Best Practices des Solution Sellings

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Best Practices des Solution Sellings
Projektbericht Nr. 1
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Dieter Ahlert (Hrsg.):
Best Practices des
Solution Sellings
Dieter Ahlert
Julian Kawohl
ISSN 1863-6438
Transolve (Die Transformation von Produzent und Händler zum Solution-Anbieter) wird vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsvorhabens
" Integration von Produkt und Dienstleistung " gefördert (Förderkennzeichen 01FD0679)
und vom Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) betreut.
Die Mitglieder des Projektteams danken für die großzügige Unterstützung
ihrer Forschungs- und Transferarbeiten.
Münster 2008
Alle Rechte vorbehalten.
Der vorliegende Projektbericht entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „Transolve (Transformation von
Produzent und Händler zum Solution-Anbieter)“. Das grundlegende Ziel des
Vorhabens TRANSOLVE ist die Erarbeitung eines Konzeptes zur Gestaltung des
Transformationsprozesses, welcher es Produzenten („Product Seller“) oder Händlern
(„Traditional Retailer“) erlaubt, sich langfristig als Lösungsanbieter („Solution Seller“)
aufzustellen und zu positionieren. Dieses Hauptziel kann in drei grundlegende
Zielsetzungen aufgespaltet werden: Erstens geht es darum zu ergründen, welche
Erfordernisse an einen Solution Seller im Unterschied zu einem reinen Product Seller
gestellt werden. Auf Grundlage dieser Forschung lassen sich Soll-Konzepte für
Lösungsanbieter entwickeln. Darauf aufbauend ist zweitens zu untersuchen, wie die
Transformation vom momentanen (defizitären) Ist-Zustand der Unternehmen zum
angestrebten Soll-Zustand eines exzellenten Solution Sellers gelingen kann. Drittens
stellt sich die Herausforderung an das interne und externe Marketing – insbesondere
das Markenmanagement –, die neue Vermarktungsstrategie zu vermitteln. Im
Folgenden sollen die Unterziele kurz beschrieben werden.
In einem ersten Schritt gilt es, die Erfordernisse, die an einen „Solution Seller“
gestellt werden, heraus zu arbeiten. Auf Grundlage dieser Forschung lassen sich
Soll-Konzepte für Lösungsanbieter entwickeln. Zentrale, in diesem Zusammenhang
zu klärende Fragen sind: Was kennzeichnet das Markenmanagement eines
erfolgreichen Lösungsherstellers, was ein erfolgreiches Kundenmanagement und
was eine erfolgreiche Kommunikationspolitik? Gibt es ein spezielles Serviceklima für
Lösungsanbieter?
Hat
Lösungsanbieter
noch
die
Erfordernis
weiter
der
reichende
Kundenorientierung
Konsequenzen?
Ein
für
den
weiterer
Managementbereich, der hier zu betrachten ist, liegt im Netzwerkmanagement.
Erfolgreicher Lösungsanbieter kann nur werden, wer nicht nur die eigenen
Aktivitäten, sondern auch die der Zulieferer und Partner auf den Erfolg des am Ende
der Kette stehenden Kunden ausgerichtet hat. Offene Forschungsfelder im Bereich
des Netzwerkmanagements sind insbesondere die Fragen der Konfiguration und
Steuerung des Netzwerkes sowie des abgestimmten (Netzwerk-)Marketings und das
(integrierte) Zufriedenheitsmanagement im Netzwerk.
Zweitens ist darauf aufbauend zu untersuchen, wie die Transformation vom
momentanen (defizitären) Ist-Zustand der Unternehmen zum angestrebten Soll-
Zustand eines exzellenten Solution Sellers gelingen kann. Gerade, weil in
Deutschland immer noch sehr viele, insbesondere mittelständische Unternehmen mit
einem Produktfokus am Markt relativ erfolgreich sind, dürfte es besonders schwierig
sein, die Mitarbeiter von einer stärkeren Ausrichtung auf einen langfristig viel
versprechenden Lösungsfokus zu überzeugen. Hier sind insbesondere Personalund Organisationsentwicklungsmaßnahmen zu konzipieren und zu erproben, welche
den Übergang zum Lösungsanbieter einleiten bzw. unterstützen. Sowohl die SollKonzeption
als
auch
die
zur
Erreichung
derselben
entwickelten
Transformationsprozesse sind im Verlaufe des Projektes kontinuierlich zu überprüfen
und
ggf.
zu
überarbeiten.
Insbesondere
stehen
hier
die
Ableitung
von
verallgemeinerbaren Handlungsempfehlungen sowie die weitere Verwertung in
Forschung und Praxis (z. B. durch Leitfäden) im Vordergrund.
Drittens stellt sich die Herausforderung an das interne und externe Marketing, die
neue Vermarktungsstrategie an die entsprechenden Adressaten zu vermitteln. Im
Rahmen des Projektes soll die Markenstrategie der Praxispartner dem neuen
Selbstbild angepasst werden. Hierzu sollen Best Practice-Beispiele von SolutionAnbietern aus dem B2C-Markt als Vorbilder herangezogen werden. Durch
kontinuierliches Tracking der Markenwahrnehmung soll der Veränderungsprozess
überwacht und gegebenenfalls angepasst werden. Aus der theoretischen Konzeption
und den praktischen Erfahrungen leiten sich konkrete Strategien für das
Markenmanagement von Solution-Anbietern ab.
Die Zielsetzung des vorliegenden ersten Projektberichts ist die Erarbeitung einer
Definition für Solutions bzw. Solution Selling sowie die Vorstellung von ersten Best
Practice Cases.
Der vorliegende Grundlagenbericht fokussiert damit auf das Handlungsfeld 1, im
Rahmen dessen Soll-Konzepte für Lösungsanbieter analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...........................................................................I
Abkürzungsverzeichnis.................................................................II
Abbildungsverzeichnis.................................................................III
Tabellenverzeichnis ..................................................................... IV
1 Einleitung ....................................................................................1
2 Solution Selling ...........................................................................3
2.1 Begriffsdefinitionen .................................................................... 3
2.1.1. Solution .............................................................................. 3
2.1.2. Solution Selling ................................................................ 14
2.2. Organisationale Treiber und Barrieren des Solution
Sellings .................................................................................... 19
3 Vergleich der Solutionorientierung in der BRD und
den USA .....................................................................................34
3.1. Analyserahmen und Modell ..................................................... 34
3.2. Ergebnisse ................................................................................ 40
4 Best practices ...........................................................................43
4.1. BASF AG ................................................................................... 43
4.2. Siemens AG .............................................................................. 47
4.3. Boeing ....................................................................................... 51
4.4. Hewlett- Packard ...................................................................... 56
5 Zusammenfassung ...................................................................62
Literaturverzeichnis .....................................................................65
I
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
et al.
et alii
Aufl.
Auflage
BSC
Balanced Score Card
B-to-B
Business-to-Business
B-to-C
Business-to-Consumer
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
DL
Dienstleistungen
ed.
edition
eds.
editors
etc.
et cetera
f.
folgende
ff.
fortfolgende
Hrsg.
Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
Jg.
Jahrgang
No.
number
o.V.
ohne Verfasserangabe
p.
page
pp.
pages
S.
Seite
SSBSC
Solution Selling Balanced Score Card
Tab.
Tabelle
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
u.s.w.
und so weiter
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Konstitutive Merkmale einer Solution ............................................... 14
Abbildung 2:
Vergleich bestehender Definitionen einer Solution mit der
“neuen” Definition aus Kundensicht ................................................. 15
Abbildung 3:
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 1 ...... 28
Abbildung 4:
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 2 ...... 30
Abbildung 5:
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 3 ...... 31
Abbildung 6:
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 4 ...... 32
Abbildung 7:
Kriterien der Customer Perspective.................................................. 35
Abbildung 8:
Kriterien der Learning Perspective ................................................... 37
Abbildung 9:
Exaktheitsniveau der Informationen ................................................. 39
Abbildung 10: Lösungsorientierung von DAX und Dow Jones Unternehmen ......... 41
Abbildung 11: Konzeption von MyBoeingFleet ........................................................ 52
Abbildung 12: Realisierung von Erfahrungseffekten im Bereich Flugtraining .......... 54
Abbildung 13: Entwicklung des Angebots der Seite www.myboeingfleet.com ........ 55
III
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Ausgewählte Definitionen der Solution und synonym ..........................
verwendeten Begriffen .................................................................... 4-9
Tabelle 2:
Elemente des Solution Selling nach Perspektive und Zweck ...... 11-12
Tabelle 3:
Bedeutung der abgefragten Erfolgsfaktoren des Solution Selling ........
pro Phase nach Rang absteigend geordnet ..................................... 25
IV
1 Einleitung
„Customers do not look for goods or services per se, they look for solutions.”
(Grönroos 2000, S.4)
Klassischerweise werden deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich
als überlegen im Bereich der reinen Produktqualität, allerdings defizitär im
Hinblick auf Kundenorientierung und –management angesehen. In einer Zeit, in
der ausländische Anbieter im Hinblick auf die objektive Produktqualität
dramatisch aufholen und viele Märkte von Preiskämpfen gekennzeichnet sind,
ist die Fokussierung auf eine stärkere Kundenorientierung für die nationale
und internationale Wettbewerbsfähigkeit unumgänglich. Dieses Defizit wurde
mittlerweile erkannt, und Unternehmen, die sich früher als reiner Anbieter von
Produkten sahen, versuchen vermehrt, sich, dem internationalen Trend
entsprechend, als Anbieter von Komplettlösungen im Markt zu positionieren.
Die Bereitstellung einer Komplettlösung impliziert, dass nicht mehr nur das
Kernprodukt (etwa die Spezialmaschine, der Roboter oder die Software),
sondern der Beitrag zum Geschäftserfolg des Geschäftspartners (durch das
Angebot
einer
umfassenden
und
individuell
abgestimmten
Lösung)
Gegenstand der Absatzleistung wird.
Viele
Unternehmen
haben
den
Transformationsprozess
vom
reinen
Produzenten (Product Seller) bzw. Händler (Traditional Retailer) zum
Lösungsanbieter (Solution Seller) bereits vollzogenen, doch stellt sich hier die
Frage, nach welchen Kriterien und auf welchen Ebenen dieser Wandel erreicht
worden ist.
Ziel dieses Projektberichts ist zum einen, eine genaue Definition einer Solution
bzw. des Solution Sellings in der Literatur heraus zu arbeiten und zu
unterstreichen, was einen Solution Seller von einem reinen Product Seller
unterscheidet.
Anhand von Expertenbefragungen in einer Delphi-Studie
werden danach die organisationalen Treiber und Barrieren eines Solution
Sellers untersucht. Mit Hilfe dieser Untersuchung konnten Faktoren für eine
erfolgreiche Solution Selling Strategie extrahiert werden. Hieran schließt sich
eine vergleichende Analyse der Solutionorientierung deutscher und
amerikanischer Unternehmen an. Im Rahmen dieser Studie wird anhand eines
Modells die Lösungsorientierung von Unternehmen analysiert und bewertet.
1
Um einen umfassenden internationalen Überblick zu erhalten, dienen als
Analyseobjekt die Geschäftberichte der Dax- und Dow Jones- Unternehmen.
Darauf aufbauend werden dann abschließend ausgewählte Best Practice
Fälle
vorgestellt,
bei
denen
der
Fokus
auf
Solution
Selling-
Umsetzungsstrategien gesetzt wird. Diese Darstellung erfolgt anhand von 4
Case Studies bei denen die zuvor hinsichtlich der Lösungsorientierung am
besten bewerteten Unternehmen aus Deutschland und den USA porträtiert
werden.
2
2 Solution Selling
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1. Solution
Die Literatur bietet eine Vielzahl von Definitionen für den Begriff „Solution“.
Übersetzt bedeutet „Solution“ in etwa „Lösung“ oder „Lösungskonzept“, wobei
beide Begriffe im Folgenden synonym verwendet werden. Dies setzt das
Vorhandensein eines Problems voraus. Ein Problem kennzeichnet eine
Diskrepanz
zwischen
einem
gewünschten
Soll-Zustand
und
einem
unerwünschten gegenwärtigen oder prognostizierten Ist-Zustand. Zielsetzung
ist dabei die Überwindung dieser Diskrepanz. Im Rahmen dieses Prozesses
kann jede Aktivität zur Lösung des Problems beitragen, die einen
unerwünschten Ist-Zustand in einen angestrebten Soll-Zustand überführt (vgl.
Vogt 1981, S. 7-9).
Der Duden definiert eine Lösung als „das Bewältigen einer schwierigen
Aufgabe“ (Drosdowski, 1999, S. 2461) und das Oxford Dictionary bezeichnet
sie als „resolution, solving, answer, method for solving a problem, puzzle,
question, doubt, difficulty, etc.“ (Oxford Dictionary, zitiert nach Sheperd,
Ahmed, 2000, S. 103). In der Betriebswirtschaft wurde diese Definition
spezifiziert und fand Eingang in zahlreiche Arbeiten unter dem Begriff der
„Problemlösung“1 (vgl. Kotler, Keller, Bliemel 2007, S. 12f. ; Belz 1997, S. 20).
Böcker zeigt in diesem Zusammenhang jedoch auf, dass ein divergierendes
Verständnis des Begriffs der Problemlösung in diesen Arbeiten existiert, welche
sich in zwei unterschiedlichen Interpretationsweisen niederschlägt (vgl. hierzu
und im Folgenden Böcker 1995, S. 35f.). Eine enge Auffassung des Begriffs
interpretiert bereits einzelne Produkte als Problemlösungen (vgl. Kern, 1996,
Sp. 1630ff.). Dieser Ansicht folgend, werden Produkte von Kotler, Keller und
Bliemel auch als Verpackungen eines Problemlösungsdienstes bezeichnet (vgl.
Kotler, Keller, Bliemel 2007, S. 493)2. Die weite Auffassung hingegen löst sich
1
2
Unter einer „Problemlösung“ werden allgemein alle Handlungsanweisungen zur
Transformation eines Ausgangs- in den angestrebten Zielzustand subsumiert (vgl. Fisch,
Wolf 1990, S. 12).
Nach dieser Auffassung stellt beispielsweise eine Uhr die Problemlösung für das
Informationsbedürfnis nach Zeit oder eine Seife die Problemlösung für schmutzige Hände
dar (vgl. Böcker 1995, S. 35f.).
3
von diesem Produktverständnis und konstatiert, dass eine Problemlösung aus
Kombinationen von Produkten und Dienstleistungen besteht, die auf ein
umfassendes Einsatzspektrum beim Kunden abzielen. Im vorliegenden
Projektbericht soll allgemein der weiteren Interpretation des Begriffs gefolgt
werden, da der Fokus auf der Erfüllung komplexer Kundenprobleme liegt und
davon ausgegangen werden kann, dass diese Kundenprobleme nicht allein mit
einem Produkt gelöst werden können (vgl. Ahlert, Borchert 2000, S. 3f.; Ahlert,
Evanschitzky 2003, S. 34). Diese Interpretation liegt auch vielen aktuelleren
Veröffentlichungen zugrunde (vgl. hierzu auch die Auflistung der Autoren in
Tabelle 1). Eine nähere Betrachtung der Beiträge dieser Forschungsrichtung
lässt jedoch erkennen, dass die zugrunde liegende Definitionen einer Lösung
zwar die konstituierende Eigenschaft der Kombination von Produkten und
Dienstleistungen gemein haben, jedoch darüber hinaus divergente Bestandteile
und Eigenschaften inkludieren. Des Weiteren finden sich für die Bezeichnung
eines solchen Austauschobjektes neben dem Begriff der Lösung (Solution)
auch die Ausdrücke „Customer Solutions“ (Hax, Wilde 1999; Sheridan,
Bullinger 2001), „Integrated Solutions“ (Wise, Baumgartner 1999; Miller et al.
2002; Windahl et al. 2004; Brady, Davies, Gann 2005), „Full-services“
(Stremersch, Wuyts, Frambach 2001), „Hybrides Produkt“ (Burianek et al.
2007; Spath, Demuß 2006) oder „Leistungssystem“ (Belz et al. 1991; Belz
1997; Belz et al. 1997; Böcker 1995; Simao 2006). Tabelle 1 gibt einen
Überblick der Begriffsverständnisse relevanter Forschungsarbeiten:
Autor (Jahr)
Definition
Produkt-/Dienstleistungskombinationen
Galbraith (2002)
“A recent trend in business strategy is to offer
solutions to customers instead of stand-alone
products. The companies following a solution strategy
bundle their products together and add software and
services.” (S. 194)
4
Produkt-/Dienstleistungskombinationen und Integration
Wise/Baumgartner
“Integrated Solutions […] is to combine products and
(1999)
services into a seamless offering that addresses a
pressing customer need.” (S. 138)
Doster/Roeg-ner
“A solutions provider is one who packages and
(2000)
integrates components to deliver a complex, turnkey
solution that meets a specific business need.” (S. 51)
Shepherd/Ah-med
“Solutions comprise a defined group of components
(2000)
(hardware, software and services) which, when
integrated together, will resolve a customer‟s complex
business problem.” (S. 104)
Foote et al. (2001)
“They are creating high-value solutions by integrating
various products and services.” (S. 84)
Cova/Salle (2007)
“Therefore we can speak of solutions […] when both
the scale and the scope and the degree of integration
of the elements of the offer are at a high level.” (S.
142)
Produkt-/Dienstleistungskombinationen, Integration und Customizing
Hax/Wilde (1999)
“[…] customer solutions strategic option is based on
a wider offering of products and services that satisfies
most if not all the customer needs. The focus here is
on the customer‟s economics rather than the product's
economics. A company might offer a broad bundle of
products and services that is targeted and customized
to a specific customer„s needs.” (S. 13)
Sheridan/Bull-inger
“[…] customer solutions […] the unique combination
(2001)
of product and service components that could solve a
customer‟s problems.” (S. 37)
5
Miller et al. (2002)
“Integrated combinations of products and/or services
that are unusually tailored to create outcomes desired
by specific clients or types of clients.” (S. 3).
Brady/Davies/
Gann “Integrated solutions involve the bringing together of
(2005)
products and services in order to address a
customer‟s particular business or operational needs.”
(S. 572)
Sawhney/Wol-
“A solution is a customized, integrated combination
cott/Arroniz (2006)
of products, services and information that solves a
customer problem.” (S. 78)
Burianek et al. (2007)
„Ein hybrides Produkt ist ein Leistungsbündel, das
sich aus einer speziell aufeinander abgestimmten
Kombination aus Sach- und Dienstleistungsanteilen
und auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden
ausgerichtet ist.“ (S. 6)
Produkt-/Dienstleistungskombinationen, Integration, Customizing und
Mehrwert
„Leistungssysteme […] lösen die Probleme der
Belz (1997)
Kunden umfassender und wirtschaftlicher als bisher
[…]
integrierte
Lösungen
für
spezifische
Kundengruppen […] mit denen sie Vorteile für den
Kunden schaffen.“ (S. 20)
Stremersch/
Wuyts/ ”Full-service is defined as `comprehensive bundles of
Frambach (2001)
products and/or services that fully satisfy the needs
and wants of a customer related to a specific event or
problem.`” (S. 1)
6
Johansson/
“In the broadest sense, a solution is a combination of
Krishnamur-thy/
products and services that creates value beyond the
Schlissberg (2003)
sum of its parts […]. More specifically, it is the level of
customization and integration that sets solutions
above products or services or bundles of products and
services.” (S. 118).
Cerasale (2004)
“Exceptional value is created for a customer when a
supplier combines services and products in ways that
address customers` problems or help customers
exploit opportunities for innovation and growth.
Solutions
create
and
deliver
customer
value.
Solutions are service-led.” (S. 66)
Windahl et al. (2004)
„A related strategy […] is to offer tailored solutions
intending to optimise user operations […]. In this
strategy, products and services are combined to
address specific customer need, hence referred to as
integrated solutions in this paper.” (S. 218)
Davies/Brady/
“[…]
Hobday (2006)
combinations of technology, products and services as
integrated
solutions
[...]
innovative
high-valued unified responses to their business
customers` needs.” (S. 39)
Sawhney (2006)
“I define a solution as an integrated combination of
products and services customized for a set of
customers that allows customers to achieve better
outcomes than the sum of the individual components
of the solution.” (S. 369)
7
Spath/Demuß (2006)
„[...]
Hybride
Produkte
sind
komplexe
Problemlösungen für den Kunden, die sich aus einem
stimmigen, auf den Kundennutzen ausgerichteten Mix
aus
materiellen
und
Leistungsergebniskomponenten
immateriellen
zusammensetzten
[...] Sie spielen insbesondere bei industriell gefertigten
Dienstleistungen eine bedeutende Rolle, aber auch
kundenindividuell gefertigte Konsumgüter wie ein
Großteil der Automobile fallen unter diese Definition."
(S. 472)
Produkt-/Dienstleistungskombinationen,
Integration,
Customizing,
Mehrwert und Kundeninteraktion
Cornet et al. (2000)
“Typically developed as a combination of products,
services, and knowledge […], a solution is a
supplier‟s customized response to a customer‟s
pressing business need. It is an innovative construct
built on a foundation of cooperation and mutual trust
that revolutionizes the customer value proposition.”
(S. 1)
Sharma/Lu-
“A real solution, in our view, is a fundamentally
cier/Molloy (2002)
different approach that creates additional value for
customers and suppliers by meeting five criteria: 1. It
is co-created by a customer and a supplier;
2. It
integrates products with services to meet essential
customer needs; 3. Suppliers accept some of the risk
[…]
4.
Relationships
between
suppliers
and
customers are unusually intimate, far beyond a
traditional
buy–sell
relationship;
5.
Solutions,
therefore, are tailored to each customer.” (S. 27)
8
“… a true solution strategy […] requires the integration
Day (2004)
of products with services to offer a complete bundle of
benefits […] the solution is co-produced by the
customer and supplier, and tailored to each customer
[…] the solution might also mean some absorption of
the customer‟s risk .” (S. 18f.)
Produkt-/Dienstleistungskombinationen,
Mehrwert,
Kundeninteraktion
und
Integration,
idealtypischer
Customizing,
Prozess
aus
Kundensicht
Tuli, Kohli, Bharadwaj
“[…] suppliers […] view a solution as a customized
(2007)
and integrated combination of goods and services for
meeting a customer‟s business needs. In contrast,
customers view a solution as a set of customersupplier relational processes comprising (i) customer
requirements
definition,
(ii)
customization
and
integration of goods and/or services, (iii) their
deployment,
and
(iv)
post-deployment
customer
support, all aimed at meeting a customer‟s business
needs.“ (S. 2)
Tabelle 1: Ausgewählte Definitionen der Solution und synonym verwendeten Begriffen.
Quelle: Eigene Darstellung.
Nach Tuli, Kohli und Bharadwaj haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten
zwei Perspektiven über die Bedeutung einer Solution herausgebildet (vgl. Tuli,
Kohli, Bharadwaj 2005, S. 6f.). Die erste Perspektive (primär aus Sicht des
Anbieters) versteht unter einer Solution ein Bündel von Gütern und
Dienstleistungen, das ganz individuell auf die Bedürfnisse des Kunden
zugeschnitten ist. Diese Perspektive wird u. a. von Hax und Wilde; Srivastava,
Shervani und Fahey; Sharma und Molloy; Wise und Baumgartner; Galbraith;
und Vargo und Lusch vertreten (vgl. Hax, Wilde 1999; Srivastava, Shervani,
Fahey 1998; Sharma Molloy 1999; Wise, Baumgartner 1999; Galbraith 2002;
Vargo, Lusch 2004). Die zweite Perspektive (primär aus Sicht des Kunden) ist
weiter gefasst und sieht in einer Lösung, zusätzlich zu dem kundenspezifischen
9
Bündel, eine enge wechselseitigen Kundenbeziehung sowie eine mögliche
Koproduktion und Risikoteilung zwischen Kunde und Anbieter.
Dies erfordert eine kompetente Beratung, bei der die genaue Bedarfssituation
des Kunden analysiert wird. Dabei sind der durch die Lösung erreichte Nutzen
sowie die entstehenden Kosten sowohl des Kunden als auch des Anbieters zu
beachten.
Diese Aspekte bzw. Sichtweise einer Solution finden sich u.a. in Beiträgen von
Cornet et al.; Shepherd und Ahmed; Sharma, Lucier und Molloy; und Day (vgl.
Cornet et al. 2002; Shepherd, Ahmed 2000; Sharma, Lucier, Molloy 2002; Day
2004).
Tuli, Kohli und Bharadwaj kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die
Definition einer Solution aus der Kombination dieser beiden Perspektiven
resultiert: „a solution is a combination of goods and services that are integrated
and customized to meet the idiosyncratic requirements of a customer.“ (Tuli,
Kohli, Bharadwaj 2005 S. 7). In der Literatur herrscht nicht nur ein breites
Spektrum von Definitionen vor, sondern auch die damit einhergehenden
Auffassungen bezüglich der konstituierenden Elemente des Solution Sellings
divergieren auch zwischen verschiedenen Autoren. Diese Elemente dienen
dazu, die besonderen Merkmale, Fähigkeiten und Erfolgsfaktoren im Rahmen
einer Lösung bzw. des Lösungsangebots zu beschreiben. Die folgende Tabelle
gibt einen beispielhaften Überblick über unterschiedliche Perspektiven, Zwecke
und Elemente, die in verschiedenen Studien zum Solution Selling betrachtet
wurden.
10
Autor
Perspek-
Zweck
Elemente des Solution
tive
Sellings
Sturm,
6 Erfolgsfak-
Besondere
1) Marktpotential
Bading,
toren
Merkmale und
2) Kenntnis der Kunden
Schubert
Fähigkeiten zur
3) Wettbewerbsvorteile
2007, S.
Kennzeichnung
4) Flexibles Leistungsangebot
14f.
eines Lösungs-
5) Integrierte
anbieters
Lösungsentwicklung
6) Organisation & Mitarbeiter
Tuli, Kohli,
4 Processes
Bharadwaj
Customers view
1) Customer requirements
of a Solution
definition
2007, S. 2.
2) Customization and
integration
3) Deployment
4) Postdeployment customer
support
Tuli, Kohli,
4
Bharadwaj
Components “add-on”
2005, S. 8.
Imperative and
Imperative:
1) Functional Components
requirements of a 2) Knowledge Components
Solution
Add-Ons:
3) Financial Components
4) Operational Components
Kurz, Gut
4
Abgrenzung des
Solution Selling ist:
2005,
Komponen-
Begriffs „Solution
1) Eine Philosophie
S. 105.
ten
Selling“
2) ein Modell
3) eine Methodik
4) ein Sales-ManagementSystem
Galbraith
5 Features
Organizational
1) Strategy
2002,
features to be
2) Structure
S. 195
aligned in case of
3) Process
Solution Selling
4) Rewards
5) People
11
Sharma,
5 Criteria
Distinction of a
1) It is co-created
Lucier,
„real solution“
2) It integrates products with
Molloy
from repackaged
services to meet essential
2002. S. 38
set products or
customer needs
services
3) Supplier accept some of the
risk
4) Relationship between
suppliers and customers is
intimate
5) Solutions are tailored to
each customer
Cornet et
3 Characte-
Distinction from a
1) Solutions are co-created by
al. 2002,
ristis
product, system
a customer and a supplier
or service
2) Solutions are customized
S. 2.
3) Solutions involve the
supplier taking managed risks
Tabelle 2: Elemente des Solution Sellings nach Perspektive und Zweck.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Basierend auf den Erkenntnissen der zuvor genannten Studien, lassen sich 4
konstitutive Merkmale extrahieren.
Die Solution ist maßgeschneidert. Güter und Dienstleistungen sind auf die
spezifischen Anforderungen des Kunden abzustimmen. Der Gedanke der
Individualität manifestiert sich dabei in der auf den einzelnen Kunden
zugeschnittenen Auswahl und Anpassung des Leistungsbündels. Dem Kunden
wird Arbeit bzw. Aufwand abgenommen, indem er eine individuelle Adaption
aus „einer Hand“ seitens des Lösungsanbieters bekommt.
Die Solution beinhaltet eine Kombination aus Gütern und Dienstleistungen. Sie
ist die Antwort auf ein komplexes Konsumproblem. Demnach handelt es sich
dann und nur dann um eine Lösung, wenn der Konsument bzw. Nachfrager
dieses nicht selbst lösen kann, weil er nicht die entsprechenden Ressourcen
bzw. Kompetenzen dazu hat bzw. diese nicht aufbauen möchte. Der Gedanke
der Komplexität ergibt sich zudem aus der Zusammensetzung einer Lösung
aus mehreren Gütern oder Dienstleistungen bzw. der Kombination aus beidem.
12
Die Solution wurde in einem Dialog, der über den einfachen Austausch von
Informationen hinausgeht, ermittelt. Dahinter steht die Idee einer intensiven
Interaktivität zwischen Anbieter und Nachfrager, bei der beide Parteien die
Lösung gemeinsam entwickeln. Wenn ein Nachfrager sich die einzelnen
Lösungskomponenten selbst zusammenstellt, ist demnach nicht von einer
Lösung zu sprechen. Allerdings muss der Informationsaustausch nicht
ausschließlich im persönlichen Gespräch (face-to-face oder telefonisch)
erfolgen, sondern ist auch auf elektronischem Weg möglich. Dieser interaktive
Charakter des Lösungsgeschäfts führt zu einer erhöhten Wichtigkeit von
Kundenbeziehungen (vgl. Simao 2006, S. 167f.) und gegenseitiges Vertrauen
wird zu einer Grundvorrausetzung (vgl. Cornet et al. 2000, S. 8). Auch
Sheridan und Bullinger betonen, dass diejenigen Lösungsanbieter am
erfolgreichsten sein werden, welche die engsten Beziehungen mit ihren
Kunden aufbauen (vgl. Sheridan, Bullinger 2001, S. 37). Sharma, Lucier und
Molloy stellen die Bedeutung einer vertrauensvollen Beziehung heraus und
sprechen von einer „Symbiose mit dem Kunden“ (vgl. Sharma, Lucier, Molloy
2002, S. 41). Grundsätzliche Zielsetzung für einen Lösungsanbieter sollte die
langfristige Interaktion und Partnerschaft mit seinen Kunden sein. Gleichwohl
ist die Realisierung dieses Ziel stark von der Art der Geschäftsbeziehung (B2B
oder B2C) und der jeweiligen Branche abhängig.
Die erbrachte Lösung muss dem Kunden einen Mehrwert bieten, d.h. die
Lösung
stiftet
dem
Kunden
einen
klaren
Nutzen,
indem
entweder
Outputsteigerungen (B2B) bzw. (B2C) oder Effizienzgewinne realisiert werden
können. Durch die Integration, die von dem Kunden nicht ohne höhere
Transaktionskosten durchgeführt werden könnte, entsteht ein Mehrwert des
Leistungsbündels im Vergleich zu einem separaten Verkauf der Leistungen
(vgl. Cova, Salle 2007, S. 141). Sawhney beschreibt diesen Sachverhalt
treffend wie folgt: „The value of integration and the value of customization
represent the difference between the whole (the value of the solution) and the
sum of the parts (the value of component products and services)“ (Sawhney
2006, S. 370). Dabei hat die Lösung im Sinne der Integrativität eine
mehrwertgenerierende Funktion, weil sie sich leicht in die Umgebung des
Kunden einbauen lässt. In der konkreten Ausgestaltung soll sich das
Lösungspaket,
inklusive
der
einzelnen
13
Bausteine,
nahtlos
in
die
Geschäftsprozesse
(B2B)
bzw.
Wirkungskreise
(B2C)
der
Nachfrager
integrieren.
Die
nachfolgende
Abbildung
verdeutlicht
nochmal
die
beschriebenen
Komponenten der Negativabgrenzung einer Solution.
Komplexität
Individualität
Interaktivität
Integrativität
Merkmale einer Lösung
Fundament f ür die Negativabgrenzung
Abbildung 1: Konstitutive Merkmale einer Solution.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Ausgehend von der dargestellten Diskussion der Literatur ergibt sich die
folgende Definition:
Unter
Lösungen
werden
individuelle
Leistungen
für
komplexe
Kundenprobleme verstanden, die interaktiv erstellt werden und deren
Komponenten einen integrativen Mehrwert bieten.
2.1.2. Solution Selling
Solution Selling beschreibt das Angebot und die Vermarktung einer Solution.
Hier wechselt die Betrachtungsweise von der Produktorientierung hin zur
Prozessorientierung. Indem sich ein Anbieter auf den gesamten (aus
Kundensichtweise betrachteten) Prozess von Konsum und Gebrauch einer
Leistung spezialisiert, kann er einen komparativen Konkurrenzvorteil erlangen
(vgl. Vargo, Lusch 2004, S. 13). Tuli, Kohli und Bharadwaj unterscheiden in
14
ihrem „theories-in-use approach“ zwischen der Anbieter- und der Käufersicht
einer Solution (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Im Einzelnen wurden die
folgenden vier Phasen als konstituierende Merkmale einer Solution im Laufe
der Tiefeninterviews und Fokusgruppen mit den nachfragenden Unternehmen
der Studie identifiziert:
Identifikation der Kundenbedürfnisse (76%);3
Customization und Integration der Produkte und/oder Dienstleistungen
(86%);
Implementierung (86%);
Nachsorge (92%).
Demnach handelt es sich aus Kundensicht (Proposed View) bei dem Verkauf
von Lösungen um einen Prozess, der sich in vier aufeinander folgenden
Phasen vollzieht.
Im Gegensatz dazu stimmt die Sicht der befragten Anbieterunternehmen
(Extant View) mit der Sicht der bestehenden Literatur zum Solution Selling
überein. Bei dieser Sicht handelt es sich um die zweite Phase des vorstehend
beschriebenen Prozesses. Die anschließende Abbildung verdeutlicht diesen
Zusammenhang.
Abbildung 2: Vergleich bestehender Definitionen einer Solution mit der „neuen“ Definition aus
Kundensicht.
Quelle:
Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 5.
Der
Verkäufer
(Solution
Provider)
identifiziert
innerhalb
des
Verkaufsgesprächs die genauen Anforderungen und Probleme des Kunden,
um diesem auf Grundlage seiner Bedürfnisse die optimale Lösung (Solution)
seines Problems anzubieten. Die notwendigen Serviceleistungen sowie die
3
Die Prozentzahlen in den Klammern geben die Häufigkeiten der Nennungen an.
15
Wartung und der Support sind in diesem Angebot enthalten. Häufig lässt sich
aus der installierten Lösung für den Anbieter ein Folgegeschäft realisieren, da
dieser durch die enge Kooperation mit dem Kunden Einblicke in die
Fertigungsprozesse und Wertschöpfungsmechanismen hat und potenziellen
(weiteren)
Lösungsbedarf
erkennen
kann.
Somit
lässt
sich
das
Lösungsgeschäft in vielen Fällen mit der Philosophie, „Nach der Lösung ist vor
der Lösung“ charakterisieren. Im Folgenden soll kurz auf die zuvor
beschriebenen Phasen eingegangen werden:
Definition des Kundenbedarfs:
Bei der Lösung eines Kundenproblems liegt die Schwierigkeit häufig darin,
dass das Problem nicht detailliert definiert ist. Eine Vielzahl individueller und
umgebungsbedingter Aspekte bestimmt und beschränkt dabei die Struktur und
den Inhalt des Problems. Anbieter können hier zur Bedürfnisbefriedigung des
Kunden maßgeblich beitragen.
So versucht der Verkäufer bzw. das
Kundenkontaktpersonal im Rahmen des Verkaufsprozesses, dem Kunden bei
der Lösung seiner offenen und/oder latenten Probleme Unterstützung zu
leisten. Dabei ist er im Dialog bestrebt zu erfahren, um welche Art von
Konsumproblemen es sich handelt und wie ausgeprägt das Wissen des
Kunden dabei ist (vgl. Weis 1995, S. 68 ff.).
Den Verkäufer einer Solution charakterisiert, dass er keine standardisierten
Lösungen anbietet, sondern es dem Kunden ermöglicht, ihn in den
Wertschöpfungsprozess der Leistung mit einzubeziehen (vgl. Vargo, Lusch
2004, S. 13). Somit steht nicht mehr das Produkt im Vordergrund, sondern die
Herbeiführung des gewünschten Ergebnisses aus Sicht des Kunden. Die
Aufgabe des Verkäufers der Solution besteht darin, alle
relevanten
Komponenten in einem Anforderungssystem zu generieren und es erfolgreich
in die Umwelt des Kunden einzubinden (vgl. Foote et al. 2001, S. 87).
Customizing und Integration:
Um
eine
den
verfügbaren
Alternativen
überlegene,
integrierte
und
maßgeschneiderte Solution anzubieten, ist es erforderlich, einen Einblick in die
Wünsche des Kunden und seiner Umgebung zu gewinnen (vgl. Johansson,
Krishnamurthy, Schlissberg 2003, S. 120).
16
Die Zusammenstellung der Produkte und Dienstleistungen sollte auf den
gegenwärtigen und ebenso zukünftigen Bedürfnissen des Kunden basieren
(vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 12 f.). Im Rahmen dieser Phase hat der
Solution-Anbieter die Aufgabe, sowohl die Produkte und Dienstleistungen den
Kundenwünschen anzupassen als auch die optimale Gruppierung mit anderen
Produkten und Dienstleistungen herbeizuführen. Je nach Komplexität bzw.
Schnittstellenkompatibilität der Leistungen kann der Customizing- bzw.
Integrationsbedarf unterschiedlich hoch ausgeprägt sein.
Implementierung:
Aus Sicht der Kunden stellt die Implementierung des Lösungsbündels aus
Gütern und Dienstleistungen einen integrierten Teil der zu betrachtenden
Solution dar. Sie besteht aus der Lieferung der Produkte und deren Installation
beim Kunden. Dabei sind dem Kunden – unter Berücksichtigung seiner
Fähigkeiten und Ressourcen – die Informationen anzubieten, die zu einer
Vergrößerung seines Nutzens aus der Solution führen (vgl. Tuli, Kohli,
Bharadwaj 2007, S. 14).
Bei
vielen
Gütern
erwartet
der
Kunde
einen
Auslieferservice
oder
Zustellungsdienst. Die Installation stellt – ebenso wie die Unterweisung im
Gebrauch – einen Teil des technischen Kundendienstes dar. Bei komplexen
Produkten wird die Installation von der Herstellerfirma oder von Fachleuten
vorgenommen, die nicht nur die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten
besitzen, sondern auch über die geeigneten Werkzeuge verfügen. Daneben
werden bei komplexen Produkten zur sachgemäßen Bedienung Schulungen im
Gebrauch angeboten (vgl. Willerding 1987, S. 26 -30; Goffin 1999, S. 375).
Beim Angebot einer Solution werden dabei aus Sicht des Kunden sämtliche
Funktionen vom Solution- Anbieter übernommen bzw. koordiniert. Häufig
kooperiert der Anbieter innerhalb eines Netzwerkes mit anderen Unternehmen,
um das für ihn optimale Ergebnis zu erzielen (vgl. Prahalad 2004, S. 23). Dabei
trägt er allerdings gegenüber dem Kunden die Verantwortung, dass seine
Partner ihre Aufgaben erfüllen (vgl. Johansson, Krishnamurthy, Schlissberg
2003, S. 124).
17
Nachsorge:
Zwischen dem Anbieter und dem Kunden steht nicht mehr lediglich die
einzelne Transaktion, sondern eine fortlaufende Beziehung im Vordergrund
(vgl. Vargo, Lusch 2004, S.12). Die Nachsorge, als Teil des After Sales
Services, ist von wesentlicher Bedeutung in der fortlaufenden AnbieterKunden-Beziehung. Sie gilt somit als ein entscheidender Bestandteil einer
Solution (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 15). Insbesondere bei komplexen
Produkten wird von den Kunden eine effektive und ökonomische Unterstützung
nachgefragt (vgl. Loomba 1996, S. 19).
Im Rahmen der Nachsorge existiert eine Reihe von Möglichkeiten, die
Beziehung zwischen dem Anbieter und dem Kunden zu pflegen. Als
wesentliche Elemente der Nachsorge gelten die Instandhaltung und die
Reparatur. Dazu zählen je nach Produkt auch das Angebot von Ersatzteilen,
die Pflege und die Wartung. Ein weiteres Element der Nachsorge stellt die
Garantieleistung dar. Dabei hat der Kunde die Möglichkeit, diese gegenüber
der gesetzlichen Regelung – z.B. durch Zahlung eines Entgeltes – durch den
Anbieter erweitern zu lassen (vgl. Goffin 1999, S. 377).
Aus Sicht des Kunden ist ein wesentlicher Teil der Nachsorge im Rahmen einer
Solution das Anbieten neuer Produkte und Verbesserungen zu sehen, die die
Leistung
des
eigentlichen
Produktes
erhöhen.
Diese
sollten
den
Kundenbedürfnissen entsprechen (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 15).
Ferner existiert eine Vielzahl möglicher weiterer Bestandteile der Nachsorge,
so z.B. das Angebot weiterer Informationen, die Dokumentation, der Online
Support, und das Kundenkontaktprogramm (vgl. Goffin 1999, S. 377; Harms
1999,
S. 39 ff.). Die Dokumentation beinhaltet dabei die Erfassung des Ablaufs, der
Installation, der Instandhaltung und der Reparatur (vgl. Goffin 1999, S. 376).
Support kann beispielsweise im Rahmen eines Telefonservices angeboten
werden. Im Rahmen des Kundenkontaktprogramms ist durch regelmäßige
Ansprache
durch
Verkäufer,
Einladungen
zu
Events,
Kundenkarten,
Kundenzufriedenheitsbefragungen etc. die langfristige Bindung des Kunden
möglich (Hüttel 1999, S. 61).
Generell ist der Umfang eines After Sales Services jedoch stark von den
einzelnen Bedürfnissen der Nachfrager sowie von der jeweiligen Branche
18
abhängig. Ebenso sollte der Anbieter im Rahmen einer Make-or-BuyEntscheidung überlegen, bestimmte Dienste nicht selbst zu erledigen, sondern
durch spezialisierte Unternehmen vornehmen zu lassen (vgl. Hüttel 1999,
S. 62). Für den Kunden ist hierbei vielfach nicht von Bedeutung, ob der
Anbieter die Nachsorge selbst vornimmt oder diese von einem kooperierenden
Spezialisten durchführen lässt. Wichtig ist jedoch, dass der Umfang und die
Qualität der Nachsorge den Kundenbedürfnissen entsprechen. Erfolgreiches
Agieren in dieser Phase kann dem Anbieter ermöglichen, einen weiteren
Bedarf des Kunden zu entdecken und dementsprechend zusätzliches
Umsatzpotenzial zu heben.
2.2. Organisationale Treiber und Barrieren des Solution
Sellings
Nachdem in den Abschnitten zuvor die definitorischen Grundlagen einer
Solution bzw. des Solution Sellings herausgearbeitet wurden, beschäftigt sich
das nachfolgende Kapitel mit den Faktoren, die wichtig sind, um erfolgreich als
Lösungsanbieter am Markt aufzutreten. Bei einer vom Lehrstuhl für BWL, insb.
Distribution und Handel im Sommer 2007 durchgeführten Studie wurde zu
diesem Zweck die Delphi-Methode angewendet, um organisationale Treiber
und Barrieren des Solution Sellings zu identifizieren.
Obwohl in der Literatur ein heterogenes Bild über die Zielsetzungen und
Durchführungsvarianten einer Delphi-Befragung besteht, zeichnen sich zwei
Richtungen ab – erstens werden sie als eine spezielle Form der
Gruppenkommunikation (vgl. Köhler 1992; Erffmeyer, Erffmeyer, Lane 1986, S.
121; Duffield 1993, S. 227; Delbecq, Van De Ven, Gustafson 1975; Murry,
Hammons 1995; Richey, Mar, Horner 1985, S. 136; Bardecki 1984, S. 281;
Linstone, Turoff 1975, S. 3; Dalkey, Helmer 1963) gesehen und zweitens
bearbeiten sie eine spezielle inhaltliche Fragestellung (vgl. Häder 2002, S. 19
ff. in Verbindung mit Ono, Wedemeyer 1994, S. 290; Richey, Mar, Horner
1985, S. 145). Diese Methode wird insbesondere zur Ermittlung und
Qualifikation von Expertenmeinungen über einen diffusen Sachverhalt sowie
19
zur anschließenden Konsensbildung unter den Teilnehmern herangezogen. Bei
der Expertenauswahl wurden Unternehmen berücksichtigt, die hauptsächlich
kundenspezifische und ganzheitliche Kombinationen von Dienstleistungen und
Gütern anbieten – also die Definition des Solution Sellers erfüllen.
Bezüglich der optimalen Panelgröße gibt es in der Literatur unterschiedliche
Auffassungen, wobei Woudenberg drei Personen als gering ansieht (vgl.
Woudenberg 1991, S. 131 ff.) und
Parenté und Anderson-Parenté zehn
Teilnehmer als Minimum voraussetzen (vgl. Parenté, Anderson-Parenté 1987).
Häder weist darauf hin, dass es keine Obergrenze für die Teilnehmerzahl
geben sollte, solange ein angemessen strukturiertes Panel existiert.
Ausgehend von diesen theoretischen Vorüberlegungen wurde ein DelphiPanel
aus
insgesamt
Banking/Finanzdienstleistungen,
Experten4
39
Handel/Internet5,
aus
den
Bereichen
Hersteller,
Professional
Business Services6 und Wissenschaft gebildet. Größtenteils gehören diese
Unternehmen zu den bedeutendsten und marktstärksten ihrer Branche. Bei der
Auswahl der Teilnehmer wurde verstärkt darauf geachtet, dass diese durch ihre
Position als Mitglied der Geschäftsführung oder als Verantwortlicher im
Marketing/Verkauf über das für die Umfrage erforderliche Expertenwissen
verfügen. Die sechs teilnehmenden Wissenschaftler von Universitäten aus
Großbritannien, USA und Deutschland forschen bereits in dem entsprechenden
Themenbereich. Die Besetzung des Expertenpanels fand länderübergreifend
statt, so dass die Fragebögen wahlweise in Deutsch oder Englisch bearbeitet
werden konnten.
Es
sollten
dabei
insbesondere
potenzielle
Erfolgsfaktoren
und
Hinderungsgründe in den einzelnen Transformationsphasen vom „klassischen
Anbieter“ hin zum Lösungsanbieter identifiziert werden. Für die Delphi4
5
6
Insgesamt wurden 235 schriftliche Anfragen an potenzielle Teilnehmer versandt,
woraufhin sich 64 Experten zur Teilnahme an der über 3 Runden langen Delphi-Befragung
bereit erklärten. Nach Beginn der ersten Runde sagten 25 Experten ihre Teilnahme aus
zeitlichen wie auch fachlichen Gründen ab, so dass das tatsächliche Panel aus 39
Teilnehmern bestand.
Hierunter fallen klassische Handelsunternehmen sowie Internetdienstleister.
Diese Gruppe beinhaltet produzentenorientierte Dienstleistungen wie bspw.
Ingenieurleistungen,
Marktforschung,
Unternehmensund
Rechtsberatung,
Wirtschaftsprüfung und Werbung (vgl. Czarnitzki, Spielkamp 2003, S. 7ff.; Mößlang 1995,
S. 10).
20
Befragung waren insgesamt drei Runden vorgesehen. Durch Reflexion der
Vorrundenergebnisse sollte überprüft werden, ob eine Konvergenz der
Expertenmeinung eintritt und welche eindeutigen Aussagen sich dadurch
ableiten lassen (vgl. Ahlert, Evanschitzky 2003 , S. 74).
Um bei allen Experten das gleiche Begriffsverständnis vorauszusetzen, wurde
jeweils die der Studie zu Grunde liegende allgemeingültige Definition
angegeben.7 Die Expertengruppe wurde zu Anfang jeder Runde darauf
hingewiesen, die Antworten als Branchenexperte zu geben und bei der
Beantwortung von der Situation im eigenen Unternehmen zu abstrahieren.
In der ersten Runde ging es darum, Erfolgsfaktoren und Hinderungsgründe
zu nennen. Hier wurde bewusst auf eine strukturierte Fragestellung bzgl. der
Erfolgsfaktoren und Hinderungsgründe verzichtet, um zu gewährleisten, dass
alle wichtigen Aspekte aus Sicht des Solution Sellings berücksichtigt werden.8
Die beiden in Runde zwei abgefragten Themenbereiche sollten ausschließlich
in quantitativer Form bewertet werden. In der ersten Runde zeigte sich bereits,
dass
die
Erfolgsfaktoren
weitestgehend
mit
den
umgekehrten
Hinderungsgründen identisch waren. Daher wurden die Erfolgsfaktoren und
umgekehrten Hinderungsgründe in Übereinstimmung mit dem Expertenpanel
zusammengefasst, in logischen Gruppen verdichtet und nach Häufigkeit der
Nennung hierarchisch geordnet. Diese Erfolgsfaktorengruppen sollten dann
gemäß ihrer Wichtigkeit bewertet und innerhalb jeder Phase einer Rangfolge
unterzogen werden. Schließlich erfolgte eine Bewertung durch die Verteilung
von 100 Punkten entsprechend der Gewichtung der vier Phasen für den Erfolg
des Solution Sellers und - analog dazu - nach ihrer Eignung, sich vom
Wettbewerb zu differenzieren.
In Runde drei schließlich standen die drei wichtigsten Erfolgsfaktorengruppen
pro Phase erneut zur Abstimmung mit dem Ziel einer Konsensbildung unter
den Experten. Eingedenk der fundamentalen methodisch orientierten Kritik an
7
8
Definiert wurden Erfolgsfaktoren, Hinderungsgründe, der klassische Change Management
Prozess und der Begriff des Solution Selling.
Die Durchführung einer unstrukturierten ersten Delphi-Runde wird auch in der Literatur
empfohlen, vgl. bspw. Hesse, Evanschitzky 2005, S.73 in Verbindung mit Ahlert,
Evanschitzky 2003, S. 72 ff.; Story et al. (2001), S. 489.
21
der Erfolgsfaktorenforschung wurden die von Ahlert et al. propagierten
Maßnahmen
im
Rahmen
der
vorliegenden
explorativen
Delphi-Studie
berücksichtigt, um der geäußerten Kritik standzuhalten (vgl. hierzu und im
Folgenden Ahlert et al. 2005, S. 362 ff.). Die Kritikpunkte der nicht
repräsentativen Stichprobe, der Vorwurf des unangemessenen Verfahrens und
der
unangemessenen
Skalenbildung,
sind
fundamentale
Form-
bzw.
Methodenfehler, die an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden, da sie
simpel und leicht vermeidbar sind (vgl. Ahlert et al. 2005, S. 128). Die
vorgetragene Kritik des nicht ausreichenden Theoriegehalts mit der Folge der
zufälligen Beziehungen zwischen den Variablen ist im Zuge dieser Studie nicht
relevant, da die hier vorgenommene Befragung als Vorstufe zur freien
ungeleiteten Ermittlung von Erfolgsfaktoren gilt. Eine aus dem Zusammenhang
der unterschiedlichen Variablen abgeleitete Hypothesenbildung - wie von Fritz
gefordert (vgl. Fritz 1990 S. 103) - soll nicht Gegenstand dieser Studie sein. So
entkräftet die Delphi-Abfrage als empirische Vorstudie den Kritikpunkt einer
nicht validen Operationalisierung9. Die Gefahr eines Key Informant Bias10
wurde durch die gezielte Auswahl und Expertise wirksam umgangen. Ebenso
wurde dem Non Response Bias entsprechend den Vorschlägen von
Armstrong, Overton11 durch einen zweiseitigen t-Test zwischen den Gruppen
der Früh- und Spätantworter entgegengewirkt. Es kann von dem Nichtvorliegen
einer
systematischen
Verzerrung
(Gefahr
auf
Grund
nicht
100%iger
Rücklaufquoten) ausgegangen werden, da sich keine charakteristischen
Unterschiede zwischen den Gruppen ergaben. Ein sich eventuell ergebendes
Endogenitätsproblem wurde dahingehend gelöst, dass eine Abwägung
zwischen Spezifität (spezielle Unternehmen im Zusammenhang mit Solution
Selling) und Allgemeingültigkeit (Branchenunabhängigkeit) in der Studie
getroffen wurde. Dem ebenfalls im Kritikpunkt des Survival Bias enthaltenen
Vorwurf der Nicht-Repräsentativität - Erfolgsfaktorenstudien berücksichtigen
prinzipiell nur solche Unternehmen, die noch am Markt sind – kann insofern
entgegengetreten werden, als von Ahlert, Schröder unter einem Erfolgsfaktor
9
10
11
Vgl. zur nicht validen Operationalisierung Backhaus et al. 2003; Kube 1990, S. 56f.;
Hildebrandt 1983.
Vgl. zum Key Informant Bias Ernst 2001, S. 87f.
Vgl. Armstrong, Overton 1977, S. 397f. Spät antwortende Teilnehmer weisen ein ähnliches
Antwortverhalten auf, wie diejenigen Teilnehmer, die später erst an der Studie beteiligt
waren.
22
eine Einflussgröße zu verstehen ist, die exzellente von weniger exzellenten
Unternehmen zu unterscheiden ( vgl. Ahlert, Schröder 2001, S. ; ähnlich auch
bei Ahlert, Evanschitzky 2003, S. 51ff.). Dieses impliziert die Persistenz auch
weniger exzellenter Unternehmen, zumal die Nachfrage von den exzellenten
Unternehmen allein nicht befriedigt werden kann ( vgl. Barney 2002). Ebenso
konnte das von Nicolai, Kieser 2002 vorgetragene Argument, wonach die
Unternehmenspraxis nicht an den Ergebnissen der Erfolgsfaktorenforschung
interessiert sei, insofern entkräftet werden, als die Reaktionen der Experten im
Panel
durchweg
positiv
ausfielen
und
ihr
Interesse
an
den
Untersuchungsergebnissen bei über 80% lag ( vgl. Nicolai, Kieser 2002, S.
589f.)
Bei der Datenanalyse ist grundsätzlich zwischen einer explorativen und einer
deskriptiven Arbeitsausrichtung zu unterscheiden. Während sich die deskriptive
Analyse auf einen rein beschreibenden Ansatz stützt, steht im Mittelpunkt der
explorativen Herangehensweise der erforschende und ergründende Aspekt
einer Analyse, die sich im Kontext einer Datenanalyse auf das Aufzeigen von
Häufigkeitsverteilungen metrisch skalierter statistischer Merkmale stützt
( vgl. Eckstein 1999, S. 85 ff.).
Im Kontext der vorliegenden Studie wurden sowohl deskriptive als auch
explorative Datenanalysen vorgenommen, die ermittelten Daten wurden also in
Beziehung zueinander gesetzt und einer betriebswirtschaftlichen Einordnung
zugeführt. Wenn auch auf eine Übersicht über die bisherigen Untersuchungen
zum Thema Erfolgsfaktoren des Solution Sellings hier verzichtet wurde, so
sollen sie bei der explorativen Analyse der Ergebnisse mit herangezogen
werden.
Resultat aus der qualitativ ausgerichteten ersten Delphi-Runde waren 238
wahrscheinliche
Erfolgsfaktoren
bzw.
Hinderungsgründe.
Aufgrund
der
inhaltlichen und methodischen Heterogenität liegen daher oft wenig gesicherte
und teilweise widersprüchliche Untersuchungsergebnisse vor (vgl. Fritz 1989,
S. 14; Link 1997, S. 101). Eine Vielzahl der potenziellen Erfolgsfaktoren scheint
plausibel, was zu einer unübersichtlichen Menge an wahren Erfolgsursachen
führt (vgl. Fischer 1993, S. 19; Jacobs 1992, S. 34; Wohlgemuth 1989,
23
S. 9712 ). Andererseits sind die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der
Komplexitätsreduktion zu beachten (vgl. Hilger 2001, S. 121). Beim DelphiDesign der Folgerunden wurde dieses Dilemma dahingehend aufgehoben,
dass
die
potenziellen
Erfolgsfaktoren
in
36
sachlogischen
Gruppen
zusammengefasst und die überwiegend stichwortartigen Aussagen auf ihre
Kerninformation reduziert wurden. Mit Hilfe der Rangordnung und der
Häufigkeit der Nennung konnten die Erfolgsfaktoren in jeder der vier Phasen
nach Wichtigkeit geordnet werden und bildeten somit die Grundlage für den
zweiten Fragebogen.
Neben der qualitativen Abfrage der potenziellen Erfolgsfaktoren in der ersten
und der Kennzahlen bzw. Messmöglichkeiten in der dritten Runde wurde das
Layout der Fragebögen so gewählt, dass sich durch Verwendung der Likert
Skala Mittelwerte und Standardabweichungen ermitteln ließen.13
Die Ergebnisanalyse der zweiten Delphi-Runde hätte erwartungsgemäß eine
Evaluierung
der
Erfolgsfaktorengruppen
etwa
durch
eine
explorative
Faktorenanalyse umfassen sollen.14 Dem stand jedoch ein zu geringer
Stichprobenumfang im Wege.15 So erfolgte die Validitätsüberprüfung der o. a.
Erfolgsfaktorengruppen über die Befragung der Teilnehmer, in wieweit sie mit
der durchgeführten Vereinfachung/Clusterung übereinstimmten. Auf einer
Skala von eins bis sieben ergab sich ein Wert von 2,1316 für die Zustimmung zu
der vorgenommenen Vereinfachung, was eindeutig als Bestätigung der
Erfolgsfaktorengruppen zu werten ist.
Die Ergebnisauswertung der dritten Runde erfolgte analog zu der Auswertung
der
Runde
zwei
mittels
Berechnung
der
Mittelwerte
und
Standardabweichungen.
12
13
14
15
16
S. 97 führt ein Rechenbeispiel an und kommt auf 1000 potenzielle Erfolgsfaktoren.
Zum allgemeinen Skalenniveau vgl. Backhaus, K. et al. 2006, S. 4 ff.
Eine Analogie kann aufgefunden werden bspw. bei Hesse, Evanschitzky 2005, S. 74.
Backhaus et al. schlagen für eine Faktoranalyse vor, dass die Fallzahl mindestens der
dreifachen Variablenzahl entsprechen soll, mindestens aber der Zahl der Variablen. (vgl.
Backhaus, K. et al. 2006, S. 331). Die hier ermittelte Fallzahl ergab den Wert 36, die Zahl
der zur Abstimmung stehenden Erfolgsfaktoren betrug ebenfalls 36.
Auf einer 7er Likert Skala, wobei 1 = stimme voll und 7 = stimme überhaupt nicht zu
bedeutet.
24
Die Ergebnisse zur Bestimmung der Erfolgsfaktoren und Hinderungsgründe in
den einzelnen Transformationsphasen sind in Form von Mittelwerten und den
entsprechenden
Standardabweichungen
für
Runde
zwei
und
drei
in
nachfolgender Tabelle dargestellt:
Runde 2- Runde 3Mittelwert Mittelwert
Erfolgsfaktor
Runde
2Std.Abw.
Runde
3Std.Abw.
Phase 1: Bedürfnisse des Kunden ermitteln
Mitarbeiterkommunikation
1,51
1,53
0,55
0,50
Unternehmensorganisation
1,91
2,17
1,17
0,82
Mitarbeiterqualifikation
2,03
2,07
0,98
0,77
Kundenmanagement
2,06
[k. W.]
1,32
[k. W.]
IT-Datenverarbeitung
3,15
[k. W.]
1,19
[k. W.]
Kundensupport
2,33
[k. W.]
1,17
[k. W.]
Branchenumfeld
2,86
[k. W.]
1,29
[k. W.]
IT-Datenspeicherung
2,79
[k. W.]
1,21
[k. W.]
Kundenbedürfnisse
2,76
[k. W.]
1,37
[k. W.]
Mitarbeiteranreizsystem
3,32
[k. W.]
1,66
[k. W.]
Phase 2: kundenspezifische und ganzheitliche Zusammenstellung von Dienstleistungen und
Gütern
Kundenbedürfnisse
1,41
1,30
0,60
0,53
Produkteigenschaften
1,63
2,05
0,64
0,58
Unternehmensorganisation
1,80
2,30
1,04
1,00
Mitarbeiterqualifikation
2,17
[k. W.]
0,88
[k. W.]
Kundensupport
2,38
[k. W.]
1,16
[k. W.]
Branchenumfeld
2,80
[k. W.]
1,29
[k. W.]
Produktkennzahlen
3,51
[k. W.]
1,45
[k. W.]
Phase 3: Implementierung der erarbeiteten Lösung von Dienstleistungen und Gütern beim
Kunden
Unternehmensorganisation
1,66
1,87
0,89
0,92
Mitarbeiterqualifikation
1,76
1,87
0,93
0,81
Kundenmanagement
2,21
2,02
1,13
1,10
Kundenbedürfnisse
2,06
[k. W.]
1,08
[k. W.]
Produkteigenschaften
2,09
[k. W.]
0,91
[k. W.]
Produkteinführung
2,36
[k. W.]
0,95
[k. W.]
Produktlieferung
2,29
[k. W.]
0,96
[k. W.]
Mitarbeiteranforderungen
2,32
[k. W.]
0,90
[k. W.]
Mitarbeiteranreizsystem
3,06
[k. W.]
1,21
[k. W.]
Kundensupport
1,34
1,43
0,63
0,62
Unternehmensorganisation
2,26
2,57
1,10
0,99
Kundenmanagement
2,29
2,03
0,92
0,87
Mitarbeiterqualifikation
2,09
[k. W.]
0,89
[k. W.]
Produkteigenschaften
3,12
[k. W.]
1,77
[k. W.]
Mitarbeiteranforderungen
2,47
[k. W.]
0,95
[k. W.]
Unternehmensveränderung
3,15
[k. W.]
1,24
[k. W.]
Phase 4: Kundensupport nach der Implementierung
25
IT-Datenspeicherung
2,94
[k. W.]
1,19
[k. W.]
IT-Unterstützung
3,03
[k. W.]
1,17
[k. W.]
IT-Datenverarbeitung
3,39
[k. W.]
1,35
[k. W.]
Tabelle 3: Bedeutung der abgefragten Erfolgsfaktoren des Solution Sellings pro Phase nach
Rang absteigend geordnet (1 = wichtig; 7 = nicht wichtig; [k.W.] = kein Wert).
Quelle: Eigene Darstellung.
Da naturgemäß die genannten Erfolgsfaktoren meistens den umgekehrten
Hinderungsgründen entsprachen, stimmte in Runde zwei das Expertenpanel
mit
durchschnittlich
Hinderungsgründe
2,117
zu,
Erfolgsfaktoren
zusammenzufassen.
Die
und
daraus
umgekehrte
abgeleiteten
35
Erfolgsfaktorengruppen wurden dann in Runde zwei und drei weiter verdichtet
und auf einen Konsens hin überprüft. Hierbei wurde der Fokus auf die
Standardabweichungen der drei bedeutendsten Erfolgsfaktoren gerichtet,
welche sich von Runde zwei zu drei i. d. R. verringerten, lediglich der
Erfolgsfaktor Unternehmensorganisation in Phase drei weist eine leichte
Erhöhung auf.
Wie in Tabelle 3 ersichtlich, stellt in Phase eins der bedeutendste Erfolgsfaktor
die Mitarbeiterkommunikation dar, in Phase zwei hingegen sind es die
Kundenbedürfnisse.
In
Phase
drei
wiederum
nimmt
die
Unternehmensorganisation die zentrale Position ein und in der abschließenden
Phase vier der Kundensupport. Mitarbeiteranreizsystem, Produktkennzahlen
und die IT-Datenverarbeitung werden als weniger relevant angesehen. Die
weiteren Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Standardabweichungen bei elf von zwölf Erfolgsfaktoren gehen deutlich
zurück. Dies kann als Indiz für eine Konsensbildung gewertet werden;
Die Standardabweichung des Erfolgsfaktors „Unternehmensorganisation“ in
Phase drei verzeichnet eine leichte Zunahme. Dies kann auf eine abweichende
Einzelmeinung zurückgeführt werden, da diese bei einer Panelgröße von
knapp 40 Teilnehmern ein relativ starkes Gewicht bekäme;
Bei genauerer Betrachtung der Daten ist
zu
erkennen, dass die
Standardabweichungen der weniger relevanten Erfolgsfaktoren wesentlich
17
Auf einer 7er Likert Skala, wobei 1 = stimme voll; 7 = stimme überhaupt nicht zu bedeutet.
26
höher sind. Dies deutet auf eine weniger einheitliche Meinung bezüglich der
Wichtigkeit dieser Erfolgsfaktoren hin;
In allen vier Phasen wurde der Erfolgsfaktor Unternehmensorganisation als
eine bedeutende Maßgröße des Solution Sellings angesehen;
IT kann als Erfolgsfaktor in Phase eins und vier eher vernachlässigt werden,
was sowohl an den hohen Mittelwerten als auch an den sehr geringen
Rangpunkten18 zu erkennen ist;
Kundenorientierte Maßgrößen sind in drei von vier Phasen von starker
Bedeutung (Platzierung unter den TOP 3);
In allen Phasen dominieren unternehmensabhängige Erfolgsfaktoren mit
Ausnahme von Phase zwei, in der unternehmensexterne Erfolgsfaktoren die
Transformation beeinflussen.
Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass durchschnittlich sieben bis zehn
Erfolgsfaktoren pro Transformationsphase zu berücksichtigen sind.
Im
Folgenden sollen die Ergebnisse der einzelnen Phasen detailliert dargestellt
werden.
Phase 1 – Bedürfnisse des Kunden ermitteln
Abbildung 3 gibt einen Überblick über die zehn als am wichtigsten erachteten
Erfolgsfaktoren in der ersten Phase – die Ermittlung der Kundenbedürfnisse:
18
Das Expertenpanel wurde in Runde zwei gebeten, pro Phase die drei wichtigsten
Erfolgsfaktoren mit Rang eins bis drei zu markieren. Bei der Auswertung der Rangpunkte
ergaben sich dann für den ersten Rang drei Rangpunkte, für den zweiten Rang zwei
Rangpunkte und für den dritten Rang ein Rangpunkt.
27
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 1
1,80
1,40
1,20
1,00
0,80
0,60
Standardabweichung
1,60
0,40
0,20
un
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M
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m
0,00
Un
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M
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m
Mittelwert
3,40
3,20
3,00
2,80
2,60
2,40
2,20
2,00
1,80
1,60
1,40
1,20
1,00
Mittelwert
Std.-Abweichung
Abbildung 3: Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 1.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Zunächst ist anhand der Mittelwerte erkennbar, dass sich die analysierten
Erfolgsfaktoren in zwei Gruppen gliedern lassen: die erste Gruppe konstituiert
sich
aus
den
Erfolgsfaktoren
Mitarbeiterkommunikation,
Unternehmensorganisation, Mitarbeiterqualifikation und Kundenmanagement.
Die zweite Gruppe umfasst die Erfolgsfaktoren Kundenbedürfnisse, ITDatenspeicherung,
Branchenumfeld,
IT-Datenverarbeitung
sowie
das
Mitarbeiteranreizsystem. Der Erfolgsfaktor Kundensupport weist sowohl enge
Beziehungen zum Faktor Kundenmanagement als Element der ersten Gruppe
als auch zum Faktor Kundenbedürfnisse als Mitglied der zweiten Gruppe auf
und nimmt somit eine ambivalente Position ein.
Vor allem Informations- und Kommunikationsmerkmale der folgenden vier
Faktoren üben einen sehr starken Einfluss auf den Erfolg der Phase eins aus.
Eine
ausgeprägte
Mitarbeiterkommunikation
(aktives
Zuhören,
Kundenbedürfnisse verstehen und die richtigen Ansprechpartner kennen) wird
zusammen
mit
einer
förderlichen
Unternehmensorganisation
(gutes
Wissensmanagement, starke Unternehmenskultur, innovatives und flexibles
Informationssystem) als sehr wichtig empfunden. Mit 2,03 bzw. 2,06 sind die
28
Erfolgsfaktoren
Mitarbeiterqualifikation
Verkäuferbewusstsein)
und
(Solutionerfahrung,
Kundenmanagement
(Bedürfnis-
und
Marktforschung) bewertet. Gerade die Einschätzung des Erfolgsfaktors
Mitarbeiterkommunikation mit einem Mittelwert von 1,51 ist hier besonders
bemerkenswert.
Weniger effektiv schätzt das Panel ein Mitarbeiteranreizsystem (mittel- bis
langfristige Erfolgsausrichtung, einfacher Zielkatalog, Bonussystem) ein. Der
Mittelwert beträgt hier lediglich 3,32 und auch die hohe Standardabweichung
deutet auf eine diesbezügliche verstärkte Unstimmigkeit hin.
Einige der hier identifizierten Erfolgsfaktoren weisen starke Parallelen zu den
von Tuli, Kohli, Bharadwai (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 6f.) benannten
Erfolgsfaktoren
auf.
Die
Autoren
nennen
u.
a.
die
enge
Mitarbeiterkommunikation mit den richtigen Ansprechpartnern sowie das
Verstehen der Kundenbedürfnisse durch eine gezielte Fragestellung als
bedeutende Erfolgsdeterminanten des Solution Sellings in der ersten Phase.
Neben den produktspezifischen Anforderungen sollten Solution Seller zudem
die erweiterten Geschäftsbedürfnisse der Kunden verstehen. Es sind dies u. a.
die internen Abläufe, die Arbeitssituation, das Geschäftsmodell und vieles mehr
(vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 6f.) Nach Fransson (Fransson 2005) ist
hier vor allem die IT als Rückgrat für den Verkaufsprozess und die interne
Koordination zu sehen. Dies unterstreicht das Resultat der hier durchgeführten
Studie, wonach die IT zwar wichtig, aber nicht erfolgsentscheidend ist. 19
In diesem Kontext sei noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in
Phase eins erwähnten Begriffe bzgl. ihrer Bedeutung kontextspezifisch
verstanden werden müssen. So ist die phasenspezifische Signifikanz der
einzelnen in Phase eins erwähnten Erfolgsfaktoren zu unterscheiden von
derjenigen in den jeweils folgenden Phasen. Phase 2 – kundenspezifische und
ganzheitliche Zusammenstellung von Dienstleistungen und Gütern
Abbildung 4 gibt einen Überblick über die sieben als am wichtigsten erachteten
Erfolgsfaktoren
in
der
zweiten
Phase
–
die
kundenspezifische
ganzheitliche Zusammenstellung von Dienstleistungen und Gütern:
19
Vgl. die Studie von Fransson (Fransson 2005).
29
und
3,60
3,40
3,20
3,00
2,80
2,60
2,40
2,20
2,00
1,80
1,60
1,40
1,20
1,00
1,60
1,20
1,00
0,80
0,60
0,40
Standardabweichung
1,40
0,20
en
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nn
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tio
M
n
ita
rb
eit
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qu
ali
fik
at
io
n
Mittelwert
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 2
Mittelwert
Std.-Abweichung
Abbildung 4: Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 2.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Als Führungsgruppe werden hier die drei Erfolgsfaktoren Kundenbedürfnisse,
Produkteigenschaften und Unternehmensorganisation mit einem Mittelwert von
deutlich unter 2,00 erachtet. Die weiteren Faktoren zeigen ein uneinheitliches
Bild,
wobei der am
stärksten
abweichende Wert und harte
Faktor
‚Produktkennzahlen‟ (Umsatz, Margen, Preis, Kosten) am Ende der Skala zu
finden ist.
Phase zwei stellt nach Meinung der Experten in der gängigen Literatur einen
wesentlichen Bestandteil der Lösung für Solution Seller und Kunden dar.
Fundamental
sind
hier
die
Auswahl
und
die
Anpassung
der
Produkteigenschaften an die Kundenbedürfnisse.20
Phase 3 – Implementierung der erarbeiteten Lösung von Dienstleistungen und
Gütern beim Kunden
Abbildung 5 gibt einen Überblick über die neun als am wichtigsten erachteten
Erfolgsfaktoren in der dritten Phase – die Implementierung der erarbeiteten
Lösung von Dienstleistungen und Gütern beim Kunden:
20
Vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 7 in Verbindung mit Sawhney 2006.
30
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 3
1,40
1,00
0,80
0,60
0,40
Standardabweichung
1,20
0,20
0,00
Un
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hm
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M
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ita
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Mittelwert
3,40
3,20
3,00
2,80
2,60
2,40
2,20
2,00
1,80
1,60
1,40
1,20
1,00
Mittelwert
Std.-Abweichung
Abbildung 5: Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 3.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Auch hier lässt sich eine Dreiteilung vornehmen. Gruppe eins umfasst die
Unternehmensorganisation und die Mitarbeiterqualifikation. Gruppe zwei
konstituiert
sich
aus
den
Produkteigenschaften,
Erfolgsfaktoren
Kundenbedürfnisse,
Kundenmanagement,
Produktlieferung,
Mitarbeiteranforderung sowie Produkteinführung. Ähnlich wie in Phase eins
ergibt sich eine Randstellung für den Erfolgsfaktor Mitarbeiteranreizsystem.
Gerade bei der Implementierung der erarbeiteten Lösung von Dienstleistungen
und Gütern beim Kunden ist eine professionelle Angebots-/Vertragsabwicklung,
interner Informationsfluss, durchgängiges Projektmanagement, Innovationskraft
und
ausreichende
gleichrangig
zu
Ressourcen
dem
Mitarbeiterqualifikation
von
herausragender
vorgenannten
mit
den
Faktor
Aspekten
ergibt
Bedeutung.
sich
für
Fast
die
Problemlösungskompetenz,
Fachkompetenz und Teamwork eine ebenfalls zentrale Stellung.
Auch hier sind die Ergebnisse annähernd deckungsgleich mit denjenigen in der
Fachliteratur
enthaltenden.
So
nennen
Tuli,
Kohli,
Bharadwaj
die
Notwendigkeit, das Produkt durch ausreichend Problemlösungskompetenz der
qualifizierten Mitarbeiter in dieser Phase noch kundenbedürfnisgerecht zu
31
modifizieren und anzupassen. Hierbei sind auch der Informationsfluss sowie
das
Projektmanagement
wichtig,
um
dem
Kunden
den
Vorteil
der
implementierten Lösung zu verdeutlichen. Hierzu sollte der Solution Seller
beispielsweise
im
fachkompetente
Zuge
einer
Ressourcen
zur
professionellen
Weiterbildung
Vertragsabwicklung
des
Auftragsgebers
bereitstellen (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 7).
Phase 4 – After Sales/Unterstützung nach der Implementierung
Abbildung 6 gibt einen Überblick über die zehn als am wichtigsten erachteten
Erfolgsfaktoren in der vierten Phase – der Kundensupport nach der
Implementierung:
3,60
3,40
3,20
3,00
2,80
2,60
2,40
2,20
2,00
1,80
1,60
1,40
1,20
1,00
2,00
1,60
1,40
1,20
1,00
0,80
0,60
Standardabweichung
1,80
0,40
0,20
0,00
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Mittelwert
Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 4
Mittelwert
Std.-Abweichung
Abbildung 6: Erfolgsfaktoren und umgekehrte Hinderungsgründe in Phase 4.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Als eindeutig und mit Abstand wichtigster Erfolgsfaktor ist der Kundensupport
anzusehen mit folgenden Parametern: regelmäßige persönliche Betreuung,
selbsterklärendes Produkt, vor Ort-Service, kostenlose Supporthotline, After
Sales und Service Kapazitäten, feste Ansprechpartner bei Fragen und
Problemen,
„Happyness“
vor
Kosten,
interne
Kommunikation
von
Supportstellen, 24/7. Es folgen - mit einigem Abstand - die Erfolgsfaktoren
Mitarbeiterqualifikation,
Unternehmensorganisation,
32
Kundenmanagement,
Mitarbeiteranforderungen,
IT-Datenspeicherung,
IT-Unterstützung,
Produkteigenschaften und Unternehmensveränderung. Den Abschluss bildet
die IT-Datenverarbeitung zur Vergleichbarkeit von Kosten/Nutzen.
In der Literatur wird bei Tuli, Kohli, Bharadwaj diese Phase als die insgesamt
kritischste des Solution Sellings gesehen. Neben der üblichen Bereitstellung
von Ersatzteilen, Nutzerinformationen und Routineüberprüfung ist vor allem die
Einführung modifizierter Güter und Lösungen wichtig, welche den veränderten
Kundenbedürfnissen gerecht werden. Das Hauptaugenmerk liegt also auf dem
individualisierten, kompetenten Kundensupport, wie bereits in den Ergebnissen
der vorgelegten Befragung validiert. Generell ist hierbei noch zu beachten,
dass der Fokus vor allem auf einer längerfristigen Geschäftsbeziehung und
weniger auf einer einmaligen Transaktion liegt (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj
2007, S. 7).
Zusammenfassend zu diesem Teil lässt sich feststellen, dass die Relevanz für
die Unternehmenspraxis hauptsächlich auf den vier Phasen der Definition nach
Tuli et al. (2007) aufbaut, da diese den Betrachtungswinkel des Solution Sellers
mehr auf die erfolgsentscheidende Kundenperspektive richtet. So sollten
Solution Seller neben dem eigentlichen Prozess der kundenspezifischen und
ganzheitlichen Zusammenstellung von Dienstleistungen und Gütern noch den
Fokus auf die mindestens ebenso wichtigen Perspektiven, „Bedürfnisse des
Kunden ermitteln‟, „Implementierung der erarbeiteten Lösung beim Kunden‟
und „Kundensupport nach der Implementierung‟, legen. Das Ergebnis der
Studie bestätigt, dass ein erfolgreicher Solution Seller alle vier Phasen
beherrschen sollte. Vor allem die Phasen eins - Bedürfnisse des Kunden
ermitteln - und vier - Kundensupport nach der Implementierung - sind
fundamental für eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern. Zudem
ermöglicht die Einbeziehung aller vier Phasen, das Leistungsspektrum für den
Kunden zu erhöhen, was in einer höheren Zahlungsbereitschaft der Kunden
mündet.
33
3 Vergleich der Solutionorientierung in der BRD und
den USA
3.1. Analyserahmen und Modell
Nachdem
der
vorangegangene
Abschnitt
die
Ergebnisse
einer
Expertenbefragung zu den Erfolgsfaktoren des Solution Sellings zum Thema
hatte, soll in diesem Kapitel die Analyse der Lösungsorientierung von
Unternehmen erfolgen. Im Folgenden soll dabei eine Zusammenfassung der
Ergebnisse einer Untersuchung des Lehrstuhls für BWL, insb. Distribution und
Handel aus dem Frühjahr 2007 herangezogen werden. Der Analyserahmen
bzw. das Modell wird dabei in diesem Kapitel vorgestellt, die Präsentation der
verdichteten Ergebnisse liefert Abschnitt 3.2. Als Untersuchungsobjekte
wurden große deutsche und amerikanische Unternehmen ausgewählt, die
jeweils in ihrem nationalen Aktienleitindex vertreten sind. Als Analysemodell
dient dabei eine modifizierte Version der Balanced Scorecard (BSC), die z.T.
auch
die
Erfolgsfaktoren
der
Delphi-Untersuchung
berücksichtigt.
Im
Gegensatz zur Originalversion der BSC, die darauf abzielt, eine Strategie mit
den Oberzielen des Unternehmens zu verknüpfen und den jeweiligen
Erfolgsfortschritt der heruntergebrochenen Maßnahmen zu bestimmen ( vgl.
Kaplan, Norton 1997), zielt die hier entwickelte “Solution Selling Balanced
Scorecard” (SSBSC) darauf ab, die Lösungsorientierung eines Unternehmens
zu messen. Die Datengrundlage wird in diesem Zusammenhang von den
Geschäftsberichten der betrachteten Unternehmen gebildet. Aufgrund von
Informationsrestriktionen,
die
sich
aus
der
Datenbasis
in
den
Geschäftsberichten ergeben, werden nicht alle Kriterien der Original Balanced
Scorecard verwendet. Gleichwohl beinhaltet das hier präsentierte Modell die
meisten Vorteile der BSC und ist zudem traditionellen Bewertungssystemen,
wie Indikatoren- oder Ursachen-Wirkungsbasierten Methoden überlegen.
Dabei werden 3 klassische Perspektiven der Original BSC übernommen:
Business Process Perspective,
Customer Perspective und
Learning Perspective.
34
Die Beschreibung der einzelnen Perspektiven soll im Folgenden dargestellt
werden:
Business Process Perspective
Im Vergleich zur BSC ist in dem der hier vorliegenden Analyse die Business
Process Perspective die dominante Perspektive der SSBSC. Sie enthält die
zuvor
erläuterten
vier
Phasen
des
Solution
Selling
Prozesses:
(1)
Bedarfsanalyse, (2) Customization und Integration, (3) Implementierung und (4)
Nachsorge, (Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007, S. 12-16) und bildet somit umfassend
die zentralen Aspekte bei der Gestaltung der Angebotsseite ab. Auf eine
erneute ausführliche Beschreibung der vier Phasen soll hier verzichtet werden,
da diese in Kap. 2.1.2 wiederzufinden ist.
Customer Perspective
Die Kundenperspektive bildet die Interaktion eines Unternehmens mit seinen
Kunden ab und bewertet dabei die Fähigkeit individuelle Lösungen anzubieten,
um so Mehrwert(e) zu erzeugen. Innerhalb dieser Dimension erfolgt eine
Kriterienaufteilung in das Business Model und den Bereich Customer
Relationship Management, wie die nachfolgende Abbildung 7 verdeutlicht.
Abbildung 7: Kriterien der Customer Perspective.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Das Value-model bezeichnet die Art und Weise, wie ein Unternehmen mit dem
Angebot von Lösungen Geld verdient. Innerhalb der Kundenperspektive
werden Unternehmen dabei bewertet, inwieweit der Kunde im Rahmen des
Geschäftsmodells im Fokus der Unternehmensstrategie steht.
Das proceeds-model beschreibt die Transformation bzw. Umrechnung einer
angebotenen Leistung in entsprechende Abrechnungsgrößen (s. dazu auch
Kleikamp 2002, S. 14). Wenn bspw. der Nutzen bzw. die Problemlösung auf
Kundenseite darin besteht, Licht in einem Fußballstadion zu erhalten (inklusive
35
Wartung, Austausch der Lampen, Reinigung etc.), dann sollte die Bezahlung
auf Basis der Performance, d.h. in kw/h erfolgen. Einen entsprechenden
Rahmenvertrag hat z.B. der Fußballverein Schalke 04 in seiner Arena auf
Schalke vereinbart.
Das Kriterium der architecture bezieht sich auf die kundennahe Ausgestaltung
der Organisationsstruktur. Oft nehmen Unternehmen hier eine Aufteilung in
eine Vorder- und Hintergrundorganisation vor (vgl. Shawhney 2006, S. 373375). Während
das Vordergrundsystem
sich
darauf
konzentriert,
die
Kundenbedürfnisse adäquat zu erfüllen, werden die Prozesse, die keinen
direkten Kundenkontakt benötigen, von den Mitarbeitern im Hintergrundsystem
gemanagt (Ahlert, Evanschitzky 2003, S. 407).
Die Kenngröße Cooperations with suppliers bildet die Möglichkeit ab, dass
ein
Unternehmen
u.U.
auch
mit
weiteren
Lieferanten
oder
gar
Konkurrenzunternehmen zusammenarbeitet, um seinen Kunden eine optimale
Lösung anzubieten. Dies kann der Fall sein, wenn aufgrund der Komplexität
der Problemstellung keine (rein) interne Lösung angeboten werden kann.
Gleichwohl soll es dem Solution Seller vorbehalten sein, den Lösungsprozess
durch die Steuerung eines Lieferantennetzwerks zu kontrollieren bzw. den
Kundenkontakt zu führen (vgl. Edelmann 1998; Davies, Brady, Hobday 2006,
S. 188).
Ein weiteres Kriterium ist die sogenannte spatial distance. Diese Größe steht
für die Kundennähe bzw. bewertet ob ein Unternehmen tatsächlich persönlich
mit dem Kunden interagiert bzw. inwieweit der Kunde in die Lösungsproduktion
mit eingeschlossen wird.
So kann bspw. im Rahmen von komplexen
Anlageinstallationen das Aufsetzen eines Teams mit KundenAnbieterunternehmensvertretern
für
den
Erfolg
einer
und
solchen
Lösungskonzeption von entscheidender Bedeutung sein. Im Automobilsektor
kommt es sogar häufig vor, dass sich Zulieferunternehmen ganz in der Nähe
der Automobilhersteller niederlassen, um „just-in-time“ liefern zu können.
Reputation ist schließlich die letzte Zielgröße im Rahmen der Customer
Perspective. Der Aufbau eines guten Rufs ist für Unternehmen, die Lösungen
anbieten von sehr hoher Bedeutung, da diese oft spezifische Investitionen in
einen speziellen Kunden tätigen, die bei Beendigung der Geschäftsbeziehung
verloren gehen kann (vgl. Wildemann 1994). Vertrauensbildende Maßnahmen
36
ermutigen zudem auch den Kunden, in die Beziehung mit einem Anbieter zu
investieren, so dass beide Partner profitieren können und Anreize haben, diese
aufrecht zu erhalten bzw. zu intensivieren. Dies kann dann zur einfacheren
Realisierung von Skalen- und Erfahrungskurveneffekten führen (Siebert 2006,
S. 21f.).21 Ein Indikator für diese Größe ist z.B. die Verleihung des Titels
“supplier of the year”.
Learning Perspective
Mit dieser Perspektive wird abgebildet, welche Schritte ein Unternehmen in
Zukunft tätigen möchte, um sich zum Lösungsanbieter zu wandeln, es wird also
das Solution Selling Potenzial erfasst. Während Aktionen und Investitionen in
der Vergangenheit nicht sehr gut für die Potenzialbestimmung geeignet sind,
so zeigt sich in dieser Größe, was ein Unternehmen für Pläne hat, in Zukunft
Solutions anzubieten. Insbesondere diese dynamische Perspektive erlaubt es,
Rückschlüsse über die zukünftige Strategie aus den Geschäftsberichten
abzuleiten. Abbildung 8 zeigt die einzelnen Kriterien der Learning Perspective.
Abbildung 8: Kriterien der Learning Perspective.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Die Mitarbeiter (employees) sind im Lösungsgeschäft ein sehr wertvoller
Bestandteil des immateriellen Unternehmensvermögens. In einer zunehmend
wissensbasierten Gesellschaft benötigt ein Lösungsanbieter das Know-How
und die Kompetenzen von gut ausgebildeten Mitarbeitern, die Antworten für die
komplexen Problemstellungen der Kunden finden können.
Eng mit den Mitarbeitern ist auch das Kriterium training verbunden, Gerade im
Bereich des Kundenkontaktpersonals verlangt das Angebot von Lösungen ein
Umdenken und eine Veränderung in der Art des Auftritts und der Beratung (vgl.
Choos, Surdel 2005, S. 7). Mit steigender Komplexität der Aufgabe werden
spezifische Trainings- und Ausbildungsmaßnahmen notwendig, um die
21
Durch spezifische Investitionen steigt auch die Produktivität und die Fixkosten. Für das
Vordergrundsystem können bspw. über mehr als ein Projekt aufgeschlüsselt werden.
37
entstehende Wissenslücke zu schließen und die Mitarbeiter auf neue
Herausforderungen vorzubereiten.
Einige Unternehmen haben im Lösungsgeschäft häufig das Problem, emotional
und räumlich nicht so dicht am Kunden zu sein oder nicht über entsprechendes
Know-how zu verfügen. Als Alternative zu Kooperationen lassen sich durch
acquisitions (Übernahme von Unternehmen) diese Unterschiede egalisieren
(vgl. Siebert 2006, S. 17).
Wichtig für die Speicherung und Vernetzung von Projekt- und Kundendaten
sind leistungsfähige information systems. Anbieter und Nachfrager gehen
enge Beziehungen ein, die auch in der Informationstechnik abgebildet werden
müssen, wie bspw. simultane Ingenieursprozesse oder „just-in-time“Lieferungen.
Neben
Investitionen
benötigen
Unternehmen
auf
dem
Wandel
zum
Lösungsanbieter auch ein hohes Maß an Flexibilität, um sich an die
verändernden Angebotswelten anzupassen. Die einzelnen Kriterien dieser
zweiten Dimension der Learning Perspective werden im nächsten Abschnitt
dargestellt: Während sich beim Angebot von Lösungen nur sehr schwer
„economies
of
scale“
realisieren
lassen,
sollte
durch
ein
aktives
Wissensmanagement der Fokus auf sogenannte “economies of repetition”, d.h.
Skaleneffekte durch die Durchführung ähnlicher Projekte, gelegt werden ( vgl.
Shawhney 2006, S. 373). Insbesondere das Vordergrundsystem, welches
direkt mit dem Kunden zusammenarbeitet, sollte mit einem knowledgemanagement
System
ausgestattet
sein,
das
alle
wichtigen
Daten
(Informationen, Wissen und Fähigkeiten des Unternehmens, welches wichtig
ist, um eine Vielzahl von Probleme zu lösen) orchestriert. Neben dieser
Bereitstellung von Daten ist das Wissensmanagement ein Instrument, um
Aufgaben zwischen dem Vorder- und Hintergrundsystem abzustimmen, es
sollte also auch Projektmanagementfunktionen beinhalten (vgl. Sydow, Well
2006,
S.
171.).
Zudem
kann
dies
auch
mit
den
Systemen
der
Kooperationspartner und der Kunden verknüpft werden, so dass das gesamte
Netzwerk leistungsfähiger arbeitet. Ein gutes Wissensmanagementsystem ist
die Basis für organisationales bzw. interorganisationales (bei Verknüpfung mit
externen Systemen) Lernen (vgl. Prange 2006, S. 195-198). Des Weiteren
erlaubt
das
Wissensmanagementsystem
38
aufgrund
der
detaillierten
Informationen über die spezifischen Kundenprobleme sowie die in der
Vergangenheit angebotenen Lösungen eine gleichmäßige und durchdeklinierte
Abwicklung der vier Phasen des Solution Selling Prozesses.
Wie zuvor unter dem Stichpunkt architecture besprochen, sollte der Prozess
des building up foreground and background systems (Aufbau eines
Vorder-
und
Hintergrundsystems)
innerhalb
der
Learning
Perspective
gemessen werden. Insbesondere können hier Interessengruppen aus Angst
vor
dem
Jobverlust
ihrer
Klientel
den
organisationellen
Restrukturierungsprozess lähmen. Deswegen kann die Transformation zum
Lösungsanbieter z.T. sehr langwierig sein.
Ein weiteres Erfolgskriterium für größere Unternehmen ist die Delegation von
Aufgaben an lokale Teams, die eng mit dem Kunden zusammenarbeiten und
gemeinsam die Lösung ausarbeiten. Dieses Delegating von Entscheidungen
an lokale Teams erlaubt den dezentralen Managern zudem ein schnelles
Treffen von Entscheidungen.
Um einen permanenten Informationsaustausch zwischen Nachfrager und
Anbieter zu gewährleisten, wird ein flexibles Informationssystem (flexible
information
system)
benötigt.
Die
lokalen
Teams
müssen
ihr
Informationssystem an das des Kunden anpassen, ohne dass es zu
Schnittstellenproblemen mit dem Hintergrundsystem kommt.
Schließlich sollte das Bewertungsschema auch den Exaktheitsgrad der
Informationen mit einschließen. Die nachfolgende Abbildung gibt dazu einen
Überblick.
39
Kategorie
Charakteristika
Note
1) exakt angegebener Wert
Angabe einer genauen Zahl (Umsatz: 100 Mio. €)
1
(2) Intervallangaben
in einem Bereich von – bis
0.8
(3) vergleichende Aussagen
ansteigend – absteigend
0.6
(4) qualitative Aussagen
Hoch – niedrig; gut – schlecht
0.4
(5) nicht klassifizierbare
“Wir wollen unseren Service ausbauen.”
0.2
Aussagen
Abbildung 9: Exaktheitsniveaus der Information.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Aufgrund gewisser Einschränkungen der Finanzberichterstattung können nicht
alle Kriterien bei allen Unternehmen bewertet werden. Zudem ist es häufig der
Fall, dass in den Geschäftsberichten nicht alle Phasen des Solution Selling
Prozesses angemessen beschrieben werden, was dann zu schwächeren
Ergebnissen bei den entsprechenden Unternehmen führt, auch wenn die
Unternehmen in den anderen (beschriebenen) Phasen gut abschneiden. Da es
bisher noch keine Untersuchungen gibt, welche der 4 Phasen die größte
Wichtigkeit besitzt, werden in diesem Modell alle Phasen gleichmäßig
gewichtet. Diese informationsbasierten und methodischen Limitationen müssen
im Rahmen der Untersuchung in Kauf genommen werden. Zielsetzung ist
deswegen
hauptsächlich
gewisse
Tendenzaussagen
zur
Lösungsorientierung von deutschen und amerikanischen Unternehmen
treffen zu können.
Die Unternehmen wurden über die vier Phasen und die Customer und Learning
Perspective mittels Schulnoten bewertet, d.h. 6 ist die schlechteste Note, 6+
entspricht dem Wert 5,75 und umgekehrt ist eine 0,75 die bestmögliche Note.
Die Ergebnisse wurden danach mit den Kriterien der Financial Perspective in
Verbindung gesetzt.
3.2. Ergebnisse
Wie zuvor beschrieben, erfolgte auf Basis der SSBSC eine Bewertung der im
DAX und im Dow Jones gelisteten Unternehmen. Die Ergebnisse gibt
Abbildung 10 wieder.
40
Abbildung 10: Lösungsorientierung von DAX und Dow Jones Unternehmen.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl im deutschen und amerikanischen Raum
sehr große Unterschiede hinsichtlich der Gesamt-Lösungsorientierung (whole
company) als auch innerhalb der einzelnen Phasen bzw. Perspektiven
bestehen. Während bei den deutschen Unternehmen BASF, Siemens und
Deutsche Post an der Spitze stehen, positionieren sich auf US-Seite Boeing,
HP, IBM, P&G, Home Depot und Citigroup in vorderster Front. Tendenziell
41
weniger solutionorientiert schnitten auf DAX-Seite Allianz, Hypo Real Estate
und RWE ab, während dies im Rahmen der Dow Jones-Unternehmen bei
Merck und Du Pont der Fall war. Somit lassen sich anhand dieser Analysen
erste Beispiele für daran aufbauende Best Practice Studien identifizieren, die
Gegenstand des nachfolgenden Kapitels sind.
42
4 Best practices
Im Folgenden sollen vier spezifische Beispiele von Unternehmen, die
Lösungen anbieten, vorgestellt werden. Bei der Auswahl dieser sogenannten
Best practices wurde neben einer Berücksichtigung sowohl deutscher als auch
ausländischer Unternehmen darauf geachtet, dass die vorgestellten Fälle
mehrere
Facetten
des
Lösungsangebots
aufzeigen.
Zudem
wurden
Unternehmen ausgewählt, die in der zuvor dargestellten Bewertung der
kommunizierten Lösungsorientierung sehr erfolgreich abgeschnitten hatten.
Während der BASF-Case darauf abzielt, die organisatorische Verankerung des
Lösungsgeschäfts zu skizzieren, dient das Siemens-Beispiel dazu, ein weltweit
genutztes Tool zum vereinfachten Angebot von Lösungen zu beschreiben. Im
Rahme
des
Boeing-Falls
wird
eine
Plattform
vorgestellt,
die
das
Netzwerkmanagement für das Lösungsangebot vereinfacht, und schließlich
beschreibt der Hewlett Packard Case verschiedene operative Ausgestaltungen
der Vermarktung und Umsetzung von Lösungen. Zielsetzung dieser Auswahl
ist demnach, eine umfassende Darstellung verschiedener Herangehensweisen
von erfolgreichen Solution Sellern zu präsentieren.
4.1. BASF AG
Die BASF AG verkauft bereits seit 1997 „Lösungen“ im Sinne eines Solution
Sellers.
Im
Rahmen
Solutionorientierung
des
der
sich
anschließenden
Unternehmens
wird
Beschreibung
insbesondere
auf
der
die
Auswirkungen des unternehmensweiten Strategiewechsels 2003 eingegangen,
welcher den Geschäftsbereichen eine exaktere Positionierung im Bereich des
Solution Sellings abverlangte.22
Die BASF AG (Badische Anilin- und Soda-Fabrik) wurde 1865 in Mannheim
von
Friedrich
Engelhorn
gegründet.
Heute
befindet
sich
die
Unternehmenszentrale in Ludwigshafen. Der Umsatz der BASF AG im Jahr
2006 betrug 52,61 Milliarden Euro. Mit 95000 Mitarbeitern ist der Konzern in
22
Grundlage ist hier der Geschäftsbericht der BASF 2006.
43
200
Ländern
auf
verschiedenen
Märkten
(Chemie,
Kunststoffe,
Veredelungsprodukte, Pflanzenschutz & Ernährung, sowie Öl & Gas) vertreten.
Im Mai 2003 trat Jürgen Hambrecht sein Amt als Vorstandsvorsitzender an
und mit ihm wurde eine neue Unternehmensstrategie formuliert, die der BASF
AG bis 2015 die Position des weltweit führenden Chemiekonzerns sichern
sollte. Die Hauptziele sind unter folgenden Stichpunkten zusammenzufassen
(BASF-Geschäftsbericht 2006, S. 26):
Profitabel wachsen, d.h. eine höhere Rendite als die Kapitalkosten
verdienen,
dem Kunden helfen, noch erfolgreicher zu sein,
das beste Team der Industrie stellen und
eine nachhaltige Entwicklung sichern.
Zwar bilden immer noch 60% standardisierte Produkte den Umsatz des
Unternehmens, doch umfassen bereits 40% der abgesetzten Leistungen des
Unternehmens individuelle und in Abstimmung mit dem Kunden erbrachte
Produkte und Lösungen (BASF-Geschäftsbericht 2006, S. 39). Beispielhaft
werden
hier
zwei
Ansätze
aus
den
Bereichen
Kunststoffe
und
Veredelungsprodukte vorgestellt, die die Umsetzung des Solution Sellings im
Rahmen der Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess
demonstrieren.
Zunächst soll das Angebot von Lösungen am Beispiel der Unternehmenssparte
BASF Coatings, die Anstrichfarben-, Lacke sowie Polymere herstellt und im
Geschäftsjahr 2006 mit 8000 Mitarbeiter einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro
realisierte, verdeutlicht werden. Der Prozess des Autolackierens ist als sehr
komplex
einzustufen.
BASF
Coatings
unterstützt
als
integrierter
Lösungsanbieter die Automobilhersteller im Rahmen des Lakierprozesses und
ist dabei auch direkt in das Herstellungsverfahren involviert. Neben der
Überwachung des Lackiervorgangs sieht sich das Unternehmen ebenfalls
verantwortlich für den Kauf, die Lagerung und die Aufbereitung der benötigten
Chemikalien sowie die Qualitätsüberprüfung der Ergebnisse. Zusätzlich
beteiligt sich BASF Coatings in Abstimmung mit
seinen Kunden an der
Produktentwicklung. Diese Unterstützung seitens BASF Coatings reicht dabei
über alle vier Phasen des Solution Sellings (Identifikation des Kundenwunschs,
Customizing und Integration, Implementierung und Nachsorge).
44
Die Bezahlung erfolgt auf der Basis pro lackiertem Auto, weswegen BASF
Coatings darauf konzentriert ist, seine Kosten fortwährend zu senken und
gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen, was sowohl den Interessen des
Unternehmens als auch denen des Automobilherstellers entspricht.
Aufgrund seiner erfolgreichen Zusammenarbeit als langfristiger Lösungspartner
in der Automobilindustrie, wurde BASF Coatings diverse Male mit dem OEM
(Original Equipment Manufacturer) Award, einem der bedeutendsten Preise für
die (Zuliefer-) Industrie, ausgezeichnet. Mit 30 betriebenen Lackierereien und
fünf Millionen lackierter Autos pro Jahr lassen sich für BASF Coatings
Erfahrungskurveneffekte und Economies of Scale realisieren, die innerhalb der
verschiedenen Prozessschritte
Kosten, Energie und Luftverschmutzung
reduzieren können. So schaffte es BASF bspw. in Kooperation mit Renault,
den Farbverbrauch pro Auto um 30% über fünf Jahre hinweg zu senken, in
Zusammenarbeit mit BMW konnte eine Senkung des Energieverbrauchs um
10% realisiert werden.
BASF Coatings ist als Lösungsanbieter an einer langfristigen und gut
funktionierenden Beziehung mit seinen Kunden interessiert. Daher investiert
das Unternehmen besonders in die Entwicklung von Produkten (Phase 2)
sowie
in
das
fundamentale
Verständnis
über
die
Prozesse
und
Wertschöpfungsmechanismen seiner Kunden (Phase 1).
Um nachhaltig und erfolgreich Solutions anbieten zu können, ist BASF
Coatings organisatorisch in ein Vorder- und Hintergrundsystem aufgeteilt. Das
Vordergrundsystem
kann
sich
vollständig
auf
den
Kundenwunsch
konzentrieren, ohne von standardisierten Prozessen abhängig zu sein, da
diese vom Hintergrundsystem koordiniert werden (Ahlert, Evantschitzky 2003,
S. 407). Sogenannte „Global Key Account Manager“ betreuen ein Team von
Mitarbeitern vor Ort, deren Gruppenstärken zwischen wenigen und 72
Beschäftigten
schwanken
kann
und
stellen
die
Identifikation
der
Kundenwünsche sicher (Phase 1). Phase 2 und 3 umfasst die Erarbeitung
einer
Umsetzungs-
und
Preisstrategie.
Das
Hintergrundsystem
wirkt
unterstützend, indem es bei komplexen Entscheidungen behilflich ist,
Informationen
bereit
stellt,
Prozesse
Kundenkontaktpersonal entlastet.
45
koordiniert
und
so
das
Besonders in Phase 4 zeigt sich die Wirksamkeit eines strukturierten
Marktauftrittes und eines harmonischen Zusammenspiels zwischen den beiden
Systemen, da die Qualität der Nachsorge die Kundenbindung erheblich
beeinflusst.
Der organisatorische Aufbau, das Maß an Effizienz sowie das Kontrollsystem
befähigen BASF Coatings, Lösungen direkt auf das Geschäft des Kunden
zuzuschneiden und den Lackierprozess mit diesem gemeinsam zu entwickeln
bzw. anzupassen.
BASF Coatings nutzt
Automobilsektors
für
sein
umfassendes Know-how im
Partnerschaften
mit
anderen
Bereich
des
Unternehmen
auf
marktverwandten Gebieten. Seit Anfang 2005 unterhält BASF Coatings bspw.
eine Kooperation mit der International Wheel Group (IWG) und strebt an, bis
2010 alleiniger Anbieter spezieller kathodischer Lackierungen zu sein (BASF
Geschäftsbericht 2006, S. 33f.). Damit verdeutlicht dieses Beispiel ebenso die
Möglichkeit, durch das erfolgreiche Angebot von Lösungen, das eigene
Geschäft auch in nahe bzw. artverwandte Geschäftsfelder zu erweitern.
Anhand eines zweiten Beispiels soll das Angebot von Lösungen im BASFKonzern verdeutlicht werden. BASF gehört international zu den führenden
Herstellern von technischen Kunststoffen und Polymeren. Das Segment der
Kunststoffe realisierte im Geschäftsjahr 2006 einen Umsatz von 12,8 Milliarden
Euro, knapp ein Viertel des gesamten Konzernumsatzes. Im Jahr 2003
implementierte der Geschäftsbereich eine neue Strategie, die unter dem
Namen „PlasticsPlus“ formuliert wurde und klare Zielsetzungen hinsichtlich des
zukünftigen Angebotsportfolios hatte:
Systemlösungen in Zusammenarbeit mit den Kunden zu entwickeln
Erweiterung des Angebots über die gesamte Wertschöpfungskette, um
dem Kunden die Möglichkeit zu geben, Systemkosten zu senken
zugeschnittene Servicepakete für bestimmte Sektoren anzubieten
Kollaboration mit Kunden und Marktpartnern auf verschiedenen Ebenen
Um
diese
Zielsetzung
Kunststoffsegment
zwei
zu
realisieren,
Strategien:
zum
vereint
einen
BASF
das
in
seinem
Anbieten
von
unverarbeitetem Material zu niedrigen Kosten und zum anderen das individuell
zugeschnittene Angebot spezifischer Kunststoffverarbeitungen. Letztgenanntes
erfordert eine genaue Analyse des Kundenbedarfs sowie die Integration der
46
Kundenwünsche
in
die
Leistung,
beispielsweise
das
Anbieten
eines
„Mehrwerts“ durch zusätzlichen Service. BASF hat sich als Ziel gesetzt, den
Umsatz und das Einkommen aus diesen speziellen Angeboten innerhalb der
nächsten fünf Jahre um 50% zu steigern.
Während BASF„s Strategie für das erstgenannte Geschäftsmodell die
Kostenführerschaft darstellt, zielt die Letztere darauf ab, Solutions anzubieten.
Dieser anfängliche Widerspruch findet aber in dem Ziel des Unternehmens
Berechtigung, unterschiedliche Kundentypen anzusprechen. Dementsprechend
möchte
BASF
die
Bedürfnisse
von
Kunden
mit
divergierenden
Geschäftsmodellen ansprechen und betreuen können. Da BASF weltweit zu
den größten Herstellerunternehmen in diesem Bereich zählt, bildet der Verkauf
von
Rohmaterialien
ohne
Services
noch
immer
die
Basis
des
Unternehmensgeschäfts. Zusätzlich nutzt BASF allerdings die Möglichkeit des
wachsenden Markts im Servicesektor. Somit lässt sich an diesem Beispiel auch
ein typischer Weg vom reinen Produzenten hin zu einem Anbieter komplexer
Services
und
Lösungen
aufzeigen,
der
das
Massengeschäft
nicht
vernachlässigt, sich aber gleichzeitig auf das lukrativere und schneller
wachsende Zusatzgeschäft konzentriert. Herausforderungen bei diesem
Wandel
sind
insbesondere
die
Anpassung
der
Organisations-
und
Führungsstruktur sowie die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter.
4.2. Siemens AG
Die Siemens AG wurde 1847 von Werner von Siemens gegründet, betreibt
heute zwei Hauptsitze in München und Berlin und beschäftigt rund 475.000
Mitarbeiter in mehr als 190 Ländern. Das Unternehmen zählt zu den größten
Energietechnik- und Elektronikkonzernen weltweit und verteidigt seine
Marktposition sehr erfolgreich in den Segmenten Automation und Control,
Power, Transportation, Medical, Information und Communication sowie
Lighting. Mit einem Nettoumsatz von 87, 325 Mrd. € und einem Nettogewinn
von 3,03 Mrd. € erzielte die Siemens AG ein erfolgreiches Ergebnis im
Geschäftsjahr 2006.
47
Seit April 2005 formuliert die Siemens AG in ihrer „Fit4more“- Strategie,
bestehend aus den Bausteinen Performance und Portfolio, Operational
Excellence, People Excellence und Corporate Responsibility Zielsetzungen für
nachhaltiges
Wachstum,
Innovation
und
kultureller
wie
ethnischer
Verantwortung. Eine explizite Solution Selling Strategie ist in diesen
Strategiepfeilern nicht enthalten, im folgenden Case wird vielmehr ein Tool
beschrieben, welches das Angebot von kundenindividuellen Lösungen im
Siemens Konzern vereinfachen soll.
Derzeit lässt sich ein Wandel von einer eher industriell geprägten Wirtschaft hin
zu einer serviceorientierten und wissensbasierten Ökonomie beobachten.
Dieser
Prozess
bringt
neue
Spielregeln
mit
sich.
Nicht
allein
die
betriebswirtschaftliche Führung, sondern ebenso das Management der
„weichen“ Faktoren wie Wissen, Information und Intelligenz sind zentrale
Bestandteile einer erfolgreichen „new economy“ (vgl. Barber, Strack, Villis
2000).
Ein Unternehmen, das sich als Lösungsanbieter versteht,
sollte
demnach über ein Wissensmanagementsystem verfügen, welches einerseits
Informationen über aktuelle und potenzielle Kunden sammelt und zudem für die
Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen im Netzwerk genutzt werden kann.
Ein proaktiver Umgang mit Wissen führt zu interorganisationalem Lernen (vgl.
Prange 2006, S. 195-198). Eine Zielsetzung der akribischen Sammlung und
Dokumentation von Kundendaten, ist das fundamentale Verständnis über die
Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsmethoden der Kunden.
Siemens entwickelte das hauseigene Wissensmanagementsystem „ShareNet“,
eine
Form
der Wissenskooperation
zur
Entwicklung,
Bewertung
und
Vorbereitung von individuellen Kundenlösungen im Jahre 1999. Es dient dabei
zur Optimierung des Lösungsangebots für den Kunden und soll zudem die
interne Kommunikation zwischen den Abteilungen verbessern. Anfangs
entwickelt für den Telekommunikationsmarkt, ist es mittlerweile auf die übrigen
Siemens-Bereiche erweitert worden, unter dem Ziel, das Lösungsangebot
global zu vernetzen und so weltweit mit gleicher Qualität als kompetenter
Anbieter auftreten zu können.
Inhaltlich ist das System, immer im Hinblick auf alle vier Phasen des Solution
Selling Prozesses, auf den Austausch erfahrungsbasierten Wissens fokussiert
und vereint zwei elementare Formen des Wissens, strukturiertes und
48
personalisiertes
Wissen.
Strukturiertes
Wissen
schließt
sämtliche
Informationen des Solution Sellings auf technischer und funktionaler Ebene wie
bspw. auch Kunden-, Wettbewerbs-
und Marktinformationen ein. Das
personalisierte Wissen resultiert aus dem persönlichen Erfahrungshorizont der
Mitarbeiter und wird aus Diskussionsforen und persönlichen Netzwerken
gespeist.
Das ShareNet wurde durch die unabhängige Non-Profit-Institution des
„American Productivity & Quality Center“ als Best Practice gewürdigt. Im Jahr
2003, also 4 Jahre nach Einführung des Systems, beantworteten 30.000
Mitarbeiter 250 dringende Fragen und stellten etwa 500 Business-Fälle neu
ein, so dass andere Mitarbeiter von diesen Erfahrungen profitieren konnten.
Durch die internationale Verknüpfung von Wissen stellt ShareNet das Potenzial
zur Verbesserung von Solutions sicher. Durch den Austausch der Mitarbeiter
auf technischer, funktionaler und erfahrungsbasierter Sicht, können Ideen
kommuniziert sowie Verbesserungen erkannt werden. Das Anwenden von
Erfahrungen von erfolgreich durchgeführten Projekten (Best Practices), die sich
auf eine ähnliche Fragestellung bezogen, stellt einen wichtigen Nutzen dar.
Das System konzentriert sich dabei auf Erfahrungsbasiertes Wissen, wie bspw.
Feldexperimente bei Verkaufsprojekten oder persönliche Ansichten und
Einschätzungen der Mitarbeiter. Daraus resultiert ein unter effizienten und
effektiv
betrachteten
Gesichtspunkten
verbesserter
Leistungserstellungsprozess und somit eine Möglichkeit, die Zufriedenheit der
Kunden zu steigern. Die Sicherstellung der Qualität der ausgetauschten
Informationen wird durch die sogenannten ShareNet Manager gewährleistet,
die als interne Wissensmanager den Ablauf der Prozesse überwachen und bei
Bedarf Unterstützung leisten. Darüber hinaus werden die Vorschläge der Best
Practices täglich in Projekten, Einheiten und Ländern geprüft und mit Hilfe des
ShareNet zur Bewertung zur Verfügung gestellt.
Dabei
bietet
das
Systeme
folgende
Vorteile:
ShareNet
vereint
alle
Geschäftsfelder weltweit, steht unter ständiger Verbesserung und sichert
implizites Wissen der Mitarbeiter, selbst, wenn diese das Unternehmen
verlassen. Ebenso ist die Identifikation der Best Practices als positiv zu
bewerten,
da
das
System
Zeit
Qualitätsverbesserungen gewährleistet.
49
spart
und
kontinuierliche
Im Folgenden soll anhand der 4 Prozessphasen des Lösungsangebots
aufgezeigt werden, inwieweit ShareNet speziell für die Abwicklung dieser
Geschäfte genutzt wird.
Im Bereich der Identifikation des Kundenwunschs (Phase 1) kann ShareNet die
vom Kunden geäußerten und durch den betreuenden Mitarbeiter ermittelten
relevanten Informationen speichern und so unternehmensintern zur detaillierten
Analyse zur Verfügung stellen. Gerade im Hinblick auf die steigende
Komplexität der Kundenanforderungen liefert ShareNet eine erhebliche
Zeitersparnis, da das System vorherige Präferenzen des Kunden speichert. Zu
erwähnen bleibt allerdings, dass Siemens zum Teil so individuelle Lösungen
zur Verfügung stellt, dass diese nicht vergleichbar sind, sondern nur für ähnlich
agierende Kunden zusammengeführt werden können.
Das Customization und die Integration (Phase 2) des Kundenwunsches
beschreibt die Abstimmung der Lösung mit dem Umfeld und dem
Wertanspruch des Kunden. Hier spielt ShareNet bereits gesammelte
Informationen
zusammen,
um
eventuelle
Wertsteigerungen
durch
Synergieeffekte analysieren zu können. Gerade in der Vergangenheit bereits
erfolgreiche Konzepte liefern Hinweise, wie integrierte Güter und Services
gemeinsam aufeinander abgestimmt werden können. Siemens überträgt
einmal erhobene Daten über Kunden, Wettbewerber und Partner auf
Geschäftsfelder und Regionalorganisationen in der ganzen Welt.
Für die Implementierung der Kundenlösung (Phase 3) liefert ShareNet dem
lokalen Mitarbeiter Informationen, die auf ihn und den ihm zustehenden
Handlungsrahmen vor Ort abgestimmt sind und die Implementierung unter
effizienten Gesichtspunkten bewerten.
Für die Nachsorge (Phase 4) der angebotenen Solution bietet ShareNet im
Rahmen der gespeicherten Informationen Möglichkeiten, Nachsorgepotenziale
zu erkennen und vollständig auszuschöpfen, um den Kunden langfristig binden
zu können. Die Abwicklung der Nachsorge wird bei Siemens allerdings noch
innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche durchgeführt und nicht vollständig
generalisiert bzw. zentralisiert.
ShareNet weist im Rahmen der Betrachtung des Solution Sellings allerdings
auch Grenzen auf.
50
Im Prozess der Identifikation des Kundenproblems (Phase 1) greift ShareNet
auf
bereits
vorhandene
Best
Practices
zurück.
In
sich
dynamisch
entwickelnden Märken sollten aber zusätzliche Daten hinzugezogen werden
und um die Informationen, die das ShareNet liefert, ergänzt werden.
Um die optimale Betreuung des Kunden über alle Phasen hinweg
abzustimmen, entwickelte Siemens zusätzlich eine eigene Software, welche
den gesamten Lebenszyklus der Solution abbildet.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Siemens einerseits durch das
ShareNet sehr erfolgreich Lösungen anbieten und dieses zunehmend
wachsende Geschäfts-Potenzial durch das System besser ausschöpfen kann
sowie andererseits die Möglichkeit hat, an der kontinuierlichen Verbesserung
des internen Wissensfundus zu arbeiten.
4.3. Boeing
Boeing bietet gemeinsam mit verschiedenen Zuliefer-Partnern seinen Kunden
Produkt- Servicebündel rund um das Flottenmanagement an,
die über die
Plattform „MyBoeingFleet“ abgewickelt werden. Der Kunde ist somit in der
Lage, die für ihn persönlich wichtigen Informationen abzufragen und
entsprechende Leistungen anzufordern. MyBoeingFleet kann als eine Art
Solution-Netzwerk bezeichnet werden, da das Unternehmen mit dem Kunden
auf diese Weise individuell direkt kommuniziert und anstehende Probleme
schnell und unkompliziert löst.
Da Boeing seine Netzwerkpartner und somit auch die MyBoeingFleet-Plattform
kontrolliert, kann das Unternehmen den Markt für Produkte und Services auf
diesem Gebiet (quasi-) monopolisieren. Dabei hat Boeing seinen Service auf
den kompletten Lebenszyklus eines Flugzeugs erweitert und hiermit eine
signifikante Ertragssteigerung generieren können. Illustriert wird dieser
gedankliche Ansatz in der folgenden Abbildung:
51
Abbildung 11: Konzeption von MyBoeingFleet.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Boeing wurde 1916 in Seattle gegründet und zählt heute weltweit zu den
größten Luftkraftunternehmen im militärischen wie im kommerziellen Bereich.
Die
angebotene
Produktpalette
umfasst
neben
Flugzeugen
auch
Hubschrauber, Abwehrsysteme, Satellitentechnik sowie Informations- und
Kommunikationstechnik. Mit 155.000 Mitarbeitern ist Boeing in 70 Ländern
vertreten und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2006 Umsätze in Höhe von
61,530 Mrd. Dollar sowie einen Nettogewinn von 2,215 Mrd. Dollar.
Boeing richtet seine Unternehmensstrategie nach den Grundprinzipien des
Wachstums und der Produktivität aus. Dieses Vorgehen manifestiert sich
einerseits im Streben nach Verbesserung der Produktivität innerhalb des
Produkt- und Serviceangebots sowie andererseits in der Errichtung einer
globalen supply chain zur Erzielung von Effizienzsteigerungen. Zudem steht die
Entwicklung einer exzellenten Prozessstruktur und damit einhergehend der
profitable Verkauf des auf den Kunden zugeschnittenen Leistungsangebots im
Fokus der Strategie.
52
Boeing identifiziert den Service als die beste Wachstumsoption und zudem als
Instrument, seine Produkte, den Markt und die Preise nachhaltig zu
beeinflussen bzw. im besten Fall zu bestimmen. Der Servicesektor im
kommerziellen Luftfahrtwesen entspricht dabei ungefähr dem neuer Flugzeuge
mit einem Volumen von etwa 60 Mrd. US-Dollar jährlich. Obwohl Boeing etwa
die Hälfte aller neuen Flugzeugaufträge zugesprochen bekommt, fallen nur 5%
der Serviceaufträge auf das Unternehmen zurück. Es bleibt zu konstatieren,
dass Boeing durchaus Wachstumspotenzial in diesem Bereich aufzuweisen hat
und vor dem Hintergrund der im Vergleich zum Flugzeugmarkt schneller
wachsenden Servicebranche seine Handlungsoptionen erkannt hat. Boeing
erwartet, dass die Airlines von 1999 bis 2019 ca. 2,7 Billionen US-Dollar in
Services investieren werden und nur 1,7 Billionen für neue Flugzeuge
ausgeben. Die nachfolgende Auflistung zeigt einen Ausschnitt aus Boeings
Service- Portfolio:
Kunden-Support: Boeing verfügt über eine weltweite Serviceinfrastruktur
und Netzwerkcenter, die technische Probleme lösen, schnellen Zugang zu
Informationen gewährleisten sowie Ersatzteile, Produkte und Services
anbieten. Für sehr dringende Bedürfnisse ist seit 1999 ein 24-Stunden
Service eingerichtet. Laut Boeing sparte das Unternehmen dadurch 50
Millionen US-Dollar durch Zeitersparnis bei der Behebung akuter Probleme
der Airlines.
Lebenszyklus-Solutions: Boeing bietet den Fluggesellschaften Solutions
zur
Effizienzsteigerung
durch
digitale
Ertragssteigerungsinstrumente,
Produkt- und Industriefachkenntnisse und einer integrierten Supply Chain.
Flugtraining: Boeing bietet Flugtrainings für Boeing, Airbus, McDonnell
Douglas
und
Trainingsstunden
Fokker
werden
in
weltweiten
durch
Trainingscentern
Anweisungen
ergänzt,
an.
Viele
wie
bspw.
Flugsimulatoren genutzt werden können. So kann zwar jede Airline ihre
Piloten individuell ausbilden, durch Hinzuziehung eines spezialisierten
Ausbilders lassen sich aber Erfahrungskurveneffekte und Größenvorteile
über alle Airlines hinweg realisieren.
Der Grundgedanke des Konzepts wird durch die nachfolgende Abbildung
verdeutlicht:
53
Abbildung 12: Realisierung von Erfahrungseffekten im Bereich Flugtraining.
Quelle:
Eigene Darstellung.
Ein großer Nachteil jedes Spezialisten in dieser Industrie, bspw. die Airlines,
besteht in der Tatsache, dass nur schwer die gesamte Wertschöpfungskette
kontrolliert bzw. adäquat abgebildet werden kann. Wie eingangs erwähnt, ist
genau solch eine umfassende Positionierung das Ziel von Boeing so dass sich
das Unternehmen auf die Kontrolle des gesamten Flugzeugmarkts, d.h.
Unterstützung und Service mit eingeschlossen, konzentrieren bzw. in diesen
Bereichen wachsen möchte. Rechtfertigung erlangt diese Strategie durch die
hohe Komplexität der Flugzeugwartung, welche durch die zu koordinierenden
Gruppen und Aufgaben entsteht. Nur ein Hersteller, der ein fundamentales
Know-How über die technischen Aspekte dieser Industrie vorweist, kann als
breiter
Lösungsanbieter
am
Markt
agieren.
Die
geschützte
Website
www.MyBoeingFleet.com bildet die Basis zur Interaktion mit den Kunden. Seit
Mai 2000 hält sie für die Kunden Informationen zu Teilen, Wartung,
Konstruktion und operationalen Details bereit. Die Webseite kann demnach als
Informationsplattform
gesehen
Kommunikationsprozesse
durch
werden,
Verringerung
die
der
zudem
die
Transaktionskosten
effizienter gestaltet und schnelle „Up-to-date“ Entscheidungen ermöglicht.
Bereits
seit
1996
bietet
Boeing
54
separate
Websites
für
einzelne
Serviceleistungen an, um die Beziehung zum Kunden möglichst einfach und
übersichtlich zu halten.
Die
nachfolgende
Abbildung
beschreibt
die
Entwicklung
der
Seite
www.MyBoeingFleet.com:
Abbildung 13: Entwicklung des Angebots der Seite www.MyBoeingFleet.com.
Quelle:
Eigene Darstellung.
MyBoeingFleet stärkt den Kontakt zum Kunden, da es für diesen kaum möglich
ist, ohne die Webseite mit Drittanbietern zu kommunizieren. Boeing hat den
Markt damit (quasi-)monopolisiert. Diese sogenannte „Lock-in“- Strategie
ermöglicht eine langfristige und erfolgreiche Kundenbindung.
Gerade die Phase der Identifikation des Kundenproblems (Boeing kann sein
Wissen über die Wünsche des Kunden ausbauen und erarbeiten, wie der
Kunde, also bspw. die Airlines sein Geld verdient) und der Nachsorge (nur in
einer sicheren Unternehmen- Kunden- Beziehung ist Life-Cycle-Management
profitabel) werden durch diese Strategie begünstigt.
Im Vergleich zu Siemens‟ oben beschriebenen ShareNet richtet sich
MyBoeingFleet stark auf die Kunden und nicht auf die Mitarbeiter des
Unternehmens aus. Die Plattform enthält zudem mehr Daten und Programme
anstatt Best Practice-Fälle und zielt damit mehr auf eine aktive Nutzung und
weniger auf kontinuierliches Wissensmanagement ab. Während Siemens‟
55
ShareNet insbesondere bei Phase 1 und 2 des Solution Selling Prozesses
Nutzen stiftet, liegt die Stärke von MyBoeingFleet hauptsächlich in Phase 4.
Die erste Phase, die Identifikation des Kundenproblems, schlägt sich bei
Boeing bspw. in der Menge und Analyse des ausgestoßenen Treibstoffs des
jeweiligen Flugzeugs nieder. Es schließt sich eine Benchmarkanalyse an,
welche die Kosten der Optimierung des Treibstoffausstoßes anhand des
Unterschieds zur Konkurrenz beschreibt. In den meisten Fällen ist Boeing in
der Lage, nach entsprechenden Analysen die Kosten für den Kunden zu
senken.
Die Integration des Kundenproblems in die Lösung (Phase 2) erfolgt in
Abhängigkeit des Kunden (privat oder staatlich). Da Boeing keinen Einfluss auf
die Art der Inneneinrichtung des Flugzeugs hat, koordiniert es vorwiegend den
Einbau und alle damit verbundenen Aktionen.
Im Bereich der Phase 3 (Implementierung des Kundenproblems) bietet Boeing
seinen Kunden seit 2000 in Kooperation mit Jeppson, einem weltweit
führenden Anbieter von Flight Information Services, Flugtrainings für Piloten
und Stewardessen an.
Wie oben erwähnt, ist MyBeoingFleet insbesondere auf die Kundennachsorge
ausgerichtet. Seit 2008 wird ein spezieller Service namens „GoldCare“
angeboten. GoldCare vereint Instandhaltungsmanagement, Ersatzteilesupport,
einen kompletten supply-chain-Service sowie Garantieleistungen. Dieser
Service kann nachgefragt werden, um vorhersehbare totale „Kosten-proFlugstunde“ zu kalkulieren. Diese Transparenz vermindert das Risikogefühl
und kann somit eine längerfristig ausgelegte Partnerschaft des Unternehmens
mit dem Kunden stabilisieren.
4.4. Hewlett- Packard
Hewlett- Packard (HP) verkauft die in dem Sinne dieses Projektberichts
definierten „Lösungen“ hauptsächlich im Print- und Imagebereich. Diese
Solutions variieren in der Komplexität im Hinblick auf die Anzahl der Prozesse
und des benötigten Equipments. Im Jahr 2005 bündelte HP erstmals Solutions
unterschiedlicher Geschäftsbereiche, um das Potenzial seiner Güter und
Services noch mehr auszureizen.
56
Hewlett-Packard, gegründet 1939 von David Packard und William Hewlett,
zählt zu den größten Informationstechnologiekonzernen der Welt und ist
bekannt für seine Drucker, PC„s und damit verwandten Produkten. Mit 156.000
Mitarbeitern erwirtschaftete HP im Geschäftsjahr 2006 einen Umsatz von 87,9
Mrd. US $ sowie einen Nettogewinn von 6.2 Mrd. US $.
Im Geschäftsjahr 2005 formulierte das Unternehmen eine neue Strategie, die
ihre Basis in den folgenden drei Geschäftshebeln wiederfindet:
zielorientiertes
Wachstum:
HP
ist
darauf
fokussiert,
seine
Wachstumsmöglichkeiten in den drei Dimensionen pro Kundensegement,
pro
Geschäftsbereich
Schlüsselindikatoren
und
stellen
dabei
geographisch
die
auszuschöpfen.
Absatzorganisation
(inklusive
Marketing) sowie die Absatzkanalpartner dar.
Operationale Effizienz: durch Reduzierung organisationaler Matrizen und
der Reduktion auf drei Hierarchieebenen möchte sich das Unternehmen
schlanker präsentieren.
Kapitalstrategie: HP
hat als Zielsetzung, die Bereiche IT und HR
(Mitarbeiter) durch Investitionen zu stärken.
HP„s Unternehmensstrategie fußt auf seinen drei Geschäftsbereichen, Druck &
Image, Personal Systems und (System-)Technologie und ist in jedem Bereich
darauf fokussiert, dem Kunden den Umgang mit dem Produkt, beispielsweise
Druckern, zu erleichtern. Im Bereich der Personal Systems hat die Strategie
zur Zielsetzung, die Komplexität für den Kunden zu reduzieren. Die
Systemtechnologie
soll
Mehrwert
durch
die
Optimierung
von
Softwareleistungen für den Kunden generieren. Während Personal Systems
und
Technologie
eher
nach
technologischer
Fortentwicklung
streben,
konzentriert sich die Drucker- und Imagesparte auf die Bedürfnisse des
Kunden, welche im Folgenden näher beschrieben wird.
Im Falle HPs variieren die angebotenen Solutions nach dem Grad der
Ausrichtung auf den Kunden: Bei Prozessorientierten Solutions ist das Ausmaß
des Lösungsgrads noch recht gering, bei angepassten Prozessorientierten
Lösungen ist der Individualisierungsgrad schon deutlich höher und die
Lösungen, welche Geschäftsübergreifend angepasst werden, verfügen über
einen sehr hohen Individualitätsgrad.
57
Im Bereich der Prozessorientierten Solutions werden die Angebotsbündel des
Document Management, des Print Management und des Photoservices
dargestellt.
Der Service des Document Management zielt darauf ab, in den Büros der
Kundenunternehmen den Prozess des Verwaltens und Ablegens von
Dokumenten zu optimieren. Oft sind solche Prozesse ineffizient und teuer, da
sie nicht zum Kerngeschäft vieler Firmen gehören. HP entwickelt hier eine
elektronische Infrastruktur, die die interne Bürokommunikation erleichtert,
indem sie dezentralisierte Prozesse und Arbeitsabläufe rationalisiert. Die
Software von HP arbeitet unabhängig von Drittprovidern, so dass jedes
Unternehmen das Programm einsetzen kann. Es stellt sicher, dass
Informationen schnell und sicher gefunden werden und der Informationszugang
kontrolliert werden kann. Diese elektronische Aufbereitung reduziert die Kosten
des operativen Geschäfts auf Kundenseite, verbessert die Distributionswege
der Informationen und vereinfacht die Input- Outputprozesse für externe
Nutzer.
Im Bereich der Printmanagement- Services bietet HP einen umfassenden
Lösungsansatz.
Innerhalb
der
ersten
Phase
(Identifikation
des
Kundenproblems) analysiert und bewertet HP den Kunden bezüglich
vorhandener Druck- und Imageprodukte. Dazu gehört neben der Auswertung
der Ziele des Kunden auch die Untersuchung und Evaluation entstehender
direkter und indirekter Druck- und Imagekosten. Während der zweiten Phase,
der Anpassung und Integration des Kundenproblems wird eine Lösung, primär
unter dem Gesichtspunkt der Effizienz entwickelt, so dass das Arbeiten mit
Druck- und Imageprodukten optimiert wird und Kostenreduktionshebel gezogen
werden. Hilfe bieten hierbei Benchmarks, die unter anderem auch die durch die
Lösung entstehenden Kosteneinsparungen ermitteln. Die Implementierung
einer effizienten Lösung wird je nach Kundenwunsch entweder von HPSpezialisten vor Ort durchgeführt oder vom Kunden selbst übernommen, der
sich anhand von Informationen, die auf der HP-Homepage bereitgestellt
werden, orientieren kann. Als deutliches Zeichen der Kundenbindung und
Projektnachsorge kann hier die Phase vier beschrieben werden, in der der
Kunde die Abwicklung der gesamtem Image- und Printprozesse an HP
ausgliedern kann. Zusätzlich stellt HP ein System zur Verfügung, welches dem
58
Kunden automatisch fast leere Toner oder Tintenpatronen anzeigt und
entsprechende
Bestellprozesse
für
Nachfüllungen
bzw.
Austauschteile
generiert. Resümierend ist festzustellen, dass folgende Benefits erreicht
werden können:
Reduktion des Netzwerkaustausches,
effizienteres Kopieren und Drucken,
geringere Faxkosten,
Platzeinsparungen durch Zusammenführungen von Printaufträgen sowie
verbesserte Arbeitsprozesse.
Im Folgenden soll kurz ein Anwendungsbeispiel dieses Vorgehens beschrieben
werden. HP realisiert bei dem amerikanischen Unternehmen 3M schon seit
längerer Zeit eine umfassende Druckmanagement-Solution. 3M trat mit dem
Wunsch an HP heran, seine internen Druckkosten durch eine Verbesserung
der Drucker-Infrastruktur zu verringern. Zusätzlich sollten die Druckprozesse
zentraler und von der Handhabbarkeit leichter werden, um somit auch die
Verfügbarkeit der Geräte zu verbessern.
Im Rahmen der ersten Phase hat 3M seine eigene Druckersituation untersucht.
Die Niederlassungen in den einzelnen Ländern analysierten dabei ihren IstStatus und identifizierten Ansatzpunkte zur Verbesserung. 3M wählte HP als
strategischen Partner aus, weil das Unternehmen in der Lage ist, ein globales
und standardisiertes System bei 3M zu implementieren. Insbesondere die
hohen operativen Kosten bildeten bei 3M einen Ansatzpunkt zur Verbesserung.
3M entwickelte daraufhin gemeinsam mit HP eine Reihe von Zielmatrizen, die
ebenso Kriterien für einen Flat-Servicepreis miteinschlossen. Nach Anpassung
der Office-Infrastruktur von 3M übernimmt HP abschließend das Management
des Print- und Imageprozesses (Phase 4). Im Rahmen eines Fünf-JahresVertrags vereinbarten beide Partner eine fixe monatliche Zahlungsrate und
variable Kosten in Abhängigkeit des Druckvolumens. Diese Vereinbarung
generiert für beide Partner ein hohes Maß an Planbarkeit und Transpararenz.
HP übernimmt dabei die Risiken für Fehler am Equipment und entscheidet über
Auswechslungen der Produkte. Im Rahmen dieser Vereinbarung bezog 3M
80% der Konzernunternehmen in Europa, dem mittleren Osten und Afrika, 70%
der US-amerikanischen, 60% der Lateinamerikanischen sowie 10% der
Asiatischen Unternehmungen mit ein. Die Anzahl der Druckertypen reduzierte
59
sich von 101 auf eine Hand voll. Da 3M nur die tatsächlichen Nutzungskosten
an
HP
bezahlt,
kann
das
Unternehmen
seine
absoluten
jährlichen
Druckaufwendungen präzise schätzen.
Auf Endkonsumentenseite bietet der Photoservice von HP umfassende
Lösungen für die digitale Photographie. Als Lösungsanbieter stellt HP ein
System zur Verfügung, dass aus fünf Komponenten besteht und den Kunden in
die Lage versetzt, digitale Fotos aufzunehmen, zu speichern, mit ihnen zu
arbeiten und diese darzustellen. Das „System“ besteht aus einer Digitalkamera
zur Aufnahme der Fotos, einem Scanner, um bereits existierende Fotos zu
digitalisieren, einem Drucker, um Fotos ausdrucken zu können, einem
Fotoeditor, mit dem die Fotos bearbeitet werden können und einem digitalen
Fotoalbum um diese nachhaltig aufzubewahren.
HP verkauft schon seit langem Digitalkameras und Scanner. Ebenso
entwickelte das Unternehmen einen Drucker, der annähernd die gleiche
Printqualität liefert wie ein professionelles Fotolabor. In Zusammenarbeit mit
Microsoft, Live Picture und Kodak bietet HP zudem einen Fotoeditor an. Seit
2005 stellt HP mit Snapfish auch ein digitales Fotoalbum zur Verfügung. Dort
können bereits 36 Millionen Nutzer Fotos gemeinsam teilen, drucken und
speichern. Darüber hinaus bietet HP weitere Mehrwertservices zusätzlich und
kostenfrei an.
Für Werbefirmen, deren Druck- und Fotoverhalten vom Endkunden-Standard
abweicht, passt HP sich individuell an die Kundenwünsche an. Am Beispiel von
Werbepostkarten soll dieser Prozess dargestellt werden. Zuerst erzeugt HP
anhand variabler Datenintegration „persönliche Kommunikationsteile“ wie
Postkarten,
Briefe
oder
Handzettel.
Dann
werden
die
Farben
und
Briefmarkenränder hinzugefügt. Die fertig gestellten Dokumente werden zum
Druckunternehmen gesandt. Darauf folgend werden die Karten durch eine
integrierte
Druck-
und
Schneidemaschine
in
ein
entsprechendes
Postkartenformat geschnitten, sowie die Briefmarkenkonturen eingelesen. Der
Kunde erhält so eine individuelle und kostengünstige Lösung zur Verfügung
gestellt.
HP zählt zu den wenigen Unternehmen, die Hard- und Software verkaufen.
Das Unternehmen gilt als einer der Führer auf den Märkten Anwendung, EServices und Infrastruktur. Um das Potenzial des Unternehmens, gebündelte
60
Leistungsangebote zu verkaufen, zu erhöhen, startete HP, die Soft- und
Hardware geschäftsbereichsübergreifend auf Basis der Produktlebenszyklen
zu verkaufen. Dazu richtete das Unternehmen intern einen neuen Bereich, die
Customer Solution Group ein, um diese Strategie erfolgreich umsetzen zu
können. Die Idee findet bereits in der Praxis Anwendung und kann als
Vollendung des Wandels zum Solution Seller bewertet werden.
61
5 Zusammenfassung
Der vorliegende Projektbericht zeigte zunächst die in der Literatur vorhandene
Diskussion hinsichtlich der verschieden Ansichten der Lösungsdefinition auf.
Darauf
aufbauend wurden
vier
konstitutive
Merkmale
- Individualität,
Komplexität, Interaktivität und Integrativität - als zentrale Abgrenzungsfaktoren
einer Lösung herausgearbeitet.
Ferner konnte im Rahmen der Definitionsanalyse aus der Literatur abgeleitet
werden, dass insbesondere aus der Kundenperspektive das Lösungsangebot
aus 4 aufeinanderfolgenden Prozessphasen besteht.
Im Rahmen einer Delphistudie ließ sich darauf hin aufzeigen, dass es auf
Unternehmensseite entscheidend ist, die einzeln abgegrenzten Prozessphasen
erfolgreich zu koordinieren. Um dabei Mitarbeiterwiderstände zu vermeiden,
sind flexible Abläufe, Dokumentationen in Form eines Kennzahlensystems und
Anreizsysteme
zur
Lösungsorientierungsförderung
hilfreich
für
die
Funktionalität und Verzahnung der Abteilungen. Weiterhin kann durch die
Phasenperspektive die Kostenstruktur der Lösung besser abgeschätzt und
beurteilt werden. Viele Solution Seller realisieren gerade durch ihre reduzierte
Sichtweise einer Lösung - als bloßes integriertes und kundenorientiertes
Produktbündel - nur mäßige Gewinne oder sogar Verluste. Hauptsächliche
Ursache ist die Vernachlässigung oder Unterschätzung zusätzlicher Kosten,
die durch die Bedürfnisermittlung beim Kunden, die Produktimplementierung
und den Kundensupport nach der Einführung auftreten. Gründe für diese
zusätzlichen Kosten sind der gestiegene Koordinationsaufwand und der Betrieb
der ferner benötigten Geschäftseinheiten. Die Unternehmenspraxis sollte
demnach verstärkte Aufmerksamkeit auf die Koordinationskosten bei ihrer
lösungsorientierten Organisation richten, um Fehleinschätzung im Vorfeld zu
vermeiden. Mit Hilfe der vier Phasen können sich Solution Seller überdies viel
effektiver und strukturierter den Kundenbedürfnissen annähern. Die betroffenen
Mitarbeiter sind in der Lage, viel schneller auf die Anforderungen der Kunden
zu reagieren und die Geschäftsbeziehung eher auf einer gemeinsamen
wertschöpfenden Idee aufzubauen, als lediglich Produktpakete zu verkaufen.
Hierbei spielt besonders das Verhalten des Kunden eine entscheidende Rolle,
denn nur ein Kunde, der auch Lösungen nachfragen will, stellt dem Solution
62
Seller
Informationen
bereit
und
unterstützt
ihn
bei
der
individuellen
Lösungsgestaltung. Wie im Kontext dieser Arbeit bereits mehrfach erwähnt,
stellt der Faktor „Kundenbeziehung“ den Schlüssel zum Erfolg eines
Lösungsverkäufers dar. Die durch eine enge Kundenbeziehung gestärkte
Geschäftsbeziehung sorgt für eine enge Verzahnung der Geschäftsprozesse
zwischen Lieferanten und Kunden, die in gesteigerter Kosteneffektivität auf
beiden Seiten resultiert. Zudem kann festgehalten werden, dass der Erfolg oder
Misserfolg des Solution Selling mehrheitlich durch den Lösungsverkäufer und
nicht durch den Kunden beeinflusst wird, da sich die Erfolgsfaktoren fast
ausschließlich auf die Seite des Lösungsverkäufers und nicht auf die
Nachfrageseite beziehen. Hierbei sollte der Lösungsanbieter immer die bereits
genannten Herausforderungen, die der Lösungsverkauf mit sich bringt, im
Auge
behalten.
Besonders
der
organisationale
Wandel
von
einer
produktfokussierten hin zu einer lösungsorientierten Organisation birgt dabei
ein
enormes
Risikopotenzial.
Schließlich
wird
der
Erfolg
dieses
Wandlungsprozesses maßgeblich durch die sog. weichen Faktoren (z. B.
Kundenkontakt
und
Kundenorientierung
von
Mitarbeitern,
kreative
Konfliktnutzung) bestimmt, was eine Steuerung durch Mitarbeiteranreizsysteme
als Schlüsselfaktor unumgänglich macht. Führungskräfte, die den Fokus
hingegen ausschließlich auf die Gestaltung von kennzahlenorientierten
Anreizsystemen zur Steuerung der Mitarbeiter legen, aber die kulturellen
Gesichtspunkte
der
Unternehmung
vernachlässigen,
können
den
„Lösungsverkauf“ langfristig nur schwer im Unternehmen etablieren.
An die Erkenntnisgewinnung aus der Delphistudie schloss sich die Bewertung
der DAX- und Dow Jones-Unternehmen hinsichtlich ihrer Lösungsorientierung
anhand einer sogenannten Solution Selling Balanced Score Card (SSBSC) an.
Dabei konnten u.a. BASF und Siemens auf deutscher Seite sowie Boeing und
Hewlett Packard auf amerikanischer Seite als Best Practices identifiziert
werden.
Bei diesen 4 Unternehmen wurden schließlich die zuvor theoretisch
abgeleiteten Erfolgsfaktoren in verschiedenen Ausgestaltungsformen auf
Fallstudienbasis dargestellt.
Während dieser Projektbericht auf den Status quo des Solution Sellings
abzielte, sollten zukünftige Arbeiten insbesondere den Transformationsprozess
63
von einem klassischen Produktanbieter hin zum Lösungsanbieter beschreiben.
Ferner sollten auf Grundlage der extrahierten Erfolgsfaktoren der DelphiUntersuchung detailliertere Analysen erfolgen, um so Unternehmen konkrete
Handlungsimplikationen zum optimierten Angebot von Lösungen mit auf den
Weg zu geben.
Abschließend ist zu konstatieren, dass weiterhin auf dem Feld des Solution
Sellings ein erheblicher Forschungsbedarf besteht, der in Zukunft noch weitaus
mehr adressiert werden sollte.
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