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22 BZB November 10 Politik BLZK Berufskunde für den Berufsnachwuchs Interview mit Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer war von 1990 bis 2001 Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer. Im September 2010 wurde er auf Antrag der Medizinischen Fakultät durch Bestätigung des Senats der LMU München zum Honorarprofessor an der LMU München ernannt. Mit der Verleihung der Honorarprofessur an Prof. Dr. Dr. Kastenbauer wurde sein langjähriges Wirken unter anderem im Rahmen der Berufskundevorlesungen an der Universitätszahnklinik in München gewürdigt. BZB: Wo legen Sie die Schwerpunkte in dieser Vorlesung? Prof. Dr.Dr. Joseph Kastenbauer: Die Historie unseres Fachgebietes sollte zur Allgemeinbildung eines Zahnarztes gehören. Durch diese Kenntnisse erschließen sich unter anderem die noch heute existierenden Ängste der Menschen vor „Zahnärzten“. So ist es dem Zahnarzt leichter möglich, Strategien zum Abbau vorherrschender Klischees zu finden. Beispiele dafür gebe ich in den Vorlesungen. Aus der Geschichte der Medizin ergeben sich die so wichtigen Inhalte der Ethik in unserer Zeit und deren Auswirkung auf die Gesamtpersönlichkeit des Arztes/Zahnarztes in all seinem Tun und Wirken im Gemeinwesen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Einbindung des Zahnarztes in die berufsständischen Ordnungen der Kammer, KZV, der Fort- und Weiterbildung, der Praxisführung, Assistentenzeit, Zulassung, Praxisstrukturen und vieles mehr. BZB: Die Musterberufsordnung der BZÄK stellt seit Kurzem das Genfer Gelöbnis voran. Werden berufsethische Fragen in Ihrer Vorlesung auch thematisiert? Prof. Dr.Dr. Joseph Kastenbauer: Berufsethische Fragen werden an Beispielen der Kommunikation mit Patienten, Mitarbeitern, Aufklärungsgesprächen, fachlichen Lösungsvorschlägen, dem Verhalten des Zahnarztes in der Öffentlichkeit und weiterer Themen besprochen. Ich begrüße die Einleitung der Musterberufsordnung mit dem Genfer Gelöbnis sehr. Der Zahnarzt ist Arzt in einem wichtigen Teilgebiet der Medizin. Wollen wir den Status „Arzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ erhalten, ja ausbauen, ist es unabdingbar, uns an den Werten der Ärzteschaft zu orientieren. Die Zahnmedizin ist nach neuesten Erkenntnissen mehr und mehr integrierter Bestandteil der Medizin. Die schädlichen Bestrebungen, den Zahnarzt als Leistungserbringer, Verkäufer von Wellness und den Patienten als Kunden herabzuwürdigen, können nur durch Foto: privat BZB: Herr Prof. Dr. Dr. Kastenbauer, Sie lesen seit mehr als 20 Jahren Zahnärztliche Berufskunde und Geschichte der Medizin/Zahnmedizin an der Medizinischen Fakultät der LMU München. Worin besteht aus Ihrer Sicht der besondere Wert dieser Vorlesungen? Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer: Die genannte Vorlesung ist nach der Approbationsordnung eine Pflichtvorlesung für das neunte und zehnte Semester. Mit dieser Vorlesung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass circa 95 Prozent der Zahnmedizinstudierenden später in die berufliche Selbstständigkeit gehen oder zumindest in freiberuflichen Praxen arbeiten. BZB: Immer wieder wird eine mehr betriebswirtschaftliche Orientierung der Lehrinhalte gerade für die Abschlusssemester gefordert. Wie ist das aus Ihrer Sicht zu beurteilen? Prof.Dr.Dr. Joseph Kastenbauer: Mit der Vermittlung der GOZ, des Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer, BEMA, außervertragseit September 2010 Honorarprofessor an der LMU München licher Leistungen und Analogien stelle ich einen Bezug von Zeitaufwand und Honorarfindung her. Der Vergleich ist zwar bezüglich der Studentenbehandlungszeiten schwierig, jedoch sehr anschaulich. Wenn man die Kosten für eine Praxisgründung oder -übernahme in Relation stellt und die Gesamtkosten einer Praxisführung miteinbezieht, ergibt sich ein deutliches Problembewusstsein. Nach meiner Einschätzung ist eine breite betriebswirtschaftliche Unterrichtung nach der Approbation in den ersten Berufsjahren unabdingbar. Politik BZB November 10 23 BLZK eine vermehrt ärztliche Haltung in der Berufsausübung konterkariert werden. BZB: GOZ-Novellierung, Bachelor-/Master-Strukturen im Studium, „Feminisierung des Berufsstandes“, WorkLife-Balance sind aktuelle Themen der Standespolitik. Sind es auch Themen für die Studenten? Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer: Die zunehmende Dis kussion in der Standespresse und -politik ist wichtig. Alle genannten Themen werden von mir in der Vorlesung angesprochen. Wo könnte die Sensibilisierung für diese Zukunftsentwicklungen besser erfolgen als beim Berufsnachwuchs, also an der Universität? BZB: Nicht selten können auch schon länger tätige Zahnärzte die Aufgabenbereiche von Kammer und KZV nicht klar differenzieren. Sehen Sie die Notwendigkeit, dass zum Beispiel mehr „Kammerpräsenz“ schon in den Universitäten gezeigt wird? Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer: Wenn an anderen Universitäten die Vorlesung so unterstützt wird, wie sie die Ordinarien der Zahnmedizin an der Universitätsklinik München fördern, sehe ich die zahnärztlichen Körperschaften und deren Aufgaben in der Selbstverwaltung umfassend präsentiert. BZB: Herr Prof. Dr. Dr. Kastenbauer, vielen Dank für das Das Interview führte Isolde M. Th. Kohl. Gespräch. Vita Prof. Dr. Dr. Joseph Kastenbauer · Jahrgang 1945 · 1964 bis 1970 Studium der Medizin und Zahnmedizin in München und Erlangen · 1971 Doppelpromotion und zahnärztliche Approbation · 1972 Approbation als Arzt · 1973 Niederlassung als Zahnarzt in eigener Praxis in Altötting · 1984 bis 1990 Mitglied des Direktoriums der Akademie Praxis und Wissenschaft · Autor zahlreicher Fachbücher und -publikationen · Seit 1988 ordentlicher Lehrauftrag für Zahnärztliche Berufskunde und Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der LMU München · 1991 bis 1994, 1998 bis 2001 Mitglied des Landesgesundheitsrates, Bayern · Seit 1994 Mitglied des SZ-Gesundheitsforums · 1998 Mitglied des Bayerischen Senats · 1990 bis 2001 Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer · 1992 bis 1998 Vizepräsident des Verbandes Freier Berufe in Bayern · 1993/94 Vorstandsvorsitzender der Bundeszahnärztekammer · 1995 bis 2002 Vorsitzender des Landesausschusses der Bayerischen Ärzteversorgung · Seit 2010 Honorarprofessor „Großbaustelle Gesundheitswesen“: 9. Europäischer Gesundheitskongress in München Die aktuellen Herausforderungen für das deutsche Gesund- heitsfront!“ bei der Veranstaltung immerhin einen Platz bei heitswesen standen im Vordergrund beim diesjährigen den Mittagsgesprächen erobern konnte. Dr. Astrid Bühren, Europäischen Gesundheitskongress Ende September in Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, berich- München. Die Diskussion um die „Großbaustelle Gesund- tete im Rahmen dessen über aktuelle Entwicklungen im heitswesen“ ist interessanter denn je. Dies zeigte sich nicht Krankenhaus, wo der Arztberuf für Männer an Attraktivität zuletzt daran, dass der Kongress einen Teilnehmerrekord verliert. So gibt es in der Gynäkologie mittlerweile mehr verzeichnete. Zwei Tage diskutierten Vertreter aus der Po- Assistenzärztinnen als -ärzte. Nach der Familiengründung litik, den Gesundheitsberufen, Sozialversicherungen, der Wis- würden viele Ärztinnen jedoch – wenn überhaupt – in senschaft und den Gesundheitsdienstleistungen aus allen Teilzeit zurückkehren. Deshalb seien nach wie vor nur sehr Teilen Deutschlands und aus Nachbarländern, wie die Wei- wenige Frauen in Führungspositionen, auch in der Frauen- chen in die richtige Richtung gestellt werden könnten. Der heilkunde. Um dies zu ändern, müsste man ihrer Auffas- Blick nach Beispielen und Vorbildern richtete sich auch ins sung nach bereits bei den Medizinstudentinnen ansetzen. Ausland: Wie machen es die Österreicher, die Schweizer, die Wissenschaftlerinnen, aber auch Ober- und Chefärztinnen Niederländer? Weitere Themenschwerpunkte waren die seien als Vorbilder gefragt, die zeigen, wie es möglich Kliniken im ökonomischen Vergleich. Der Wettbewerb um ist, Familie und Beruf zu vereinbaren. Weiterhin diskutiert die besten Ärzte und Fachkräfte, aber auch Fragen der Re- wurde über die Sinnhaftigkeit von Frauenquoten, über habilitation und Krankenversicherung wurden erörtert. die Notwendigkeit von Mentoring-Programmen und sinn- Angesichts dieser grundsätzlichen Themen ist es bemer- vollen Teilzeitmodellen. kenswert, dass sich das Thema „Frauen an die Gesund- Isolde M. Th. Kohl