„Wirkungsloser Turbo“, C`t 2015, Heft 23

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„Wirkungsloser Turbo“, C`t 2015, Heft 23
Report | Service & Support
kosten, im zweiten steige der Preis auf
39,95 Euro.
50 MBit/s – für Claudia und Stefan K. klang
das überzeugend. Also schlossen sie am 3.
Juni im Telekom-Shop einen Vertag für das
Paket „Magenta Zuhause Hybrid M“ ab. Aus
der Auftragsbestätigung der Telekom erfuhren sie, dass für den Speedport-HybridRouter noch einmal monatlich 9,95 Euro
Miete zu zahlen sein. Das schreckte die Familie nicht – die Hoffnung auf satte 50 MBit/s
schien das Geld wert.
Kurz darauf trafen der neue Router und
die SIM-Karte für den LTE-Teil des Anschlusses ein. Stefan K. ergänzte das System mit
einer externen LTE-Antenne vom Typ
„Dabendorf“ aus der Kompatibilitätsliste der
Telekom. Mit der externen Antenne für den
LTE-Empfang zeigte der Router vier von fünf
möglichen Balken an. Am 12. Juni wurde die
Leitung durch die Telekom umgeschaltet
und der Speedport-Hybrid-Router nahm
seinen Betrieb auf.
Enttäuschung
Georg Schnurer
Wirkungsloser
Turbo
Telekom-Hybrid-Anschluss langsamer als DSL
Mit einem Hybrid-Anschluss sollen Telekom-Kunden den Turbo
zünden: Zusätzlich zur DSL-Leitung wird der Datenverkehr über
ein LTE-Funksignal geleitet. Die Telekom verspricht DownloadRaten von bis zu 100 MBit/s – doch mitunter ist so ein HybridAnschluss auch langsamer als die DSL-Leitung ohne LTE-Turbo.
C
laudia und Stefan K. sind schon seit ewigen Zeiten Kunden bei der Telekom. Bis
vor Kurzem nutzten sie einen „Call & Surf
Komfort IP“-Vertrag mit einer recht lahmen
DSL-Leitung: Das „DSL 6000RAM IP“-Paket
lieferte im Mittel eine Download-Rate von
gut 4 MBit/s. Da das für die Bedürfnisse der
Familie kaum ausreichte, fragte Stefan K.
immer mal wieder bei der Telekom nach, ob
es nicht möglich wäre, eine schnellere Leitung zu bekommen. Doch stets wurde er vertröstet: In seiner Wohngegend seien keine
schnelleren Leitungen verfügbar und einen
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Ausbau des Netzes hätte die Telekom in absehbarer Zeit nicht geplant.
Umso erfreuter war Stefan K., als er Anfang Juni einen Flyer der Telekom im Briefkasten fand: Er könne jetzt einen Turbo für
seinen DSL-Anschluss bekommen, versprach
der Prospekt. Das Angebot „Magenta Zuhause Hybrid M“ sei nun auch für ihn verfügbar.
Damit, so suggerierte der Prospekt, erreiche
er einen Downstream von bis zu 50 MBit/s,
der Upstream werde auf bis zu 10 MBit/s steigen. Der Spaß, so las der Familienvater noch,
würde im ersten Jahr monatlich 34,95 Euro
Zunächst arbeitete der neue Hybrid-Anschluss ordentlich: Downloads aus dem Internet waren deutlich schneller als zuvor mit
reinem DSL. Zwar erreichte Familie K. nie die
versprochene Download-Rate von 50 MBit/s,
doch bis zu 44 MBit/s war weit mehr als die
bislang erreichten 4 MBit/s. Die im Upload
erzielbare Datenrate lag immerhin bei knapp
10 MBit/s und erfüllte so die von der Telekom geweckten Erwartungen.
Doch die Freude am schnellen Internet
hielt nicht lange: Nach wenigen Wochen
brach die Download-Rate gnadenlos ein. Oft
waren im Hybrid-Modus nur noch knapp
3 MBit/s zu erreichen, manchmal brach das
System auf 1,6 MBit/s ein. Stefan K. probierte
verschiedene im Internet angebotene
Speedtests aus, darunter auch den der Telekom, doch das Ergebnis blieb stets enttäuschend: Der teure Hybrid-Anschluss war auf
einmal langsamer als der alte DSL-Zugang.
Mehr zahlen für weniger Leistung, das
wollte Familie K. freilich nicht. Also eröffnete
sie über die Telekom-Webseite mehrere Störungstickets. Doch die Tickets wurden wohl
nie wirklich bearbeitet: Weder meldete sich
ein Telekom-Techniker, noch beschleunigte
sich der Hybrid-Anschluss. Dafür wurden die
Tickets nach kurzer Zeit geschlossen.
Das passt so
Am 15. Juli platzte Stefan K. der Kragen: Telefonisch eröffnete er ein neues Störungsticket und dieses Mal erreichte er tatsächlich
einen Techniker. Der teilte dem verblüfften
Kunden mit, dass mit dem Anschluss alles in
Ordnung sei. Bei dem von der Familie gebuchten Hybrid-Anschluss sei ein DSL-RAMAnschluss beteiligt, der maximal 6 MBit/s liefere. Deswegen müsse die Telekom via DSL
nur mindestens 2 MBit/s liefern. Der LTE-Anteil dürfe auch mal bei 0 MBit/s liegen. Damit
seien die aktuell erreichbaren 3 MBit/s also
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völlig in Ordnung. Im Prinzip, so der Techniker weiter, erfülle die Telekom also ihr Leistungsversprechen.
Stefan K. war platt. Ihm war zwar klar, dass
ein Hybrid-Anschluss mit „bis zu 50 MBit/s“
nicht immer volle 50 MBit/s liefern müsse,
doch dass er sich mit 3 MBit/s und damit mit
weniger als den bislang per DSL erreichten
4 MBit/s zufrieden geben sollte, das wollte
ihm nicht einleuchten. Der Techniker versprach, den Anschluss von Familie K. aus der
Ferne zu resetten. Es dauerte eine Weile und
siehe da, plötzlich konnte Stefan K. wieder
eine Download-Rate von stolzen 44 MBit/s
messen.
Gedrosselt?
Zufrieden startete Stefan K. in die neue
Woche, doch das Hochgefühl beim Surfen
ließ rapide nach: Bereits nach wenigen Stunden verlangsamten sich Downloads wieder
auf klägliche 3 MBit/s. Ein Reset des Routers
brachte das System zwar kurzfristig wieder
auf Trab, doch das Grundproblem blieb:
Nach wenigen Stunden war der Anschluss
wieder krötenlangsam.
Stefan K. begann nun mit systematischen
Überprüfungen seines Internet-Zugangs.
Dabei stellte sich heraus, dass der Router im
DSL-Only-Modus immerhin 4 MBit/s erreichte. Nach Hinzuschalten des vermeintlichen
LTE-Turbos (Hybrid-Modus) sank die Datenrate aber wieder auf 1,6 bis 3,0 MBit/s. Regelmäßige Resets, so stellte er fest, verbesserten
die Situation geringfügig, da der SpeedportHybrid-Router dann für einige Zeit
Datenraten von immerhin bis zu
17 MBit/s erreichte. Eine Lösung
war das nicht, schließlich erfolgte
auch die Telefonie über den
Router und ein Reset unterbrach
abrupt jedes Telefonat.
Seine gesammelten Erkenntnisse übermittelte er am 17. August per Brief an die Telekom
und forderte das Unternehmen
auf, endlich für einen stabilen Internetzugang zu sorgen, der zumindest näherungsweise die bei Vertragsabschluss versprochene Download-Rate von 50 MBit/s erreicht. Als die Telekom darauf nicht reagierte,
wandte sich Stefan K. an die c’t-Redaktion.
Etwas Bewegung
Die Probleme, die Stefan K. der Redaktion
schilderte, deckten sich mit anderen Beschwerden von c’t-Lesern. Wir nahmen den
Fall von Stefan K. deshalb zum Anlass, einmal
bei der Telekom nachzuhaken. Zum einen
wollten wir wissen, welche Mindestdatenraten im Up- und Downlink die Telekom denn
dauerhaft bei ihren Hybrid-Anschlüssen garantiert. Hinweise auf die vom Techniker am
Telefon angesprochenen „garantierten Mindestraten“ konnten wir nämlich in der Werbung für die verschiedenen Hybrid-Varianten nicht finden. Immer war nur die Rede
von den maximal möglichen Datenraten:
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16/2,4 MBit/s bei Magenta Hybrid S,
50/10 MBit/s bei Magenta Hybrid M und
100/40 MBit/s bei der L-Variante.
Zudem interessierte uns eine Erklärung
für die bei Familie K. aufgetretenen Einbrüchen der Datenrate und wie sich die Telekom
nun weiter verhalten wird. Schließlich ist
nicht nachvollziehbar, warum man Kunden
mit hohen Download-Raten-Versprechen in
einen teuren Hybrid-Vertrag lockt, um letztlich weniger zu liefern als die Leistung des
alten und deutlich günstigeren DSL-Anschlusses.
Unsere Anfrage löste bei der Telekom hektische Betriebsamkeit aus: Bereits zwei Tage
später setzte sich die Technik-Abteilung mit
Stefan K. in Verbindung und vereinbarte diverse Messungen auf der DSL- und der LTESeite. Ein Fehler wurde schnell entdeckt: Der
Speedport-Hybrid-Router arbeitete mit einer
veralteten Firmware, behauptete aber, dass
diese Version 050124.01.00.057 aktuell sei.
Da ein automatisches Update scheiterte,
spielte Stefan K. auf Weisung der TelekomTechnik manuell die tatsächlich aktuelle Version 050124.02.00.010 ein. Leider änderte
das nichts am Verhalten des Routers: Direkt
nach einem Reset lag die Download-Rate bei
17 MBit/s, um dann innerhalb kürzester Zeit
wieder auf 3 MBit/s einzubrechen.
Ein Fall für Experten
Da müssen Experten ran, entschied ein eigens eingeschalteter Mitarbeiter aus dem
Service-Team-Vorstand der Telekom. Sowohl
die DSL-Leitung als auch der LTEEmpfang sollten von den jeweils
zuständigen Abteilungen überprüft werden. Die DSL-Seite konnte
die Telekom über einen externen
Dienstleister schnell prüfen. Fazit:
Alles prima – der DSL-Anschluss arbeitet normal, Leitungsstörungen
liegen nicht vor.
Die Überprüfung der LTE-Seite
war anscheinend nicht so einfach. Bis
zum Redaktionsschluss schaffte es
kein Techniker, die Empfangslage bei Stefan
K. vor Ort zu prüfen. Per Fernzugriff wurden
einige Tests mit dem Speedport-Router
gefahren, ohne zu einer Lösung zu führen.
Parallel betriebene Messungen des Kunden
bestätigten nur, dass der LTE-Empfang
grundsätzlich in Ordnung war. Warum die
Datenrate des Routers dann aber im HybridModus so schnell einbricht, dafür hatten die
verschiedenen Telekom-Techniker nur Vermutungen zur Hand. Irgendwas stimme mit
dem Bonding-Modus nicht – soweit war
Stefan K. auch schon gekommen.
Am 1. Oktober meldete sich Christian L.
vom Service Center Technik der Telekom. Mit
dem Anschluss sei ja nun alles in Ordnung,
eröffnete er das Gespräch – Stefan K. konnte
nur mühsam die Fassung bewahren. Nein,
mit dem Hybrid-Anschluss ist gar nichts in
Ordnung, stellte er klar. Wie sich herausstellte, kannte der Telekom-Techniker nur die
DSL-Fehlermeldung. Dass es um ein Problem
mit einem Hybrid-Anschluss geht, erfuhr er
erst vom Kunden. Auch die sonstige Vorgeschichte und die Ergebnisse der bereits vom
Kunden durchgeführten Messungen lagen
diesem Techniker nicht vor. Als Stefan K. ihm
diese Informationen übermittelt hatte, vertröstete der Telekom-Mitarbeiter den Kunden erst einmal – in Kürze werde sich ein
Techniker melden.
Tatsächlich meldete sich kurz darauf der
nächste Telekom-Techniker – diesmal aus der
LTE-Abteilung. Wie sich herausstellte, kannte
auch dieser Techniker die Vorgeschichte des
Falles nicht. Leicht genervt übermittelte Stefan K. die Messdaten erneut und der Techniker glich diese mit seinen eigenen, aus der
Ferne durchgeführten Tests ab. Sein Fazit: Da
gebe es wohl ein Problem mit dem LeitungsBonding – also dem Zusammenspiel von DSL
und LTE. Er werde sich nach Beratung mit
seinen Kollegen wieder melden.
Die Zeit verstrich, doch der Hybrid-Anschluss von Stefan K. wurde nicht repariert.
Nach einem Reset konnte Stefan K. Download-Raten von 15 bis 19 MBit/s messen, was
klar außerhalb des für einen Hybrid-M-Anschluss zugesicherten Leistungskorridors
von 29,9 bis 51,3 MBit/s liegt. Bis zum Redaktionsschluss war die Telekom nicht in der
Lage, das Problem zu lösen. Immerhin
schickte uns Telekom-Pressesprecher Peter
Kespohl einen Link auf die AGB zum Hybridanschluss, der wir die garantierten Mindestbandbreiten für die verschiedenen HybridVarianten entnehmen konnten. Zudem informierte er uns, dass ab Mitte Oktober die
von Stefan K. noch manuell installierte Firmware Version 050124.02.00.010 für alle Telekom-Hybrid-Router im Rahmen des automatischen Updates zur Verfügung stehen
werde. Eine Erklärung, warum dieses Update
beim Hybrid-Anschluss von Stefan K. keine
Besserung brachte, hatte der Pressesprecher
freilich nicht. Immerhin will man jetzt einen
eigenen Experten zum Kunden schicken, der
vor Ort nach einer Lösung sucht. ([email protected])
Garantierte Bandbreite
bei Hybrid-Anschlüssen
Vertragstyp
MagentaZuhause
Hybrid S
MagentaZuhause
Hybrid M
MagentaZuhause
Hybrid L
MagentaZuhause
Hybrid M(2)
MagentaZuhause
Hybrid S*
MagentaZuhause
Hybrid M(2)*
Download-Rate
6,3–16 MBit/s
Upload-Rate
0,7–2,4 MBit/s
27,9–51,3 MBit/s
2,8–10 MBit/s
54–100 MBit/s
20–40 MBit/s
6,3–16 MBit/s
0,7–2,4 MBit/s
2–6 MBit/s
0,3–2,4 MBit/s
2–6 MBit/s
0,3–2,4 MBit/s
Vorsicht Falle: Die Telekom liefert –
laut AGB auf Kundenwunsch – HybridAnschlüsse auch für Standorte mit
schlechtem LTE-Empfang. Bei diesen mit
„(2)“ oder „*“ gekennzeichneten Verträgen
garantiert das Unternehmen nur eine
geringe Bandbreite.
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