Familien Leben - Evangelische Akademie Tutzing
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Familien Leben - Evangelische Akademie Tutzing
Familienleben Netzwerke, Vorbilder, Neue Hilfen Der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder – dieses klassische Familienbild gehört der Vergangenheit an. Die bürgerliche Familie hat mittlerweile ihre dominante Stellung eingebüßt. Alleinerziehende, Stieffamilien, Patchworkfamilien, Wohngemeinschaften mit Kindern, nicht-eheliche und andere Lebensgemeinschaften werden immer selbstverständlicher. Dennoch: Eltern mit Kindern werden rar. Die Geburtenzahlen gehen weiterhin zurück. Familienpolitische Maßnahmen und Förderprogramme sind jetzt ein Teil der Bemühungen, diesen Trend aufzuhalten. Es gilt, Kinder wieder als Reichtum der Gesellschaft und des persönlichen Lebens zu begreifen. Dazu beitragen wollen auch familienfreundliche Betriebe, städtebauliche Maßnahmen und die Bildung von Netzwerken, damit „Familien Leben“ nicht alleine gelassen werden soll. In Zusammenarbeit mit Malte Ristau-Winkler, Abteilungsleiter beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, erörterte Studienleiterin Karin Andert Modelle für ein zukünftiges Familienleben. Die Ärztin, Familien-Managerin und Mutter von sechs Kindern, Dr. Sabrina Duesberg, blickte in ihrem Vortrag auf die persönlichen Erfahrungen in ihrem Familienalltag zurück: Sabrina Duesberg ---------------------------- Hausfrauenmütter – erwerbstätige Mütter – gute Mütter Früher galt der Status der Hausfrau und Mutter als Privileg. Die Haushaltsführung stand dabei mehr im Vordergrund als die Frage der Kinderbetreuung und Erziehung. Erwerbstätigkeit war etwas für Blaustrümpfe, „alte Jungfern“ und Unterprivilegierte. Mütter früherer Generationen haben ihre Kinder ganz selbstverständlich anderen Betreuungspersonen überlassen. Das waren je nach sozialer Schicht: Ammen, Kinderfräulein, Gouvernanten, Verwandte, Hauslehrer, Internat, Pfarrer, Mägde, Knechte oder ältere Geschwister. Sie haben sich dabei als gute Mutter nie in Frage gestellt. Ein schlechtes Gewissen hatten sie auch nicht. Heute ist das Delegieren der Haushaltstätigkeit durchaus akzeptabel – für die Kindererziehung dagegen ist die Mutter zwangsweise oder auch selbst ernannt die Alleinzuständige; Fremdbetreuung gilt als die schlechtere Lösung. Die omnipotente, omnipräsente Übermutter ist die beste aller Möglichkeiten - und trotzdem oft von Schuldgefühlen und Versagensängsten geplagt. Familienarbeit ist durch diesen „Alleinzuständigkeitsanspruch“ komplexer, anstrengender und schwieriger geworden. Sie wird von jungen Frauen oft als unattraktiv, nachteilig und riskant angesehen. An Hausfrauenmütter werden immer höhere Anforderungen gestellt, gleichzeitig aber erfährt ihre Arbeitsleistung weder finanzielle noch gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung: Sie sind finanziell abhängig, werden oft belächelt, ihre Altersversicherung ist unzureichend, der Wiedereinstieg ins Berufsleben schwierig und im Falle einer Scheidung oder Arbeitslosigkeit des Ehemannes stehen sie oft vor einem persönlichen und finanziellen Abgrund. Erwerbstätige Mütter hingegen gelten als emanzipiert, genießen in der Regel ein höheres gesellschaftliches Ansehen, sind finanziell unabhängig und tragen zur Einkommensverbesserung der Familie bei. Der Krieg beginnt, wenn aus Frauen Mütter werden, denn Frau hat heute die Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen Lebensstilen entscheiden zu können. Dass die Alternativen nicht gleichwertig sind und sich daraus der Zwang ergibt, die getroffene Entscheidung auch zu rechtfertigen, wird leider nicht erkannt. Wahlfreiheit heißt übersetzt: Du hättest es auch anders haben können und die vernichtende Schlussfolgerung daraus: selber Schuld! Die Reaktion der Mütter auf diesen unfairen Vorwurf war nicht eine Solidarisierung oder eine offene Diskussion auf der Basis gegenseitigen Respekts, die keine ausgrenzt — sie haben im Gegenteil aus dem Rechtfertigungszwang einen Rechtfertigungsdrang gemacht, ihre unterschiedlichen Sichtweisen zum Kult erhoben und sind in einen erbitterten Wettstreit getreten. Die Gluckenmutter tritt gegen die Rabenmutter an, und es wird mit harten Bandagen gekämpft: Die einen sind dümmlich, bequem, arbeitsscheu, überspannte Super-Mamis, die ihre Kinder verhätscheln und verwöhnen, sie werden belächelt, ihre Arbeitsleistung entwertet, ihre Erziehungskompetenz in Frage gestellt. Die anderen sind unweiblich, egoistisch, karrierebesessen, wollen sich auf Kosten ihrer Kinder selbst verwirklichen, werden als Rabenmütter verurteilt, ihre Erwerbstätigkeit in Frage gestellt. Im krampfhaften Bemühen, ihre gute Mütterlichkeit unter Beweis zu stellen, wird übersehen, dass die eine der Kinder wegen Nachteile und Risiken auf sich nimmt und die andere doppelt oder sogar dreifach beansprucht ist und nicht jeder Job ein Glamourberuf, sondern simpler Broterwerb ist. Als Gegenentwurf zur erwerbstätigen Mutter ist ein überhöhtes Mutterbild, die „neue Mütterlichkeit”, entstanden — während sich die erwerbstätige Mutter zur wahren Emanzipierten erklärt nach dem Motto: Personalleiterin, fünf Kinder, immer adrett und gut gelaunt - Geht doch! Dieser Konkurrenzkampf ist unklug, anstrengend und führt zu nichts. Um bei unseren gefiederten Freunden zu bleiben: Wer die Tücken der Wahlfreiheit nicht erkennt, wer sich von diesem Wettkampf vereinnahmen lässt, ist eine dumme Gans und die, die an der gefiederten Front schwere Geschütze auffahren, sind weder Glucken noch Raben, es sind Kampfhennen, die sich so feindselig und unversöhnlich gegenüberstehen. Ob man ( frau) an diesem Hennenkampf aktiv teilnimmt oder nur zwischen die Fronten gerät - Federn lassen wir alle dabei! Meine persönlichen, ambivalenten Erfahrungen Ich bin in den USA aufgewachsen, in einem sozialen Umfeld, in dem kinderreiche Familien, Vorschulen, Ganztagsschulen, Sonntagsschulen, Sommerschulen und summer camps für Kinder ebenso selbstverständlich waren, wie großzügige Ladenöffnungszeiten. Es bestand auch kein Diskussionsbedarf darüber, ob eine Mutter erwerbstätig sein darf oder ob die stay-at-home-mom die bessere Mutter ist. Meine Mutter ging ebenso wie die meisten ihrer Freundinnen einer außerhäuslichen Tätigkeit nach. Das Abitur habe ich in Bayern gemacht und trotzdem bis heute nicht erkennen können, worin für Kinder der Vorteil eines Drei-Klassen-Schulsystems mit sozialer Selektion, Halbtagsangebot und garantiertem Unterrichtsausfall liegen soll. Nach dem Abitur habe ich an der LMU in München Medizin studiert, bis ich meinen späteren Mann kennen lernte. Er war nach einem langjährigen USA-Aufenthalt wieder in Deutschland und studierte zunächst an der TU in München. Damals wusste man in Deutschland mit Bachelor- und Master-Studien noch nichts Rechtes anzufangen, und so sah sich mein Mann gezwungen, sein zweites Studium, BWL, an der LMU in München noch einmal von vorne anzufangen. In der Zwischenzeit hatte ich Studium und Promotion absolviert und einen Vertrag als Assistenzärztin mit der Uniklinik Großhadern in der Tasche. Fachbereich Anästhesie. Mein Eintritt ins Berufsleben verzögerte sich allerdings ein wenig, da ich plötzlich schwanger war. Mein Chef, Herr Professor Peter, erwies sich als sehr verständnisvoll und sagte, ich solle wiederkommen, wenn das Kind da sei, was ich dann auch tat. Als unser erster Sohn, Philipp, sechs Monate alt war, nahm ich meine Tätigkeit als Ärztin auf. Mein Mann studierte und betreute das Kind. Während dieser Zeit, als ich vollerwerbstätig war, hörte ich zum ersten Mal, dass ich eine schlechte Mutter, eine Rabenmutter sei – bis dahin ein Fremdwort für mich und obendrein für mein Verständnis in dreifacher Hinsicht unpassend – denn erstens ist das Kuckucksweibchen der Brutschmarotzer, die ihre Eier in fremde Nester legt und nicht die fürsorgliche Rabenmutter, zweitens habe ich mein Kind nicht vernachlässigt, sondern wusste es in bester Obhut und drittens war ich nicht die egoistische, arbeitsbesessene Karrierefrau, sondern ganz schlicht die Ernährerin der Familie. Nach 2 1/2 Jahren kam unser zweiter Sohn, Felix, zur Welt. Alles lief rund bis zu dem Moment, als mein Mann mit seinem Studium fertig war. Seine erste Stelle erhielt er bei IBM. Insider wissen, dass diese Abkürzung eigentlich für „I've been moved” steht – so war es auch und ist bis heute so geblieben. Ich konnte über diesen Witz damals nicht lachen und stand da mit zwei Kindern, ohne Mann, ohne Mutter, ohne Betreuungseinrichtung. Meine Kliniktätigkeit konnte ich unter den gegebenen Umständen nicht mehr ausüben. Ich lehnte einen heißbegehrten 5-Jahres-Vertrag ab, kündigte meine Stelle und blieb zu Hause. Dass ich meine Berufstätigkeit aufgegeben hatte, war in den Augen meiner Umwelt aber auch schlecht, denn jetzt hatte ich umsonst studiert, mein Potenzial verschwendet, auf verlockende berufliche und persönliche Perspektiven verzichtet, war volkswirtschaftlich gesehen ein Schädling und hatte mich obendrein finanziell abhängig gemacht. Statt Hilfsangeboten – jede Menge Vorhaltungen. Das schlechte Gewissen, das Gefühl etwas „falsch“ gemacht zu haben, wurde langsam aber sicher ein ständiger Begleiter. Ich habe kurzerhand meine Familie zum Beruf erklärt und dachte, mich damit von allen Rechtfertigungszwängen befreit zu haben. Meine Umwelt sah aber auch dies ganz anders: Jetzt war ich „Nur-Hausfrau“, Ehegattenanhängsel, die Gluckenmutter, die sich in die häusliche Komfortzone zurückzog, statt sich den Herausforderungen der rauen Arbeitswelt zu stellen und vermutlich mehr Zeit auf dem Tennisplatz als in der Küche verbrachte – also wieder schlecht, wieder etwas „falsch“ gemacht. In meinem Fall kam noch die inquisitorische Frage hinzu, warum es denn so viele Kinder sein mussten? Auf einer Abendeinladung sagte ein Vater zu mir, so viele Kinder zu haben sei verantwortungslos und asozial, man könne ja den Kindern nichts mehr bieten. Da war ich sprachlos. Wir haben unseren Kindern doch sehr viel zu bieten – kein Luxusurlaub auf den Seychellen oder ähnliches – dafür aber etwas ganz besonderes, was heutzutage nur sehr wenigen Kindern beschert ist – Großfamilienleben. Ich war jedenfalls zutiefst empört und nach diesem Abend fest entschlossen, mich für nichts mehr zu rechtfertigen. Sollte ich wieder einmal auf die Anzahl unserer Kinder oder mein Hausfrauenmutter-Dasein angesprochen werden, könnte ich antworten: „Wir haben so viele Kinder, weil wir verantwortungslos und asozial sind und unseren Kindern nichts bieten möchten. Im übrigen bin ich gerne den ganzen Tag zu Hause – das ist entspannend und kommt meiner Bequemlichkeit sehr entgegen. Ich liege gern auf dem Sofa, schaue fern, trinke dabei ein Tässchen Kaffee und blättere in Illustrierten.“ Je nach Vorwurf und Vorurteil könnte ich auch ein anderes Klischee bedienen und sagen: „Ich erfülle gerne Dienstbotenpflichten und opfere mich für andere auf. Die Hausarbeit empfinde ich als anspruchsvoll und sehr abwechslungsreich; ich erledige sie mühelos und mit großer Freude. Ich bin gerne abgehetzt, am liebsten befinde ich mich im Zustand nervöser Erschlaffung. Ich habe keine eigenen Interessen und gehe lieber einer geistig anspruchslosen Tätigkeit nach. Finanziell abhängig bin ich nicht – ich lebe ja vom Kindergeld.“ Jedenfalls lief im Familienunternehmen intern alles bestens, die äußeren Bedingungen allerdings erschwerten die Arbeit des Managements. Straffe Planung und Organisation waren jetzt gefragt – wann schließt der Laden, wann der Kindergarten, wann ist für welches Kind die Schule schon zu Ende, wie oft fällt der Unterricht in dieser Woche aus, wer kümmert sich um die Förderung der Kinder auf dem sportlichen, musischen, kreativen Sektor – und wer um die Beförderung ? Mutter hat ja einen Führerschein, ein Auto hat sie auch und Zeit sowieso. Und wie die geforderten mütterlichen Nachhilfestunden bewerkstelligen? Hier saßen nicht zwei brave, fleißige Kinder am Tisch, deren Hausaufgaben ich überwachte, während ich meine Flickarbeiten erledigte und im Ofen ein Braten vor sich hin brutzelte. Da saß ein Schulkind allein am Tisch, das andere war irgendwo im Haus, während sich zwei Kindergarten-Kinder stritten, das Krabbelkind eine Steckdose untersuchte und der Säugling schrie. Ich wusste genau, was der gute Manager in solchen Situationen zu tun pflegt – er delegiert. Als unser jüngstes Kind drei Monate alt war, bekamen wir unser erstes Au-Pair. Das bedeutete für mich nicht nur Entlastung, sondern auch die Gelegenheit wieder erwerbstätig zu sein. Ich nahm eine Stelle im Tumorregister des Klinikums Großhadern an – freiberuflich mit freier Zeiteinteilung. Die älteren Kinder gingen ins Gymnasium, die Jüngeren nach der Grundschule in den Hort. Alles hätte prima funktioniert, wäre da nicht die Sache mit dem Gymnasium und dem Hort gewesen. Im Gymnasium erklärte man mir: Die Klassen sind zu groß, der Lehrplan zu voll, es mangelt an Zeit, Geld und Lehrpersonal – die Mutter muss daher fit in allen Schulfächern sein und sich intensiv um das schulische Fortkommen ihrer Kinder kümmern. Es folgten Hinweise auf schulbegleitende VHS-Kurse für Eltern, Nachhilfestudios und Ganztagsschulen. Ganztagsschulen! Ich dachte an mein Plädoyer für Ganztagsschulen und an die heftigen Angriffe meiner Mitmütter, die an Aggressivität nichts zu wünschen übrig ließen. Da war von Aufbewahrungsanstalt, Fremdbestimmung und Rabenmüttern die Rede; alle waren sich darüber einig: „Ich habe doch keine Kinder bekommen, um sie abzuschieben – meine Kinder erziehe ich selbst!“ Im Hort wurde mir, der schlechten Mutter, deutlich gemacht, dass Kinderbetreuung durch Dritte eine ganz üble Sache sei. Der Hort ist ein Notbehelf für den Extremfall, ein Sammelbecken für abgeschobene, vernachlässigte, arme und unterprivilegierter Kinder. „Da willst Du doch Deine Kinder nicht abgeben! Musst Du denn arbeiten?“ – Die Kinder waren nicht lange dort. Nein, ich musste nicht arbeiten, ich wollte – und war viel unterwegs, in Kliniken und bei niedergelassenen Ärzten, arbeitete abends noch Dokumentationen auf und telefonierte zwischendurch mit dem hiesigen Ausländeramt. Es ging um unser zweites Au-Pair, Denisa aus Tschechien, die ein festes Mitglied unserer Familie geworden war. Wir wollten sie gerne behalten. Wir hätten für Denisa gebürgt, sie als Hausangestellte geführt – alles. Der Beamte im Ausländeramt ließ all meine Argumente nicht gelten, las mir eine Menge Vorschriften zum Thema ‚Aufenthaltsgenehmigung’ vor und verwies auf das Arbeitsamt – wir hätten schließlich genügend Arbeitslose. Um Denisa behalten zu können, hätten wir sie adoptieren müssen. Ich habe mich daraufhin an Hauswirtschaftsschulen, Diakonien, Kirchen und eine Vermittlungsagentur namens „Schneewittchen“ gewandt. Keine dieser Einrichtungen hatte Kräfte für den Privathaushalt verfügbar, und von der Agentur „Schneewittchen“ kamen weder sieben Zwerge noch sonst irgendjemand – entweder war der Anfahrtsweg zu weit, die Familie zu groß oder sonst irgendetwas. Ich habe alles versucht und das meiste wieder aufgegeben – einschließlich meiner Tätigkeit in Großhadern. Kein Au-Pair, kein Hort, keine Ganztagsschule, keine Erwerbstätigkeit mehr – ich war wieder die Vollzeitmutter. Das bin ich bis zum heutigen Tag – und sollte mich jemand darauf ansprechen, weiß ich genau, was ich zu antworten habe: „Ich gehe meinen Freizeitaktivitäten nach, spiele Bridge, gehe reiten und lass' es mir auch sonst gut gehen.“ Tatsächlich denke ich über Wege und Möglichkeiten nach, wieder erwerbstätig zu sein. Bekanntlich sind aller guten Anläufe drei. Unser ältester Sohn Philipp hat Grafikdesign studiert und endlich Aussicht auf eine Festanstellung in einer Werbeagentur. Felix, Sohn Nr. 2, studiert im 5. Semester Umweltsicherung. Zur Zeit absolviert er ein Praktikum an der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Maximilian, Sohn Nr. 3, hat dieses Jahr Abitur gemacht und studiert Tibetologie, Indologie und Philosophie an der LMU in München. Cornelius und Nicholas besuchen die 11. und 12. Klasse des Obermenzinger Gymnasiums. Unsere Tochter Florentine geht in die 9. Klasse der Odenwaldschule – ein reformpädagogisches Internat in Hessen. Vergleichbares war in Bayern leider nicht zu finden. Ohne meine Kinder wüsste ich heute nicht so viel über Kalligraphie, Scribbles und Design, Löschfahrzeuge, Atemschutzgeräte, Kriseninterventionsteams und Antibiotika im Ackerboden, tibetischen Buddhismus und Sanskrit, klassische Musik, Wirtschaftsgeschichte und Philosophie, Hip-Hop-Tanz, Computeranimation, Multimediapräsentationen, Hasenzucht, Hundeerziehung und Pferdeflüstern. Welcher Beruf kann das schon bieten?! In unserem Familienunternehmen finden selbstverständlich auch Konferenzen statt. Regeln werden im Bedarfsfall nochmals erörtert, Aufgaben verteilt, Ziele definiert. Die Mitarbeiter dürfen auch mitbestimmen. Anliegen werden vorgetragen, Beschlüsse werden mehrheitlich gefasst und sind von jedem zu unterschreiben. Doch was nützen Familienkonferenzen, Zielvorgaben und einträchtige Beschlüsse, wenn es an der Umsetzung hapert ? Neuerdings greift eine WG-Gesinnung um sich nach dem Motto: „Ich war's nicht!“ oder: „Wer hält's am längsten aus?“ Auch die vielen Freunde unserer Kinder wissen nämlich unser Familienleben sehr zu schätzen – da wird zu jeder Tages- und Nachtzeit gekocht, gegessen, gespielt und diskutiert, die hinterlassenen Spuren sind entsprechend. Es herrscht ein Kommen und Gehen – man kann nie sicher sagen, wie viele am Frühstückstisch oder unter dem Weihnachtsbaum sitzen. Ich entschied mich für einen Hausfrauenstreik. Als auch das keinen großen Eindruck hinterließ und keine wesentliche Verbesserung brachte, habe ich meinen Streik abgebrochen und stattdessen mit den Kindern ein Gespräch geführt. Ich sagte ihnen, dass ich wohl einiges, trotz bester Absichten, falsch gemacht hätte: Ich war zu großzügig, zu nachgiebig und zu nachsichtig, zu geduldig, zu wenig konsequent, ich habe ihnen zu vieles abgenommen, zu wenig gefordert, zu viel appelliert, zu wenig delegiert. Ihre Antwort darauf war ein einvernehmliches NEIN! – wieso? – passt doch, alles wunderbar, Du hast alles genau richtig gemacht! Na also – ich bin doch eine gute Mutter.