Hilfsmittel zur Fotodatierung

Transcription

Hilfsmittel zur Fotodatierung
Fachbereich Informationswissenschaften
der Fachhochschule Potsdam
Diplomarbeit im Diplomstudiengang Archiv
Hilfsmittel zur Fotodatierung –
Untersuchung der Möglichkeiten von Publikationen zur Identifizierung
fotografischer Verfahren und zur kostümgeschichtlichen Analyse im
Experiment
1. Prüfer/in:
Dr. Uwe Schaper
2. Prüfer/in:
Dr. Karin Schwarz
vorgelegt von
Martina Krickel
Langhansstraße 135
13086 Berlin
Matrikelnr.: 6380
Wörter im Textteil: 26480
Berlin, Juli 2008
Inhaltsverzeichnis
I Fotografie in Archiven......................................................................................................3
1.1 Fotografien als historische Quelle..........................................................................5
II Identifizierung der fotografischen Verfahren.............................................................10
1. Synopse der Fotogeschichte.........................................................................................11
2. Analyse-Instrumente....................................................................................................15
2.1 „Hinter den Bildern“ von Timm Starl...................................................................15
2.2 „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“ von Marjen Schmidt.......16
2.3 „Verfahren der Fotografie“ von Robert Knodt und Klaus Pollmeier....................17
3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte...................................................................18
4. Durchführung...............................................................................................................20
4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen..........................................................20
4.2 Dokumentation......................................................................................................20
4.3 Ergebnisse und Abgleich.......................................................................................33
5. Auswertung..................................................................................................................35
6. Weitere Identifizierungsmöglichkeiten und fotografische Verfahren..........................37
III Kostümgeschichte und Mode......................................................................................41
1.1 Begriffsbestimmung und Modetheorien...............................................................42
2. Analyse-Instrumente....................................................................................................47
2.1 „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“ und
„Die Mode des 20. Jahrhunderts“ von John Peacock.................................................47
2.2 „Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch..................48
2.3 „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ von Ingrid Loschek.................................49
2.4 „Die Geschichte des Kostüms“ von Erika Thiel...................................................49
3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte...................................................................51
4. Durchführung...............................................................................................................53
4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen..........................................................53
4.2 Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse..................................................54
4.3 Ergebnisse und Abgleich.....................................................................................108
5. Auswertung des Versuches.........................................................................................111
IV Schlussbetrachtung....................................................................................................115
V Anhang.........................................................................................................................cxvi
1. Literaturverzeichnis................................................................................................cxxxi
2. Abbildungsnachweis..............................................................................................cxxxv
ii
I Fotografie in Archiven
I Fotografie in Archiven
Archive sind als Orte geschichtlicher Erinnerung Bewahrer der unterschiedlichen Dokumentarten und Quellengattungen der historischen Überlieferung. Dazu gehören neben dem
traditionellen Medium der Schrift seit jüngerer Vergangenheit auch Bild- und Tondokumente mit ihren jeweiligen Grenzen und Möglichkeiten. Von den beiden letztgenannten
Quellengattungen ist der Bedeutungswert in den staatlichen und kommunalen Archiven
erst recht spät erkannt worden. Folglich ist der Umgang mit ihnen noch ungewohnt und
nicht so klar definiert, wie beispielsweise bei der Aktenüberlieferung1.
Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Medium Fotografie, welches als historische
Quelle immer mehr Eingang in die Archive gefunden hat und schließlich auch zu massenhaftem Archivgut geworden ist. Welche Arten von Fotografien in den Archiven verwahrt
werden, hängt von ihrem Überlieferungszusammenhang ab. Als Dokumentart mit Beweischarakter finden sie sich in der amtlichen Aktenüberlieferung wieder. Als Träger für private
Aufzeichnungen und Erinnerungen sind sie vor allem in Nachlässen vorzufinden. Oft
bieten sie eine gute Ergänzung zur stadtgeschichtlichen Überlieferung und werden dementsprechend gezielt von den Archiven gesammelt.2
Über die Typologie der Bildsammlungen in den Archiven gibt es bisher jedoch keine
Untersuchungen. In der Veröffentlichung der GRIV3, die 1997 eine Typologie für visuelle
Sammlungen erarbeitet hat, tauchen lediglich Filmarchive als sammelnde archivische Institutionen auf.4 Dies legt die Vermutung nahe, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine besondere Wahrnehmung für Archive als Verwahrer bildlicher Überlieferung existierte. Auch
Wolfgang Hesse bemängelt in seinem im selben Jahr erschienenen Aufsatz das Fehlen von
Verzeichnissen zu den fotografischen Beständen der Archive, Bibliotheken und Museen.5
Dabei gibt es einen erheblichen Anteil an Fotografien in den Beständen der kommunalen
und staatlichen Archive.6 Sie bilden eine gute Ergänzungsüberlieferung und eignen sich als
1
2
3
4
5
6
Vergl.: Hesse, Wolfgang: „Die Fotografie: Stiefkind der Archive?“, S. 1.
Vergl.: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S 5.
Groupe départemental de recherche en information visuelle.
Vergl.: Lebrecht, Heike: „Methoden und Probleme der Bilderschließung“, S. 10.
Siehe: Hesse, Wolfgang: „Die Fotografie: Stiefkind der Archive?“, S. 1.
Siehe: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S. 419.
3
I Fotografie in Archiven
besonders ansprechendes Material gut für die historische Bildungsarbeit.7 In den letzten
zehn Jahren wuchs auch die Erkenntnis über die Bedeutung der Fotografie und der
Umgang mit ihr verbesserte sich. Die Entwicklung einer gängigen Methode zur Aufbereitung von Fotografien als historisches Quellenmaterial ist aber immer noch nicht abgeschlossen.8 Bisher beschäftigt die Archive vor allem die Bewältigung der Masse an Fotografien und das Problem der – vorbeugenden – Bestandserhaltung. In der archivischen
Fachliteratur sind vor allem Problemstellungen zu Sammlungs- und Ordnungssystematiken
und zu den besonderen Anforderungen bei der Lagerung und Konservierung von Fotografien zu finden. Das Problem der Bewertung und Erschließung als nächster Schritt wird erst
jetzt und in den nächsten Jahren verstärkt beachtet werden.9
Die ideale Behandlung des fotografischen Archivguts mit sachgerechter Lagerung und
Erschließung ist allerdings sehr kostspielig, so dass sich nicht alle Archive diesen Luxus
leisten können. Viele Archive können die erforderlichen finanziellen und personellen
Mittel nicht aufbringen. Kommunalarchive sind durch die oft knappe Haushaltslage öffentlicher Kassen von starken Einsparungen betroffen. Zudem wird der Wert und Nutzen der
Archive häufig nicht erkannt und Rationalisierungen werden hier zuerst angesetzt.10 Oft
werden die Archive nur marginal betreut und mit einer Halbtagskraft aus einer anderen
Abteilung besetzt.
Es kann aber gerade für weniger gut dotierte Archive vorteilhaft sein, ihre Aufmerksamkeit
den neuen Medien in ihren Beständen zuzuwenden. Es sind vor allem diese Quellengattungen, die immer mehr von den Benutzern nachgefragt werden. 11 Und da Archive heute
viel stärker kundenorientiert arbeiten müssen, ist eine stärkere Konzentration auf die neuen
Medien eine nötige Anpassung des Angebotes an die Nachfrage.12 Weiterhin eignen sich
Fotografien sehr gut für Öffentlichkeits- und historische Bildungsarbeit, die das Archiv
langfristig im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern und damit seine Existenzberechtigung untermauern. Ein gut erschlossener Fotobestand kann auch zur Gewinnung von Dritt7
8
9
10
Siehe: Pieper, Joachim: „Arbeitskreis Archivpädagogik und historische Bildungsarbeit“, S. 22.
Siehe: Hesse, Wolfgang: Rezension von: Timm Starl: Hinter den Bildern.
Vergl.: Mathys, Nora: „Welche Fotografien sind erhaltenswert?“.
Vergl.: Schuster, Walter: „Die Anforderungen an Kommunen und ihre Archive in Zeiten des New Public
Management“, S: 110.
11 Siehe: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S. 5.
12 Siehe: Schuster, Walter: „Die Anforderungen an Kommunen und ihre Archive in Zeiten des New Public
Management“, S: 108.
4
I Fotografie in Archiven
mitteln einsetzt werden, soweit die Frage der Nutzungsrechte geklärt ist.
Eine stärkere Konzentration auf Fotografien bei der Archivierung ist auch in Hinblick auf
die archivische Hauptaufgabe der Überlieferung von Geschichte notwendig. Fotografien
sind zu einer wichtigen Quelle für die historische Forschung geworden. Ihr Quellenwert
wurde anfangs unterschätzt und die Historiker und Archivare begegneten ihr mit viel
Skepsis. Demzufolge waren die meisten Fotobestände schlecht erschlossen und aufbewahrt.13 Als bedeutendes Kommunikationsmedium des 20. Jahrhunderts, konnte die Fotografie als Quelle von der historischen Forschung allerdings nicht lange unberücksichtigt
bleiben. Sie überliefert Informationen aus Bereichen, die sich in dem schriftlichen Verwaltungshandeln nicht abzeichnen. Das betrifft vor allem das alltägliche Leben der breiten
Bevölkerungsschicht, welches ab Anfang der 80er Jahre verstärkt in den Blickpunkt der
Geschichtswissenschaft rückte.14 Die so genannte Ergänzungsüberlieferung oder das
Sammlungsgut wurde damit zu einem Schwerpunkt der archivischen Arbeit. Dies trifft vor
allem für kommunale Archive zu, die eine große Bürgernähe haben und ihr Überlieferungsprofil danach ausrichten. Bei staatlichen Archiven liegt die Hauptaufgabe dagegen in der
Dokumentation des Verwaltungshandelns, das sich hauptsächlich in schriftlicher Form
abzeichnet.15
1.1 Fotografien als historische Quelle
Mit der Erfindung der Fotografie ist ein neues Medium entstanden, das durch seine visuelle
Informationsvermittlung schneller und einfacher zu erfassen ist. Die Fotografie läutete das
optische Zeitalter ein, das sich bis heute fortsetzt und mit den neueren Medien Film und
Video weiter entwickelte. Durch die immer stärkere Einbindung der visuellen Medien in
der Gesellschaft steigt auch die Bedeutung der Fotografie als historische Quelle.16 Der
komplexe Informationsgehalt fotografischer Bilder erschwert jedoch die Quellenkritik und
damit ihren Einsatz als geschichtliches Quellenmaterial. Ein bekanntes Beispiel dafür ist
die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ gewesen, die eine große
13
14
15
16
Siehe: Hesse, Wolfgang: „Die Fotografie: Stiefkind der Archive?“, S. 1.
Siehe: Oelze, Patrick: „Fotografien als historische Quelle“.
Siehe: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S. 5.
Vergl.: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 7.
5
I Fotografie in Archiven
Kontroverse über dieses Problem ausgelöst hat.17
Eine Fotografie ist auf den ersten Blick eine scheinbar objektive Abbildung der Wirklichkeit und ein ideales historisches Quellenmaterial. Beim zweiten Blick eröffnet sich allerdings die Vielschichtigkeit und Komplexität des Quellenmaterials, was seine wissenschaftliche Untersuchung schwieriger gestaltet, als es zunächst aussieht. Der Eindruck der
Objektivität entsteht vor allem dadurch, dass der Bildinhalt visuell und nicht abstrahiert
wiedergegeben wird. Aber allein der Bildinhalt kann keine historisch verwertbaren
Aussagen vermitteln. Die innere und die äußere Quellenkritik müssen stets in Verbindung
miteinander betrachtet werden, daher müssen auch die Umstände der Bildentstehung
bekannt sein.
Die oben genannte Ausstellung verdeutlichte, wie wichtig es ist, ein Foto im Kontext
seiner Entstehung zu interpretieren. 18Ein wesentlicher Bestandteil dieser äußeren Quellenkritik ist die, zumindest ungefähre, Datierung des Fotos und damit die Herstellung eines
historischen Bezuges zum Bildinhalt. Schließlich ist eine Fotografie nur eine Momentaufnahme, ein Ausschnitt, herausgenommen aus einem größeren zeitlichen Zusammenhang.
Falsche Datierungen vermitteln falsche historischen Tatsachen.
Als Element der Formalerschließung ist die Datierung des Fotos Aufgabe des Archivars.
Allerdings sind die meisten Fotografien nicht mit einer Datums- und Ortsangabe versehen
und gerade die Erschließung von Metainformationen ist bei Fotografien meist besonders
schwierig und häufig nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder auch gar nicht
möglich.19 Was dem Archivar für die Recherche eines Datums zur Verfügung steht, ist das
Bild selbst und manchmal auch einige Informationen zum Bestand, aus denen er sich die
benötigten Informationen herleiten muss.
Um den Entstehungszeitraum einer Fotografie zeitlich eingrenzen zu können, gibt es neben
eventuellen Informationen aus dem Provenienzzusammenhang noch zwei weitere Ermittlungsmöglichkeiten. Zum einen kann das Trägermaterial untersucht und das fotografische
Verfahren identifiziert werden. Auch die ursprüngliche Präsentation und Aufbewahrung der
17 Siehe: Buchmann, Wolf: „Woher kommt das Photo?“,, S. 297ff.
18 Ebd.
19 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S.61.
6
I Fotografie in Archiven
Fotografie sind an typische modische Erscheinungen einer bestimmten Zeitepoche
gebunden.20
Zum anderen bietet natürlich das Motiv selbst Informationen für eine Fotodatierung.
Abgebildete Personen, Orte und Ereignisse, die bereits bekannt sind, können
wiedererkannt werden. Bei Personen, Orten (Gebäude, Plätze, Straßen),
Einrichtungsgegenständen, technischen Geräten und Maschinen sind es die sich im Laufe
der Mode und Entwicklung ständig ändernden äußerlichen Merkmale, welche die
Eingrenzung eines Entstehungszeitraumes ermöglichen. Die zeitliche Einordnung kann um
so genauer erfolgen, desto stärker ein Produkt, wie etwa Kleidung und Fahrzeuge, dem
Wandel unterworfen ist.
Für jede der beiden Herangehensweise ist jedoch ein bestimmtes Maß an speziellem
Fachwissen erforderlich, seien es Kenntnisse über Fotografie, die einzelnen Verfahren und
deren Erscheinungsformen oder auch historisches, speziell kunsthistorisches Wissen. Über
dieses Fachwissen verfügen zwar Fachleute wie etwa Fotohistoriker, Restauratoren oder
Kunsthistoriker aber nicht primär diejenigen, deren Aufgabe die Aufbereitung und
Nutzbarmachung des historischen Quellenmaterials ist: die Archivare.
Allerdings bleibt den Archivaren auch die Möglichkeit von dem oben genannten Wissen zu
profitieren, indem sie ausgewählte Publikationen heranziehen. So hat beispielsweise das
Museum Folkwang (Essen) einen Ausstellungskatalog herausgegeben, der eine
Hilfestellung für das Identifizieren der am meisten verbreiteten fotografischen Verfahren
enthält und sich nicht nur an Fachleute, sondern an allgemein Interessierte richtet.21 Auch
der autodidaktische Fotohistoriker Timm Starl widmete eine ganze Ausgabe der von ihm
gegründeten Zeitschrift „Fotogeschichte“ diesem Thema.22
Die Datierung über inhaltliche Bildinformationen schließt ein weitaus größeres Spektrum
historischer Teilgebiete zu Mode, Architektur und Technik ein. Es gibt eine Vielzahl von
Publikationen zu sehr speziellen Themen, wie etwa zu einer Stilepoche, der Geschichte
eines Accessoires und Kleidungsstückes oder der Entwicklung einer technischen
Errungenschaft. Einen hilfreichen Überblick über solche Bestimmungsliteratur, die unter
20 Vergl.: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 3.
21 Siehe: Knodt, Robert; Pollmeier, Klaus: „Verfahren der Fotografie“.
22 Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“.
7
I Fotografie in Archiven
anderem auch die Datierung der Objekte ermöglichen soll, gibt z.B. die „Bibliographie zur
Inventarisierung“, herausgegeben von der Landesstelle für Museuumsbetreuung BadenWürttemberg.23
Sicherlich kann die Literatur nicht das Wissen und Können der jeweiligen Spezialisten
ersetzen, zumal teilweise auch technische Hilfsmittel benötigt werden, welche den meisten
Archiven in der Regel nicht zur Verfügung stehen. Daher kann sich der Archivar bei seinen
Bestimmungen zu den Fotos nur in einem begrenzten Rahmen bewegen. An welche
Grenzen er dabei stößt, soll diese Arbeit mit Hilfe empirischer Erprobung in Form eines
Experimentes herausstellen. Untersuchungsgegenstand sind ausgewählte Fotografien aus
dem Fotobestand des Landesarchiv Berlin. Durch den begrenzten Umfang dieser Arbeit
können nicht alle Hilfsmittel berücksichtigt werden. Untersucht werden sollen die
Möglichkeiten zur Identifizierung der fotografischen Verfahren und die Datierung mittels
der Kostümgeschichte. Letztere wurde aus den verschiedenen kunstgeschichtlichen
Disziplinen ausgewählt, weil die Kleidung als alltägliches Objekt eine permanente Präsenz
in der menschlichen Lebenswelt hat. Sie ist einem ständigen und kontinuierlichen Wandel
unterworfen, der aus der gesellschaftlichen Entwicklung hervorgeht. Als Indikator einer
Epoche, eignet sie sich daher besonders gut zur zeitlichen Eingrenzung.
Die beiden Herangehensweisen werden einzeln und voneinander getrennt auf ihre
jeweiligen Grenzen untersucht. Dementsprechend gliedert sich der Hauptteil dieser Arbeit
in zwei Teile: die Untersuchung des Äußerlichen, des Trägermaterials und die
Untersuchung des Inhaltlichen, des Bildinhaltes.
Zuerst werden die Möglichkeiten der Identifizierung der fotografischen Verfahren
behandelt. Da der Fotobestand des Landesarchiv Berlin die Grundlage des Experimentes
bildet, können auch nur die Verfahren berücksichtigt werden, die dort vorhanden sind.
Dasselbe gilt für die Anwendung der Kostümgeschichte auf Fotografien, die Personen
abbilden.
Als Versuchsobjekte wurden nur analoge Fotografien berücksichtigt. Die digitale
Fotografie ist mit einer Vielzahl weiterer Möglichkeiten und Bedingungen verbunden und
erfordert eine eigene Abhandlung, die den Rahmen dieser Arbeit übersteigt. Durch die
Weiterentwicklung dieses Kommunikationsmittels im digitalen Zeitalter haben die
23 Siehe: Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg: „Bibliographie zur Inventarisierung“,
S. 39ff.
8
I Fotografie in Archiven
Diskussionen um die Verwendung von Fotografien als historische Quelle neue Ansätze
erhalten.
Weitere Auswahlkriterien sind in den entsprechenden Kapiteln zu den jeweiligen
Experimenten angeführt.
Die Dokumentation der Experimente orientiert sich an der Struktur eines klassischen
Versuchsprotokolls. Zuerst werden theoretischen Grundlagen erörtert und die
Versuchshypothese gebildet. Anschließend wird der Versuchsaufbau beschrieben und der
Versuchsablauf dokumentiert. Die Ergebnisse, die sich bei der Durchführung der Versuche
ergeben, werden festgehalten und zum Schluß im Hinblick auf die anfangs gestellte
Hypothese ausgewertet. Am Schluss der Arbeit werden beide Herangehensweisen noch
einmal mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen gegenübergestellt.
Die Begriffe Fotografie, Foto und Bild werden in der Arbeit durchgehend synonym
gebraucht. Bei der Untersuchung der fotografischen Verfahren werden diese Begriffe auch
synonym für Negativ verwendet. Da hier aber die Abgrenzung zum Abzug erforderlich ist,
wird für diesen nur der Begriff Abzug verwendet. Bei der Untersuchung der Kostüme steht
der Bildinhalt und nicht das Trägermaterial im Vordergrund. Eine Unterscheidung der
Begriffe ist nicht notwendig, daher werden sie alle in diesem Teil der Arbeit synonym
verwendet. Dort werden auch die Begriffe Mode und Kostümgeschichte voneinander abgegrenzt.
Alle in der Arbeit verwendeten Bezeichnungen werden der Einfachkeit halber in männlicher Form angeführt, gelten aber auch in der weiblichen Form.
9
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Die Identifizierung der Verfahren, mit denen die Fotografie hergestellt wurde, scheint eine
nahe liegende Lösung zu sein, um den Entstehungszeitraum zeitlich einzugrenzen. Zudem
können diese Angaben eine nützliche Metainformation für den Historiker sein, z.B.dokumentieren sie in zusammenhängenden Fotografennachlässen die Arbeitsweise des Bestandbildners.
Um von einer Fotografie auf ihr Herstellungsverfahren schließen zu können ist aber ein
technisches Wissen nötig, über welches in der Regel nur Restauratoren verfügen. Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung des Materials sind unerlässlich für dessen
retauratorische Behandlung.
Die Arbeitsbereiche von Archivaren und Historikern überschneiden sich zwar bei der Frage
nach der Bestandserhaltung, aber das dem Archivar übermittelte Wissen bleibt meist auf
der Ebene zweckdienlicher Hinweise zum richtigen Umgang mit Fotografien und kann
kein Bewusstsein für die Vielfalt der fotografischen Verfahren schaffen.24 Durch eine
Zusammenarbeit besteht die Möglichkeit, dass der Archivar von dem Fachwissen des
Restaurators profitiert und seine speziellen Informationen aus der Identifizierung der
Verfahren ableiten kann, denen ganz andere Fragestellungen zugrunde liegen.
Eine Zusammenarbeit mit einer Restaurierungswerkstatt ist aber für viele Archive oft nur
in einem sehr begrenzten Umfang möglich, was nicht zuletzt auch finanzielle Gründe hat.
Dem Archivar bleibt noch die Möglichkeit sich mit Hilfe spezieller Publikationen selbst an
der Verfahrensidentifizierung zu versuchen. Es steht außer Frage, dass er sich nicht
dasselbe Wissen und Können wie der Restaurator aneignen kann und dass ihm auch nicht
die entsprechenden Arbeitsmaterialien zur Verfügung stehen. Deshalb wird die Bestimmung der einzelnen Fotoverfahren für den Archivar nur in einem begrenzten Umfang, den
die ausgewählten Hilfsmittel zulassen möglich sein. Diese Annahme soll im folgenden Teil
dieser Arbeit untersucht werden.
24 Vergl.: Rundbrief Fotografie „Faustregeln für die Fotoarchivierung“.
10
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
1. Synopse der Fotogeschichte
Um die wichtigsten fotografischen Verfahren vorzustellen, gibt dieses Kapitel einen kurzen
Rückblick zu den Anfängen der Fotografie.
Die Erfindung der Fotografie beruhte auf einem alten, menschlichen Wunsch: die detailgetreue und dauerhafte Fixierung der Wirklichkeit.25 Durch Zeichnung und Malerei konnte
ein naturgetreues Abbild nur sehr umständlich und aufwendig hergestellt werden. Eine weit
verbreitete Zeichenhilfe war die Camera Obscura, eine dunkle Kammer, in die durch ein
kleines Loch das Sonnenlicht auf eine helle Wand fiel und die Umgebung vor dem Loch
kopfstehend wiedergab. Das Prinzip war bereits den griechischen Philosophen des Altertums bekannt und wurde im 16. Jahrhundert in Europa weit verbreitet und durch den
Einsatz von Linsen vor dem Lichtloch verbessert. Die entstandenen Projektionen mussten
aber immer noch durch Nachzeichnen fixiert werden und zeichneten sich nicht selbstständig auf.26
Für den nächsten großen Schritt zur Erfindung der Fotografie musste ein geeignetes lichtempfindliches Material gefunden werden, auf dem sich die Lichtbilder einprägen konnten.
Im 18. Jahrhundert entdeckte der deutsche Gelehrte Johann Heinrich Schulze durch Zufall
die Lichtempfindlichkeit von Silberhalogeniden, die bis heute in der Fotografie verwendet
werden. Mehrere weitere Forscher fanden schließlich auch heraus, wie das Silberbild
fixiert werden kann, allerdings blieben ihre Erkenntnisse von den Pionieren der Fotografie
lange Zeit unbeachtet.27
Die erste überlieferte bildgebende Fotografie der Welt wird Joseph Nicéphore Niépce
zugeschrieben und zeigt einen Blick aus Niépces Arbeitszimmer in Le Gras, entstanden im
Jahr 1826. Das Bild entstand auf einer Zinnplatte, die mit Asphaltlack überzogen war und
mehrere Stunden lang belichtet wurde, ein Verfahren, dass von der heutigen Fototechnik
noch weit entfernt ist. 28
Der Pariser Kunstmaler Louis Jacques Mandé Daguerre stellte ungefähr zur gleichen Zeit
Überlegungen dazu an, wie die Bilder aus der Camera Obscura fixiert werden und so wirk25
26
27
28
Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 9.
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 9ff.
Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S: 25.
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 17ff.
11
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
lichkeitsgetreue Abbildungen in großer Zahl angefertigt werden könnten. Als er von
Niépces Entdeckungen erfuhr, bot er ihm einen Partnerschaftsvertrag an, der 1829 schließlich zustande kam. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Zusammenarbeit konnte Daguerre
jedoch erst 1835, zwei Jahre nach Niépces Tod, durch eine Zufallsentdeckung leisten.
Dabei entdeckte er, dass sich auf nur kurz belichteten Platten, auf denen noch kein Bild
erkennbar war, durch die Bedampfung mit Quecksilber ein Bild entwickelte. Er entdeckte
damit das Entwickeln, ein grundlegendes Prinzip der heutigen Fotografie und verkürzte
damit die Belichtungszeit von Stunden auf wenige Minuten.29 Mit Hilfe von Kochsalzlösung war er 1837 schließlich auch dazu imstande das Silberbild zu fixieren.30 Das
Verfahren wurde am 19. August 1839 der Weltöffentlichkeit in Paris vorgetragen, seitdem
gilt dieses Datum als offizielle Geburtsstunde der Fotografie.31
Die so genannte Daguerreotypie wurde daraufhin durch chemische Substanzen und den
Einsatz von mathematisch berechneten Objektiven immer weiter verbessert, so dass es
schließlich möglich war auch Personen zu fotografieren.32 Allerdings hat das Verfahren von
Daguerre noch einen entscheidenden Nachteil: jede Fotografie ist ein Unikat und lässt sich
nicht beliebig vervielfältigen.33
Mit diesem Problem beschäftigte sich um 1835 der englische Privatgelehrte Fox Talbot,
ohne von den geheimgehaltenen Forschungen Niépces und Daguerres zu wissen. Im
Gegensatz zu Daguerre verstand er auch den kausalen Zusammenhang des Entwicklungsprozesses und prägte den Begriff des latenten Bildes. Talbot fixierte Negative mit Kochsalz
auf Papier, das er mit Wachs transparent machte. Dadurch konnte er das negative Bild im
durchscheinenden Sonnenlicht positiv auf ein zweites Papier auskopieren. Das NegativPositiv-Verfahren ist mit dem Entwicklungsprozess bis heute Grundprinzip der Fotografien. Allerdings konnten die Kalotypien, wie Talbot seine Bilder nannte, durch die faserige
Beschaffenheit des Papiers die Schärfe und Detailtreue der Daguerrotypien nicht erreichen.
Dadurch blieb das Verfahren von dem Großteil der Fotografen zunächst unbeachtet.34
Die beste Transparenz und Widerstandsfähigkeit für die Verwendung als Negativmaterial
29
30
31
32
33
34
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 24ff.
Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 25.
Siehe: Frizot, Michel: „1839-1840 – Fotografische Entdeckungen“, S. 23.
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 35f.
Siehe: Gernsheim, Helmut: „Die Fotografie“, S. 26.
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 42ff.
12
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
bietet Glas. Doch auf der glatten Oberfläche ist die lichtempfindliche Schicht nur schwer
fest haftend zu machen. Dieses Problem wurde 1847 von Claude Felix Abel Niépce de St.
Victor durch die Verwendung von Hühnereiweiß (Albumin), als Bindemittel zwischen Glas
und fotografischer Schicht gelöst. Die besseren Eigenschaften von Glas verdrängten
schließlich das Papier als Negativmaterial.35
Diese Entwicklung bildete die Grundlage für das Nasse Kollodiumverfahren, das maßgeblich durch den Engländer Frederick Scott Archer geprägt wurde und für die nächsten Jahrzehnte das bedeutendste Verfahren unter den Fotografen blieb. Eine mit Kollodium36
beschichtete Glasplatte musste noch im nassen Zustand belichtet werden, da sie sonst lichtunempfindlich war. Die Fotografen mussten sich ihre nassen Platten vor jeder Belichtung
stets selbst vorbereiten und für Fotografien außerhalb des Ateliers sämtliches Equipment
und Dunkelkammerzelt transportieren. Um den aufwendigen Herstellungsprozess zu
beschleunigen, wurden Direkt-Positiv-Verfahren, wie die Ambrotypie, Ferrotypie und
Pannotypie, entwickelt. Die Ambrotypie ist ein unterbelichtetes Kollodiumnegativ, das
durch Hinterlegen eines schwarzen Hintergrundes positiv erscheint. Bei der Ferrotypie
wurde schwarz lackiertes Eisenblech und bei der Pannotypie schwarzes Tuchmaterial
verwendet.
Eine wesentliche Erleichterung des umständlichen Herstellungsprozesses stellte jedoch erst
die Entwicklung der Trockenplatte dar. Zunächst wurde die Kollodiumschicht mit Hilfe
verschiedener Zusätze für einige Tage in einem zähflüssigen Zustand und damit vermindert
lichtempfindlich gehalten.37 Eine längere Haltbarkeit fotografischer Schichten war erst
durch die Gelantinetrockenplatte möglich, deren Entwicklung 1871 der englische Amateurfotograf Dr. Richard Maddox einleitete. Gelantine ist nicht nur ein hervorragendes Bindemittel, sondern hat noch eine Reihe weiterer positiver Einflüsse auf die fotografische
Emulsion und ist bis heute elementare Substanz zur Herstellung von Fotografien.38
Die Glasplatte wurde schließlich vom Film als fotografisches Trägermaterial abgelöst.
Film ist leichter, flexibler und einfacher in der Handhabung, eine wesentliche Vorraussetzung, welche die Fotografie auch für die breite Masse der Bevölkerung populär machte.
35
36
37
38
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 47ff.
Lösung aus Nitrozellulose, durch Silbernitrat lichtempfindlich gemacht.
Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 50ff.
Ebd: S. 57ff.
13
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Die erste industrielle Filmproduktion begann 1888 in Philadelphia. Das Filmmaterial
bestand aus Nitrozellulose, welches wegen seiner hohen Feuergefährlichkeit jedoch bald
durch Acetylzellulose, auch Sicherheitsfilm genannt, ersetzt wurde. Da aber der Acetatfilm
nicht die notwendigen mechanischen Eigenschaften für die Fotografie zu wissenschaftlichen Zwecken hatte, wurden später auch Folien aus Polyester verwendet.39
Neben den Problemen zur Herstellung geeigneter Bildträger mussten auch einige Schwierigkeiten bezüglich der Qualität der entstandenen Bilder bewältigt werden. Bis in die
1870er Jahre war die fotografische Schicht fast unempfindlich für die langwelligeren
Lichtbereiche Grün, Gelb, Orange und Rot. Diese Farben wurden auf den Fotografien fast
schwarz wiedergegeben und mussten durch den Fotografen retuschiert werden. Erst mit der
Entwicklung weiterer Zusätze war es ab den 1870er Jahren möglich, die lichtempfindliche
Schicht auch für diese Spektralbereiche zu sensibilisieren und die Vorraussetzungen für die
Farbfotografie zu schaffen.40 Dieses Thema wird im Kapitel zu weiteren fotografischen
Verfahren näher erläutert.
39 Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 77ff.
40 Ebd.: S. 66ff.
14
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
2. Analyse-Instrumente
Die notwendigen Instrumente zur Durchführung des Experimentes sind drei Publikationen,
die sich als Hilfsmittel zur Identifizierung der fotografischen Verfahren und auch speziell
zur Fotodatierung verstehen. Sie alle richten sich nicht nur an Fachleute, sondern wollen
auch Fotografie-Interessierte ansprechen. Die Publikationen setzen jeweils einen anderen
Schwerpunkt und unterscheiden sich in ihrem Aufbau und ihrer Handhabung voneinander.
Am Ende des Experimentes wird sich eine der Publikationen vielleicht als besonders
geeignet für die Identifizierung der fotografischen Verfahren unter den geschaffenen
Umständen herausstellen.
Im Folgenden werden die Publikationen einzeln vorgestellt:
2.1 „Hinter den Bildern“ von Timm Starl
Das 99. Heft der Zeitschrift „Fotogeschichte“ ist ausschließlich dem Thema der Fotodatierung über äußere Merkmale der Fotografien gewidmet. Der Zeitraum ist jedoch von der
Erfindung der Fotografie bis 1945 eingeschränkt worden. Erarbeitet hat es der Gründer und
frühere Herausgeber der Zeitung, Timm Starl. Starl selbst ist autodidaktischer Fotohistoriker und kann auf eine jahrzehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet zurückblicken. Seine
Publikation behandelt nicht nur die fotografischen Verfahren, auf deren ausführliche
Beschreibung er verzichtet und statt dessen auf weiterführende Literatur verweist. Er
bezieht sich auch auf andere Anhaltspunkte, die sich an einer Fotografie von ihrer Entstehung bis zu ihrer Aufbewahrung herausgebildet haben. Das sind neben den Fotografen und
Ateliers, der Vertrieb, die Abzüge, die Untersatzkartons sowie die Kennzeichnung und
Aufbewahrung der Fotos. Der Inhalt des Heftes ist dementsprechend nach diesen Kategorien gegliedert.
Die wichtigsten Anhaltspunkte zur Datierung der Fotos, wie die Erscheinungsbilder der
Fotografien und die unterschiedlichen Formate, sind übersichtlich in verschiedenen
Tabellen zusammengefasst. Zusätzlich ist das Heft mit vielen farblichen Bildbeispielen
bereichert. Allerdings sind bei diesen Beispielen die typischen Merkmale, die durch das
jeweilig angewandte fotografische Verfahren entstehen, nicht besonders herausgestellt.
15
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Starl bezieht sich in seiner Publikation vor allem auf den österreichischen Bereich,
wodurch seine Publikation teilweise nur regional eingeschränkt verwendet werden kann.
2.2 „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“ von Marjen
Schmidt
Im Gegensatz zu
Timm Starl kommt Marjen Schmidt aus dem Restaurierungs- und
Archivbereich. Der Ansatz ihrer Publikation zielt daher auch, wie es der Untertitel deutlich
macht, auf die „Konservierung, Archivierung, und Präsentation“ von Fotografien ab. Die
Identifizierung der fotografischen Verfahren ist damit auch nur einer von mehreren
Aspekten ihres Buches. Der restauratorische und konservatorische Gesichtspunkt steht bei
ihr im Vordergrund, so dass sie auch stärker auf spezifische Schadensmerkmale der Fotografien eingeht.
Zur Identifizierung der fotografischen Verfahren erstellte sie mehrere Identifizierungsschlüssel, ähnlich dem, den Sebastian Dobrusskin in seinem Aufsatz über Farbstoffrasterverfahren angefertigt hat.41 Diese Schlüssel erscheinen als ein übersichtliches und praktikables Werkzeug. Allerdings sind sie nicht uneingeschränkt anwendbar. So setzt Schmidt die
Benutzung einer Lupe mit 20facher Vergrößerung voraus, die in den seltensten Fällen im
Archiv vorhanden sein dürfte. Damit ist nicht jede aufgeführte Eigenschaft der Fotografien
ohne weiteres durch einen Laien überprüfbar, wie beispielsweise die leichte Entzündbarkeit von Zellulosenitratfilm, was eine irreversible Schädigung des Materials mit sich
bringen würde.
Die Ausführungen Schmidts sind ebenfalls mit farblichen Bildbeispielen belegt. Es sind
zwar weniger Abbildungen als bei Timm Starl, aber dafür aussagekräftigere. Die besonderen Merkmale der Fotografien sind teilweise deutlich und vergleichend herausgestellt.
Neben den Abbildungen wird das Buch durch Tabellen übersichtlich mit Fakten ergänzt.
41 Siehe: Dobrusskin, Sebastian: Fotografische Farbstoffrasterverfahren.
16
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
2.3 „Verfahren der Fotografie“ von Robert Knodt und Klaus Pollmeier
Diese Publikation des Museum Folkwang ist als Katalog einer gleichnamigen Ausstellung
des Museums im Jahre 1989 entstanden und ist daher mit viel Bildmaterial ausgestattet.
Im Unterschied zu den oben angeführten Veröffentlichungen gibt es hier eine kurze
Beschreibung der fotografischen Verfahren, die jeweils mit einem farblichen Beispielbild
illustriert sind. In einem kursiv gedruckten Text werden erkennbare typische Eigenschaften
und Schadensbilder des Verfahrens erläutert.
Die Kapitel zur Verfahrensidentifizierung beginnen im zweiten Teil der Veröffentlichung.
Sie sind nicht chronologisch nach dem Jahr ihrer Erfindung, sondern nach Art des Verfahrens gegliedert. Die spezifischen Merkmale der Fotografien werden nicht in einer übersichtlichen Tabelle oder in Form eines Identifizierungsschlüssels dargestellt, sondern sind
in einen Text eingebettet. Allerdings gibt es zu den meisten Verfahren eine kleine farbliche
Abbildung, die einen stark vergrößerten Ausschnitt der Bildoberfläche darstellt. Diese
unterstützen die bildliche Vorstellung des Lesers zu dem beschriebenen Eigenschaften der
Fotografien.
17
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte
Für diesen Versuch werden nur Negativ- und Unikatverfahren berücksichtigt. Abzüge und
Drucke werden nicht einbezogen, auch wenn sie in jeder der oben genannten Publikationen
ebenfalls eingehend erläutert sind. Bei der Datierung und Archivierung eines Fotos für die
historische Forschung ist der Zeitpunkt des Motivs, das in seinem historischen Kontext
betrachtet werden muss von Bedeutung. Einem Abzug kann man nicht ansehen, ob er „[...]
auf einer Albumin-, Kollodium-, Gelantinetrockenplatte oder einem Rollfilmnegativ
gemacht wurde“42. Der Entstehungszeitpunkt von Abzügen und Drucken der Fotos ist
hauptsächlich bei der Restaurierung und Konservierung von Bedeutung.
Die Auswahlmöglichkeiten für die Versuchsobjekte sind durch den Bestand und die verfügbaren Informationen des Landesarchiv Berlin beschränkt. Ein großer Teil des Bestandes ist
nicht erschlossen, so dass nur von einer geringen Anzahl der Fotografien die Herstellungsverfahren bekannt sind. Weiterhin sammelt das Landesarchiv Berlin aus konservatorischen
Gründen hauptsächlich schwarz-weiß Fotografien, was den Bereich der Farbfotografie von
Anfang an aus dem Versuch ausschließt. Vorgelegt werden sollen von jedem der bekannten
Verfahren möglichst 2-3 Exemplare, wobei die Auswahl nicht nur auf ein Trägermaterial
beschränkt sein soll. Da diese letzten beiden Bedingungen jedoch nicht von den Archivmitarbeitern umgesetzt werden können, wird die Möglichkeit eingeräumt auch einen Teil von
Negativen herauszusuchen, bei denen die Verfahren nicht bekannt sind. Ansonsten wäre die
Auswahl zu einseitig und würde nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Publikationen überprüfbar machen.
Die letztendliche Auswahl der Versuchsobjekte berücksichtigt zwar nur einen Ausschnitt
aus der Gesamtanzahl der fotografischen Negativ- und Unikatverfahren, aber dafür die in
den Archiven wahrscheinlich am häufigsten verbreiteten.43 Viele Archive sammeln bedingt
durch eine Reihe von verschiedenen Faktoren und aus Gründen der Bestandserhaltung
hauptsächlich schwarz-weiß Fotografien44. Die seltene Verwendung von Farbrasterverfahren durch Fotografen lässt solche Fotografien ebenfalls zu Raritäten in den Bildbe42 Siehe: Gernsheim, Helmuth: „Die Fotografie“, S. 94.
43 Siehe: Caspers, Martha: „Farbenblind?“, S. 9
Wie auch in der Einleitung erwähnt, gibt es keine Typologie zu Bildsammlungen in Archiven.
44 Vergl.: Caspers, Martha: „Farbenblind?“, S. 9 und Dobrusskin, Stefan: „Fotografische
Farbstoffrasterverfahren“, S. 53.
18
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
ständen der Archive werden.45 Der Zellulosenitratfilm fällt sogar unter das Sprengstoffgesetz. Deshalb erfordert er einen fachgerechten Umgang und kann nur in speziell ausgestatteten Magazinräumen gelagert werden.46 Das Landesarchiv verfügt nicht über die Möglichkeit Zellulosenitratfilme zu sammeln, daher kann dieses Material im Experiment nicht
berücksichtigt werden.
45 Vergl.: Dobrusskin, Stefan: „Fotografische Farbstoffrasterverfahren“, S. 53.
46 Siehe: Brühl, Roland: „Spiel mit dem Feuer - Nitrozellulosenegative in Fotosammlungen“.
19
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
4. Durchführung
4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen
Es liegen 12 Fotografien in nummerierten Pergaminhüllen ohne Angabe des fotografischen
Verfahrens und der Datierung vor. Die einzigen Hilfsmittel sind die beschriebenen Publikationen und ein Lineal. Der Raum des Fotolesesaals im Landesarchiv Berlin ist mit großen
Fenstern ausgestattet, so dass die Negative bei Sonnenlicht untersucht werden können. Die
Betrachtung soll dabei sowohl im Auf- als auch im Gegenlicht erfolgen.
Die Durchführende des Versuches, im Folgenden Verfasserin genannt, hat sich vorher mit
Hilfe der benutzten Publikationen bereits einen Überblick über die verschiedenen fotografischen Verfahren und deren wichtigste Erkennungsmerkmale verschafft.
Ein genauer Ablauf des Versuches kann nicht von vornherein festgelegt werden, da er sich
aus dem vorliegenden Material ergibt.
4.2 Dokumentation
Als Erstes wird festgestellt, dass es sich bei den vorliegenden Negativen um unterschiedliche Trägermaterialien handelt, die im ersten Schritt sortiert werden. Es sind sieben Glasnegative und fünf Negative auf Film vorhanden. Diese Sortierung kann vorgenommen
werden, ohne dass die Fotografien aus ihrer Hülle genommen und beansprucht werden
müssen.
Das Vorliegen der meisten Unikatverfahren kann nach diesem ersten Schritt schon ausgeschlossen werden. Sämtliche Trägermaterialien erweisen sich im Gegenlicht als transparent. Metall, Porzellan oder Stoff, welche als Bildträger für Unikatverfahren benutzt
wurden, sind also nicht vorhanden. Die Kalotypie kann ebenfalls nach diesem Schritt
ausgeschlossen werden, da kein Negativ auf Papier vorliegt. Da sämtliche Bilder Negative
sind, kann auch das Vorliegen von Diapositiven ausgeschlossen werden. Fotografische
Negativverfahren auf Glas sind das Nasse Kollodiumverfahren und die Gelatinetrockenplatte, welche im Folgenden bestimmt werden sollen. Auch die Ambrotypie wird berücksichtigt, auch wenn keines der Negative deren typische Präsentationsformen wie Rahmung
20
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
und Einbettung in einem Etui aufweist oder mit schwarzem Hintergrund hinterlegt ist.
Diese Dinge können im Laufe der Zeit entfernt oder verloren gegangen sein.
Durch den Ausschluss von Zellulosenitratfilm kommt für die Filmnegative nur die Identifizierung von Azetat- und Polyesterfilm in Betracht.
Untersuchung der Glasnegative
Im zweiten Schritt werden die Glasnegative näher untersucht, da diese einfacher zu
bestimmen sind als Film. Ihre Bestimmung soll damit ein einfacher Einstieg in den
Versuch sein.
Die Bilder weisen verschiedene Auffälligkeiten und Farbtöne auf. Zwei Negative (Nr. 9
und 10) haben ein dunkleres, trüberes Grau als die anderen Negative und werden daher
extra gelegt. Bei einem weiteren Negativ (Nr. 3) fällt ein gelblicher Farbton auf dem Bild
auf, dieses wird ebenfalls aussortiert. Ein drittes Negativ (Nr. 12), das herausgenommen
wird, ist an den Kanten mit Papier verklebt und eine hinterklebte Papierschicht deckt das
Motiv teilweise gegen durchscheinendes Licht ab. Es ist durch einen großen Sprung des
Glases durch die Bildmitte deutlich beschädigt. An den restlichen drei Negativen werden
zunächst keine besonderen Auffälligkeiten festgestellt.
Die Verfasserin vermutet ausgehend von ihrem Vorwissen zunächst, dass sich die Identifizierung der Verfahren über die Farbtöne der Negative am einfachsten gestaltet. Daher
ordnet sie die Bilder grob nach ihrer Färbung, wobei besondere Auffälligkeiten nochmals
berücksichtigt werden. Es ergibt sich folgendes Ordnungsschema:
21
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Farbton
dunkles, trübes Grau
neutrales Grau
Nr. 9
Nr. 10
Nr. 2
Nr. 5
Nr. 6
gelber Farbton
Nr. 3
verklebte Kanten
defekt
Nr. 12
Abbildung 1: Ordnung der Negative nach Farbton
Die folgenden Schritte enthalten die Einzeluntersuchungen der Glasnegative. Im ersten Teil
des Versuches werden die Platten, die besondere Auffälligkeiten aufweisen, untersucht.
Dadurch sollen bereits zu Beginn des Untersuchungsablaufs möglichst viele Merkmale
erfasst werden.
Fotografie Nr. 3
Zuerst wird das Bild Nr. 3 mit dem gelblichen Farbton zur Bestimmung herangezogen. Der
gelbliche Farbton lässt die Anwendung des Nassen Kollodiumverfahrens vermuten. Als
hauptsächliches Hilfsmittel wird die Publikation von Marjen Schmidt ausgewählt, da hier
die Verfahren am deutlichsten gegenübergestellt sind. Zur Untersuchung werden die aufgelisteten Merkmale (siehe Anhang Tabelle 2) nacheinander mit dem vorliegenden Negativ
abgeglichen, wobei sich folgendes ergibt:47
•
Ein cremefarbener Farbton, wie ihn Negative des Nassen Kollodiumverfahrens
aufweisen, kann nicht eindeutig verifiziert werden. Die gelbliche Färbung erweist
sich bei näherer Betrachtung als fleckige Verfärbung, die verstärkt an den Rändern
auftritt und nicht gleichmäßig über dem Bild verteilt ist.
47 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 28.
22
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
•
Um die empfindliche Kollodiumschicht zu schützen, werden Negative bei diesem
Verfahren an der Oberfläche häufig lackiert, dadurch glänzt die Oberfläche. Bei
dem vorliegenden Bild ist die Oberfläche jedoch matt.
•
Beim Nassen Kollodiumverfahren werden durch den manuellen Aufguss der Emulsionsschicht die Ecken nicht vollständig ausgegossen. Das vorliegende Negativ
weist jedoch eine gute Verteilung der Emulsion bis in die Ecken und Kanten hinein
auf. Es findet sich an der linken oberen Ecke zwar eine sehr kleine Freistelle, die
jedoch auch durch eine Schadstelle im Glas entstanden sein könnte.
•
Marjen Schmidt listet als weiteres Merkmal dieses Verfahrens dickes Glas als
Trägermaterial auf, das an den Kanten häufig unregelmäßig geschnitten ist. Die
vorliegende Glasplatte ist jedoch dünn und die Kanten sind regelmäßig geschnitten.
•
Einheitliche Standardformate gibt es für Kollodiumplatten laut einer Tabelle zu
Unterscheidungsmerkmalen von Glasnegativen nicht, daher wird das Format an
dieser Stelle auch nicht untersucht.48
Es ist festzustellen, dass das vorliegende Negativ die notwendigen Eigenschaften einer
Kollodiumplatte nicht eindeutig aufweist. Daher wird es anschließend in gleicher Vorgehensweise auf die Eigenschaften einer Gelatinetrockenplatte untersucht:49
•
Der Farbton von Gelatinetrockenplatten wird als neutral grau beschrieben, was bei
der vorliegenden Platte zutrifft.
•
Die bereits festgestellte matte Oberfläche deckt sich ebenfalls mit der matten Oberflächenbeschaffenheit als Merkmal dieses Verfahrens.
•
Auch das dünne Glas mit den glatten Kanten und die vollständige Verteilung der
Emulsionsschicht als Merkmale von Gelatinetrockenplatten treffen beim vorliegenden Negativ zu.
48 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 101.
49 Ebd.: S. 29.
23
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
•
Das Abmessen der Platte mit dem Lineal ergibt die genauen Maße 13x18cm, was
einem Standardformat für Platten des vermuteten Verfahrens entspricht.50
Das Vorliegen einer Ambrotypie kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da diese nach
einer Tabelle von Timm Starl in der Zeitschrift „Fotogeschichte“ eine glänzende Oberfläche besitzen.51
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass das Bild Nr. 3 eine Gelatinetrockenplatte ist,
welche seit 1878 bis heute verwendet wird. Die gelben Flecken können ein Schadensbild
sein, dass sich an der Fotografie herausgebildet hat. Allerdings lässt sich in dem umfangreichen konservatorischen Teil von Marjen Schmidts Publikation dieses Schadensbild nicht
finden.
Nach Identifizierung des Verfahrens werden die Ergebnisse mit den anderen Publikationen
verglichen. Bei einer nochmaligen Durchsicht der beiden Publikationen unter dieser speziellen Fragestellung stellt sich jedoch heraus, dass eine Identifizierung der vermuteten
Verfahren mit diesen beiden Publikationen nicht möglich gewesen wäre. Die Veröffentlichung von Timm Starl berücksichtigt nur Ambrotypien, Diapositive und Autochrome als
fotografische Verfahren auf Glas. Die Gelatinetrockenplatte und das Nasse Kollodiumverfahren werden hier ausgespart. In der Publikation von Robert Knodt und Klaus Pollmeier
werden diese Negativverfahren und ihre Weiterentwicklung zwar beschrieben, aber der
kursiv gedruckte Text, der typische erkennbare Merkmale zur Verfahrensidentifizierung
beschreibt, fehlt hier. Damit werden diese beiden Publikationen in den nächsten Versuchen
nur berücksichtigt, wenn sich eines der Negative als Ambrotypie herausstellt, oder sich
weitere Fragestellungen, als in diesem ersten Versuchsdurchgang ergeben.
Fotografie Nr. 12
Nachdem im ersten Versuchsdurchgang deutlich wurde, dass sich die Verfahren auch durch
die Beschaffenheit des Glases unterscheiden, werden nochmals die Glasdicken der restlichen 6 Negative überprüft. Diese Überprüfung ergibt schnell, dass sich fast alle Negative,
50 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, 101.
51 Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 7.
24
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
bis auf Bild Nr. 12, auf dünnem, glatt geschnitten Glas befinden. Die Kanten der Fotografie
Nr. 12 sind zwar verklebt, aber durch das Papier kann deutlich die Dicke des Glases und
der unregelmäßige Schnitt erfühlt werden. Daher wird als zweites Untersuchungsobjekt
diese Fotografie auf das Nasse Kollodiumverfahren in gleicher Weise wie das Erste überprüft:52
•
Der Farbton der Fotografie ist nicht eindeutig als cremefarben zu identifizieren.
•
Die Oberfläche der Fotografie ist glänzend und weißt sehr viele Kratzer auf, die das
Bild jedoch nicht angegriffen haben. Kleine Körnchen und Punkte, vielleicht Bläschen, die in der aufgetragenen Schicht eingebettet sind, lassen vermuten, dass die
Oberfläche lackiert wurde. Kratzer, die fast das gesamte Bild überziehen, lassen
keine möglichen Pinselspuren mehr erkennen.
•
Das Trägermaterial ist, wie bereits festgestellt, sehr dickes Glas mit unregelmäßig
geschnittenen Kanten.
•
Die Ausfüllung der Ecken und Ränder ist durch die Abklebung nicht überall zu
erkennen. Nur auf der Rückseite ist an einer kleinen Stelle zu sehen, dass der Rand
nicht ausgefüllt ist.
Schließlich wird noch überprüft, ob es sich bei der Platte auch um eine Ambrotypie
handeln kann, indem die Platte auf einen schwarzen Untergrund gelegt wird. Das Ergebnis
fällt jedoch negativ aus.
Die Platte Nr. 12 erfüllt vor allem über das Trägermaterial die Merkmale einer Kollodiumplatte im Unterschied zu einer Gelatinetrockenplatte. Zwar lässt das Trägermaterial alleine
keine hundertprozentige Identifizierung zu, weil einige Fotografen bereits benutzte Platten
nochmals verwendeten und mit einem anderen Verfahren bearbeiteten, aber die Verwendung von Kollodiumplatten mit dem trockenen Gelatineverfahren, wie sie hier vorkommen
müsste, kann ausgeschlossen werden, da Gelatinetrockenplatten nur industriell herstellbar
waren. Dieser Hinweis konnte „Verfahren der Fotografie“ entnommen werden, womit
52 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S 28.
25
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
diese Publikation doch noch einen kleinen Beitrag zur Verfahrensidentifizierung leisten
kann.53
Da sich alle übrigen Negative auf dünnem Glas mit glatten Kanten befinden, werden sie im
Folgenden zuerst auf die Merkmale einer Gelatinetrockenplatte überprüft. Die nächsten
Versuchsobjekte sind die beiden Negative, die durch ihr dunkles, trübes Grau aufgefallen
sind.
Fotografie Nr. 10
Die Vorgehensweise bei der Untersuchung bleibt wie bisher.
•
Der Farbton ist ein trübes Grau und kann nicht eindeutig als neutral grau identifiziert werden.
•
Die Oberfläche der Fotografie ist matt und an den Rändern ausgesilbert.
•
Das Glas ist dünn mit glatten Kannten und die Ecken und Ränder sind vollständig
mit der lichtempfindlichen Schicht ausgefüllt.
•
Die Abmessungen der Platte betragen fast genau 9x12cm, was einem Standardformat für Gelatinetrockenplatten entspricht.
Das Negativ Nr. 10 erfüllt die Merkmale einer Gelatinetrockenplatte, wobei vor allem die
matte Oberflächenbeschaffenheit das Vorliegen einer Kollodiumschicht ausschließt. Die
Überprüfung auf Merkmale dieses Verfahren entfällt damit.
Die matte Oberfläche der Fotografie schließt auch das Vorliegen einer Ambrotypie aus.
Daher fällt ein Abgleich der Ergebnisse mit den anderen beiden Publikationen weg.
53 Siehe: Knodt, Robert; Pollmeier, Klaus: „Verfahren der Fotografie“, S. 84.
26
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Fotografie Nr. 9
Die Fotografie weist die gleichen Merkmale wie Bild Nr. 10 auf, weshalb auf eine nochmalige Merkmalsbeschreibung an dieser Stelle verzichtet wird.
Schließlich werden die restlichen drei neutralen Platten, die bei der Ersteinschätzung keine
Besonderheiten aufgewiesen haben untersucht.
Fotografie Nr. 6
Das Vorgehen bei der Untersuchung bleibt wie bisher.
•
Die vorhandenen Farbtöne sind grau bis schwarz. Das Grau ist im Vergleich zu den
Negativen Nr. 9 und 10 nicht auffallend dunkel oder hell. Deshalb wird es als
neutral eingestuft.
•
Die Oberfläche der Fotografie ist matt, jedoch kommt durch den sehr dünnen und
gleichmäßigen Auftrag der Emulsionsschicht die spiegelnde Eigenschaft des Glases
zum Vorschein.
•
Das Glas ist dünn und hat glatte Kanten.
•
Die Platte ist mit der lichtempfindlichen Schicht zwar nicht bis an den Rand ausgefüllt, dennoch lassen die geraden und klaren Abgrenzungen sowie der sehr dünne
und gleichmäßige Auftrag eine maschinelle Beschichtung vermuten. Es wurde im
Gegensatz zu allen anderen Negativen auch nicht die gesamte Emulsionsschicht
belichtet.
•
Die Abmessungen des Negatives weisen das Standardformat 9x12cm auf.
Die Fotografie Nr. 6 weist die Merkmale einer Gelatinetrockenplatte auf, wobei der sehr
feine und dünne Auftrag fortgeschrittene Herstellungstechnik und demnach einen späteren
Entstehungszeitraum vermuten läßt.
27
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Das Nasse Kollodiumverfahren kann durch die aufgeführten Merkmale ausgeschlossen
werden, ebenso das Vorliegen einer Ambrotypie.
Fotografie Nr. 5
Der Untersuchungsablauf ist wie bisher.
•
Farbton, Trägermaterial und Format entsprechen der Fotografie Nr. 6.
•
Die Oberfläche ist matt und die Verteilung der Emulsionsschicht weist eine Form
auf, wie sie auch am oberen Rand auf dem Beispielbild bei Marjen Schmidt deutlich ist. Es ist erkennbar, dass die Emulsion von einer Seite auf die Platte aufgegossen wurde, da an dieser Stelle ein breiterer Rand entsteht.
Das Negativ kann damit eindeutig als Gelatinetrockenplatte identifiziert werden. Die Überprüfung auf das Nasse Kollodiumverfahren und die Ambrotypie fällt damit weg.
Fotografie Nr. 2
Der Untersuchungsablauf bleibt wie bisher.
•
Das Bild ist hauptsächlich neutral grau
•
Die Oberfläche ist halbmatt, wobei der sehr dünne Schichtauftrag wie bei Fotografie Nr. 6 die spiegelnde Glasoberfläche durchscheinen lässt. Es sind eindeutige
Retuschespuren und Lackreste zu erkennen.
•
Die Rückseite ist im Gegensatz zu allen anderen Glasnegativen ebenfalls matt, da
sie lackiert wurde, und weist Retuschen auf. Der Lack ist an einer kleinen Stelle
abgeplatzt, so dass die glatte Glasoberfläche zum Vorschein kommt (siehe Abbildung 1). Die Bearbeitung der Negativrückseite mit mattem Retuschelack ist nach
Marjen Schmidt ein typisches Beispiel für die Bearbeitung von Gelatinetrockenplatten.
28
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
•
Das Glas ist dünn und hat glatte Kanten, wobei die Ecken und Kanten vollständig
ausgegossen sind. Am unteren Rand ist der Schriftzug AGFA zu erkennen, was ein
Hinweis zu einer genaueren Datierung sein kann.
Die Platte Nr. 2 erweist sich damit eindeutig als Gelatinetrockenplatte, womit die Überprüfung auf andere Verfahren wegfällt.
Abbildung 2: Rückseite der
Glasplatte mit mattem Lack
bestrichen, der links unten
abgeplatzt ist und Schriftzug AGFA
(spiegelverkehrt) links oben
Untersuchung der Filmnegative
Nachdem die Untersuchung der Glasnegative abgeschlossen ist, werden nun die Filmnegative näher betrachtet. Auch hier erfolgt zunächst eine grobe Ordnung nach besonderen
Auffälligkeiten:
•
Fotografie Nr. 1 weißt eine starke Schädigung des Trägermaterials auf. Emulsion
und Schichtträger lösen sich voneinander, wodurch das Bild eine zerknittert
erscheinende Oberflächenstruktur bekommt.
29
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
•
Fotografie Nr. 4 ist sehr klein und hat einen perforierten Rand.
•
Die Fotografien Nr. 8 und Nr. 11 sind am Rand teilweise abgeklebt worden.
•
Fotografie Nr. 7 weist zunächst keine auffälligen Besonderheiten auf.
Danach werden die Negative einzeln untersucht, wobei die Vorgehensweise wie bei den
Glasnegativen ist. Als Hilfsmittel wird die Publikation von Marjen Schmidt ausgewählt,
die eine Merkmalsbeschreibung und Identifizierungstabelle für Fotografien auf Film
enthält.54 Timm Starl behandelt in seiner Veröffentlichung nur das Farbdiapositiv als fotografisches Verfahren auf Film und in „Verfahren der Fotografie“ findet sich nur eine kurze
Verfahrensbeschreibung für Farbnegativfilm ohne Angabe von Identifizierungsmerkmalen.
Fotografie Nr. 1
Da das Vorliegen von Zellulosenitratfilm durch das Landesarchiv Berlin von vornherein
ausgeschlossen ist, wird das Negativ nur auf Merkmale von Azetat- und Polyesterfilm
untersucht.
•
Das Silberbild ist grau bis schwarz.
•
Das Trägermaterial ist hellgrau und scheint aus mehreren Schichten zu bestehen,
die sich voneinander lösen, wodurch eine Vielzahl von kleinen Luftkammern
zwischen ihnen entstanden ist (siehe Abbildung 3).
•
Die Oberfläche ist matt und löst sich vom Trägermaterial ab, wodurch sich eine
Oberflächenstruktur wie bei zerknittertem Papier bildet (siehe Abbildung 2).
•
Ein Schriftzug am Rand, der das verwendete Material ausweist, ist nicht vorhanden.
Ein Vergleich der Merkmale von Azetat- und Polyesterfilm, die von Marjen Schmidt aufgeführt sind, verdeutlicht, dass die beiden Materialien das gleiche äußere Erscheinungsbild
aufweisen. Sie sind ohne weitere Hilfsmittel lediglich durch einen Aufdruck am Rand
54 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 31 und S. 102.
30
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
eindeutig zu identifizieren. Schmidt listet in ihrer Identifizierungstabelle noch vier weitere
Tests auf, wobei der Verbrennungs- und Schwimmtest das Material gefährden würden und
damit in diesem Versuch nicht durchgeführt werden. Auch der illustrierte Polarisationsfiltertest kann wegen der fehlenden Spezialausrüstung nicht durchgeführt werden.55 Die
vierte Möglichkeit ist die eventuelle Wahrnehmung eines Geruches. Polyesterfilm weist
keinen Geruch auf während Azetatfilm nach begonnener Zersetzung nach Essigsäure
riechen kann:
•
Das Negativ hat einen wahrnehmbaren Essiggeruch, der auf der Rückseite am
Trägermaterial stärker ist als an der Emulsionsschicht.
Damit kann Fotografie Nr. 1 eindeutig als Azetatfilm identifiziert werden. Das vorgefundene optische Schadensbild wird jedoch in keiner der Publikationen beschrieben.
Abbildung 3: Oberfläche mit
ablösender Emulsionsschicht
Abbildung 4: Rückseite mit
Trägermaterial
55 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 100.
31
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Fotografie Nr. 4
Nachdem sich im vorhergehenden Versuchsdurchlauf herausgestellt hat, dass die beiden in
Frage kommenden Verfahren nur durch einen eventuellen Geruch und Randaufdruck zu
identifizieren sind, wird die Untersuchung der Negative im Folgenden auf diese beiden
Merkmale eingeschränkt:
•
Es ist kein Geruch wahrnehmbar und kein Randaufdruck zu erkennen.
Weitere Merkmale sind in der Publikation nicht beschrieben, so dass das Negativ nicht
weiter untersucht werden kann. Es konnte nicht festgestellt werden, ob es sich um einen
Azetatfilm oder einen Polyesterfilm handelt, womit die Datierung lediglich auf den Zeitraum von 1920 bis heute angegeben werden kann.
Fotografien Nr. 7, 8 und 11
Auf keiner der verbliebenen Negative ist ein Aufdruck erkennbar und es ist auch kein
Geruch wahrnehmbar. Die Bilder Nr. 7 und Nr. 11 weisen bei eingehender Betrachtung
zwar kleine leuchtend rote Punkte auf, was eventuell ein Schadensbild sein könnte, aber in
den Publikationen finden sich dazu keine Angaben und Hinweise. Die Datierungsangabe
lautet demnach wie bei Fotografie Nr. 4.
32
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
4.3 Ergebnisse und Abgleich
Tabelle 1
Negativ Identifiziertes
Verfahren
Verwendungszeitraum Angaben des Landesarchiv
Berlin
Nr. 1
Azetatfilm
1920 – heute
Nr. 2
Gelatinetrockenplatte
1878 – heute
Angabe nicht möglich, da es
genauere Datierung
sich um ein kassiertes
wäre durch Angabe der Negativ handelt
Firma AGFA möglich
(Gründungsdatum)
Nr. 3
Gelatinetrockenplatte
1878 – heute
1914
Nr. 4
Azetatfilm oder
Polyesterfilm
1920 – heute
1945
Nr. 5
Gelatinetrockenplatte
1878 – heute
1954
Nr. 6
Gelatinetrockenplatte
1878 – heute
Repro eines Ankaufes von
1954
Nr. 7
Azetatfilm oder
Polyesterfilm
1920 – heute
1949
Nr. 8
Azetatfilm oder
Polyesterfilm
1920 – heute
Ankauf 1949
Nr. 9
Gelatinetrockenplatte
1878 – heute
1933
Nr. 10
Gelatinetrockenplatte
1878 – heute
1936
Nr. 11
Azetatfilm oder
Polyesterfilm
1920 – heute
1946
Nr. 12
Nasses
Kollodiumverfahren
1851 – ca. 1900
Angabe nicht möglich, da es
sich um ein kassiertes
Negativ handelt
ca. 1958/ 57
Da von den meisten Negativen das Herstellungsverfahren dem Landesarchiv Berlin nicht
bekannt ist, kann die Richtigkeit der hergeleiteten Verfahren nicht überprüft werden. Daher
wird der Entstehungszeitpunkt bzw. -raum der Negative zur Auswertung herangezogen.
Die Überprüfung der herausgestellten Verfahren erübrigt sich für viele Negative schließlich
auch. Für die Unterscheidung von Polyesterfilm und Azetatfilm sind im Versuch keine
Anhaltspunkte entstanden. Die Angabe, welches Material vorlag, wäre im Nachhinein
33
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
daher mit keinem Erkenntnisgewinn verbunden. Die Glasnegative sind größtenteils weit
nach 1900 entstanden. Damit kommt für sie nur das Verfahren der Gelatinetrockenplatte in
Frage. Nur beim Negativ Nr. 3, bei dem das Nasse Kollodiumverfahren noch zu einem sehr
späten Zeitraum angewendet worden sein könnte, und bei der Fotografie Nr. 12 wäre ein
Vergleich wünschenswert gewesen. Allerdings waren hier die Verfahren nicht bekannt.56
Negativ Nr. 6 erwies sich als Reproduktion einer früheren Fotografie, was den vermuteten
späteren Entstehungszeitpunkt erklärt.
Die roten Punkte sind Retuschen mit rotem Lack und damit keine Anhaltspunkte zum
verwendeten Verfahren.
56 Das Ende der Verwendung des Nassen Kollodiumverfahrens ist in der Literatur nur ungefähr angegeben.
34
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
5. Auswertung
Das Trägermaterial ist der erste wichtige Anhaltspunkt, um eine Fotografie bestimmten
Verfahren zuordnen zu können. Nur bei Gelatinetrockenplatten lässt das Material keine
genaue Aussage zu, da diese auch mit dem Nassen Kollodiumverfahren verwendet wurden.
Der Farbton der Negative ist dagegen kein verlässliches Identifizierungsmerkmal, auch
wenn er in den Publikationen zuerst angeführt wird. Marjen Schmidts Beschreibung
neutralgrau ist auch nur eine relative Angabe und daher schwer nachvollziehbar.
Die eindeutige Identifizierung von Filmmaterial ist nur eingeschränkt möglich. Zellulosenitratfilm kann zwar aufgrund seiner gelblichen bis bernsteinfarbenen Färbung schnell
erkannt werden, aber eine Unterscheidung von Azetat- und Polyesterfilm ist nur über den
eventuellen Randaufdruck oder mit Spezialwerkzeug möglich. In der Untersuchung konnte
von den Filmnegativen nur ein Negativ eindeutig identifiziert werden.
Die Identifizierung der Unikatverfahren und Negativverfahren auf Glas ist in einem großen
Umfang auch ohne spezielle Technik und Werkzeuge möglich. Die Lupe mit 20facher
Vergrößerung, die Marjen Schmidt anführt, ist nur bei Abzügen, Drucken und Farbrasterverfahren erforderlich.
Die Datierungen über den Anwendungszeitraum der fotografischen Verfahren sind teilweise sehr weitläufig und können daher nicht behilflich sein, das Motiv in einen historischen Kontext einzubetten. Hier bieten sich andere Datierungsmöglichkeiten an. Zum richtigen Umgang mit den Fotografien und zur Bestandserhaltung ist die Verfahrensidentifizierung jedoch durchaus sinnvoll.
Das Negativ Nr. 6 veranschaulicht diesen Sachverhalt, da die Reproduktion aufgrund der
Datierungsspanne von 1878 bis heute den Zeitpunkt der Entstehung des Originalnegatives
als auch der Reproduktion einschließt.
Dieses Beispiel verdeutlicht auch einen anderen Aspekt. Das Vorliegen eines Negativs
stellt nicht in jedem Fall sicher, dass es sich auch um ein Original handelt. Doch Reprints
von Negativen sind vermutlich selten und meist von den Archiven selbst durchgeführt, so
dass dieser Umstand bekannt ist.
35
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Die ausgewählten Hilfsmittel erschienen zunächst zwar sehr vielversprechend, konnten
einer Überprüfung unter der hier angeführten konkreten Fragestellung jedoch nicht standhalten.
Die Publikation von Marjen Schmidt hat sich als einzig anwendbare herausgestellt, da sie
als einzige sämtliche Verfahren einbezieht. Die anderen beiden Publikationen betrachten
hauptsächlich Unikatverfahren und Abzüge.
Die sehr frühen Unikatverfahren sind sicherlich begehrte und wertvolle Sammelobjekte
aber in den Archiven nicht sehr weit verbreitet, was vor allem auch durch den kurzen Zeitraum ihrer Anwendung bedingt ist. Robert Knodt, Klaus Pollmeier und Timm Starl hatten
zwar nicht den Anspruch formuliert, in ihren Publikationen sämtliche fotografische
Verfahren zu erfassen, dennoch ist es unverhältnismäßig, wenn das Nasse Kollodiumverfahren, die Gelatinetrockenplatte und die Fotografie auf Film als eigentliche fotografische
Prozesse nur marginal behandelt werden, während die verschiedenen Drucktechniken, die
das Bildmaterial lediglich reproduzieren und die nicht nur in der Fotografie angewendet
werden, sehr ausführlich dargestellt werden.
Diese scheinbare Nachlässigkeit gegenüber den Negativen als eigentliche Originale der
Fotografien ist verwunderlich. Alle Veröffentlichungen sind von Fachleuten verfasst
worden, denen die besondere Bedeutung des Originals eigentlich bewusst sein müsste.
Warum jedoch nur Marjen Schmidt Negative im gleichem Umfang wie Abzüge und
Drucke behandelt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter erörtert werden. Es kann
lediglich vermutet werden, dass die Positive auch in der Wahrnehmung von Fachleuten
präsenter sind als die Negative, die aus Bestandserhaltungsgründen abgeschlossen
verwahrt werden und von der Benutzung in der Regel ausgeschlossen sind.
Das Experiment hat verdeutlicht, dass die Identifizierung fotografischer Verfahren und die
darauf basierende Datierung von Fotografien für einen Laien nur eingegrenzt möglich ist.
Die ausgewählten Publikationen waren als Hilfsmittel nur eingeschränkt verwendbar, da
vor allem auch das Spezialwerkzeug des Fachmannes fehlte.
36
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
6. Weitere Identifizierungsmöglichkeiten und fotografische
Verfahren
Durch die Entwicklung der Fototechnik und deren schrittweise Verbesserung gibt es noch
weitere fototechnische Merkmale und Besonderheiten, die Anhaltspunkte für die Datierung
sein können. Sie können in ihrer Vielfalt hier nicht alle aufgezählt, sondern nur beispielhaft
angeführt werden.
Wie in der Zusammenfassung der Fotogeschichte bereits angeschnitten, musste neben dem
Trägermaterial auch die lichtempfindliche Schicht weiterentwickelt werden, um den steigenden Ansprüchen der Zeit zu genügen. In den Anfängen der Fotografie war die Fotoemulsion nur wenig lichtempfindlich. Das einfallende Licht wurde an den Silberhalogenidkörnern gestreut, so dass helle und leuchtende Objekte auf der Fotografie stets von einem
so genannten Lichthof umgeben waren. Die Ursache wurde 1861 erkannt und ein Lichthofschutz wurde eingeführt.57 Fotografien mit Lichthof müssten demnach vor 1861 oder nur
unmittelbar danach entstanden sein.
Durch die relativ lichtunempfindliche Fotoemulsion und den sich daraus ergebenden
langen Belichtungszeiten lassen sich einige Naturerscheinungen nicht korrekt abbilden.
Die Oberfläche von Wasser ist auf alten Fotografien meist absolut eben, was nicht auf
windstilles Wetter sondern auf das Verschwimmen der Konturen der Wellen durch die
lange Belichtung zurückzuführen ist. Bei Fotografien von Wasserfällen wird diese Erscheinung besonders deutlich, da die charakteristische Oberflächenstruktur nicht mehr
erkennbar ist.58
Die Belichtungszeiten konnten erst mit einer Sensibilisierung der Fotoemulsion für den
grünen bis roten Bereiches des Lichts verkürzt werden. Vorher wurden blaue und violette
Objekte in den Fotografien weiß und gelbe und rote Objekte, z.B. blondes Haar und
Sonnenuntergänge, schwarz dargestellt. Erst 1873 wurde die orthochromatische Emulsion
entwickelt, welche die Fotoemulsion bis in den gelben Spektralbereich sensibilisierte und
im Jahr 1902 wurde schließlich die panchromatische Platte erfunden, die innerhalb kurzer
57 Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 73.
58 Siehe: Frizot, Michel: „Eine automatische Zeichnung“, S. 58.
37
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Belichtungszeiten auch bis in den roten Lichtbereich empfindlich war.59 Vor 1873 mussten
die Fotografien regelmäßig retuschiert werden, damit die Abbildung einigermaßen naturgetreu war. Diese Retuschen müssten auf den Negativen nachvollziehbar sein.
Die Entwicklung der panchromatischen Fotoschicht war eine wichtige Voraussetzung für
die Entwicklung der Farbfotografie. Bereits die Fotopioniere Niépce und Daguerre setzten
sich mit dem Gedanken auseinander, auch farbige Fotografien zu erschaffen, ohne ihn
verwirklichen zu können. Um dennoch farbige Abbilder zu erhalten, wurden die Fotografien aufwendig mit der Hand koloriert.60
Das erste erfolgreiche Farbfotoverfahren beruht auf einer indirekten Farbwiedergabe. Bei
der Dreifarben-Projektion wurde jeweils eine schwarz-weiß Platte durch einen blauen,
einen grünen und durch einen roten Filter belichtet. Damit wurden auf den Platten nur die
jeweiligen Lichtbereiche aufgenommen. Um das aufgenommene Bild in Farbe betrachten
zu können, mussten über die Platten wieder jeweils der rote, grüne oder blaue Filter gelegt
werden. Die drei eingefärbten Bilder wurden anschließend übereinander projiziert,
wodurch ein mehrfarbiges Abbild entstand.61 Da bei der Aufnahme durch den Farbfilter nur
die Objekte mit blauem, rotem oder grünen Anteil abgebildet werden, werden die Fotografien vermutlich wie drei jeweils falsch belichtete schwarz-weiß Bilder desselben Motivs
aussehen.62 Sind drei solche Fotografien zusammen überliefert, besteht also die Möglichkeit, dass es sich um das Verfahren der Dreifarbenprojektion handelt. Wenn diese Fotografien aber aus ihrem Zusammenhang gerissen werden, z.B. einzeln und ohne Farbfilter und
Projektionsapparat überliefert sind, können sie nur als schwarz-weiß Bild identifiziert
werden und der Bezug zur Farbfotografie ist nicht mehr nachvollziehbar.
Nach 1900 wurde eine ganze Reihe von Farbrasterverfahren entwickelt. Das Funktionsprinzip ist das gleiche, wie bei der Dreifarbenprojektion. Über eine schwarz-weiß Platte
bzw. -Film wird ein Raster aus winzigen blauen, grünen und roten Filtern gelegt. Die
Verfahren unterscheiden sich in Art des verwendeten Rasters. Die einzelnen Farbrasterverfahren und ihre Identifizierung hat Stefan Dobrusskin in einem Beitrag zum Sonderheft
59
60
61
62
Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 148.
Siehe: Koshofer, Gert: „Farben und Fotografie im 19. Jahrhundert“, S. 25.
Ebd.: S. 26f.
Der Verfasserin lag kein Beispiel für ein solches Foto vor.
38
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
„Farbfehler! Gegen das Verschwinden der Farbfotografie“ des Rundbriefs Fotografie
beschrieben.63 Für die Identifizierung der Verfahren ist jedoch ein Mikroskop notwendig,
um die Rasterform erkennen zu können. Marjen Schmidt gibt für Farbrasterverfahren eine
30-fache Vergrößerung an.64 Da die Farbrasterverfahren auf transparenten Trägermaterial
angefertigt werden, wäre es vermutlich auch möglich, das Bild unter ein Mikrofichegerät
mit einer 30-fachen Vergrößerung zu legen. Ein solches Gerät ist in Archiven vermutlich
mit höherer Wahrscheinlichkeit zu finden, als ein Mikroskop. Allerdings dürfen die
Abmessungen des Bildträgers für das Gerät nicht zu groß sein.
Mit dem Aufnahmematerial und den neu entstehenden Bedürfnissen entwickelte sich auch
die Kameratechnik, was sich teilweise auch auf die Formate der Negative auswirkte. Viele
Formate sind standardisiert und lassen daher keinen Rückschluss auf eine Datierung über
das verwendete Kameramodell zu. Es sind vor allem spezielle Entwicklungen und Bildformate, die aus der Masse der Fotografien heraus stechen und damit leicht identifizierbar
sind, z.B. lieferte der erste Kodak-Rollfilm von Georg Eastman aus dem Jahre 1888 runde
Bilder im Durchmesser von 64 mm.65
Durch verbesserte Objektive und lichtempfindlichere Schichten konnten schließlich auch
kleinformatige Platten hergestellt werden. Diese waren z.B. für die Geheimkamera von
Carl Paul Stirn aus dem Jahr 1886 nötig. Diese für damalige Verhältnisse sehr kleine
Kamera konnte unter der Weste getragen werden, während das Objektiv als Westenknopf
getarnt aus einem Knopfloch lukte66 und kreisrunde Bilder im Durchmesser von 42 mm
aufnahm.67
Mit der Entwicklung der Trockenschicht war es möglich mehrere unbelichtete fotografische Platten für einen längeren Zeitraum in einem Kameramagazin zu lagern. Dadurch
konnten fotografische Automaten konstruiert werden, die nach Münzeinwurf fertige
Sofortbilder aufnahmen. Einer der wohl am meisten verbreiteten Vorläufer der heutigen
Paßbildautomaten war der Bosco-Automat, den Conrad Bernitt 1894 konstruierte. Die
Bilder des Automaten haben einen breiten Metallrand mit dem jeweiligen Firmennamen.68
63
64
65
66
67
68
Siehe: Dobrusskin, Stefan: „Fotografische Farbstoffrasterverfahren“.
Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 46.
Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 16.
Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 158.
Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 5.
Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 157f.
39
II Identifizierung der fotografischen Verfahren
Das Aufnahmedatum solcher Automatenbilder lässt sich also in den Verbreitungszeitraum
des jeweiligen Automaten einordnen.
Neben dem physischen Material und dem Bildinhalt lassen sich auch über den Überlieferungszusammenhang Rückschlüsse auf den Entstehungszeitpunkt der Fotografie ziehen.
Mit der zunehmenden Popularisierung der Fotografie verbreiteten sich die Fotoateliers,
deren Hauptabnehmerkreis das aufsteigende Kleinbürgertum war.69 Die Fotografen der
Ateliers signierten in der Regel die Herkunft der Fotografien, indem sie diese auf Untersatzkartons klebten oder mit Etiketten versahen, die Name und Anschrift des Ateliers
enthielten. Durch den Bestehungszeitraum des entsprechenden Fotografenateliers kann
demnach als Entstehungszeitraum der Fotografie eingegrenzt werden.70 Der Studiengang
Museumskunde an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (FHTW) hat im
Sommersemester 2003 eine Datenbank angelegt, die Berliner Fotografenateliers des 19.
Jahrhunderts mit Namen und Existenzzeitraum erfasst. Grundlage für die Datenbank, die
ständig erweitert und gepflegt wird, sind Fotografien aus privaten und öffentlichen
Beständen.71
Diese Datenbank ist im Gegensatz zu den anderen angeführten Hinweisen zur Fotodatierung auch für Laien auf dem Gebiet der Fotogeschichte nutzbar. Für das Erkennen fotografischer Besonderheiten und besonderer Formate sind dagegen fotohistorische Kenntnisse
nötig.
69 Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 138.
70 Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 37ff.
71 Siehe: www.berliner-fotografenateliers.de.
40
III Kostümgeschichte und Mode
III Kostümgeschichte und Mode
Die Entwicklung der Kleidung und Mode ist eng mit der geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen verknüpft. Kleidung ist wahrscheinlich schon seit ihrer
Entstehung mehr als nur Schutz des menschlichen Körpers gegen äußere Einflüsse. Sie ist
mit einer Symbolik verbunden, welche die gesellschaftliche, soziale oder politische Position des Trägers nach außen signalisiert. Im Lauf der geschichtlichen Entwicklung und
ihren Veränderungen im sozialen, gesellschaftlichen und politischen Bereich änderte sich
auch der vorherrschende Kleidungsstil bzw. die Mode.72
In der Klassengesellschaft war es die herrschende Klasse, die den modischen Ton angab
und dem auch nur die höheren Klassen folgen konnten.73 Durch die Demokratisierung und
Konfektionierung der Mode mit der fortschreitenden industriellen Revolution wurden neue
Moden auch für eine größere Anzahl der Bevölkerung erschwinglich und konnten sich
immer schneller verbreiten. Mode war nicht mehr ausschließlich den elitären Kreisen
vorbehalten und Modeschöpfer ließen sich sogar von Randgruppen und Minderheiten
inspirieren, deren Kleidungsstile sie etwas abgewandelt für den Massengeschmack aufbereiteten.74
Mode ist als Produkt gesellschaftlicher Umbrüche also ein gutes Erkennungsmerkmal
geschichtlicher Epochen. Dabei ist die relative Kurzlebigkeit der Mode bei der Datierung
von Bildern ein Vorteil, da sie es ermöglicht, den Zeitraum stärker einzugrenzen, als es bei
der Datierung über die fotografischen Verfahren der Fall ist.
Die Kostümgeschichte wird auch in der Kunstwissenschaft als Hilfsmittel zur Datierung
von Gemälden angewandt. Der Maler hat jedoch einen weitaus größeren Gestaltungsspielraum bei der Wiedergabe des abzubildenden Motivs hat als der Fotograf. Die Kostüme
oder modischen Details können aus der Fantasie heraus erschaffen worden sein.75 Diese
Aspekte können bei der Fotografie als Kunstform zwar ebenfalls vorkommen, sind aber
nicht Mittel und Zweck der Fotografien mit dokumentarischen Charakter76, die hauptsäch72
73
74
75
Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“. S. 6f.
Ebd.: S. 7f.
Ebd. S. 396f.
Siehe: Tasch, Stephanie: Rezension von: Emilie E.S. Gordenker: Van Dyck and the representation of
dress in seventeenth-century portraiture. S. 1.
76 Siehe: Schneider, Sigrid: „Fotos als historische Quelle“, S. 23.
41
III Kostümgeschichte und Mode
lich als geschichtliche Traditionsquelle genutzt werden. Von den Fotografien, die in dieser
Arbeit untersucht werden wird vorausgesetzt, dass sie die wirklichkeitsgetreue Kleidung
der Bevölkerung abbilden.
Die Motive, die sich auf Fotografien in Archiven finden, sind so unterschiedlich wie die
Intentionen ihrer Aufnahme. Fotografien in juristischen Akten dokumentieren vor allem
Tatorte, Tatgegenstände und Spuren. In Nachlässen finden sich vorwiegend Zeugnisse
privater Erinnerung verbunden mit der Abbildung des privaten Umfeldes und wichtigen
persönlichen Ereignissen. Vor allem hier ist die größte Anzahl an Abbildungen von
Personen aufzufinden. Bei der stadtgeschichtlichen Ergänzungsüberlieferung werden
neben wichtigen Ereignissen vorwiegend auch die Bilder einzelner Gebäude, Straßen und
Plätze gesammelt.
1.1 Begriffsbestimmung und Modetheorien
Kostümgeschichte als Geschichte der Kleidung ist nicht gleich Mode und Mode als kulturelle Erscheinungsform ist nicht gleich Kostümgeschichte. Obwohl diese Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch häufig vermischt und synonym verwendet werden, weil sie sich
im Betrachtungsraum der Kleidung großflächig überschneiden, gibt es wesentliche Unterschiede. Daher werden diese Begriffe zunächst voneinander abgegrenzt.
Die Kostümgeschichte beschäftigt sich mit der Geschichte von Kleidung überhaupt und
geht damit bis zu dem Zeitpunkt zurück, an dem der Mensch zum ersten Mal mit einem
Stoff seinen Körper einhüllte. Die Entwicklung der Kleidung wird in Verbindung mit der
Sozial-, Kultur- und Sittengeschichte untersucht. Dabei ist sie nicht nur auf Modeerscheinungen begrenzt, sondern berücksichtigt auch Trachten, Traditionen und wesentliche
Neuerungen, die einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Kleidung hatten, z.B.
die Durchsetzung der Frauenhose. Ansonsten bleibt die Kostümgeschichte im Gegensatz
zur Mode auf das Objekt Bekleidung in Verbindung mit der Haar- und Bartmode
beschränkt.77
77 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 9.
42
III Kostümgeschichte und Mode
Der Begriff Mode taucht erst im 15 Jahrhundert in Frankreich auf. Die Gebrüder Grimm
schreiben dazu in ihrem Wörterbuch von 1885:
„[...] das franz. seit dem 15. jahrh. häufig erscheinende fem. mode, dessen unmittelbare ableitung vom lat. masc. modus nicht ohne Zweifel steht (man müste denn
die geschlechtsänderung durch den Einflusz des älteren fem. manière erklären
wollen), das zeitgenössische art und brauch im allgemeinen, auch die dem wechselnden geschmack unterworfene art sich zu kleiden ausdrückt [...], erscheint vor
den zwanziger jahren des 17. jahrh. in deutscher sprache nicht [...]; der begriff
bleibt zunächst auf die tracht beschränkt [...], mode erweitert seine bedeutung aber
bald auch auf den augenblicklichen zeitgeschmack im benehmen und thun der
gesellschaft“78
Diese Definition zeigt, dass sich der Begriff Mode ursprünglich zwar auf die Kleidung
beschränkte, sich aber auch auf gesellschaftliche Verhaltensweisen und schließlich die
industriellen Produkte ausgebreitet hat.79 Damit birgt die Erscheinung Mode weitere
Möglichkeiten für die Fotodatierung. Es können z.B. neben der Bekleidung der dargestellten Personen auch deren Umgebung, wie das Mobiliar oder die Beschriftungen der
Fotos mit Modewörtern80 analysiert werden. Auf diese Möglichkeiten kann im Rahmen
dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen werden, sondern die Betrachtung von Modeerscheinungen begrenzt sich ausschließlich auf den Bereich der Kleidung.
Vom Modebegriff abzugrenzen sind Neuerungen, die keine kurzlebigen Erscheinungen,
sondern wegweisende Errungenschaften in der Entwicklung waren. Diese Neuerungen
können zwar anfangs als Modeerscheinungen aufgefasst worden sein und kurzlebige modische Erscheinungsformen besitzen, sind aber im Grunde längerfristige Veränderungen,81
wie etwa der Pkw oder die Hose als alltägliches Bekleidungsstück für die Frau82.
An der Grimmschen Definition und der Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen von
78
79
80
81
82
Siehe: Grimm: „Deutsches Wörterbuch“ 1885; S. 2435f.
Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S. 23f.
Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 37.
Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S. 21.
Vergl.: Wolter, Gundula: „Hosen, weiblich“, S.11ff und 287ff.
Das Tragen von Hosen und Röcken war bis in die jüngste Vergangenheit in unserem Kulturkreis an eine
feste Rollenverteilung gebunden. Hosen waren als typische männliche Kleidungsform zugleich Symbol
männlicher Herrschaft. Die Respektierung der Hose als Frauenkleidung ist eng mit der Emanzipation
verknüpft und hat sich erst Ende der 1960er Jahre endgültig in allen Lebensbereichen durchgesetzt.
43
III Kostümgeschichte und Mode
Veränderung wird erkennbar, dass Mode drei wesentliche Aspekte enthält. Dies ist als
erstes die Zeit, da Modeerscheinungen nur kurzlebig sind und einem immer wiederkehrenden Wandel unterliegen. Als zweites ist die Verbreitung und damit der soziale Aspekt
von Mode ausschlaggebend. Eine Modeerscheinung wird von einer relativ großen Anzahl
von Individuen gleichzeitig getragen, wobei jedoch keine quantitativen Angaben gemacht
werden können. Der dritte Aspekt ist das Objekt der Modeerscheinung selbst, welches z.B.
die Kleidung oder auch die Verhaltensweise sein kann.83
Die zweite Bedeutungsebene des Begriffes erfasst Mode als Prozess des stets wiederkehrenden Wandels an sich. Daher ist es umstritten, ob bei historischen Epochen, die eine
lange Beständigkeit ihrer Kultur und Kleidung aufweisen, bereits von Moden gesprochen
werden kann.84
In den unten angeführten Publikationen zur Kostümgeschichte wird aufgrund der Quellenlage bis in die jüngere Vergangenheit nur die Kleidung der gehobenen Gesellschaftsschichten betrachtet. Wie stark und wie schnell sich einige Modeerscheinungen in den
unteren Schichten durchgesetzt haben, wird nicht behandelt. Auch für die Moden in den
demokratisierten Gesellschaften werden die verschiedenen Modeerscheinungen zwar in
festgelegte Zeitabschnitte eingeteilt, es ist aber nicht immer eindeutig herausgestellt, ob es
sich um die Zeit des häufigsten Auftretens oder um die Anfangszeit der jeweiligen Mode
handelt.
Mit dem Problem des Modewandels und der Ausbreitung beschäftigen sich dagegen die
verschiedenen Modetheorien. Alle Theorien gehen davon aus, dass die verschiedenen
Moden nicht zeitlich parallel sondern zeitlich versetzt und überschneidend auftreten. Eine
der wichtigsten Theorien ist die sogenannte klassische Trickle-Down-Theorie aus dem Jahr
1904 von Georg Simmel, die davon ausgeht, dass die Mode in der oberen Klasse entsteht
und von dort auf die unteren Klassen heruntertröpfelt (daher der Name). Da die gehobene
Gesellschaftsschicht aber darauf bedacht ist, sich durch ihre Mode von den unteren
Schichten abzugrenzen, schafft sie für sich eine neue Mode, bevor die vorherige ihr Vertei-
83 Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S: 19ff.
84 Ebd.: S. 27ff.
44
III Kostümgeschichte und Mode
lungsmaximum in der breiten Bevölkerung erreicht hat. Die Grafik in Abbildung 5
verdeutlicht, dass dadurch mehrere Moden gleichzeitig auftreten können.85
Abbildung 5: Die Grafik verdeutlicht das Überschneiden und
gleichzeitige Auftreten mehrerer Moden
Mit der Demokratisierung der Gesellschaft und dem Abbau des Klassensystems ist aber der
Ansatz der Trickle-Down-Theorie nicht mehr anwendbar. Es entwickelten sich neue Theorien, die diesen Ansatz abwandelten und eine Modeausbreitung horizontal innerhalb der
Schichten und auch von unten nach oben annahmen. Das gleichzeitige Auftreten mehrerer
Moden ist jedoch beibehalten worden, da davon ausgegangen wird, dass es zunächst frühe
Abnehmer der neuen Mode gibt, bevor diese von der Mehrheit der Bevölkerung und
schließlich von Nachzüglern übernommen wird.86
Für die Analyse der Fotografien bedeutet dies, dass typische Merkmale zweier aufeinanderfolgender Modeepochen auf einer Fotografie auftreten können. Da die Kostümbücher
aber keine Angaben zur Verbreitung der Moden machen, wird die Datierung der Fotografien erschwert. Um in diesem Fall einen Orientierungspunkt festzulegen, wird davon
85 Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S. 44ff.
86 Ebd.: S. 52ff.
45
III Kostümgeschichte und Mode
ausgegangen, dass die im Experiment verwendeten Publikationen den Zeitraum der
weitesten Verbreitung betrachten, sofern nichts anderes angegeben wird.
Die unlineare Struktur von Modewandel und -ausbreitung erschwert eine eindeutige zeitliche Zuordnung von Fotografien anhand der Kleidung und Toilette der abgebildeten
Personen. Vor allem für einen Laien sind daher Datierungen der modischen Erscheinungsbilder mit Hilfe kostümgeschichtlicher Publikationen nur in einem begrenzten Umfang
möglich. Diese Grenzen sollen im folgenden Experiment herausgestellt werden.
46
III Kostümgeschichte und Mode
2. Analyse-Instrumente
Alle ausgewählten Publikationen sind der „Bibliographie zur Inventarisierung“, herausgegeben von der Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg, entnommen.
Es wird dort eine ganze Reihe von sehr speziellen Veröffentlichungen, wie etwa zu einem
einzelnem Accessoire, aufgeführt. Diese Publikationen können für eine spezielle Fragestellung herangezogen werden. Im Rahmen dieser Arbeit kann jedoch nur eine grobe Bestimmung der Kleidung durchgeführt werden. Die speziellen Publikationen enthalten für diesen
Zweck eine zu große Informationsfülle. Ausgewählt wurden daher Bücher, die in erster
Linie einen Überblick über die Kostümgeschichte geben.
2.1 „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“ und
„Die Mode des 20. Jahrhunderts“ von John Peacock
Die beiden Bildhandbücher verstehen sich als visueller Überblick über die Geschichte der
Kleidung. John Peacock verzichtet in seinen Publikationen völlig auf eine textliche Erläuterung zur Entwicklung der dargestellten Kostüme, da sie „[...] keine akademische Untersuchung der Geschichte der abendländischen Kleidung [...]“87 sein sollen. Die dargestellten
Kostüme werden lediglich kurz und knapp in einem angegliederten Textteil beschrieben.
Die Darstellungen sind zeitlich chronologisch geordnet und illustrieren unterschiedliche
Kostüme einer Zeitspanne. Diese sind auf den europäischen Kulturraum begrenzt, wobei
zu jeder Figur zusätzlich die Nation vermerkt ist. Allerdings sind die Nationen, in denen
sich die Mode nicht zeitlich parallel entwickelt hat, nicht zu gleichen Anteilen vertreten,
was die Verwendungsmöglichkeiten dieser Bildtafeln eventuell einschränkt.
In der ersten Publikation „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, folgend auch erstes
Bildhandbuch genannt, ist die Mode der letzten viertausend Jahre abgebildet. Die Figuren
sind im Gegensatz zu den meisten anderen Modezeichnungen teilweise sehr robust und
kastenförmig gezeichnet. Dadurch kann die entsprechende Silhouette der zeitgenössischen
Kleidungsform nicht gut erkannt werden. Andererseits wird dadurch auch illustriert, wie
sich die Kleidung an robusteren Figuren gestaltete.
87 Siehe: Peacock, John: „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, S. 7.
47
III Kostümgeschichte und Mode
Der zweite Bildband „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, folgend auch zweites Bildhandbuch genannt, zeigt zierlichere Figuren, an denen vor allem die Taille deutlicher erkennbar
ist. Der Darstellungszeitraum ist größtenteils auf fünf Jahre eingegrenzt, wobei es an
einigen Stellen auch Unterbrechungen dieses Rhythmus gibt. Die Darstellungen sind in
diesem zweiten Bildband nur auf die Frauenmode begrenzt und die Kleidung wird sachthematisch nach ihrer Funktion unterschieden. Diese Unterscheidung der Frauenkleidung nach
Zweck und Gelegenheit entwickelte sich bereits in der Biedermeierzeit heraus.88 Neben der
Alltagsmode werden auch auch Abbildungen zur Haute Couture, zu Unterwäsche, Abend-,
Bade-, Hochzeits-, Sport- und Freizeitmode unterschieden. Es sind auch Übersichten zu
typischen Accessoires vorhanden, während das Make up jedoch nicht beschrieben wird.
Diese Bücher geben einen guten Überblick über die unterschiedlichen Silhouetten der
jeweils typischen Kleidungsformen und deren Entwicklung. Sie können damit zur ersten
zeitlichen Einteilung bei der Fotodatierung behilflich sein.
2.2 „Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch
Während John Peacock bei seinen Werken einen visuellen Überblick über die Entwicklung
der Kleidung und Kleidungsformen gibt, wird diese Entwicklung von Annemarie Bönsch
in Textform beschrieben. Das Hauptaugenmerk liegt dabei weniger auf modischen Einzelerscheinungen als auf den Aspekten, die das Gesamtbild der Kleidung und damit die
Silhouette formten. Über ihre Entwicklung gibt es aber keinen bildlichen Überblick,
weshalb sich dieses Werk gut mit dem von John Peacock ergänzt.
Die Entwicklung der einzelnen Kleidungsformen wird nach Männer- und Frauenmode
getrennt betrachtet, wobei die Männermode nur in einem kurzen Überblick behandelt wird
während die Entwicklung der Frauenmode durch Zwischenüberschriften zeitlich in
einzelne Abschnitte unterteilt wurde. Dabei ist die Einteilung der Zeitabschnitte nach 1900
im Abstand von fünf Jahren feiner, als vor der Jahrhundertwende.
Auffällig ist die Auffassung, dass sich die Kleidung zielgerichtet und gesteuert entwickelt
hat. Die Entstehung neuer Silhouetten wird nicht als Abänderungen bestehender Formen,
sondern als Hinarbeitungen auf eine angepeilte Gestaltung zu einem späteren Zeitpunkt,
88 Siehe. Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 321.
48
III Kostümgeschichte und Mode
dargestellt. Diese Auffassung, hebt sich von den anderen Kostümbüchern ab, wird jedoch
nicht begründet.
2.3 „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ von Ingrid Loschek
Das Lexikon gliedert sich in drei eigenständige Teile. Im ersten Teil wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Kleidung und der Mode gegeben, wobei die zeitlich großzügig eingeteilten Epochen jeweils ein Kapitel bilden. In den Kapiteln wird der Verlauf der
Männer- und Frauenmode einzeln abgehandelt. Diese Abschnitte sind jedoch nicht mit
Zwischenüberschriften versehen oder anderweitig durch Formatierung abgegrenzt, was
eine Orientierung im Text erheblich erschwert. Eine weitere Einteilung, wie beispielsweise
nach einzelnen Kleidungsstücken oder eine getrennte Betrachtung der Accessoires gibt es
nicht.
Der umfangreichste Teil des Buches ist das alphabetische Lexikon zu den Fachbegriffen
der Mode- und Kostümgeschichte. Zu wichtigen Oberbegriffen, wie etwa Ärmel oder
Haarmode, gibt es lange und ausführliche Artikel, die auf weitere Unterbegriffe verweisen.
Die Betrachtung erfolgt dabei wie im ersten Teil zeitlich chronologisch und nach Männerund Frauenmode getrennt. Durch die fehlenden Zwischenüberschriften ist es auch hier
schwierig, sich im Text zu orientieren. Neben der Haar- wird auch die Bartmode
beschrieben, während das Make up als modisches Erscheinungsbild fehlt.
Der dritte Teil ist eine alphabetische Übersicht zu Modeschöpfern, Designern und Designfirmen, was für die vorliegende Arbeit jedoch nicht von Bedeutung ist.
2.4 „Die Geschichte des Kostüms“ von Erika Thiel
Diese großformatige Publikation bietet einen guten Überblick über die Geschichte des
Kostüms von der Steinzeit bis zu den 1990er Jahren. Dabei wird die Entwicklung der
Mode eingehend erläutert, wobei stets die Bezüge zu den jeweiligen gesellschaftlichen und
politischen Zeitgeschehnissen gezogen werden, welche die Mode maßgeblich beeinflussten.
Der Inhalt ist zeitlich und thematisch strukturiert. Die Frauen- und Männermode wird
getrennt aufgeführt. Die einzelnen Kleidungsstücke, z.B. Mäntel und Abendkleider und
49
III Kostümgeschichte und Mode
weitere Modeaspekte, wie modisches Beiwerk und typische Stoffe werden in einzelnen
Absätzen behandelt. Die Formatierung der Teilüberschriften, die nur ein kursiv gedrucktes
Wort am Anfang des Absatzes sind, ist sehr unübersichtlich, so dass sich der Leser nur
schwer im Text orientieren kann.
Das Buch ist mit zahlreichen, teilweise farbigen Bildern illustriert, von Gemälden, Modezeichnungen und Karikaturen bis zu Fotografien.
Die betrachteten Zeiträume sind sehr stark zusammengefasst und die wichtigsten Informationen dieser Publikation sind im umfangreichen Text enthalten. Als Nachschlage werk
über die kostümgeschichtliche Entwicklung ist sie daher weniger geeignet, als das Modeund Kostümlexikon von Reclam.
Durch den guten Überblick über die Mode im Zusammenhang mit der geschichtlichen
Entwicklung, bietet sich das Buch als erster Einstieg in die Kostümgeschichte und zur
Aneignung von Vorwissen an.
Diese vier Publikationen sind für diese Arbeit eine geeignete Auswahl aus der Bibliographie, da sie die Kostümgeschichte unter unterschiedlichen Fragestellungen betrachten. Die
beiden Bildhandbücher von John Peacock und „Formengeschichte europäischer Kleidung“
von Annemarie Bönsch stellen die Entwicklung der Silhouette dar, die sich in jeder Modeepoche verändert hat.
Erika Thiel beleuchtet in „Geschichte des Kostüms“ die Modeentwicklung im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung und illustriert die beschriebene Mode mit vielen
Abbildungen.
In „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ können die Untersuchungsmerkmale Frisur, Bart
oder einzelne Kleidungsstücke gezielt nachgeschlagen werden.
Die Bibliographie listet noch weitere Publikationen auf, die einen zeitlichen Gesamtüberblick bieten. Diese haben dieselben Schwerpunkte wie die ausgewählten Publikationen,
sind aber durch ihren Aufbau umständlicher zu handhaben oder bieten weniger Informationen.
50
III Kostümgeschichte und Mode
3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte
Für den Versuch Fotografien mit Hilfe der Kostümgeschichte zu datieren, bot sich im
Landesarchiv eine große Fülle an Versuchsmaterial. Um eine Auswahl zu treffen, die im
Rahmen dieser Arbeit zu bewältigen ist, wurde zuerst der Gesamtzeitraum für die kostümgeschichtliche Betrachtung von den Anfängen der Fotografie 1840 bis zu den 1960er
Jahren eingeschränkt. Ab 1970 ist das Modebild bereits sehr vielfältig, was die Möglichkeit
einer eindeutigen Datierung erschwert.89
Damit ein zeitlich gleichmäßiger Überblick über die Kleidung entsteht, werden in Anlehnung an die ausgewählten Kostümbücher folgende Modeepochen unterteilt:
•
Biedermeier (1815 – 1848)
(In diese Epoche fallen die Anfänge der Fotografie und Fotografien aus dieser Zeit
sind vermutlich nicht sehr oft anzutreffen. Deshalb ist die Untersuchung von
Bildern aus dieser Epoche hier nicht zwingend notwendig.)
•
2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (1850 – 1870)
•
Gründerjahre (1870 – 1890)
•
Jahrhundertwende (1890 – 1914)
•
I. Weltkrieg (1914 – 1918)
•
1920er und 30er Jahre (1918 – 1939)
•
II. Weltkrieg (1939 – 1945)
•
Nachkriegszeit und 1950er Jahre (1945 – 1959)
•
1960er Jahre (1960 – 1969)
Herausgesucht werden sollen zwei bis drei Fotos je Epoche, die sich idealerweise über
Anfang, Mitte und Ende der Epoche erstrecken. Damit soll eine größtmögliche Zahl an
Modeerscheinungen für den Versuch berücksichtigt werden. Diese Verteilung muss aber
nicht zwingend vorhanden sein.
89 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 246.
51
III Kostümgeschichte und Mode
Auf den Bildern sollen sowohl Männer als auch Frauen abgebildet sein, wobei Frauen
bevorzugt werden sollen, da die Frauenmode, vor allem im Zuge der industriellen Revolution, eine größere Vielfalt hervorbrachte.90
Bei der Auswahl wurden auch Kriterien für die Motive vorgegeben, da nicht jedes Motiv
für die kostümgeschichtliche Analyse geeignet ist. Auszuwählen sind Portraitfotografien,
wobei der ganze Körper oder der Oberkörper bis mindestens zur Taille abgebildet sein
sollte, Straßenszenen, die vermutlich die Personen meistens in Straßenkleidung zeigen und
Fotografien von gesellschaftlichen Ereignissen, bei denen die Personen vorwiegend
festliche Bekleidung trugen.
Die untersuchten Modeerscheinungen sind Silhouette, Rock-, Kleider- und Hosenformen,
die Frisur und Kopfbedeckung und schließlich Bart und Make up, sofern sie erkennbar
sind. Nicht identifiziert werden können Uniformen, Arbeitskleidung und Verkleidungen,
wie etwa beim Karneval.
Das Datum der Fotos ist vor dem Versuch nicht bekannt und wird nach der versuchten
Datierungen mit den Angaben des Landesarchivs verglichen.
90 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 331.
52
III Kostümgeschichte und Mode
4. Durchführung
4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen
Es liegen chronologisch ungeordnet 36 Kopien von schwarz-weiß Fotografien mit unbekannter Datierung vor. Die Fotokopie der Bilder soll verhindern, dass durch einen ungewollten Blick auf die Rückseite das Datum bekannt wird und so die Bewertung beeinflusst.
Die Durchführende des Versuches, im Folgenden Verfasserin genannt, hat sich vorher mit
Hilfe der benutzten Publikationen bereits einen Überblick über die Mode der einzelnen
Epochen verschafft. Durch die Fülle an Moden und Kleidungsformen ist dieser Überblick
aber recht grob.
Ein genauer Ablauf des Vorganges, z.B. welche Publikation als erstes berücksichtigt wird,
kann noch nicht festgelegt werden. Dies ergibt sich aus den Bedingungen der Fotografien.
Um die Herleitung der Datierung anhand der Hinweise und Daten, die in den Kostümbüchern gefunden wurden, übersichtlich zu gestalten, sind die gefundenen Hinweise einer
Publikation mit der entsprechenden Datierungsangabe teilweise in einer Tabelle zusammengefasst. Dazu wird angegeben, ob der gefundene Hinweis und damit die entsprechende
Datierung mit der vorliegenden Fotografie übereinstimmt. Beim Mode- und Kostümlexikon wird zusätzlich der entsprechende Artikel, aus dem die aufgeführten Hinweise
entnommen wurden, angeführt.
Eine komplette Beschreibung der Datierungsherleitung in Textform ist bei einigen Bildern
zu unübersichtlich nur schwer nachvollziehbar.
Der Abgleich der hergeleiteten Datierungen mit denen des Landesarchivs Berlin und eine
erste Auswertung erfolgt gleich in Anschluss an die jeweilige Bildanalyse. Auf diese Weise
kann der Bezug zu Einzelheiten besser beibehalten werden, als wenn die komplette
Auswertung erst ganz am Ende der Untersuchung erfolgen würde.
53
III Kostümgeschichte und Mode
4.2 Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse
Die Bilder werden in einer ersten Sichtung nach Vermutungen und Vorwissen zeitlich
vorgeordnet. Dabei bleibt eine Reihe von Bildern übrig, die ohne nähere Betrachtung nicht
eingeordnet werden können. Probleme bei der Einordnung bereiten vor allem Mäntel,
wenig modische Details an der Kleidung und die Differenz zwischen den idealisierten
Modezeichnungen und den Fotografien, die Personen mit sehr unterschiedlichen Körpermaßen und meist schlichterer Kleidungen abbilden. Diese Fotografien werden zunächst
beiseite gelegt und sollen zu einem späteren Zeitpunkt, an dem bereits mehr Erkenntnisse
gewonnen worden sind, erneut geordnet werden.
Die folgende Nummerierung der Bilder ist fortlaufend und spiegelt nicht die Reihenfolge
der Analyse wieder. Es wurde zwar versucht die Bilder chronologisch von der ältesten bis
zur jüngsten Fotografie zu untersuchen, aber da nicht alle Bilder gleich zu Beginn
eindeutig einer Epoche zugeordnet werden konnten, ist diese Abfolge teilweise unterbrochen. Um die Dokumentation des Versuchsablaufes übersichtlich zu halten, werden die
Bilder nach den Epochen, wie sie in den Auswahlkriterien angegeben sind, chronologisch
sortiert. Ausschlaggebend ist dabei die Datierung, die sich durch die kostümgeschichtliche
Auswertung ergibt.
Welche Bücher vorzugsweise für die Datierung herangezogen werden, unterliegt keinem
festen Ablauf, sondern ergibt sich aus der Fragestellung, die das jeweilige Bild aufwirft.
Wenn ein spezielles Kleidungsstück oder modisches Detail auffällt, wird das Lexikon von
Reclam ausgewählt, für das Gesamtbild der Kleidung und Silhouette werden die Publikationen von Annemarie Bönsch und John Peacock herangezogen. Dabei ermöglicht das
Bildhandbuch eine gröbere und schnellere Einordnung, während in „Formengeschichte
europäischer Kleidung“ genauere Angaben zur Überprüfung dieser Einordnung zu finden
sind. Die „Geschichte des Kostüms“ von Erika Thiel wird vor allem dann zur Hilfe
genommen, wenn Ähnlichkeiten mit Abbildungen oder Angaben zu modischen Entwicklungen wiedererkannt werden.
54
III Kostümgeschichte und Mode
Fotografien aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (1850 – 1870)
Bild Nr. 1
Das Bild ist ein Portraitfoto von vier Männern, die nur mit dem Oberkörper abgebildet sind
(siehe Anhang Abbildung 7). Die Fotografie ist zerkratzt und gerahmt, wie es für Daguerrotypien oder Ambrotypien charakteristisch ist. Sie muss also in der Anfangszeit der Fotografie ab 1840 bis ungefähr zur Jahrhundertwende entstanden sein. Diese erste zeitliche
Abgrenzung kann durch das Vorwissen über die verschiedenen fotografischen Verfahren
aus dem ersten Versuch dieser Arbeit getroffen werden.
Die Männer tragen Mäntel und andere Übergewänder, deren Form durch die unvollständige Abbildung nicht zu erkennen ist. Drei von ihnen tragen jeweils unterschiedliche Bärte.
Außerdem sind drei unterschiedliche Arten von Frisuren zu erkennen. Neben den Bartformen sind die Querbinder der Herren auffällig. Es sind keine Krawatten oder steife
Schleifen, sondern die Schleifenenden der geknoteten Tücher hängen lang und lose herab.
Analyse
Für die Datierung wird ausschließlich das Mode- und Kostümlexikon benutzt. Untersucht
werden der Bart, die Frisuren und die Krawattenform:
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
231
Haarmode
englische Fasson :
Seitenscheitel, glattes Haar
mit Locken an den Schläfen
ja, teilweise
um 1850
340341
Krawatte
Diplomatenschleife ab 1851
zum Frack (Rockform auf der
Fotografie nicht erkennbar)
ja
um 1850
55
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
115
Bartmode
Bartform des jeweiligen
Herrschers war Mode,
daneben auch andere
Bartformen oder kein Bart
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
ja
1850-1860
Zwirbel- und Knebelbart von
Napoleon III. in Abbildung
zusammen mit englischer
Fasson zu sehen
Datierung
Da die untersuchten Modeaspekte einheitlich auf die Zeit um die Jahrhundertmitte
hindeuten, wird das Bild um 1850 datiert.
Auswertung
Das Bild stammt aus dem Jahr 1844, womit die hergeleitete Datierung bestätigt ist.
Bild Nr. 2
Das Bild zeigt eine junge Frau in einem Kleid mit Reifrock. Sie steht dabei hinter einem
Stuhl, die Hände auf die Lehne gelegt. Ihre Haare sind nach hinten gekämmt und in einem
großen Knoten, eventuell Haarnetz zusammengehalten.
Analyse
Diese Fotografie und die Positionierung der Frau ähnelt sehr stark einer Reihe von sechs
zeitgenössischen Fotografien, die in „Geschichte des Kostüms“ abgebildet sind und Reifrock-Kleider der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts zeigen. Auf vier der Fotos stehen die
Frauen ebenfalls hinter einem Stuhl, während eine Hand auf der Stuhllehne liegt. Bei drei
der Frauen ist eine ähnliche Frisur zu erkennen, bei denen das Haar am Hinterkopf zu
einem großen Knoten zusammengenommen ist.
Datierung
Wegen dieser auffallenden Ähnlichkeit wird das Bild ebenfalls um 1850 datiert.
56
III Kostümgeschichte und Mode
Auswertung
Vom Landesarchiv ist das Bild um 1870 datiert worden. Ausschlaggebend war dafür das
bekannte Geburtsdatum der abgebildeten Frau und die Abschätzung des Alters auf dem
Foto. Es kann sein, dass die beschriebene Fotopose über einen längeren Zeitraum modern
war. Frisur und Kleidung auf dem Foto entsprechen nicht den Darstellungen der Kostümbücher für die Zeit um 1870. Als modische Frisur werden Locken und Stirnfransen
beschrieben. Das Volumen des Rockes schrumpft und statt des Reifrock wird die Turnüre
getragen (vergleiche Bild Nr. 5).
Bild Nr. 3
Abgebildet ist eine Kleinfamilie mit drei Kindern. Auffallend ist das große Karomuster des
einfach geschnittenen Kleides der Mutter, das typisch für die Biedermeierzeit ist. Ihre
Haare sind nach hinten gesteckt und von der Frisur ist nicht viel zu erkennen. Der Vater
trägt eine Art Vollbart, bei dem die Haare im Gesicht kurz und am Kinn etwas länger sind.
Vor ihm steht seine Tochter, wodurch ein Teil seiner Kleidung verdeckt ist. Die Mädchen
tragen Strümpfe mit Ringelmuster.
Die Kleidung der Personen ist insgesamt sehr schlicht, vermutlich stammen sie aus einfacheren Verhältnissen.
Analyse
Publikation
Geschichte des
Kostüms
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
325
Das Karomuster wird immer
größer
ja
314
Backen-, Kinn- und
Schnurrbart wachsen zu
einem Vollbart zusammen
ja
voluminöse Röcke
nein
321322/
342348
57
1840-1860
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
470
Strumpf
Strümpfe mit Ringelmuster
werden modern.
Auch für Kinderkleidung
zutreffend?
292293
Kinderkleidung
keine Anhaltspunkte
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Ja, unsicher
1875-1900
Datierung
Ausgehend von Stoffmuster und Bartform wird das Bild ebenfalls um 1850 datiert. Da die
Familie vermutlich aus einfacheren Verhältnissen kommt, trägt die Frau keinen Reifrock.
Weil die Datierung über die Strümpfe unklar ist, wird sie bei der Datierung nicht
berücksichtigt.
Auswertung
Das Bild ist 1885 entstanden und damit weit von der hergeleiteten Datierung entfernt. Der
Hinweis, der sich über die Ringelstrümpfe ergeben hat, passt zwar in diese Datierung, ist
aber recht unsicher. Im Artikel über Farbe und Muster des Mode- und Kostümlexikons ist
angegeben, dass in den 1880er Jahren ein Webmuster aus großflächigem Karo, genannt
Glencheck, für Kostüme typisch war.91 In dieser Zeit wurde auch kein Reifrock mehr
getragen.
Im 19. Jahrhundert wurden durchgängig mehrere Bartformen getragen, wobei die angeführte Beschreibung von Erika Thiel für den Bart auf dem vorliegenden Foto sehr zutreffend ist.
Bild Nr. 4
Das Bild zeigt ein Paar, das sich sitzend porträtieren ließ. Die Kratzer auf der Bildoberfläche lassen erkennen, dass es eine alte Fotografie auf Metall ist. Ein typischer Rahmen
für Daguerrotypien und Ambrotypien ist nicht vorhanden.
91 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 181.
58
III Kostümgeschichte und Mode
Das Kleid der Frau ist längst gestreift, hoch geschlossen und die Ärmel liegen eng an.
Durch die Sitzhaltung ist das Volumen ihres Rockumfanges nicht zu erfassen. Ihre Haare
sind in der Mitte gescheitelt und an den Seiten zu Locken gedreht, wie es zusammen mit
dem Streifenmuster für die Biedermeierzeit typisch war. Der Mann trägt eine gestreifte
Hose, eng anliegendes Haar und keinen Bart. Die Form seines Rockes ist durch das Sitzen
nicht erkennbar. Sein Querbinder ist schmaler als die Schleifen auf Bild Nr. 1. Durch die
Datierung des obigen Bildes ist bekannt, dass die Krawatten in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts im Zuge der zweckmäßiger werdenden Kleidung schmaler wurden. Vermutlich ist die Fotografie in der Übergangszeit der Epochen um die Jahrhundertmitte
entstanden.
Analyse
Um die Kleidung von ihrem Gesamteindruck her etwas näher bestimmen zu können, wird
sie mit den Darstellungen im ersten Bildhandbuch von John Peacock verglichen.
Publikation
Kostüm und
Mode – das
Bildhandbuch
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
160161
vorwiegend weite Ärmel
nein
1845-1855
162163
vorwiegend enge Ärmel
ja
1856-1869
163
insgesamt anderes Modebild
mit aufwendiger gearbeiteten
Kleidern
nein
1865-1869
In der Darstellung der Herrenkleidung finden sich keine charakteristischen Übereinstimmungen.
59
III Kostümgeschichte und Mode
Datierung
Unter Berücksichtigung des schmalen Querbinders und ausgehend von den Zeiträumen,
wie sie im ersten Bildhandbuch eingeteilt sind, wird das Foto auf den Zeitabschnitt von
1856 – 1865 datiert.
Auswertung
Die Fotografie ist 1849 und damit einige Jahre früher entstanden. Wie zunächst vermutet,
stammt sie aus dem Ende der Biedermeierzeit und dem Anfang der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Die Ärmelform des Kleides passt jedoch nicht zu den Beschreibungen der
Kostümbücher. Für die Jahrhundertmitte sind weite, unten ausgestellte Pagodenärmel
typisch (vergleiche Bild Nr. 5).
Bild Nr. 5
Das Bild wirkt durch seine leichte Unschärfe und Grobkörnigkeit sehr alt (siehe Anhang
Abbildung 8). Es zeigt das Porträt von einer sitzenden Frau, die ein einfach geschnittenes
Kleid trägt, dessen jackenartiges Oberteil mit Biesen verziert ist. Ihre Haare sind in der
Mitte gescheitelt, streng nach hinten gekämmt und am unteren Teil des Hinterkopfes
scheinbar einfach und flach zusammengehalten. Oberteil und Rock bestehen aus
demselben Stoff und das Muster des Kleides ist in den Stoff eingewebt. Das Rockvolumen
ist durch die Sitzhaltung nicht zu erkennen und der Saum des Rockes ist nicht mehr auf der
Fotografie abgebildet. Allerdings scheint das Rockvolumen nicht sehr groß zu sein.
Analyse
Um eine erste zeitliche Einordnung zu erhalten, wird das Bild mit den Darstellungen aus
dem ersten Bildhandbuch von John Peacock verglichen.
60
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Kostüm und
Mode- das
Bildhandbuch
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
158159
typische Biedermeierfrisur
nein
1840-1845
160162
Haare glatt nach hinten
genommen
ja
1845-1865
163168
Haare am oberen Teil des
Kopfes aufgesteckt
nein
nach 1865
164168
Keine Zweiteilung des Kleides
mehr. Die Taille ist entweder
durchgehend gearbeitet oder nein
das Oberteil nicht mehr
jackenartig.
nach 1870
Durch den Vergleich mit den Darstellungen im ersten Bildhandbuch von John Peacock
kann die Fotografie in den Zeitraum 1845 – 1865 eingegrenzt werden.
Diese zeitliche Einteilung wird mit den anderen Publikationen überprüft. Als Ergänzung
zum Bildhandbuch wird zunächst das Buch von Annemarie Bönsch genutzt.
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Der Ärmelansatz ist sehr tief
und die Ärmel weit
nein
1835-1865
Der Ärmel ist zu einer engen
Röhre geschrumpft, die den
Arm einzwängt.
nein
1840/ 42
242
Pagodenärmel
nein
1843-1860
242243
voluminöse Reifröcke
nein
1835-1865
242
Die Ärmel schrumpfen zu
einer lockeren Röhre
zusammen
ja
1860-1865
240
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
61
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
247
Rockvolumen schrumpft
ja
249250
voluminöse Frisuren
Locken, Stirnfransen
nein
255
weitere Rockschrumpfung
ja
Oberteil und Rock gehen
nahtlos ineinander über
nein
kugelförmige Ärmelansätze
nein
256
1865-1890
ab 1890
Rockvolumen, Ärmelform und Frisur, wie sie auf der Fotografie zu sehen sind, treten in
den Beschreibungen des Kostümbuches nie zusammen in einer der beschriebenen Epochen
auf. Das Kleid kann daher keiner Epoche eindeutig zugeordnet werden. Wenn das Rockvolumen vernachlässigt wird, da es auf der vorliegenden Fotografie nicht eindeutig zu
erkennen ist, kann das Kleid in den Zeitraum 1860 – 1865 eingeordnet werden.
In dem Buch von Erika Thiel soll zunächst nach Angaben über Stoffe und Muster gesucht
werden. Es finden sich jedoch im gesamten Zeitraum des 19. Jahrhunderts keine Übereinstimmungen der Beschreibungen von Stoffen und Mustern mit dem Kleid auf dem vorliegenden Bild. Bei der Lektüre stößt die Verfasserin auf die Bezeichnung Schoßtaille, die
nach der Beschreibung den Eindruck eines Kostüms erweckt. Da dies dem Bild entspricht
wird eine nähere Beschreibung im Mode- und Kostümlexikon nachgeschlagen:
62
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
181
Farbe und Muster
keine Übereinstimmungen
437
Schoßtaille
Das Oberteil ist an den Rock
genäht (nicht nachprüfbar) und
beide bestehen aus
ja, soweit
demselben Stoff.
ersichtlich
Vor allem zur Krinoline
1848-1856, aber auch später
getragen.
ab 1848ca. 1890
Haarmode
Locken, lockere
Haardrapierungen
nein
vor 1863
Die Haare werden glatt nach
hinten frisiert und in einem
Knoten zusammengehalten.
ja, soweit
ersichtlich
1863- ca.
1870
Stirnfransen, Haarknoten auf
dem Kopf zusammengesteckt
nein
ab 1870
Reclams Modeund
Kostümlexikon
232
nein
1840-1900
Da der Hinterkopf der Frau nicht erkennbar ist, kann die Frisur nicht vollständig beurteilt
werden. Davor und danach sind die Frisuren laut dem Artikel jedoch durch Locken,
lockere Drapierungen, Stirnfransen oder einem Knoten auf dem Kopf gekennzeichnet und
treffen damit eindeutig nicht zu.
Nach dem Mode- und Kostümlexikon deutet die Entstehung des Bildes auf den Zeitraum
1863-1870 hin.
Datierung
Unter Berücksichtigung der Angaben zu Ärmelform und Haarmode und unter Abwägung
der verschiedenen Hinweise aus den einzelnen Hilfsmitteln wird das Foto auf den Zeitraum
von 1860 – 1865 datiert.
Auswertung
Das Landesarchivs hat das Foto um 1890 datiert. Diese Datierung wäre mit den Publikationen zur Kostümgeschichte nicht zustande gekommen. In den Büchern wird für diese
63
III Kostümgeschichte und Mode
Zeit einheitlich eine andere Haarmode beschrieben bzw. abgebildet. Für eine typische
Frisur ab 1890 wurden die Haare nach oben gekämmt und auf den Scheitel zu einem
Knoten oder einer Bananenrolle zusammengefasst. Über der Stirn waren die Haare in
kleinen Löckchen gekräuselt. Vor 1890 waren ebenfalls Rolllocken, Stöpsellocken und
gewellte Haare charakteristisch.
Außerdem sind für die Zeit vor 1890 die Turnüre oder der Cul de Paris kennzeichnend, die
das Hinterteil des Rockes aufblähten. Da die Frau auf dem Foto sitzt, ist diese Partie nicht
zu erkennen. Ab 1890 ging das Kleidoberteil nahtlos in den Rock über, um die Gesamterscheinung zu strecken und ab 1895 blähten sich die Ärmel auf. Keines dieser Charakteristika ist auf dem Foto zu erkennen.92
Es kann sein, dass sich die Menschen aus einfacheren Verhältnissen diese modischen
Extravaganzen, die in den Kostümbüchern vorrangig betrachtet werden, nicht leisten
konnten. Es könnte aber auch möglich sein, dass die Datierung des Archivs nicht richtig
ist.
Bild Nr. 6
Die Fotografie zeigt ein älteres Paar, das nur knapp bis zur Taille abgebildet ist, daher ist
nur sehr wenig auf dem Bild zu erkennen.
Die abgebildete Frau trägt die Haare in der gleichen Frisur wie die Frau auf dem vorhergehenden Bild. Ihr Kleid ist hoch geschlossen und die Taille endet anscheinend in einer
Spitze nach unten in den Rock. Die Taillenform ist der Verfasserin bereits unter der
Bezeichnung Schneppentaille bekannt. Der Mann trägt glatt und eng anliegend nach hinten
gekämmte Haare und einen einfachen Oberlippenbart. Unter seiner schwarzen Überkleidung trägt er anscheinend eine Weste, an der eine Uhrenkette befestigt ist. Sein Querbinder
ist unter Umlegekragen und Weste gesteckt und besteht aus einer einfachen losen Schleife.
Analyse
Da sich die Frisuren der Frauen von diesem und dem vorherigen Bild gleichen, wird die
Fotografie ebenfalls in den Zeitraum um 1860 eingeordnet.
92 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S:248ff.
64
III Kostümgeschichte und Mode
Im Mode- und Kostümlexikon werden zunächst Angaben zur Schneppentaille und zur
Bartmode gesucht:
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
300
Schneppentaille
läuft spitz zum Rockteil zu,
kommt nach 1850 aus der
Mode
ja
1840-1850
115
Bartmode
es werden verschiedene
Bartformen, wie auch der
einfache Oberlippenbart
getragen
ja
um 1850
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Die gefundenen Angaben legen den Schwerpunkt auf den Zeitraum um 1850.
Die Fotografie wird mit den Darstellungen in „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“
verglichen, um weitere Anhaltspunkte zur Datierung zu finden:
Publikation
Kostüm und
Mode – das
Bildhandbuch
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
158162
Schneppentaille abgebildet
ja
1840-1865
158161
Vatermörderkragen
nein
1840-1855
162
Umlegekragen
ja
ab 1856
Nach diesen Darstellungen wird erst ab 1856 ein Umlegekragen getragen, was den Datierungszeitraum weiter eingrenzt.
Die herausgefundenen Angaben werden schließlich noch mit der Publikation von Erika
Thiel abgeglichen:
65
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
336
Geschichte des
Kostüms
338
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Der Umlegekragen wird
bereits beliebter.
ja
ab 1850
Krawatten werden von
kunstvoll geschlungenen
Tüchern zu einer einfachen
Schleife am Hals.
ja
ab 1860
Uhrenketten werden bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts
getragen, danach werden sie
von der Armbanduhr
verdrängt.
ja
1840-1900
Nach Erika Thiel wird der Umlegekragen bereits ab 1850 getragen, während schmale
Schleifen als Querbinder nach 1860 getragen werden. Ansonsten sind dem Buch keine
weiteren Hinweise zur Eingrenzung der Datierung zu entnehmen.
Datierung
Unter Abwägung der herausgefundenen Angaben wird das Bild um 1860 datiert.
Auswertung
Die Datierung des Landesarchivs ordnet die Fotografie jedoch um 1890 ein.
Wie bei Bild Nr. 5 bereits erläutert, ist die Frisur der Frau jedoch nicht typisch für diese
Zeit. In „Formengeschichte europäischer Kleidung“ wird allerdings in der Zeit zwischen
1890 – 1895 ein leicht angehobener Ärmelansatz beschrieben.93 Der Ärmelansatz am Kleid
der Frau ist auf dem vorliegenden Bild ebenfalls sehr leicht angehoben. Auch die Schneppentaille ist nach dem Mode- und Kostümlexikon an Kleidern ab 1870 wieder zu finden.
Bei der Männermode werden für die Zeit um 1890 im Bildhandbuch steif hochstehende
Kragen abgebildet, die an den Vatermörder- und an Stehkragen erinnern.94 In „Geschichte
des Kostüms“ wird erwähnt, dass um 1900 im sogenannten Spießbürgertum sich die
Kragen erneut den Vatermörderkragen annäherten. Die Haare wurden gegen Ende des Jahrhunderts mit Pomade nach hinten gekämmt, was wiederum auf das vorliegende Foto
93 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 254.
94 Siehe: Peacock, John: „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, S. 167ff.
66
III Kostümgeschichte und Mode
zutreffen würde.95 Dem Mode- und Kostümlexikon ist zu entnehmen, dass es die Schleifenkrawatte bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab. Bei der Bartmode wäre für die Zeit um
1890 entweder der Backenbart von Kaiser Wilhelm I. oder der aufgezwirbelte Schnurrbart
von Kaiser Wilhelm II. bezeichnend.96 Die Bartspitzen des Herrn auf dem Foto sind an den
Spitzen leicht angehoben aber nicht deutlich aufgezwirbelt.
Es wird deutlich, dass viele untersuchte Details nicht eindeutig einem Zeitraum zugeordnet
werden können. Auf dem untersuchten Bild gibt es modische Erscheinungsformen, die die
Datierung des Landesarchivs bestätigen und solche, die den Angaben in den Kostümbüchern zu widersprechen scheinen, da sie nicht dem dort aufgeführtem typischen Bild
entsprechen.
Fotografien aus der Jahrhundertwende (1890 – 1914)
Bild Nr. 7
Dieses Bild ist die Fotografie einer Straßenszene aus der Vogelperspektive (siehe Anhang
Abbildung 9). Zu sehen sind Männer mit Melonen und Frauen mit kreisrunden Hüten in
Form eines Canotiers, wie ihn eine der Frauen auch trägt. Die Ärmel der Kleider sind an
den Ansätzen aufgepufft und eine Frau im Hintergrund trägt große Ballonärmel. Die
glockenförmigen Röcke erinnern an die Eiffelturmlinie, wie sie Annemarie Bönsch für die
Zeit um die Jahrhundertwende beschreibt.97
95 Siehe: Thiel, Erika: „Die Geschichte des Kostüms“, S. 136ff.
96 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 115f.
97 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 260.
67
III Kostümgeschichte und Mode
Analyse
Publikation
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
255
gebauschte Ärmelkugel
ja
258
aufgeblähte Ballonärmel
ja
257
glatte, undekorierte
Rockoberfläche
ja
260
S-förmige Verkrümmung durch
nein
Kürass-Korsett
Säume schleifen auf den
Boden
1890-1895
1895-1900
1900-1905
nein
281
Kleidsaum steht am Boden auf ja
283
stark aufgeblähte Frisuren
nein
284
kaschierte Ärmelansätze
nein
285
ausladende Hüte
nein
136
Canotier
ab 1870 als Frauenhut
anerkannt
ja
ab 1870
322
Bowler
auch Melone genannt, um
1900 auch in grauer Farbe
ja
um 1900
1905-1910
1910-1915
Datierung
Die Datierung kann vor allem durch die Ärmelform eingegrenzt werden. Vorwiegend sind
Ärmel mit kugeligem Ansatz auf dem Foto zu sehen, nur etwas weiter hinten trägt eine
Dame bereits sehr aufgeblähte Ärmel. Der Gestaltung der Röck wird bei der Datierung
weniger berücksichtigt, da es möglich ist, dass die tägliche Straßenkleidung insgesamt
einfacher gehalten worden ist. Daher wird die Datierung auf den Zeitraum 1890 – 1895
eingeschränkt.
68
III Kostümgeschichte und Mode
Auswertung
Das vorliegende Foto ist aus dem Jahre 1898, womit die hergeleitete Datierung sehr nahe
kommt. Allerdings ist hier erkennbar, dass die Mode, wie sie in den Kostümbüchern
beschrieben wird, sich in der breiteren Masse der Bevölkerung etwas später durchsetzt.
Ansonsten müssten in der Damenmode aufgeblähte Ballonärmel anstatt der kugeligen
Ärmelansätze vorherrschen.
Da die Menschen auf der Aufnahme recht klein abgebildet sind, konnten Details und
Frisuren nicht untersucht werden.
Bild Nr. 8
Zu sehen sind fünf Frauen, die um einen Tisch sitzen und mit Pokalen anstoßen (siehe
Anhang Abbildung 10). Durch den Tisch ist nur ihr Oberkörper ohne die Taille zu sehen.
Die Frauen tragen alle die gleiche Frisur und den gleichen Schnitt der Kleidoberteile. Die
halblangen Ärmel sind sehr weit und werden am Ellenbogen in einem Bund zusammengehalten. Die Frisuren, bei denen der Knoten auf dem Kopf festgesteckt wird, erinnern stark
an die Haarmode auf einigen Modefotografien aus dem Jahr 1902, die in „Geschichte des
Kostüms“ abgebildet sind.98
Analyse
Publikation
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
262/
283
Haar wird auf dem Kopf
zusammengefasst,
Haarwulst um den Kopf,
Stirnrolle
ja
1900-1910
259
enge Ärmel
nein
1900-1905
281
großes Ärmelvolumen
ja
1905-1910
284
enge Ärmel und kaschierter
Ärmelansatz
nein
1910-1915
98 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 368f.
69
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Die Haare sind auf dem Kopf
Die Mode des
10-38 in einem Knoten
20. Jahrhunderts
zusammengefasst.
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
ja
1900-1915
Datierung
Da auf dem Foto keine weiteren auffälligen Details zu erkennen sind wird das Foto um
1905 datiert.
Auswertung
Das Landesarchiv hat das Foto um 1925 datiert. In dieser sind Zeit nach den Kostümbüchern jedoch Kurzhaarfrisuren typisch. Auch die aufgeblähte Ärmelform passt nicht in
diese Zeit. Annemarie Bönsch beschreibt die typische Silhouette ab 1925 als die Garçonne
und nennt sie die „[...] vielleicht wichtigste [...] Silhouette des 20. Jahrhunderts“ 99. Die
Frauen auf dem Bild sind von einer knabenhaften Erscheinung jedoch sehr weit entfernt.
Bild Nr. 9
Dieses Bild ist das Portraitfoto eines Mannes, der auf einem Stuhl sitzt. Er ist vollständig
abgebildet und die Schuhe sind zu erkennen.
Die Haare des Mannes sind gewellt und nach hinten gekämmt. Sie glänzen, als wenn sie
mit Pomade in Form gehalten werden. Der Oberlippenbart ist einfach und abfallend. Am
Unterschenkel seines vorgestreckten rechten Beines ist eine Falte erkennbar. Die Schuhe
weisen keine besonderen Auffälligkeiten, wie z.B. Gamaschen oder einen hohen Absatz
auf. Um den Hals trägt der Mann einen einfachen und kurzen Querbinder und das über der
Brust sichtbare Hemd wirkt sehr steif und erweckt damit dem Eindruck eines Chemisettes.
99 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 290.
70
III Kostümgeschichte und Mode
Analyse
Die Falte auf der Hose wird als Bügelfalte erkannt. Aus dem Buch von Erika Thiel ist
bereits bekannt, dass die Bügelfalte erst um die Jahrhundertwende erfunden wurde, was als
erste Zeiteinteilung genommen wird.100
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Geschichte des
Kostüms
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
116
Bartmode
schmaler, gepflegter
Oberlippenbart (englischer
Schnurrbart)
ja
335336
Chemisette setzte sich um
Jahrhundertwende immer
mehr durch
ja
338
Haare mit Pomade in Form
gehalten
ja
1918-1940
um 1900
Datierung
Nach diesen Angaben muss das Foto nach 1900 und vor dem Ende des I. Weltkrieges
entstanden sein. Daher wird die Datierung um 1910 angegeben.
Auswertung
Die Datierung vom Landesarchiv ist von 1862 und unterscheidet sich damit sehr stark vom
hergeleiteten Zeitpunkt. Ausschlaggebend für die Datierung nach 1900 war vor allem auch
die Falte auf dem Hosenbein, die sich bei einer Betrachtung im Nachhinein als eine
verdrehte Hosennaht herausstellt. Damit war bereits die erste grobe zeitliche Einordnung
falsch.
Bei der Untersuchung des Bildes wurde hauptsächlich das Kapitel über Herrenmode von
1850 – 1918 aus „Geschichte des Kostüms“ verwendet. Dieser Zeitraum schließt sowohl
die korrekte als auch die hergeleitete Datierung mit ein. Da die Orientierung im Text nicht
zeitlich chronologisch möglich ist, war es notwendig, das gesamte Kapitel durchzugehen.
Es wäre also möglich gewesen, dass sich der Irrtum eventuell über signifikante Details
bemerkbar gemacht hätte. Allerdings sind die Hinweise, die sich von der Kleidung, Frisur
100 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 335
71
III Kostümgeschichte und Mode
und Bartform auf dem Foto ablesen lassen nicht eindeutig genug und passen damit in einen
längeren Zeitraum. Die Angaben über die Frisur sind für den Zeitraum um 1860 sogar
widersprüchlich. Erika Thiel gibt an, dass in diesen Zeitraum das Haar seitlich oder mittig
gescheitelt war, was auf dem vorliegenden Foto jedoch nicht der Fall ist.
Bild Nr. 10
Auf dem Bild sind mehrere Personen unterschiedlichen Alters zu erkennen. Es erweckt den
Eindruck von der Fotografie einer Großfamilie mit mehreren Generationen (siehe Anhang
Abbildung 11). Es sind vor allem Frauen und Kinder zu sehen, nur rechts außen steht ein
Mann.
Die Frauen tragen unterschiedliche Arten von Frisuren und Kleidern. Die etwas älteren
Frauen haben die Haare locker nach oben gekämmt und auf dem Kopf zu einem großen
Knoten gesteckt, wie die Frauen auf Bild Nr. 8. Bei zwei Frauen, die vermutlich um die 30
Jahre alt sind, befindet sich der Haarknoten auf dem oberen Teil des Hinterkopfes und
wirkt nicht mehr so voluminös. Die zwei jungen Frauen bzw. Mädchen tragen zwei sehr
unterschiedliche Frisuren. Einmal sind die nach hinten gesteckten Haare an den Seiten
stark aufgebauscht. Das Mädchen daneben hat die Haare in der Mitte gescheitelt und
locker im Nacken zu einem Knoten genommen. Die alten Frauen tragen sehr schlichte
Frisuren.
Die Kleider und Röcke sind alle fußfrei und ohne Reifrock. Eines der Mädchens trägt
einen glockigen Bahnenrock.
Auch unterschiedliche Ärmelformen sind erkennbar. Die Frauen rechts und links auf dem
Bild tragen halblange, weite Ärmel, die am Ellenbogen mit einem Bund zusammengefasst
sind. Die anderen Frauen tragen, soweit erkennbar, lange, schmale Ärmel.
Der Mann trägt eine sogenannte Schiebermütze, einen Pullover und ein zerknittertes
Sakko. Die Hose trifft auf den Füßen auf und wirft Falten, sie sitzt locker und bequem. Im
Gesicht trägt der Mann einen einfachen Oberlippenbart.
Die kleinen Mädchen tragen Kleider, von denen an zweien der große weiße Kragen
auffällt. Einer der Jungen trägt ein einfaches weißes Hemd und der Junge hinter ihm eine
Schirmmütze, die an eine Uniform erinnert.
72
III Kostümgeschichte und Mode
Analyse
Um die Fotografie erst einmal grob einen Zeitabschnitt zuordnen zu können, wird das Bildhandbuch benutzt. Dabei erfolgt die Orientierung an der Kleidung der jungen Mädchen, die
dem aktuellen Zeitgeschmack vermutlich mehr entspricht als die Kleider der älteren
Frauen:
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Kostüm und
Mode – das
Bildhandbuch
167
keine Reifröcke mehr
ja
ab 1890
167177
Haare nach oben
zusammengenommen
ja
1890-1900
Haare nach oben
10-38 zusammengenommen oder
seitlich aufgebauscht
ja
1900-1915
33-46 Röcke fußfrei
ja
1910-1920
42-45 erste Kurzhaarfrisuren
nein
ab 1915
Die Mode des
20. Jahrhunderts
Nach den Darstellungen der Bildhandbücher ist die Fotografie vor dem I. Weltkrieg
entstanden.
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
glockiger Bahnenrock
ja
Rocksäume reichen bis zum
Boden
nein
283
große Stirnrolle
nein
1905-1910
284
Die Haare sind in der Mitte
gescheitelt und leicht
gebauscht über die Ohren
nach hinten aufgesteckt.
ja
1910-1915
Humpelrock
nein
1912-1915
Kriegskrinoline
nein
1915-1920
257285
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
285
1895-1912
Die Angaben bestätigen die Datierung vor 1915, während sich Rocklänge und Rockform
zu wiedersprechen scheinen.
73
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
233
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Haarmode
Bei der Reformfrisur sind die
Haare in der Mitte gescheitelt
und glatt über die Ohren zu
einem Knoten im Nacken
zusammengefasst.
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
ja
um 1910
Haare werden strenger frisiert nein
ab 1915
434
Schirmmütze
traditionelle Kopfbedeckung
ja
des Arbeiters,
nach 1900 auch Sportkleidung
1840-1900
293
Kinderkleidung
ja
Hängerkleidchen für Mädchen
ab 1880
Über die Angaben zur Haarmode bestätigt sich die Datierung um 1910 und vor dem I.
Weltkrieg. Die Zeitangaben für die Kopfbedeckung und die Kinderkleidung sind dagegen
zu weit.
Datierung
Die besten Datierungsmöglichkeiten bieten bei diesem Foto die Frisuren der Frauen. Es
sind typische Frisuren von 1890 – 1910 abgebildet. Da die Frisuren der jungen Mädchen
aber erst nach 1900 auftauchen, kann das Bild nicht früher entstanden sein und der Datierungszeitraum wird auf 1900 – 1910 festgelegt. Damit zeigt sich auch, dass ältere Personen
auch an einer älteren Mode festhalten und sich nicht dem aktuellen Zeitgeschmack unterwerfen. Dies erschwert natürlich die Datierung.
Sollten die abgebildeten Personen aus dem Arbeitermilieu stammen, lässt sich auch der
scheinbare Widerspruch zwischen Rockform und Rocklänge erklären. Der glockenförmige
Bahnenrock wurde bereits 1895 Mode und ist vermutlich nach 1900 auch von den unteren
Schichten übernommen worden. Da ein bodenlanger Saum jedoch bei der täglichen Arbeit
hinderlich wäre, ist er vermutlich verkürzt und den notwendigen Bedingungen angepasst
worden.
74
III Kostümgeschichte und Mode
Auswertung
Die Datierung des Landesarchivs um 1915 bestätigt das herausgestellte Ergebnis. Abgebildet ist jedoch keine Großfamilie, sondern die Bewohner eines ganzen Hauses des
Bezirks Berlin Mitte, die sich vor ihrem Wohnhaus fotografieren ließen.
Bild Nr. 11
Auf diesem Bild ist eine Gruppe von Männern und Frauen abgebildet, die sich für ein
Gruppenportrait positioniert haben. Bei den Frauen sind wie oben unterschiedliche
Frisuren erkennbar. Auffallend ist dabei, dass zwei der Frauen ihre Haare in einem Kranz
um den Kopf geflochten haben. Eine der Damen trägt die Haare wie das junge Mädchen
auf dem obigen Bild mit den aufgebauschten Seitenpartien. Zwei andere Damen tragen
ihre stark gewellten Haare locker über die Ohren in einem Nackenknoten zusammengefasst. Von den drei Herren tragen zwei einen Schnurrbart, wobei einer der Bärte stark hochgezwirbelt ist. Von den Frauen scheint keine ein Korsett zu tragen, bzw. ist unter den
weiten, blusigen Kleidoberteilen keine Körpereinschnürung erkennbar. Bei den sitzenden
Frauen ist die Rocklänge fußfrei, was darauf schließen lässt, dass die Röcke im Stehen
fußbedeckend knapp auf den Boden aufsitzen aber nicht schleifen.
Analyse
Durch die seitlich aufgebauschte Frisur kann die Fotografie in Anlehnung an das vorherige
Bild bereits in dem Zeitraum ab 1900 eingeordnet werden. Allerdings findet sich in keinem
der Bildhandbücher von John Peacock zu diesem Zeitraum eine Frisur, bei der der Kopf
mit den Haaren umflochten ist. Auch in dem Zeitraum davor bis 1840 zurück findet sich
keine solche Haarmode. Ab 1920 sind die Haare bereits kurz.101
101 Siehe: Peacock, Johne: „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, S. 158ff.
75
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
233
115116
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Haarmode Frauen
Haare werden onduliert und
breit und lose hochgerollt
ja, teilweise
Reformfrisur
ja teilweise
Seitenscheitel wird beliebter
ja
Haarmode Männer
Die Haare sind mit Pomade
glatt nach hinten gekämmt.
ja
1900-1930
Mittelscheitel
ja
um 1920
Bartmode
hochgezwirbelter Schnurrbart
von Willhelm II.
ja
1888-1918
1900-1910
Die stark gewellten und tief im Nacken zusammengenommenen Haare von zwei der
Frauen auf dem Bild sehen wie eine Mischung aus Reformfrisur und ondulierten, aufgesteckten Haaren aus.
Publikation
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
281
284
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
blusig gestaltetes Oberteil
ja
weite Ärmel
nein
enge Ärmel
ja
1905-1910
1910
Datierung
Aufgrund der erarbeiteten Angaben, wird das Bild auf 1900 – 1910 datiert.
Auswertung
Das Bild ist von 1913, womit die hergeleitete Datierung sehr gut liegt. Bei einer Überprüfung im Nachhinein wäre eine genauere Datierung möglich gewesen. In dem Mode- und
Kostümlexikon wird unter dem Artikel Haarmode beschrieben, dass zwischen 1912 und
1914 das ondulierte Haar etwas strenger über die Ohren zu einem flachen Knoten auf dem
76
III Kostümgeschichte und Mode
Hinterkopf zusammengesteckt wurde. Dies ist aber in dem unübersichtlich fortlaufenden
Text übersehen worden.
Bild Nr. 12
Zu sehen ist das Portrait einer stehenden jungen Frau. Der Rocksaum und die Füße sind
allerdings nicht mehr abgebildet (siehe Anhang Abbildung 12).
Die Frau trägt die Haare an den Seiten asymmetrisch und stark aufgebauscht nach hinten
gesteckt. Ihr Kleid ist reich verziert und mit einem Stehkragen versehen, die Ärmel sind
ellenbogenlang.
Analyse
Die Frisur ist, wie oben bereits festgestellt, typisch für die Zeit zwischen 1900 und 1910.
Bei näherem Hinsehen ist auch eine leichte S-Linie erkennbar, die zu dieser Zeit typisch
war. Für diese Zeit ist nach dem Mode- und Kostümlexikon auch der mit Posamenten
verzierte Stehkragen, wie er auf dem Bild zu sehen ist typisch.102
Für das Gesellschaftskleid der Sans-ventre-Linie sind ellenbogenlange, weite und mehrmals abgebundene Ärmel typisch, deren Saum meist mit Spitzen oder Rüschen verziert
war.103 Die Ärmel auf dem Foto sind dagegen glatt, haben aber eine starke Verzierung am
Saum.
Datierung
Auch wenn die typischen Beschreibungen in den Kostümbüchern nicht hundertprozentig
mit dem Kleid auf dem Bild übereinstimmen, weisen sie trotzdem auf die Sans-ventreLinie hin. Daher wird das Bild von 1900 – 1910 datiert.
Auswertung
Das Landesarchiv hat das Bild um 1900 datiert, was sich mit der hergeleiteten Datierung
deckt.
102 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 338.
103 Ebd.: S. 98.
77
III Kostümgeschichte und Mode
Bild Nr. 13
Das Bild ist das Portraitfoto von zwei Frauen, unterschiedlichen Alters (siehe Anhang
Abbildung 13). Die Füße sind auf dem Foto abgeschnitten und der Rocksaum ist nicht
erkennbar.
Die jüngere Frau trägt einen großen, runden, breitkrempigen Hut, der mit einfachem aber
voluminösem Aufputz versehen ist. Die ältere Frau trägt ein kleineres und kompliziert
aufgebautes Hutgebilde. Die Röcke der Kleider sind glockenförmig, aber nicht übermäßig
weit geschnitten und der Stoff ist einfach und glatt. Die Ärmel sind bei beiden Frauen weit,
wobei die ältere Dame dreiviertellange, ausgestellte Ärmel und die jüngere Dame mit
einem Bündchen zusammengefasste Ballonärmel trägt. Der Ballonärmel ist am Ärmelansatz teilweise gesmokt. Der Saum der Blusenärmel reicht bei beiden Frauen bis über die
Finger. Die jüngere Frau trägt einen sehr breiten Schulterkragen.
Analyse
Die Rockgestaltung weist auf die Zeit um die Jahrhundertwende hin. Da die Ärmel eine
Reihe von Besonderheiten aufweisen, wird dieser Einzelaspekt im Mode- und Kostümlexikon nachgeschlagen:
78
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
98
284
283
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Ärmel
Beutelärmel, die am
Ärmelansatz enger sind, zum
ja
Handgelenk erweitert und dort
in einem Bündchen
zusammengefasst sind
1900-1906
Die Ärmel reichen bis zu den
Fingerspitzen und sind
teilweise am Unterarm
ausgestellt.
ja
ab 1898
breiter Schulterkragen, der
Ärmelansatz überdeckt
ja
voluminöse Hüte
ja
hochgeschobene Taille,
ähnlich Empirelinie
nein
1910-1915
Datierung
Unter Abwägung der herausgefundenen Daten wird das Foto auf dem Zeitraum 1900 –
1910 datiert.
Auswertung
Das Landesarchiv datierte das Foto um 1910, was sich mit der hergeleiteten Datierung
überdeckt.
Bild Nr. 14
Zu sehen ist vermutlich eine Familie, die sich auf einer Wiese posierend fotografieren ließ.
Die drei Damen tragen sehr große Hüte mit teilweise opulentem Aufputz. Ihre Blusen sind
hochgeschlossen und haben einen Stehkragen. Die Ärmel sind an den Ansätzen leicht
gepufft. Eine der Damen ist sehr kräftig gebaut, daher ist die Modesilhouette ihrer Kleidung nicht gut erkennbar. Einer der Herren trägt eine Hose mit Bügelfalte und eine Melone
als Kopfbedeckung. An seiner Weste ist eine Uhrenkette befestigt. Der andere Herr sitzt
auf dem Rasen und hält ein kleines Mädchen auf dem Schoß, wodurch seine Kleidung
79
III Kostümgeschichte und Mode
nicht gut erkennbar ist. Seine Haare sind glatt nach hinten gekämmt. Beide Männer haben
einen einfachen Schnurrbart und Gehstöcke.
Analyse
Die Bügelfalte deutet darauf hin, dass das Bild nach 1900 entstanden ist und die großen
Hüte weisen auf die Zeit um 1905 und 1910 hin.
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Bluse
Blusen liegen eng am
Oberkörper an
nein
Blusen haben einen hohen
Stehkragen
ja
98
Blusenärmel am Ansatz
aufgepufft
ja
1890-1906
125
locker fallender Blusenschnitt
ja
ab 1900
Rock schleift auf dem Boden
ja
S-förmige Verkrümmung
nicht erkennbar
283
voluminöse Hüte, deren
Krempe über der Stirn
ausladend und nach oben
gebogen ist
ja
285
Krempen der Hüte verlaufen
gleichmäßig und sehr breit um nein
den Kopf
1910-1915
über der Stirn ausladene Hüte ja
Die Mode des
17-24 ausschließlich Kleider und
20. Jahrhunderts
nein
keine Blusen abgebildet
1905-1910
Reclams Modeund
Kostümlexikon
124
281
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
1840-1890
1905-1910
Die Kleidung des stehenden Mannes enthält mit der Uhrenkette ein Element, das für die
Zeit vor der Jahrhundertwende typisch ist, während die Bügelfalte auf die Zeit nach 1900
hinweist.
Datierung
Die beste Datierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Hutmode, die in zwei Publikationen
für den Zeitraum 1905 - 1910 angegeben ist.Die Hinweise zu den weiteren Modeaspekten
80
III Kostümgeschichte und Mode
schließen einen breiteren Zeitraum ein. Um die Datierung möglichst eingrenzen zu können,
wird das Bild auf 1905 – 1910 datiert.
Auswertung
Das Landesarchiv datierte das Bild um 1910, was sich mit der hergeleiteten Datierung
überschneidet.
Fotografien aus der Zeit des I. Weltkrieges (1914 – 1918)
Bild Nr. 15
Dieses Bild ist ein Gruppenportrait mit einer älteren Dame, die auf einem Stuhl sitzt,
während links von ihr ein Junge und rechts eine junge Frau steht. Die Frauen tragen runde
Hüte mit einer schmaleren Krempe als die der Hüte im vorherigen Bild. Während bei der
jungen Frau der Hut nur mit einem Band geschmückt ist, ist der Hut der älteren Frau mit
künstlichen Blumen eingerahmt. Die Haare schauen unter den Hüten nicht vor. Die Frisur
muss daher schlicht sein und die Haare müssen eng am Kopf anliegen. Das Kleid der
jungen Frau ist nur wadenlang und sie trägt kein Korsett darunter. Der Junge trägt ein
weißes Hemd, Kniebundhose und eine Schirmmütze.
Da die junge Frau kein Korsett und kein bodenlanges Kleid trägt, muss das Bild nach 1910
entstanden sein.
Analyse
Durch einen Vergleich mit den Darstellungen im zweiten Bildhandbuch von John Peacock
kann das Bild der Zeit des I. Weltkrieges zugeordnet werden, da während dieser Zeit die
Röcke und Kleider wadenlang waren und die runden Hüte eine schmale Krempe hatten.104
Die Beschreibungen von Annemarie Bönsch bestätigen diese erste Datierung. Zu dieser
Zeit zeigten die Frauen unter den kürzeren Röcken noch kein nacktes Bein, wie es auch auf
dem vorliegenden Foto zu sehen ist. Auch die Frisuren liegen eng am Kopf an, so dass sie
wie eine Kurzhaarfrisuren erscheinen. Nur die Kriegskrinoline, die Annemarie Bönsch für
104 Siehe: Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 42ff.
81
III Kostümgeschichte und Mode
diese Zeit beschreibt, ist auf dem Bild nicht erkennbar.105
Die Kniebundhosen sind nach dem Angaben im Mode- und Kostümlexikon von 1900 –
1950 typische Kleidung für Jungen.106 Weitere Angaben lassen sich über die Kleidung des
Jungen nicht treffen.
Datierung
Aufgrund der herausgefundenen Angaben wird das Bild von Beginn des I. Weltkrieges
1914 bis 1920 datiert.
Auswertung
Das Landesarchiv datierte das Foto ebenfalls um 1915, womit sich die Datierungen
decken.
Bild Nr. 16
Es ist ein Gruppenportrait von acht Frauen, die in zwei Reihen auf einer gemauerten Parkbank sitzen. Alle Frauen tragen schlichte, weite Mäntel, wodurch von ihrer Kleidung nicht
viel zu erkennen ist. Der Großteil von ihnen trägt einen schwarzen Hut mit runder Krempe,
deren Breite von Modell zu Modell unterschiedlich ist. Eine der Frauen trägt eine hellen
einfachen Hut mit schmaler Krempe, die in das Gesicht gezogen ist. Die Hüte sind teilweise schlicht durch einfache Bänder dekoriert und eines der Modelle zusätzlich durch
eine Feder. Bei den vorne sitzenden Frauen sind schwarze hohe Schnürstiefel erkennbar.
Die hohen Schnürstiefel waren typisch für die Zeit des I. Weltkrieges, als sich die Röcke
auf die halbe Wade verkürzten aber das zum Vorschein kommende Bein noch verdeckt
werden sollte (vergleiche Bild Nr. 15). Da die Röcke der Frauen, soweit es erkennbar ist,
im Sitzen gerade bis zur halben Wade reichen, müssten sie im Stehen länger sein.
105 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 285f.
106 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 293.
82
III Kostümgeschichte und Mode
Analyse
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
325
Kopfbedeckung
kein kostbarer Hutaufputz
mehr
ja
1915-1920
Straußenfedern und lange
herabhängende Bänder
ja, teilweise
1920-1925
Hüte schlicht mit Bändern
geschmückt,
teilweise Krempe in das
Die Mode des
41-45 Gesicht gebogen
20. Jahrhunderts
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
288
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
ja
1915-1920
Röcke teilweise länger als bis
zu halben Wade
ja
Hüte werden bis zu den
Augenbrauen tief in das
Gesicht gezogen und
verdecken die Stirn.
ja
1920-1925
unter wadenlangen Rock
nein
kommt das nackte Bein hervor
Datierung
Die Kleidung auf den Bild weist einige Merkmale für die Zeit des I. Weltkrieges und einige
wenige für die Zeit ab 1920 auf. Es ist anzunehmen, dass es zwischen den beiden Perioden
entstanden ist, als sich die Modebilder noch überschnitten. Daher wird es auf 1915 – 1920
datiert.
Auswertung
Vom Landesarchiv wurde das Foto um 1925 datiert. Damit gibt es eine zeitliche Überschneidung. Nach den Darstellungen der Kostümbücher wird in dieser Zeit das Bein aber
nicht mehr verdeckt und nach 1925 sind die Hüte krempenlos. Ab 1925 tritt auch die
Silhouette der Garçonne in Erscheinung, der die Frauen auf dem Bild jedoch nicht gleichen.107
107 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 289ff.
83
III Kostümgeschichte und Mode
Fotografien der 1920er und 30er Jahre (1918 – 1939)
Bild Nr. 17
Zu sehen sind eine Frau und zwei junge Mädchen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin
(siehe Anhang Abbildung 14). Auf dem Bild ist noch die alte Kuppel zu erkennen, weshalb
das Foto vor dem Reichstagsbrand 1933 entstanden sein muss.
Alle drei Personen tragen weit schwingende Kleider, deren Saum bis zur halben Wade
reicht und den Blick auf das nackte Bein freigibt. Zwei der Kleider sind an den Röcken mit
Volants und Rüschen verziert. Die Frau und eines der jungen Mädchen haben gewellte,
kurze, kinnlange Haare. Das deutet darauf hin, dass das Bild nach 1920 entstanden ist. Alle
drei tragen flache Spangenschuhe.
Analyse
Der bisher abgegrenzte Zeitraum zwischen 1920 und 1933 wird mit den Darstellungen im
zweiten Bildhandbuch abgeglichen. Die Kleider auf dem Foto ähneln mit ihren Volants
sehr stark den Abendkleidern aus der Periode zwischen 1920 und 1925. Auch die für diese
Zeit typischen kinnlangen, gewellten Haare sind hier abgebildet. Nach 1925 sitzt die Taille
sehr tief und die Röcke sind fast knielang, was auf dem Foto nicht der Fall ist.108
Die Taille rutschte erst mit der Silhouette der Garçonne ab 1925 auf die Hüfte, während
sich an ihr vorher noch die „Busenfalte“ befindet, wie es in „Formengeschichte europäischer Kleidung“ genannt wird. Diese Falte über dem Gürtel ist auch auf dem Foto
erkennbar.109
Für die Zeit nach 1930, in der die knabenhafte Linie von 1925 wieder weiblicher wird, sind
schräg geschnittene Röcke und Zipfelsäume typisch. Auch die Busenfalte ist zu dem Zeitpunkt bereits verschwunden.110
Datierung
Der Vergleich des Fotos mit den Angaben aus den Kostümbüchern grenzt den Entstehungszeitraum auf 1920 bis 1925 ein.
108 Siehe: Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 62ff.
109 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 288ff.
110 Ebd.: S. 292f.
84
III Kostümgeschichte und Mode
Auswertung
Das Landesarchiv hat das Foto ebenfalls um 1925 datiert.
Bild Nr. 18
Zu sehen ist eine Gruppe von Personen mit Männern und Frauen, die sich für ein Gruppenportrait aufgestellt haben.
Die Frauen tragen runde, hohe Hüte mit sehr schmaler Krempe, wie die Glockenhüte der
1920er Jahre. Die unterschiedlichen Rocklängen bedecken entweder knapp das Knie oder
reichen bis zu halben Wade. Bei einem Kleid ist deutlich erkennbar, dass die Taillenlinie
sehr tief auf der Hüfte sitzt. Die dunklen Anzüge der Männer sind auf der Fotokopie
schlecht zu erkennen. Die Krawatten sind bunt gemustert.
Analyse
In den Darstellungen im Bildhandbuch über die Mode des 20. Jahrhunderts sitzen
zwischen 1926 und 1929 die Taillen der Kleider am tiefsten, während sie 1930 bereits an
ihre natürliche Stelle zurückgekehrt ist.111
Die Silhouette der Garçonne, die Annemarie Bönsch ab 1925 ansetzt, wird im Mode- und
Kostümlexikon für die Zeit um 1927 angegeben und das Aufkommen der Glockenhüte ab
1924/25.112
In den 1920er Jahren bekamen auch die Krawatten die Funktion des farbigen Akzentes zur
Herrenkleidung.113
Datierung
Von den Darstellungen im Bildhandbuch zur Mode des 20. Jahrhunderts ausgehend, wird
das Foto auf den Zeitraum 1926 – 1929 datiert.
Auswertung
Das Landesarchiv datierte das Foto um 1924, was sich mit dem abgeleiteten Datum überschneidet.
111 Siehe. Peacock, John: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 67ff.
112 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 213 und S. 325.
113 Ebd.: S. 341.
85
III Kostümgeschichte und Mode
Bild Nr. 19
Auf dem Foto ist eine Familie mit drei Frauen, einem Mann und einem Jungen zu sehen.
Da die Personen sitzen und Mäntel tragen, ist von der Kleidung nicht sehr viel zu
erkennen. Zwei der Mäntel haben einen Pelzbesatz an Kragen und Ärmel. Eine der Frauen
trägt einen hohen, schwarzen Hut mit schmaler Krempe. Bei den anderen Frauen sind die
ondulierten Haare zu erkennen, die bei einer Frau sehr kurz geschnitten und bei der
anderen streng nach hinten gekämmt sind. Der Junge trägt einen Matrosenanzug und weiße
Strümpfe.
Analyse
Der Pelzbesatz an den Jacken erinnert an einige Zeichnungen für die Mode der 1930er
Jahre in „Geschichte des Kostüms“:
Publikation
Geschichte des
Kostüms
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
399
Zeichnungen
Mäntel mit Pelzbesatz am
Kragen und teilweise sehr
hohe Hüte
ja
1936
398
Schulterbetonung
ja
1936-1945
ja
um 1928
Die Mode des
65-69 sehr hohe Hüte
20. Jahrhunderts
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
325
Kopfbedeckung
tiefe Krempen der Hüte vorne
aufgebogen
ja
um 1920
368
Matrosenanzug
während des
Nationalsozialismus als
bürgerlich-dekadent geächtet
nein
1933-1945
471
Strumpf
keine hilfreichen Angaben
294
Haare werden länger und
stärker onduliert
ja, teilweise
1930-1935
86
III Kostümgeschichte und Mode
Datierung
Aufgrund der gewonnenen Daten und vor allem unter Berücksichtigung der Hinweise zum
Matrosenanzug wird die Fotografie von 1928 bis 1933 datiert.
Auswertung
Das Bild wurde vom Landesarchiv um 1925 datiert. Die Angabe überschneidet sich damit
mit der hergeleiteten Datierung.
Bild Nr. 20
Abgebildet ist eine Frau in einem Kostüm und mit einem runden breitkrempigen Hut, der
mit einer großen weißen Schleife geschmückt ist. Der Rock des Kostüms reicht bis zur
halben Wade und die Kostümjacke bis über die Hüften. Über dem Kragen liegt der sehr
breite Blusenkragen aus mehreren Volants. Die Taille im Kleidungsschnitt befindet sich an
der natürlichen Stelle.
Analyse
Da die Frau unter ihrem Rock nur dünne Feinstrümpfen trägt, muss das Bild nach 1920
entstanden sein.
Der breite Blusenkragen erinnert an eine Zeichnung aus dem Mode- und Kostümlexikon
von 1934.114 Laut „Formengeschichte europäischer Kleidung“ wird ab 1940 der Busen
betont und fülliger gestaltet, was zu dem breiten Volantkragen passt.115
Da die Taillenlinie nicht auf der Hüfte sitzt, muss das Bild nach den 1920er Jahren
entstanden sein (vergleiche Bild 18).
Der breitkrempige Hut mit der großen weißen Schleife ist jedoch für die Zeit vor 1920
typisch (vergleiche Bild 14)
Datierung
Die herausgefundenen Angaben lassen nur einen sehr weiten Datierungszeitraum um 1930
zu.
114 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 78.
115 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 269.
87
III Kostümgeschichte und Mode
Auswertung
Das Bild ist von 1921 und überschneidet sich damit nur bei einer relativ weiten Auslegung
des Zeitraumes um 1930 mit der hergeleiteten Datierung. Bei dem Abgleich der erkennbaren Modeaspekte mit den Angaben in den Kostümbüchern deuteten einige auf diesen
Zeitraum hin, während andere dafür untypisch waren und auf einen späteren Zeitraum
deuteten. Dies zeigt, dass sich die Modelinie, die in den Kostümbüchern beschrieben wird,
nicht immer und eindeutig anwenden lässt.
Bild Nr. 21
Zu sehen ist ein Stand auf einem Markt, um den sich einige Leute versammelt haben und
den Ausführungen des Verkäufers zuhören.
Die Männer haben die länger geschnittenen Haare glatt nach hinten gekämmt und bei dem
Verkäufer sind leichte Ondulationswellen erkennbar. Die Haare der Frauen sind sehr unterschiedlich. Eine der Frauen trägt die Haare kurz, wie zu Anfang der 1920er Jahre, die
anderen Frauen haben längere Haare, teils mit Scheitel und teils mit einem Schopf über der
Stirn. Die Kleider der Frauen sind recht bunt und haben ein Blümchen- oder Streifenmuster. Die Rocklängen sind nicht mehr abgebildet, reichen aber, soweit erkennbar,
mindestens bis zur halben Wade und die Taille sitzt an ihrer natürlichen Stelle. Bei einem
Kleid ist erkennbar, dass die Schultern unterpolstert sind. Zwei Frauen tragen eine Sonnenbrille.
Analyse
Die Betonung der Schultern durch Schulterpolster ist für die Zeit um 1940 typisch.
88
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
über der Stirn setzt sich ein
Haarschopf ab
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Geschichte des
Kostüms
Rocklänge bis zur halben
295-2 Wade
97
Schulterpolster
232
409
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
ja
1935-1945
ja, soweit
ersichtlich
1935-1940
ja
1940-1945
Röcke werden bis knapp
unters Knie verkürzt
nein
Haarmode Männer
Fassonschnitt mit etwas
längeren und leicht gewellten
Haaren
ja
1930-1938
amerikanischer Militärschnitt
mit sehr kurzem Haar, Kopf
wirkt kahl
nein
1938-1945
Igelfrisur
nein
nach 1945
Zeichnungen
Haare gescheitelt oder glatt
nach hinten gekämmt
ja
1930-1940
Das Blumenmuster beschreibt Erika Thiel als typisch für Tageskleider in den 1930er
Jahre,116 während es im Mode- und Kostümlexikon erst für die 1950er erwähnt wird.117
Über Sonnenbrillen und Brillen allgemein ist in keinem der Bücher etwas zu finden. Im
Mode- und Kostümlexikon werden sie auch nicht unter dem Artikel zu Accessoires aufgezählt.118
Datierung
Das Bild wird unter Abwägung der Frisurenformen und Rocklängen zwischen 1935 und
1940 datiert.
Auswertung
Entstanden ist das Bild 1950, also zehn Jahre später entstanden, als angenommen.
116 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 408.
117 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183.
118 Ebd.: 92.
89
III Kostümgeschichte und Mode
Bild Nr. 22
Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen, die am Wasser Schwäne füttert. Sie trägt ein weißes
Kostüm und eine weiße Baskenmütze (siehe Anhang Abbildung 15). Der Rock ist schmal
und reicht bis über die halbe Wade. Das kurze, boleroartige Jäckchen hat halblange Ärmel
und die Taille sitzt an ihrer natürlichen Stelle. Die Haare sind am Hinterkopf festgesteckt,
wo sie in schulterlangen Locken hinab hängen.
Analyse
Die schlanke, schmale, figurbetonte Linie und der Sitz der Taille deuten auf die Zeit nach
1930 hin.
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Rocklänge bis über halbe
Wade
Die Mode des
20. Jahrhunderts
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
ja
1931-1932
ja
1933
Röcke faltenreich und mit
Schrägschnitten gearbeitet
nein
1930-1935
92-94
Rockoberfläche vorwiegend
glatt
ja
1935-1940
294
vorwiegend glatte
Rockoberfläche
ja
1935-1940
295
Zeichnung
Rocklänge bis über die halbe
Wade
ja
1935
dauergewellte Löckchen im
Nacken
ja
Kopfbedeckungen schräg in
die Stirn gesetzt
ja
84-85 ähnliches Kostüm
297
90
1940-1945
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
333
Bolero
zum wadenlangen Rock
getragen
ja
1930-1938
233
Haarmode
Haare nach hinten frisiert,
große Locken im Nacken
ja
1933-1938
Pompadourrolle
nein
1938-1945
schlichte Frisuren oder
krauser Lockenkopf
nein
nach 1945
234
Datierung
Das Bild wird auf den Zeitraum 1935 – 1945 datiert.
Auswertung
Das Foto ist eine Modefotografie von 1937 und liegt damit genau im Zeitraum der hergeleiteten Datierung.
Fotografien aus der Zeit des II. Weltkrieges (1939 – 1945)
Bild Nr. 23
Das Foto zeigt zwei junge Frauen in Mänteln und Muff in einem Park (siehe Anhang
Abbildung 16). Eine der Frauen trägt einen auffallenden Hut, der sich über der Stirn zu
einem Dreieck formt, die andere einen einfachen runden Hut mit nicht allzu breiter
Krempe und weißem Hutband. Die Röcke sind knöchellang und die Schuhe sind auf der
dunklen Fotokopie nur schlecht erkennbar.
Analyse
Unter Muff ist im Mode- und Kostümlexikon zu finden, dass er im 20. Jahrhundert, abgesehen von mehreren kurzen modischen Aufleben, wie etwa um 1910, außer Gebrauch
kam.119 Die Gesamterscheinung der Kleidung gleicht jedoch nicht der aufwendigen Mode
vor 1900. Das Kleidungsbild ist sehr schlicht und die Frisuren sind sehr einfach, sodass die
119 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 377.
91
III Kostümgeschichte und Mode
Haare unter den Hüten nicht hervorschauen und die Frisuren erkennbar sind.
Im Bildhandbuch über die Mode des 20. Jahrhunderts ist der Muff auch von 1938 bis 1944
mehrmals abgebildet.120
Über das Lexikon von Reclam wird anhand einer Abbildung im Artikel über Kopfbedeckung herausgefunden, dass der dreieckförmige Hut als Toque bezeichnet wird und um
1910 und wieder um 1938 – 1946 neben einer Vielzahl anderer Hutarten erneut aufkam.
Der einfache runde Hut passt auch zu der Zeit ab 1915.121 Allerdings waren in diesem Zeitabschnitt die Röcke etwas kürzer, wie auch ab 1940.122
Datierung
Der Muff und die Hüte deuten auf die beiden Zeiträume um 1910 und um 1940 hin. Da die
Röcke jedoch lang sind, kann es sich nicht um die Kriegszeit handeln. Der einfache runde
Hut ist aber erst ab den I. Weltkrieg aufgekommen. Der in Frage kommende Zeitraum um
1910 kam damit ausgeschlossen werden. In den 1930er Jahren wurden dagegen mehrere
Hutformen und längere Röcke getragen. Das Bild wird unter Abwägung der Angaben von
dem Aufkommen der Toque und der Rockverkürzung von 1938 – 1940 datiert.
Auswertung
Das Bild ist von 1915, ist also in dem Zeitraum entstanden, der sich über die Kostümbücher zwar ebenfalls ergeben hat, aber wegen der Rocklänge ausgeschlossen wurde. Nicht
berücksichtigt wurde die Schulterbetonung, die ab den 1930er Jahren aktuell wurde und
die auf dem vorliegenden Bild nicht vorhanden ist (vergleiche Bild Nr. 19). Bei dieser
Fotografie ist gut zu erkennen, wie sich die Mode von verschiedenen Epochen in einigen
Punkten gleichen kann und dass ein umfassender Abgleich der Modeerscheinungen nötig
ist. Die wenigen Anhaltspunkte für eine eindeutige Datierung wurden nicht genau erkannt.
Bei einer Nachprüfung ergibt sich, dass ab 1915 zwar die Tageskleider bis auf die halbe
Wade verkürzt waren, während die Abendkleider aber bis zum Knöchel reichten. Da die
Frauen Mäntel tragen, ist die Kleidung nicht eindeutig als Abendkleidung zu identifizieren.123
120 Siehe Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 96ff.
121 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 325.
122 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 285ff.
123 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 286.
92
III Kostümgeschichte und Mode
Bild Nr. 24
Zu sehen ist eine Szene auf einem Marktplatz, auf dem sich vier Frauen unterhalten. Die
Mäntel der Frauen reichen bis zur halben Wade. Es ist erkennbar, dass die Frauen Feinstrumpfhosen tragen. Die Kopfbedeckungen bestehen aus Kopftuch, Turban und kleinen
Hüten mit schmaler, hoch gebogener Krempe oder ohne Krempe.
Analyse
Publikation
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
489
Turban
ja
Kopfbedeckung
breitkrempige Hüte
nein
325
364
1910-1920
1936-1946
1910-1920
Hüte mit schmaler oder keiner
ja
Krempe
1930-1940
rundum aufgebogene
Krempen
ja
1940-945
Mäntel
gerade, mäßig weit
geschnitten, meist
hochgeschlossen
ja
Aufschläge an den Ärmeln
nicht ersichtlich
1940
Auf der Fotokopie sind die Details der dunklen Mäntel nur schlecht zu erkennen. Eine der
Frauen trägt einen hellen Mantel, an dem jedoch keine Aufschläge zu sehen sind.
Datierung
Ausgehend von den Hüten wird das Bild um 1940 datiert.
Auswertung
Das Bild ist von 1953. Für diese Zeit wird nach den Darstellungen der Kostümbücher der
Turban nicht mehr getragen. Dies zeigt, wie lange die Frauen in Deutschland ihre alte Kleidung noch aufgetragen haben.
93
III Kostümgeschichte und Mode
Bild Nr. 25
Das Bild ist eine Fotografie einer jungen Frau mit einem Hund. Sie trägt einen Mantel und
sitzt auf einer Bank in einer Ecke eines Raumes. Da diese Ecke recht dunkel ist, sind ihre
Frisur und ihr Hut nur schwer erkennbar und es können nur wenige Aussagen über die
Kleidung getroffen werden.
Analyse
Der maximal wadenlange Mantel ist weit und gerade geschnitten. An den Ärmeln befinden
sich Aufschläge (vergleiche Bild Nr. 24). Die Haare scheinen schulterlang und lockig zu
sein und sind etwas nach hinten genommen (vergleiche Bild Nr. 22).
Datierung
Die Merkmale passen zusammen auf das Kleidungsbild um 1940. Da keine weiteren
Aussagen getroffen werden können, wird das Bild auf diesen Zeitraum datiert.
Auswertung
Die Fotografie ist tatsächlich 1940 entstanden. Inwieweit die Genauigkeit der hergeleiteten
Datierung bei den begrenzten Untersuchungsmöglichkeiten Zufall war, kann nicht beurteilt
werden.
94
III Kostümgeschichte und Mode
Bild Nr. 26
Auf dem Bild ist eine lange Menschenschlange zu sehen, die vor einem Geschäft wartet.
Das Foto erinnert an die Zeit der rationierten Lebensgüter und Lebensmittelmarken des II.
Weltkrieges. Zu sehen sind vor allem Frauen, die alle ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild haben. Für die Datierung werden vorrangig drei junge Frauen berücksichtigt, die
auf dem Bild gut zu erkennen sind.
Eine der jungen Frauen trägt die Haare in zwei seitlich geflochtenen Zöpfen. Ihr Rock
endet bereits über dem Knie. Die Frau hinter ihr hat die offenen, schulterlangen Haare an
der Seite zu einer großen Rolle frisiert. Ihr Kleid bedeckt knapp die Knie und hat kurze
Puffärmel. Die dritte Frau trägt auf der Stirn einen hohen Stirnbausch und die seitlichen
Haare über die Ohren in den Nacken frisiert, wo sie lose herunter hängen. Ihr kniebedeckendes Kleid ist im Oberteil am Busen gerafft.
Analyse
Publikation
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
296297
98
Reclams Mode- 234
und
Kostümlexikon
508
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
Haare im Nacken
zusammengefasst,
Haarbausch über der Stirn
ja
Busendrapierungen
ja
Röcke kniekurz
ja
plumpere Schuhe durch
Materialknappheit
ja
Ärmel
Puffen an den Ärmeln
ja
1933-1947
Haarmode
Pompadourrolle
ja, teilweise
1938-1947
Zopf
galt während des
Nationalsozialismus als
traditionelle Haartracht
ja
1933-1945
95
1940-1945
III Kostümgeschichte und Mode
Die seitlich eingerollten Haare lassen sich in den Beschreibungen der Bücher nicht wiederfinden, sie könnten aber eine abgewandelte Form der Pompadourrolle sein.
Datierung
Die Fotografie wird unter Abwägung der herausgefundenen Hinweise auf den Zeitraum
1940 – 1945 datiert.
Auswertung
Das Foto ist vom August 1946, also über ein Jahr nach Kriegsende entstanden. In dieser
Zeit wurden auch noch Lebensmittelmarken benutzt und das Modebild hatte sich noch
nicht geändert.
Bild Nr. 27
Auf der Fotografie sind sechs Frauen zu sehen, die um einen Tisch versammelt sind, auf
dem Stoffe oder Kleider liegen. Die Frauen sind nicht vollständig, sondern nur mit dem
Oberkörper abgebildet. Einige tragen Schürzen, welche die Kleider teilweise überdecken.
Die Frisuren deuten mit den Stirnbauschen auf die 1940er Jahre hin.
Analyse
In der Zeit des II. Weltkrieges wurden unter dem Motto „Neu aus Alt“ viele alte Kleider
geflickt und schadhafte Teile mit noch vorhandenen Stoff ersetzt.124 Dadurch waren viele
Kleider aus mehreren unterschiedlichen Stoffen zusammengesetzt.125 Bei dem vorliegenden
Foto könnte es sich um einen solchen Lehrgang handeln, allerdings ist diese Vermutung
sehr vage und nicht weiter zu belegen.
Die meisten Kleider auf dem Bild sind schwarz, was auch die vorherrschende Farbe
während des II. Weltkrieges war.126
Datierung
Für das Foto kann nur unter wenigen unbestimmten Angaben, vor allem gestützt auf das
Erscheinungsbild der Haare, der Entstehungszeitraum 1940 – 1945 angegeben werden.
124 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 412.
125 Siehe: Loschek, Ingrid „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 307.
126 Ebd.: S. 183.
96
III Kostümgeschichte und Mode
Auswertung
Das Foto ist vom August 1945 und damit tatsächlich in der hergeleiteten Zeit entstanden.
Allerdings handelt es sich nicht um einen Lehrgang, bei dem gezeigt wurde, wie schadhafte Teile ersetzt werden können, sondern um eine Werkstatt, die Kleider für die Opfer
des Faschismus herstellt.
Fotografien aus der Nachkriegszeit und der 1950er Jahre (1945 –
1959)
Bild Nr. 28
Zu sehen ist eine Szene auf einem Marktplatz, bei der mehrere Frauen an einem Stand
anstehen (siehe Anhang Abbildung 17). Bei näherer Betrachtung fällt an den Armen und
Hälsen der Menschen auf, dass diese sehr abgemagert sind. Dies lässt auf einen Entstehungszeitpunktes des Bildes schließen, an dem Hungersnot herrschte, wie z.B. in der
unmittelbaren Nachkriegszeit. Der Bildausschnitt ist jedoch zu klein, um die Umgebung
erkennen zu können. Nur im Hintergrund ist unscharf ein weiterer Marktstand zu sehen.
Gut zu erkennen sind im Vordergrund die Marktfrau und zwei Kundinnen. Die Marktfrau
hat ihre Haare über der Stirn stark aufgebauscht, wie es für die 1940er Jahre typisch war.
Unter der Schürze trägt sie eine dunkle Bluse mit großen weißen Tupfen. Die beiden
Kundinnen haben ihre Haare nach hinten gekämmt und auf dem Hinterkopf festgesteckt.
Eine von ihnen trägt ein helles Kleid und eine Schürze. Um den Ärmel ist in einem kreisrunden Ausschnitt das Muster kontrastreicher und am Übergang durch eine Naht unterbrochen. Dies kann eine mit noch vorhandenem Stoff geflickte Stelle sein (vergleiche Bild Nr.
27). Die andere Frau trägt eine abgetragene, zerknitterte Jacke und entweder eine Schürze
oder einen Rock aus zwei verschiedenen Stoffen.
Analyse
Das Mode- und Kostümlexikon gibt in seinem Artikel über Farbe und Muster die sogenannten Polkatupfen an Kragen und Manschetten für die Zeit des II. Weltkrieges an.127 Im
Bildhandbuch zur Mode des 20. Jahrhunderts sind Kleidungsstücke mit großflächigem
Punktmuster vor allem auch in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre abgebildet. Ab 1950
127 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183.
97
III Kostümgeschichte und Mode
besteht das Muster aus verschiedenfarbigen Punkten, die unruhig verteilt sind. 128 Der
schwarz-weiß Kontrast ist jedoch sehr typisch für die Zeit des II. Weltkrieges. Er ist danach
erst wieder 1963 im Zuge der Pop-Art verwendet worden.129
Datierung
Die Datierung erfolgt größtenteils durch den Gesamteindruck des Fotos, unterstützt von
einzelnen Hinweisen über die Kleidung auf die unmittelbare Nachkriegszeit 1945 – 1948.
Auswertung
Das Foto wurde am 07.07.1945 aufgenommen, also in den ersten Nachkriegsmonaten des
II. Weltkrieges. Damit hat sich die Einschätzung über den Gesamteindruck bestätigt.
Bild Nr. 29
Das Foto zeigt drei Frauen in Sommerkleidern auf einer Straßenkreuzung in Berlin (Siehe
Anhang Abbildung 18). Im Hintergrund sind zwei VW-Käfer zu erkennen. Damit ist
eindeutig, dass das Bild nach 1945 entstanden sein muss.
Die blümchengemusterten Kleider sind figurbetont, weit schwingend und bedecken in ihrer
Länge das Knie. Die Frauen tragen alle kurze lockige Haare, vor allem die Haare der Frau
links im Bild sind sehr kraus. Die Schuhe wirken teilweise recht plump.
Analyse
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
116117
Röcke gehen über das Knie
und sind weit schwingend
ja
sehr weite Röcke im Stile des
New Look
nein
trapezförmig geschnittene
Oberteile
nein
Die Mode des
20. Jahrhunderts 117133
nach 1950
128 Siehe:Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 107ff.
129 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183.
98
1945-1950
III Kostümgeschichte und Mode
Publikation
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
300
183
234
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
runde Schultern lösten
Schulterpolster ab
ja, teilweise
Schulternaht wird zu hoch
sitzenden Kragen erweitert
ja, teilweise
flache Schuhe mit
Fesselriemen und runder
Zehenkappe
ja, teilweise
spitze Zehenkappe
nein
Farbe und Muster
Sommerkleider hatten klar
herausgestelltes florales
Einzelmuster
ja, teilweise
Haarmode
kurze Krause
ja
1947-1950
nach 1955
1950-1960
Zu Brillen gibt es, wie oben bereits bemängelt, keine Angaben in den Kostümbüchern.
Dabei unterscheidet sich die seitlich zugespitzte Brillenform schon stark von den runden
Modellen vor dem II. Weltkrieg.
Datierung
Die Silhouette und viele Details in der Kleidung lassen sich in den Zeitraum 1945 – 1950
einordnen, weshalb das Foto mit dieser Angabe datiert wird.
Auswertung
Entstanden ist die Fotografie im Juli 1956 und damit später als angenommen.
Bild Nr. 30
Auf der Fotografie sind zwei Frauen und ein Kind im Kinderwagen im Grünen zu
sehen(siehe Anhang Abbildung 19). Die Frauen tragen Strickjacken und ein Kleid oder
einen Rock, der bis über das Knie reicht. Die Schultern sind rund und abfallend und damit
eindeutig nicht gepolstert. Eines der Kleider hat ein sehr unruhiges Blümchenmuster. Die
99
III Kostümgeschichte und Mode
Schuhe sind einfach, robust und wirken dadurch klobig. Die Frisuren sind kurz und füllig.
Eine der Frauen trägt die Haare gelockt.
Analyse
Die Schuhe, die lockige Frisur und die ungepolsterten Schultern deuten wie im obigen Bild
auf die Nachkriegszeit hin. Auch die kurze Rocklänge und die Schuhe können noch aus der
Zeit des Krieges übernommen worden sein.
Weitere Angaben zur Datierung über Kinderkleidung oder die Strickjacken sind nicht
herauszufinden.
Datierung
Damit wird das Foto auf den Zeitraum 1945 – 1950 datiert.
Auswertung
Die Fotografie ist 1957, also deutlich später entstanden. Bei einer Nachprüfung in den
Büchern zur Kostümgeschichte ergibt sich, dass 1957 ein breites Haarnest auf dem Kopf
Modefrisur wurde.130 Diese Beschreibung passt ebenfalls zu den fülligen Frisuren der
Frauen auf dem Foto. In dieser Zeit gab es auch wieder eine Rockverkürzung, die sich bis
zum Minirock in der Mitte der 1960er Jahre steigerte.131
Bild Nr. 31
Die Fotografie bildet einen Ausschnitt aus einer Menschenmenge mit drei älteren Frauen
im Vordergrund ab (siehe Anhang Abbildung 20). Die Frauen stehen seitlich zum Fotografen und sind nur mit dem Oberkörper abgebildet. Dadurch ist die Kleidung nicht gut zu
erkennen. Zwei Frauen tragen kurze, gewellte Haare und die Dritte hat ihre glatten langen
Haare auf dem Kopf in einem Knoten zusammengefasst. Sie trägt eine Brille, die teilweise
randlos ist. Solche Brillenfassungen waren vermutlich erst nach dem II. Weltkrieg technisch realisierbar.
Die anderen beiden Frauen tragen eine Strickjacke und eine dunkle Bluse mit großen
weißen Punkten. Die sogenannten Polkatupfen waren, wie oben bereits erwähnt, ein typi130 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 234.
131 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 302ff.
100
III Kostümgeschichte und Mode
sches Muster des II. Weltkrieges. Das Muster kann aber auch den „[...] geometrischen
schwarz-weiß Kontrasten [der Op-Art]“132 um 1963 zugeordnet werden. Im Mode- und
Kostümlexikon ist unter dem Artikel über die Bluse noch der Hinweis zu finden, dass ab
den 1950er Jahren knitterfreie, synthetische Materialien verwendet wurden.133 Die Bluse
auf dem Bild ist auch auffallend knitterfrei und hat einen weichen Fall.
Datierung
Weitere Anhaltspunkte lassen sich nicht herausfinden und da sich der Entstehungszeitpunkt
auch nicht stärker eingrenzen lässt, wird das Bild ab 1950 datiert.
Auswertung
Aufgenommen wurde das Foto im Juli 1964, womit sich die Datierungsgrenze bestätigt
hat.
Bild Nr. 32
Die Fotografie zeigt eine Straßenszene in Berlin mit mehreren Menschen. An der Hauswand eines Geschäftes hängen einige Petticoats, was eindeutig auf die 1950er Jahre
hinweist. Gut zu erkennen sind auch eine Frau mit kurzen, krausen Haaren und einem
Sommerkleid, das mit großen Blüten gemustert ist. Neben ihr steht eine Frau in schlichtem
Rock, Hemdbluse und Strickjacke. Beide Röcke reichen bis über das Knie. Die Männer
tragen Anzüge mit Sakkos oder Jacketts. Auffallend ist, dass ein Mann zum Sakko einen
gestreiften Pullover über dem Hemd trägt.
Analyse
Petticoats wurden in den 1950er bis Anfang der 1960er getragen. Er war zunächst wadenlang und verkürzte sich im Laufe des Jahrzehnts bis zum Knie.134 Die Länge der Petticoats
ist auf dem vorliegenden Foto nicht eindeutig zu erkennen.
Die krausen Haare und das deutliche Blumenmuster sind, wie oben bereits herausgestellt,
ebenfalls typisch für die 1950er Jahre.
Bei der Frau im blumengemusterten Kleid sind auch die Schuhe gut zu erkennen, die vorne
132 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183.
133 Ebd.: S. 125.
134 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 398.
101
III Kostümgeschichte und Mode
leicht spitz zulaufen und einen dünnen Absatz haben, wie es um 1955 typisch ist.135
Die Sakkos der Männer sind schlecht auszuwerten, da die Vorderseiten nicht zu sehen sind.
Ihr Schnitt ist aber nicht weit und entspricht nicht der amerikanischen V-Silhouette, die bis
1955 getragen wurde, aber auch nicht der Y-Silhouette, die ab 1955 aufkam. Er entspricht
mehr dem New-Edwardian-Style, der neben den amerikanischen Schnitt Anfang der
1950er Jahre getragen wurde.136
Ein ärmelloser Pullover kann bereits seit den 1920ern anstelle der Anzugsweste getragen
werden.137
Datierung
Die Fotografie wird um 1950 datiert.
Auswertung
Die Aufnahme ist von 1954 und damit im hergeleiteten Datierungszeitraum.
Fotografien der 1960er Jahre (1960 – 1969)
Bild Nr. 33
Zu sehen sind drei junge Männer und eine junge Frau. Die Männer tragen Anzüge und
mittellanges, an der Seite gescheiteltes Haar. Einer von ihnen trägt einen Kinnbart. Die
Frau trägt eine Jeanshose und hat eine helle, fellgefütterte Jacke über ihre Schultern gelegt.
Ihre Haare fallen offen und glatt herunter. Die gesamte Frisur ist aber nicht zu erkennen,
weil die Jacke über den Haaren liegt. Zu der Hose trägt sie weiße, flache Ballerinas.
Analyse
Im Mode- und Kostümlexikon ist zu finden, dass Ballerinas in den 50er Jahren und Anfang
der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts Mode waren.138 Der letztgenannte Zeitraum lässt sich
durch die Rahmenbedingungen der Untersuchung jedoch ausschließen. Die Jeanshose war
ebenfalls seit den 1950er Jahren Freizeitkleidung für Jugendliche beider Geschlechter.139
135 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 302.
136 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 429.
137 Ebd.: S. 408.
138 Ebd.: S. 111.
139 Ebd.: S. 280.
102
III Kostümgeschichte und Mode
Die Anzüge sind größtenteils verdeckt und es ist von ihnen nicht viel zu erkennen. Die
Kragen, Revers und die Schultern sind schmal. Bei einem Sakko ist erkennbar, dass es bis
über die Hüften geht. Diese Details sind erst für die zweite Hälfte der 1960er Jahre
typisch.140 Für diese Zeit sind aber in den Kostümbüchern übereinstimmend Stiefel zu
Hosen und Röcken als vorherrschende Fußbekleidung für Frauen angegeben. Damit stehen
sich zwei Zeiträume gegenüber.
Über die Haar- und Bartmode und die fellgefütterte Jacke lassen sich keine weiteren Datierungshinweise finden.
Datierung
Um die beiden zeitlich auseinander liegenden Zeiträume zu vereinen, wird zur Datierung
der Zeitpunkt zwischen ihnen gewählt, um den das Foto entstanden sein muss. Die Fotografie wird daher um 1960 datiert.
Auswertung
Die Fotografie ist von 1967, also zu dem späteren Zeitpunkt entstanden, der sich über die
Anzüge erschlossen hat. Die Ballerinaschuhe dagegen irritieren und lassen sich für diesen
Zeitraum in den Kostümbüchern auch nicht finden.
Bild Nr. 34
Das Bild ist am Berliner Kurfürstendamm aufgenommen worden und zeigt im Vordergrund
zwei junge Frauen mit figurbetontem Kostüm (siehe Anhang Abbildung 21). Eine der
Frauen trägt die Haare kurz bzw. am Hinterkopf zusammengefasst. Das Haar ist oben am
Hinterkopf sehr füllig, eventuell toupiert. Der Blazer ist mit stilisierten Blumen gemustert
und der Rock bzw. das Kleid endet über dem Knie und lässt dieses frei. Sie trägt zum
Kostüm einen weißen Schal, Handschuhe und eine Sonnenbrille.
Die Frau neben ihr hat die Sonnenbrille in ihre offenen, schulterlangen Haare geschoben.
Ihr weißes Kostüm besteht aus einem schmalem, knielangen Rock und einer Jacke mit
dicken Knöpfen. Dazu trägt sie schwarze Handschuhe und schwarze, spitz zulaufende
Pumps.
140 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 429.
103
III Kostümgeschichte und Mode
Im Hintergrund ist eine Frau mit einem ausgestellten Oberteil, dass die Taille umspielt zu
sehen. Ihr Rock ist ebenfalls kniekurz und ihre Frisur oder ihr Hut ist sehr hoch.
Analyse
Publikation
Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt
Übereinstimmung
Zeitraum
mit Foto
133141
teilweise trapezförmig oder
ausgestellte Oberteile
ja
1950-1960
140141
Rocksaum bedeckt das Knie
nein
vor 1960
Rocksaum endet über dem
Knie
ja
1960-1965
163165
ausschließlich Minimode
nein
1965-1970
301302
Linienvielfalt mit
taillenbetonenden und
taillenumspielenden
Silhouetten
ja
1955-1957
trapezförmiger Schnitt
ja, teilweise
1958
Röcke kniebedeckend
nein
vor 1960
dicke, steif fallende Stoffe
ja, teilweise
Abbildungen
große, dicke Knöpfe an
Kostümjacken
ja
keine Handschuhe mehr
nein
Die Mode des
20. Jahrhunderts 156157
Formengeschichte
europäischer
Kleidung
302304
305306
Geschichte des
Kostüms
Reclams Modeund
Kostümlexikon
Rockverkürzung über das Knie
ja
bis zur Minimode
Abbildungen
hohe Hüte
438
338339
333
1960-1969
ab 1960
ab 1963
ja
1960-1962
Abbildungen
keine Kragen an
Kostümjacken zu sehen
nein
Kragen
Reverskragen
ja
1950-1957
breite oder keine Kragen
nein
1957-1969
Kostüm
Röcke kniebedeckend
nein
vor 1958
104
III Kostümgeschichte und Mode
Datierung
Die herausgestellten Datierungshinweise deuten hauptsächlich auf den Zeitraum 1958 bis
um 1963 hin. Wegen der teilweise widersprüchlichen Angaben wird der Datierungszeitraum ein paar Jahre erweitert und mit 1957 – 1965 angegeben, um eine größere Treffsicherheit zu erzielen.
Auswertung
Das Bild ist von 1966 und damit ein Jahr später entstanden als angenommen. Der ausgestellte, figurumspielende Schnitt des Oberteils der Frau im Hintergrund und die Handschuhe weisen nach den Angaben in den Kostümbüchern dagegen auf einen früheren Zeitraum hin.
Bild Nr. 35
Das Foto zeigt drei Frauen, die seitlich und mit dem Rücken zum Fotografen stehen (siehe
Anhang Abbildung 22). Sie befinden sich vermutlich auf einer Freizeitveranstaltung.
Eine der Frauen trägt ein sehr knappes Minikleid mit flachen, weißen Stiefeln und langen,
offenen Haaren. Das Minikleid ist ein eindeutiger Hinweis auf die zweite Hälfte der 1960er
Jahre.
Die anderen beiden Frauen tragen kurzgeschnittenes Haar. Eine von ihnen trägt eine auffallend gemusterte und vermutlich sehr bunte Hose.
Analyse
Nach dem Mode- und Kostümlexikon hat sich der Minirock 1963/64 bei der Jugend durchgesetzt. Ihren Höhepunkt hatte die Minimode 1967 – 69.141 Das Kleid auf dem Foto ist sehr
kurz und bedeckt knapp das Gesäß, was den Zeitraum der Datierung auf den Höhepunkt
der Minimode weiter einschränkt. Die langen, glatten Haare, die nicht toupiert sind, weisen
auf die Hippie-Mode der späten 1960er und Anfang der 1970er Jahre hin.142
Die auffallend gemusterte Hose ist ebenfalls für die Hippie-Mode der späten 1960er Jahre
141 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 372.
142 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 433.
105
III Kostümgeschichte und Mode
typisch.143 Die andere Frau trägt ein Minikleid zu einer Hose, wie es zu dieser Zeit ebenfalls üblich war.144
Datierung
Die Fotografie wird, vor allem durch die Parallelen zur Hippie-Mode auf das Ende der
sechziger Jahre 1968 – 1969 datiert.
Auswertung
Aufgenommen wurde das Bild 1967, also ein Jahr früher. Die Datierung wurde zu stark
eingegrenzt.
Bild Nr. 36
Auf dem Foto ist eine Frau in Mantel zu sehen (siehe Anhang Abbildung 23). Der Mantel
verdeckt die gesamte Kleidung. Details und die Schuhe sind durch dunkle Schatten nicht
zu erkennen. Zudem ist die Frau kräftig gebaut, wodurch eventuell die Silhouette der
Modelinie nicht gut zu erkennen ist. Der Hut ist sehr schlicht und einfach und weist keine
auffallenden Merkmale auf, die es ermöglichen, ihn einer Zeitepoche zuzuordnen. Da auf
dem Bild sehr wenig zu erkennen ist, wurde von einem Datierungsversuch abgesehen.
Das Foto ist nach den Schätzungen des Landesarchivs um 1940 entstanden. Diese Datierung hätte sich, vor allem auch über den Hut, mit den Kostümbüchern nicht herausstellen
lassen. Der schlichte Hut passt nicht zu den ausgefallenen Hutkreationen, die nach den
Kostümbüchern um 1940 aktuell waren.145
143 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 270.
144 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 306.
145 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 325.
106
III Kostümgeschichte und Mode
4.3 Ergebnisse und Abgleich
Die Datierungen wurden teilweise um einen Zeitpunkt festgelegt (um JJJJ) und teilweise
durch eine konkrete Zeitspanne eingegrenzt (JJJJ- JJJJ). Dabei sind die Datierungen, die
einen unbestimmten Zeitraum um einen Zeitpunkt umfassen, flexibler. Das Landesarchiv
Berlin datiert Fotografien mit unbekanntem Entstehungsdatum ebenfalls in der Form 'um
JJJJ'. Allerdings ist nicht festgelegt, welche Zeitspanne dabei berücksichtigt wird. Um
dennoch die hergeleiteten Datierungen mit denen des Landesarchivs vergleichen zu
können, wird ein Toleranzbereich für diese Datierungen festgelegt. Dieser orientiert sich an
den Zeiteinteilungen von Annemarie Bönsch und John Peacock, da in den beiden Publikationen die Zeiteinteilungen feiner sind als in den anderen benutzten Hilfsmitteln. Für die
Zeit vor 1900 sind die Modeepochen etwas weiter gefasst und werden hauptsächlich im
Zehn-Jahres-Abstand betrachtet. Daher wird der Toleranzbereich für Datierungen vor 1900
auf zehn Jahre festgelegt. Nach 1900 wechselt die Mode häufiger und der Betrachtungszeitraum der Kostümbücher erfolgt im Fünf-Jahres-Abstand. Daher wird der Toleranzbereich für Datierungen nach 1900 auf fünf Jahre vor und nach dem angegeben Zeitpunkt
festgelegt (siehe Anhang Tabelle 3).
Aus den Abweichungen der hergeleiteten Datierungen gegenüber den Datierungen des
Landesarchivs Berlin wurde der Durchschnittswert je Jahrzehnt berechnet (siehe Anhang
Tabelle 4). Das Ergebnis ist in Abbildung 5 grafisch dargestellt. Die Säulen veranschaulichen die durchschnittliche Abweichung der hergeleiteten Datierung in Jahren. Da zu den
einzelnen Jahrzehnten jedoch eine unterschiedliche Anzahl an Fotos zur Verfügung stand
und damit auch eine unterschiedliche Anzahl von Datierungen den Mittelwert der Abweichung beeinflussen, ist die Anzahl der untersuchten Fotos in der roten Linie veranschaulicht.
107
Durchschnittliche
Abw eichung
in Jahren
Anzahl der Fotos
50
7
6
40
5
30
4
20
3
2
10
Anzahl der Fotos
Durchschnittliche Abweichung in Jahren
III Kostümgeschichte und Mode
1
0
0
1840
1850
1860
1870
1880
1890
1900
1910
1920
1930
1940
1950
1960
Jahrzehnt
Abbildung 6: Grafische Darstellung der Datierungsabweichungen
An den Säulen ist zu erkennen, dass die durchschnittlichen Abweichungen vor 1900 am
größten sind. Zu den jeweiligen Jahrzehnten lagen jedoch nur wenige Fotografien vor.
Besonders deutlich wird dies am Jahrzehnt 1860. Hier ist die Abweichung mit 43 Jahren
am höchsten. Es lag jedoch nur eine Fotografie vor, aus der sich der Wert berechnete.
Diese Datierung kann ein einmaliges Ereignis sein, aber es fehlen Vergleichsdatierungen,
die den Durchschnittswert möglicherweise nach unten korrigiert hätten.
Für die Jahrzehnte 1870, 1900 und 1930 ist es genau umgekehrt. Es gibt keine Abweichungen der Datierungen von denen des Landesarchivs Berlin. Allerdings ergibt sich auch
hier die durchschnittliche Abweichung aus nur einer Datierung. Es fehlen Vergleichsdatierungen, die den Durchschnittswert möglicherweise nach oben korrigiert hätten.
Für die Zeit nach 1900 standen dagegen mehrere Fotografien je Jahrzehnt zur Verfügung.
Die Abweichungen werden also im Vergleich dargestellt. Es ist zu sehen, dass die durchschnittliche Abweichung insgesamt sehr gering ist. Dies trifft vor allem auf den Zeitraum
1940 zu. Für 1950 sind die Abweichungen in der Zeit nach 1900 am größten. Optimal
wären keine Abweichungen der Datierungen.
Da viele Datierungen einen ungenauen Zeitraum umfassen und auch die Möglichkeit
besteht, dass die Datierungen des Landesarchivs ebenfalls falsch sein könnten, lässt das
Diagramm keine eindeutigen Aussagen zur Treffsicherheit von Datierungen mit Hilfe
kostümgeschichtlicher Bücher zu. Die Grafik zeigt nur, dass Fehldatierungen möglich sind,
108
III Kostümgeschichte und Mode
aber es kann nicht gesagt werden, dass die Kleidung vor 1900 schwerer zu identifizieren
ist, da für diesen Zeitraum Vergleichsmöglichkeiten fehlen.
109
III Kostümgeschichte und Mode
5. Auswertung des Versuches
Die Datierungen von Fotografien mit Hilfe der Kostümgeschichte gestaltete sich aufwendiger als erwartet. Im Durchschnitt wurde je Foto eine Stunde benötigt und die Suche nach
hilfreichen Hinweisen in den Kostümbüchern war teilweise sehr aufwendig. Durch die
vielen verschiedenen modischen Aspekte musste häufig erneut nachgeschlagen werden und
es war kaum möglich einige Bilder basierend auf dem bereits erarbeiteten Wissen zu
datieren. Die ganze Fülle der modischen Erscheinungen sind für einen Laien in der kurzen
Zeit, in der der Versuch durchgeführt wurde, nicht auf Anhieb beherrschbar. Außerdem ist
es für einen Nichtfachmann auch nicht möglich abzuschätzen, welche Modeerscheinungen
sich stärker durchsetzten als andere und sich möglicherweise auch noch länger hielten, als
in den Büchern angegeben. Dadurch können Abwägungen schwerer getroffen werden,
wenn sich typische Modebilder verschiedener Epochen mischen. Es kann schneller zu
Fehlinterpretationen kommen.
Neben diesem eingangs bereits herausgestellten Problem des Auftauchens mehrerer Moden
gleichzeitig, wurde bei einigen Bildern deutlich, dass die Übernahmebereitschaft neuer
Moden vermutlich auch vom Alter der Personen abhängt. Ein Beispiel dafür ist das Bild
Nr. 10, auf dem unterschiedliche Generationen und Modebilder abgebildet sind. Auf diesen
Aspekt gehen Kostümbücher und die Theorien zu Modewandel und – ausbreitung jedoch
nicht ein.
Viele hergeleitete Datierungen weichen von den Angaben des Landesarchivs ab. Die Datierungen des Landesarchivs Berlin sind selbst oft nur ungefähr angegeben und von den
Mitarbeitern hergeleitet worden. Sie müssen auch nicht in jedem Fall richtig sein und es ist
möglich, dass der Zeitabschnitt, der mit Hilfe der Kostümgeschichte im Rahmen des
Versuchs hergeleitet wurde, unter Umständen eher zutrifft. Daneben gibt es aber auch
einige Datierungen, die von der Verfasserin eindeutig falsch bestimmt wurden.
Die meisten Datierungen wurden in einem zu kleinen bzw. zu frühen Zeitraum angesetzt.
Häufig waren auf einem Foto Merkmale aus zwei aufeinander folgenden Zeiträumen zu
erkennen. Dabei wurde der Schwerpunkt zu sehr auf den früheren Zeitabschnitt gelegt, da
davon ausgegangen wurde, dass die Merkmale, die in den Büchern beschrieben wurden,
110
III Kostümgeschichte und Mode
dem Zeitraum ihrer weitesten Verbreitung zugeordnet wurden. Allerdings ist das Gegenteil
der Fall und die beschriebenen Modeentwicklungen brauchten noch eine Weile, um sich
auch in der breiteren Bevölkerungsmasse durchzusetzen. Es wäre also besser, die Datierung, die sich aus den Kostümbüchern ergibt, etwas in den späteren Zeitpunkt hineinzulegen.
Die Kostümbücher datieren die Modeerscheinungen nach ihrer ersten Entstehung in den
modeschaffenden Kreisen. Eine zeitliche Zuordnung von Modefotografien und Modezeichnungen wäre daher mit diesen Hilfsmitteln vermutlich einfacher als die Datierung von
Fotografien mit dokumentarischem Charakter, die einen Ausschnitt aus der breiten Masse
der Bevölkerung abbilden.
Verdeutlicht wird dieses Problem vor allem durch den Umstand, dass keine der Fotografien
in den Zeitraum um 1870 und 1880 eingeordnet worden ist. Das liegt vor allem daran, dass
die Kostümbücher für diesen Zeitraum hauptsächlich die Turnüre und den Cul de Paris
behandeln und die idealisierten Modezeichnungen als Bildmaterial vorherrschen. Auch die
typischen Frauenfrisuren dieser Zeit waren auf keinem der Bilder erkennbar.
Eine signifikante Lücke für die kostümgeschichtliche Darstellung der Zeit des II: Weltkrieges und unmittelbaren Nachkriegszeit weisen „Geschichte des Kostüms“ und „Formengeschichte europäischer Kleidung“ auf. Dies mag darin begründet sein, dass in dieser Zeit
die Produktion in der Modeindustrie weitgehend eingestellt wurde.146 Allerdings ist die
Kostümgeschichte nicht nur auf Mode beschränkt, wei es oben bereits herausgestellt
worden ist.
Am häufigsten wurde das Mode- und Kostümlexikon von Ingrid Loschek und die
„Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch benutzt. Auch die
Bildhandbücher von John Peacock konnten teilweise sehr hilfreich sein. Die Zuordnung
der verschiedenen europäischen Nationen im ersten Bildhandbuch war für die Analyse
nicht weiter ausschlaggebend. Ebenso verhält es sich mit der sachthematischen Unterteilung der Kleidung im zweiten Bildhandbuch, da auf den Fotografien nicht immer eindeutig
erkennbar war, ob es sich um eine alltägliche Situation oder einen besonderen Anlass
handelte.
146 Vergl.: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 412.
111
III Kostümgeschichte und Mode
Die Publikation von Erika Thiel war nur eingeschränkt nutzbar, wobei es hauptsächlich die
Zeichnungen und Fotografien waren, die durch einen Wiedererkennungseffekt die Datierung erleichterten. Ansonsten waren die Epochen zu weit eingeteilt und die beschriebenen
Modeerscheinungen konnten zeitlich nicht gut voneinander abgegrenzt werden.
Die Einteilung der Kapitel im Fünf-Jahres- Rhythmus ist bei Annemarie Bönsch zwar
feiner, aber es ist manchmal unklar, ob die Entwicklung ab dem entsprechenden Jahr oder
um das Jahr beschrieben wird.
Bei der Benutzung der Hilfsmittel wurde auch ein fester Ablauf erprobt. Zuerst sollte die
Fotografie mit den Bildhandbüchern von John Peacock als einfache Übersichtsdarstellung
grob sortiert werden. Diese Sortierung sollte anschließend mit dem Buch „Formengeschichte europäischer Kleidung“ als Ergänzung zu den Bildhandbüchern und anschließend
mit „Geschichte des Kostüms“ und den geschichtlichen Hintergrundinformationen im
Epochenüberblick überprüft werden. Spezielle Fragestellungen sollten mit Hilfe von
„Reclams Mode- und Kostümlexikon“ untersucht werden.
Dieser Ablauf erwies sich jedoch als zu sperrig und aufwendig. Welche der Publikationen
vorrangig herangezogen wurde, ergab sich aus den jeweiligen Motiven.
Teilweise wurde auch nur eine Publikation für die Datierung verwendet, wie z.B. bei Bild
Nr. 1, Bild Nr. 2 und Bild Nr. 4. Das Ergebnis ist auch hier unterschiedlich ausgefallen. Die
Datierung von Bild Nr. 1 deckte sich sehr gut mit der Datierungsangabe des Landesarchivs.
Bei den anderen beiden Bildern wichen sie jedoch ab. Allerdings wurden hier auch nicht
mehrere Aspekte, wie bei Bild Nr. 1 bei der Identifizierung berücksichtigt. Es ist jedoch
notwendig, mehrere Aspekte zu vergleichen, wie es z.B. bei Bild Nr. 23 deutlich wird, bei
dem zwei weit auseinander liegende Zeiträume für die Datierung in Frage kamen.
Hauptsächlich wurden Röcke, Kopfbedeckungen, Ärmel und Frisuren untersucht, während
das Make up auf keiner der Fotografien deutlich erkennbar war, so dass es in die Analyse
hätte mit einbezogen werden können. Auf schwarz-weiß Bildern lassen sich zudem die
Farben schwer rekonstruieren.
Neben dem modischen Erscheinungsbild waren weitere Details aus der Umgebung der
Personen auf dem Foto, wie z.B. bekannte Gebäude oder Pkw, hilfreich, um dieses einer
Epoche zuzuordnen.
112
III Kostümgeschichte und Mode
Schwierig zu untersuchen waren Fotos, bei denen die Personen saßen, halb verdeckt waren
oder Mäntel trugen.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Datierung von Fotografien mit Hilfe kostümgeschichtlicher Bücher für einen Laien nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist. Neben
den bereits beschriebenen Problemen konnte die Entstehung einer Fotografie auch nicht
auf einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren eingegrenzt werden. Die kürzesten möglichen
Intervalle waren fünf Jahre.
113
IV Schlussbetrachtung
IV Schlussbetrachtung
Die Identifizierung der Verfahren war einfacher als die Datierung über die Kleidungsstücke. Es gibt insgesamt nur eine begrenzte Anzahl von Verfahren, die sich nach der Identifizierung des Trägermaterials als ersten Schritt bereits voneinander abgrenzten. Die Kleidung und Mode dagegen ist vielfältiger und komplexer. Es müssen viel mehr einzelne
Details untersucht werden.
Dafür ist die Datierung über das Modebild zeitlich genauer möglich als über die Verfahren,
die teilweise über einen Zeitraum von über hundert Jahren angewendet wurden und noch
angewendet werden.
In den Versuchshypothesen wurde formuliert, dass es vor allem für einen Laien schwierig
ist, Fotografien mit fotohistorischen und kostümgeschichtlichen Methoden zu datieren.
Diese Annahme wurde in beiden Experimenten bestätigt. Für die Identifizierung der
Verfahren fehlte vor allem Spezialwerkzeug. Für die kostümgeschichtliche Analyse muss
eine große Vielfalt von Aspekten und Details beachtet werden. Ein Laie hat entweder
keinen Blick für Feinheiten und ausschlaggebende Besonderheiten oder er ist mit deren
Vielzahl überfordert.
Resümierend lässt sich sagen, dass sich keine der untersuchten Herangehensweisen für die
Datierung von Fotografien als besonders gut geeignet herausgestellt hat, wenn sie für sich
alleine steht. Über die Identifizierung der Verfahren lässt sich nur ein sehr weiter Datierungszeitraum herleiten und eine kostümgeschichtliche Analyse ist zu aufwendig und
manchmal nicht eindeutig möglich. In Ergänzung mit weiteren Datierungsmöglichkeiten
können sie aber eine hilfreiche Unterstützung sein.
114
V Anhang
Abbildung 7
Abbildung 8
cxv
Abbildung 9
Abbildung 10
cxvi
Abbildung 11
Abbildung 12
cxvii
Abbildung 13
cxviii
Abbildung 14
cxix
Abbildung 15
cxx
Abbildung 16
Abbildung 17
cxxi
Abbildung 18
Abbildung 19
cxxii
Abbildung 20
cxxiii
Abbildung 21
cxxiv
Abbildung 22
cxxv
Abbildung 23
cxxvi
Identifizierungsmerkmale fotografischer Verfahren nach Marjen
Schmidt
Tabelle 2
Merkmal
Gelantinetrocken- Nasses
Azetatfilm
platte
Kollodium(Seite 31/ 56/
(Seite 29/ 101)
verfahren
102)
(Seite 28/ 101)
Polyesterfilm
(Seite 31/ 56/
102)
Farbton
neutralgrau
cremefarben
weiß, gelblich
Silberbild
schwarz
Silberbild
schwarz
Oberfläche
matt
glänzend
häufig lackiert
halbmatt
halbmatt
Rückseite
glänzend
glänzend
glänzend
glänzend
Trägermaterial dünnes Glas,
glatte Kanten
dickes Glas,
unregelmäßig
geschnittene
Kanten
Film
Film
hellgrau, farblos hellgrau, farblos
Standardformate
9x12 cm
12x16,5 cm
13x18 cm
18x24 cm
keine
2.4 x 3,6 cm
4,5 x 6 cm
6 x 6 cm
6 x 7 cm
6 x 9 cm
9 x 12 cm
10,1 x 12,7 cm
13 x 18 cm
18 x 24 cm
20,32 x 25,4 cm
24 x 30 cm
2.4 x 3,6 cm
4,5 x 6 cm
6 x 6 cm
6 x 7 cm
6 x 9 cm
9 x 12 cm
10,1 x 12,7 cm
13 x 18 cm
18 x 24 cm
20,32 x 25,4 cm
24 x 30 cm
Weitere
Merkmale
Retuschen mit
rotem Lack oder
matten,
transparente Lack
und Bleistift
Ecken nicht
vollständig
ausgegossen
eventueller
Randaufdruck:
Safety oder
Safetyfilm,
eventueller
Geruch von
Essigsäure
eventueller
Randaufdruck:
Estar
cxxvii
Übersichtstabelle zu den Datierungen und ihren Abweichungen
Tabelle 3
Bild Datierung aus
Versuch
Datierung des
Landesarchivs
1
um 1850
1844
0
2
um 1850
um 1870
0
3
um 1850
1885
25
4
1856 – 1865
1849
7
5
1860 – 1865
um 1890
15
6
um 1860
um 1890
10
7
1890 – 1895
1898
3
8
um 1905
um 1925
10
9
um 1910
1862
43
10
1900 – 1910
um 1915
0
11
1900 – 1910
1913
3
12
1900 – 1910
um 1900
0
13
1900 – 1910
um 1910
0
14
1905 – 1910
um 1910
0
15
1914 – 1919
um 1915
0
16
1915 – 1920
um 1925
0
17
1920 – 1925
um 1925
0
18
1926 – 1929
um 1924
0
19
1928 – 1933
um 1925
0
20
um 1930
1921
4
21
um 1935 – 1940 1950
10
22
1935 – 1940
1937
0
23
1938 – 1940
1915
23
24
um 1940
1953
8
25
um 1940
1940
0
26
1940 – 1945
1946
1
27
1940 – 1945
1945
0
28
1945 – 1946
1945
0
147 unter Berücksichtigung des Toleranzbereiches
cxxviii
Zeitunterschied in
Jahren147
Bild Datierung aus
Versuch
Datierung des Zeitunterschied in Jahren
Landesarchivs
29
1945 – 1950
1956
6
30
1945 – 1950
1957
7
31
um 1950
1954
0
32
ab 1950
1964
0
33
um 1960
1967
2
34
1957 – 1965
1966
1
35
1968 – 1969
1967
1
36
Nicht datiert
um 1940
Berechnungstabelle der durchschnittlichen Abweichung je Jahrzehnt
Tabelle 4
Jahrzehnt
Durchschnittliche Abweichung in
Jahren
Abweichung in
Jahren
1840
3,5
1850
0
0
1860
43
4
3
1870
0
0
1880
25
2
5
1890
9,33
1900
0
1910
4,33
0 3 0 0 0
1920
2,33
1
0 0 0 0 4
0
1930
0
1940
0,25
0 1 0 0
1950
6,2
1
8 6 7 0
0
1960
1
0 7
1 1
3
5 0
0
0
0 2 1 1
cxxix
2
3
1. Literaturverzeichnis
Boehn, Max von (1963): Menschen und Moden im 19. Jahrhundert, 1878 - 1914.
München: Bruckmann (Die Mode : [Menschen und Moden vom Mittelalter bis zur
Gegenwart] / Max von Boehn, 8).
Bönsch, Annemarie (2001): Formengeschichte europäischer Kleidung. Köln: Böhlau
(Konservierungswissenschaft - Restaurierung - Technologie, 1).
Buchmann, Wolf (1999): Woher kommt das Photo? Zur Authentizität und Interpretation
von historischen Photoaufnahmen in Archiven. In: Der Archivar, Jg. 52, H. 4, S. 296–
306.
Caspers, Martha (1998): Farbenblind? Probleme beim Umgang mit Farbfotografien in
Archiven, kulturgeschichtlichen Museen und Sammlungen. In: Rheinland;
Fortbildungszentrum für Museen; Museumsverband Baden-Württemberg; Tagung.
Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Farbfehler! Gegen das Verschwinden der
Farbfotografien ; Beiträge einer Tagung von Landschaftsverband Rheinland,
Rheinisches Archiv- und Museumsamt, Fortbildungszentrum Abtei Brauweiler,
Technische Universität Dresden, Institut für angewandte Photophysik und
Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vom 18. bis 20.
September 1997 in der Technischen Universität Dresden. Göppingen: Museumsverband
Baden-Württemberg c/o Städtisches Museum (Publikationen der Abteilung
Museumsberatung // Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Archiv- und
Museumsamt, 6).
Dobrusskin, Sebastian (1998): Fotografische Farbstoffraserverfahren. Prinzip, Technologie
und Identifizierung. In: Rheinland; Fortbildungszentrum für Museen; Museumsverband
Baden-Württemberg; Tagung. Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Farbfehler! Gegen
das Verschwinden der Farbfotografien ; Beiträge einer Tagung von Landschaftsverband
Rheinland, Rheinisches Archiv- und Museumsamt, Fortbildungszentrum Abtei
Brauweiler, Technische Universität Dresden, Institut für angewandte Photophysik und
Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vom 18. bis 20.
September 1997 in der Technischen Universität Dresden. Göppingen: Museumsverband
Baden-Württemberg c/o Städtisches Museum (Publikationen der Abteilung
Museumsberatung // Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Archiv- und
Museumsamt, 6), S. 53–78.
Frizot, Michel (1998): 1839-1840. Fotografische Entdeckungen. In: Frizot, Michel (Hg.):
Neue Geschichte der Fotografie. Koln: Konemann.
Frizot, Michel (1998): Eine automatische Zeichnung. Die Wahrheit der Kalotypie. In:
Frizot, Michel (Hg.): Neue Geschichte der Fotografie. Koln: Konemann.
Gernsheim, Helmut ((1971)): Die Fotografie ; In Zsarb. mit Alison Gernsheim. (Aus d.
Engl. übertr. von Helmut Gernsheim.) Mit 285 Abb., davon 27 in Farbe. Unter Mitarbeit
von Alison Gernsheim. Wien, München usw. Molden, ((Molden, Sammlung
Kulturgeschichte)).
cxxx
Haberkorn, Heinz (1985): Anfänge der Fotografie. Entstehungsbedingungen e. neuen
Mediums. Orig.-Ausg., 14. - 16. Tsd. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (Kulturgeschichte
der Naturwissenschaften und der Technik, [3).
Hesse, Wolfgang (1997): Die Fotografie: Stiefkind der Archive? In: Weber, Hartmut (Hg.):
Bestandserhaltung. Herausforderung und Chancen. Stuttgart: Kohlhammer
(Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, 47), S. 79–
86.
Hesse, Wolfgang (2007): Rezension von: Timm Starl, Hinter den Bildern. Identifizierung
und Datierung von Fotografien von 1839-1945. In: Der Archivar, Jg. 60, H. 2, S. 174.
Höroldt, Ulrike (2006): Eine besondere Herausforderung für Archive und Archivare. Zur
Foto-, Film- und Tonträgerüberlieferung im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt. In:
Archivalische Zeitschrift, Jg. 1992, H. 88, S. 419–440.
Kastner, Dieter (Hg.) (1997): Fotos und Sammlungen im Archiv. Köln i.e. Pulheim:
Rheinland-Verl. (Archivhefte / Landschaftsverband Rheinland, Archivberatungsstelle
Rheinland, 30).
Kleffe, Hans (1988): Aus der Geschichte der Fototechnik. 3., verb. Aufl., 21. - 30. Tsd.
Leipzig: Fotokinoverl.
Knodt, Robert; Museum Folkwang <Essen> / Fotografische Sammlung (1999): Verfahren
der Fotografie. Bilder der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang Essen.
Essen.
Koshofer, Gert (1998): Farben und Fotografie im 19. Jahrhundert. In: Rheinland;
Fortbildungszentrum für Museen; Museumsverband Baden-Württemberg; Tagung.
Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Farbfehler! Gegen das Verschwinden der
Farbfotografien ; Beiträge einer Tagung von Landschaftsverband Rheinland,
Rheinisches Archiv- und Museumsamt, Fortbildungszentrum Abtei Brauweiler,
Technische Universität Dresden, Institut für angewandte Photophysik und
Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vom 18. bis 20.
September 1997 in der Technischen Universität Dresden. Göppingen: Museumsverband
Baden-Württemberg c/o Städtisches Museum (Publikationen der Abteilung
Museumsberatung // Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Archiv- und
Museumsamt, 6), S. 25–31.
Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in Bayern; Münchner Stadtmuseum (Hg.)
(1994): Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen. Konservieren, archivieren,
präsentieren ; erarbeitet im Rahmen eines zweijährigen Restaurierungsprojekts der
Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in Bayern und des Münchner
Stadtmuseums. Unter Mitarbeit von Marjen Schmidt. München: Weltkunst-Verl.
(Museums-Bausteine, 2).
Loschek, Ingrid (2005): Reclams Mode- und Kostümlexikon. 5., aktualisierte und erw.
Aufl. Stuttgart: Reclam.
Mathys, Nora (2007): Welche Fotografien sind erhaltenswert? Ein Diskussionsbeitrag zur
cxxxi
Bewertung von Fotografennachlässen. In: Der Archivar, Jg. 60, H. 1, S. 34–40.
Peacock, John (1991): Kostüm und Mode - das Bildhandbuch. Von den frühen
Hochkulturen bis zur Gegenwart. Bern: Haupt.
Peacock, John (1993): Die Mode des 20. Jahrhunderts. Das Bildhandbuch. Bern: Haupt.
Pieper, Joachim (2004): Arbeitskreis Archivpädagogik und historische Bildungsarbeit. In:
Der Archivar, Jg. 57, H. 1, S. 22–24.
Reilly, James M. (1986): Care and identification of 19th-century photographic prints.
Rochester, NY: Eastman Kodak Co. (Eastman Kodak Company <Rochester, NY>:
Kodak publication, 2S).
Schneider, Sigrid (1997): Fotos als historische Quelle. In: Kastner, Dieter (Hg.): Fotos und
Sammlungen im Archiv. Köln i.e. Pulheim: Rheinland-Verl. (Archivhefte /
Landschaftsverband Rheinland, Archivberatungsstelle Rheinland, 30), S. 23–34.
Schnierer, Thomas (1995): Modewandel und Gesellschaft. Die Dynamik von "in" und
"out". Opladen: Leske + Budrich.
Schuster, Walter (2004): Die Anforderungen an Kommunen und ihre Archive in Zeiten des
New Public Management. In: Der Archivar, Jg. 57, H. 2, S. 108–114.
Starl, Timm (2006): Hinter den Bildern. In: Fotogeschichte, Jg. 26, H. 99.
Thiel, Erika (2004): Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis
zur Gegenwart. 8., erg. u. aktualisierte Aufl. Berlin: Henschel.
Weber, Hartmut (Hg.) (1997): Bestandserhaltung. Herausforderung und Chancen. Stuttgart:
Kohlhammer (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung BadenWürttemberg, 47).
Wolter, Gundula (1994): Hosen, weiblich. Kulturgeschichte der Frauenhose. Marburg:
Jonas-Verl.
Internetdokumente
Berliner Fotografenateliers
http://www.berliner-fotografenateliers.de/index2.html, zuletzt geprüft am 23.06.2008.
Landesstelle für Museumsbetreuung(2005): Bibliographie zur Inventarisierung. Online
verfügbar unter: http://www.landesstelle.de/media/File/Bibliographie.pdf, zuletzt
geprüft am 12.06.2008.
Brühl, Roland (2005): Spiel mit dem Feuer. Nitrozellulosenegative in Fotosammlungen.
(Rundbrief Fotografie, 3). Online verfügbar unter: http://www.rundbrieffotografie.de/nf47.htm, zuletzt geprüft am 11.05.2008.
cxxxii
Lebrecht, Heike (2004): Methoden und Probleme der Bilderschließung. Herausgegeben
von Institut für Informationswissenschaften. Fachhochschule Köln. (Kölner
Arbeitspapiere zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 42). Online verfügbar
unter: http://www.fbi.fh-koeln.de/institut/papers/kabi/volltexte/band042.pdf, zuletzt
geprüft am 27.06.2008.
Oelze, Patrick: Fotografien als historische Quelle. (Universität Konstanz). Online
verfügbar unter: http://www.unikonstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/Tutorium/Themenkomplexe/Quellen/
Quellenarten/Fotographien/hauptteil_fotographien.html, zuletzt geprüft am 10.04.2008.
Reimann, Norbert (2001): Gedächtnis der Gesellschaft. Die Dokumentationsaufgaben der
Archive - Ansprüche und Möglichkeiten. Herausgegeben von Landschaftsverband
Westphalen-Lippe. Westfälisches Archivamt. (Archivpflege in Westphalen und Lippe,
55). Online verfügbar unter: http://www.lwl.org/waadownload/archivpflege/heft55/index.html, zuletzt geprüft am 27.06.2008.
Tasch, Stephanie (2003): Rezension von: Emilie E.S. Gordenker: Van Dyck and the
representation of dress in seventeenth-century portraiture. , Turnhout: Brepols
Publishers NV 2001. (Kunstform 4, Nr.02), Online verfügbar unter:
http://www.sehepunkte.de/2003/02/pdf/2503508804.pdf, zuletzt geprüft am:
12.05.2008.
Ulrike Müller (2005): Archivierung, Konservierung, Restaurierung. Zum Umgang mit
Fotografien. Herausgegeben von AKMB-News. Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und
Museumsbibliotheken (AKMB). Online verfügbar unter: http://www.akmb.de/web/pdf/
herbst2005/mueller.pdf, zuletzt geprüft am 15.03.2008.
cxxxiii
2. Abbildungsnachweis
Abbildung 1: Ordnung der Versuchsobjekte nach Farbton
eigene Darstellung....................................................................................................22
Abbildung 2: Rückseite der Glasplatte
vom Landesarchiv kassiert.......................................................................................29
Abbildung 3: Oberfläche mit ablösender Emulsionsschicht
vom Landesarchiv kassiert.......................................................................................31
Abbildung 4: Rückseite mit Trägermaterial
vom Landesarchiv kassiert.......................................................................................31
Abbildung 5: Grafik zur Vedeutlichung des Überschneidens und gleichzeitigen Auftretens
mehrerer Moden nach der Trickle-Down-Theorie
aus: „Modewandel und Gesellschaft“, Thomas Schnierer.......................................45
Abbildung 6: Grafische Darstellung der Datierungsabweichungen
eigene Darstellung..................................................................................................107
Abbildung 7:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 75081......................................cxv
Abbildung 8:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 331233....................................cxv
Abbildung 9:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 120097...................................cxvi
Abbildung 10:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 348262...................................cxvi
Abbildung 11:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 316942.................................cxvii
Abbildung 12:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 294466.................................cxvii
Abbildung 13:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 348272................................cxviii
Abbildung 14:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 363921...................................cxix
Abbildung 15:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 297771....................................cxx
Abbildung 16:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 363923...................................cxxi
Abbildung 17:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 260670...................................cxxi
Abbildung 18:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 49480...................................cxxii
Abbildung 19:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 367973.................................cxxii
Abbildung 20:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 98646..................................cxxiii
cxxxiv
Abbildung 21:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 111730.................................cxxiv
Abbildung 22:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 124402..................................cxxv
Abbildung 23:
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 309041...............................cxxvi
cxxxv