Hilfsmittel zur Fotodatierung
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Hilfsmittel zur Fotodatierung
Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam Diplomarbeit im Diplomstudiengang Archiv Hilfsmittel zur Fotodatierung – Untersuchung der Möglichkeiten von Publikationen zur Identifizierung fotografischer Verfahren und zur kostümgeschichtlichen Analyse im Experiment 1. Prüfer/in: Dr. Uwe Schaper 2. Prüfer/in: Dr. Karin Schwarz vorgelegt von Martina Krickel Langhansstraße 135 13086 Berlin Matrikelnr.: 6380 Wörter im Textteil: 26480 Berlin, Juli 2008 Inhaltsverzeichnis I Fotografie in Archiven......................................................................................................3 1.1 Fotografien als historische Quelle..........................................................................5 II Identifizierung der fotografischen Verfahren.............................................................10 1. Synopse der Fotogeschichte.........................................................................................11 2. Analyse-Instrumente....................................................................................................15 2.1 „Hinter den Bildern“ von Timm Starl...................................................................15 2.2 „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“ von Marjen Schmidt.......16 2.3 „Verfahren der Fotografie“ von Robert Knodt und Klaus Pollmeier....................17 3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte...................................................................18 4. Durchführung...............................................................................................................20 4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen..........................................................20 4.2 Dokumentation......................................................................................................20 4.3 Ergebnisse und Abgleich.......................................................................................33 5. Auswertung..................................................................................................................35 6. Weitere Identifizierungsmöglichkeiten und fotografische Verfahren..........................37 III Kostümgeschichte und Mode......................................................................................41 1.1 Begriffsbestimmung und Modetheorien...............................................................42 2. Analyse-Instrumente....................................................................................................47 2.1 „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“ und „Die Mode des 20. Jahrhunderts“ von John Peacock.................................................47 2.2 „Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch..................48 2.3 „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ von Ingrid Loschek.................................49 2.4 „Die Geschichte des Kostüms“ von Erika Thiel...................................................49 3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte...................................................................51 4. Durchführung...............................................................................................................53 4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen..........................................................53 4.2 Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse..................................................54 4.3 Ergebnisse und Abgleich.....................................................................................108 5. Auswertung des Versuches.........................................................................................111 IV Schlussbetrachtung....................................................................................................115 V Anhang.........................................................................................................................cxvi 1. Literaturverzeichnis................................................................................................cxxxi 2. Abbildungsnachweis..............................................................................................cxxxv ii I Fotografie in Archiven I Fotografie in Archiven Archive sind als Orte geschichtlicher Erinnerung Bewahrer der unterschiedlichen Dokumentarten und Quellengattungen der historischen Überlieferung. Dazu gehören neben dem traditionellen Medium der Schrift seit jüngerer Vergangenheit auch Bild- und Tondokumente mit ihren jeweiligen Grenzen und Möglichkeiten. Von den beiden letztgenannten Quellengattungen ist der Bedeutungswert in den staatlichen und kommunalen Archiven erst recht spät erkannt worden. Folglich ist der Umgang mit ihnen noch ungewohnt und nicht so klar definiert, wie beispielsweise bei der Aktenüberlieferung1. Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Medium Fotografie, welches als historische Quelle immer mehr Eingang in die Archive gefunden hat und schließlich auch zu massenhaftem Archivgut geworden ist. Welche Arten von Fotografien in den Archiven verwahrt werden, hängt von ihrem Überlieferungszusammenhang ab. Als Dokumentart mit Beweischarakter finden sie sich in der amtlichen Aktenüberlieferung wieder. Als Träger für private Aufzeichnungen und Erinnerungen sind sie vor allem in Nachlässen vorzufinden. Oft bieten sie eine gute Ergänzung zur stadtgeschichtlichen Überlieferung und werden dementsprechend gezielt von den Archiven gesammelt.2 Über die Typologie der Bildsammlungen in den Archiven gibt es bisher jedoch keine Untersuchungen. In der Veröffentlichung der GRIV3, die 1997 eine Typologie für visuelle Sammlungen erarbeitet hat, tauchen lediglich Filmarchive als sammelnde archivische Institutionen auf.4 Dies legt die Vermutung nahe, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine besondere Wahrnehmung für Archive als Verwahrer bildlicher Überlieferung existierte. Auch Wolfgang Hesse bemängelt in seinem im selben Jahr erschienenen Aufsatz das Fehlen von Verzeichnissen zu den fotografischen Beständen der Archive, Bibliotheken und Museen.5 Dabei gibt es einen erheblichen Anteil an Fotografien in den Beständen der kommunalen und staatlichen Archive.6 Sie bilden eine gute Ergänzungsüberlieferung und eignen sich als 1 2 3 4 5 6 Vergl.: Hesse, Wolfgang: „Die Fotografie: Stiefkind der Archive?“, S. 1. Vergl.: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S 5. Groupe départemental de recherche en information visuelle. Vergl.: Lebrecht, Heike: „Methoden und Probleme der Bilderschließung“, S. 10. Siehe: Hesse, Wolfgang: „Die Fotografie: Stiefkind der Archive?“, S. 1. Siehe: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S. 419. 3 I Fotografie in Archiven besonders ansprechendes Material gut für die historische Bildungsarbeit.7 In den letzten zehn Jahren wuchs auch die Erkenntnis über die Bedeutung der Fotografie und der Umgang mit ihr verbesserte sich. Die Entwicklung einer gängigen Methode zur Aufbereitung von Fotografien als historisches Quellenmaterial ist aber immer noch nicht abgeschlossen.8 Bisher beschäftigt die Archive vor allem die Bewältigung der Masse an Fotografien und das Problem der – vorbeugenden – Bestandserhaltung. In der archivischen Fachliteratur sind vor allem Problemstellungen zu Sammlungs- und Ordnungssystematiken und zu den besonderen Anforderungen bei der Lagerung und Konservierung von Fotografien zu finden. Das Problem der Bewertung und Erschließung als nächster Schritt wird erst jetzt und in den nächsten Jahren verstärkt beachtet werden.9 Die ideale Behandlung des fotografischen Archivguts mit sachgerechter Lagerung und Erschließung ist allerdings sehr kostspielig, so dass sich nicht alle Archive diesen Luxus leisten können. Viele Archive können die erforderlichen finanziellen und personellen Mittel nicht aufbringen. Kommunalarchive sind durch die oft knappe Haushaltslage öffentlicher Kassen von starken Einsparungen betroffen. Zudem wird der Wert und Nutzen der Archive häufig nicht erkannt und Rationalisierungen werden hier zuerst angesetzt.10 Oft werden die Archive nur marginal betreut und mit einer Halbtagskraft aus einer anderen Abteilung besetzt. Es kann aber gerade für weniger gut dotierte Archive vorteilhaft sein, ihre Aufmerksamkeit den neuen Medien in ihren Beständen zuzuwenden. Es sind vor allem diese Quellengattungen, die immer mehr von den Benutzern nachgefragt werden. 11 Und da Archive heute viel stärker kundenorientiert arbeiten müssen, ist eine stärkere Konzentration auf die neuen Medien eine nötige Anpassung des Angebotes an die Nachfrage.12 Weiterhin eignen sich Fotografien sehr gut für Öffentlichkeits- und historische Bildungsarbeit, die das Archiv langfristig im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern und damit seine Existenzberechtigung untermauern. Ein gut erschlossener Fotobestand kann auch zur Gewinnung von Dritt7 8 9 10 Siehe: Pieper, Joachim: „Arbeitskreis Archivpädagogik und historische Bildungsarbeit“, S. 22. Siehe: Hesse, Wolfgang: Rezension von: Timm Starl: Hinter den Bildern. Vergl.: Mathys, Nora: „Welche Fotografien sind erhaltenswert?“. Vergl.: Schuster, Walter: „Die Anforderungen an Kommunen und ihre Archive in Zeiten des New Public Management“, S: 110. 11 Siehe: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S. 5. 12 Siehe: Schuster, Walter: „Die Anforderungen an Kommunen und ihre Archive in Zeiten des New Public Management“, S: 108. 4 I Fotografie in Archiven mitteln einsetzt werden, soweit die Frage der Nutzungsrechte geklärt ist. Eine stärkere Konzentration auf Fotografien bei der Archivierung ist auch in Hinblick auf die archivische Hauptaufgabe der Überlieferung von Geschichte notwendig. Fotografien sind zu einer wichtigen Quelle für die historische Forschung geworden. Ihr Quellenwert wurde anfangs unterschätzt und die Historiker und Archivare begegneten ihr mit viel Skepsis. Demzufolge waren die meisten Fotobestände schlecht erschlossen und aufbewahrt.13 Als bedeutendes Kommunikationsmedium des 20. Jahrhunderts, konnte die Fotografie als Quelle von der historischen Forschung allerdings nicht lange unberücksichtigt bleiben. Sie überliefert Informationen aus Bereichen, die sich in dem schriftlichen Verwaltungshandeln nicht abzeichnen. Das betrifft vor allem das alltägliche Leben der breiten Bevölkerungsschicht, welches ab Anfang der 80er Jahre verstärkt in den Blickpunkt der Geschichtswissenschaft rückte.14 Die so genannte Ergänzungsüberlieferung oder das Sammlungsgut wurde damit zu einem Schwerpunkt der archivischen Arbeit. Dies trifft vor allem für kommunale Archive zu, die eine große Bürgernähe haben und ihr Überlieferungsprofil danach ausrichten. Bei staatlichen Archiven liegt die Hauptaufgabe dagegen in der Dokumentation des Verwaltungshandelns, das sich hauptsächlich in schriftlicher Form abzeichnet.15 1.1 Fotografien als historische Quelle Mit der Erfindung der Fotografie ist ein neues Medium entstanden, das durch seine visuelle Informationsvermittlung schneller und einfacher zu erfassen ist. Die Fotografie läutete das optische Zeitalter ein, das sich bis heute fortsetzt und mit den neueren Medien Film und Video weiter entwickelte. Durch die immer stärkere Einbindung der visuellen Medien in der Gesellschaft steigt auch die Bedeutung der Fotografie als historische Quelle.16 Der komplexe Informationsgehalt fotografischer Bilder erschwert jedoch die Quellenkritik und damit ihren Einsatz als geschichtliches Quellenmaterial. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ gewesen, die eine große 13 14 15 16 Siehe: Hesse, Wolfgang: „Die Fotografie: Stiefkind der Archive?“, S. 1. Siehe: Oelze, Patrick: „Fotografien als historische Quelle“. Siehe: Reimann, Norbert: „Gedächtnis der Gesellschaft“, S. 5. Vergl.: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 7. 5 I Fotografie in Archiven Kontroverse über dieses Problem ausgelöst hat.17 Eine Fotografie ist auf den ersten Blick eine scheinbar objektive Abbildung der Wirklichkeit und ein ideales historisches Quellenmaterial. Beim zweiten Blick eröffnet sich allerdings die Vielschichtigkeit und Komplexität des Quellenmaterials, was seine wissenschaftliche Untersuchung schwieriger gestaltet, als es zunächst aussieht. Der Eindruck der Objektivität entsteht vor allem dadurch, dass der Bildinhalt visuell und nicht abstrahiert wiedergegeben wird. Aber allein der Bildinhalt kann keine historisch verwertbaren Aussagen vermitteln. Die innere und die äußere Quellenkritik müssen stets in Verbindung miteinander betrachtet werden, daher müssen auch die Umstände der Bildentstehung bekannt sein. Die oben genannte Ausstellung verdeutlichte, wie wichtig es ist, ein Foto im Kontext seiner Entstehung zu interpretieren. 18Ein wesentlicher Bestandteil dieser äußeren Quellenkritik ist die, zumindest ungefähre, Datierung des Fotos und damit die Herstellung eines historischen Bezuges zum Bildinhalt. Schließlich ist eine Fotografie nur eine Momentaufnahme, ein Ausschnitt, herausgenommen aus einem größeren zeitlichen Zusammenhang. Falsche Datierungen vermitteln falsche historischen Tatsachen. Als Element der Formalerschließung ist die Datierung des Fotos Aufgabe des Archivars. Allerdings sind die meisten Fotografien nicht mit einer Datums- und Ortsangabe versehen und gerade die Erschließung von Metainformationen ist bei Fotografien meist besonders schwierig und häufig nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder auch gar nicht möglich.19 Was dem Archivar für die Recherche eines Datums zur Verfügung steht, ist das Bild selbst und manchmal auch einige Informationen zum Bestand, aus denen er sich die benötigten Informationen herleiten muss. Um den Entstehungszeitraum einer Fotografie zeitlich eingrenzen zu können, gibt es neben eventuellen Informationen aus dem Provenienzzusammenhang noch zwei weitere Ermittlungsmöglichkeiten. Zum einen kann das Trägermaterial untersucht und das fotografische Verfahren identifiziert werden. Auch die ursprüngliche Präsentation und Aufbewahrung der 17 Siehe: Buchmann, Wolf: „Woher kommt das Photo?“,, S. 297ff. 18 Ebd. 19 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S.61. 6 I Fotografie in Archiven Fotografie sind an typische modische Erscheinungen einer bestimmten Zeitepoche gebunden.20 Zum anderen bietet natürlich das Motiv selbst Informationen für eine Fotodatierung. Abgebildete Personen, Orte und Ereignisse, die bereits bekannt sind, können wiedererkannt werden. Bei Personen, Orten (Gebäude, Plätze, Straßen), Einrichtungsgegenständen, technischen Geräten und Maschinen sind es die sich im Laufe der Mode und Entwicklung ständig ändernden äußerlichen Merkmale, welche die Eingrenzung eines Entstehungszeitraumes ermöglichen. Die zeitliche Einordnung kann um so genauer erfolgen, desto stärker ein Produkt, wie etwa Kleidung und Fahrzeuge, dem Wandel unterworfen ist. Für jede der beiden Herangehensweise ist jedoch ein bestimmtes Maß an speziellem Fachwissen erforderlich, seien es Kenntnisse über Fotografie, die einzelnen Verfahren und deren Erscheinungsformen oder auch historisches, speziell kunsthistorisches Wissen. Über dieses Fachwissen verfügen zwar Fachleute wie etwa Fotohistoriker, Restauratoren oder Kunsthistoriker aber nicht primär diejenigen, deren Aufgabe die Aufbereitung und Nutzbarmachung des historischen Quellenmaterials ist: die Archivare. Allerdings bleibt den Archivaren auch die Möglichkeit von dem oben genannten Wissen zu profitieren, indem sie ausgewählte Publikationen heranziehen. So hat beispielsweise das Museum Folkwang (Essen) einen Ausstellungskatalog herausgegeben, der eine Hilfestellung für das Identifizieren der am meisten verbreiteten fotografischen Verfahren enthält und sich nicht nur an Fachleute, sondern an allgemein Interessierte richtet.21 Auch der autodidaktische Fotohistoriker Timm Starl widmete eine ganze Ausgabe der von ihm gegründeten Zeitschrift „Fotogeschichte“ diesem Thema.22 Die Datierung über inhaltliche Bildinformationen schließt ein weitaus größeres Spektrum historischer Teilgebiete zu Mode, Architektur und Technik ein. Es gibt eine Vielzahl von Publikationen zu sehr speziellen Themen, wie etwa zu einer Stilepoche, der Geschichte eines Accessoires und Kleidungsstückes oder der Entwicklung einer technischen Errungenschaft. Einen hilfreichen Überblick über solche Bestimmungsliteratur, die unter 20 Vergl.: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 3. 21 Siehe: Knodt, Robert; Pollmeier, Klaus: „Verfahren der Fotografie“. 22 Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“. 7 I Fotografie in Archiven anderem auch die Datierung der Objekte ermöglichen soll, gibt z.B. die „Bibliographie zur Inventarisierung“, herausgegeben von der Landesstelle für Museuumsbetreuung BadenWürttemberg.23 Sicherlich kann die Literatur nicht das Wissen und Können der jeweiligen Spezialisten ersetzen, zumal teilweise auch technische Hilfsmittel benötigt werden, welche den meisten Archiven in der Regel nicht zur Verfügung stehen. Daher kann sich der Archivar bei seinen Bestimmungen zu den Fotos nur in einem begrenzten Rahmen bewegen. An welche Grenzen er dabei stößt, soll diese Arbeit mit Hilfe empirischer Erprobung in Form eines Experimentes herausstellen. Untersuchungsgegenstand sind ausgewählte Fotografien aus dem Fotobestand des Landesarchiv Berlin. Durch den begrenzten Umfang dieser Arbeit können nicht alle Hilfsmittel berücksichtigt werden. Untersucht werden sollen die Möglichkeiten zur Identifizierung der fotografischen Verfahren und die Datierung mittels der Kostümgeschichte. Letztere wurde aus den verschiedenen kunstgeschichtlichen Disziplinen ausgewählt, weil die Kleidung als alltägliches Objekt eine permanente Präsenz in der menschlichen Lebenswelt hat. Sie ist einem ständigen und kontinuierlichen Wandel unterworfen, der aus der gesellschaftlichen Entwicklung hervorgeht. Als Indikator einer Epoche, eignet sie sich daher besonders gut zur zeitlichen Eingrenzung. Die beiden Herangehensweisen werden einzeln und voneinander getrennt auf ihre jeweiligen Grenzen untersucht. Dementsprechend gliedert sich der Hauptteil dieser Arbeit in zwei Teile: die Untersuchung des Äußerlichen, des Trägermaterials und die Untersuchung des Inhaltlichen, des Bildinhaltes. Zuerst werden die Möglichkeiten der Identifizierung der fotografischen Verfahren behandelt. Da der Fotobestand des Landesarchiv Berlin die Grundlage des Experimentes bildet, können auch nur die Verfahren berücksichtigt werden, die dort vorhanden sind. Dasselbe gilt für die Anwendung der Kostümgeschichte auf Fotografien, die Personen abbilden. Als Versuchsobjekte wurden nur analoge Fotografien berücksichtigt. Die digitale Fotografie ist mit einer Vielzahl weiterer Möglichkeiten und Bedingungen verbunden und erfordert eine eigene Abhandlung, die den Rahmen dieser Arbeit übersteigt. Durch die Weiterentwicklung dieses Kommunikationsmittels im digitalen Zeitalter haben die 23 Siehe: Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg: „Bibliographie zur Inventarisierung“, S. 39ff. 8 I Fotografie in Archiven Diskussionen um die Verwendung von Fotografien als historische Quelle neue Ansätze erhalten. Weitere Auswahlkriterien sind in den entsprechenden Kapiteln zu den jeweiligen Experimenten angeführt. Die Dokumentation der Experimente orientiert sich an der Struktur eines klassischen Versuchsprotokolls. Zuerst werden theoretischen Grundlagen erörtert und die Versuchshypothese gebildet. Anschließend wird der Versuchsaufbau beschrieben und der Versuchsablauf dokumentiert. Die Ergebnisse, die sich bei der Durchführung der Versuche ergeben, werden festgehalten und zum Schluß im Hinblick auf die anfangs gestellte Hypothese ausgewertet. Am Schluss der Arbeit werden beide Herangehensweisen noch einmal mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen gegenübergestellt. Die Begriffe Fotografie, Foto und Bild werden in der Arbeit durchgehend synonym gebraucht. Bei der Untersuchung der fotografischen Verfahren werden diese Begriffe auch synonym für Negativ verwendet. Da hier aber die Abgrenzung zum Abzug erforderlich ist, wird für diesen nur der Begriff Abzug verwendet. Bei der Untersuchung der Kostüme steht der Bildinhalt und nicht das Trägermaterial im Vordergrund. Eine Unterscheidung der Begriffe ist nicht notwendig, daher werden sie alle in diesem Teil der Arbeit synonym verwendet. Dort werden auch die Begriffe Mode und Kostümgeschichte voneinander abgegrenzt. Alle in der Arbeit verwendeten Bezeichnungen werden der Einfachkeit halber in männlicher Form angeführt, gelten aber auch in der weiblichen Form. 9 II Identifizierung der fotografischen Verfahren II Identifizierung der fotografischen Verfahren Die Identifizierung der Verfahren, mit denen die Fotografie hergestellt wurde, scheint eine nahe liegende Lösung zu sein, um den Entstehungszeitraum zeitlich einzugrenzen. Zudem können diese Angaben eine nützliche Metainformation für den Historiker sein, z.B.dokumentieren sie in zusammenhängenden Fotografennachlässen die Arbeitsweise des Bestandbildners. Um von einer Fotografie auf ihr Herstellungsverfahren schließen zu können ist aber ein technisches Wissen nötig, über welches in der Regel nur Restauratoren verfügen. Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung des Materials sind unerlässlich für dessen retauratorische Behandlung. Die Arbeitsbereiche von Archivaren und Historikern überschneiden sich zwar bei der Frage nach der Bestandserhaltung, aber das dem Archivar übermittelte Wissen bleibt meist auf der Ebene zweckdienlicher Hinweise zum richtigen Umgang mit Fotografien und kann kein Bewusstsein für die Vielfalt der fotografischen Verfahren schaffen.24 Durch eine Zusammenarbeit besteht die Möglichkeit, dass der Archivar von dem Fachwissen des Restaurators profitiert und seine speziellen Informationen aus der Identifizierung der Verfahren ableiten kann, denen ganz andere Fragestellungen zugrunde liegen. Eine Zusammenarbeit mit einer Restaurierungswerkstatt ist aber für viele Archive oft nur in einem sehr begrenzten Umfang möglich, was nicht zuletzt auch finanzielle Gründe hat. Dem Archivar bleibt noch die Möglichkeit sich mit Hilfe spezieller Publikationen selbst an der Verfahrensidentifizierung zu versuchen. Es steht außer Frage, dass er sich nicht dasselbe Wissen und Können wie der Restaurator aneignen kann und dass ihm auch nicht die entsprechenden Arbeitsmaterialien zur Verfügung stehen. Deshalb wird die Bestimmung der einzelnen Fotoverfahren für den Archivar nur in einem begrenzten Umfang, den die ausgewählten Hilfsmittel zulassen möglich sein. Diese Annahme soll im folgenden Teil dieser Arbeit untersucht werden. 24 Vergl.: Rundbrief Fotografie „Faustregeln für die Fotoarchivierung“. 10 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 1. Synopse der Fotogeschichte Um die wichtigsten fotografischen Verfahren vorzustellen, gibt dieses Kapitel einen kurzen Rückblick zu den Anfängen der Fotografie. Die Erfindung der Fotografie beruhte auf einem alten, menschlichen Wunsch: die detailgetreue und dauerhafte Fixierung der Wirklichkeit.25 Durch Zeichnung und Malerei konnte ein naturgetreues Abbild nur sehr umständlich und aufwendig hergestellt werden. Eine weit verbreitete Zeichenhilfe war die Camera Obscura, eine dunkle Kammer, in die durch ein kleines Loch das Sonnenlicht auf eine helle Wand fiel und die Umgebung vor dem Loch kopfstehend wiedergab. Das Prinzip war bereits den griechischen Philosophen des Altertums bekannt und wurde im 16. Jahrhundert in Europa weit verbreitet und durch den Einsatz von Linsen vor dem Lichtloch verbessert. Die entstandenen Projektionen mussten aber immer noch durch Nachzeichnen fixiert werden und zeichneten sich nicht selbstständig auf.26 Für den nächsten großen Schritt zur Erfindung der Fotografie musste ein geeignetes lichtempfindliches Material gefunden werden, auf dem sich die Lichtbilder einprägen konnten. Im 18. Jahrhundert entdeckte der deutsche Gelehrte Johann Heinrich Schulze durch Zufall die Lichtempfindlichkeit von Silberhalogeniden, die bis heute in der Fotografie verwendet werden. Mehrere weitere Forscher fanden schließlich auch heraus, wie das Silberbild fixiert werden kann, allerdings blieben ihre Erkenntnisse von den Pionieren der Fotografie lange Zeit unbeachtet.27 Die erste überlieferte bildgebende Fotografie der Welt wird Joseph Nicéphore Niépce zugeschrieben und zeigt einen Blick aus Niépces Arbeitszimmer in Le Gras, entstanden im Jahr 1826. Das Bild entstand auf einer Zinnplatte, die mit Asphaltlack überzogen war und mehrere Stunden lang belichtet wurde, ein Verfahren, dass von der heutigen Fototechnik noch weit entfernt ist. 28 Der Pariser Kunstmaler Louis Jacques Mandé Daguerre stellte ungefähr zur gleichen Zeit Überlegungen dazu an, wie die Bilder aus der Camera Obscura fixiert werden und so wirk25 26 27 28 Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 9. Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 9ff. Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S: 25. Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 17ff. 11 II Identifizierung der fotografischen Verfahren lichkeitsgetreue Abbildungen in großer Zahl angefertigt werden könnten. Als er von Niépces Entdeckungen erfuhr, bot er ihm einen Partnerschaftsvertrag an, der 1829 schließlich zustande kam. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Zusammenarbeit konnte Daguerre jedoch erst 1835, zwei Jahre nach Niépces Tod, durch eine Zufallsentdeckung leisten. Dabei entdeckte er, dass sich auf nur kurz belichteten Platten, auf denen noch kein Bild erkennbar war, durch die Bedampfung mit Quecksilber ein Bild entwickelte. Er entdeckte damit das Entwickeln, ein grundlegendes Prinzip der heutigen Fotografie und verkürzte damit die Belichtungszeit von Stunden auf wenige Minuten.29 Mit Hilfe von Kochsalzlösung war er 1837 schließlich auch dazu imstande das Silberbild zu fixieren.30 Das Verfahren wurde am 19. August 1839 der Weltöffentlichkeit in Paris vorgetragen, seitdem gilt dieses Datum als offizielle Geburtsstunde der Fotografie.31 Die so genannte Daguerreotypie wurde daraufhin durch chemische Substanzen und den Einsatz von mathematisch berechneten Objektiven immer weiter verbessert, so dass es schließlich möglich war auch Personen zu fotografieren.32 Allerdings hat das Verfahren von Daguerre noch einen entscheidenden Nachteil: jede Fotografie ist ein Unikat und lässt sich nicht beliebig vervielfältigen.33 Mit diesem Problem beschäftigte sich um 1835 der englische Privatgelehrte Fox Talbot, ohne von den geheimgehaltenen Forschungen Niépces und Daguerres zu wissen. Im Gegensatz zu Daguerre verstand er auch den kausalen Zusammenhang des Entwicklungsprozesses und prägte den Begriff des latenten Bildes. Talbot fixierte Negative mit Kochsalz auf Papier, das er mit Wachs transparent machte. Dadurch konnte er das negative Bild im durchscheinenden Sonnenlicht positiv auf ein zweites Papier auskopieren. Das NegativPositiv-Verfahren ist mit dem Entwicklungsprozess bis heute Grundprinzip der Fotografien. Allerdings konnten die Kalotypien, wie Talbot seine Bilder nannte, durch die faserige Beschaffenheit des Papiers die Schärfe und Detailtreue der Daguerrotypien nicht erreichen. Dadurch blieb das Verfahren von dem Großteil der Fotografen zunächst unbeachtet.34 Die beste Transparenz und Widerstandsfähigkeit für die Verwendung als Negativmaterial 29 30 31 32 33 34 Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 24ff. Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 25. Siehe: Frizot, Michel: „1839-1840 – Fotografische Entdeckungen“, S. 23. Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 35f. Siehe: Gernsheim, Helmut: „Die Fotografie“, S. 26. Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 42ff. 12 II Identifizierung der fotografischen Verfahren bietet Glas. Doch auf der glatten Oberfläche ist die lichtempfindliche Schicht nur schwer fest haftend zu machen. Dieses Problem wurde 1847 von Claude Felix Abel Niépce de St. Victor durch die Verwendung von Hühnereiweiß (Albumin), als Bindemittel zwischen Glas und fotografischer Schicht gelöst. Die besseren Eigenschaften von Glas verdrängten schließlich das Papier als Negativmaterial.35 Diese Entwicklung bildete die Grundlage für das Nasse Kollodiumverfahren, das maßgeblich durch den Engländer Frederick Scott Archer geprägt wurde und für die nächsten Jahrzehnte das bedeutendste Verfahren unter den Fotografen blieb. Eine mit Kollodium36 beschichtete Glasplatte musste noch im nassen Zustand belichtet werden, da sie sonst lichtunempfindlich war. Die Fotografen mussten sich ihre nassen Platten vor jeder Belichtung stets selbst vorbereiten und für Fotografien außerhalb des Ateliers sämtliches Equipment und Dunkelkammerzelt transportieren. Um den aufwendigen Herstellungsprozess zu beschleunigen, wurden Direkt-Positiv-Verfahren, wie die Ambrotypie, Ferrotypie und Pannotypie, entwickelt. Die Ambrotypie ist ein unterbelichtetes Kollodiumnegativ, das durch Hinterlegen eines schwarzen Hintergrundes positiv erscheint. Bei der Ferrotypie wurde schwarz lackiertes Eisenblech und bei der Pannotypie schwarzes Tuchmaterial verwendet. Eine wesentliche Erleichterung des umständlichen Herstellungsprozesses stellte jedoch erst die Entwicklung der Trockenplatte dar. Zunächst wurde die Kollodiumschicht mit Hilfe verschiedener Zusätze für einige Tage in einem zähflüssigen Zustand und damit vermindert lichtempfindlich gehalten.37 Eine längere Haltbarkeit fotografischer Schichten war erst durch die Gelantinetrockenplatte möglich, deren Entwicklung 1871 der englische Amateurfotograf Dr. Richard Maddox einleitete. Gelantine ist nicht nur ein hervorragendes Bindemittel, sondern hat noch eine Reihe weiterer positiver Einflüsse auf die fotografische Emulsion und ist bis heute elementare Substanz zur Herstellung von Fotografien.38 Die Glasplatte wurde schließlich vom Film als fotografisches Trägermaterial abgelöst. Film ist leichter, flexibler und einfacher in der Handhabung, eine wesentliche Vorraussetzung, welche die Fotografie auch für die breite Masse der Bevölkerung populär machte. 35 36 37 38 Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 47ff. Lösung aus Nitrozellulose, durch Silbernitrat lichtempfindlich gemacht. Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 50ff. Ebd: S. 57ff. 13 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Die erste industrielle Filmproduktion begann 1888 in Philadelphia. Das Filmmaterial bestand aus Nitrozellulose, welches wegen seiner hohen Feuergefährlichkeit jedoch bald durch Acetylzellulose, auch Sicherheitsfilm genannt, ersetzt wurde. Da aber der Acetatfilm nicht die notwendigen mechanischen Eigenschaften für die Fotografie zu wissenschaftlichen Zwecken hatte, wurden später auch Folien aus Polyester verwendet.39 Neben den Problemen zur Herstellung geeigneter Bildträger mussten auch einige Schwierigkeiten bezüglich der Qualität der entstandenen Bilder bewältigt werden. Bis in die 1870er Jahre war die fotografische Schicht fast unempfindlich für die langwelligeren Lichtbereiche Grün, Gelb, Orange und Rot. Diese Farben wurden auf den Fotografien fast schwarz wiedergegeben und mussten durch den Fotografen retuschiert werden. Erst mit der Entwicklung weiterer Zusätze war es ab den 1870er Jahren möglich, die lichtempfindliche Schicht auch für diese Spektralbereiche zu sensibilisieren und die Vorraussetzungen für die Farbfotografie zu schaffen.40 Dieses Thema wird im Kapitel zu weiteren fotografischen Verfahren näher erläutert. 39 Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 77ff. 40 Ebd.: S. 66ff. 14 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 2. Analyse-Instrumente Die notwendigen Instrumente zur Durchführung des Experimentes sind drei Publikationen, die sich als Hilfsmittel zur Identifizierung der fotografischen Verfahren und auch speziell zur Fotodatierung verstehen. Sie alle richten sich nicht nur an Fachleute, sondern wollen auch Fotografie-Interessierte ansprechen. Die Publikationen setzen jeweils einen anderen Schwerpunkt und unterscheiden sich in ihrem Aufbau und ihrer Handhabung voneinander. Am Ende des Experimentes wird sich eine der Publikationen vielleicht als besonders geeignet für die Identifizierung der fotografischen Verfahren unter den geschaffenen Umständen herausstellen. Im Folgenden werden die Publikationen einzeln vorgestellt: 2.1 „Hinter den Bildern“ von Timm Starl Das 99. Heft der Zeitschrift „Fotogeschichte“ ist ausschließlich dem Thema der Fotodatierung über äußere Merkmale der Fotografien gewidmet. Der Zeitraum ist jedoch von der Erfindung der Fotografie bis 1945 eingeschränkt worden. Erarbeitet hat es der Gründer und frühere Herausgeber der Zeitung, Timm Starl. Starl selbst ist autodidaktischer Fotohistoriker und kann auf eine jahrzehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet zurückblicken. Seine Publikation behandelt nicht nur die fotografischen Verfahren, auf deren ausführliche Beschreibung er verzichtet und statt dessen auf weiterführende Literatur verweist. Er bezieht sich auch auf andere Anhaltspunkte, die sich an einer Fotografie von ihrer Entstehung bis zu ihrer Aufbewahrung herausgebildet haben. Das sind neben den Fotografen und Ateliers, der Vertrieb, die Abzüge, die Untersatzkartons sowie die Kennzeichnung und Aufbewahrung der Fotos. Der Inhalt des Heftes ist dementsprechend nach diesen Kategorien gegliedert. Die wichtigsten Anhaltspunkte zur Datierung der Fotos, wie die Erscheinungsbilder der Fotografien und die unterschiedlichen Formate, sind übersichtlich in verschiedenen Tabellen zusammengefasst. Zusätzlich ist das Heft mit vielen farblichen Bildbeispielen bereichert. Allerdings sind bei diesen Beispielen die typischen Merkmale, die durch das jeweilig angewandte fotografische Verfahren entstehen, nicht besonders herausgestellt. 15 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Starl bezieht sich in seiner Publikation vor allem auf den österreichischen Bereich, wodurch seine Publikation teilweise nur regional eingeschränkt verwendet werden kann. 2.2 „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“ von Marjen Schmidt Im Gegensatz zu Timm Starl kommt Marjen Schmidt aus dem Restaurierungs- und Archivbereich. Der Ansatz ihrer Publikation zielt daher auch, wie es der Untertitel deutlich macht, auf die „Konservierung, Archivierung, und Präsentation“ von Fotografien ab. Die Identifizierung der fotografischen Verfahren ist damit auch nur einer von mehreren Aspekten ihres Buches. Der restauratorische und konservatorische Gesichtspunkt steht bei ihr im Vordergrund, so dass sie auch stärker auf spezifische Schadensmerkmale der Fotografien eingeht. Zur Identifizierung der fotografischen Verfahren erstellte sie mehrere Identifizierungsschlüssel, ähnlich dem, den Sebastian Dobrusskin in seinem Aufsatz über Farbstoffrasterverfahren angefertigt hat.41 Diese Schlüssel erscheinen als ein übersichtliches und praktikables Werkzeug. Allerdings sind sie nicht uneingeschränkt anwendbar. So setzt Schmidt die Benutzung einer Lupe mit 20facher Vergrößerung voraus, die in den seltensten Fällen im Archiv vorhanden sein dürfte. Damit ist nicht jede aufgeführte Eigenschaft der Fotografien ohne weiteres durch einen Laien überprüfbar, wie beispielsweise die leichte Entzündbarkeit von Zellulosenitratfilm, was eine irreversible Schädigung des Materials mit sich bringen würde. Die Ausführungen Schmidts sind ebenfalls mit farblichen Bildbeispielen belegt. Es sind zwar weniger Abbildungen als bei Timm Starl, aber dafür aussagekräftigere. Die besonderen Merkmale der Fotografien sind teilweise deutlich und vergleichend herausgestellt. Neben den Abbildungen wird das Buch durch Tabellen übersichtlich mit Fakten ergänzt. 41 Siehe: Dobrusskin, Sebastian: Fotografische Farbstoffrasterverfahren. 16 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 2.3 „Verfahren der Fotografie“ von Robert Knodt und Klaus Pollmeier Diese Publikation des Museum Folkwang ist als Katalog einer gleichnamigen Ausstellung des Museums im Jahre 1989 entstanden und ist daher mit viel Bildmaterial ausgestattet. Im Unterschied zu den oben angeführten Veröffentlichungen gibt es hier eine kurze Beschreibung der fotografischen Verfahren, die jeweils mit einem farblichen Beispielbild illustriert sind. In einem kursiv gedruckten Text werden erkennbare typische Eigenschaften und Schadensbilder des Verfahrens erläutert. Die Kapitel zur Verfahrensidentifizierung beginnen im zweiten Teil der Veröffentlichung. Sie sind nicht chronologisch nach dem Jahr ihrer Erfindung, sondern nach Art des Verfahrens gegliedert. Die spezifischen Merkmale der Fotografien werden nicht in einer übersichtlichen Tabelle oder in Form eines Identifizierungsschlüssels dargestellt, sondern sind in einen Text eingebettet. Allerdings gibt es zu den meisten Verfahren eine kleine farbliche Abbildung, die einen stark vergrößerten Ausschnitt der Bildoberfläche darstellt. Diese unterstützen die bildliche Vorstellung des Lesers zu dem beschriebenen Eigenschaften der Fotografien. 17 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte Für diesen Versuch werden nur Negativ- und Unikatverfahren berücksichtigt. Abzüge und Drucke werden nicht einbezogen, auch wenn sie in jeder der oben genannten Publikationen ebenfalls eingehend erläutert sind. Bei der Datierung und Archivierung eines Fotos für die historische Forschung ist der Zeitpunkt des Motivs, das in seinem historischen Kontext betrachtet werden muss von Bedeutung. Einem Abzug kann man nicht ansehen, ob er „[...] auf einer Albumin-, Kollodium-, Gelantinetrockenplatte oder einem Rollfilmnegativ gemacht wurde“42. Der Entstehungszeitpunkt von Abzügen und Drucken der Fotos ist hauptsächlich bei der Restaurierung und Konservierung von Bedeutung. Die Auswahlmöglichkeiten für die Versuchsobjekte sind durch den Bestand und die verfügbaren Informationen des Landesarchiv Berlin beschränkt. Ein großer Teil des Bestandes ist nicht erschlossen, so dass nur von einer geringen Anzahl der Fotografien die Herstellungsverfahren bekannt sind. Weiterhin sammelt das Landesarchiv Berlin aus konservatorischen Gründen hauptsächlich schwarz-weiß Fotografien, was den Bereich der Farbfotografie von Anfang an aus dem Versuch ausschließt. Vorgelegt werden sollen von jedem der bekannten Verfahren möglichst 2-3 Exemplare, wobei die Auswahl nicht nur auf ein Trägermaterial beschränkt sein soll. Da diese letzten beiden Bedingungen jedoch nicht von den Archivmitarbeitern umgesetzt werden können, wird die Möglichkeit eingeräumt auch einen Teil von Negativen herauszusuchen, bei denen die Verfahren nicht bekannt sind. Ansonsten wäre die Auswahl zu einseitig und würde nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Publikationen überprüfbar machen. Die letztendliche Auswahl der Versuchsobjekte berücksichtigt zwar nur einen Ausschnitt aus der Gesamtanzahl der fotografischen Negativ- und Unikatverfahren, aber dafür die in den Archiven wahrscheinlich am häufigsten verbreiteten.43 Viele Archive sammeln bedingt durch eine Reihe von verschiedenen Faktoren und aus Gründen der Bestandserhaltung hauptsächlich schwarz-weiß Fotografien44. Die seltene Verwendung von Farbrasterverfahren durch Fotografen lässt solche Fotografien ebenfalls zu Raritäten in den Bildbe42 Siehe: Gernsheim, Helmuth: „Die Fotografie“, S. 94. 43 Siehe: Caspers, Martha: „Farbenblind?“, S. 9 Wie auch in der Einleitung erwähnt, gibt es keine Typologie zu Bildsammlungen in Archiven. 44 Vergl.: Caspers, Martha: „Farbenblind?“, S. 9 und Dobrusskin, Stefan: „Fotografische Farbstoffrasterverfahren“, S. 53. 18 II Identifizierung der fotografischen Verfahren ständen der Archive werden.45 Der Zellulosenitratfilm fällt sogar unter das Sprengstoffgesetz. Deshalb erfordert er einen fachgerechten Umgang und kann nur in speziell ausgestatteten Magazinräumen gelagert werden.46 Das Landesarchiv verfügt nicht über die Möglichkeit Zellulosenitratfilme zu sammeln, daher kann dieses Material im Experiment nicht berücksichtigt werden. 45 Vergl.: Dobrusskin, Stefan: „Fotografische Farbstoffrasterverfahren“, S. 53. 46 Siehe: Brühl, Roland: „Spiel mit dem Feuer - Nitrozellulosenegative in Fotosammlungen“. 19 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 4. Durchführung 4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen Es liegen 12 Fotografien in nummerierten Pergaminhüllen ohne Angabe des fotografischen Verfahrens und der Datierung vor. Die einzigen Hilfsmittel sind die beschriebenen Publikationen und ein Lineal. Der Raum des Fotolesesaals im Landesarchiv Berlin ist mit großen Fenstern ausgestattet, so dass die Negative bei Sonnenlicht untersucht werden können. Die Betrachtung soll dabei sowohl im Auf- als auch im Gegenlicht erfolgen. Die Durchführende des Versuches, im Folgenden Verfasserin genannt, hat sich vorher mit Hilfe der benutzten Publikationen bereits einen Überblick über die verschiedenen fotografischen Verfahren und deren wichtigste Erkennungsmerkmale verschafft. Ein genauer Ablauf des Versuches kann nicht von vornherein festgelegt werden, da er sich aus dem vorliegenden Material ergibt. 4.2 Dokumentation Als Erstes wird festgestellt, dass es sich bei den vorliegenden Negativen um unterschiedliche Trägermaterialien handelt, die im ersten Schritt sortiert werden. Es sind sieben Glasnegative und fünf Negative auf Film vorhanden. Diese Sortierung kann vorgenommen werden, ohne dass die Fotografien aus ihrer Hülle genommen und beansprucht werden müssen. Das Vorliegen der meisten Unikatverfahren kann nach diesem ersten Schritt schon ausgeschlossen werden. Sämtliche Trägermaterialien erweisen sich im Gegenlicht als transparent. Metall, Porzellan oder Stoff, welche als Bildträger für Unikatverfahren benutzt wurden, sind also nicht vorhanden. Die Kalotypie kann ebenfalls nach diesem Schritt ausgeschlossen werden, da kein Negativ auf Papier vorliegt. Da sämtliche Bilder Negative sind, kann auch das Vorliegen von Diapositiven ausgeschlossen werden. Fotografische Negativverfahren auf Glas sind das Nasse Kollodiumverfahren und die Gelatinetrockenplatte, welche im Folgenden bestimmt werden sollen. Auch die Ambrotypie wird berücksichtigt, auch wenn keines der Negative deren typische Präsentationsformen wie Rahmung 20 II Identifizierung der fotografischen Verfahren und Einbettung in einem Etui aufweist oder mit schwarzem Hintergrund hinterlegt ist. Diese Dinge können im Laufe der Zeit entfernt oder verloren gegangen sein. Durch den Ausschluss von Zellulosenitratfilm kommt für die Filmnegative nur die Identifizierung von Azetat- und Polyesterfilm in Betracht. Untersuchung der Glasnegative Im zweiten Schritt werden die Glasnegative näher untersucht, da diese einfacher zu bestimmen sind als Film. Ihre Bestimmung soll damit ein einfacher Einstieg in den Versuch sein. Die Bilder weisen verschiedene Auffälligkeiten und Farbtöne auf. Zwei Negative (Nr. 9 und 10) haben ein dunkleres, trüberes Grau als die anderen Negative und werden daher extra gelegt. Bei einem weiteren Negativ (Nr. 3) fällt ein gelblicher Farbton auf dem Bild auf, dieses wird ebenfalls aussortiert. Ein drittes Negativ (Nr. 12), das herausgenommen wird, ist an den Kanten mit Papier verklebt und eine hinterklebte Papierschicht deckt das Motiv teilweise gegen durchscheinendes Licht ab. Es ist durch einen großen Sprung des Glases durch die Bildmitte deutlich beschädigt. An den restlichen drei Negativen werden zunächst keine besonderen Auffälligkeiten festgestellt. Die Verfasserin vermutet ausgehend von ihrem Vorwissen zunächst, dass sich die Identifizierung der Verfahren über die Farbtöne der Negative am einfachsten gestaltet. Daher ordnet sie die Bilder grob nach ihrer Färbung, wobei besondere Auffälligkeiten nochmals berücksichtigt werden. Es ergibt sich folgendes Ordnungsschema: 21 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Farbton dunkles, trübes Grau neutrales Grau Nr. 9 Nr. 10 Nr. 2 Nr. 5 Nr. 6 gelber Farbton Nr. 3 verklebte Kanten defekt Nr. 12 Abbildung 1: Ordnung der Negative nach Farbton Die folgenden Schritte enthalten die Einzeluntersuchungen der Glasnegative. Im ersten Teil des Versuches werden die Platten, die besondere Auffälligkeiten aufweisen, untersucht. Dadurch sollen bereits zu Beginn des Untersuchungsablaufs möglichst viele Merkmale erfasst werden. Fotografie Nr. 3 Zuerst wird das Bild Nr. 3 mit dem gelblichen Farbton zur Bestimmung herangezogen. Der gelbliche Farbton lässt die Anwendung des Nassen Kollodiumverfahrens vermuten. Als hauptsächliches Hilfsmittel wird die Publikation von Marjen Schmidt ausgewählt, da hier die Verfahren am deutlichsten gegenübergestellt sind. Zur Untersuchung werden die aufgelisteten Merkmale (siehe Anhang Tabelle 2) nacheinander mit dem vorliegenden Negativ abgeglichen, wobei sich folgendes ergibt:47 • Ein cremefarbener Farbton, wie ihn Negative des Nassen Kollodiumverfahrens aufweisen, kann nicht eindeutig verifiziert werden. Die gelbliche Färbung erweist sich bei näherer Betrachtung als fleckige Verfärbung, die verstärkt an den Rändern auftritt und nicht gleichmäßig über dem Bild verteilt ist. 47 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 28. 22 II Identifizierung der fotografischen Verfahren • Um die empfindliche Kollodiumschicht zu schützen, werden Negative bei diesem Verfahren an der Oberfläche häufig lackiert, dadurch glänzt die Oberfläche. Bei dem vorliegenden Bild ist die Oberfläche jedoch matt. • Beim Nassen Kollodiumverfahren werden durch den manuellen Aufguss der Emulsionsschicht die Ecken nicht vollständig ausgegossen. Das vorliegende Negativ weist jedoch eine gute Verteilung der Emulsion bis in die Ecken und Kanten hinein auf. Es findet sich an der linken oberen Ecke zwar eine sehr kleine Freistelle, die jedoch auch durch eine Schadstelle im Glas entstanden sein könnte. • Marjen Schmidt listet als weiteres Merkmal dieses Verfahrens dickes Glas als Trägermaterial auf, das an den Kanten häufig unregelmäßig geschnitten ist. Die vorliegende Glasplatte ist jedoch dünn und die Kanten sind regelmäßig geschnitten. • Einheitliche Standardformate gibt es für Kollodiumplatten laut einer Tabelle zu Unterscheidungsmerkmalen von Glasnegativen nicht, daher wird das Format an dieser Stelle auch nicht untersucht.48 Es ist festzustellen, dass das vorliegende Negativ die notwendigen Eigenschaften einer Kollodiumplatte nicht eindeutig aufweist. Daher wird es anschließend in gleicher Vorgehensweise auf die Eigenschaften einer Gelatinetrockenplatte untersucht:49 • Der Farbton von Gelatinetrockenplatten wird als neutral grau beschrieben, was bei der vorliegenden Platte zutrifft. • Die bereits festgestellte matte Oberfläche deckt sich ebenfalls mit der matten Oberflächenbeschaffenheit als Merkmal dieses Verfahrens. • Auch das dünne Glas mit den glatten Kanten und die vollständige Verteilung der Emulsionsschicht als Merkmale von Gelatinetrockenplatten treffen beim vorliegenden Negativ zu. 48 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 101. 49 Ebd.: S. 29. 23 II Identifizierung der fotografischen Verfahren • Das Abmessen der Platte mit dem Lineal ergibt die genauen Maße 13x18cm, was einem Standardformat für Platten des vermuteten Verfahrens entspricht.50 Das Vorliegen einer Ambrotypie kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da diese nach einer Tabelle von Timm Starl in der Zeitschrift „Fotogeschichte“ eine glänzende Oberfläche besitzen.51 Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass das Bild Nr. 3 eine Gelatinetrockenplatte ist, welche seit 1878 bis heute verwendet wird. Die gelben Flecken können ein Schadensbild sein, dass sich an der Fotografie herausgebildet hat. Allerdings lässt sich in dem umfangreichen konservatorischen Teil von Marjen Schmidts Publikation dieses Schadensbild nicht finden. Nach Identifizierung des Verfahrens werden die Ergebnisse mit den anderen Publikationen verglichen. Bei einer nochmaligen Durchsicht der beiden Publikationen unter dieser speziellen Fragestellung stellt sich jedoch heraus, dass eine Identifizierung der vermuteten Verfahren mit diesen beiden Publikationen nicht möglich gewesen wäre. Die Veröffentlichung von Timm Starl berücksichtigt nur Ambrotypien, Diapositive und Autochrome als fotografische Verfahren auf Glas. Die Gelatinetrockenplatte und das Nasse Kollodiumverfahren werden hier ausgespart. In der Publikation von Robert Knodt und Klaus Pollmeier werden diese Negativverfahren und ihre Weiterentwicklung zwar beschrieben, aber der kursiv gedruckte Text, der typische erkennbare Merkmale zur Verfahrensidentifizierung beschreibt, fehlt hier. Damit werden diese beiden Publikationen in den nächsten Versuchen nur berücksichtigt, wenn sich eines der Negative als Ambrotypie herausstellt, oder sich weitere Fragestellungen, als in diesem ersten Versuchsdurchgang ergeben. Fotografie Nr. 12 Nachdem im ersten Versuchsdurchgang deutlich wurde, dass sich die Verfahren auch durch die Beschaffenheit des Glases unterscheiden, werden nochmals die Glasdicken der restlichen 6 Negative überprüft. Diese Überprüfung ergibt schnell, dass sich fast alle Negative, 50 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, 101. 51 Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 7. 24 II Identifizierung der fotografischen Verfahren bis auf Bild Nr. 12, auf dünnem, glatt geschnitten Glas befinden. Die Kanten der Fotografie Nr. 12 sind zwar verklebt, aber durch das Papier kann deutlich die Dicke des Glases und der unregelmäßige Schnitt erfühlt werden. Daher wird als zweites Untersuchungsobjekt diese Fotografie auf das Nasse Kollodiumverfahren in gleicher Weise wie das Erste überprüft:52 • Der Farbton der Fotografie ist nicht eindeutig als cremefarben zu identifizieren. • Die Oberfläche der Fotografie ist glänzend und weißt sehr viele Kratzer auf, die das Bild jedoch nicht angegriffen haben. Kleine Körnchen und Punkte, vielleicht Bläschen, die in der aufgetragenen Schicht eingebettet sind, lassen vermuten, dass die Oberfläche lackiert wurde. Kratzer, die fast das gesamte Bild überziehen, lassen keine möglichen Pinselspuren mehr erkennen. • Das Trägermaterial ist, wie bereits festgestellt, sehr dickes Glas mit unregelmäßig geschnittenen Kanten. • Die Ausfüllung der Ecken und Ränder ist durch die Abklebung nicht überall zu erkennen. Nur auf der Rückseite ist an einer kleinen Stelle zu sehen, dass der Rand nicht ausgefüllt ist. Schließlich wird noch überprüft, ob es sich bei der Platte auch um eine Ambrotypie handeln kann, indem die Platte auf einen schwarzen Untergrund gelegt wird. Das Ergebnis fällt jedoch negativ aus. Die Platte Nr. 12 erfüllt vor allem über das Trägermaterial die Merkmale einer Kollodiumplatte im Unterschied zu einer Gelatinetrockenplatte. Zwar lässt das Trägermaterial alleine keine hundertprozentige Identifizierung zu, weil einige Fotografen bereits benutzte Platten nochmals verwendeten und mit einem anderen Verfahren bearbeiteten, aber die Verwendung von Kollodiumplatten mit dem trockenen Gelatineverfahren, wie sie hier vorkommen müsste, kann ausgeschlossen werden, da Gelatinetrockenplatten nur industriell herstellbar waren. Dieser Hinweis konnte „Verfahren der Fotografie“ entnommen werden, womit 52 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S 28. 25 II Identifizierung der fotografischen Verfahren diese Publikation doch noch einen kleinen Beitrag zur Verfahrensidentifizierung leisten kann.53 Da sich alle übrigen Negative auf dünnem Glas mit glatten Kanten befinden, werden sie im Folgenden zuerst auf die Merkmale einer Gelatinetrockenplatte überprüft. Die nächsten Versuchsobjekte sind die beiden Negative, die durch ihr dunkles, trübes Grau aufgefallen sind. Fotografie Nr. 10 Die Vorgehensweise bei der Untersuchung bleibt wie bisher. • Der Farbton ist ein trübes Grau und kann nicht eindeutig als neutral grau identifiziert werden. • Die Oberfläche der Fotografie ist matt und an den Rändern ausgesilbert. • Das Glas ist dünn mit glatten Kannten und die Ecken und Ränder sind vollständig mit der lichtempfindlichen Schicht ausgefüllt. • Die Abmessungen der Platte betragen fast genau 9x12cm, was einem Standardformat für Gelatinetrockenplatten entspricht. Das Negativ Nr. 10 erfüllt die Merkmale einer Gelatinetrockenplatte, wobei vor allem die matte Oberflächenbeschaffenheit das Vorliegen einer Kollodiumschicht ausschließt. Die Überprüfung auf Merkmale dieses Verfahren entfällt damit. Die matte Oberfläche der Fotografie schließt auch das Vorliegen einer Ambrotypie aus. Daher fällt ein Abgleich der Ergebnisse mit den anderen beiden Publikationen weg. 53 Siehe: Knodt, Robert; Pollmeier, Klaus: „Verfahren der Fotografie“, S. 84. 26 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Fotografie Nr. 9 Die Fotografie weist die gleichen Merkmale wie Bild Nr. 10 auf, weshalb auf eine nochmalige Merkmalsbeschreibung an dieser Stelle verzichtet wird. Schließlich werden die restlichen drei neutralen Platten, die bei der Ersteinschätzung keine Besonderheiten aufgewiesen haben untersucht. Fotografie Nr. 6 Das Vorgehen bei der Untersuchung bleibt wie bisher. • Die vorhandenen Farbtöne sind grau bis schwarz. Das Grau ist im Vergleich zu den Negativen Nr. 9 und 10 nicht auffallend dunkel oder hell. Deshalb wird es als neutral eingestuft. • Die Oberfläche der Fotografie ist matt, jedoch kommt durch den sehr dünnen und gleichmäßigen Auftrag der Emulsionsschicht die spiegelnde Eigenschaft des Glases zum Vorschein. • Das Glas ist dünn und hat glatte Kanten. • Die Platte ist mit der lichtempfindlichen Schicht zwar nicht bis an den Rand ausgefüllt, dennoch lassen die geraden und klaren Abgrenzungen sowie der sehr dünne und gleichmäßige Auftrag eine maschinelle Beschichtung vermuten. Es wurde im Gegensatz zu allen anderen Negativen auch nicht die gesamte Emulsionsschicht belichtet. • Die Abmessungen des Negatives weisen das Standardformat 9x12cm auf. Die Fotografie Nr. 6 weist die Merkmale einer Gelatinetrockenplatte auf, wobei der sehr feine und dünne Auftrag fortgeschrittene Herstellungstechnik und demnach einen späteren Entstehungszeitraum vermuten läßt. 27 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Das Nasse Kollodiumverfahren kann durch die aufgeführten Merkmale ausgeschlossen werden, ebenso das Vorliegen einer Ambrotypie. Fotografie Nr. 5 Der Untersuchungsablauf ist wie bisher. • Farbton, Trägermaterial und Format entsprechen der Fotografie Nr. 6. • Die Oberfläche ist matt und die Verteilung der Emulsionsschicht weist eine Form auf, wie sie auch am oberen Rand auf dem Beispielbild bei Marjen Schmidt deutlich ist. Es ist erkennbar, dass die Emulsion von einer Seite auf die Platte aufgegossen wurde, da an dieser Stelle ein breiterer Rand entsteht. Das Negativ kann damit eindeutig als Gelatinetrockenplatte identifiziert werden. Die Überprüfung auf das Nasse Kollodiumverfahren und die Ambrotypie fällt damit weg. Fotografie Nr. 2 Der Untersuchungsablauf bleibt wie bisher. • Das Bild ist hauptsächlich neutral grau • Die Oberfläche ist halbmatt, wobei der sehr dünne Schichtauftrag wie bei Fotografie Nr. 6 die spiegelnde Glasoberfläche durchscheinen lässt. Es sind eindeutige Retuschespuren und Lackreste zu erkennen. • Die Rückseite ist im Gegensatz zu allen anderen Glasnegativen ebenfalls matt, da sie lackiert wurde, und weist Retuschen auf. Der Lack ist an einer kleinen Stelle abgeplatzt, so dass die glatte Glasoberfläche zum Vorschein kommt (siehe Abbildung 1). Die Bearbeitung der Negativrückseite mit mattem Retuschelack ist nach Marjen Schmidt ein typisches Beispiel für die Bearbeitung von Gelatinetrockenplatten. 28 II Identifizierung der fotografischen Verfahren • Das Glas ist dünn und hat glatte Kanten, wobei die Ecken und Kanten vollständig ausgegossen sind. Am unteren Rand ist der Schriftzug AGFA zu erkennen, was ein Hinweis zu einer genaueren Datierung sein kann. Die Platte Nr. 2 erweist sich damit eindeutig als Gelatinetrockenplatte, womit die Überprüfung auf andere Verfahren wegfällt. Abbildung 2: Rückseite der Glasplatte mit mattem Lack bestrichen, der links unten abgeplatzt ist und Schriftzug AGFA (spiegelverkehrt) links oben Untersuchung der Filmnegative Nachdem die Untersuchung der Glasnegative abgeschlossen ist, werden nun die Filmnegative näher betrachtet. Auch hier erfolgt zunächst eine grobe Ordnung nach besonderen Auffälligkeiten: • Fotografie Nr. 1 weißt eine starke Schädigung des Trägermaterials auf. Emulsion und Schichtträger lösen sich voneinander, wodurch das Bild eine zerknittert erscheinende Oberflächenstruktur bekommt. 29 II Identifizierung der fotografischen Verfahren • Fotografie Nr. 4 ist sehr klein und hat einen perforierten Rand. • Die Fotografien Nr. 8 und Nr. 11 sind am Rand teilweise abgeklebt worden. • Fotografie Nr. 7 weist zunächst keine auffälligen Besonderheiten auf. Danach werden die Negative einzeln untersucht, wobei die Vorgehensweise wie bei den Glasnegativen ist. Als Hilfsmittel wird die Publikation von Marjen Schmidt ausgewählt, die eine Merkmalsbeschreibung und Identifizierungstabelle für Fotografien auf Film enthält.54 Timm Starl behandelt in seiner Veröffentlichung nur das Farbdiapositiv als fotografisches Verfahren auf Film und in „Verfahren der Fotografie“ findet sich nur eine kurze Verfahrensbeschreibung für Farbnegativfilm ohne Angabe von Identifizierungsmerkmalen. Fotografie Nr. 1 Da das Vorliegen von Zellulosenitratfilm durch das Landesarchiv Berlin von vornherein ausgeschlossen ist, wird das Negativ nur auf Merkmale von Azetat- und Polyesterfilm untersucht. • Das Silberbild ist grau bis schwarz. • Das Trägermaterial ist hellgrau und scheint aus mehreren Schichten zu bestehen, die sich voneinander lösen, wodurch eine Vielzahl von kleinen Luftkammern zwischen ihnen entstanden ist (siehe Abbildung 3). • Die Oberfläche ist matt und löst sich vom Trägermaterial ab, wodurch sich eine Oberflächenstruktur wie bei zerknittertem Papier bildet (siehe Abbildung 2). • Ein Schriftzug am Rand, der das verwendete Material ausweist, ist nicht vorhanden. Ein Vergleich der Merkmale von Azetat- und Polyesterfilm, die von Marjen Schmidt aufgeführt sind, verdeutlicht, dass die beiden Materialien das gleiche äußere Erscheinungsbild aufweisen. Sie sind ohne weitere Hilfsmittel lediglich durch einen Aufdruck am Rand 54 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 31 und S. 102. 30 II Identifizierung der fotografischen Verfahren eindeutig zu identifizieren. Schmidt listet in ihrer Identifizierungstabelle noch vier weitere Tests auf, wobei der Verbrennungs- und Schwimmtest das Material gefährden würden und damit in diesem Versuch nicht durchgeführt werden. Auch der illustrierte Polarisationsfiltertest kann wegen der fehlenden Spezialausrüstung nicht durchgeführt werden.55 Die vierte Möglichkeit ist die eventuelle Wahrnehmung eines Geruches. Polyesterfilm weist keinen Geruch auf während Azetatfilm nach begonnener Zersetzung nach Essigsäure riechen kann: • Das Negativ hat einen wahrnehmbaren Essiggeruch, der auf der Rückseite am Trägermaterial stärker ist als an der Emulsionsschicht. Damit kann Fotografie Nr. 1 eindeutig als Azetatfilm identifiziert werden. Das vorgefundene optische Schadensbild wird jedoch in keiner der Publikationen beschrieben. Abbildung 3: Oberfläche mit ablösender Emulsionsschicht Abbildung 4: Rückseite mit Trägermaterial 55 Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 100. 31 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Fotografie Nr. 4 Nachdem sich im vorhergehenden Versuchsdurchlauf herausgestellt hat, dass die beiden in Frage kommenden Verfahren nur durch einen eventuellen Geruch und Randaufdruck zu identifizieren sind, wird die Untersuchung der Negative im Folgenden auf diese beiden Merkmale eingeschränkt: • Es ist kein Geruch wahrnehmbar und kein Randaufdruck zu erkennen. Weitere Merkmale sind in der Publikation nicht beschrieben, so dass das Negativ nicht weiter untersucht werden kann. Es konnte nicht festgestellt werden, ob es sich um einen Azetatfilm oder einen Polyesterfilm handelt, womit die Datierung lediglich auf den Zeitraum von 1920 bis heute angegeben werden kann. Fotografien Nr. 7, 8 und 11 Auf keiner der verbliebenen Negative ist ein Aufdruck erkennbar und es ist auch kein Geruch wahrnehmbar. Die Bilder Nr. 7 und Nr. 11 weisen bei eingehender Betrachtung zwar kleine leuchtend rote Punkte auf, was eventuell ein Schadensbild sein könnte, aber in den Publikationen finden sich dazu keine Angaben und Hinweise. Die Datierungsangabe lautet demnach wie bei Fotografie Nr. 4. 32 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 4.3 Ergebnisse und Abgleich Tabelle 1 Negativ Identifiziertes Verfahren Verwendungszeitraum Angaben des Landesarchiv Berlin Nr. 1 Azetatfilm 1920 – heute Nr. 2 Gelatinetrockenplatte 1878 – heute Angabe nicht möglich, da es genauere Datierung sich um ein kassiertes wäre durch Angabe der Negativ handelt Firma AGFA möglich (Gründungsdatum) Nr. 3 Gelatinetrockenplatte 1878 – heute 1914 Nr. 4 Azetatfilm oder Polyesterfilm 1920 – heute 1945 Nr. 5 Gelatinetrockenplatte 1878 – heute 1954 Nr. 6 Gelatinetrockenplatte 1878 – heute Repro eines Ankaufes von 1954 Nr. 7 Azetatfilm oder Polyesterfilm 1920 – heute 1949 Nr. 8 Azetatfilm oder Polyesterfilm 1920 – heute Ankauf 1949 Nr. 9 Gelatinetrockenplatte 1878 – heute 1933 Nr. 10 Gelatinetrockenplatte 1878 – heute 1936 Nr. 11 Azetatfilm oder Polyesterfilm 1920 – heute 1946 Nr. 12 Nasses Kollodiumverfahren 1851 – ca. 1900 Angabe nicht möglich, da es sich um ein kassiertes Negativ handelt ca. 1958/ 57 Da von den meisten Negativen das Herstellungsverfahren dem Landesarchiv Berlin nicht bekannt ist, kann die Richtigkeit der hergeleiteten Verfahren nicht überprüft werden. Daher wird der Entstehungszeitpunkt bzw. -raum der Negative zur Auswertung herangezogen. Die Überprüfung der herausgestellten Verfahren erübrigt sich für viele Negative schließlich auch. Für die Unterscheidung von Polyesterfilm und Azetatfilm sind im Versuch keine Anhaltspunkte entstanden. Die Angabe, welches Material vorlag, wäre im Nachhinein 33 II Identifizierung der fotografischen Verfahren daher mit keinem Erkenntnisgewinn verbunden. Die Glasnegative sind größtenteils weit nach 1900 entstanden. Damit kommt für sie nur das Verfahren der Gelatinetrockenplatte in Frage. Nur beim Negativ Nr. 3, bei dem das Nasse Kollodiumverfahren noch zu einem sehr späten Zeitraum angewendet worden sein könnte, und bei der Fotografie Nr. 12 wäre ein Vergleich wünschenswert gewesen. Allerdings waren hier die Verfahren nicht bekannt.56 Negativ Nr. 6 erwies sich als Reproduktion einer früheren Fotografie, was den vermuteten späteren Entstehungszeitpunkt erklärt. Die roten Punkte sind Retuschen mit rotem Lack und damit keine Anhaltspunkte zum verwendeten Verfahren. 56 Das Ende der Verwendung des Nassen Kollodiumverfahrens ist in der Literatur nur ungefähr angegeben. 34 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 5. Auswertung Das Trägermaterial ist der erste wichtige Anhaltspunkt, um eine Fotografie bestimmten Verfahren zuordnen zu können. Nur bei Gelatinetrockenplatten lässt das Material keine genaue Aussage zu, da diese auch mit dem Nassen Kollodiumverfahren verwendet wurden. Der Farbton der Negative ist dagegen kein verlässliches Identifizierungsmerkmal, auch wenn er in den Publikationen zuerst angeführt wird. Marjen Schmidts Beschreibung neutralgrau ist auch nur eine relative Angabe und daher schwer nachvollziehbar. Die eindeutige Identifizierung von Filmmaterial ist nur eingeschränkt möglich. Zellulosenitratfilm kann zwar aufgrund seiner gelblichen bis bernsteinfarbenen Färbung schnell erkannt werden, aber eine Unterscheidung von Azetat- und Polyesterfilm ist nur über den eventuellen Randaufdruck oder mit Spezialwerkzeug möglich. In der Untersuchung konnte von den Filmnegativen nur ein Negativ eindeutig identifiziert werden. Die Identifizierung der Unikatverfahren und Negativverfahren auf Glas ist in einem großen Umfang auch ohne spezielle Technik und Werkzeuge möglich. Die Lupe mit 20facher Vergrößerung, die Marjen Schmidt anführt, ist nur bei Abzügen, Drucken und Farbrasterverfahren erforderlich. Die Datierungen über den Anwendungszeitraum der fotografischen Verfahren sind teilweise sehr weitläufig und können daher nicht behilflich sein, das Motiv in einen historischen Kontext einzubetten. Hier bieten sich andere Datierungsmöglichkeiten an. Zum richtigen Umgang mit den Fotografien und zur Bestandserhaltung ist die Verfahrensidentifizierung jedoch durchaus sinnvoll. Das Negativ Nr. 6 veranschaulicht diesen Sachverhalt, da die Reproduktion aufgrund der Datierungsspanne von 1878 bis heute den Zeitpunkt der Entstehung des Originalnegatives als auch der Reproduktion einschließt. Dieses Beispiel verdeutlicht auch einen anderen Aspekt. Das Vorliegen eines Negativs stellt nicht in jedem Fall sicher, dass es sich auch um ein Original handelt. Doch Reprints von Negativen sind vermutlich selten und meist von den Archiven selbst durchgeführt, so dass dieser Umstand bekannt ist. 35 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Die ausgewählten Hilfsmittel erschienen zunächst zwar sehr vielversprechend, konnten einer Überprüfung unter der hier angeführten konkreten Fragestellung jedoch nicht standhalten. Die Publikation von Marjen Schmidt hat sich als einzig anwendbare herausgestellt, da sie als einzige sämtliche Verfahren einbezieht. Die anderen beiden Publikationen betrachten hauptsächlich Unikatverfahren und Abzüge. Die sehr frühen Unikatverfahren sind sicherlich begehrte und wertvolle Sammelobjekte aber in den Archiven nicht sehr weit verbreitet, was vor allem auch durch den kurzen Zeitraum ihrer Anwendung bedingt ist. Robert Knodt, Klaus Pollmeier und Timm Starl hatten zwar nicht den Anspruch formuliert, in ihren Publikationen sämtliche fotografische Verfahren zu erfassen, dennoch ist es unverhältnismäßig, wenn das Nasse Kollodiumverfahren, die Gelatinetrockenplatte und die Fotografie auf Film als eigentliche fotografische Prozesse nur marginal behandelt werden, während die verschiedenen Drucktechniken, die das Bildmaterial lediglich reproduzieren und die nicht nur in der Fotografie angewendet werden, sehr ausführlich dargestellt werden. Diese scheinbare Nachlässigkeit gegenüber den Negativen als eigentliche Originale der Fotografien ist verwunderlich. Alle Veröffentlichungen sind von Fachleuten verfasst worden, denen die besondere Bedeutung des Originals eigentlich bewusst sein müsste. Warum jedoch nur Marjen Schmidt Negative im gleichem Umfang wie Abzüge und Drucke behandelt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter erörtert werden. Es kann lediglich vermutet werden, dass die Positive auch in der Wahrnehmung von Fachleuten präsenter sind als die Negative, die aus Bestandserhaltungsgründen abgeschlossen verwahrt werden und von der Benutzung in der Regel ausgeschlossen sind. Das Experiment hat verdeutlicht, dass die Identifizierung fotografischer Verfahren und die darauf basierende Datierung von Fotografien für einen Laien nur eingegrenzt möglich ist. Die ausgewählten Publikationen waren als Hilfsmittel nur eingeschränkt verwendbar, da vor allem auch das Spezialwerkzeug des Fachmannes fehlte. 36 II Identifizierung der fotografischen Verfahren 6. Weitere Identifizierungsmöglichkeiten und fotografische Verfahren Durch die Entwicklung der Fototechnik und deren schrittweise Verbesserung gibt es noch weitere fototechnische Merkmale und Besonderheiten, die Anhaltspunkte für die Datierung sein können. Sie können in ihrer Vielfalt hier nicht alle aufgezählt, sondern nur beispielhaft angeführt werden. Wie in der Zusammenfassung der Fotogeschichte bereits angeschnitten, musste neben dem Trägermaterial auch die lichtempfindliche Schicht weiterentwickelt werden, um den steigenden Ansprüchen der Zeit zu genügen. In den Anfängen der Fotografie war die Fotoemulsion nur wenig lichtempfindlich. Das einfallende Licht wurde an den Silberhalogenidkörnern gestreut, so dass helle und leuchtende Objekte auf der Fotografie stets von einem so genannten Lichthof umgeben waren. Die Ursache wurde 1861 erkannt und ein Lichthofschutz wurde eingeführt.57 Fotografien mit Lichthof müssten demnach vor 1861 oder nur unmittelbar danach entstanden sein. Durch die relativ lichtunempfindliche Fotoemulsion und den sich daraus ergebenden langen Belichtungszeiten lassen sich einige Naturerscheinungen nicht korrekt abbilden. Die Oberfläche von Wasser ist auf alten Fotografien meist absolut eben, was nicht auf windstilles Wetter sondern auf das Verschwimmen der Konturen der Wellen durch die lange Belichtung zurückzuführen ist. Bei Fotografien von Wasserfällen wird diese Erscheinung besonders deutlich, da die charakteristische Oberflächenstruktur nicht mehr erkennbar ist.58 Die Belichtungszeiten konnten erst mit einer Sensibilisierung der Fotoemulsion für den grünen bis roten Bereiches des Lichts verkürzt werden. Vorher wurden blaue und violette Objekte in den Fotografien weiß und gelbe und rote Objekte, z.B. blondes Haar und Sonnenuntergänge, schwarz dargestellt. Erst 1873 wurde die orthochromatische Emulsion entwickelt, welche die Fotoemulsion bis in den gelben Spektralbereich sensibilisierte und im Jahr 1902 wurde schließlich die panchromatische Platte erfunden, die innerhalb kurzer 57 Siehe: Kleffe, Hans: „Aus der Geschichte der Fototechnik“, S. 73. 58 Siehe: Frizot, Michel: „Eine automatische Zeichnung“, S. 58. 37 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Belichtungszeiten auch bis in den roten Lichtbereich empfindlich war.59 Vor 1873 mussten die Fotografien regelmäßig retuschiert werden, damit die Abbildung einigermaßen naturgetreu war. Diese Retuschen müssten auf den Negativen nachvollziehbar sein. Die Entwicklung der panchromatischen Fotoschicht war eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Farbfotografie. Bereits die Fotopioniere Niépce und Daguerre setzten sich mit dem Gedanken auseinander, auch farbige Fotografien zu erschaffen, ohne ihn verwirklichen zu können. Um dennoch farbige Abbilder zu erhalten, wurden die Fotografien aufwendig mit der Hand koloriert.60 Das erste erfolgreiche Farbfotoverfahren beruht auf einer indirekten Farbwiedergabe. Bei der Dreifarben-Projektion wurde jeweils eine schwarz-weiß Platte durch einen blauen, einen grünen und durch einen roten Filter belichtet. Damit wurden auf den Platten nur die jeweiligen Lichtbereiche aufgenommen. Um das aufgenommene Bild in Farbe betrachten zu können, mussten über die Platten wieder jeweils der rote, grüne oder blaue Filter gelegt werden. Die drei eingefärbten Bilder wurden anschließend übereinander projiziert, wodurch ein mehrfarbiges Abbild entstand.61 Da bei der Aufnahme durch den Farbfilter nur die Objekte mit blauem, rotem oder grünen Anteil abgebildet werden, werden die Fotografien vermutlich wie drei jeweils falsch belichtete schwarz-weiß Bilder desselben Motivs aussehen.62 Sind drei solche Fotografien zusammen überliefert, besteht also die Möglichkeit, dass es sich um das Verfahren der Dreifarbenprojektion handelt. Wenn diese Fotografien aber aus ihrem Zusammenhang gerissen werden, z.B. einzeln und ohne Farbfilter und Projektionsapparat überliefert sind, können sie nur als schwarz-weiß Bild identifiziert werden und der Bezug zur Farbfotografie ist nicht mehr nachvollziehbar. Nach 1900 wurde eine ganze Reihe von Farbrasterverfahren entwickelt. Das Funktionsprinzip ist das gleiche, wie bei der Dreifarbenprojektion. Über eine schwarz-weiß Platte bzw. -Film wird ein Raster aus winzigen blauen, grünen und roten Filtern gelegt. Die Verfahren unterscheiden sich in Art des verwendeten Rasters. Die einzelnen Farbrasterverfahren und ihre Identifizierung hat Stefan Dobrusskin in einem Beitrag zum Sonderheft 59 60 61 62 Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 148. Siehe: Koshofer, Gert: „Farben und Fotografie im 19. Jahrhundert“, S. 25. Ebd.: S. 26f. Der Verfasserin lag kein Beispiel für ein solches Foto vor. 38 II Identifizierung der fotografischen Verfahren „Farbfehler! Gegen das Verschwinden der Farbfotografie“ des Rundbriefs Fotografie beschrieben.63 Für die Identifizierung der Verfahren ist jedoch ein Mikroskop notwendig, um die Rasterform erkennen zu können. Marjen Schmidt gibt für Farbrasterverfahren eine 30-fache Vergrößerung an.64 Da die Farbrasterverfahren auf transparenten Trägermaterial angefertigt werden, wäre es vermutlich auch möglich, das Bild unter ein Mikrofichegerät mit einer 30-fachen Vergrößerung zu legen. Ein solches Gerät ist in Archiven vermutlich mit höherer Wahrscheinlichkeit zu finden, als ein Mikroskop. Allerdings dürfen die Abmessungen des Bildträgers für das Gerät nicht zu groß sein. Mit dem Aufnahmematerial und den neu entstehenden Bedürfnissen entwickelte sich auch die Kameratechnik, was sich teilweise auch auf die Formate der Negative auswirkte. Viele Formate sind standardisiert und lassen daher keinen Rückschluss auf eine Datierung über das verwendete Kameramodell zu. Es sind vor allem spezielle Entwicklungen und Bildformate, die aus der Masse der Fotografien heraus stechen und damit leicht identifizierbar sind, z.B. lieferte der erste Kodak-Rollfilm von Georg Eastman aus dem Jahre 1888 runde Bilder im Durchmesser von 64 mm.65 Durch verbesserte Objektive und lichtempfindlichere Schichten konnten schließlich auch kleinformatige Platten hergestellt werden. Diese waren z.B. für die Geheimkamera von Carl Paul Stirn aus dem Jahr 1886 nötig. Diese für damalige Verhältnisse sehr kleine Kamera konnte unter der Weste getragen werden, während das Objektiv als Westenknopf getarnt aus einem Knopfloch lukte66 und kreisrunde Bilder im Durchmesser von 42 mm aufnahm.67 Mit der Entwicklung der Trockenschicht war es möglich mehrere unbelichtete fotografische Platten für einen längeren Zeitraum in einem Kameramagazin zu lagern. Dadurch konnten fotografische Automaten konstruiert werden, die nach Münzeinwurf fertige Sofortbilder aufnahmen. Einer der wohl am meisten verbreiteten Vorläufer der heutigen Paßbildautomaten war der Bosco-Automat, den Conrad Bernitt 1894 konstruierte. Die Bilder des Automaten haben einen breiten Metallrand mit dem jeweiligen Firmennamen.68 63 64 65 66 67 68 Siehe: Dobrusskin, Stefan: „Fotografische Farbstoffrasterverfahren“. Siehe: Schmidt, Marjen: „Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen“, S. 46. Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 16. Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 158. Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 5. Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 157f. 39 II Identifizierung der fotografischen Verfahren Das Aufnahmedatum solcher Automatenbilder lässt sich also in den Verbreitungszeitraum des jeweiligen Automaten einordnen. Neben dem physischen Material und dem Bildinhalt lassen sich auch über den Überlieferungszusammenhang Rückschlüsse auf den Entstehungszeitpunkt der Fotografie ziehen. Mit der zunehmenden Popularisierung der Fotografie verbreiteten sich die Fotoateliers, deren Hauptabnehmerkreis das aufsteigende Kleinbürgertum war.69 Die Fotografen der Ateliers signierten in der Regel die Herkunft der Fotografien, indem sie diese auf Untersatzkartons klebten oder mit Etiketten versahen, die Name und Anschrift des Ateliers enthielten. Durch den Bestehungszeitraum des entsprechenden Fotografenateliers kann demnach als Entstehungszeitraum der Fotografie eingegrenzt werden.70 Der Studiengang Museumskunde an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (FHTW) hat im Sommersemester 2003 eine Datenbank angelegt, die Berliner Fotografenateliers des 19. Jahrhunderts mit Namen und Existenzzeitraum erfasst. Grundlage für die Datenbank, die ständig erweitert und gepflegt wird, sind Fotografien aus privaten und öffentlichen Beständen.71 Diese Datenbank ist im Gegensatz zu den anderen angeführten Hinweisen zur Fotodatierung auch für Laien auf dem Gebiet der Fotogeschichte nutzbar. Für das Erkennen fotografischer Besonderheiten und besonderer Formate sind dagegen fotohistorische Kenntnisse nötig. 69 Siehe: Haberkorn, Heinz: „Anfänge der Fotografie“, S. 138. 70 Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 37ff. 71 Siehe: www.berliner-fotografenateliers.de. 40 III Kostümgeschichte und Mode III Kostümgeschichte und Mode Die Entwicklung der Kleidung und Mode ist eng mit der geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen verknüpft. Kleidung ist wahrscheinlich schon seit ihrer Entstehung mehr als nur Schutz des menschlichen Körpers gegen äußere Einflüsse. Sie ist mit einer Symbolik verbunden, welche die gesellschaftliche, soziale oder politische Position des Trägers nach außen signalisiert. Im Lauf der geschichtlichen Entwicklung und ihren Veränderungen im sozialen, gesellschaftlichen und politischen Bereich änderte sich auch der vorherrschende Kleidungsstil bzw. die Mode.72 In der Klassengesellschaft war es die herrschende Klasse, die den modischen Ton angab und dem auch nur die höheren Klassen folgen konnten.73 Durch die Demokratisierung und Konfektionierung der Mode mit der fortschreitenden industriellen Revolution wurden neue Moden auch für eine größere Anzahl der Bevölkerung erschwinglich und konnten sich immer schneller verbreiten. Mode war nicht mehr ausschließlich den elitären Kreisen vorbehalten und Modeschöpfer ließen sich sogar von Randgruppen und Minderheiten inspirieren, deren Kleidungsstile sie etwas abgewandelt für den Massengeschmack aufbereiteten.74 Mode ist als Produkt gesellschaftlicher Umbrüche also ein gutes Erkennungsmerkmal geschichtlicher Epochen. Dabei ist die relative Kurzlebigkeit der Mode bei der Datierung von Bildern ein Vorteil, da sie es ermöglicht, den Zeitraum stärker einzugrenzen, als es bei der Datierung über die fotografischen Verfahren der Fall ist. Die Kostümgeschichte wird auch in der Kunstwissenschaft als Hilfsmittel zur Datierung von Gemälden angewandt. Der Maler hat jedoch einen weitaus größeren Gestaltungsspielraum bei der Wiedergabe des abzubildenden Motivs hat als der Fotograf. Die Kostüme oder modischen Details können aus der Fantasie heraus erschaffen worden sein.75 Diese Aspekte können bei der Fotografie als Kunstform zwar ebenfalls vorkommen, sind aber nicht Mittel und Zweck der Fotografien mit dokumentarischen Charakter76, die hauptsäch72 73 74 75 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“. S. 6f. Ebd.: S. 7f. Ebd. S. 396f. Siehe: Tasch, Stephanie: Rezension von: Emilie E.S. Gordenker: Van Dyck and the representation of dress in seventeenth-century portraiture. S. 1. 76 Siehe: Schneider, Sigrid: „Fotos als historische Quelle“, S. 23. 41 III Kostümgeschichte und Mode lich als geschichtliche Traditionsquelle genutzt werden. Von den Fotografien, die in dieser Arbeit untersucht werden wird vorausgesetzt, dass sie die wirklichkeitsgetreue Kleidung der Bevölkerung abbilden. Die Motive, die sich auf Fotografien in Archiven finden, sind so unterschiedlich wie die Intentionen ihrer Aufnahme. Fotografien in juristischen Akten dokumentieren vor allem Tatorte, Tatgegenstände und Spuren. In Nachlässen finden sich vorwiegend Zeugnisse privater Erinnerung verbunden mit der Abbildung des privaten Umfeldes und wichtigen persönlichen Ereignissen. Vor allem hier ist die größte Anzahl an Abbildungen von Personen aufzufinden. Bei der stadtgeschichtlichen Ergänzungsüberlieferung werden neben wichtigen Ereignissen vorwiegend auch die Bilder einzelner Gebäude, Straßen und Plätze gesammelt. 1.1 Begriffsbestimmung und Modetheorien Kostümgeschichte als Geschichte der Kleidung ist nicht gleich Mode und Mode als kulturelle Erscheinungsform ist nicht gleich Kostümgeschichte. Obwohl diese Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch häufig vermischt und synonym verwendet werden, weil sie sich im Betrachtungsraum der Kleidung großflächig überschneiden, gibt es wesentliche Unterschiede. Daher werden diese Begriffe zunächst voneinander abgegrenzt. Die Kostümgeschichte beschäftigt sich mit der Geschichte von Kleidung überhaupt und geht damit bis zu dem Zeitpunkt zurück, an dem der Mensch zum ersten Mal mit einem Stoff seinen Körper einhüllte. Die Entwicklung der Kleidung wird in Verbindung mit der Sozial-, Kultur- und Sittengeschichte untersucht. Dabei ist sie nicht nur auf Modeerscheinungen begrenzt, sondern berücksichtigt auch Trachten, Traditionen und wesentliche Neuerungen, die einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Kleidung hatten, z.B. die Durchsetzung der Frauenhose. Ansonsten bleibt die Kostümgeschichte im Gegensatz zur Mode auf das Objekt Bekleidung in Verbindung mit der Haar- und Bartmode beschränkt.77 77 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 9. 42 III Kostümgeschichte und Mode Der Begriff Mode taucht erst im 15 Jahrhundert in Frankreich auf. Die Gebrüder Grimm schreiben dazu in ihrem Wörterbuch von 1885: „[...] das franz. seit dem 15. jahrh. häufig erscheinende fem. mode, dessen unmittelbare ableitung vom lat. masc. modus nicht ohne Zweifel steht (man müste denn die geschlechtsänderung durch den Einflusz des älteren fem. manière erklären wollen), das zeitgenössische art und brauch im allgemeinen, auch die dem wechselnden geschmack unterworfene art sich zu kleiden ausdrückt [...], erscheint vor den zwanziger jahren des 17. jahrh. in deutscher sprache nicht [...]; der begriff bleibt zunächst auf die tracht beschränkt [...], mode erweitert seine bedeutung aber bald auch auf den augenblicklichen zeitgeschmack im benehmen und thun der gesellschaft“78 Diese Definition zeigt, dass sich der Begriff Mode ursprünglich zwar auf die Kleidung beschränkte, sich aber auch auf gesellschaftliche Verhaltensweisen und schließlich die industriellen Produkte ausgebreitet hat.79 Damit birgt die Erscheinung Mode weitere Möglichkeiten für die Fotodatierung. Es können z.B. neben der Bekleidung der dargestellten Personen auch deren Umgebung, wie das Mobiliar oder die Beschriftungen der Fotos mit Modewörtern80 analysiert werden. Auf diese Möglichkeiten kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen werden, sondern die Betrachtung von Modeerscheinungen begrenzt sich ausschließlich auf den Bereich der Kleidung. Vom Modebegriff abzugrenzen sind Neuerungen, die keine kurzlebigen Erscheinungen, sondern wegweisende Errungenschaften in der Entwicklung waren. Diese Neuerungen können zwar anfangs als Modeerscheinungen aufgefasst worden sein und kurzlebige modische Erscheinungsformen besitzen, sind aber im Grunde längerfristige Veränderungen,81 wie etwa der Pkw oder die Hose als alltägliches Bekleidungsstück für die Frau82. An der Grimmschen Definition und der Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen von 78 79 80 81 82 Siehe: Grimm: „Deutsches Wörterbuch“ 1885; S. 2435f. Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S. 23f. Siehe: Starl, Timm: „Hinter den Bildern“, S. 37. Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S. 21. Vergl.: Wolter, Gundula: „Hosen, weiblich“, S.11ff und 287ff. Das Tragen von Hosen und Röcken war bis in die jüngste Vergangenheit in unserem Kulturkreis an eine feste Rollenverteilung gebunden. Hosen waren als typische männliche Kleidungsform zugleich Symbol männlicher Herrschaft. Die Respektierung der Hose als Frauenkleidung ist eng mit der Emanzipation verknüpft und hat sich erst Ende der 1960er Jahre endgültig in allen Lebensbereichen durchgesetzt. 43 III Kostümgeschichte und Mode Veränderung wird erkennbar, dass Mode drei wesentliche Aspekte enthält. Dies ist als erstes die Zeit, da Modeerscheinungen nur kurzlebig sind und einem immer wiederkehrenden Wandel unterliegen. Als zweites ist die Verbreitung und damit der soziale Aspekt von Mode ausschlaggebend. Eine Modeerscheinung wird von einer relativ großen Anzahl von Individuen gleichzeitig getragen, wobei jedoch keine quantitativen Angaben gemacht werden können. Der dritte Aspekt ist das Objekt der Modeerscheinung selbst, welches z.B. die Kleidung oder auch die Verhaltensweise sein kann.83 Die zweite Bedeutungsebene des Begriffes erfasst Mode als Prozess des stets wiederkehrenden Wandels an sich. Daher ist es umstritten, ob bei historischen Epochen, die eine lange Beständigkeit ihrer Kultur und Kleidung aufweisen, bereits von Moden gesprochen werden kann.84 In den unten angeführten Publikationen zur Kostümgeschichte wird aufgrund der Quellenlage bis in die jüngere Vergangenheit nur die Kleidung der gehobenen Gesellschaftsschichten betrachtet. Wie stark und wie schnell sich einige Modeerscheinungen in den unteren Schichten durchgesetzt haben, wird nicht behandelt. Auch für die Moden in den demokratisierten Gesellschaften werden die verschiedenen Modeerscheinungen zwar in festgelegte Zeitabschnitte eingeteilt, es ist aber nicht immer eindeutig herausgestellt, ob es sich um die Zeit des häufigsten Auftretens oder um die Anfangszeit der jeweiligen Mode handelt. Mit dem Problem des Modewandels und der Ausbreitung beschäftigen sich dagegen die verschiedenen Modetheorien. Alle Theorien gehen davon aus, dass die verschiedenen Moden nicht zeitlich parallel sondern zeitlich versetzt und überschneidend auftreten. Eine der wichtigsten Theorien ist die sogenannte klassische Trickle-Down-Theorie aus dem Jahr 1904 von Georg Simmel, die davon ausgeht, dass die Mode in der oberen Klasse entsteht und von dort auf die unteren Klassen heruntertröpfelt (daher der Name). Da die gehobene Gesellschaftsschicht aber darauf bedacht ist, sich durch ihre Mode von den unteren Schichten abzugrenzen, schafft sie für sich eine neue Mode, bevor die vorherige ihr Vertei- 83 Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S: 19ff. 84 Ebd.: S. 27ff. 44 III Kostümgeschichte und Mode lungsmaximum in der breiten Bevölkerung erreicht hat. Die Grafik in Abbildung 5 verdeutlicht, dass dadurch mehrere Moden gleichzeitig auftreten können.85 Abbildung 5: Die Grafik verdeutlicht das Überschneiden und gleichzeitige Auftreten mehrerer Moden Mit der Demokratisierung der Gesellschaft und dem Abbau des Klassensystems ist aber der Ansatz der Trickle-Down-Theorie nicht mehr anwendbar. Es entwickelten sich neue Theorien, die diesen Ansatz abwandelten und eine Modeausbreitung horizontal innerhalb der Schichten und auch von unten nach oben annahmen. Das gleichzeitige Auftreten mehrerer Moden ist jedoch beibehalten worden, da davon ausgegangen wird, dass es zunächst frühe Abnehmer der neuen Mode gibt, bevor diese von der Mehrheit der Bevölkerung und schließlich von Nachzüglern übernommen wird.86 Für die Analyse der Fotografien bedeutet dies, dass typische Merkmale zweier aufeinanderfolgender Modeepochen auf einer Fotografie auftreten können. Da die Kostümbücher aber keine Angaben zur Verbreitung der Moden machen, wird die Datierung der Fotografien erschwert. Um in diesem Fall einen Orientierungspunkt festzulegen, wird davon 85 Siehe: Schnierer, Thomas: „Modewandel und Gesellschaft“, S. 44ff. 86 Ebd.: S. 52ff. 45 III Kostümgeschichte und Mode ausgegangen, dass die im Experiment verwendeten Publikationen den Zeitraum der weitesten Verbreitung betrachten, sofern nichts anderes angegeben wird. Die unlineare Struktur von Modewandel und -ausbreitung erschwert eine eindeutige zeitliche Zuordnung von Fotografien anhand der Kleidung und Toilette der abgebildeten Personen. Vor allem für einen Laien sind daher Datierungen der modischen Erscheinungsbilder mit Hilfe kostümgeschichtlicher Publikationen nur in einem begrenzten Umfang möglich. Diese Grenzen sollen im folgenden Experiment herausgestellt werden. 46 III Kostümgeschichte und Mode 2. Analyse-Instrumente Alle ausgewählten Publikationen sind der „Bibliographie zur Inventarisierung“, herausgegeben von der Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg, entnommen. Es wird dort eine ganze Reihe von sehr speziellen Veröffentlichungen, wie etwa zu einem einzelnem Accessoire, aufgeführt. Diese Publikationen können für eine spezielle Fragestellung herangezogen werden. Im Rahmen dieser Arbeit kann jedoch nur eine grobe Bestimmung der Kleidung durchgeführt werden. Die speziellen Publikationen enthalten für diesen Zweck eine zu große Informationsfülle. Ausgewählt wurden daher Bücher, die in erster Linie einen Überblick über die Kostümgeschichte geben. 2.1 „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“ und „Die Mode des 20. Jahrhunderts“ von John Peacock Die beiden Bildhandbücher verstehen sich als visueller Überblick über die Geschichte der Kleidung. John Peacock verzichtet in seinen Publikationen völlig auf eine textliche Erläuterung zur Entwicklung der dargestellten Kostüme, da sie „[...] keine akademische Untersuchung der Geschichte der abendländischen Kleidung [...]“87 sein sollen. Die dargestellten Kostüme werden lediglich kurz und knapp in einem angegliederten Textteil beschrieben. Die Darstellungen sind zeitlich chronologisch geordnet und illustrieren unterschiedliche Kostüme einer Zeitspanne. Diese sind auf den europäischen Kulturraum begrenzt, wobei zu jeder Figur zusätzlich die Nation vermerkt ist. Allerdings sind die Nationen, in denen sich die Mode nicht zeitlich parallel entwickelt hat, nicht zu gleichen Anteilen vertreten, was die Verwendungsmöglichkeiten dieser Bildtafeln eventuell einschränkt. In der ersten Publikation „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, folgend auch erstes Bildhandbuch genannt, ist die Mode der letzten viertausend Jahre abgebildet. Die Figuren sind im Gegensatz zu den meisten anderen Modezeichnungen teilweise sehr robust und kastenförmig gezeichnet. Dadurch kann die entsprechende Silhouette der zeitgenössischen Kleidungsform nicht gut erkannt werden. Andererseits wird dadurch auch illustriert, wie sich die Kleidung an robusteren Figuren gestaltete. 87 Siehe: Peacock, John: „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, S. 7. 47 III Kostümgeschichte und Mode Der zweite Bildband „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, folgend auch zweites Bildhandbuch genannt, zeigt zierlichere Figuren, an denen vor allem die Taille deutlicher erkennbar ist. Der Darstellungszeitraum ist größtenteils auf fünf Jahre eingegrenzt, wobei es an einigen Stellen auch Unterbrechungen dieses Rhythmus gibt. Die Darstellungen sind in diesem zweiten Bildband nur auf die Frauenmode begrenzt und die Kleidung wird sachthematisch nach ihrer Funktion unterschieden. Diese Unterscheidung der Frauenkleidung nach Zweck und Gelegenheit entwickelte sich bereits in der Biedermeierzeit heraus.88 Neben der Alltagsmode werden auch auch Abbildungen zur Haute Couture, zu Unterwäsche, Abend-, Bade-, Hochzeits-, Sport- und Freizeitmode unterschieden. Es sind auch Übersichten zu typischen Accessoires vorhanden, während das Make up jedoch nicht beschrieben wird. Diese Bücher geben einen guten Überblick über die unterschiedlichen Silhouetten der jeweils typischen Kleidungsformen und deren Entwicklung. Sie können damit zur ersten zeitlichen Einteilung bei der Fotodatierung behilflich sein. 2.2 „Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch Während John Peacock bei seinen Werken einen visuellen Überblick über die Entwicklung der Kleidung und Kleidungsformen gibt, wird diese Entwicklung von Annemarie Bönsch in Textform beschrieben. Das Hauptaugenmerk liegt dabei weniger auf modischen Einzelerscheinungen als auf den Aspekten, die das Gesamtbild der Kleidung und damit die Silhouette formten. Über ihre Entwicklung gibt es aber keinen bildlichen Überblick, weshalb sich dieses Werk gut mit dem von John Peacock ergänzt. Die Entwicklung der einzelnen Kleidungsformen wird nach Männer- und Frauenmode getrennt betrachtet, wobei die Männermode nur in einem kurzen Überblick behandelt wird während die Entwicklung der Frauenmode durch Zwischenüberschriften zeitlich in einzelne Abschnitte unterteilt wurde. Dabei ist die Einteilung der Zeitabschnitte nach 1900 im Abstand von fünf Jahren feiner, als vor der Jahrhundertwende. Auffällig ist die Auffassung, dass sich die Kleidung zielgerichtet und gesteuert entwickelt hat. Die Entstehung neuer Silhouetten wird nicht als Abänderungen bestehender Formen, sondern als Hinarbeitungen auf eine angepeilte Gestaltung zu einem späteren Zeitpunkt, 88 Siehe. Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 321. 48 III Kostümgeschichte und Mode dargestellt. Diese Auffassung, hebt sich von den anderen Kostümbüchern ab, wird jedoch nicht begründet. 2.3 „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ von Ingrid Loschek Das Lexikon gliedert sich in drei eigenständige Teile. Im ersten Teil wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Kleidung und der Mode gegeben, wobei die zeitlich großzügig eingeteilten Epochen jeweils ein Kapitel bilden. In den Kapiteln wird der Verlauf der Männer- und Frauenmode einzeln abgehandelt. Diese Abschnitte sind jedoch nicht mit Zwischenüberschriften versehen oder anderweitig durch Formatierung abgegrenzt, was eine Orientierung im Text erheblich erschwert. Eine weitere Einteilung, wie beispielsweise nach einzelnen Kleidungsstücken oder eine getrennte Betrachtung der Accessoires gibt es nicht. Der umfangreichste Teil des Buches ist das alphabetische Lexikon zu den Fachbegriffen der Mode- und Kostümgeschichte. Zu wichtigen Oberbegriffen, wie etwa Ärmel oder Haarmode, gibt es lange und ausführliche Artikel, die auf weitere Unterbegriffe verweisen. Die Betrachtung erfolgt dabei wie im ersten Teil zeitlich chronologisch und nach Männerund Frauenmode getrennt. Durch die fehlenden Zwischenüberschriften ist es auch hier schwierig, sich im Text zu orientieren. Neben der Haar- wird auch die Bartmode beschrieben, während das Make up als modisches Erscheinungsbild fehlt. Der dritte Teil ist eine alphabetische Übersicht zu Modeschöpfern, Designern und Designfirmen, was für die vorliegende Arbeit jedoch nicht von Bedeutung ist. 2.4 „Die Geschichte des Kostüms“ von Erika Thiel Diese großformatige Publikation bietet einen guten Überblick über die Geschichte des Kostüms von der Steinzeit bis zu den 1990er Jahren. Dabei wird die Entwicklung der Mode eingehend erläutert, wobei stets die Bezüge zu den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Zeitgeschehnissen gezogen werden, welche die Mode maßgeblich beeinflussten. Der Inhalt ist zeitlich und thematisch strukturiert. Die Frauen- und Männermode wird getrennt aufgeführt. Die einzelnen Kleidungsstücke, z.B. Mäntel und Abendkleider und 49 III Kostümgeschichte und Mode weitere Modeaspekte, wie modisches Beiwerk und typische Stoffe werden in einzelnen Absätzen behandelt. Die Formatierung der Teilüberschriften, die nur ein kursiv gedrucktes Wort am Anfang des Absatzes sind, ist sehr unübersichtlich, so dass sich der Leser nur schwer im Text orientieren kann. Das Buch ist mit zahlreichen, teilweise farbigen Bildern illustriert, von Gemälden, Modezeichnungen und Karikaturen bis zu Fotografien. Die betrachteten Zeiträume sind sehr stark zusammengefasst und die wichtigsten Informationen dieser Publikation sind im umfangreichen Text enthalten. Als Nachschlage werk über die kostümgeschichtliche Entwicklung ist sie daher weniger geeignet, als das Modeund Kostümlexikon von Reclam. Durch den guten Überblick über die Mode im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung, bietet sich das Buch als erster Einstieg in die Kostümgeschichte und zur Aneignung von Vorwissen an. Diese vier Publikationen sind für diese Arbeit eine geeignete Auswahl aus der Bibliographie, da sie die Kostümgeschichte unter unterschiedlichen Fragestellungen betrachten. Die beiden Bildhandbücher von John Peacock und „Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch stellen die Entwicklung der Silhouette dar, die sich in jeder Modeepoche verändert hat. Erika Thiel beleuchtet in „Geschichte des Kostüms“ die Modeentwicklung im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung und illustriert die beschriebene Mode mit vielen Abbildungen. In „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ können die Untersuchungsmerkmale Frisur, Bart oder einzelne Kleidungsstücke gezielt nachgeschlagen werden. Die Bibliographie listet noch weitere Publikationen auf, die einen zeitlichen Gesamtüberblick bieten. Diese haben dieselben Schwerpunkte wie die ausgewählten Publikationen, sind aber durch ihren Aufbau umständlicher zu handhaben oder bieten weniger Informationen. 50 III Kostümgeschichte und Mode 3. Auswahlkriterien für die Versuchsobjekte Für den Versuch Fotografien mit Hilfe der Kostümgeschichte zu datieren, bot sich im Landesarchiv eine große Fülle an Versuchsmaterial. Um eine Auswahl zu treffen, die im Rahmen dieser Arbeit zu bewältigen ist, wurde zuerst der Gesamtzeitraum für die kostümgeschichtliche Betrachtung von den Anfängen der Fotografie 1840 bis zu den 1960er Jahren eingeschränkt. Ab 1970 ist das Modebild bereits sehr vielfältig, was die Möglichkeit einer eindeutigen Datierung erschwert.89 Damit ein zeitlich gleichmäßiger Überblick über die Kleidung entsteht, werden in Anlehnung an die ausgewählten Kostümbücher folgende Modeepochen unterteilt: • Biedermeier (1815 – 1848) (In diese Epoche fallen die Anfänge der Fotografie und Fotografien aus dieser Zeit sind vermutlich nicht sehr oft anzutreffen. Deshalb ist die Untersuchung von Bildern aus dieser Epoche hier nicht zwingend notwendig.) • 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (1850 – 1870) • Gründerjahre (1870 – 1890) • Jahrhundertwende (1890 – 1914) • I. Weltkrieg (1914 – 1918) • 1920er und 30er Jahre (1918 – 1939) • II. Weltkrieg (1939 – 1945) • Nachkriegszeit und 1950er Jahre (1945 – 1959) • 1960er Jahre (1960 – 1969) Herausgesucht werden sollen zwei bis drei Fotos je Epoche, die sich idealerweise über Anfang, Mitte und Ende der Epoche erstrecken. Damit soll eine größtmögliche Zahl an Modeerscheinungen für den Versuch berücksichtigt werden. Diese Verteilung muss aber nicht zwingend vorhanden sein. 89 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 246. 51 III Kostümgeschichte und Mode Auf den Bildern sollen sowohl Männer als auch Frauen abgebildet sein, wobei Frauen bevorzugt werden sollen, da die Frauenmode, vor allem im Zuge der industriellen Revolution, eine größere Vielfalt hervorbrachte.90 Bei der Auswahl wurden auch Kriterien für die Motive vorgegeben, da nicht jedes Motiv für die kostümgeschichtliche Analyse geeignet ist. Auszuwählen sind Portraitfotografien, wobei der ganze Körper oder der Oberkörper bis mindestens zur Taille abgebildet sein sollte, Straßenszenen, die vermutlich die Personen meistens in Straßenkleidung zeigen und Fotografien von gesellschaftlichen Ereignissen, bei denen die Personen vorwiegend festliche Bekleidung trugen. Die untersuchten Modeerscheinungen sind Silhouette, Rock-, Kleider- und Hosenformen, die Frisur und Kopfbedeckung und schließlich Bart und Make up, sofern sie erkennbar sind. Nicht identifiziert werden können Uniformen, Arbeitskleidung und Verkleidungen, wie etwa beim Karneval. Das Datum der Fotos ist vor dem Versuch nicht bekannt und wird nach der versuchten Datierungen mit den Angaben des Landesarchivs verglichen. 90 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 331. 52 III Kostümgeschichte und Mode 4. Durchführung 4.1 Versuchsaufbau und Versuchsbedingungen Es liegen chronologisch ungeordnet 36 Kopien von schwarz-weiß Fotografien mit unbekannter Datierung vor. Die Fotokopie der Bilder soll verhindern, dass durch einen ungewollten Blick auf die Rückseite das Datum bekannt wird und so die Bewertung beeinflusst. Die Durchführende des Versuches, im Folgenden Verfasserin genannt, hat sich vorher mit Hilfe der benutzten Publikationen bereits einen Überblick über die Mode der einzelnen Epochen verschafft. Durch die Fülle an Moden und Kleidungsformen ist dieser Überblick aber recht grob. Ein genauer Ablauf des Vorganges, z.B. welche Publikation als erstes berücksichtigt wird, kann noch nicht festgelegt werden. Dies ergibt sich aus den Bedingungen der Fotografien. Um die Herleitung der Datierung anhand der Hinweise und Daten, die in den Kostümbüchern gefunden wurden, übersichtlich zu gestalten, sind die gefundenen Hinweise einer Publikation mit der entsprechenden Datierungsangabe teilweise in einer Tabelle zusammengefasst. Dazu wird angegeben, ob der gefundene Hinweis und damit die entsprechende Datierung mit der vorliegenden Fotografie übereinstimmt. Beim Mode- und Kostümlexikon wird zusätzlich der entsprechende Artikel, aus dem die aufgeführten Hinweise entnommen wurden, angeführt. Eine komplette Beschreibung der Datierungsherleitung in Textform ist bei einigen Bildern zu unübersichtlich nur schwer nachvollziehbar. Der Abgleich der hergeleiteten Datierungen mit denen des Landesarchivs Berlin und eine erste Auswertung erfolgt gleich in Anschluss an die jeweilige Bildanalyse. Auf diese Weise kann der Bezug zu Einzelheiten besser beibehalten werden, als wenn die komplette Auswertung erst ganz am Ende der Untersuchung erfolgen würde. 53 III Kostümgeschichte und Mode 4.2 Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse Die Bilder werden in einer ersten Sichtung nach Vermutungen und Vorwissen zeitlich vorgeordnet. Dabei bleibt eine Reihe von Bildern übrig, die ohne nähere Betrachtung nicht eingeordnet werden können. Probleme bei der Einordnung bereiten vor allem Mäntel, wenig modische Details an der Kleidung und die Differenz zwischen den idealisierten Modezeichnungen und den Fotografien, die Personen mit sehr unterschiedlichen Körpermaßen und meist schlichterer Kleidungen abbilden. Diese Fotografien werden zunächst beiseite gelegt und sollen zu einem späteren Zeitpunkt, an dem bereits mehr Erkenntnisse gewonnen worden sind, erneut geordnet werden. Die folgende Nummerierung der Bilder ist fortlaufend und spiegelt nicht die Reihenfolge der Analyse wieder. Es wurde zwar versucht die Bilder chronologisch von der ältesten bis zur jüngsten Fotografie zu untersuchen, aber da nicht alle Bilder gleich zu Beginn eindeutig einer Epoche zugeordnet werden konnten, ist diese Abfolge teilweise unterbrochen. Um die Dokumentation des Versuchsablaufes übersichtlich zu halten, werden die Bilder nach den Epochen, wie sie in den Auswahlkriterien angegeben sind, chronologisch sortiert. Ausschlaggebend ist dabei die Datierung, die sich durch die kostümgeschichtliche Auswertung ergibt. Welche Bücher vorzugsweise für die Datierung herangezogen werden, unterliegt keinem festen Ablauf, sondern ergibt sich aus der Fragestellung, die das jeweilige Bild aufwirft. Wenn ein spezielles Kleidungsstück oder modisches Detail auffällt, wird das Lexikon von Reclam ausgewählt, für das Gesamtbild der Kleidung und Silhouette werden die Publikationen von Annemarie Bönsch und John Peacock herangezogen. Dabei ermöglicht das Bildhandbuch eine gröbere und schnellere Einordnung, während in „Formengeschichte europäischer Kleidung“ genauere Angaben zur Überprüfung dieser Einordnung zu finden sind. Die „Geschichte des Kostüms“ von Erika Thiel wird vor allem dann zur Hilfe genommen, wenn Ähnlichkeiten mit Abbildungen oder Angaben zu modischen Entwicklungen wiedererkannt werden. 54 III Kostümgeschichte und Mode Fotografien aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (1850 – 1870) Bild Nr. 1 Das Bild ist ein Portraitfoto von vier Männern, die nur mit dem Oberkörper abgebildet sind (siehe Anhang Abbildung 7). Die Fotografie ist zerkratzt und gerahmt, wie es für Daguerrotypien oder Ambrotypien charakteristisch ist. Sie muss also in der Anfangszeit der Fotografie ab 1840 bis ungefähr zur Jahrhundertwende entstanden sein. Diese erste zeitliche Abgrenzung kann durch das Vorwissen über die verschiedenen fotografischen Verfahren aus dem ersten Versuch dieser Arbeit getroffen werden. Die Männer tragen Mäntel und andere Übergewänder, deren Form durch die unvollständige Abbildung nicht zu erkennen ist. Drei von ihnen tragen jeweils unterschiedliche Bärte. Außerdem sind drei unterschiedliche Arten von Frisuren zu erkennen. Neben den Bartformen sind die Querbinder der Herren auffällig. Es sind keine Krawatten oder steife Schleifen, sondern die Schleifenenden der geknoteten Tücher hängen lang und lose herab. Analyse Für die Datierung wird ausschließlich das Mode- und Kostümlexikon benutzt. Untersucht werden der Bart, die Frisuren und die Krawattenform: Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 231 Haarmode englische Fasson : Seitenscheitel, glattes Haar mit Locken an den Schläfen ja, teilweise um 1850 340341 Krawatte Diplomatenschleife ab 1851 zum Frack (Rockform auf der Fotografie nicht erkennbar) ja um 1850 55 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 115 Bartmode Bartform des jeweiligen Herrschers war Mode, daneben auch andere Bartformen oder kein Bart Übereinstimmung Zeitraum mit Foto ja 1850-1860 Zwirbel- und Knebelbart von Napoleon III. in Abbildung zusammen mit englischer Fasson zu sehen Datierung Da die untersuchten Modeaspekte einheitlich auf die Zeit um die Jahrhundertmitte hindeuten, wird das Bild um 1850 datiert. Auswertung Das Bild stammt aus dem Jahr 1844, womit die hergeleitete Datierung bestätigt ist. Bild Nr. 2 Das Bild zeigt eine junge Frau in einem Kleid mit Reifrock. Sie steht dabei hinter einem Stuhl, die Hände auf die Lehne gelegt. Ihre Haare sind nach hinten gekämmt und in einem großen Knoten, eventuell Haarnetz zusammengehalten. Analyse Diese Fotografie und die Positionierung der Frau ähnelt sehr stark einer Reihe von sechs zeitgenössischen Fotografien, die in „Geschichte des Kostüms“ abgebildet sind und Reifrock-Kleider der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts zeigen. Auf vier der Fotos stehen die Frauen ebenfalls hinter einem Stuhl, während eine Hand auf der Stuhllehne liegt. Bei drei der Frauen ist eine ähnliche Frisur zu erkennen, bei denen das Haar am Hinterkopf zu einem großen Knoten zusammengenommen ist. Datierung Wegen dieser auffallenden Ähnlichkeit wird das Bild ebenfalls um 1850 datiert. 56 III Kostümgeschichte und Mode Auswertung Vom Landesarchiv ist das Bild um 1870 datiert worden. Ausschlaggebend war dafür das bekannte Geburtsdatum der abgebildeten Frau und die Abschätzung des Alters auf dem Foto. Es kann sein, dass die beschriebene Fotopose über einen längeren Zeitraum modern war. Frisur und Kleidung auf dem Foto entsprechen nicht den Darstellungen der Kostümbücher für die Zeit um 1870. Als modische Frisur werden Locken und Stirnfransen beschrieben. Das Volumen des Rockes schrumpft und statt des Reifrock wird die Turnüre getragen (vergleiche Bild Nr. 5). Bild Nr. 3 Abgebildet ist eine Kleinfamilie mit drei Kindern. Auffallend ist das große Karomuster des einfach geschnittenen Kleides der Mutter, das typisch für die Biedermeierzeit ist. Ihre Haare sind nach hinten gesteckt und von der Frisur ist nicht viel zu erkennen. Der Vater trägt eine Art Vollbart, bei dem die Haare im Gesicht kurz und am Kinn etwas länger sind. Vor ihm steht seine Tochter, wodurch ein Teil seiner Kleidung verdeckt ist. Die Mädchen tragen Strümpfe mit Ringelmuster. Die Kleidung der Personen ist insgesamt sehr schlicht, vermutlich stammen sie aus einfacheren Verhältnissen. Analyse Publikation Geschichte des Kostüms Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 325 Das Karomuster wird immer größer ja 314 Backen-, Kinn- und Schnurrbart wachsen zu einem Vollbart zusammen ja voluminöse Röcke nein 321322/ 342348 57 1840-1860 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 470 Strumpf Strümpfe mit Ringelmuster werden modern. Auch für Kinderkleidung zutreffend? 292293 Kinderkleidung keine Anhaltspunkte Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Ja, unsicher 1875-1900 Datierung Ausgehend von Stoffmuster und Bartform wird das Bild ebenfalls um 1850 datiert. Da die Familie vermutlich aus einfacheren Verhältnissen kommt, trägt die Frau keinen Reifrock. Weil die Datierung über die Strümpfe unklar ist, wird sie bei der Datierung nicht berücksichtigt. Auswertung Das Bild ist 1885 entstanden und damit weit von der hergeleiteten Datierung entfernt. Der Hinweis, der sich über die Ringelstrümpfe ergeben hat, passt zwar in diese Datierung, ist aber recht unsicher. Im Artikel über Farbe und Muster des Mode- und Kostümlexikons ist angegeben, dass in den 1880er Jahren ein Webmuster aus großflächigem Karo, genannt Glencheck, für Kostüme typisch war.91 In dieser Zeit wurde auch kein Reifrock mehr getragen. Im 19. Jahrhundert wurden durchgängig mehrere Bartformen getragen, wobei die angeführte Beschreibung von Erika Thiel für den Bart auf dem vorliegenden Foto sehr zutreffend ist. Bild Nr. 4 Das Bild zeigt ein Paar, das sich sitzend porträtieren ließ. Die Kratzer auf der Bildoberfläche lassen erkennen, dass es eine alte Fotografie auf Metall ist. Ein typischer Rahmen für Daguerrotypien und Ambrotypien ist nicht vorhanden. 91 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 181. 58 III Kostümgeschichte und Mode Das Kleid der Frau ist längst gestreift, hoch geschlossen und die Ärmel liegen eng an. Durch die Sitzhaltung ist das Volumen ihres Rockumfanges nicht zu erfassen. Ihre Haare sind in der Mitte gescheitelt und an den Seiten zu Locken gedreht, wie es zusammen mit dem Streifenmuster für die Biedermeierzeit typisch war. Der Mann trägt eine gestreifte Hose, eng anliegendes Haar und keinen Bart. Die Form seines Rockes ist durch das Sitzen nicht erkennbar. Sein Querbinder ist schmaler als die Schleifen auf Bild Nr. 1. Durch die Datierung des obigen Bildes ist bekannt, dass die Krawatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der zweckmäßiger werdenden Kleidung schmaler wurden. Vermutlich ist die Fotografie in der Übergangszeit der Epochen um die Jahrhundertmitte entstanden. Analyse Um die Kleidung von ihrem Gesamteindruck her etwas näher bestimmen zu können, wird sie mit den Darstellungen im ersten Bildhandbuch von John Peacock verglichen. Publikation Kostüm und Mode – das Bildhandbuch Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 160161 vorwiegend weite Ärmel nein 1845-1855 162163 vorwiegend enge Ärmel ja 1856-1869 163 insgesamt anderes Modebild mit aufwendiger gearbeiteten Kleidern nein 1865-1869 In der Darstellung der Herrenkleidung finden sich keine charakteristischen Übereinstimmungen. 59 III Kostümgeschichte und Mode Datierung Unter Berücksichtigung des schmalen Querbinders und ausgehend von den Zeiträumen, wie sie im ersten Bildhandbuch eingeteilt sind, wird das Foto auf den Zeitabschnitt von 1856 – 1865 datiert. Auswertung Die Fotografie ist 1849 und damit einige Jahre früher entstanden. Wie zunächst vermutet, stammt sie aus dem Ende der Biedermeierzeit und dem Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Ärmelform des Kleides passt jedoch nicht zu den Beschreibungen der Kostümbücher. Für die Jahrhundertmitte sind weite, unten ausgestellte Pagodenärmel typisch (vergleiche Bild Nr. 5). Bild Nr. 5 Das Bild wirkt durch seine leichte Unschärfe und Grobkörnigkeit sehr alt (siehe Anhang Abbildung 8). Es zeigt das Porträt von einer sitzenden Frau, die ein einfach geschnittenes Kleid trägt, dessen jackenartiges Oberteil mit Biesen verziert ist. Ihre Haare sind in der Mitte gescheitelt, streng nach hinten gekämmt und am unteren Teil des Hinterkopfes scheinbar einfach und flach zusammengehalten. Oberteil und Rock bestehen aus demselben Stoff und das Muster des Kleides ist in den Stoff eingewebt. Das Rockvolumen ist durch die Sitzhaltung nicht zu erkennen und der Saum des Rockes ist nicht mehr auf der Fotografie abgebildet. Allerdings scheint das Rockvolumen nicht sehr groß zu sein. Analyse Um eine erste zeitliche Einordnung zu erhalten, wird das Bild mit den Darstellungen aus dem ersten Bildhandbuch von John Peacock verglichen. 60 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Kostüm und Mode- das Bildhandbuch Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 158159 typische Biedermeierfrisur nein 1840-1845 160162 Haare glatt nach hinten genommen ja 1845-1865 163168 Haare am oberen Teil des Kopfes aufgesteckt nein nach 1865 164168 Keine Zweiteilung des Kleides mehr. Die Taille ist entweder durchgehend gearbeitet oder nein das Oberteil nicht mehr jackenartig. nach 1870 Durch den Vergleich mit den Darstellungen im ersten Bildhandbuch von John Peacock kann die Fotografie in den Zeitraum 1845 – 1865 eingegrenzt werden. Diese zeitliche Einteilung wird mit den anderen Publikationen überprüft. Als Ergänzung zum Bildhandbuch wird zunächst das Buch von Annemarie Bönsch genutzt. Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Der Ärmelansatz ist sehr tief und die Ärmel weit nein 1835-1865 Der Ärmel ist zu einer engen Röhre geschrumpft, die den Arm einzwängt. nein 1840/ 42 242 Pagodenärmel nein 1843-1860 242243 voluminöse Reifröcke nein 1835-1865 242 Die Ärmel schrumpfen zu einer lockeren Röhre zusammen ja 1860-1865 240 Formengeschichte europäischer Kleidung Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 61 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Formengeschichte europäischer Kleidung Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 247 Rockvolumen schrumpft ja 249250 voluminöse Frisuren Locken, Stirnfransen nein 255 weitere Rockschrumpfung ja Oberteil und Rock gehen nahtlos ineinander über nein kugelförmige Ärmelansätze nein 256 1865-1890 ab 1890 Rockvolumen, Ärmelform und Frisur, wie sie auf der Fotografie zu sehen sind, treten in den Beschreibungen des Kostümbuches nie zusammen in einer der beschriebenen Epochen auf. Das Kleid kann daher keiner Epoche eindeutig zugeordnet werden. Wenn das Rockvolumen vernachlässigt wird, da es auf der vorliegenden Fotografie nicht eindeutig zu erkennen ist, kann das Kleid in den Zeitraum 1860 – 1865 eingeordnet werden. In dem Buch von Erika Thiel soll zunächst nach Angaben über Stoffe und Muster gesucht werden. Es finden sich jedoch im gesamten Zeitraum des 19. Jahrhunderts keine Übereinstimmungen der Beschreibungen von Stoffen und Mustern mit dem Kleid auf dem vorliegenden Bild. Bei der Lektüre stößt die Verfasserin auf die Bezeichnung Schoßtaille, die nach der Beschreibung den Eindruck eines Kostüms erweckt. Da dies dem Bild entspricht wird eine nähere Beschreibung im Mode- und Kostümlexikon nachgeschlagen: 62 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 181 Farbe und Muster keine Übereinstimmungen 437 Schoßtaille Das Oberteil ist an den Rock genäht (nicht nachprüfbar) und beide bestehen aus ja, soweit demselben Stoff. ersichtlich Vor allem zur Krinoline 1848-1856, aber auch später getragen. ab 1848ca. 1890 Haarmode Locken, lockere Haardrapierungen nein vor 1863 Die Haare werden glatt nach hinten frisiert und in einem Knoten zusammengehalten. ja, soweit ersichtlich 1863- ca. 1870 Stirnfransen, Haarknoten auf dem Kopf zusammengesteckt nein ab 1870 Reclams Modeund Kostümlexikon 232 nein 1840-1900 Da der Hinterkopf der Frau nicht erkennbar ist, kann die Frisur nicht vollständig beurteilt werden. Davor und danach sind die Frisuren laut dem Artikel jedoch durch Locken, lockere Drapierungen, Stirnfransen oder einem Knoten auf dem Kopf gekennzeichnet und treffen damit eindeutig nicht zu. Nach dem Mode- und Kostümlexikon deutet die Entstehung des Bildes auf den Zeitraum 1863-1870 hin. Datierung Unter Berücksichtigung der Angaben zu Ärmelform und Haarmode und unter Abwägung der verschiedenen Hinweise aus den einzelnen Hilfsmitteln wird das Foto auf den Zeitraum von 1860 – 1865 datiert. Auswertung Das Landesarchivs hat das Foto um 1890 datiert. Diese Datierung wäre mit den Publikationen zur Kostümgeschichte nicht zustande gekommen. In den Büchern wird für diese 63 III Kostümgeschichte und Mode Zeit einheitlich eine andere Haarmode beschrieben bzw. abgebildet. Für eine typische Frisur ab 1890 wurden die Haare nach oben gekämmt und auf den Scheitel zu einem Knoten oder einer Bananenrolle zusammengefasst. Über der Stirn waren die Haare in kleinen Löckchen gekräuselt. Vor 1890 waren ebenfalls Rolllocken, Stöpsellocken und gewellte Haare charakteristisch. Außerdem sind für die Zeit vor 1890 die Turnüre oder der Cul de Paris kennzeichnend, die das Hinterteil des Rockes aufblähten. Da die Frau auf dem Foto sitzt, ist diese Partie nicht zu erkennen. Ab 1890 ging das Kleidoberteil nahtlos in den Rock über, um die Gesamterscheinung zu strecken und ab 1895 blähten sich die Ärmel auf. Keines dieser Charakteristika ist auf dem Foto zu erkennen.92 Es kann sein, dass sich die Menschen aus einfacheren Verhältnissen diese modischen Extravaganzen, die in den Kostümbüchern vorrangig betrachtet werden, nicht leisten konnten. Es könnte aber auch möglich sein, dass die Datierung des Archivs nicht richtig ist. Bild Nr. 6 Die Fotografie zeigt ein älteres Paar, das nur knapp bis zur Taille abgebildet ist, daher ist nur sehr wenig auf dem Bild zu erkennen. Die abgebildete Frau trägt die Haare in der gleichen Frisur wie die Frau auf dem vorhergehenden Bild. Ihr Kleid ist hoch geschlossen und die Taille endet anscheinend in einer Spitze nach unten in den Rock. Die Taillenform ist der Verfasserin bereits unter der Bezeichnung Schneppentaille bekannt. Der Mann trägt glatt und eng anliegend nach hinten gekämmte Haare und einen einfachen Oberlippenbart. Unter seiner schwarzen Überkleidung trägt er anscheinend eine Weste, an der eine Uhrenkette befestigt ist. Sein Querbinder ist unter Umlegekragen und Weste gesteckt und besteht aus einer einfachen losen Schleife. Analyse Da sich die Frisuren der Frauen von diesem und dem vorherigen Bild gleichen, wird die Fotografie ebenfalls in den Zeitraum um 1860 eingeordnet. 92 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S:248ff. 64 III Kostümgeschichte und Mode Im Mode- und Kostümlexikon werden zunächst Angaben zur Schneppentaille und zur Bartmode gesucht: Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 300 Schneppentaille läuft spitz zum Rockteil zu, kommt nach 1850 aus der Mode ja 1840-1850 115 Bartmode es werden verschiedene Bartformen, wie auch der einfache Oberlippenbart getragen ja um 1850 Reclams Modeund Kostümlexikon Die gefundenen Angaben legen den Schwerpunkt auf den Zeitraum um 1850. Die Fotografie wird mit den Darstellungen in „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“ verglichen, um weitere Anhaltspunkte zur Datierung zu finden: Publikation Kostüm und Mode – das Bildhandbuch Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 158162 Schneppentaille abgebildet ja 1840-1865 158161 Vatermörderkragen nein 1840-1855 162 Umlegekragen ja ab 1856 Nach diesen Darstellungen wird erst ab 1856 ein Umlegekragen getragen, was den Datierungszeitraum weiter eingrenzt. Die herausgefundenen Angaben werden schließlich noch mit der Publikation von Erika Thiel abgeglichen: 65 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 336 Geschichte des Kostüms 338 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Der Umlegekragen wird bereits beliebter. ja ab 1850 Krawatten werden von kunstvoll geschlungenen Tüchern zu einer einfachen Schleife am Hals. ja ab 1860 Uhrenketten werden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts getragen, danach werden sie von der Armbanduhr verdrängt. ja 1840-1900 Nach Erika Thiel wird der Umlegekragen bereits ab 1850 getragen, während schmale Schleifen als Querbinder nach 1860 getragen werden. Ansonsten sind dem Buch keine weiteren Hinweise zur Eingrenzung der Datierung zu entnehmen. Datierung Unter Abwägung der herausgefundenen Angaben wird das Bild um 1860 datiert. Auswertung Die Datierung des Landesarchivs ordnet die Fotografie jedoch um 1890 ein. Wie bei Bild Nr. 5 bereits erläutert, ist die Frisur der Frau jedoch nicht typisch für diese Zeit. In „Formengeschichte europäischer Kleidung“ wird allerdings in der Zeit zwischen 1890 – 1895 ein leicht angehobener Ärmelansatz beschrieben.93 Der Ärmelansatz am Kleid der Frau ist auf dem vorliegenden Bild ebenfalls sehr leicht angehoben. Auch die Schneppentaille ist nach dem Mode- und Kostümlexikon an Kleidern ab 1870 wieder zu finden. Bei der Männermode werden für die Zeit um 1890 im Bildhandbuch steif hochstehende Kragen abgebildet, die an den Vatermörder- und an Stehkragen erinnern.94 In „Geschichte des Kostüms“ wird erwähnt, dass um 1900 im sogenannten Spießbürgertum sich die Kragen erneut den Vatermörderkragen annäherten. Die Haare wurden gegen Ende des Jahrhunderts mit Pomade nach hinten gekämmt, was wiederum auf das vorliegende Foto 93 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 254. 94 Siehe: Peacock, John: „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, S. 167ff. 66 III Kostümgeschichte und Mode zutreffen würde.95 Dem Mode- und Kostümlexikon ist zu entnehmen, dass es die Schleifenkrawatte bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab. Bei der Bartmode wäre für die Zeit um 1890 entweder der Backenbart von Kaiser Wilhelm I. oder der aufgezwirbelte Schnurrbart von Kaiser Wilhelm II. bezeichnend.96 Die Bartspitzen des Herrn auf dem Foto sind an den Spitzen leicht angehoben aber nicht deutlich aufgezwirbelt. Es wird deutlich, dass viele untersuchte Details nicht eindeutig einem Zeitraum zugeordnet werden können. Auf dem untersuchten Bild gibt es modische Erscheinungsformen, die die Datierung des Landesarchivs bestätigen und solche, die den Angaben in den Kostümbüchern zu widersprechen scheinen, da sie nicht dem dort aufgeführtem typischen Bild entsprechen. Fotografien aus der Jahrhundertwende (1890 – 1914) Bild Nr. 7 Dieses Bild ist die Fotografie einer Straßenszene aus der Vogelperspektive (siehe Anhang Abbildung 9). Zu sehen sind Männer mit Melonen und Frauen mit kreisrunden Hüten in Form eines Canotiers, wie ihn eine der Frauen auch trägt. Die Ärmel der Kleider sind an den Ansätzen aufgepufft und eine Frau im Hintergrund trägt große Ballonärmel. Die glockenförmigen Röcke erinnern an die Eiffelturmlinie, wie sie Annemarie Bönsch für die Zeit um die Jahrhundertwende beschreibt.97 95 Siehe: Thiel, Erika: „Die Geschichte des Kostüms“, S. 136ff. 96 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 115f. 97 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 260. 67 III Kostümgeschichte und Mode Analyse Publikation Formengeschichte europäischer Kleidung Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 255 gebauschte Ärmelkugel ja 258 aufgeblähte Ballonärmel ja 257 glatte, undekorierte Rockoberfläche ja 260 S-förmige Verkrümmung durch nein Kürass-Korsett Säume schleifen auf den Boden 1890-1895 1895-1900 1900-1905 nein 281 Kleidsaum steht am Boden auf ja 283 stark aufgeblähte Frisuren nein 284 kaschierte Ärmelansätze nein 285 ausladende Hüte nein 136 Canotier ab 1870 als Frauenhut anerkannt ja ab 1870 322 Bowler auch Melone genannt, um 1900 auch in grauer Farbe ja um 1900 1905-1910 1910-1915 Datierung Die Datierung kann vor allem durch die Ärmelform eingegrenzt werden. Vorwiegend sind Ärmel mit kugeligem Ansatz auf dem Foto zu sehen, nur etwas weiter hinten trägt eine Dame bereits sehr aufgeblähte Ärmel. Der Gestaltung der Röck wird bei der Datierung weniger berücksichtigt, da es möglich ist, dass die tägliche Straßenkleidung insgesamt einfacher gehalten worden ist. Daher wird die Datierung auf den Zeitraum 1890 – 1895 eingeschränkt. 68 III Kostümgeschichte und Mode Auswertung Das vorliegende Foto ist aus dem Jahre 1898, womit die hergeleitete Datierung sehr nahe kommt. Allerdings ist hier erkennbar, dass die Mode, wie sie in den Kostümbüchern beschrieben wird, sich in der breiteren Masse der Bevölkerung etwas später durchsetzt. Ansonsten müssten in der Damenmode aufgeblähte Ballonärmel anstatt der kugeligen Ärmelansätze vorherrschen. Da die Menschen auf der Aufnahme recht klein abgebildet sind, konnten Details und Frisuren nicht untersucht werden. Bild Nr. 8 Zu sehen sind fünf Frauen, die um einen Tisch sitzen und mit Pokalen anstoßen (siehe Anhang Abbildung 10). Durch den Tisch ist nur ihr Oberkörper ohne die Taille zu sehen. Die Frauen tragen alle die gleiche Frisur und den gleichen Schnitt der Kleidoberteile. Die halblangen Ärmel sind sehr weit und werden am Ellenbogen in einem Bund zusammengehalten. Die Frisuren, bei denen der Knoten auf dem Kopf festgesteckt wird, erinnern stark an die Haarmode auf einigen Modefotografien aus dem Jahr 1902, die in „Geschichte des Kostüms“ abgebildet sind.98 Analyse Publikation Formengeschichte europäischer Kleidung Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 262/ 283 Haar wird auf dem Kopf zusammengefasst, Haarwulst um den Kopf, Stirnrolle ja 1900-1910 259 enge Ärmel nein 1900-1905 281 großes Ärmelvolumen ja 1905-1910 284 enge Ärmel und kaschierter Ärmelansatz nein 1910-1915 98 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 368f. 69 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Die Haare sind auf dem Kopf Die Mode des 10-38 in einem Knoten 20. Jahrhunderts zusammengefasst. Übereinstimmung Zeitraum mit Foto ja 1900-1915 Datierung Da auf dem Foto keine weiteren auffälligen Details zu erkennen sind wird das Foto um 1905 datiert. Auswertung Das Landesarchiv hat das Foto um 1925 datiert. In dieser sind Zeit nach den Kostümbüchern jedoch Kurzhaarfrisuren typisch. Auch die aufgeblähte Ärmelform passt nicht in diese Zeit. Annemarie Bönsch beschreibt die typische Silhouette ab 1925 als die Garçonne und nennt sie die „[...] vielleicht wichtigste [...] Silhouette des 20. Jahrhunderts“ 99. Die Frauen auf dem Bild sind von einer knabenhaften Erscheinung jedoch sehr weit entfernt. Bild Nr. 9 Dieses Bild ist das Portraitfoto eines Mannes, der auf einem Stuhl sitzt. Er ist vollständig abgebildet und die Schuhe sind zu erkennen. Die Haare des Mannes sind gewellt und nach hinten gekämmt. Sie glänzen, als wenn sie mit Pomade in Form gehalten werden. Der Oberlippenbart ist einfach und abfallend. Am Unterschenkel seines vorgestreckten rechten Beines ist eine Falte erkennbar. Die Schuhe weisen keine besonderen Auffälligkeiten, wie z.B. Gamaschen oder einen hohen Absatz auf. Um den Hals trägt der Mann einen einfachen und kurzen Querbinder und das über der Brust sichtbare Hemd wirkt sehr steif und erweckt damit dem Eindruck eines Chemisettes. 99 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 290. 70 III Kostümgeschichte und Mode Analyse Die Falte auf der Hose wird als Bügelfalte erkannt. Aus dem Buch von Erika Thiel ist bereits bekannt, dass die Bügelfalte erst um die Jahrhundertwende erfunden wurde, was als erste Zeiteinteilung genommen wird.100 Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Geschichte des Kostüms Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 116 Bartmode schmaler, gepflegter Oberlippenbart (englischer Schnurrbart) ja 335336 Chemisette setzte sich um Jahrhundertwende immer mehr durch ja 338 Haare mit Pomade in Form gehalten ja 1918-1940 um 1900 Datierung Nach diesen Angaben muss das Foto nach 1900 und vor dem Ende des I. Weltkrieges entstanden sein. Daher wird die Datierung um 1910 angegeben. Auswertung Die Datierung vom Landesarchiv ist von 1862 und unterscheidet sich damit sehr stark vom hergeleiteten Zeitpunkt. Ausschlaggebend für die Datierung nach 1900 war vor allem auch die Falte auf dem Hosenbein, die sich bei einer Betrachtung im Nachhinein als eine verdrehte Hosennaht herausstellt. Damit war bereits die erste grobe zeitliche Einordnung falsch. Bei der Untersuchung des Bildes wurde hauptsächlich das Kapitel über Herrenmode von 1850 – 1918 aus „Geschichte des Kostüms“ verwendet. Dieser Zeitraum schließt sowohl die korrekte als auch die hergeleitete Datierung mit ein. Da die Orientierung im Text nicht zeitlich chronologisch möglich ist, war es notwendig, das gesamte Kapitel durchzugehen. Es wäre also möglich gewesen, dass sich der Irrtum eventuell über signifikante Details bemerkbar gemacht hätte. Allerdings sind die Hinweise, die sich von der Kleidung, Frisur 100 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 335 71 III Kostümgeschichte und Mode und Bartform auf dem Foto ablesen lassen nicht eindeutig genug und passen damit in einen längeren Zeitraum. Die Angaben über die Frisur sind für den Zeitraum um 1860 sogar widersprüchlich. Erika Thiel gibt an, dass in diesen Zeitraum das Haar seitlich oder mittig gescheitelt war, was auf dem vorliegenden Foto jedoch nicht der Fall ist. Bild Nr. 10 Auf dem Bild sind mehrere Personen unterschiedlichen Alters zu erkennen. Es erweckt den Eindruck von der Fotografie einer Großfamilie mit mehreren Generationen (siehe Anhang Abbildung 11). Es sind vor allem Frauen und Kinder zu sehen, nur rechts außen steht ein Mann. Die Frauen tragen unterschiedliche Arten von Frisuren und Kleidern. Die etwas älteren Frauen haben die Haare locker nach oben gekämmt und auf dem Kopf zu einem großen Knoten gesteckt, wie die Frauen auf Bild Nr. 8. Bei zwei Frauen, die vermutlich um die 30 Jahre alt sind, befindet sich der Haarknoten auf dem oberen Teil des Hinterkopfes und wirkt nicht mehr so voluminös. Die zwei jungen Frauen bzw. Mädchen tragen zwei sehr unterschiedliche Frisuren. Einmal sind die nach hinten gesteckten Haare an den Seiten stark aufgebauscht. Das Mädchen daneben hat die Haare in der Mitte gescheitelt und locker im Nacken zu einem Knoten genommen. Die alten Frauen tragen sehr schlichte Frisuren. Die Kleider und Röcke sind alle fußfrei und ohne Reifrock. Eines der Mädchens trägt einen glockigen Bahnenrock. Auch unterschiedliche Ärmelformen sind erkennbar. Die Frauen rechts und links auf dem Bild tragen halblange, weite Ärmel, die am Ellenbogen mit einem Bund zusammengefasst sind. Die anderen Frauen tragen, soweit erkennbar, lange, schmale Ärmel. Der Mann trägt eine sogenannte Schiebermütze, einen Pullover und ein zerknittertes Sakko. Die Hose trifft auf den Füßen auf und wirft Falten, sie sitzt locker und bequem. Im Gesicht trägt der Mann einen einfachen Oberlippenbart. Die kleinen Mädchen tragen Kleider, von denen an zweien der große weiße Kragen auffällt. Einer der Jungen trägt ein einfaches weißes Hemd und der Junge hinter ihm eine Schirmmütze, die an eine Uniform erinnert. 72 III Kostümgeschichte und Mode Analyse Um die Fotografie erst einmal grob einen Zeitabschnitt zuordnen zu können, wird das Bildhandbuch benutzt. Dabei erfolgt die Orientierung an der Kleidung der jungen Mädchen, die dem aktuellen Zeitgeschmack vermutlich mehr entspricht als die Kleider der älteren Frauen: Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Kostüm und Mode – das Bildhandbuch 167 keine Reifröcke mehr ja ab 1890 167177 Haare nach oben zusammengenommen ja 1890-1900 Haare nach oben 10-38 zusammengenommen oder seitlich aufgebauscht ja 1900-1915 33-46 Röcke fußfrei ja 1910-1920 42-45 erste Kurzhaarfrisuren nein ab 1915 Die Mode des 20. Jahrhunderts Nach den Darstellungen der Bildhandbücher ist die Fotografie vor dem I. Weltkrieg entstanden. Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt glockiger Bahnenrock ja Rocksäume reichen bis zum Boden nein 283 große Stirnrolle nein 1905-1910 284 Die Haare sind in der Mitte gescheitelt und leicht gebauscht über die Ohren nach hinten aufgesteckt. ja 1910-1915 Humpelrock nein 1912-1915 Kriegskrinoline nein 1915-1920 257285 Formengeschichte europäischer Kleidung Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 285 1895-1912 Die Angaben bestätigen die Datierung vor 1915, während sich Rocklänge und Rockform zu wiedersprechen scheinen. 73 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 233 Reclams Modeund Kostümlexikon Haarmode Bei der Reformfrisur sind die Haare in der Mitte gescheitelt und glatt über die Ohren zu einem Knoten im Nacken zusammengefasst. Übereinstimmung Zeitraum mit Foto ja um 1910 Haare werden strenger frisiert nein ab 1915 434 Schirmmütze traditionelle Kopfbedeckung ja des Arbeiters, nach 1900 auch Sportkleidung 1840-1900 293 Kinderkleidung ja Hängerkleidchen für Mädchen ab 1880 Über die Angaben zur Haarmode bestätigt sich die Datierung um 1910 und vor dem I. Weltkrieg. Die Zeitangaben für die Kopfbedeckung und die Kinderkleidung sind dagegen zu weit. Datierung Die besten Datierungsmöglichkeiten bieten bei diesem Foto die Frisuren der Frauen. Es sind typische Frisuren von 1890 – 1910 abgebildet. Da die Frisuren der jungen Mädchen aber erst nach 1900 auftauchen, kann das Bild nicht früher entstanden sein und der Datierungszeitraum wird auf 1900 – 1910 festgelegt. Damit zeigt sich auch, dass ältere Personen auch an einer älteren Mode festhalten und sich nicht dem aktuellen Zeitgeschmack unterwerfen. Dies erschwert natürlich die Datierung. Sollten die abgebildeten Personen aus dem Arbeitermilieu stammen, lässt sich auch der scheinbare Widerspruch zwischen Rockform und Rocklänge erklären. Der glockenförmige Bahnenrock wurde bereits 1895 Mode und ist vermutlich nach 1900 auch von den unteren Schichten übernommen worden. Da ein bodenlanger Saum jedoch bei der täglichen Arbeit hinderlich wäre, ist er vermutlich verkürzt und den notwendigen Bedingungen angepasst worden. 74 III Kostümgeschichte und Mode Auswertung Die Datierung des Landesarchivs um 1915 bestätigt das herausgestellte Ergebnis. Abgebildet ist jedoch keine Großfamilie, sondern die Bewohner eines ganzen Hauses des Bezirks Berlin Mitte, die sich vor ihrem Wohnhaus fotografieren ließen. Bild Nr. 11 Auf diesem Bild ist eine Gruppe von Männern und Frauen abgebildet, die sich für ein Gruppenportrait positioniert haben. Bei den Frauen sind wie oben unterschiedliche Frisuren erkennbar. Auffallend ist dabei, dass zwei der Frauen ihre Haare in einem Kranz um den Kopf geflochten haben. Eine der Damen trägt die Haare wie das junge Mädchen auf dem obigen Bild mit den aufgebauschten Seitenpartien. Zwei andere Damen tragen ihre stark gewellten Haare locker über die Ohren in einem Nackenknoten zusammengefasst. Von den drei Herren tragen zwei einen Schnurrbart, wobei einer der Bärte stark hochgezwirbelt ist. Von den Frauen scheint keine ein Korsett zu tragen, bzw. ist unter den weiten, blusigen Kleidoberteilen keine Körpereinschnürung erkennbar. Bei den sitzenden Frauen ist die Rocklänge fußfrei, was darauf schließen lässt, dass die Röcke im Stehen fußbedeckend knapp auf den Boden aufsitzen aber nicht schleifen. Analyse Durch die seitlich aufgebauschte Frisur kann die Fotografie in Anlehnung an das vorherige Bild bereits in dem Zeitraum ab 1900 eingeordnet werden. Allerdings findet sich in keinem der Bildhandbücher von John Peacock zu diesem Zeitraum eine Frisur, bei der der Kopf mit den Haaren umflochten ist. Auch in dem Zeitraum davor bis 1840 zurück findet sich keine solche Haarmode. Ab 1920 sind die Haare bereits kurz.101 101 Siehe: Peacock, Johne: „Kostüm und Mode – das Bildhandbuch“, S. 158ff. 75 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 233 115116 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Haarmode Frauen Haare werden onduliert und breit und lose hochgerollt ja, teilweise Reformfrisur ja teilweise Seitenscheitel wird beliebter ja Haarmode Männer Die Haare sind mit Pomade glatt nach hinten gekämmt. ja 1900-1930 Mittelscheitel ja um 1920 Bartmode hochgezwirbelter Schnurrbart von Willhelm II. ja 1888-1918 1900-1910 Die stark gewellten und tief im Nacken zusammengenommenen Haare von zwei der Frauen auf dem Bild sehen wie eine Mischung aus Reformfrisur und ondulierten, aufgesteckten Haaren aus. Publikation Formengeschichte europäischer Kleidung Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 281 284 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto blusig gestaltetes Oberteil ja weite Ärmel nein enge Ärmel ja 1905-1910 1910 Datierung Aufgrund der erarbeiteten Angaben, wird das Bild auf 1900 – 1910 datiert. Auswertung Das Bild ist von 1913, womit die hergeleitete Datierung sehr gut liegt. Bei einer Überprüfung im Nachhinein wäre eine genauere Datierung möglich gewesen. In dem Mode- und Kostümlexikon wird unter dem Artikel Haarmode beschrieben, dass zwischen 1912 und 1914 das ondulierte Haar etwas strenger über die Ohren zu einem flachen Knoten auf dem 76 III Kostümgeschichte und Mode Hinterkopf zusammengesteckt wurde. Dies ist aber in dem unübersichtlich fortlaufenden Text übersehen worden. Bild Nr. 12 Zu sehen ist das Portrait einer stehenden jungen Frau. Der Rocksaum und die Füße sind allerdings nicht mehr abgebildet (siehe Anhang Abbildung 12). Die Frau trägt die Haare an den Seiten asymmetrisch und stark aufgebauscht nach hinten gesteckt. Ihr Kleid ist reich verziert und mit einem Stehkragen versehen, die Ärmel sind ellenbogenlang. Analyse Die Frisur ist, wie oben bereits festgestellt, typisch für die Zeit zwischen 1900 und 1910. Bei näherem Hinsehen ist auch eine leichte S-Linie erkennbar, die zu dieser Zeit typisch war. Für diese Zeit ist nach dem Mode- und Kostümlexikon auch der mit Posamenten verzierte Stehkragen, wie er auf dem Bild zu sehen ist typisch.102 Für das Gesellschaftskleid der Sans-ventre-Linie sind ellenbogenlange, weite und mehrmals abgebundene Ärmel typisch, deren Saum meist mit Spitzen oder Rüschen verziert war.103 Die Ärmel auf dem Foto sind dagegen glatt, haben aber eine starke Verzierung am Saum. Datierung Auch wenn die typischen Beschreibungen in den Kostümbüchern nicht hundertprozentig mit dem Kleid auf dem Bild übereinstimmen, weisen sie trotzdem auf die Sans-ventreLinie hin. Daher wird das Bild von 1900 – 1910 datiert. Auswertung Das Landesarchiv hat das Bild um 1900 datiert, was sich mit der hergeleiteten Datierung deckt. 102 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 338. 103 Ebd.: S. 98. 77 III Kostümgeschichte und Mode Bild Nr. 13 Das Bild ist das Portraitfoto von zwei Frauen, unterschiedlichen Alters (siehe Anhang Abbildung 13). Die Füße sind auf dem Foto abgeschnitten und der Rocksaum ist nicht erkennbar. Die jüngere Frau trägt einen großen, runden, breitkrempigen Hut, der mit einfachem aber voluminösem Aufputz versehen ist. Die ältere Frau trägt ein kleineres und kompliziert aufgebautes Hutgebilde. Die Röcke der Kleider sind glockenförmig, aber nicht übermäßig weit geschnitten und der Stoff ist einfach und glatt. Die Ärmel sind bei beiden Frauen weit, wobei die ältere Dame dreiviertellange, ausgestellte Ärmel und die jüngere Dame mit einem Bündchen zusammengefasste Ballonärmel trägt. Der Ballonärmel ist am Ärmelansatz teilweise gesmokt. Der Saum der Blusenärmel reicht bei beiden Frauen bis über die Finger. Die jüngere Frau trägt einen sehr breiten Schulterkragen. Analyse Die Rockgestaltung weist auf die Zeit um die Jahrhundertwende hin. Da die Ärmel eine Reihe von Besonderheiten aufweisen, wird dieser Einzelaspekt im Mode- und Kostümlexikon nachgeschlagen: 78 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Formengeschichte europäischer Kleidung Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 98 284 283 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Ärmel Beutelärmel, die am Ärmelansatz enger sind, zum ja Handgelenk erweitert und dort in einem Bündchen zusammengefasst sind 1900-1906 Die Ärmel reichen bis zu den Fingerspitzen und sind teilweise am Unterarm ausgestellt. ja ab 1898 breiter Schulterkragen, der Ärmelansatz überdeckt ja voluminöse Hüte ja hochgeschobene Taille, ähnlich Empirelinie nein 1910-1915 Datierung Unter Abwägung der herausgefundenen Daten wird das Foto auf dem Zeitraum 1900 – 1910 datiert. Auswertung Das Landesarchiv datierte das Foto um 1910, was sich mit der hergeleiteten Datierung überdeckt. Bild Nr. 14 Zu sehen ist vermutlich eine Familie, die sich auf einer Wiese posierend fotografieren ließ. Die drei Damen tragen sehr große Hüte mit teilweise opulentem Aufputz. Ihre Blusen sind hochgeschlossen und haben einen Stehkragen. Die Ärmel sind an den Ansätzen leicht gepufft. Eine der Damen ist sehr kräftig gebaut, daher ist die Modesilhouette ihrer Kleidung nicht gut erkennbar. Einer der Herren trägt eine Hose mit Bügelfalte und eine Melone als Kopfbedeckung. An seiner Weste ist eine Uhrenkette befestigt. Der andere Herr sitzt auf dem Rasen und hält ein kleines Mädchen auf dem Schoß, wodurch seine Kleidung 79 III Kostümgeschichte und Mode nicht gut erkennbar ist. Seine Haare sind glatt nach hinten gekämmt. Beide Männer haben einen einfachen Schnurrbart und Gehstöcke. Analyse Die Bügelfalte deutet darauf hin, dass das Bild nach 1900 entstanden ist und die großen Hüte weisen auf die Zeit um 1905 und 1910 hin. Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Bluse Blusen liegen eng am Oberkörper an nein Blusen haben einen hohen Stehkragen ja 98 Blusenärmel am Ansatz aufgepufft ja 1890-1906 125 locker fallender Blusenschnitt ja ab 1900 Rock schleift auf dem Boden ja S-förmige Verkrümmung nicht erkennbar 283 voluminöse Hüte, deren Krempe über der Stirn ausladend und nach oben gebogen ist ja 285 Krempen der Hüte verlaufen gleichmäßig und sehr breit um nein den Kopf 1910-1915 über der Stirn ausladene Hüte ja Die Mode des 17-24 ausschließlich Kleider und 20. Jahrhunderts nein keine Blusen abgebildet 1905-1910 Reclams Modeund Kostümlexikon 124 281 Formengeschichte europäischer Kleidung 1840-1890 1905-1910 Die Kleidung des stehenden Mannes enthält mit der Uhrenkette ein Element, das für die Zeit vor der Jahrhundertwende typisch ist, während die Bügelfalte auf die Zeit nach 1900 hinweist. Datierung Die beste Datierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Hutmode, die in zwei Publikationen für den Zeitraum 1905 - 1910 angegeben ist.Die Hinweise zu den weiteren Modeaspekten 80 III Kostümgeschichte und Mode schließen einen breiteren Zeitraum ein. Um die Datierung möglichst eingrenzen zu können, wird das Bild auf 1905 – 1910 datiert. Auswertung Das Landesarchiv datierte das Bild um 1910, was sich mit der hergeleiteten Datierung überschneidet. Fotografien aus der Zeit des I. Weltkrieges (1914 – 1918) Bild Nr. 15 Dieses Bild ist ein Gruppenportrait mit einer älteren Dame, die auf einem Stuhl sitzt, während links von ihr ein Junge und rechts eine junge Frau steht. Die Frauen tragen runde Hüte mit einer schmaleren Krempe als die der Hüte im vorherigen Bild. Während bei der jungen Frau der Hut nur mit einem Band geschmückt ist, ist der Hut der älteren Frau mit künstlichen Blumen eingerahmt. Die Haare schauen unter den Hüten nicht vor. Die Frisur muss daher schlicht sein und die Haare müssen eng am Kopf anliegen. Das Kleid der jungen Frau ist nur wadenlang und sie trägt kein Korsett darunter. Der Junge trägt ein weißes Hemd, Kniebundhose und eine Schirmmütze. Da die junge Frau kein Korsett und kein bodenlanges Kleid trägt, muss das Bild nach 1910 entstanden sein. Analyse Durch einen Vergleich mit den Darstellungen im zweiten Bildhandbuch von John Peacock kann das Bild der Zeit des I. Weltkrieges zugeordnet werden, da während dieser Zeit die Röcke und Kleider wadenlang waren und die runden Hüte eine schmale Krempe hatten.104 Die Beschreibungen von Annemarie Bönsch bestätigen diese erste Datierung. Zu dieser Zeit zeigten die Frauen unter den kürzeren Röcken noch kein nacktes Bein, wie es auch auf dem vorliegenden Foto zu sehen ist. Auch die Frisuren liegen eng am Kopf an, so dass sie wie eine Kurzhaarfrisuren erscheinen. Nur die Kriegskrinoline, die Annemarie Bönsch für 104 Siehe: Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 42ff. 81 III Kostümgeschichte und Mode diese Zeit beschreibt, ist auf dem Bild nicht erkennbar.105 Die Kniebundhosen sind nach dem Angaben im Mode- und Kostümlexikon von 1900 – 1950 typische Kleidung für Jungen.106 Weitere Angaben lassen sich über die Kleidung des Jungen nicht treffen. Datierung Aufgrund der herausgefundenen Angaben wird das Bild von Beginn des I. Weltkrieges 1914 bis 1920 datiert. Auswertung Das Landesarchiv datierte das Foto ebenfalls um 1915, womit sich die Datierungen decken. Bild Nr. 16 Es ist ein Gruppenportrait von acht Frauen, die in zwei Reihen auf einer gemauerten Parkbank sitzen. Alle Frauen tragen schlichte, weite Mäntel, wodurch von ihrer Kleidung nicht viel zu erkennen ist. Der Großteil von ihnen trägt einen schwarzen Hut mit runder Krempe, deren Breite von Modell zu Modell unterschiedlich ist. Eine der Frauen trägt eine hellen einfachen Hut mit schmaler Krempe, die in das Gesicht gezogen ist. Die Hüte sind teilweise schlicht durch einfache Bänder dekoriert und eines der Modelle zusätzlich durch eine Feder. Bei den vorne sitzenden Frauen sind schwarze hohe Schnürstiefel erkennbar. Die hohen Schnürstiefel waren typisch für die Zeit des I. Weltkrieges, als sich die Röcke auf die halbe Wade verkürzten aber das zum Vorschein kommende Bein noch verdeckt werden sollte (vergleiche Bild Nr. 15). Da die Röcke der Frauen, soweit es erkennbar ist, im Sitzen gerade bis zur halben Wade reichen, müssten sie im Stehen länger sein. 105 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 285f. 106 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 293. 82 III Kostümgeschichte und Mode Analyse Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 325 Kopfbedeckung kein kostbarer Hutaufputz mehr ja 1915-1920 Straußenfedern und lange herabhängende Bänder ja, teilweise 1920-1925 Hüte schlicht mit Bändern geschmückt, teilweise Krempe in das Die Mode des 41-45 Gesicht gebogen 20. Jahrhunderts Formengeschichte europäischer Kleidung 288 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto ja 1915-1920 Röcke teilweise länger als bis zu halben Wade ja Hüte werden bis zu den Augenbrauen tief in das Gesicht gezogen und verdecken die Stirn. ja 1920-1925 unter wadenlangen Rock nein kommt das nackte Bein hervor Datierung Die Kleidung auf den Bild weist einige Merkmale für die Zeit des I. Weltkrieges und einige wenige für die Zeit ab 1920 auf. Es ist anzunehmen, dass es zwischen den beiden Perioden entstanden ist, als sich die Modebilder noch überschnitten. Daher wird es auf 1915 – 1920 datiert. Auswertung Vom Landesarchiv wurde das Foto um 1925 datiert. Damit gibt es eine zeitliche Überschneidung. Nach den Darstellungen der Kostümbücher wird in dieser Zeit das Bein aber nicht mehr verdeckt und nach 1925 sind die Hüte krempenlos. Ab 1925 tritt auch die Silhouette der Garçonne in Erscheinung, der die Frauen auf dem Bild jedoch nicht gleichen.107 107 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 289ff. 83 III Kostümgeschichte und Mode Fotografien der 1920er und 30er Jahre (1918 – 1939) Bild Nr. 17 Zu sehen sind eine Frau und zwei junge Mädchen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin (siehe Anhang Abbildung 14). Auf dem Bild ist noch die alte Kuppel zu erkennen, weshalb das Foto vor dem Reichstagsbrand 1933 entstanden sein muss. Alle drei Personen tragen weit schwingende Kleider, deren Saum bis zur halben Wade reicht und den Blick auf das nackte Bein freigibt. Zwei der Kleider sind an den Röcken mit Volants und Rüschen verziert. Die Frau und eines der jungen Mädchen haben gewellte, kurze, kinnlange Haare. Das deutet darauf hin, dass das Bild nach 1920 entstanden ist. Alle drei tragen flache Spangenschuhe. Analyse Der bisher abgegrenzte Zeitraum zwischen 1920 und 1933 wird mit den Darstellungen im zweiten Bildhandbuch abgeglichen. Die Kleider auf dem Foto ähneln mit ihren Volants sehr stark den Abendkleidern aus der Periode zwischen 1920 und 1925. Auch die für diese Zeit typischen kinnlangen, gewellten Haare sind hier abgebildet. Nach 1925 sitzt die Taille sehr tief und die Röcke sind fast knielang, was auf dem Foto nicht der Fall ist.108 Die Taille rutschte erst mit der Silhouette der Garçonne ab 1925 auf die Hüfte, während sich an ihr vorher noch die „Busenfalte“ befindet, wie es in „Formengeschichte europäischer Kleidung“ genannt wird. Diese Falte über dem Gürtel ist auch auf dem Foto erkennbar.109 Für die Zeit nach 1930, in der die knabenhafte Linie von 1925 wieder weiblicher wird, sind schräg geschnittene Röcke und Zipfelsäume typisch. Auch die Busenfalte ist zu dem Zeitpunkt bereits verschwunden.110 Datierung Der Vergleich des Fotos mit den Angaben aus den Kostümbüchern grenzt den Entstehungszeitraum auf 1920 bis 1925 ein. 108 Siehe: Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 62ff. 109 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 288ff. 110 Ebd.: S. 292f. 84 III Kostümgeschichte und Mode Auswertung Das Landesarchiv hat das Foto ebenfalls um 1925 datiert. Bild Nr. 18 Zu sehen ist eine Gruppe von Personen mit Männern und Frauen, die sich für ein Gruppenportrait aufgestellt haben. Die Frauen tragen runde, hohe Hüte mit sehr schmaler Krempe, wie die Glockenhüte der 1920er Jahre. Die unterschiedlichen Rocklängen bedecken entweder knapp das Knie oder reichen bis zu halben Wade. Bei einem Kleid ist deutlich erkennbar, dass die Taillenlinie sehr tief auf der Hüfte sitzt. Die dunklen Anzüge der Männer sind auf der Fotokopie schlecht zu erkennen. Die Krawatten sind bunt gemustert. Analyse In den Darstellungen im Bildhandbuch über die Mode des 20. Jahrhunderts sitzen zwischen 1926 und 1929 die Taillen der Kleider am tiefsten, während sie 1930 bereits an ihre natürliche Stelle zurückgekehrt ist.111 Die Silhouette der Garçonne, die Annemarie Bönsch ab 1925 ansetzt, wird im Mode- und Kostümlexikon für die Zeit um 1927 angegeben und das Aufkommen der Glockenhüte ab 1924/25.112 In den 1920er Jahren bekamen auch die Krawatten die Funktion des farbigen Akzentes zur Herrenkleidung.113 Datierung Von den Darstellungen im Bildhandbuch zur Mode des 20. Jahrhunderts ausgehend, wird das Foto auf den Zeitraum 1926 – 1929 datiert. Auswertung Das Landesarchiv datierte das Foto um 1924, was sich mit dem abgeleiteten Datum überschneidet. 111 Siehe. Peacock, John: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 67ff. 112 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 213 und S. 325. 113 Ebd.: S. 341. 85 III Kostümgeschichte und Mode Bild Nr. 19 Auf dem Foto ist eine Familie mit drei Frauen, einem Mann und einem Jungen zu sehen. Da die Personen sitzen und Mäntel tragen, ist von der Kleidung nicht sehr viel zu erkennen. Zwei der Mäntel haben einen Pelzbesatz an Kragen und Ärmel. Eine der Frauen trägt einen hohen, schwarzen Hut mit schmaler Krempe. Bei den anderen Frauen sind die ondulierten Haare zu erkennen, die bei einer Frau sehr kurz geschnitten und bei der anderen streng nach hinten gekämmt sind. Der Junge trägt einen Matrosenanzug und weiße Strümpfe. Analyse Der Pelzbesatz an den Jacken erinnert an einige Zeichnungen für die Mode der 1930er Jahre in „Geschichte des Kostüms“: Publikation Geschichte des Kostüms Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 399 Zeichnungen Mäntel mit Pelzbesatz am Kragen und teilweise sehr hohe Hüte ja 1936 398 Schulterbetonung ja 1936-1945 ja um 1928 Die Mode des 65-69 sehr hohe Hüte 20. Jahrhunderts Reclams Modeund Kostümlexikon Formengeschichte europäischer Kleidung Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 325 Kopfbedeckung tiefe Krempen der Hüte vorne aufgebogen ja um 1920 368 Matrosenanzug während des Nationalsozialismus als bürgerlich-dekadent geächtet nein 1933-1945 471 Strumpf keine hilfreichen Angaben 294 Haare werden länger und stärker onduliert ja, teilweise 1930-1935 86 III Kostümgeschichte und Mode Datierung Aufgrund der gewonnenen Daten und vor allem unter Berücksichtigung der Hinweise zum Matrosenanzug wird die Fotografie von 1928 bis 1933 datiert. Auswertung Das Bild wurde vom Landesarchiv um 1925 datiert. Die Angabe überschneidet sich damit mit der hergeleiteten Datierung. Bild Nr. 20 Abgebildet ist eine Frau in einem Kostüm und mit einem runden breitkrempigen Hut, der mit einer großen weißen Schleife geschmückt ist. Der Rock des Kostüms reicht bis zur halben Wade und die Kostümjacke bis über die Hüften. Über dem Kragen liegt der sehr breite Blusenkragen aus mehreren Volants. Die Taille im Kleidungsschnitt befindet sich an der natürlichen Stelle. Analyse Da die Frau unter ihrem Rock nur dünne Feinstrümpfen trägt, muss das Bild nach 1920 entstanden sein. Der breite Blusenkragen erinnert an eine Zeichnung aus dem Mode- und Kostümlexikon von 1934.114 Laut „Formengeschichte europäischer Kleidung“ wird ab 1940 der Busen betont und fülliger gestaltet, was zu dem breiten Volantkragen passt.115 Da die Taillenlinie nicht auf der Hüfte sitzt, muss das Bild nach den 1920er Jahren entstanden sein (vergleiche Bild 18). Der breitkrempige Hut mit der großen weißen Schleife ist jedoch für die Zeit vor 1920 typisch (vergleiche Bild 14) Datierung Die herausgefundenen Angaben lassen nur einen sehr weiten Datierungszeitraum um 1930 zu. 114 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 78. 115 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 269. 87 III Kostümgeschichte und Mode Auswertung Das Bild ist von 1921 und überschneidet sich damit nur bei einer relativ weiten Auslegung des Zeitraumes um 1930 mit der hergeleiteten Datierung. Bei dem Abgleich der erkennbaren Modeaspekte mit den Angaben in den Kostümbüchern deuteten einige auf diesen Zeitraum hin, während andere dafür untypisch waren und auf einen späteren Zeitraum deuteten. Dies zeigt, dass sich die Modelinie, die in den Kostümbüchern beschrieben wird, nicht immer und eindeutig anwenden lässt. Bild Nr. 21 Zu sehen ist ein Stand auf einem Markt, um den sich einige Leute versammelt haben und den Ausführungen des Verkäufers zuhören. Die Männer haben die länger geschnittenen Haare glatt nach hinten gekämmt und bei dem Verkäufer sind leichte Ondulationswellen erkennbar. Die Haare der Frauen sind sehr unterschiedlich. Eine der Frauen trägt die Haare kurz, wie zu Anfang der 1920er Jahre, die anderen Frauen haben längere Haare, teils mit Scheitel und teils mit einem Schopf über der Stirn. Die Kleider der Frauen sind recht bunt und haben ein Blümchen- oder Streifenmuster. Die Rocklängen sind nicht mehr abgebildet, reichen aber, soweit erkennbar, mindestens bis zur halben Wade und die Taille sitzt an ihrer natürlichen Stelle. Bei einem Kleid ist erkennbar, dass die Schultern unterpolstert sind. Zwei Frauen tragen eine Sonnenbrille. Analyse Die Betonung der Schultern durch Schulterpolster ist für die Zeit um 1940 typisch. 88 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt über der Stirn setzt sich ein Haarschopf ab Formengeschichte europäischer Kleidung Reclams Modeund Kostümlexikon Geschichte des Kostüms Rocklänge bis zur halben 295-2 Wade 97 Schulterpolster 232 409 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto ja 1935-1945 ja, soweit ersichtlich 1935-1940 ja 1940-1945 Röcke werden bis knapp unters Knie verkürzt nein Haarmode Männer Fassonschnitt mit etwas längeren und leicht gewellten Haaren ja 1930-1938 amerikanischer Militärschnitt mit sehr kurzem Haar, Kopf wirkt kahl nein 1938-1945 Igelfrisur nein nach 1945 Zeichnungen Haare gescheitelt oder glatt nach hinten gekämmt ja 1930-1940 Das Blumenmuster beschreibt Erika Thiel als typisch für Tageskleider in den 1930er Jahre,116 während es im Mode- und Kostümlexikon erst für die 1950er erwähnt wird.117 Über Sonnenbrillen und Brillen allgemein ist in keinem der Bücher etwas zu finden. Im Mode- und Kostümlexikon werden sie auch nicht unter dem Artikel zu Accessoires aufgezählt.118 Datierung Das Bild wird unter Abwägung der Frisurenformen und Rocklängen zwischen 1935 und 1940 datiert. Auswertung Entstanden ist das Bild 1950, also zehn Jahre später entstanden, als angenommen. 116 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 408. 117 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183. 118 Ebd.: 92. 89 III Kostümgeschichte und Mode Bild Nr. 22 Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen, die am Wasser Schwäne füttert. Sie trägt ein weißes Kostüm und eine weiße Baskenmütze (siehe Anhang Abbildung 15). Der Rock ist schmal und reicht bis über die halbe Wade. Das kurze, boleroartige Jäckchen hat halblange Ärmel und die Taille sitzt an ihrer natürlichen Stelle. Die Haare sind am Hinterkopf festgesteckt, wo sie in schulterlangen Locken hinab hängen. Analyse Die schlanke, schmale, figurbetonte Linie und der Sitz der Taille deuten auf die Zeit nach 1930 hin. Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Rocklänge bis über halbe Wade Die Mode des 20. Jahrhunderts Formengeschichte europäischer Kleidung Übereinstimmung Zeitraum mit Foto ja 1931-1932 ja 1933 Röcke faltenreich und mit Schrägschnitten gearbeitet nein 1930-1935 92-94 Rockoberfläche vorwiegend glatt ja 1935-1940 294 vorwiegend glatte Rockoberfläche ja 1935-1940 295 Zeichnung Rocklänge bis über die halbe Wade ja 1935 dauergewellte Löckchen im Nacken ja Kopfbedeckungen schräg in die Stirn gesetzt ja 84-85 ähnliches Kostüm 297 90 1940-1945 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 333 Bolero zum wadenlangen Rock getragen ja 1930-1938 233 Haarmode Haare nach hinten frisiert, große Locken im Nacken ja 1933-1938 Pompadourrolle nein 1938-1945 schlichte Frisuren oder krauser Lockenkopf nein nach 1945 234 Datierung Das Bild wird auf den Zeitraum 1935 – 1945 datiert. Auswertung Das Foto ist eine Modefotografie von 1937 und liegt damit genau im Zeitraum der hergeleiteten Datierung. Fotografien aus der Zeit des II. Weltkrieges (1939 – 1945) Bild Nr. 23 Das Foto zeigt zwei junge Frauen in Mänteln und Muff in einem Park (siehe Anhang Abbildung 16). Eine der Frauen trägt einen auffallenden Hut, der sich über der Stirn zu einem Dreieck formt, die andere einen einfachen runden Hut mit nicht allzu breiter Krempe und weißem Hutband. Die Röcke sind knöchellang und die Schuhe sind auf der dunklen Fotokopie nur schlecht erkennbar. Analyse Unter Muff ist im Mode- und Kostümlexikon zu finden, dass er im 20. Jahrhundert, abgesehen von mehreren kurzen modischen Aufleben, wie etwa um 1910, außer Gebrauch kam.119 Die Gesamterscheinung der Kleidung gleicht jedoch nicht der aufwendigen Mode vor 1900. Das Kleidungsbild ist sehr schlicht und die Frisuren sind sehr einfach, sodass die 119 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 377. 91 III Kostümgeschichte und Mode Haare unter den Hüten nicht hervorschauen und die Frisuren erkennbar sind. Im Bildhandbuch über die Mode des 20. Jahrhunderts ist der Muff auch von 1938 bis 1944 mehrmals abgebildet.120 Über das Lexikon von Reclam wird anhand einer Abbildung im Artikel über Kopfbedeckung herausgefunden, dass der dreieckförmige Hut als Toque bezeichnet wird und um 1910 und wieder um 1938 – 1946 neben einer Vielzahl anderer Hutarten erneut aufkam. Der einfache runde Hut passt auch zu der Zeit ab 1915.121 Allerdings waren in diesem Zeitabschnitt die Röcke etwas kürzer, wie auch ab 1940.122 Datierung Der Muff und die Hüte deuten auf die beiden Zeiträume um 1910 und um 1940 hin. Da die Röcke jedoch lang sind, kann es sich nicht um die Kriegszeit handeln. Der einfache runde Hut ist aber erst ab den I. Weltkrieg aufgekommen. Der in Frage kommende Zeitraum um 1910 kam damit ausgeschlossen werden. In den 1930er Jahren wurden dagegen mehrere Hutformen und längere Röcke getragen. Das Bild wird unter Abwägung der Angaben von dem Aufkommen der Toque und der Rockverkürzung von 1938 – 1940 datiert. Auswertung Das Bild ist von 1915, ist also in dem Zeitraum entstanden, der sich über die Kostümbücher zwar ebenfalls ergeben hat, aber wegen der Rocklänge ausgeschlossen wurde. Nicht berücksichtigt wurde die Schulterbetonung, die ab den 1930er Jahren aktuell wurde und die auf dem vorliegenden Bild nicht vorhanden ist (vergleiche Bild Nr. 19). Bei dieser Fotografie ist gut zu erkennen, wie sich die Mode von verschiedenen Epochen in einigen Punkten gleichen kann und dass ein umfassender Abgleich der Modeerscheinungen nötig ist. Die wenigen Anhaltspunkte für eine eindeutige Datierung wurden nicht genau erkannt. Bei einer Nachprüfung ergibt sich, dass ab 1915 zwar die Tageskleider bis auf die halbe Wade verkürzt waren, während die Abendkleider aber bis zum Knöchel reichten. Da die Frauen Mäntel tragen, ist die Kleidung nicht eindeutig als Abendkleidung zu identifizieren.123 120 Siehe Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 96ff. 121 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 325. 122 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 285ff. 123 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 286. 92 III Kostümgeschichte und Mode Bild Nr. 24 Zu sehen ist eine Szene auf einem Marktplatz, auf dem sich vier Frauen unterhalten. Die Mäntel der Frauen reichen bis zur halben Wade. Es ist erkennbar, dass die Frauen Feinstrumpfhosen tragen. Die Kopfbedeckungen bestehen aus Kopftuch, Turban und kleinen Hüten mit schmaler, hoch gebogener Krempe oder ohne Krempe. Analyse Publikation Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 489 Turban ja Kopfbedeckung breitkrempige Hüte nein 325 364 1910-1920 1936-1946 1910-1920 Hüte mit schmaler oder keiner ja Krempe 1930-1940 rundum aufgebogene Krempen ja 1940-945 Mäntel gerade, mäßig weit geschnitten, meist hochgeschlossen ja Aufschläge an den Ärmeln nicht ersichtlich 1940 Auf der Fotokopie sind die Details der dunklen Mäntel nur schlecht zu erkennen. Eine der Frauen trägt einen hellen Mantel, an dem jedoch keine Aufschläge zu sehen sind. Datierung Ausgehend von den Hüten wird das Bild um 1940 datiert. Auswertung Das Bild ist von 1953. Für diese Zeit wird nach den Darstellungen der Kostümbücher der Turban nicht mehr getragen. Dies zeigt, wie lange die Frauen in Deutschland ihre alte Kleidung noch aufgetragen haben. 93 III Kostümgeschichte und Mode Bild Nr. 25 Das Bild ist eine Fotografie einer jungen Frau mit einem Hund. Sie trägt einen Mantel und sitzt auf einer Bank in einer Ecke eines Raumes. Da diese Ecke recht dunkel ist, sind ihre Frisur und ihr Hut nur schwer erkennbar und es können nur wenige Aussagen über die Kleidung getroffen werden. Analyse Der maximal wadenlange Mantel ist weit und gerade geschnitten. An den Ärmeln befinden sich Aufschläge (vergleiche Bild Nr. 24). Die Haare scheinen schulterlang und lockig zu sein und sind etwas nach hinten genommen (vergleiche Bild Nr. 22). Datierung Die Merkmale passen zusammen auf das Kleidungsbild um 1940. Da keine weiteren Aussagen getroffen werden können, wird das Bild auf diesen Zeitraum datiert. Auswertung Die Fotografie ist tatsächlich 1940 entstanden. Inwieweit die Genauigkeit der hergeleiteten Datierung bei den begrenzten Untersuchungsmöglichkeiten Zufall war, kann nicht beurteilt werden. 94 III Kostümgeschichte und Mode Bild Nr. 26 Auf dem Bild ist eine lange Menschenschlange zu sehen, die vor einem Geschäft wartet. Das Foto erinnert an die Zeit der rationierten Lebensgüter und Lebensmittelmarken des II. Weltkrieges. Zu sehen sind vor allem Frauen, die alle ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild haben. Für die Datierung werden vorrangig drei junge Frauen berücksichtigt, die auf dem Bild gut zu erkennen sind. Eine der jungen Frauen trägt die Haare in zwei seitlich geflochtenen Zöpfen. Ihr Rock endet bereits über dem Knie. Die Frau hinter ihr hat die offenen, schulterlangen Haare an der Seite zu einer großen Rolle frisiert. Ihr Kleid bedeckt knapp die Knie und hat kurze Puffärmel. Die dritte Frau trägt auf der Stirn einen hohen Stirnbausch und die seitlichen Haare über die Ohren in den Nacken frisiert, wo sie lose herunter hängen. Ihr kniebedeckendes Kleid ist im Oberteil am Busen gerafft. Analyse Publikation Formengeschichte europäischer Kleidung Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 296297 98 Reclams Mode- 234 und Kostümlexikon 508 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto Haare im Nacken zusammengefasst, Haarbausch über der Stirn ja Busendrapierungen ja Röcke kniekurz ja plumpere Schuhe durch Materialknappheit ja Ärmel Puffen an den Ärmeln ja 1933-1947 Haarmode Pompadourrolle ja, teilweise 1938-1947 Zopf galt während des Nationalsozialismus als traditionelle Haartracht ja 1933-1945 95 1940-1945 III Kostümgeschichte und Mode Die seitlich eingerollten Haare lassen sich in den Beschreibungen der Bücher nicht wiederfinden, sie könnten aber eine abgewandelte Form der Pompadourrolle sein. Datierung Die Fotografie wird unter Abwägung der herausgefundenen Hinweise auf den Zeitraum 1940 – 1945 datiert. Auswertung Das Foto ist vom August 1946, also über ein Jahr nach Kriegsende entstanden. In dieser Zeit wurden auch noch Lebensmittelmarken benutzt und das Modebild hatte sich noch nicht geändert. Bild Nr. 27 Auf der Fotografie sind sechs Frauen zu sehen, die um einen Tisch versammelt sind, auf dem Stoffe oder Kleider liegen. Die Frauen sind nicht vollständig, sondern nur mit dem Oberkörper abgebildet. Einige tragen Schürzen, welche die Kleider teilweise überdecken. Die Frisuren deuten mit den Stirnbauschen auf die 1940er Jahre hin. Analyse In der Zeit des II. Weltkrieges wurden unter dem Motto „Neu aus Alt“ viele alte Kleider geflickt und schadhafte Teile mit noch vorhandenen Stoff ersetzt.124 Dadurch waren viele Kleider aus mehreren unterschiedlichen Stoffen zusammengesetzt.125 Bei dem vorliegenden Foto könnte es sich um einen solchen Lehrgang handeln, allerdings ist diese Vermutung sehr vage und nicht weiter zu belegen. Die meisten Kleider auf dem Bild sind schwarz, was auch die vorherrschende Farbe während des II. Weltkrieges war.126 Datierung Für das Foto kann nur unter wenigen unbestimmten Angaben, vor allem gestützt auf das Erscheinungsbild der Haare, der Entstehungszeitraum 1940 – 1945 angegeben werden. 124 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 412. 125 Siehe: Loschek, Ingrid „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 307. 126 Ebd.: S. 183. 96 III Kostümgeschichte und Mode Auswertung Das Foto ist vom August 1945 und damit tatsächlich in der hergeleiteten Zeit entstanden. Allerdings handelt es sich nicht um einen Lehrgang, bei dem gezeigt wurde, wie schadhafte Teile ersetzt werden können, sondern um eine Werkstatt, die Kleider für die Opfer des Faschismus herstellt. Fotografien aus der Nachkriegszeit und der 1950er Jahre (1945 – 1959) Bild Nr. 28 Zu sehen ist eine Szene auf einem Marktplatz, bei der mehrere Frauen an einem Stand anstehen (siehe Anhang Abbildung 17). Bei näherer Betrachtung fällt an den Armen und Hälsen der Menschen auf, dass diese sehr abgemagert sind. Dies lässt auf einen Entstehungszeitpunktes des Bildes schließen, an dem Hungersnot herrschte, wie z.B. in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Der Bildausschnitt ist jedoch zu klein, um die Umgebung erkennen zu können. Nur im Hintergrund ist unscharf ein weiterer Marktstand zu sehen. Gut zu erkennen sind im Vordergrund die Marktfrau und zwei Kundinnen. Die Marktfrau hat ihre Haare über der Stirn stark aufgebauscht, wie es für die 1940er Jahre typisch war. Unter der Schürze trägt sie eine dunkle Bluse mit großen weißen Tupfen. Die beiden Kundinnen haben ihre Haare nach hinten gekämmt und auf dem Hinterkopf festgesteckt. Eine von ihnen trägt ein helles Kleid und eine Schürze. Um den Ärmel ist in einem kreisrunden Ausschnitt das Muster kontrastreicher und am Übergang durch eine Naht unterbrochen. Dies kann eine mit noch vorhandenem Stoff geflickte Stelle sein (vergleiche Bild Nr. 27). Die andere Frau trägt eine abgetragene, zerknitterte Jacke und entweder eine Schürze oder einen Rock aus zwei verschiedenen Stoffen. Analyse Das Mode- und Kostümlexikon gibt in seinem Artikel über Farbe und Muster die sogenannten Polkatupfen an Kragen und Manschetten für die Zeit des II. Weltkrieges an.127 Im Bildhandbuch zur Mode des 20. Jahrhunderts sind Kleidungsstücke mit großflächigem Punktmuster vor allem auch in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre abgebildet. Ab 1950 127 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183. 97 III Kostümgeschichte und Mode besteht das Muster aus verschiedenfarbigen Punkten, die unruhig verteilt sind. 128 Der schwarz-weiß Kontrast ist jedoch sehr typisch für die Zeit des II. Weltkrieges. Er ist danach erst wieder 1963 im Zuge der Pop-Art verwendet worden.129 Datierung Die Datierung erfolgt größtenteils durch den Gesamteindruck des Fotos, unterstützt von einzelnen Hinweisen über die Kleidung auf die unmittelbare Nachkriegszeit 1945 – 1948. Auswertung Das Foto wurde am 07.07.1945 aufgenommen, also in den ersten Nachkriegsmonaten des II. Weltkrieges. Damit hat sich die Einschätzung über den Gesamteindruck bestätigt. Bild Nr. 29 Das Foto zeigt drei Frauen in Sommerkleidern auf einer Straßenkreuzung in Berlin (Siehe Anhang Abbildung 18). Im Hintergrund sind zwei VW-Käfer zu erkennen. Damit ist eindeutig, dass das Bild nach 1945 entstanden sein muss. Die blümchengemusterten Kleider sind figurbetont, weit schwingend und bedecken in ihrer Länge das Knie. Die Frauen tragen alle kurze lockige Haare, vor allem die Haare der Frau links im Bild sind sehr kraus. Die Schuhe wirken teilweise recht plump. Analyse Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 116117 Röcke gehen über das Knie und sind weit schwingend ja sehr weite Röcke im Stile des New Look nein trapezförmig geschnittene Oberteile nein Die Mode des 20. Jahrhunderts 117133 nach 1950 128 Siehe:Peacock, John: „Die Mode des 20. Jahrhunderts“, S. 107ff. 129 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183. 98 1945-1950 III Kostümgeschichte und Mode Publikation Formengeschichte europäischer Kleidung Reclams Modeund Kostümlexikon Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt 300 183 234 Übereinstimmung Zeitraum mit Foto runde Schultern lösten Schulterpolster ab ja, teilweise Schulternaht wird zu hoch sitzenden Kragen erweitert ja, teilweise flache Schuhe mit Fesselriemen und runder Zehenkappe ja, teilweise spitze Zehenkappe nein Farbe und Muster Sommerkleider hatten klar herausgestelltes florales Einzelmuster ja, teilweise Haarmode kurze Krause ja 1947-1950 nach 1955 1950-1960 Zu Brillen gibt es, wie oben bereits bemängelt, keine Angaben in den Kostümbüchern. Dabei unterscheidet sich die seitlich zugespitzte Brillenform schon stark von den runden Modellen vor dem II. Weltkrieg. Datierung Die Silhouette und viele Details in der Kleidung lassen sich in den Zeitraum 1945 – 1950 einordnen, weshalb das Foto mit dieser Angabe datiert wird. Auswertung Entstanden ist die Fotografie im Juli 1956 und damit später als angenommen. Bild Nr. 30 Auf der Fotografie sind zwei Frauen und ein Kind im Kinderwagen im Grünen zu sehen(siehe Anhang Abbildung 19). Die Frauen tragen Strickjacken und ein Kleid oder einen Rock, der bis über das Knie reicht. Die Schultern sind rund und abfallend und damit eindeutig nicht gepolstert. Eines der Kleider hat ein sehr unruhiges Blümchenmuster. Die 99 III Kostümgeschichte und Mode Schuhe sind einfach, robust und wirken dadurch klobig. Die Frisuren sind kurz und füllig. Eine der Frauen trägt die Haare gelockt. Analyse Die Schuhe, die lockige Frisur und die ungepolsterten Schultern deuten wie im obigen Bild auf die Nachkriegszeit hin. Auch die kurze Rocklänge und die Schuhe können noch aus der Zeit des Krieges übernommen worden sein. Weitere Angaben zur Datierung über Kinderkleidung oder die Strickjacken sind nicht herauszufinden. Datierung Damit wird das Foto auf den Zeitraum 1945 – 1950 datiert. Auswertung Die Fotografie ist 1957, also deutlich später entstanden. Bei einer Nachprüfung in den Büchern zur Kostümgeschichte ergibt sich, dass 1957 ein breites Haarnest auf dem Kopf Modefrisur wurde.130 Diese Beschreibung passt ebenfalls zu den fülligen Frisuren der Frauen auf dem Foto. In dieser Zeit gab es auch wieder eine Rockverkürzung, die sich bis zum Minirock in der Mitte der 1960er Jahre steigerte.131 Bild Nr. 31 Die Fotografie bildet einen Ausschnitt aus einer Menschenmenge mit drei älteren Frauen im Vordergrund ab (siehe Anhang Abbildung 20). Die Frauen stehen seitlich zum Fotografen und sind nur mit dem Oberkörper abgebildet. Dadurch ist die Kleidung nicht gut zu erkennen. Zwei Frauen tragen kurze, gewellte Haare und die Dritte hat ihre glatten langen Haare auf dem Kopf in einem Knoten zusammengefasst. Sie trägt eine Brille, die teilweise randlos ist. Solche Brillenfassungen waren vermutlich erst nach dem II. Weltkrieg technisch realisierbar. Die anderen beiden Frauen tragen eine Strickjacke und eine dunkle Bluse mit großen weißen Punkten. Die sogenannten Polkatupfen waren, wie oben bereits erwähnt, ein typi130 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 234. 131 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 302ff. 100 III Kostümgeschichte und Mode sches Muster des II. Weltkrieges. Das Muster kann aber auch den „[...] geometrischen schwarz-weiß Kontrasten [der Op-Art]“132 um 1963 zugeordnet werden. Im Mode- und Kostümlexikon ist unter dem Artikel über die Bluse noch der Hinweis zu finden, dass ab den 1950er Jahren knitterfreie, synthetische Materialien verwendet wurden.133 Die Bluse auf dem Bild ist auch auffallend knitterfrei und hat einen weichen Fall. Datierung Weitere Anhaltspunkte lassen sich nicht herausfinden und da sich der Entstehungszeitpunkt auch nicht stärker eingrenzen lässt, wird das Bild ab 1950 datiert. Auswertung Aufgenommen wurde das Foto im Juli 1964, womit sich die Datierungsgrenze bestätigt hat. Bild Nr. 32 Die Fotografie zeigt eine Straßenszene in Berlin mit mehreren Menschen. An der Hauswand eines Geschäftes hängen einige Petticoats, was eindeutig auf die 1950er Jahre hinweist. Gut zu erkennen sind auch eine Frau mit kurzen, krausen Haaren und einem Sommerkleid, das mit großen Blüten gemustert ist. Neben ihr steht eine Frau in schlichtem Rock, Hemdbluse und Strickjacke. Beide Röcke reichen bis über das Knie. Die Männer tragen Anzüge mit Sakkos oder Jacketts. Auffallend ist, dass ein Mann zum Sakko einen gestreiften Pullover über dem Hemd trägt. Analyse Petticoats wurden in den 1950er bis Anfang der 1960er getragen. Er war zunächst wadenlang und verkürzte sich im Laufe des Jahrzehnts bis zum Knie.134 Die Länge der Petticoats ist auf dem vorliegenden Foto nicht eindeutig zu erkennen. Die krausen Haare und das deutliche Blumenmuster sind, wie oben bereits herausgestellt, ebenfalls typisch für die 1950er Jahre. Bei der Frau im blumengemusterten Kleid sind auch die Schuhe gut zu erkennen, die vorne 132 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 183. 133 Ebd.: S. 125. 134 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 398. 101 III Kostümgeschichte und Mode leicht spitz zulaufen und einen dünnen Absatz haben, wie es um 1955 typisch ist.135 Die Sakkos der Männer sind schlecht auszuwerten, da die Vorderseiten nicht zu sehen sind. Ihr Schnitt ist aber nicht weit und entspricht nicht der amerikanischen V-Silhouette, die bis 1955 getragen wurde, aber auch nicht der Y-Silhouette, die ab 1955 aufkam. Er entspricht mehr dem New-Edwardian-Style, der neben den amerikanischen Schnitt Anfang der 1950er Jahre getragen wurde.136 Ein ärmelloser Pullover kann bereits seit den 1920ern anstelle der Anzugsweste getragen werden.137 Datierung Die Fotografie wird um 1950 datiert. Auswertung Die Aufnahme ist von 1954 und damit im hergeleiteten Datierungszeitraum. Fotografien der 1960er Jahre (1960 – 1969) Bild Nr. 33 Zu sehen sind drei junge Männer und eine junge Frau. Die Männer tragen Anzüge und mittellanges, an der Seite gescheiteltes Haar. Einer von ihnen trägt einen Kinnbart. Die Frau trägt eine Jeanshose und hat eine helle, fellgefütterte Jacke über ihre Schultern gelegt. Ihre Haare fallen offen und glatt herunter. Die gesamte Frisur ist aber nicht zu erkennen, weil die Jacke über den Haaren liegt. Zu der Hose trägt sie weiße, flache Ballerinas. Analyse Im Mode- und Kostümlexikon ist zu finden, dass Ballerinas in den 50er Jahren und Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts Mode waren.138 Der letztgenannte Zeitraum lässt sich durch die Rahmenbedingungen der Untersuchung jedoch ausschließen. Die Jeanshose war ebenfalls seit den 1950er Jahren Freizeitkleidung für Jugendliche beider Geschlechter.139 135 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 302. 136 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 429. 137 Ebd.: S. 408. 138 Ebd.: S. 111. 139 Ebd.: S. 280. 102 III Kostümgeschichte und Mode Die Anzüge sind größtenteils verdeckt und es ist von ihnen nicht viel zu erkennen. Die Kragen, Revers und die Schultern sind schmal. Bei einem Sakko ist erkennbar, dass es bis über die Hüften geht. Diese Details sind erst für die zweite Hälfte der 1960er Jahre typisch.140 Für diese Zeit sind aber in den Kostümbüchern übereinstimmend Stiefel zu Hosen und Röcken als vorherrschende Fußbekleidung für Frauen angegeben. Damit stehen sich zwei Zeiträume gegenüber. Über die Haar- und Bartmode und die fellgefütterte Jacke lassen sich keine weiteren Datierungshinweise finden. Datierung Um die beiden zeitlich auseinander liegenden Zeiträume zu vereinen, wird zur Datierung der Zeitpunkt zwischen ihnen gewählt, um den das Foto entstanden sein muss. Die Fotografie wird daher um 1960 datiert. Auswertung Die Fotografie ist von 1967, also zu dem späteren Zeitpunkt entstanden, der sich über die Anzüge erschlossen hat. Die Ballerinaschuhe dagegen irritieren und lassen sich für diesen Zeitraum in den Kostümbüchern auch nicht finden. Bild Nr. 34 Das Bild ist am Berliner Kurfürstendamm aufgenommen worden und zeigt im Vordergrund zwei junge Frauen mit figurbetontem Kostüm (siehe Anhang Abbildung 21). Eine der Frauen trägt die Haare kurz bzw. am Hinterkopf zusammengefasst. Das Haar ist oben am Hinterkopf sehr füllig, eventuell toupiert. Der Blazer ist mit stilisierten Blumen gemustert und der Rock bzw. das Kleid endet über dem Knie und lässt dieses frei. Sie trägt zum Kostüm einen weißen Schal, Handschuhe und eine Sonnenbrille. Die Frau neben ihr hat die Sonnenbrille in ihre offenen, schulterlangen Haare geschoben. Ihr weißes Kostüm besteht aus einem schmalem, knielangen Rock und einer Jacke mit dicken Knöpfen. Dazu trägt sie schwarze Handschuhe und schwarze, spitz zulaufende Pumps. 140 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 429. 103 III Kostümgeschichte und Mode Im Hintergrund ist eine Frau mit einem ausgestellten Oberteil, dass die Taille umspielt zu sehen. Ihr Rock ist ebenfalls kniekurz und ihre Frisur oder ihr Hut ist sehr hoch. Analyse Publikation Seite Beschreibung/ Anhaltspunkt Übereinstimmung Zeitraum mit Foto 133141 teilweise trapezförmig oder ausgestellte Oberteile ja 1950-1960 140141 Rocksaum bedeckt das Knie nein vor 1960 Rocksaum endet über dem Knie ja 1960-1965 163165 ausschließlich Minimode nein 1965-1970 301302 Linienvielfalt mit taillenbetonenden und taillenumspielenden Silhouetten ja 1955-1957 trapezförmiger Schnitt ja, teilweise 1958 Röcke kniebedeckend nein vor 1960 dicke, steif fallende Stoffe ja, teilweise Abbildungen große, dicke Knöpfe an Kostümjacken ja keine Handschuhe mehr nein Die Mode des 20. Jahrhunderts 156157 Formengeschichte europäischer Kleidung 302304 305306 Geschichte des Kostüms Reclams Modeund Kostümlexikon Rockverkürzung über das Knie ja bis zur Minimode Abbildungen hohe Hüte 438 338339 333 1960-1969 ab 1960 ab 1963 ja 1960-1962 Abbildungen keine Kragen an Kostümjacken zu sehen nein Kragen Reverskragen ja 1950-1957 breite oder keine Kragen nein 1957-1969 Kostüm Röcke kniebedeckend nein vor 1958 104 III Kostümgeschichte und Mode Datierung Die herausgestellten Datierungshinweise deuten hauptsächlich auf den Zeitraum 1958 bis um 1963 hin. Wegen der teilweise widersprüchlichen Angaben wird der Datierungszeitraum ein paar Jahre erweitert und mit 1957 – 1965 angegeben, um eine größere Treffsicherheit zu erzielen. Auswertung Das Bild ist von 1966 und damit ein Jahr später entstanden als angenommen. Der ausgestellte, figurumspielende Schnitt des Oberteils der Frau im Hintergrund und die Handschuhe weisen nach den Angaben in den Kostümbüchern dagegen auf einen früheren Zeitraum hin. Bild Nr. 35 Das Foto zeigt drei Frauen, die seitlich und mit dem Rücken zum Fotografen stehen (siehe Anhang Abbildung 22). Sie befinden sich vermutlich auf einer Freizeitveranstaltung. Eine der Frauen trägt ein sehr knappes Minikleid mit flachen, weißen Stiefeln und langen, offenen Haaren. Das Minikleid ist ein eindeutiger Hinweis auf die zweite Hälfte der 1960er Jahre. Die anderen beiden Frauen tragen kurzgeschnittenes Haar. Eine von ihnen trägt eine auffallend gemusterte und vermutlich sehr bunte Hose. Analyse Nach dem Mode- und Kostümlexikon hat sich der Minirock 1963/64 bei der Jugend durchgesetzt. Ihren Höhepunkt hatte die Minimode 1967 – 69.141 Das Kleid auf dem Foto ist sehr kurz und bedeckt knapp das Gesäß, was den Zeitraum der Datierung auf den Höhepunkt der Minimode weiter einschränkt. Die langen, glatten Haare, die nicht toupiert sind, weisen auf die Hippie-Mode der späten 1960er und Anfang der 1970er Jahre hin.142 Die auffallend gemusterte Hose ist ebenfalls für die Hippie-Mode der späten 1960er Jahre 141 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 372. 142 Siehe: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 433. 105 III Kostümgeschichte und Mode typisch.143 Die andere Frau trägt ein Minikleid zu einer Hose, wie es zu dieser Zeit ebenfalls üblich war.144 Datierung Die Fotografie wird, vor allem durch die Parallelen zur Hippie-Mode auf das Ende der sechziger Jahre 1968 – 1969 datiert. Auswertung Aufgenommen wurde das Bild 1967, also ein Jahr früher. Die Datierung wurde zu stark eingegrenzt. Bild Nr. 36 Auf dem Foto ist eine Frau in Mantel zu sehen (siehe Anhang Abbildung 23). Der Mantel verdeckt die gesamte Kleidung. Details und die Schuhe sind durch dunkle Schatten nicht zu erkennen. Zudem ist die Frau kräftig gebaut, wodurch eventuell die Silhouette der Modelinie nicht gut zu erkennen ist. Der Hut ist sehr schlicht und einfach und weist keine auffallenden Merkmale auf, die es ermöglichen, ihn einer Zeitepoche zuzuordnen. Da auf dem Bild sehr wenig zu erkennen ist, wurde von einem Datierungsversuch abgesehen. Das Foto ist nach den Schätzungen des Landesarchivs um 1940 entstanden. Diese Datierung hätte sich, vor allem auch über den Hut, mit den Kostümbüchern nicht herausstellen lassen. Der schlichte Hut passt nicht zu den ausgefallenen Hutkreationen, die nach den Kostümbüchern um 1940 aktuell waren.145 143 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 270. 144 Siehe: Bönsch, Annemarie: „Formengeschichte europäischer Kleidung“, S. 306. 145 Siehe: Loschek, Ingrid: „Reclams Mode- und Kostümlexikon“, S. 325. 106 III Kostümgeschichte und Mode 4.3 Ergebnisse und Abgleich Die Datierungen wurden teilweise um einen Zeitpunkt festgelegt (um JJJJ) und teilweise durch eine konkrete Zeitspanne eingegrenzt (JJJJ- JJJJ). Dabei sind die Datierungen, die einen unbestimmten Zeitraum um einen Zeitpunkt umfassen, flexibler. Das Landesarchiv Berlin datiert Fotografien mit unbekanntem Entstehungsdatum ebenfalls in der Form 'um JJJJ'. Allerdings ist nicht festgelegt, welche Zeitspanne dabei berücksichtigt wird. Um dennoch die hergeleiteten Datierungen mit denen des Landesarchivs vergleichen zu können, wird ein Toleranzbereich für diese Datierungen festgelegt. Dieser orientiert sich an den Zeiteinteilungen von Annemarie Bönsch und John Peacock, da in den beiden Publikationen die Zeiteinteilungen feiner sind als in den anderen benutzten Hilfsmitteln. Für die Zeit vor 1900 sind die Modeepochen etwas weiter gefasst und werden hauptsächlich im Zehn-Jahres-Abstand betrachtet. Daher wird der Toleranzbereich für Datierungen vor 1900 auf zehn Jahre festgelegt. Nach 1900 wechselt die Mode häufiger und der Betrachtungszeitraum der Kostümbücher erfolgt im Fünf-Jahres-Abstand. Daher wird der Toleranzbereich für Datierungen nach 1900 auf fünf Jahre vor und nach dem angegeben Zeitpunkt festgelegt (siehe Anhang Tabelle 3). Aus den Abweichungen der hergeleiteten Datierungen gegenüber den Datierungen des Landesarchivs Berlin wurde der Durchschnittswert je Jahrzehnt berechnet (siehe Anhang Tabelle 4). Das Ergebnis ist in Abbildung 5 grafisch dargestellt. Die Säulen veranschaulichen die durchschnittliche Abweichung der hergeleiteten Datierung in Jahren. Da zu den einzelnen Jahrzehnten jedoch eine unterschiedliche Anzahl an Fotos zur Verfügung stand und damit auch eine unterschiedliche Anzahl von Datierungen den Mittelwert der Abweichung beeinflussen, ist die Anzahl der untersuchten Fotos in der roten Linie veranschaulicht. 107 Durchschnittliche Abw eichung in Jahren Anzahl der Fotos 50 7 6 40 5 30 4 20 3 2 10 Anzahl der Fotos Durchschnittliche Abweichung in Jahren III Kostümgeschichte und Mode 1 0 0 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 Jahrzehnt Abbildung 6: Grafische Darstellung der Datierungsabweichungen An den Säulen ist zu erkennen, dass die durchschnittlichen Abweichungen vor 1900 am größten sind. Zu den jeweiligen Jahrzehnten lagen jedoch nur wenige Fotografien vor. Besonders deutlich wird dies am Jahrzehnt 1860. Hier ist die Abweichung mit 43 Jahren am höchsten. Es lag jedoch nur eine Fotografie vor, aus der sich der Wert berechnete. Diese Datierung kann ein einmaliges Ereignis sein, aber es fehlen Vergleichsdatierungen, die den Durchschnittswert möglicherweise nach unten korrigiert hätten. Für die Jahrzehnte 1870, 1900 und 1930 ist es genau umgekehrt. Es gibt keine Abweichungen der Datierungen von denen des Landesarchivs Berlin. Allerdings ergibt sich auch hier die durchschnittliche Abweichung aus nur einer Datierung. Es fehlen Vergleichsdatierungen, die den Durchschnittswert möglicherweise nach oben korrigiert hätten. Für die Zeit nach 1900 standen dagegen mehrere Fotografien je Jahrzehnt zur Verfügung. Die Abweichungen werden also im Vergleich dargestellt. Es ist zu sehen, dass die durchschnittliche Abweichung insgesamt sehr gering ist. Dies trifft vor allem auf den Zeitraum 1940 zu. Für 1950 sind die Abweichungen in der Zeit nach 1900 am größten. Optimal wären keine Abweichungen der Datierungen. Da viele Datierungen einen ungenauen Zeitraum umfassen und auch die Möglichkeit besteht, dass die Datierungen des Landesarchivs ebenfalls falsch sein könnten, lässt das Diagramm keine eindeutigen Aussagen zur Treffsicherheit von Datierungen mit Hilfe kostümgeschichtlicher Bücher zu. Die Grafik zeigt nur, dass Fehldatierungen möglich sind, 108 III Kostümgeschichte und Mode aber es kann nicht gesagt werden, dass die Kleidung vor 1900 schwerer zu identifizieren ist, da für diesen Zeitraum Vergleichsmöglichkeiten fehlen. 109 III Kostümgeschichte und Mode 5. Auswertung des Versuches Die Datierungen von Fotografien mit Hilfe der Kostümgeschichte gestaltete sich aufwendiger als erwartet. Im Durchschnitt wurde je Foto eine Stunde benötigt und die Suche nach hilfreichen Hinweisen in den Kostümbüchern war teilweise sehr aufwendig. Durch die vielen verschiedenen modischen Aspekte musste häufig erneut nachgeschlagen werden und es war kaum möglich einige Bilder basierend auf dem bereits erarbeiteten Wissen zu datieren. Die ganze Fülle der modischen Erscheinungen sind für einen Laien in der kurzen Zeit, in der der Versuch durchgeführt wurde, nicht auf Anhieb beherrschbar. Außerdem ist es für einen Nichtfachmann auch nicht möglich abzuschätzen, welche Modeerscheinungen sich stärker durchsetzten als andere und sich möglicherweise auch noch länger hielten, als in den Büchern angegeben. Dadurch können Abwägungen schwerer getroffen werden, wenn sich typische Modebilder verschiedener Epochen mischen. Es kann schneller zu Fehlinterpretationen kommen. Neben diesem eingangs bereits herausgestellten Problem des Auftauchens mehrerer Moden gleichzeitig, wurde bei einigen Bildern deutlich, dass die Übernahmebereitschaft neuer Moden vermutlich auch vom Alter der Personen abhängt. Ein Beispiel dafür ist das Bild Nr. 10, auf dem unterschiedliche Generationen und Modebilder abgebildet sind. Auf diesen Aspekt gehen Kostümbücher und die Theorien zu Modewandel und – ausbreitung jedoch nicht ein. Viele hergeleitete Datierungen weichen von den Angaben des Landesarchivs ab. Die Datierungen des Landesarchivs Berlin sind selbst oft nur ungefähr angegeben und von den Mitarbeitern hergeleitet worden. Sie müssen auch nicht in jedem Fall richtig sein und es ist möglich, dass der Zeitabschnitt, der mit Hilfe der Kostümgeschichte im Rahmen des Versuchs hergeleitet wurde, unter Umständen eher zutrifft. Daneben gibt es aber auch einige Datierungen, die von der Verfasserin eindeutig falsch bestimmt wurden. Die meisten Datierungen wurden in einem zu kleinen bzw. zu frühen Zeitraum angesetzt. Häufig waren auf einem Foto Merkmale aus zwei aufeinander folgenden Zeiträumen zu erkennen. Dabei wurde der Schwerpunkt zu sehr auf den früheren Zeitabschnitt gelegt, da davon ausgegangen wurde, dass die Merkmale, die in den Büchern beschrieben wurden, 110 III Kostümgeschichte und Mode dem Zeitraum ihrer weitesten Verbreitung zugeordnet wurden. Allerdings ist das Gegenteil der Fall und die beschriebenen Modeentwicklungen brauchten noch eine Weile, um sich auch in der breiteren Bevölkerungsmasse durchzusetzen. Es wäre also besser, die Datierung, die sich aus den Kostümbüchern ergibt, etwas in den späteren Zeitpunkt hineinzulegen. Die Kostümbücher datieren die Modeerscheinungen nach ihrer ersten Entstehung in den modeschaffenden Kreisen. Eine zeitliche Zuordnung von Modefotografien und Modezeichnungen wäre daher mit diesen Hilfsmitteln vermutlich einfacher als die Datierung von Fotografien mit dokumentarischem Charakter, die einen Ausschnitt aus der breiten Masse der Bevölkerung abbilden. Verdeutlicht wird dieses Problem vor allem durch den Umstand, dass keine der Fotografien in den Zeitraum um 1870 und 1880 eingeordnet worden ist. Das liegt vor allem daran, dass die Kostümbücher für diesen Zeitraum hauptsächlich die Turnüre und den Cul de Paris behandeln und die idealisierten Modezeichnungen als Bildmaterial vorherrschen. Auch die typischen Frauenfrisuren dieser Zeit waren auf keinem der Bilder erkennbar. Eine signifikante Lücke für die kostümgeschichtliche Darstellung der Zeit des II: Weltkrieges und unmittelbaren Nachkriegszeit weisen „Geschichte des Kostüms“ und „Formengeschichte europäischer Kleidung“ auf. Dies mag darin begründet sein, dass in dieser Zeit die Produktion in der Modeindustrie weitgehend eingestellt wurde.146 Allerdings ist die Kostümgeschichte nicht nur auf Mode beschränkt, wei es oben bereits herausgestellt worden ist. Am häufigsten wurde das Mode- und Kostümlexikon von Ingrid Loschek und die „Formengeschichte europäischer Kleidung“ von Annemarie Bönsch benutzt. Auch die Bildhandbücher von John Peacock konnten teilweise sehr hilfreich sein. Die Zuordnung der verschiedenen europäischen Nationen im ersten Bildhandbuch war für die Analyse nicht weiter ausschlaggebend. Ebenso verhält es sich mit der sachthematischen Unterteilung der Kleidung im zweiten Bildhandbuch, da auf den Fotografien nicht immer eindeutig erkennbar war, ob es sich um eine alltägliche Situation oder einen besonderen Anlass handelte. 146 Vergl.: Thiel, Erika: „Geschichte des Kostüms“, S. 412. 111 III Kostümgeschichte und Mode Die Publikation von Erika Thiel war nur eingeschränkt nutzbar, wobei es hauptsächlich die Zeichnungen und Fotografien waren, die durch einen Wiedererkennungseffekt die Datierung erleichterten. Ansonsten waren die Epochen zu weit eingeteilt und die beschriebenen Modeerscheinungen konnten zeitlich nicht gut voneinander abgegrenzt werden. Die Einteilung der Kapitel im Fünf-Jahres- Rhythmus ist bei Annemarie Bönsch zwar feiner, aber es ist manchmal unklar, ob die Entwicklung ab dem entsprechenden Jahr oder um das Jahr beschrieben wird. Bei der Benutzung der Hilfsmittel wurde auch ein fester Ablauf erprobt. Zuerst sollte die Fotografie mit den Bildhandbüchern von John Peacock als einfache Übersichtsdarstellung grob sortiert werden. Diese Sortierung sollte anschließend mit dem Buch „Formengeschichte europäischer Kleidung“ als Ergänzung zu den Bildhandbüchern und anschließend mit „Geschichte des Kostüms“ und den geschichtlichen Hintergrundinformationen im Epochenüberblick überprüft werden. Spezielle Fragestellungen sollten mit Hilfe von „Reclams Mode- und Kostümlexikon“ untersucht werden. Dieser Ablauf erwies sich jedoch als zu sperrig und aufwendig. Welche der Publikationen vorrangig herangezogen wurde, ergab sich aus den jeweiligen Motiven. Teilweise wurde auch nur eine Publikation für die Datierung verwendet, wie z.B. bei Bild Nr. 1, Bild Nr. 2 und Bild Nr. 4. Das Ergebnis ist auch hier unterschiedlich ausgefallen. Die Datierung von Bild Nr. 1 deckte sich sehr gut mit der Datierungsangabe des Landesarchivs. Bei den anderen beiden Bildern wichen sie jedoch ab. Allerdings wurden hier auch nicht mehrere Aspekte, wie bei Bild Nr. 1 bei der Identifizierung berücksichtigt. Es ist jedoch notwendig, mehrere Aspekte zu vergleichen, wie es z.B. bei Bild Nr. 23 deutlich wird, bei dem zwei weit auseinander liegende Zeiträume für die Datierung in Frage kamen. Hauptsächlich wurden Röcke, Kopfbedeckungen, Ärmel und Frisuren untersucht, während das Make up auf keiner der Fotografien deutlich erkennbar war, so dass es in die Analyse hätte mit einbezogen werden können. Auf schwarz-weiß Bildern lassen sich zudem die Farben schwer rekonstruieren. Neben dem modischen Erscheinungsbild waren weitere Details aus der Umgebung der Personen auf dem Foto, wie z.B. bekannte Gebäude oder Pkw, hilfreich, um dieses einer Epoche zuzuordnen. 112 III Kostümgeschichte und Mode Schwierig zu untersuchen waren Fotos, bei denen die Personen saßen, halb verdeckt waren oder Mäntel trugen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Datierung von Fotografien mit Hilfe kostümgeschichtlicher Bücher für einen Laien nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist. Neben den bereits beschriebenen Problemen konnte die Entstehung einer Fotografie auch nicht auf einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren eingegrenzt werden. Die kürzesten möglichen Intervalle waren fünf Jahre. 113 IV Schlussbetrachtung IV Schlussbetrachtung Die Identifizierung der Verfahren war einfacher als die Datierung über die Kleidungsstücke. Es gibt insgesamt nur eine begrenzte Anzahl von Verfahren, die sich nach der Identifizierung des Trägermaterials als ersten Schritt bereits voneinander abgrenzten. Die Kleidung und Mode dagegen ist vielfältiger und komplexer. Es müssen viel mehr einzelne Details untersucht werden. Dafür ist die Datierung über das Modebild zeitlich genauer möglich als über die Verfahren, die teilweise über einen Zeitraum von über hundert Jahren angewendet wurden und noch angewendet werden. In den Versuchshypothesen wurde formuliert, dass es vor allem für einen Laien schwierig ist, Fotografien mit fotohistorischen und kostümgeschichtlichen Methoden zu datieren. Diese Annahme wurde in beiden Experimenten bestätigt. Für die Identifizierung der Verfahren fehlte vor allem Spezialwerkzeug. Für die kostümgeschichtliche Analyse muss eine große Vielfalt von Aspekten und Details beachtet werden. Ein Laie hat entweder keinen Blick für Feinheiten und ausschlaggebende Besonderheiten oder er ist mit deren Vielzahl überfordert. Resümierend lässt sich sagen, dass sich keine der untersuchten Herangehensweisen für die Datierung von Fotografien als besonders gut geeignet herausgestellt hat, wenn sie für sich alleine steht. Über die Identifizierung der Verfahren lässt sich nur ein sehr weiter Datierungszeitraum herleiten und eine kostümgeschichtliche Analyse ist zu aufwendig und manchmal nicht eindeutig möglich. In Ergänzung mit weiteren Datierungsmöglichkeiten können sie aber eine hilfreiche Unterstützung sein. 114 V Anhang Abbildung 7 Abbildung 8 cxv Abbildung 9 Abbildung 10 cxvi Abbildung 11 Abbildung 12 cxvii Abbildung 13 cxviii Abbildung 14 cxix Abbildung 15 cxx Abbildung 16 Abbildung 17 cxxi Abbildung 18 Abbildung 19 cxxii Abbildung 20 cxxiii Abbildung 21 cxxiv Abbildung 22 cxxv Abbildung 23 cxxvi Identifizierungsmerkmale fotografischer Verfahren nach Marjen Schmidt Tabelle 2 Merkmal Gelantinetrocken- Nasses Azetatfilm platte Kollodium(Seite 31/ 56/ (Seite 29/ 101) verfahren 102) (Seite 28/ 101) Polyesterfilm (Seite 31/ 56/ 102) Farbton neutralgrau cremefarben weiß, gelblich Silberbild schwarz Silberbild schwarz Oberfläche matt glänzend häufig lackiert halbmatt halbmatt Rückseite glänzend glänzend glänzend glänzend Trägermaterial dünnes Glas, glatte Kanten dickes Glas, unregelmäßig geschnittene Kanten Film Film hellgrau, farblos hellgrau, farblos Standardformate 9x12 cm 12x16,5 cm 13x18 cm 18x24 cm keine 2.4 x 3,6 cm 4,5 x 6 cm 6 x 6 cm 6 x 7 cm 6 x 9 cm 9 x 12 cm 10,1 x 12,7 cm 13 x 18 cm 18 x 24 cm 20,32 x 25,4 cm 24 x 30 cm 2.4 x 3,6 cm 4,5 x 6 cm 6 x 6 cm 6 x 7 cm 6 x 9 cm 9 x 12 cm 10,1 x 12,7 cm 13 x 18 cm 18 x 24 cm 20,32 x 25,4 cm 24 x 30 cm Weitere Merkmale Retuschen mit rotem Lack oder matten, transparente Lack und Bleistift Ecken nicht vollständig ausgegossen eventueller Randaufdruck: Safety oder Safetyfilm, eventueller Geruch von Essigsäure eventueller Randaufdruck: Estar cxxvii Übersichtstabelle zu den Datierungen und ihren Abweichungen Tabelle 3 Bild Datierung aus Versuch Datierung des Landesarchivs 1 um 1850 1844 0 2 um 1850 um 1870 0 3 um 1850 1885 25 4 1856 – 1865 1849 7 5 1860 – 1865 um 1890 15 6 um 1860 um 1890 10 7 1890 – 1895 1898 3 8 um 1905 um 1925 10 9 um 1910 1862 43 10 1900 – 1910 um 1915 0 11 1900 – 1910 1913 3 12 1900 – 1910 um 1900 0 13 1900 – 1910 um 1910 0 14 1905 – 1910 um 1910 0 15 1914 – 1919 um 1915 0 16 1915 – 1920 um 1925 0 17 1920 – 1925 um 1925 0 18 1926 – 1929 um 1924 0 19 1928 – 1933 um 1925 0 20 um 1930 1921 4 21 um 1935 – 1940 1950 10 22 1935 – 1940 1937 0 23 1938 – 1940 1915 23 24 um 1940 1953 8 25 um 1940 1940 0 26 1940 – 1945 1946 1 27 1940 – 1945 1945 0 28 1945 – 1946 1945 0 147 unter Berücksichtigung des Toleranzbereiches cxxviii Zeitunterschied in Jahren147 Bild Datierung aus Versuch Datierung des Zeitunterschied in Jahren Landesarchivs 29 1945 – 1950 1956 6 30 1945 – 1950 1957 7 31 um 1950 1954 0 32 ab 1950 1964 0 33 um 1960 1967 2 34 1957 – 1965 1966 1 35 1968 – 1969 1967 1 36 Nicht datiert um 1940 Berechnungstabelle der durchschnittlichen Abweichung je Jahrzehnt Tabelle 4 Jahrzehnt Durchschnittliche Abweichung in Jahren Abweichung in Jahren 1840 3,5 1850 0 0 1860 43 4 3 1870 0 0 1880 25 2 5 1890 9,33 1900 0 1910 4,33 0 3 0 0 0 1920 2,33 1 0 0 0 0 4 0 1930 0 1940 0,25 0 1 0 0 1950 6,2 1 8 6 7 0 0 1960 1 0 7 1 1 3 5 0 0 0 0 2 1 1 cxxix 2 3 1. 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Abbildungsnachweis Abbildung 1: Ordnung der Versuchsobjekte nach Farbton eigene Darstellung....................................................................................................22 Abbildung 2: Rückseite der Glasplatte vom Landesarchiv kassiert.......................................................................................29 Abbildung 3: Oberfläche mit ablösender Emulsionsschicht vom Landesarchiv kassiert.......................................................................................31 Abbildung 4: Rückseite mit Trägermaterial vom Landesarchiv kassiert.......................................................................................31 Abbildung 5: Grafik zur Vedeutlichung des Überschneidens und gleichzeitigen Auftretens mehrerer Moden nach der Trickle-Down-Theorie aus: „Modewandel und Gesellschaft“, Thomas Schnierer.......................................45 Abbildung 6: Grafische Darstellung der Datierungsabweichungen eigene Darstellung..................................................................................................107 Abbildung 7: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 75081......................................cxv Abbildung 8: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 331233....................................cxv Abbildung 9: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 120097...................................cxvi Abbildung 10: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 348262...................................cxvi Abbildung 11: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 316942.................................cxvii Abbildung 12: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 294466.................................cxvii Abbildung 13: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 348272................................cxviii Abbildung 14: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 363921...................................cxix Abbildung 15: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 297771....................................cxx Abbildung 16: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 363923...................................cxxi Abbildung 17: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 260670...................................cxxi Abbildung 18: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 49480...................................cxxii Abbildung 19: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 367973.................................cxxii Abbildung 20: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 98646..................................cxxiii cxxxiv Abbildung 21: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 111730.................................cxxiv Abbildung 22: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 124402..................................cxxv Abbildung 23: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Bestellnummer: 309041...............................cxxvi cxxxv