsgrössen.
Effizienzkontrolle
Die Effizienzkontrolle untersucht die Wirkungen der einzelnen Marketing-Instrumente im Hinblick auf die gesetzten Ziele und unter Berücksichtigung der entstandenen Kosten.
[1]
',
Kotler, Philip und Friedhelm Bliemel: Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 8. Auflage, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel, 1995, S. 1150.
Abb. [10 - 6]
Effizienzkontrollen im Verkauf, der Werbung und der Verkaufsförderung
Verkaufskontrolle
•
•
•
•
Durchschnittliche Verkaufserfolgsquote pro Verkaufsbesuch
Durchschnittliche Wiederkaufsrate von Erstkäufern
Anzahl neu akquirierter Kunden
Anteil der Kosten für den Verkauf gemessen am Umsatz
Werbekontrolle
•
•
•
•
Werbekosten pro tausend Kontakten in der Zielgruppe nach Werbemedium
Anteil des Zielpublikums, das sich an die Werbung erinnern kann
Einstellung des Zielpublikums zum Produkt vor und nach der Werbekampagne
Rücklaufquoten
Verkaufsförderungskontrolle
•
•
•
•
Verkaufssteigerung bei Zweitplatzierungen
Verkaufssteigerung bei Aktionen, Doppelpackungen etc.
Anteil der Verkaufsförderungsausgaben an den gesamten Marketingausgaben
Verhältnis von Mitarbeiter-Verkaufsförderung (Staff Promotion), Handels-Verkaufsförderung
(Dealer Promotion) und Kunden-Verkaufsförderung (Consumer Promotion)
Strategiekontrolle
Während die bisher besprochenen Kontrollen als Soll-Ist-Vergleiche bezeichnet werden können, ist die Strategiekontrolle eine eigentliche Soll-Soll-Kontrolle. Die Frage heisst also nicht,
ob das Unternehmen sein Ziel erreicht hat, sondern ob die Ziele des Unternehmens dem
Umfeld und seiner eigenen Situation noch angemessen sind. Um es anders auszudrücken: Es
genügt nicht, die Dinge richtig zu tun. Man muss auch die richtigen Dinge tun.
Das folgende Beispiel illustriert, wie die Marktkontrolle bei einem Handelsunternehmen funktioniert, das Bauteile an die Maschinenindustrie liefert. Die Tabelle zeigt auch, auf welche Kontrollen verzichtet wird und welche Kontrollen besonders häufig durchgeführt werden.
Beispiel
Auswahl von Kontrollmethoden
Kontrollart
Kontrollinstrument
Entscheid
Jahresplankontrolle
• Verkaufsstatistik
• CRM-Auswertungen
• Betriebsbuchhaltung
Ja. Alle diese Daten werden ausgewertet und dienen u. a. dem
jährlichen Strategiemeeting und dem Budgetprozess.
Imagestudie
Nein. Auf diese Daten wird verzichtet, da die Geschäftsleitung
der Einschätzung der Aussendienstmitarbeiter vertraut und eine
separate Marktforschungsstudie als zu kostspielig beurteilt.
Verkaufsstatistik
Ja. Die Deckungsbeiträge werden monatlich nach Produktkategorie und nach Region ausgewertet.
Profitabilitätskontrolle
Nein. Die Deckungsbeiträge werden nicht nach Kunden oder
nach einzelnen Projekten ausgewiesen, weil nur mit Durchschnittskosten und nicht mit aktuellen Kosten (kunden- und projektbezogen) operiert wird.
Effizienzkontrolle
Strategiekontrolle
Persönlicher Verkauf
Ja. Das CRM-System zeigt auf, bei welchen Kunden ein persönliches Gespräch zu einer Veränderung der Bestellungen geführt
hat.
Werbung, Messen
Nein. Es werden keine Daten über die Wirkung von Werbemassnahmen und Messepräsenz auf den Kundenumsatz erhoben.
Diese Erhebung wäre sehr aufwendig und würde durch viele
Faktoren verzerrt.
Produktkategorien, Regionen und Kundensegmente
Ja. Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat diskutieren
zweimal jährlich, ob die Strategie bezüglich der Produktkategorien, der Regionen und der Kundensegmente noch stimmt oder
ob sie angepasst werden muss (Produkte aufnehmen oder eliminieren, neue Länder bedienen oder Rückzug, neue Kundensegmente erobern oder bestehende Kunden aufgeben).
Konkurrenten
Nein. Die Geschäftsleitung verfügt nicht über ein zuverlässiges
Datenmaterial, das die Marktanteile der Konkurrenten in den verschiedenen Produktkategorien aufzeigt. Häufig wird basierend
auf anekdotischen Erfahrungen entschieden.
'-
10.5
Marketinginformationssystem
Die Planung, Budgetierung und Kontrolle benötigen aktuelle Informationen, die von einem
Marketinginformationssystem (MIS) zur Verfügung gestellt werden. Ein Marketinginformationssystem besteht aus Personen, Maschinen und Prozessen, die entscheidungsrelevante
Marketing-Informationen sammeln, strukturieren, analysieren, interpretierten und kommunizieren.[1]
Abb. [10 - 8]
Marketinginformationssystem
XMK003_PUBAde.eps
Marketing
Information
Marketinginformationssystem (MIS)
Marketingforschung
Marketing-Umwelt
•
•
•
•
•
Märkte
Absatzwege
Konkurrenten
Beeinflusser
Weitere Umfelder
Internes
Rapportwesen
Marketinginformation
Marketingmanager
Marketingintelligenz
•
•
•
•
•
Analyse
Planung
Entscheidung
Durchführung
Kontrolle
Marketingentscheidungen und -kommunikation
Das MIS besteht mindestens aus den drei folgenden Elementen.
Internes Rapportwesen
Die internen Rapporte sind die wichtigsten Informationsquellen der Marketingmanagerin. Bestellungen, Anfragen, Lagerbestände, Debitoren, Kreditoren usw. liefern grundlegende Informationen, die Probleme und Chancen direkt offenlegen. Die in der Modebranche tätige Kette C&A
kennt jeden Tag die genauen Verkaufszahlen des Vortags aller Artikel in allen Filialen der Schweiz.
Regionale Über- oder Unterbestände können so innert 24 Stunden ausgeglichen werden, Sortimentanpassungen sind kurzfristig möglich, was gerade bei modischen Gütern wichtig ist.
Marketingforschung
Da die Marketingforschung in einem separaten Buch behandelt wird (Marktforschung von
Kathin ter Hofte-Fankhauser und Hans F. Wälty, Compendio), werden wir hier nur ganz kurz
auf dieses Element eingehen. Die Marketingforschung wird unterteilt in primäre Forschung
(field research), die aktiv Informationen erhebt, und in sekundäre Forschung (desk research),
die bereits vorhandene Informationen neu kombiniert, analysiert und interpretiert.
Aus Effizienzgründen werden i. d. R. zuerst sämtliche Möglichkeiten der sekundären Marketing-Forschung ausgeschöpft. Wenn diese Ansätze keine Antwort auf die relevanten Fragen
geben, wird ausgehend vom konkreten Informationsbedürfnis die Durchführung von primärer
Forschung ins Auge gefasst.
[1]
'.
In Anlehnung an Kotler, Philip und Bliemel, Friedhelm: Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 8. Auflage,
Stuttgart: Schaeffer-Poeschel, 1995, S. 182.
Marketingintelligenz
Während das interne Rapportwesen Informationen darüber liefert, was passiert ist, und die
Marketingforschung Antworten auf spezifische Fragestellungen gibt, führt das «Management» dieser Informationen zur Marketingintelligenz.
Diese Marketingintelligenz wird durch verschiedene Massnahmen geschaffen und gefördert:
•
•
•
•
Das Unternehmen kann das Verkaufspersonal, aber auch alle anderen Mitarbeitenden mit
Kunden-, Lieferanten-, Distributoren- oder Konkurrenzkontakt motivieren, wesentliche
Informationen aktiv zu sammeln und weiterzuleiten.
Das Unternehmen tauscht mit Lieferanten, Distributoren und anderen kooperierenden Elementen systematisch Informationen aus.
Das Unternehmen verknüpft die Ergebnisse der Marktforschung, z. B. den Einkauf der
Handelspaneldaten, systematisch mit internen Analysen.
Das Unternehmen richtet ein Marketing-Informationszentrum ein, dessen Ziel die zielgerichtete Schaffung und Pflege der Marketingintelligenz ist.
Je intensiver der Wettbewerb wird, je anspruchsvoller die Kunden werden und je höher die
Dynamik des Unternehmensumfelds ist, desto wichtiger werden Informationen für die Entscheidungsfindung. Nur selten sind Marketingmanager mit den ihnen zur Verfügung stehenden Informationen zufrieden. Die häufigsten Klagen sind:
•
•
•
•
•
Ich erhalte zu wenig Marketinginformationen, die ich brauchen kann.
Ich erhalte zu viel Marketinginformationen, die ich nicht brauchen kann.
Die Informationen sind im ganzen Unternehmen verstreut, sodass ich lange brauche, um
auch nur die einfachste Information zu bekommen.
Informationen werden von den Untergebenen bewusst nicht weitergeleitet, weil sie ihrem
Leistungsausweis schaden könnten.
Wichtige Informationen erhalte ich erst, wenn es schon zu spät dafür ist.
Das folgende Beispiel beschreibt, wie die Firma Aggreko ein MIS für die Verbesserung der
Kundenzufriedenheit und -loyalität aufgebaut hat, nachdem das Unternehmen traditionell vor
allem die finanziellen Kennzahlen (Umsatz, Marge, Kosten, Preise etc.) verfolgt hatte.[1]
Aggreko gilt als Weltmarkführer in temporären Bauten, zum Beispiel werden mobile Kraftwerke für die olympischen Spiele oder nach dem Atomunfall in Fukushima zur Verfügung
gestellt (siehe www.aggreko.com).
[1]
Meehan, Sean (2011), «Aggreko (A): Measuring Customer Satisfaction with Net Promotor Score», IMD Case 5-0772. Meehan, Sean (2011),
«Aggreko (B): Net Promotor Score Implementation», IMD Case 5-0773. Meehan, Sean (2011), «Aggreko (C): Update», IMD Case 5-0774.
'/
Beispiel
Einführung eines neuen Managementinformationssystems (MIS)
Als die Geschäftsleitung von Aggreko sich zum Ziel setzte, kundenorientierter zu werden, stellte sie
rasch fest, dass sie für die Beurteilung der Kundennähe und die Kundenzufriedenheit nicht genügend
Informationen zur Verfügung hatte. Erschwerend kam dazu, dass Aggreko sehr regional arbeitet,
sodass jede Region die Daten anders erhob und aufbereitete, falls überhaupt Kundendaten erforscht
wurden. Die folgende Tabelle zeigt illustrativ, welche Entscheidungen der Marketingleiter von
Aggreko fällen musste, bevor er der Geschäftsleitung sein neues MIS vorstellen konnte.
Fragestellung
Entscheidung und Begründung
Braucht Aggreko mehr
Kundendaten, um kundenorientierter zu werden?
Ja. Insbesondere müssen die Kundendaten objektiv und systematisch erhoben werden und sie
müssen konzernweit vergleichbar sein.
Wie werden die erhobenen Daten genutzt?
Die Daten sollen zwischen den Regionen und über die Zeit verglichen werden. Das ist aber nicht
das Entscheidende. Erstens geht es darum, dass Fehler erkannt werden und dass dafür gesorgt
wird, dass sie nicht mehr passieren. Zweitens sollen unzufriedene Kunden reklamieren können,
sodass Aggreko ihr Problem lösen kann. Drittens kann das Kundenfeedback ein wichtiger Input für
neue Innovationen sein.
Soll das MIS intern
oder mit externer Hilfe
durchgeführt werden?
Externe Hilfe. Aggreko hat zu wenig Erfahrung auf dem Gebiet. Zudem können externe Spezialisten mit anderen Unternehmen vergleichen und das MIS rascher einführen. Es ist auch wichtig,
dass die Kunden das Feedback den externen Spezialisten geben, da sie gegenüber ihrem direkten
Ansprechpartner eher Hemmungen haben, kritisch zu sein.
Soll das MIS quantitative oder qualitative
Daten enthalten?
Beides. Quantitative Daten sind wichtig für den Vergleich zwischen Regionen und über die Zeitachse, qualitative Daten sind wichtig, um den Kunden besser zu verstehen.
Welche Kennzahlen
sollen aus dem Marketing-Informations-System in die Geschäftsleitung rapportiert werden?
Basierend auf Erfahrungen in anderen Branchen. Aggreko entscheidet sich für die Einführung des
«Net Promotor Score»[1], bei dem die Wiederempfehlungsbereitschaft der Kunden gemessen wird.
Die zentrale Frage lautet: «Wie wahrscheinlich ist es auf einer Skala von 1 bis 10, dass Sie Aggreko
weiterempfehlen?»
[1]
20
Im Anschluss an diese zentrale Frage werden verschiedene Fragen zur Dienstleistung gestellt,
sodass die Führungskräfte vor Ort lernen, wie sie ihren Service verbessern können. Die Resultate
der einzelnen Filialen und Regionen werden intern publiziert, was den Druck auf die schwächeren
Filialen erhöht. Gleichzeitig werden sie aufgefordert, von den besseren Standorten zu lernen, oder
die Führungskräfte werden ausgetauscht.
Keiningham, Timothy L., Bruce Cooil, Tor Wallin Andreassen, and Lerzan Aksoy (2007), «A Longitudinal Examination of Net Promoter and
Firm Revenue Growth», Journal of Marketing, 71 (3), 39–51. Reichheld, Frederick F. (2003), «The One Number You Need to Grow», Harvard
Business Review, 81 (12), 46–54.
11.1.1 Differenzierung
Die Differenzierung entscheidet, anhand welcher Kriterien Abteilungen gebildet werden. Häufig werden Organisationen nach dem Kriterium der Funktion, nach Produktgruppen oder nach
geografischen Gebieten differenziert. Wird nach einem einzigen Kriterium differenziert, so
spricht man von einer eindimensionalen Differenzierung.
Eindimensionale Differenzierung der Organisation
Abb. [11 - 1]
XMK003_MABAde.eps
Organisation nach Funktion
Organisation nach Produktgruppe
Organisation nach Regionen
GL
GL
GL
Produktion
Marketing
Administration
Personenaufzüge
Warenaufzüge
Rolltreppen
Markt
Schweiz
Markt
EU
Markt
Asien
Grössere Unternehmen verfügen über mehrere Hierarchiestufen, sodass häufig mehrdimensional differenziert wird.[1]
Abb. [11 - 2]
Mehrdimensionale Differenzierung
XMK003_MEBAde.eps
GL
2. Ebene:
Organisation
nach Funktion
3. Ebene:
Organisation
nach Produktmarkt
Produktion
Personenaufzüge
Warenaufzüge
Marketing
Rolltreppen
Personenaufzüge
Warenaufzüge
Administration
Rolltreppen
Eine Studie in den USA hat ergeben, dass auf der obersten Hierarchieebene am häufigsten
nach Produkten und Regionen differenziert wird, auf der mittleren Hierarchieebene gleich
häufig nach Produkten, Regionen und Funktionen und auf der unteren Hierarchieebene vorwiegend nach Funktionen und zusätzlich nach Projekten. In der Praxis lässt sich häufig beobachten, dass in einer bestimmten Hierarchieebene mehrere Kriterien gleichzeitig angewandt
werden, sodass man von einer hybriden Differenzierung spricht.
Abb. [11 - 3]
Hybride Differenzierung
XMK003_MIBAde.eps
GL
Produktion
Marketing
Organisation nach Funktion
[1]
Administration
Markt USA
Markt Asien
Organisation nach Region
Kieser, Alfred und Kubicek, Herbert: Organisation, 2. Auflage, Berlin; New York: de Gruyter, 1983, S. 96.
21
Beispiel
Beurteilung von Organisationsinstrumenten
Ein grosses skandinavisches Bauunternehmen, NCC (www.ncc.se), hat sich für eine hybride Differenzierung ausgesprochen. Die Geschäftsleitung legt die Strategie für die gesamte Gruppe fest; aber für
jede Business Unit übernimmt ein Geschäftsführer die lokale Verantwortung. Dabei wird einerseits
geografisch differenziert, d. h., es gibt eine Business Unit Schweden, Norwegen, Dänemark, Deutschland und Finnland. Gleichzeitig gibt es eine Business Unit «Housing», die grosse WohnimmobilienProjekte in all diesen Ländern konzipiert und vermarktet, und eine Business Unit «Property Development», die sich auf Geschäftsimmobilien konzentriert. Die hybride Differenzierung macht Sinn, weil
NCC auf diese Weise lokal gut verankert ist und gleichzeitig das spezifische Know-how und Kapital,
das für «Housing» und «Property Development» notwendig ist, in den Ländern optimal steuern kann.
11.1.2 Konfiguration
Das erste Merkmal der Konfiguration ist die Hierarchie. Eine steile Hierarchie verfügt über
viele Hierarchiestufen, während eine flache Hierarchie über wenige Hierarchiestufen verfügt.
Damit wird auch die Kontrollspanne (Leitungsspanne) bestimmt, die als die Anzahl der direkt
Unterstellten pro Führungskraft definiert ist.
Abb. [11 - 4]
Steile und flache Hierarchie
XMK003_MOBAde.eps
Steile Hierarchie
Flache Hierarchie
In der Praxis hört man häufig, dass flache Hierarchien besser seien als steile Hierarchien. Wie
eine Schweizer Untersuchung gezeigt hat, ist dies nicht unbedingt der Fall.[1]
Die Vorteile einer flachen Hierarchie sind:
•
•
•
Kurze Dienstwege
Das Management ist an der Front
Weniger Lohnkosten im mittleren Kader
Die Nachteile einer flachen Hierarchie sind:
•
•
•
[1]
22
Grosse Kontrollspanne der Führungskräfte (Überlastung)
Fehlende Kontrolle und Koordination
Mögliche Doppelspurigkeiten
Wohlgemuth, André C.: Unternehmensdiagnose in Schweizer Unternehmungen, Bern; Stuttgart: Haupt, 1989.
Beispiel
Einsatz von Organisationsstrukturen
Auch Universitäten brauchen Organisationsstrukturen, die es ihnen ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen. Das IMD in Lausanne (www.imd.org), das zu den bekanntesten Business Schools der Welt
gehört, unterscheidet sich von anderen Universitäten durch eine starke Verankerung in der Praxis. Die
Value Proposition des IMD-Brands lautet seit über 20 Jahren, «Real World. Real Learning». Interessant
ist nun, wie sich diese strategische Positionierung in der Konfiguration auswirkt. Während traditionelle
Universitäten nach Fachgebieten strukturiert sind und jedes Fachgebiet ein eigenes Institut oder einen
eigenen Lehrstuhl betreibt, zeichnet sich das IMD durch eine absolut flache Hierarchie aus. Alle Professorinnen und Professoren sind hierarchisch auf derselben Stufe, arbeiten mit einem einzigen Budget und haben identische Verträge. Damit will das IMD das «fachspezifische Gärtlein-Denken» eliminieren. Die Probleme und Herausforderungen für Führungskräfte in der realen Geschäftswelt lassen
sich nicht in einzelne Disziplinen einteilen (Finanzen, Marketing, IT), sondern sind meistens fächerübergreifend. Die flache Hierarchie soll dieses fächerübergreifende Teamwork sicherstellen.
23