Solution Selling für KMUs - Marketing Center Münster
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Solution Selling für KMUs - Marketing Center Münster
Projektbericht Nr. 4 Westfälische Wilhelms-Universität Münster Dieter Ahlert (Hrsg.): Solution Selling für KMUs Dieter Ahlert Julian Kawohl Carsten Schulze-Bentrop ISSN 1866-4970 ISSN 1863-6438 Transolve (Die Transformation von Produzent und Händler zum Solution-Anbieter) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsvorhabens " Integration von Produkt und Dienstleistung " gefördert (Förderkennzeichen 01FD0679) und vom Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) betreut. Die Mitglieder des Projektteams danken für die großzügige Unterstützung ihrer Forschungs- und Transferarbeiten. Münster 2008 Alle Rechte vorbehalten. Der vorliegende Projektbericht entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „Transolve (Transformation von Produzent und Händler zum Solution-Anbieter)“. Das grundlegende Ziel des Vorhabens TRANSOLVE ist die Erarbeitung eines Konzeptes zur Gestaltung des Transformationsprozesses, welcher es Produzenten („Product Seller“) oder Händlern („Traditional Retailer“) erlaubt, sich langfristig als Lösungsanbieter („Solution Seller“) aufzustellen und zu positionieren. Dieses Hauptziel kann in drei grundlegende Zielsetzungen aufgespaltet werden: Erstens geht es darum zu ergründen, welche Erfordernisse an einen Solution Seller im Unterschied zu einem reinen Product Seller gestellt werden. Auf Grundlage dieser Forschung lassen sich Soll-Konzepte für Lösungsanbieter entwickeln. Darauf aufbauend ist zweitens zu untersuchen, wie die Transformation vom momentanen (defizitären) Ist-Zustand der Unternehmen zum angestrebten Soll-Zustand eines exzellenten Solution Sellers gelingen kann. Drittens stellt sich die Herausforderung an das interne und externe Marketing – insbesondere das Markenmanagement –, die neue Vermarktungsstrategie zu vermitteln. Im Folgenden sollen die Unterziele kurz beschrieben werden. In einem ersten Schritt gilt es, die Erfordernisse, die an einen „Solution Seller“ gestellt werden, heraus zu arbeiten. Auf Grundlage dieser Forschung lassen sich SollKonzepte für Lösungsanbieter entwickeln. Zentrale, in diesem Zusammenhang zu klärende Fragen sind: Was kennzeichnet das Markenmanagement eines erfolgreichen Lösungsherstellers, was ein erfolgreiches Kundenmanagement und was eine erfolgreiche Kommunikationspolitik? Gibt es ein spezielles Serviceklima für Lösungsanbieter? Hat die Erfordernis der Kundenorientierung für den Lösungsanbieter noch weiter reichende Konsequenzen? Ein weiterer Managementbereich, der hier zu betrachten ist, liegt im Netzwerkmanagement. Erfolgreicher Lösungsanbieter kann nur werden, wer nicht nur die eigenen Aktivitäten, sondern auch die der Zulieferer und Partner auf den Erfolg des am Ende der Kette stehenden Kunden ausgerichtet hat. Offene Forschungsfelder im Bereich des Netzwerkmanagements sind insbesondere die Fragen der Konfiguration und Steuerung des Netzwerkes sowie des abgestimmten (Netzwerk-)Marketings und das (integrierte) Zufriedenheitsmanagement im Netzwerk. Zweitens ist darauf aufbauend zu untersuchen, wie die Transformation vom momentanen (defizitären) Ist-Zustand der Unternehmen zum angestrebten Soll-Zustand eines exzellenten Solution Sellers gelingen kann. Gerade weil in Deutschland immer noch sehr viele, insbesondere mittelständische Unternehmen, mit einem Produktfokus am Markt relativ erfolgreich sind, dürfte es besonders schwierig sein, die Mitarbeiter von einer stärkeren Ausrichtung auf einen langfristig viel versprechenden Lösungsfokus zu überzeugen. Hier sind insbesondere Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen zu konzipieren und zu erproben, welche den Übergang zum Lösungsanbieter einleiten bzw. unterstützen. Sowohl die Soll-Konzeption als auch die zur Erreichung derselben entwickelten Transformationsprozesse sind im Verlaufe des Projektes kontinuierlich zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten. Insbesondere stehen hier die Ableitung von verallgemeinerbaren Handlungsempfehlungen sowie die weitere Verwertung in Forschung und Praxis (z. B. durch Leitfäden) im Vordergrund. Drittens stellt sich die Herausforderung an das interne und externe Marketing, die neue Vermarktungsstrategie an die entsprechenden Adressaten zu vermitteln. Im Rahmen des Projektes soll die Markenstrategie der Praxispartner dem neuen Selbstbild angepasst werden. Hierzu sollen Best Practice-Beispiele von SolutionAnbietern aus dem B2C-Markt als Vorbilder herangezogen werden. Durch kontinuierliches Tracking der Markenwahrnehmung soll der Veränderungsprozess überwacht und gegebenenfalls angepasst werden. Aus der theoretischen Konzeption und den praktischen Erfahrungen leiten sich konkrete Strategien für das Markenmanagement von Solution-Anbietern ab. Die Zielsetzung des vorliegenden Projektberichts ist die Darstellung der Umsetzung des Solution Sellings bei Klein- und Mittelstandsunternehmen (KMUs). Der hier ausgearbeitete Grundlagenbericht fokussiert damit auf das Handlungsfeld 1, im Rahmen dessen Soll-Konzepte für Lösungsanbieter zu analysieren sind sowie auf das Handlungsfeld 2, indem konkrete Hilfestellungen für den Transformationsprozess zum Solution Seller dargestellt werden sollen. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................. I Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ II Abbildungsverzeichnis ........................................................................ III Tabellenverzeichnis ............................................................................. IV 1 Solution Selling: Eine Chance für den Mittelstand? ....................... 1 2 Begriffsbestimmung und Untersuchungsgegenstand ................... 3 2.1 Herkunft und Definition des Solution Selling ....................................................3 2.2 Definition und Relevanz des Mittelstandes ......................................................4 3 Anlage der empirischen Untersuchung ........................................... 8 3.1 Konzeptionelle Grundlagen .............................................................................8 3.1.1 Aufbau des Fragebogens .......................................................................8 3.1.2 Struktur der Datenbasis .......................................................................10 3.2 Methodische Grundlagen...............................................................................12 4 Empirische Ergebnisse.................................................................... 14 4.1 Dienstleistungen als Komponente einer Lösung bei KMU .............................14 4.2 Erfolgsfaktoren des Solution Selling bei KMU ...............................................17 4.3 Stand und Entwicklungen im Solution Selling ................................................21 4.3.1 Selbstwahrnehmung als Lösungsanbieter ...........................................21 4.3.2 Zukünftige Entwicklung des Solution Selling in KMU ...........................22 4.4 Potenzial der Unternehmensgröße ................................................................23 4.5 Eignung des Solution Selling zur Wettbewerbsdifferenzierung......................24 4.6 Die vier Phasen des Solution Selling in KMU ................................................25 5 Best Practices von KMU .................................................................. 28 5.1 Best Practice Kurzbeispiele von KMU ...........................................................28 5.2 Fallbeispiel cove & co. ...................................................................................35 6 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 40 Literaturverzeichnis ............................................................................ 43 I Abkürzungsverzeichnis Aufl. Auflage bspw. beispielsweise B2C Business-to-Consumer CRM Customer Relationship Management et al. et alii bzw. beziehungsweise f. folgende FATM Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft ff. fortfolgende FTE Full-Time Equivalent Hrsg. Herausgeber IfM Institut für Mittelstandsforschung KMU Kleine und mittlere Unternehmen MSA Measure of Sampling Adequacy No. Number o.V. ohne Verfasserangabe pp. pages S. Seite SPSS Statistical Product and Service Solutions u. a. unter anderem vgl. vergleiche II Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entwicklungsprozess des Solution Selling. ......................................3 Abbildung 2: Aufteilung der KMU nach Größenkategorien..................................11 Abbildung 3: Anzahl der mittelständischen Unternehmen nach der Zahl der FTE-Beschäftigten in Tausend .......................................................12 Abbildung 4: Anzahl der mittelständischen Unternehmen in Tausend nach Branchenzugehörigkeit...................................................................14 Abbildung 5: Angestrebte Entwicklung des Dienstleistungsanteils......................15 Abbildung 6: Dienstleistungsangebot in KMU .....................................................16 Abbildung 7: Potenzial der Unternehmensgröße für den Verkauf von Lösungen .......................................................................................24 Abbildung 8: Präsenz der vier Phasen des Solution Selling in KMU ...................26 Abbildung 9: Der Prozess der industriellen Maßkonfektion bei cove und co. ......37 Abbildung 10: Die Netzwerkakteure im Konzept der industriellen Maßkonfektion ................................................................................39 III Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Definition KMU der EU-Kommission.................................................5 Tabelle 2: Schlüsselzahlen des Mittelstandes in Deutschland ..........................6 Tabelle 3: Korrelationen zwischen den vier Phasen und der Selbsteinstufung als Lösungsanbieter ............................................25 Tabelle 4: Einordnung von Dacapo und Krogmann in die vier Phasen des Solution Selling ..............................................................................31 Tabelle 5: Einordnung von BANG und HOGABO in die vier Phasen des Solution Selling ..............................................................................34 IV „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.” (Aristoteles,384-322 v. Chr.) 1 Solution Selling: Eine Chance für den Mittelstand? Zahlreiche Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass das Forschungsgebiet des Solution Selling wachsende Aufmerksamkeit erfährt. Globalisierung und technischer Fortschritt haben den Wettbewerb verstärkt und eine branchenübergreifende Annäherung von Produkteigenschaften („Commoditization“) generiert (vgl. Belz et al. 1997, S. 15). Diese Entwicklungen führten zu einem erhöhten Preisdruck, dem eine stetig wachsende Zahl von Unternehmen durch Schaffung eines Mehrwerts in Form von Lösungen zu entfliehen versucht (vgl. Sharma, Molloy 1999, S. 1). Neben diesen Gründen nennen Cova und Salle (2007) die Deregulierung der Märkte und die damit verbundene Privatisierung und Liberalisierung, die zunehmende Fokussierung der Unternehmen auf Kernkompetenzen und die Entwicklungen in der Informationstechnologie (IT) als weitere Gründe für das Auftreten des Angebots von integrierten Lösungen (vgl. Cova, Salle 2007, S. 141). Auch aufgrund der wachsenden Ansprüche der Verbraucher und der zunehmenden Tertiärisierung ist es nicht mehr ausreichend, „nur“ Produkte anzubieten (vgl. Ahlert, Evanschitzky 2003, S. 3 ff.). Obwohl der Begriff des Solution Selling erst seit wenigen Jahren in Literatur und Praxis zu finden ist, behaupten laut einer Umfrage bereits 63 % der Fortune 100 Firmen, Solution Seller (Lösungsanbieter) zu sein (vgl. Sharma, Lucier, Molloy 2002, S. 38). Nicht nur diese Untersuchung, sondern auch weitere Studien befassen sich ausschließlich mit der Analyse von Großunternehmen auf dem Gebiet des Solution Selling (vgl. bspw. Kumar 2004; Kurz, Gut 2005; Sharma, Molloy 1999; Windahl et al. 2004). Die Literatur lässt Forschungen zum Solution Selling bei kleinen und mittleren Unternehmen vermissen, obwohl gerade der Mittelstand dem Druck der eingangs beschriebenen Entwicklungen ausgesetzt und auf neue Perspektiven angewiesen ist. Daher ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, die aktuelle Situation nationaler mittelständischer Unternehmen im Hinblick auf das Management von Lösungen zu erfassen. Damit stehen besonders die folgenden Fragen im Mittelpunkt der Untersuchung: 1 1. Worin liegen die Chancen des Solution Selling für mittelständische Unternehmen? 2. Worin liegen die Herausforderungen des Solution Selling für mittelständische Unternehmen? 3. Inwieweit sind die vier Phasen des Solution Selling nach Tuli, Kohli und Bharadwaj bereits in mittelständischen Unternehmen verankert (vgl. zu den vier Phasen des Solution Selling Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 1 ff.)?1 Im nachfolgenden zweiten Kapitel werden zur Beantwortung dieser Fragen zunächst die begrifflichen Grundlagen erläutert. Zudem wird eine Darstellung der aktuellen Situation des Mittelstands skizziert. Das dritte Kapitel befasst sich mit den konzeptionellen, theoretischen und methodischen Grundlagen der Untersuchung. Die Vorstellung der Untersuchungsergebnisse erfolgt in Kapitel vier. Der Projektbericht schließt mit einer Zusammenfassung und Implikationen für weitere Forschung in Kapitel fünf. 1 Die vier Phasen des Solution Selling sind: 1. Bedürfnisse des Kunden ermitteln; 2. Kundenspezifische und ganzheitliche Zusammenstellung von Dienstleistungen und Gütern beim Kunden; 3. Implementierung der erarbeiteten Lösung beim Kunden; 4. Kundenbetreuung nach der Implementierung. 2 2 Begriffsbestimmung und Untersuchungsgegenstand 2.1 Herkunft und Definition des Solution Selling Die eingangs beschriebenen Entwicklungen haben zu den in der folgenden Abbildung veranschaulichten Orientierungen der Praxis geführt, aus denen das Solution Selling wiederum seine eigene Identität erlangt hat (vgl. Cova, Salle 2007, S. 141 f.). Abbildung 1: Entwicklungsprozess des Solution Selling Quelle: Eigene Darstellung. Ein wichtiges Kriterium des Solution Selling ist die wechselseitige Wertschaffung (Co-Creation) zwischen Anbieter und Kunde, welche durch eine enge Interaktion mit dem Kunden erreicht wird (vgl. Bennett, Sharma, Tipping 2001, S. 4; Windahl et al. 2004, S. 220 f.; Vandermerwe 2000, S. 28). Ein weiteres Kriterium ist das Angebot voneinander abhängiger Komponenten. Dieses kombinierte Angebot kann nur durch eine umfassende Integration von Produkten und Dienstleistungen erreicht werden. Es ist dabei von hoher Bedeutung, dass sich die Integration auf der einen Seite und die Wertschaffung auf der anderen Seite nicht widersprechen. Führt die Integration von Produkten und Dienstleistungen zu einer Wertminderung und nicht zu einer Wertsteigerung nach der Formel „1+1=3“, so handelt es sich nicht um den Verkauf einer Lösung. 3 Ausgehend von diesen Merkmalen ergibt sich die folgende Lösungs-Definition (Ahlert, Kawohl 2008): Unter Lösungen werden individuelle Leistungen für komplexe Kundenprobleme verstanden, die interaktiv konzipiert werden und deren Komponenten einen integrativen Mehrwert bieten. 2.2 Definition und Relevanz des Mittelstandes Wenn in der bisherigen Literatur unternehmerische Beispiele für Solution Seller aufgezeigt werden bzw. die Wandlung zum Solution Seller analysiert wird, handelt es sich nahezu ausnahmslos um Großunternehmen (vgl. bspw. Kumar 2004; Kurz, Gut 2005; Sharma, Molloy 1999; Windahl et al. 2004). Wie jedoch sehen die Chancen und Herausforderungen des Solution Selling für kleine und mittlere Unternehmen aus? Die vorliegende Arbeit versucht eine Antwort auf diese Frage zu geben. Die hohe Bedeutung des Mittelstands für die Volkswirtschaft wird von verschiedensten Institutionen und hochrangigen Politikern immer wieder betont. Dennoch existiert keine allgemein anerkannte Definition (vgl. Wallau 2005, S. 2). In der Regel werden unter dem Begriff des Mittelstands so genannte kleinere und mittlere Unternehmen verstanden. Die Einteilung erfolgt nach quantitativen Kriterien wie Mitarbeiterzahl, Umsatz und Bilanzsumme, wobei von unterschiedlichen Quellen die verschiedenen Grenzen zugrunde gelegt werden.2 Daher ist Mittelstand nicht gleich Mittelstand, es ist bei einer Analyse stets die zugrunde liegende Definition zu beachten. In dieser Studie wird, wenn nicht anders erläutert, die Definition der EU-Kommission verwendet. Die Grenzen dieser Definition finden sich in der folgenden Tabelle. 2 Für eine ausführliche Diskussion des Mittelstandbegriffs, die auch eine qualitative Abgrenzung beinhaltet und darüber hinaus verschiedene quantitative Grenzen gegenüberstellt vgl. Hausch 2004, S. 12 ff; Pfohl 1997, S. 1 ff. 4 Unternehmenskategorie Zahl der Mitarbeiter Umsatz Bilanzsumme Mittelgroß < 250 und ≤ € 50 Millionen oder ≤ € 43 Millionen Klein < 50 und ≤ € 10 Millionen oder ≤ € 10 Millionen Mikro <10 und ≤ € 2 Millionen oder ≤ € 2 Millionen Tabelle 1: Quelle: Definition KMU der EU-Kommission o.V. 2008a. Zudem wird eine weitgehende Unabhängigkeit der Unternehmen verlangt: Unternehmen, die zu Unternehmensgruppen gehören, zählen nicht zu den KMU. Entsprechend der Kommissionsempfehlung bedeutet Unabhängigkeit, dass kein anderes Unternehmen einen Anteil von mehr als 25 % des betreffenden Unternehmens besitzen darf. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Schlüsselzahlen des Mittelstands in Deutschland. 5 Schlüsselzahlen Deutschland Selbständige 2007 - Anzahl der Selbständigen - Selbständigenquote3 4.451.000 1,2 % Unternehmensbestand 20074 insgesamt darunter - Umsatzsteuerpflichtige Unternehmen 2006 3.590.000 3.099.493 - Handwerksbetriebe (31.12.2007)5 961.732 - Freie Berufe (01.01.2007) 954.000 Beschäftigte/Auszubildende in KMU6 - Beschäftigte 2007 (in Unternehmen, einschl. Auszubildende und tätige Inhaber) - Auszubildende in Betrieben (31.12.2007) 20.700.000 1.420.000 Anteil der Familienunternehmen an - Unternehmen7 - Umsatz - Beschäftigung 95,1 % 41,5 % 57,3 % Anteil der KMU an - Unternehmen (2007)8 - Umsatz (2006) - Beschäftigung (2006)9 - Ausbildung (in Betrieben) (2006) - Nettowertschöpfung der Unternehmen (2007)10 99,7 % 38,3 % 70,6 % 83 % 47,2 % Tabelle 2: Quelle: Schlüsselzahlen des Mittelstandes in Deutschland11 o.V. 2008b (Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn, 08/2008). 3 Selbständigenquote = Anteil der Selbständigen an den Erwerbstätigen in %. Schätzung des IfM Bonn. Nur Unternehmen mit mehr als 17.500 € steuerpflichtigem Jahresumsatz oder mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. 5 Rundungsdifferenzen möglich. 6 Ohne öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung. 7 Schätzung des IfM Bonn. 8 Nach Umsatzgrößenklassen (Besteuerungsgrenze in der Umsatzsteuerstatistik seit 2003: 17.500 €). 9 Nach Beschäftigungsgrößenklassen. 10 Dieser Anteilswert ist mit früheren Angaben nicht mehr vergleichbar, da zahlreiche privatisierte, vormals öffentliche Unternehmen nun den Großunternehmen zugeordnet werden. 11 Zusammenfassung durch das IfM Bonn. 4 6 Die Tabelle zeigt, dass 99,7 % aller nationalen Unternehmen dem Mittelstand zuzurechnen sind und diese Unternehmen 70,6 % aller Arbeitnehmer beschäftigen. Sie übernehmen 83 % aller Ausbildungen und tragen zu 47,2 % der Nettowertschöpfung bei. Diese Kennzahlen offenbaren die hohe Relevanz des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft. Somit kommt der Untersuchung von Perspektiven für KMU eine besondere Bedeutung zu. Inwieweit Solution Selling als Chance begriffen werden kann und welche Herausforderungen damit einhergehen, zeigen die Ergebnisse dieser Untersuchung in Kapitel vier. 7 3 Anlage der empirischen Untersuchung 3.1 Konzeptionelle Grundlagen 3.1.1 Aufbau des Fragebogens Als Instrument der quantitativen Forschung wurde eine schriftliche Befragung vorgenommen. Zur Überprüfung des Fragebogens auf Verständlichkeit, Adäquatheit und Suggestibilität, wurden Pre-Tests durchgeführt. Dabei wurde u. a. auch die Zeit gemessen, die die Probanden für die Beantwortung der Fragen benötigten, um den idealen Umfang des Fragenbogens zu ermitteln. Der Fragebogen umfasst 21 inhaltliche Fragen. Dabei kamen sowohl offene als auch geschlossene Fragen zum Einsatz. Die geschlossenen Fragen wurden mit einer 6er-Skala operationalisiert, wobei der Wert 1 der höchsten Zustimmung und der Wert 6 der höchsten Ablehnung entspricht.12 Durch die gerade Anzahl von Skalenpunkten konnte zum einen eine Entscheidung der Befragten in Richtung einer bestimmten Meinung erreicht und zum anderen konnten völlig neutrale Antworten vermieden werden. Darüber hinaus wurden die geschlossenen Fragen als Pflichtfragen definiert, damit die Teilnehmer diese vollständig beantworteten. Die Konzeption des Fragebogens beruht sowohl auf einer eingehenden Literaturrecherche im Vorfeld der Untersuchung als auch auf dem von der Handwerkskammer Münster organisierten Marketingworkshop „Solution Selling Eine Chance für den Mittelstand?“ vom 13.09.2007.13 Bei sämtlichen Fragen und Erläuterungen wurde auf eine leicht verständliche Ausdrucksweise und Formulierung geachtet, da sich die Befragung an Praktiker sämtlicher Bereiche richtete. 12 13 Hier sei für die spätere Analyse darauf hingewiesen, dass es sich um eine intervallskalierte Ratingskala handelt. Organisation durch die Handwerkskammer Münster in Kooperation mit dem BMBFForschungsprojekt TRANSOLVE, dem Lehrstuhl für Distribution und Handel, dem Marketing Centrum Münster, der Universität Münster und dem Lehrstuhl für Dienstleistungs- und Technologiemarketing, Technische Universität München. 8 Um die Befragten keiner Beeinflussung auszusetzen, wurde eine Zweiteilung des Fragebogens vorgenommen. Im ersten Teil des Fragebogens wurde den Befragten das Thema bzw. der Hintergrund der Untersuchung nicht genannt. In der Mitte des Fragebogens wurde ihnen dann eine Definition des Solution Selling zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage beantworteten die Befragten die zweite Fragebogenhälfte. Im ersten Block sollten die Teilnehmer unvoreingenommen geschlossene und offene Fragen zur Ist-Situation ihres Unternehmens beantworten. Dabei wurde ihnen das Thema des Fragebogens nicht mitgeteilt, weil so die Gefahr umgangen wurde, dass sich die Geschäftsführer bei der Beurteilung ihrer derzeitigen Position als Lösungsanbieter darstellten und nicht wahrheitsgemäß antworteten. Zunächst wurden Fragen zum Dienstleistungsangebot gestellt (derzeitiger Dienstleistungsanteil, angestrebte Entwicklung und vorhandene Dienstleistungsarten). Im Anschluss daran wurde überprüft, inwieweit die von Tuli, Kohli und Bharadwaj14 postulierten Phasen des Solution Selling im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit des Mittelstands von Bedeutung sind. Daraufhin präsentierten wir den Teilnehmern die Definition eines Lösungsanbieters.15 Auf dieser Basis wurde die Einstellung der Befragten gegenüber dem Verkauf von Lösungen ermittelt. Hier fragten wir zunächst, ob sich die Befragten den Verkauf von Lösungen vorstellen könnten und wie sich die Nachfrage ihrer Kunden nach Lösungen entwickeln wird. In diesem Zusammenhang wurde auch ermittelt, ob die Teilnehmer glauben, dass sich das Angebot von Lösungen zu einer Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb eignet, und ob sie ihr Unternehmen als Lösungsanbieter einstufen. Neben der Frage nach 14 In dem Beitrag wurden die folgenden vier Prozessphasen identifiziert: Bedürfnisse des Kunden ermitteln (76 %); kundenspezifische und ganzheitliche Zusammenstellung von Dienstleistungen und Gütern (86 %); Implementierung der erarbeiteten Lösung von Dienstleistungen und Gütern beim Kunden (86 %); Kundensupport nach der Implementierung (92 %). Die Prozente in Klammern stellen die Häufigkeit der Nennungen im Rahmen der in der Studie durchgeführten Befragung dar (Vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 9 f.). 15 Verwendete Definition eines Lösungsanbieters: Unter einem „Lösungsanbieter“ oder „Solution Seller“ versteht man ein Unternehmen, das seinen Kunden jeweils kundenspezifisch maßgeschneiderte Lösungen anbietet. Dabei werden sowohl Produkte als auch Dienstleistungen miteinander kombiniert und somit je nach Kundenwunsch individuell angeboten. 9 dem subjektiv empfundenen Erfolg untersuchten wir das Potenzial verschiedener Größenstrukturen von Unternehmen für den Verkauf von Lösungen. Zudem sollten die Befragten Erfolgsfaktoren nennen, die ihrer Meinung nach ausschlaggebend für die Wandlung zu einem Solution Seller sind. Abschließend wurden allgemeine Daten wie Mitarbeiterzahl, Umsatz, Umsatzrendite, Branche und Position des Teilnehmers ermittelt. Die Teilnahme erfolgte über die Online-Plattform „Unipark“ (URL: http://www.unipark.de/uc/mittelstand/) und durch Fragebögen im Microsoft Word-Formular-Format, die via E-Mail zur Verfügung gestellt wurden. Zur Gestaltung des Online-Fragebogens verwendeten wir die Software Umfragecenter 5.0 von Globalpark. 3.1.2 Struktur der Datenbasis Zur Erfassung der Solutionorientierung des gesamten nationalen Mittelstands wurde ein breiter Querschnitt durch sämtliche Branchen gewählt. Den Fragebogen beantworteten sogenannte Schlüsselinformanten. Demnach wurde in jedem Unternehmen der Stichprobe stellvertretend ein Ansprechpartner ausgewählt. Konkret richtete sich die vorliegende Befragung an Geschäftsführer und Personen der Führungsebene der mittelständischen Unternehmen, da diese den besten Überblick über die Ausrichtung ihres Betriebes haben. An der Befragung nahmen 106 Personen teil. Von allen ausgefüllten Fragebögen gingen 97 in die Auswertung ein. Die Differenz von 9 ist in erster Linie dadurch zu erklären, dass die Größenkriterien der in Abschnitt 2.2 vorgestellten Definition des Mittelstands nicht eingehalten wurden. Die 97 ausgewerteten Fragebögen wurden von 77 Geschäftsführern und 20 Führungspersonen der mittelständischen Unternehmen beantwortet. Diese Resonanz spiegelt sich in einer hohen Qualität der Antworten wider. 10 Die Unternehmen, die durch die gerade genannten Schlüsselinformanten vertreten wurden, beschäftigen im Durchschnitt 25 Mitarbeiter und teilen sich wie folgt in die Größenklassen von KMU auf.16 Abbildung 2: Aufteilung der KMU nach Größenkategorien Quelle: Eigene Darstellung. Beim Vergleich dieser Aufteilung der Stichprobe mit der Aufteilung der Grundgesamtheit ist eine relativ gute Repräsentativität zu konstatieren. Die Anzahl der befragten Mikrounternehmen wurde zugunsten der Anteile klein- und mittelgroßer Unternehmen gegenüber dem Gesamtquerschnitt verkleinert, um so auch deren Meinungsbild ausreichend zu erfassen. Eine Übersicht über die Größenstruktur der Grundgesamtheit bietet Abbildung zwei. 16 Vgl. Abschnitt 2.2 zur Abgrenzung der Größenkategorien. Hier wurde eine Einteilung nach der Zahl der FTE-Beschäftigten vollzogen. 11 Abbildung 3: Anzahl der mittelständischen Unternehmen nach der Zahl der FTEBeschäftigten in Tausend Quelle: o.V. 2007. Um diese Stichprobe aus der Grundgesamtheit der deutschen KMU zu gewinnen, standen unterschiedliche Quellen zur Verfügung. Neben privaten Kontakten wurden die Handwerkskammer Münster, Verbände, mittelständische Institutionen und die Online-Business-Plattform „Xing“ zur Akquise der Teilnehmer verwendet. 3.2 Methodische Grundlagen Zur Ermittlung der im anschließenden Kapitel dargestellten empirischen Ergebnisse wurden Vergleiche auf der Basis von Mittelwerten und Häufigkeitsaufzählungen durchgeführt. Zur Beschreibung von Zusammenhängen zwischen einzelnen Variablen führten wir Korrelationsanalysen durch. Aus der Frage nach den Erfolgsfaktoren im Rahmen des Wandels zum Solution Seller ist ein qualitativer Datensatz hervorgegangen. Um aus den Antworten entsprechende Erfolgsfaktoren herauszufiltern, wurde die Frequenzanalyse als Grundtechnik inhaltsanalytischer Verfahren verwendet (vgl. Mayring 2003, S. 13 f.). Die Kategorienbildung erfolgte mittels eines induktiven Vorgehens (vgl. Mayring 2003, S. 74 ff.). Im Einzelnen wurden bei der Ermittlung der Erfolgsfaktoren Aspekte, die wiederholt genannt wurden, zu Gruppen zusam- 12 mengefasst und anhand der Anzahl der Nennungen in eine Reihenfolge gebracht. Im Rahmen der quantitativen Analyse setzten wir das Programmpaket SPSS Version 14.0 ein. Die Ergebnisse der Untersuchung finden sich im folgenden Kapitel vier. 13 4 Empirische Ergebnisse 4.1 Dienstleistungen als Komponente einer Lösung bei KMU Der Gesamtumsatz der befragten Unternehmen der Stichprobe wird zu drei Viertel durch Dienstleistungen und zu einem Viertel durch Sachgüter erwirtschaftet. Dies entspricht einer sehr guten Abbildung der Grundgesamtheit. Die folgende Abbildung stellt den Dienstleistungsanteil der Grundgesamtheit nationaler mittelständischer Unternehmen dar. Abbildung 4: Anzahl der mittelständischen Branchenzugehörigkeit Quelle: o.V. 2007. Unternehmen in Tausend nach Um mehr über die Entwicklungstendenzen des Verhältnisses zwischen Dienstleistungen und Sachgütern zu erfahren, wurden die KMU befragt, wie hoch der Dienstleistungsanteil in ihrem Betrieb zukünftig ausgestaltet sein soll. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die angestrebte Entwicklung. 14 Abbildung 5: Angestrebte Entwicklung des Dienstleistungsanteils Quelle: Eigene Darstellung. Es ist ersichtlich, dass eine Tendenz zu mehr Dienstleistungen zukünftig zu erwarten ist. Abbildung sechs gibt einen Überblick über die in den mittelständischen Betrieben angebotenen Dienstleistungen. Mit 86,6 % bietet der Großteil der KMU eine Beratung an. Daraus ist zu schließen, dass kompetente Beratung im Rahmen des Lösungskaufs kein Profilierungsmerkmal darstellt, sondern als Pflichtbestandteil angesehen werden muss. Das geht auch aus der Frage hervor, wie der Beratungsbedarf bei den Kunden des Mittelstandes ausgeprägt ist. Über drei Viertel der Befragten gaben an, dass bei ihren Kunden ein hoher Beratungsbedarf besteht.17 Können die Unternehmen diesen Bedarf nicht erfüllen, bestehen für die Kunden ausreichend Ausweichmöglichkeiten, die ihrem Bedürfnis nach Beratung gerecht werden. Diese „pflichtgemäße“ Beratung ist allerdings von einer tiefgreifenden Bedarfsanalyse zu unterscheiden, bei der nicht unbedeutende Kosten anfallen können. Nicht nur bei dieser Bedarfsanalyse, sondern auch bei vielen anderen Dienstleistungen (siehe unten), die Bestandteil einer Lösung sein können, besteht die Herausforderung für Mittelständler darin, Zahlungsbereitschaften abzuschöpfen, damit die Dienstleistung 17 76,3 % der Befragten kreuzten Zustimmungswert 1 (40,2 %) bzw. 2 (36,1 %) an. 15 nicht zwecks Absatzförderung des Kernprodukts „verschenkt“ wird (vgl. Spath, Demuß 2006, S. 464). Abbildung 6: Dienstleistungsangebot in KMU Quelle: Eigene Darstellung. Als weitere verstärkt angebotene Dienstleistungen sind mit jeweils über 40 % sowohl Schulungen als auch Bedarfsanalysen zu nennen. Diese drei Dienstleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie relativ nah am (Kern-)Produkt anzusiedeln sind. Auch zeigt sich hier die Relevanz der ersten Phase des Solution Selling. Neben der unverzichtbaren Beratung nutzen bereits 40,2% der KMU die Bedarfsanalyse zur Erörterung der Kundenbedürfnisse und als Chance für die Analyse latenter Bedürfnisse. Wartung und Instandhaltung, Service-Hotline, Finanzierung und Ersatzteilservice gehören zur nächsten Gruppe von Dienstleistungen, die mit 22,7 % bis 16 16,5 % immer noch relativ stark bei den KMU vertreten sind. Diese gerade genannten Leistungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht so eng mit dem Produkt verbunden sind und eher der Kundenbindung sowie einer fortlaufenden Wertschöpfung nach dem Verkauf des Produkts dienlich sind. Darin spiegelt sich auch die vierte Phase des Solution Selling (After Sales Service) aus (Geschäfts-)Kundensicht wider. Transport, Engineering, Konfiguration und Inbetriebnahme stellen mit 14,4 % bis 10,3 % die nächstgrößere Gruppe von Leistungen dar. Diese Dienstleistungen sind unmittelbar mit der Installation des Produkts verbunden und somit der dritten Phase des Solution Selling zuzuordnen. 4.2 Erfolgsfaktoren des Solution Selling bei KMU Nachdem den Mittelständlern in der Mitte des Fragebogens die Definition für einen Solution Seller genannt wurde, sollten diese im zweiten Block des Fragebogens Erfolgsfaktoren für die Wandlung zu einem Solution Seller nennen. Bei der Analyse der genannten Erfolgsfaktoren hat sich ergeben, dass die Faktoren auch als konstituierende Erfolgsfaktoren eines Lösungsanbieters verstanden werden können und nicht nur Erfolgsfaktoren des strategischen Wandels darstellen. Bewusst wurde nicht die Definition von Tuli, Kohli und Bharadwaj für eine Solution verwendet, um zu überprüfen, inwieweit die Mittelständler Komponenten der vier Phasen als erfolgsrelevant beim Wandel zum Solution Seller einschätzen. Es hat sich herausgestellt, dass weiche Faktoren mit insgesamt 21 Nennungen als Haupterfolgsfaktoren eines Lösungsanbieters verstanden werden. Dabei handelt es sich um Eigenschaften wie Persönlichkeit (4 Nennungen), Vertrauen (4 Nennungen), Ehrlichkeit (4 Nennungen) und Freundlichkeit (3 Nennungen). Aber auch Glaubwürdigkeit, Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Seriösität wurden als Faktoren des Erfolgs eines Lösungsanbieters (im Rahmen der Interaktion mit dem Kunden) identifiziert. Es ist zu vermuten, dass gerade diese weichen Faktoren für mittelständische Unternehmen von großer Bedeutung sind. Denn im Gegensatz zu Großunternehmen besteht hier oftmals noch der persönliche Kontakt zwischen Mitarbeitern und Kunden, der auf eine enge Bin17 dung zwischen beiden Parteien ausgerichtet ist. Durch diese weichen Faktoren kann es dem KMU gelingen, (Personen-)Vertrauen in den Betrieb - zumeist durch den Geschäftsführer verkörpert - aufzubauen und dadurch die angebotene Lösung als Marke zu etablieren, um sich gegenüber dem Wettbewerb zu differenzieren (vgl. Ahlert, Kenning, Schneider 2000, S. 17 ff.; Plötner 1995, S. 37). Diese Ergebnisse gehen auch mit der häufigen Nennung von Customer Relationship Management (CRM) -Komponenten (13 Nennungen) als Erfolgsfaktoren einher. Eine starke Kundenbindung (6 Nennungen), die zu einer langfristigen und wertorientierten Kundenbeziehung führt, wird zusammen mit einer Ausrichtung des gesamten Betriebes auf den Kunden (Kundenorientierung, 5 Nennungen) als erfolgsrelevant angesehen. Durch eine enge Beziehung zum Kunden kann nicht nur der Customer Lifetime Value erhöht werden, darüber hinaus können die Bedürfnisse des Kunden besser antizipiert und so neue Lösungskonzepte schneller offeriert werden (vgl. Davies 2004, S. 733). Wolfrum (2004) nennt in diesem Zusammenhang fünf Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung von Kundenbindungskonzeptionen, die gerade bei einem Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen gegeben sein sollten. Dabei handelt es sich um: flexible überschaubare Organisationsstrukturen (direkte Beziehungen, kurze Entscheidungswege), vielfach damit korrespondierende familiäre und von Selbstverantwortung geprägte Unternehmenskulturen, eine geringe in Veränderungsprozesse einzubeziehende Anzahl von Mitarbeitern, eine ausgeprägte Nähe zum Kunden (persönliche Kundenbeziehung, direkter Kontakt zum Kunden, umfangreiches Wissen über einzelne Kunden) sowie meist recht überschaubare Absatzmärkte (Stamm-)Kunden (vgl. Wolfrum 2004, S. 278 f.). 18 mit relativ wenigen Diese Voraussetzungen des CRM sind zugleich Stärken eines Mittelständlers, die ihn im Vergleich zu Großunternehmen bei der Wandlung zum Solution Seller begünstigen und daher als Chance zu begreifen sind. Ferner sind nach Meinung der Mittelständler Human Resources (15 Nennungen) wesentlicher Bestandteil eines erfolgreichen Solution Sellers. Dieser Oberbegriff teilt sich in qualifizierte und motivierte Mitarbeiter (10 Nennungen) und die Fortbildung der Mitarbeiter (5 Nennungen) auf. Für KMU, die nicht über die finanziellen Ressourcen von Großunternehmen verfügen, sind ihre eigenen Mitarbeiter die Säulen des Erfolgs. Sie übernehmen 82,9 % aller berufsqualifizierenden Ausbildungen (vgl. Abschnitt 2.2). Demnach bilden KMU zumeist ihre eigenen Mitarbeiter aus und legen somit Wert auf eine qualifizierte Ausbildung auf hohem Niveau. Dies spiegelt sich auch in kontinuierlichen Fortbildungen wider. In diesem Zusammenhang ist auch das Anstreben eines hohen Qualitätsstandards durch Qualitätsmanagementmaßnahmen (zusammen 5 Nennungen) zu erwähnen. Eng mit den gerade genannten Aspekten ist der Erfolgsfaktor der Fachkompetenz bzw. des Know-How’s (14 Nennungen) verbunden. Das Angebot einer kundenindividuell maßgeschneiderten Lösung setzt eine hohe fachliche Kompetenz voraus, die auf Erfahrung und einer hochwertigen Ausbildung beruht. Auch ein interner Know-How-Transfer durch Kommunikation, Information und Dokumentation muss durch die mittelständischen Betriebe gefördert und vom Mitarbeiter gefordert werden (vgl. Belz et al. 1997, S. 20). Bei dem nächsten Erfolgsfaktor handelt es sich um das Customizing (13 Nennungen), also um die flexible kundenindividuelle Anpassung der Produkte und Dienstleistungen. Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse des Kunden, auf die die jeweilige Lösung flexibel maßgeschneidert wird. Weiterhin sehen die Befragten ein integriertes Angebot von Komplettlösungen (5 Nennungen), bei denen „alles aus einer Hand“ angeboten werden kann, als wesentlichen Erfolgsfaktor an. Um gewährleisten zu können, dass die vom Kunden nachgefragte und auf seine spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Lösung auch von einem einzigen Unternehmen umgesetzt werden kann, kann 19 es notwendig sein, ein Netzwerk (6 Nennungen) aufzubauen (vgl. Hax, Wilde 1999, S. 13). Dies kann in der Form geschehen, dass der die Lösung anbietende Mittelständler als „Systemkopf“ eines Kompetenznetzwerkes alleinig dem Kunden gegenübertritt (vgl. Ahlert, Kenning 2007, S. 175 ff.). Da KMU oft nicht in der Lage sind, sämtliche Ressourcen, die zur Erstellung der Lösung notwendig sind, bereitzuhalten, besteht eine Chance in der Organisation mittels eines Systemkopfs. Neben der eigenen Produktion von Dienstleistungen und/oder Gütern fungiert der jeweilige Mittelständler als Koordinationsorgan eines Lösungsnetzwerks, welches gemeinsam das Problem des Kunden löst. Die ganzheitliche Beratung in Verbindung mit der (Kunden-)Bedürfnisanalyse (9 Nennungen) ist ein weiterer genannter Erfolgsfaktor. Dieser Aspekt entspricht der ersten Phase von Tuli, Kohli und Bharadwaj’s Definition aus Kundensicht. Mit 9 Nennungen ist dieser Erfolgsfaktor im Vergleich zu anderen Erfolgsfaktoren an sechster Stelle genannt worden. Auch ein After Sales Service (5 Nennungen), welcher die vierte Phase widerspiegelt, wurde als Erfolgsfaktor erwähnt. Als organisationale Erfolgsfaktoren (9 Nennungen) haben sich zum einen eine funktionsübergreifende Organisation mit flachen Hierarchien und zum anderen schnelle und integrierte Prozesse herausgestellt. Bei Zusammenführung dieser beiden Aspekte ist davon auszugehen, dass Lösungen in KMU am erfolgreichsten in Form einer funktionsübergreifenden Prozessorganisation umgesetzt werden. Day (2006) konnte darüber hinaus feststellen, dass Solution Selling die Reorganisation des Unternehmens um bestimmte Kunden bzw. Kundengruppen notwendig macht (vgl. Day 2006). Zwar wurden in der Studie ausschließlich Großunternehmen mit über 500 Mitarbeitern betrachtet. Dennoch scheint dies in einem gewissen Maße ebenso für KMU relevant zu sein. Allein schon die oben genannten Erfolgsfaktoren sind ohne eine entsprechende organisationale Ausrichtung des Betriebs auf den Kunden nicht zu realisieren. Zudem wurde die Innovationsfähigkeit (7 Nennungen) als weiterer Erfolgsfaktor eines Solution Sellers eingestuft. Das Denken in Lösungen ist nicht nur für sich allein genommen schon innovativ, sondern erfordert auch ein hohes Maß an Kreativität und eine ständige Bereitschaft, das aktuelle Konzept zu überden20 ken und an die sich fortlaufend ändernden Kundenbedürfnisse anzupassen (vgl. Windahl et al. 2004, S. 221 ff.). Die werbliche Kommunikation (6 Nennungen) der angebotenen Lösung18, Markttransparenz (5 Nennungen), eine lösungsorientierte Strategie- /Philosophieformulierung (5 Nennungen) und die damit einhergehende, zielgerichtete Definition der Zielgruppe (4 Nennungen) werden als weitere Erfolgsfaktoren aufgefasst. Die oben genannten Befunde reflektieren eine der größten Herausforderungen mittelständischer Betriebe. Die grundlegende Ausrichtung des gesamten Betriebes auf eine kunden- und lösungsorientierte Sichtweise sämtlicher Wertschöpfungsprozesse ist eine fundamentale Voraussetzung für sämtliche der vorstehend genannten Erfolgsfaktoren (vgl. Davies, Brady, Hobday 2006, S. 41: „it is a core strategic business activity[...]”). Die Geschäftsführung stellt in KMU zumeist nicht nur das leitende Organ dar, sondern verkörpert den ganzen Betrieb. Damit dient sie für den Kunden als Bezugsgröße zum Aufbau von Personenvertrauen. Wird die Philosophie der Lösungsorientierung nicht von der Geschäftsführung getragen und vorgelebt, so kann sie auch nicht von den Angestellten verinnerlicht werden und erscheint dem Nachfrager nicht glaubwürdig. 4.3 Stand und Entwicklungen im Solution Selling 4.3.1 Selbstwahrnehmung als Lösungsanbieter Um zu überprüfen, inwieweit sich die Mittelständler selbst als Lösungsanbieter wahrnehmen, wurden sie nach den Vorstellungen der oben genannten Definition diesbezüglich befragt (vgl. Abschnitt 3.1.1.). Mit einem Mittelwert von 2,11 würden sich 74,2 % der Befragten nahezu uneingeschränkt19 als Lösungsanbieter einschätzen. Dies ist ein erstaunlich hoher Wert, der zur Überprüfung mit 18 Vgl. ausführlich zur Relevanz der Kommunikation von (industriellen) Lösungsangeboten: Simao (2006). 19 74,2 % der Befragten kreuzten Zustimmungswert 1 (39,2 %) bzw. 2 (35,1 %) an. 21 Frage sechs20 des Fragebogens verglichen wird. Diese Frage wurde in Anlehnung an die dieser Arbeit zugrunde liegenden Definitionen des Solution Selling und zur Abfrage der zweiten Phase des Solution Selling gestellt. Um eine unabhängige Beantwortung zu erreichen, wurde die Frage vor der Bekanntgabe einer Definition im Mittelteil des Fragebogens gestellt. Sie stellt eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation des Betriebes dar. Auch hier gaben mit einem Mittelwert von 2,24 und einer Zustimmung von 71,1 % über zwei Drittel der Befragten an, dass sie eine kundenspezifische und ganzheitliche Zusammenstellung von Produkten und Dienstleistungen in Form einer Komplettlösung anbieten.21 Darüber hinaus besteht eine Korrelation von 0,52422 zwischen diesen beiden Fragestellungen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass über zwei Drittel der KMU in ihrer Einschätzung richtig liegen und tatsächlich Lösungen nach der oben genannten Definition anbieten. Mit diesen Ergebnissen geht auch die Frage nach der Kenntnis der Begriffe Solution Seller bzw. Lösungsverkäufer einher. Mit einem Mittelwert von 2,19 und einer Zustimmung von 72,2 % ist dem Großteil der KMU einer der beiden Begriffe geläufig.23 4.3.2 Zukünftige Entwicklung des Solution Selling in KMU Um die Entwicklung des Solution Selling zu erschließen, wurden die Vertreter der KMU gefragt, ob sich die Nachfrage ihrer Kunden nach Lösungen in Zukunft verstärken wird oder ob sich eine rückläufige Entwicklung ankündigt. Auch hier zeigt sich der „Trend zur Lösung“. 94 der 97 Befragten glauben, dass sich die Nachfrage ihrer Kunden nach einer Lösung verstärken wird.24 45,4 % der Befragten wählten sogar den Höchstwert von eins und gehen somit von einer sehr starken Zunahme der Nachfrage aus. Da gerade im Mittelstand zumeist eine ausgeprägte Nähe zum Kunden besteht und damit verbunden ein 20 Frage 6): Bieten Sie eine kundenspezifische und ganzheitliche Zusammenstellung von Dienstleistungen und Gütern in Form einer Komplettlösung an? 21 71,1 % der Befragten kreuzten Zustimmungswert 1 (49,5 %) bzw. 2 (21,6 %) an. 22 Die Korrelation ist auf dem 0,01-Level signifikant. 23 Zustimmungswert 1 = 52,6 % und 2 = 19,6 %. 24 Zustimmungswert 1 = 45,4 %; 2 = 29,2 % und 3 = 12,4 %. 22 umfangreiches Wissen über einzelne Kunden (vgl. Abschnitt 4.2 zu den Stärken des Mittelstands), ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer der Befragung über ein gutes Einschätzungsvermögen bezüglich der zukünftigen Entwicklung verfügen. Bei Einteilung der im vorigen Abschnitt erläuterten Wahrnehmung als Solution Seller in die drei Kategorien „Solution Seller“, „Zwischenform bzw. im Wandel befindlich“ und „reiner Produkt bzw. Dienstleistungsanbieter“ stellt sich die Frage, wie sich die Neigung zum zukünftigen Lösungsverkauf innerhalb dieser Gruppen verhält.25 Nur ein Unternehmen von acht, das sich nicht für einen Lösungsanbieter hält, kann sich nicht vorstellen, in Zukunft keine Lösungen zu verkaufen. Nur fünf von 72 Unternehmen, die sich bereits für einen Solution Seller halten, planen in Zukunft den Verkauf von Lösungen zu unterlassen. Es fällt auf, dass 16 von 17 Unternehmen, die sich nicht genau einordnen konnten, beabsichtigen, den Verkauf von Lösungen zukünftig auszubauen. Dieser Befund deutet darauf hin, dass sich diese Unternehmen entweder bereits im Wandel befinden oder ihre Position in Zukunft klarer profilieren wollen. Insgesamt betrachtet lässt sich ein Trend erkennen, dass sich KMU vom reinen Produkt- oder Dienstleistungsgeschäft abwenden. Diese Beobachtung legt die Basis für die folgenden Befunde. 4.4 Potenzial der Unternehmensgröße Abbildung sieben zeigt, dass der Großteil der Mittelständler das Potenzial für den Verkauf von Lösungen in den eigenen Reihen sieht. Lediglich 6,2 % der Mittelständler empfinden KMU als zu klein und sehen ein größeres Erfolgspotenzial bei Großunternehmen. Mit 44,3 % werden Kleinunternehmen am geeignetsten für den Verkauf von Lösungen gehalten. Mit jeweils ca. einem Viertel schätzen sie die Eignung von Mikro- und mittelgroßen Unternehmen etwa gleich ein. 25 Skalenwerte 1 und 2: Solution Seller; Skalenwerte 3 und 4: Zwischenform; Skalenwerte 5 und 6: Reiner Produkt- bzw. Dienstleistungsanbieter. 23 Abbildung 7: Potenzial der Unternehmensgröße für den Verkauf von Lösungen Quelle: Eigene Darstellung. Diese Ergebnisse zeigen, dass die befragten Mittelständler Solution Selling selbst als Chance begreifen und die Potenziale des Lösungsverkaufs nicht trotz, sondern aufgrund ihrer geringen Größe bei sich selbst sehen. 4.5 Eignung des Solution Selling zur Wettbewerbsdifferenzierung Die Relevanz des Lösungsverkaufs im Mittelstand spiegelt sich auch in der Frage wider, ob in dem Verkauf von Lösungen ein Differenzierungsvorteil gegenüber dem Wettbewerb zu sehen ist. 76,3 % der Teilnehmer sehen in dem Angebot von Lösungen einen starken bis sehr starken Wettbewerbsvorteil.26 Bei Betrachtung der Frage, ob sich die Mittelständler vorstellen können, in Zukunft Lösungen anzubieten, besteht bei 74,2% der Befragten eine hohe bis sehr hohe Bereitschaft, langfristig Lösungen zu verkaufen.27 Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die KMU das Potenzial des Solution Selling erkannt haben. Darauf deutet auch der Zusammenhang zwischen der 26 27 Zustimmungswert 1 = 39,2 % und 2 = 37,1 %. Zustimmungswert 1 = 52,6 % und 2 = 21, 6%. 24 Frage nach der Eignung des Solution Selling als Wettbewerbsvorteil und der Beurteilung, wie sich die Nachfrage der eigenen Kunden nach Lösungen entwickeln wird. Hierbei besteht eine signifikante Korrelation von 0,661.28 Wie oben schon beschrieben, können die Mittelständler die zukünftige Entwicklung der Nachfrage gut einschätzen. Diese Korrelation zeigt, dass ein Großteil derjenigen Unternehmen, die davon ausgehen, dass ihre Kunden in Zukunft mehr Lösungen nachfragen, diesen Bedarf auch als Wettbewerbsvorteil erkannt hat. 4.6 Die vier Phasen des Solution Selling in KMU Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den vier von Tuli, Kohli und Bharadwaj identifizierten Phasen des Solution Selling aus (Geschäfts-)Kundensicht (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Tabelle drei zeigt mit Hilfe einer Korrelationsanalyse den Zusammenhang zwischen den Beurteilungen der Mittelständler, inwieweit die vier Phasen des Solution Selling in ihrem Betrieb vorliegen und der Selbstwahrnehmung als Solution Seller. Korrelation Selbsteinstufung als Lösungsanbieter Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 (Kundenbedürfnisanalyse) (Customizing/ Integration) (Implementierung) (Nachsorge) 0,368** 0,524** 0,520** 0,330** ** Die Korrelation ist auf dem 0,01-Level signifikant. Tabelle 3: Quelle: Korrelationen zwischen den vier Phasen und der Selbsteinstufung als Lösungsanbieter Eigene Darstellung. Alle Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant. Das MSAKriterium, das auch als Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium bezeichnet wird, liefert einen Wert von 0,734 für die Korrelation aller fünf Variablen.29 Dies spricht für einen „ziemlich guten“ Zusammenhang der Daten. Bei Betrachtung der MSAWerte der einzelnen Variablen lässt sich feststellen, dass der Wert für die Ein- 28 29 Die Korrelation ist auf dem 0,01-Level signifikant. Kaiser, Meyer und Olkin haben auf Basis der Anti-Image-Korrelationsmatrix eine Prüfgröße entwickelt, die als „measure of sampling adequacy (MSA)“ bezeichnet wird. Das MSAKriterium gibt den Umfang des Zusammenhangs zwischen den korrelierten Variablen in Form einer Beurteilungsskala an. Vgl. Backhaus et al. 2005, S. 276. 25 stufung als Lösungsanbieter mit 0,812 am höchsten ist. Dies zeigt, dass die anderen Variablen (Phasen eins bis vier) diese Variable am stärksten erklären. Darüber hinaus sind sämtliche Variablen positiv korreliert. Mit Korrelationen von 0,524 und 0,520 weisen Phase zwei bzw. Phase drei den größten Zusammenhang mit der Selbsteinstufung als Lösungsanbieter auf. Hier liegt eine mittlere Korrelation vor. Die Phasen eins und vier beinhalten mit Werten von 0,368 und 0,330 eine geringe Korrelation. Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die vier Phasen auch aus Sicht mittelständischer Unternehmer eine nicht unwesentliche Rolle im Rahmen des Lösungsverkaufsprozesses einnehmen. Abbildung 8: Präsenz der vier Phasen des Solution Selling in KMU Quelle: Eigene Darstellung. Abbildung acht stellt die aktuelle Präsenz der vier Phasen des Solution Selling in den KMU dar. Ein Mittelwert von 1,87 bei Phase eins (Bedürfnisanalyse) zeigt, dass besonders diese Phase in mittelständischen Betrieben weit verbreitet ist. Es gibt zum einen Kunden, die sich ihrer Bedürfnisse nicht bewusst sind, und zum anderen Kunden, die zwar wissen, dass sie eine Lösung benötigen, aber nicht genau abschätzen können, in welcher Form diese erfolgen soll. Nutzt ein KMU seine Beratungskapazität vor dem Hintergrund des Solution Selling, so leistet es dem Kunden nicht nur Hilfestellung bei der Analyse seiner offensichtlichen und ihm bereits bekannten Bedürfnisse, sondern trägt darüber hinaus dazu bei, seine latenten Bedürfnisse zu wecken und zu befriedigen (vgl. 26 Azimont, Cova, Salle 1998, S. 117; Cornet et al. 2000, S. 6 f.). Hierin besteht eine Chance, weitere Zahlungsbereitschaften zu erkennen und abzuschöpfen. Der Mittelwert von 2,24 der zweiten Phase (Customizing/Integration) deutet auf eine relativ hohe Lösungsorientierung des Mittelstands hin. Mit Mittelwerten von 2,77 und 2,56 finden die Phasen drei (Implementierung der Lösung beim Kunden vor Ort) und vier (Nachsorge) eine etwas geringere Verbreitung innerhalb der nationalen mittelständischen Betriebe.30 Dennoch zeigen diese Ergebnisse, dass auch innerhalb des Mittelstands eine Orientierung zur Pflege einer lang anhaltenden Kundenbeziehung festzustellen ist. Gerade für KMU besteht ein Differenzierungsvorteil durch die Implementierung der Lösung vor Ort, bei der auch der persönliche Kontakt zum Kunden gepflegt wird. Auch die Betreuung der Kunden nach der Installation der Lösung trägt zu einer Stärkung der Kundenbindung bei. Es ist jedoch darauf zu achten, dass diese Betreuung sowohl für den Kunden als auch für den Anbieter einen Wert schafft. Dies wird dadurch erreicht, dass dem Kunden diese Leistung als besonderer Service offeriert wird. Nur wenn der Kunde diese Leistung nicht als selbstverständlich betrachtet und dafür zu zahlen bereit ist, kann diese Phase zu einer Wertsteigerung der gesamten Lösung beitragen. Diese Beobachtungen gehen auch mit den in Abschnitt 4.2 aufgezeigten Erfolgsfaktoren einher. Im nachfolgenden Kapitel sollen zur praktischen Veranschaulichung der Umsetzung des Solution Selling bei KMU zunächst vier Best Practice-Fälle kurz vorgestellt werden. Anschließend wird ein Fallbeispiel aus dem Textileinzelhandel ausführlich dargestellt, bei dem der Lehrstuhl für BWL, insbes. Distribution und Handel, in vergangenen Forschungsprojekten konzeptionelle Unterstützung geleistet hat. 30 Dass diese beiden Phasen (noch) nicht so verbreitet sind, belegen auch die Ergebnisse aus Abschnitt 4.1, wonach die Komponenten dieser beiden Phasen relativ wenig genannt wurden. Auch die Relevanz und Verbreitung der ersten Phase kann durch die Ergebnisse in Abschnitt 4.1 belegt werden. 27 5 Best Practices von KMU 5.1 Best Practice Kurzbeispiele von KMU Um den Status quo der Solutionorientierung des deutschen Mittelstandes zu untersuchen, kommt der Suche von Best Practice-Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Die hier vorgestellten Beispiele basieren auf einer umfassenden Literaturrecherche, wobei auf eine ausgewogene Mischung aus B2B- und B2B-Cases Rücksicht genommen wurde. So sind zwei der dargestellten Solution Seller als Business to Consumer Unternehmen und zwei Lösungsanbieter als Business to Business Unternehmen zu klassifizieren. Bei dieser Darstellung werden die Unternehmen kurz charakterisiert und eine Zuordnung ihrer Tätigkeiten zu den vier Phasen des Solution Selling vorgenommen. Anschließend wird in Abschnitt 5.2 ein weiteres herausragendes Best Practice-Beispiel aus dem Business to Consumer Bereich ausführlich beleuchtet, um so einen tieferen Einblick in die Tätigkeit eines Lösungsanbieters zu geben. Das dort vorgestellte Fallbeispiel des Textileinzelhändlers cove & co. wurde auf Basis eines durch das BMBF unterstützten - Forschungsprojekts der Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft (FATM) erstellt. Zunächst sollen die beiden Fälle DACAPO® und Krogmann Gebäudetechnik vorgestellt werden, die jeweils Lösungen für Privatkunden anbieten. 1. DACAPO® Holzbau GmbH (vgl. www.carporte.de): Die Dacapo Holzbau GmbH bietet individuell gezimmerte Holzbauten an. Dabei legt sie den Fokus auf den Bau von Carports. DACAPO stellt sich im Sinne eines Solution Sellers auf und offeriert seinen Kunden die gesamten vier Phasen des Solution Selling. Die Erfolgsgeschichte der Firma begann 1998, als der 14-jährige Oliver Enderlein einen Schülerwettbewerb gewann. Ausgezeichnet wurde er für seine Geschäftsidee: Ein Unternehmen, dass Carports baut, die sich der Kunde zuvor individuell im Internet zusammenstellt hat. Seine Idee entstand, nachdem er für 28 das neue Haus seiner Mutter ein Carport konstruiert hatte. Direkt nach dem Wettbewerb gingen über seine Internetseite die ersten Bestellungen ein. Das Geschäftskonzept, dessen Innovation in einem Online-Kalkulator liegt, entwickelt sich seitdem hervorragend. Der Online-Kalkulator dient der Ermittlung der Kundenwünsche. Neben festen Konfigurationsmöglichkeiten können die Kunden individuelle Wünsche angeben, welche bei der Angebotserstellung berücksichtigt werden. Getrieben von dieser Innovation wurde Oliver Enderlein neben anderen Auszeichnungen 2005 Gründer-Champion des Landes Brandenburg und erhielt im gleichen Jahr den Zukunftspreis Ostbrandenburg. Nach der Internet-basierten Bedarfsanalyse fertigt DACAPO mit Hilfe von variablen computergesteuerten Fräsmaschinen die Elemente des Carports individuell und kümmert sich auf Wunsch des Kunden auch um den Aufbau des Carports vor Ort. Dafür beschäftigt DACAPO deutschlandweit eigene Aufbauteams, die über erhebliche Erfahrung im Aufstellen und Installieren von Carporten verfügen. Heute beschäftigt DACAPO 70 Mitarbeiter, kann auf einen Jahresumsatz von 6 Millionen Euro zurückblicken und geht weiterhin von starkem Umsatzwachstum aus, insbesondere durch das Auslandsgeschäft. Neuestes Produkt im Portfolio sind Blitzschutzhäuschen für Golfplätze, welche vom Deutschen Golf Verband empfohlen werden. Auch dabei stellt sich DACAPO als Lösungsanbieter auf und bietet den Golfclubs neben den fertigen Häuschen auch eine Möglichkeit der Finanzierung an. Statt den Kaufpreis zu zahlen, können die Golfvereine einer Nutzung der Häuschen zu Werbezwecken zustimmen. 2. Jürgen Krogmann Gebäudetechnik GmbH (vgl. www.krogmann-gmbh.de): Die Jürgen Krogmann Gebäudetechnik GmbH ist ein Unternehmen der Hannemann Gruppe und auf Handwerksarbeiten im gesamten Bereich der Gebäudetechnik fokussiert. Krogmann bietet neben Sanitär-, Elektro-, Klempner- und Heizungstechnik auch Bedachungen und Gerüstbauarbeiten an. In der Hannemann Gruppe befinden sich neben Krogmann noch die auf Bausanierungen spezialisierte Unternehmung Ebert Bausanierung sowie das Unternehmen Generalbau Bastian. 29 Durch das breite Leistungsangebot und die Zugehörigkeit zur Hannemann Gruppe ist es Krogmann möglich, sich als Lösungsanbieter im Bereich der Gebäudetechnik aufzustellen. So wirbt Krogmann explizit mit dem Verkauf von Lösungen und geht in seinem Internetauftritt auf die einzelnen Phasen des Solution Selling ein. Die Schlagwörter einzelner Phasen des Solution Selling sind in den nachstehenden Kommentaren der Unternehmenshomepage hervorgehoben. „Jedes Bad hat einen anderen Grundriss. Aber für jedes Bad, auch das kleinste, gibt es viele Lösungen. Gemeinsam planen und realisieren wir Ihr Wunschbad mit pfiffigen Ideen und innovativen Produkten!“ „Wir erklären Ihnen bereits vor Ort die unseres Erachtens notwendigen Maßnahmen. Zusätzlich erhalten Sie von uns ein unverbindliches Konzept mit der Beschreibung der Maßnahmen, den Kosten und dem Zeitaufwand.“ „Individuelle Planung und fachgerechte Montage: Wir verkaufen einzigartige Bäder und Spitzenleistung.“ „Service aus einer Hand: Wir informieren, beraten, planen, pflegen, reparieren und bieten einen umfassenden Service in allen Bereichen.“ „Wir koordinieren alle erforderlichen Gewerke, damit Sie nicht hinter jedem Monteur stehen müssen. Ihr Vorteil: Nur ein Ansprechpartner und termingerechte Realisierung.“ „Die regelmäßige Kontrolle der Bausubstanz Ihres Hauses, der Ausstattung und installierten Technik, verbunden mit der fachgerechten Wartung und vorbeugenden Instandhaltung sind der Garant für die Werterhaltung.“ Neben diesen plakativen Beschreibungen der Angebotsoptionen spiegelt sich bei Krogmann die Aufstellung als Lösungsanbieter auch in der Leistungspalette wider. So bietet Krogmann „Haus-Checks“ an, bei denen sowohl die Elektro-, Heizungs- und Sanitärinstallationen als auch die Bausubstanz des Hauses auf Mängel untersucht werden. Diese Checks werden im Vergleich zum Arbeitsaufwand verhältnismäßig günstig angeboten. Durch sie deckt Krogmann die Mängel an Gebäuden auf und kann den Kunden individuelle Lösungen zum Erhalt der Gebäudesubstanz anbieten. Tabelle vier ordnet die Aktivitäten der beiden oben beschriebenen Unternehmen den vier Phasen des Solution Selling zu. 30 Dacapo Holzbau GmbH Jürgen Krogmann Gebäudetechnik GmbH 1. Definition des Kundenbedarfs • Online Kalkulator • Haus-Checks vor Ort • Aufmaß und individuelle Beratung vor Ort • Gemeinsame Planung, Beratung und Konzeptentwicklung vor Ort • Freecall (Kundenhotline) 24/7 • Kalkulation, Angebote • Rückruf-Service • Kundenhotline 2. Das Customizing und die Integration von Gütern und/oder Dienstleistungen • Zusammenstellung des Carports nach den individuellen Kundenwünschen, die durch online Kalkulator und/oder durch persönliche Beratung generiert wurden • Weitere Dienstleistungen: z.B. Übernahme des kompletten Baugenehmigungsverfahrens (der Kunde bekommt unterschriftsfertige Bauunterlagen!) • Zusammenstellung der individuellen Kundenlösung und Koordination der Partner • Alles-unter-einem-Dach: Sanitär-, Heizungs-, Klempner-, Elektround Gebäudetechnik, Bedachung und Gerüstbau • Finanzierung der Modernisierung • Reparaturservice • Finanzierungsservice in Zusammenarbeit mit dem BHW (Finanzierungsrechner auf der Homepage) • SMS- & E-Mail-Service 3. Die Implementierung • Lieferung • Lieferung • Aufbau des Carports vor Ort (Montageservice) • Durchführung sämtlicher Montagearbeiten 4. After Sales Service • Pflegehinweise und laufende Pflege des Carports • Rund-um-die-Uhr Notdienst, 365 Tage im Jahr • Angebot von Erweiterungsmöglichkeiten • Gewährleistung gemäß VOB • Freecall (Kundenhotline) 24/7 Tabelle 4: Quelle: • Online Support • Zusätzliche Angebote rund um das Haus Einordnung von Dacapo und Krogmann in die vier Phasen des Solution Selling Eigene Darstellung. 31 BANG Kransysteme GmbH & Co. KG [3.] und HOGABO Objekt [4.] sind in ihrem Angebot von Lösungen auf Geschäftskunden ausgerichtet und werden im Anschluss kurz charakterisiert. 3. BANG Kransysteme GmbH & Co. KG (vgl. www.bang-kransysteme.de): Die BANG Kransysteme GmbH & Co. KG bietet Lösungen im Bereich fördertechnischer Aufgaben sowie maßgeschneiderte Sportflugzeughangars an. Dabei beschäftigt BANG ca. 85 Mitarbeiter und ist ein vertikal vollständig integriertes Unternehmen. Im Bereich der stationären Hebefahrzeuge erstreckt sich das Leistungsspektrum von BANG über Krananlagen für alle Industriezweige, wie zum Beispiel die Automobilindustrie oder die Nuklearindustrie. Die Serviceleistungen umfassen die komplette Betreuung von Krananlagen, von der Projektierung bis zur Sachverständigenabnahme und darüber hinaus Service- und Wartungsleistungen. Im Geschäftsbereich der Sportflugzeughangars produziert BANG die Hangars individuell mit Hilfe eines Baukastensystems. Dabei übernimmt BANG auf Wunsch das komplette Projektmanagement und übergibt die Hangars schlüsselfertig an den Kunden. BANG offeriert seinen Kunden sowohl im Bereich des Kranbaus als auch im Bereich des Hangarbaus die kompletten vier Phasen des Solution Selling. Dabei arbeitet BANG mit einem Netzwerk der verschiedensten Partner zusammen. Unter anderem kooperiert das Unternehmen mit Ingenieuren (Ingenieurbüro Fichtner), Technologieunternehmen (Midroc) und Universitäten (Professur für Fördertechnik der TU Chemnitz). 4. HOGABO Objekt (vgl. www.der-kompletteinrichter.com): Das Unternehmen HOGABO Objekt stellt sich als Lösungsanbieter für Unternehmen aus dem Gastgewerbe auf. Dabei umfasst das Leistungsangebot zum Beispiel Hotelzimmereinrichtungen, Rezeptionsbereiche und Hotelbadezimmer sowie deren Sanierung. 32 Auch das Leistungsangebot der HOGABO Objekt umfasst die kompletten vier Phasen des Solution Selling. So entwickelt HOGABO mit Hilfe der Computerplanung maßgeschneiderte Hoteleinrichtungen für Um- und Neubauten. Der Kunde kann sowohl Produkte aus dem Standardprogramm wählen, aber auch individuell nach seinen Vorgaben Möbel fertigen lassen. Dabei kümmert sich HOGABO nicht nur um die mobiliäre Einrichtung, sondern auch um Bodenbeläge und Gästezimmerzubehör, wie zum Beispiel Bettwäsche. In der anschließenden Übersicht in Tabelle fünf wird eine Einteilung der Tätigkeiten der Solution Seller BANG Kransysteme GmbH & Co. KG und HOGABO Objekt in die vier Phasen des Solution Selling vorgenommen. 33 BANG Kransysteme HOGABO Objekt GmbH & Co. KG 1. Definition des Kundenbedarfs • Entwickler arbeiten eng mit dem Kunden zusammen • Gemeinsame Pläne und Konzepte für Haus und Gäste • Betreuung von der Konzeptfindung bis zur Inbetriebnahme • Computerplanung für Umbau und Neueinrichtung 2. Das Customizing und die Integration von Gütern und/oder Dienstleistungen • Individuelle Entwicklung, Konzeption und Fertigung von maßgeschneiderten Sonderkrananlagen • Kranbahnsanierung • Durchführung und Prüfung gemäß BGV-D6 • Vermessungen • Maßgeschneiderte Qualitätseinrichtungen für Gästezimmer, Rezeptionen, Thekenanlagen, Fertigbäder • Leasing von kompletten Hotelzimmereinrichtungen • Reparaturservice • Programmierung von SPSSteuerungen • Sachverständigenabnahme • Finanzierungsservice 3. Die Implementierung • Lieferung • Lieferung • Montageservice • Durchführung sämtlicher Montagearbeiten 4. After Sales Service • Komplette Betreuung und Übernahme sämtlicher Service- und Wartungsleistungen • Sanierung • Kundenservice • Wartungsverträge mit 24h Havarienotdienst • Ersatzteillieferservice Tabelle 5: Quelle: Einordnung von BANG und HOGABO in die vier Phasen des Solution Selling Eigene Darstellung. 34 5.2 Fallbeispiel cove & co. In diesem Abschnitt wird das Unternehmen cove & co. vorgestellt. Das Business to Consumer Unternehmen ist im Textileinzelhandel aktiv und vertreibt Herrenoberbekleidung. Es wurde 1999 von Christian Tietz, Ebbo Tücking und Christian Hesse gegründet und verfolgte von Anfang an eine Aufmerksamkeit erregende Geschäftsidee, die als Paradebeispiel für einen Solution Seller gelten kann. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland war bereits 1999 prekär und ein Aufschwung für den Bekleidungsfachhandel (aus der lange andauernden Talsohle) war noch immer nicht in Sicht. Kaufunlust, Umsatz- und Renditeschwäche sowie vermutlich auch Konzeptmüdigkeit prägten und prägen das Bild in der textilen Konsumgüterdistribution. Die Faszination von Mode und die Erlebniskraft des Modeeinkaufs haben offenbar Einbußen erlitten. Kaufkräftige, (ehemals) modebewusste Verbraucher(innen) äußern zunehmend Unbehagen, wenn sie zum Thema des "Fashion Retailing" befragt werden. Zugleich ist jedoch ein Boom der vertikal integrierten Systeme (H&M, Zara etc.) auszumachen und Discounter wie ALDI oder Tchibo bewegen sich mit ihren Marktanteilen auf den ersten Rängen, überraschenderweise auch im Bereich textiler Produkte. Ein zurückhaltendes (Vor-)Orderverhalten des Modeeinzelhandels ist Symptom oder - im Sinne eines Circulus vitiosus - eine der Ursachen dieser Entwicklung: Bereits zu Saisonbeginn sind die modischen Kollektionen vielfach schon dermaßen unvollständig, dass die Verbraucher(innen) nur noch durch Anschauen von Reststücken in nicht passender Konfektionsgröße erahnen können, was sie eigentlich gern gekauft hätten. Durch diese von Saison zu Saison sich selbst verstärkenden Rituale werden selbst qualitäts- und modebewusste Verbraucher(innen) zu Schnäppchenjägern erzogen. Oder besonders ärgerlich: Ein großer Teil der genervten Konsumenten versäumt es, sich in der laufenden Saison überhaupt noch mit neuen Bekleidungsstücken einzudecken - eine Kaufabstinenz, die sich angesichts der gut gefüllten Kleiderschränke wohl noch eine Zeit lang durchhalten lässt. 35 Im Bereich des Orderverhaltens, des Schnittstellenmanagements zwischen Bekleidungsproduzenten und Modeeinzelhandel und des (dynamischen) Preismanagements liegt vordergründig der Dreh- und Angelpunkt des Misserfolges in der Textilwirtschaft. Das Hauptproblem indessen dürfte der Mangel an innovativen Angeboten zur Lösung der komplexen Bekleidungsprobleme der Verbraucher(innen) darstellen. Nach empirischen Erhebungen der Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft an der Universität Münster aus dem Jahre 1999 geben rund 50 % der Verbraucher(innen) an, dass ihnen das System der Konfektionsgrößen keine zufriedenstellende Passform bei Oberbekleidung liefert bzw. die akzeptable Passform erst durch nachträgliche Änderung des Bekleidungsstückes unter Inkaufnahme von ärgerlichen Änderungskosten und Wartezeiten erreicht wird (vgl. FATM 1999). Auf Basis dieser Ausgangssituation entwickelten die drei Unternehmensgründer das Geschäftskonzept für cove & co. Die Geschäftsidee bestand in der Vermarktung industrieller Maßkonfektion. Der Prozess der industriellen Maßkonfektion, als Basis des Geschäftskonzepts von cove und co., soll nun mit Hilfe eines Beispiels verdeutlicht werden. Alle Prozesse beginnen mit einem auslösenden Ereignis. Das auslösende Ereignis im Rahmen der industriellen Maßkonfektion ist die Nachfrage eines konkreten Konsumenten, z. B. nach einem Hochzeitsanzug. Zunächst wählt der Kunde mit Unterstützung eines Verkäufers bei cove und co. einen ihm entsprechenden Schnitt und entscheidet über das Design sowie die Ausstattungsmerkmale des Anzugs. Danach wird er vom Händler mit Hilfe eines Bodyscanners vermessen. Dazu wird der Kunde im Geschäft in eine Kabine geführt, der Bodyscanner macht drei Aufnahmen seiner Körperkontur und nimmt so präzise und sekundenschnell alle erforderlichen Maße für die Produktion eines Anzugs nach Maß auf. Die so gewonnenen Daten werden per Daten-Fern-Übertragung (DFÜ) an die Bekleidungsindustrie weitergeleitet. Dort stoßen die Daten einen automatisierten Produktionsprozess an, der die Teilbereiche Konstruktion, Schnittbild und Einbahnenzuschnitt umfasst. Ist der Produktionsprozess abgeschlossen, kann der Anzug entweder direkt von der Industrieunternehmung an den Kunden geliefert werden oder der Kunde besucht ein zweites Mal eine Filiale von cove und co., um das bestellte 36 Produkt noch einmal anzuprobieren und abzuholen. Der Prozess wird zur Verdeutlichung in Abbildung neun zusammenfassend dargestellt. Abbildung 9: Der Prozess der industriellen Maßkonfektion bei cove und co Quelle: Eigene Darstellung. Die innovative Vermessung der Kunden mit Hilfe eines Bodyscanners führte zu starkem Medieninteresse an dem Geschäftskonzept. Die Kunden wurden in eng anliegender Wäsche in den Scanner gestellt und die Vermessung der Körperkonturen erfolgte vollkommen automatisch. Das System verfügt über den Vorteil, dass die Vermessung berührungslos stattfindet und die ermittelten Daten automatisch in ein Computersystem zur weiteren Übermittlung an die Bekleidungsindustrie eingepflegt werden. Das Medieninteresse an dem Bodyscanner und damit an dem gesamten Geschäftskonzept von cove & co. wirkte sich positiv auf die Bekanntheit der Betriebstypenmarke aus. So entwickelte sich das Geschäftskonzept erfolgreich und es existieren derzeit 6 Filialen von cove & co. in deutschen Großstädten. Von der Ermittlung der Körperkonturen mit Hilfe des Bodyscanners hat das Unternehmen jedoch mittlerweile Abstand genommen. Die Vermessung des Kunden wird traditionell von Schneidern durchgeführt. Es hat sich herausgestellt, dass das Scannen mit Hilfe des Bodyscanners zu viel Zeit in Anspruch nimmt, das Verfahren zu aufwendig ist und die Abneigung der Kunden gegenüber Körperkontakt mit dem Schneider nicht so ausgeprägt ist wie angenommen. 37 Durch das innovative Geschäftskonzept von cove & co. ist es dem Unternehmen möglich, seinen Kunden Lösungen für ihr Bekleidungsproblem anzubieten. Das Konzept hebt sich von der traditionellen Fertigung von Maßanzügen durch den Schneider dadurch ab, dass die Maßanzüge kostengünstiger produziert werden und so dem Kunden auch zu niedrigeren Preisen angeboten werden können. Zudem kann durch die industrielle Maßkonfektion teilweise auch eine kürzere Herstellungszeit erreicht werden. Die erste Phase des Solution Selling, die Aufdeckung des Kundenbedarfs, findet in den Verkaufsräumen einer cove & co. Filiale statt. Der Kunde kann sich nach seinen Vorstellungen einen Wunschanzug zusammenstellen. Bei der Auswahl des Stoffes, des Schnittes sowie der Ausstattungsmerkmale wird er dabei von dem Verkaufspersonal in der Filiale unterstützt. So ist sichergestellt, dass der von ihm gewählte Anzug auch zu seiner Körperstatur und seinem Aussehen passt. Die maßgeschneiderte Fertigung des Anzugs in Phase zwei des Solution Selling erfolgt durch die Bekleidungsindustrie. So zeigt sich in diesem Fallbeispiel die Bedeutung von Unternehmensnetzwerken zur Lösung komplexer Konsumprobleme. Eine enge, auf Dauer angelegte, vertraglich fundierte Kooperation der Akteure ist Voraussetzung für die Umsetzung der industriellen Maßkonfektion. Dies gilt zumindest für die Stufen der Bekleidungsindustrie sowie des Bekleidungshandels und sollte möglich auch für die Textilindustrie gelten. Abbildung zehn gibt einen Überblick über das Konzept der industriellen Maßkonfektion und die beteiligten Akteure. 38 Bestellung der Vorprodukte Textilindustrie Order des individuell bestellten Produktes Bekleidungshandel Bekleidungsindustrie Businessto-Business Kauf nach individuellem Trendempfinden Konsument Businessto-Consumer Abbildung 10: Die Netzwerkakteure im Konzept der industriellen Maßkonfektion Quelle: Eigene Darstellung. Die Phase drei des Solution Selling, die Anprobe sowie die Übergabe des Anzugs erfolgt bei cove & co. wieder in der Filiale. Neben der Übergabe der Anzüge nutzt cove & co. die Möglichkeit, den Kunden weitere Accessoires anzubieten. So kann zu dem Anzug die passende Krawatte oder der passende Schuh ausgewählt werden. Dies führt dazu, dass das Unternehmen in der Lage ist, das komplexe Konsumproblem der modischen und passenden Herrenbekleidung vollständig zu lösen. Die Nachbetreuung des Kunden in Phase vier des Solution Selling erfolgt in den Filialen sowie über eine Telefonhotline. Die in Phase eins ermittelten Körpermaße des Kunden werden maschinell gespeichert und können zur Nachbestellung von Anzügen eingesetzt werden. So können bei cove & co. auch Maßanzüge über das Telefon bestellt und auf Wunsch sogar direkt an den Kunden geliefert werden. Das Beispiel zeigt die mit dem Solution Selling verbundenen Chancen für Unternehmen auf und offenbart die Bedeutung von Unternehmensnetzwerken zur Erfüllung komplexer Konsumprobleme. 39 6 Zusammenfassung und Ausblick Der vorliegende Projektbericht konnte die Entwicklungen der letzten Jahre, dass sich zunehmend mehr Unternehmen von einem reinen Produkt- oder Dienstleistungsangebot abwenden und mehr Lösungen im Sinne eines integrierten, kundenspezifischen Produkt- und Dienstleistungsangebots anbieten, auch für den Mittelstand bestätigen. Ein Großteil der mittelständischen Betriebe sieht in dem Verkauf von Lösungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz und ist darüber hinaus der Ansicht, dass diese Chance, die sich aus dem Lösungsverkauf ergibt, besonders von KMU ergriffen werden sollte. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die überwiegende Zahl der Mittelständler auch dazu bereit ist, sich den Herausforderungen, die mit einer kundenspezifischen Integration von Produkten- und Dienstleistungen verbunden sind, zu stellen. Dabei besteht eine große Herausforderung darin, sich aus Sicht der Kunden auch als Mehrwert schaffender Lösungsanbieter zu positionieren. Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass der Kunde die Lösung nicht als solche wahrnimmt und somit auch nicht dazu bereit ist, den Mehrwert zu vergüten. Es konnte festgestellt werden, dass besonders für KMU die Chance besteht, aufgrund ihrer institutionellen Rahmenbedingungen einen Wettbewerbsvorteil durch eine innovative Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen zu einer umfassenden Lösung generieren zu können. In welchem Umfang das Potenzial des Lösungsverkaufs bei KMU größer als bei Großunternehmen ist oder ob und welche Faktoren Großunternehmen begünstigen könnten, bedarf weiterer Forschung (vgl. Simao 2006, S. 65 f.)31. Der Grundgedanke des Marketing ist die Erfüllung von Kundenbedürfnissen. Dem wird der Verkauf von Lösungen im Vergleich zum rein transaktionalen Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen im besonderen Maße gerecht. Die Studie hat ergeben, dass eine umfassende Beratung in Verbindung mit 31 Simao konnte in einer Stichprobe von 177 Industrieunternehmen einen in etwa gleich großen Umsatzanteil des Lösungsgeschäfts bei KMU (43,7%) und bei Großunternehmen (47,7%) nachweisen. 40 einer kundenspezifischen Bedarfsanalyse und der Aufbau einer langfristigen, auf Vertrauen und wechselseitige Wertschaffung ausgelegte Kundenbeziehung als wesentliche Erfolgsfaktoren des Solution Selling anzusehen sind. Im Rahmen dieser Aktivitäten besteht die Herausforderung für den Solution Seller darin, nicht nur bereits vorhandene Bedürfnisse des Kunden abzudecken, sondern latent vorhandene Ansprüche aufzudecken und zusätzliche Zahlungsbereitschaften durch den Verkauf von Lösungen zu generieren. Bezüglich der vier Phasen des Solution Selling nach Tuli, Kohli und Bharadwaj hat sich ergeben, dass besonders die erste und die zweite Phase eine relativ ausgeprägte Verbreitung im Mittelstand finden. Da die von den gerade genannten Autoren gefundene Definition aus Kundensicht auf der Analyse von Geschäftskunden beruht, könnte hier weitere Forschung ergründen, ob die vier Phasen auch für Privatkunden eine Relevanz besitzen, oder ob eventuell andere Aspekte von Bedeutung sind. Eine weitere Differenzierung nach (Privat-) Kunden von KMU und nach Kunden von Großunternehmen könnte weitere Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufdecken. Die vorliegende Studie zeigt zahlreiche Erfolgsfaktoren des Solution Selling aus Sicht der KMU auf. Dabei haben sich vor allem weiche Faktoren, ein professionelles Customer Relationship Management und eine hohe Qualität im Bereich der Human Resources als erfolgsrelevante Faktoren herausgestellt. Aufgrund der geringen Größe der mittelständischen Betriebe scheinen auch gerade in diesen Aspekten die Stärken der KMU zu liegen. In einer weiteren Ausdifferenzierung und einer Analyse, in welchem Umfang diese Erfolgsfaktoren zum tatsächlichen Erfolg des Unternehmens beitragen, besteht weiterer Forschungsbedarf. Auch die Analyse „solutionrelevanter“ Stärken mittelständischer Betriebe bedarf einer differenzierteren Betrachtung. Besonders Mikro- und Kleinunternehmen fällt es schwer, sämtliche Ressourcen, die für das Solution Selling notwendig sind, bereitzuhalten. Aber auch für mittelgroße Unternehmen kann es sinnvoll sein, sich auf seine Kernkompetenzen zu stützen und die Chance einer Erhöhung des Unternehmenserfolgs durch Solution Selling in einem Netzwerk zu verwirklichen. Indem ein Unternehmen stellvertretend für alle Netzwerkpartner dem Kunden gegenübertritt, 41 profitiert der Kunde aus dem Lösungsangebot „aus einer Hand“, und die Netzwerkunternehmen sind in der Lage, ihre Kompetenzen zu bündeln. Daher bedarf es weiterer Untersuchungen auf dem Gebiet der Netzwerkbildung im Rahmen des Solution Selling (vgl. Windahl, Lakemond 2006, S. 817). Hier ist bspw. zu fragen, welche Netzwerkformen geeignet sind und wie die Ausgestaltung im konkreten Fall und je nach Branche aussehen könnte. Gelingt es kleinen und mittleren Unternehmen, die oben genannten Herausforderungen zu bewältigen und Solution Selling als umfassende und Mehrwert schaffende Unternehmensstrategie zu begreifen, lautet die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: „Solution Selling - Eine Chance für den Mittelstand!“ 42 Literaturverzeichnis Ahlert, D., Evanschitzky, H. (2003): Dienstleistungsnetzwerke - Management, Erfolgsfaktoren und Benchmarks im internationalen Vergleich, Springer, Berlin 2003. Ahlert, D., Kawohl, J. M., (2008): Best Practices des Solution Sellings, Projektbericht Nr. 1 [Transolve], Ahlert, D. (Hrsg.), Münster 2008. Ahlert, D., Kenning, P. (2007): Handelsmarketing - Grundlagen der marktorientierten Führung von Handelsbetrieben, Springer, Berlin 2007. Ahlert, D., Kenning, P., Schneider, D. (2000): Markenmanagement im Handel Von der Handelsmarkenführung zum integrierten Markenmanagement in Distributionsnetzwerken, Gabler, Wiesbaden 2000. Azimont, F., Cova, B., Salle, R. 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Herausgeber: Prof. Dr. Dieter Ahlert, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Distribution & Handel, Am Stadtgraben 13-15, 48143 Münster Münster 2008, alle Rechte vorbehalten 47