Banken wollen sich selbst helfen

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Banken wollen sich selbst helfen
Fotos: ©iStockphoto.com, Securloc
I T + O r g a n i s a tio n
Cash Management
Banken wollen sich
selbst helfen
Mit dem Rückzug der Bundesbank aus der Fläche kommen neue Herausforderungen auf die
Finanzbranche zu. Gut für Banken und Sparkassen: Viele Dienstleister kämpfen hart um den
Bargeld-Markt. Nicht nur etablierte Wertpapiertransportunternehmen, sondern auch neue
Player reißen sich um die Steuerung der gesamten Prozesskette beim Cash Management.
↗ Anja Kühner
V
erärgert nimmt die Kundin ihre Karte
lang die Angst eines Runs auf Geldinstitute
Unternehmen entstand aus einem Zusam-
aus dem Geldausgabeautomaten.
umging, hätte ein leerer Geldautomat eine
menschluss der Sparkassen Oberhausen
Draußen herrscht schönstes Sommerwet-
Panik auslösen können“, ist Thoma über-
und Mülheim an der Ruhr mit einem loka-
ter, die Veranstalter des Mittelalter-Festi-
zeugt. Damals hätten die Kunden das nicht
len Wertpapiertransportunternehmen
vals in Mittelfranken freuen sich über den
als Logistik-Problem gesehen, sondern ein
(WTU). Es nahm am 1. April 2010 die
Sonnenschein, der mehr Besucher als in
Liquiditätsproblem des Instituts vermutet.
Arbeit auf und kümmert sich seither um die
den vorhergehenden Jahren herbeigelockt
Wird jedoch zu viel Geld in die Auto-
Optimierung der Bargeldbestände und eine
hat. Doch am Sonntagnachmittag rückt der
maten gefüllt, wird Kapital unnütz gebun-
hohe Verfügbarkeit der Geldautomaten und
Automat kein Bargeld mehr heraus. „Solch
den. Zwar spielten die Opportunitätskosten
SB-Geräte. Fünf Sparkassen und eine
ein Erlebnis ärgert die Kunden enorm“, sagt
derzeit aufgrund des niedrigen Zinsniveaus
Volksbank sind die ersten Kunden.
Cornelia Zwirnmann, Business Consultant
laut Thoma nur eine geringere Rolle. Doch
Der Trend, dass Kreditinstitute eigene
beim Berliner SB-Spezialisten Sarros. „Das
mit Anziehen des Zinsniveaus werde sich
Bargelddienstleister gründen, kommt nicht
Ziel der Banken sollte daher sein, auf der
das wieder ändern, ist er überzeugt.
von ungefähr. Denn die Banken sind gegen-
einen Seite möglichst wenig Geld im Auto-
über Geld- und Werttransport-DienstleisBankenTöchter mischen beim
Bargeldmanagement mit
tern misstrauisch. Befeuert wurde dieses
Die optimale Befüllhöhe der Geldauto-
„Für die dauerhafte Bestandsoptimierung
ruar 2006. Damals kam ans Licht, dass die
maten ist sehr wichtig, weiß auch Lothar
der Bargeldbestände unserer Kunden set-
Heros-Manager Kundengelder unterschla-
Thoma, Geschäftsführer des Geld- und
zen wir eine Cash-Management-Software-
gen und dabei erhebliche Summen in die
Werttransport-Dienstleisters Securlog.
lösung ein. Nachweislich konnten wir durch
eigene Tasche gesteckt hatten. Experten
Securlog ist nach eigenen Angaben Deutsch-
unser Bargeldmanagement die Geldbe-
schätzten den Schaden auf mehr als
lands Marktführer für Geld- und Wert-
standsvorhaltung unserer Kunden inner-
500 Mio. Euro, wie die Nachrichtenagentur
transport und bietet Dienstleistungen im
halb weniger Monate um bis zu 45 % redu-
ddp Anfang März 2006 berichtete. Allein
Bereich der Sicherheitslogistik an. „Vor
zieren“, wirbt die S Bargeldlogistik in der
mit 140 Mio. Euro sollen Banken geschä-
allem zu Beginn der Finanzkrise, als tage-
Selbstdarstellung auf ihrer Webseite. Das
digt worden sein. Die größten Verluste tra-
maten zu haben, auf der anderen Seite aber
sicherzustellen, dass er nicht leerläuft.“
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10.10 Misstrauen durch die Heros-Pleite im Feb-
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fen die Citibank mit fast 80 Mio. Euro. Ebenfalls betroffen waren die Deutsche Bank
(26 Mio.), die Commerzbank (18,5 Mio.)
sowie die HypoVereinsbank (16 Mio. Euro).
Mehr als 1.000 Firmen wurden damals
geschädigt.
↗
Blick ins Portemonnaie: Bargeldbestand im Geldbeutel
11 %
150 bis 200 Euro
100 bis 150 Euro
Gebhardt, Geschäftsführer von Cashy. „In
50 bis 100 Euro
der WTU-Branche gab es seit dem Jahr 2000
20 bis 50 Euro
die Kassen ihrer Kunden gegriffen haben.“
10 %
200 bis 300 Euro
„Heros war nur die Spitze“, sagt Bernd
mehrere Fälle, bei denen Unternehmen in
5 %
300 Euro und mehr
19 %
26 %
18 %
11 %
bis 20 Euro
0
Die Sparkassen drängten den Ostdeutschen
5
10
15
20
Sparkassenverband, Lösungen zur besseren
25
30
Quelle: Deutsche Bundesbank
Risikoabsicherung zu suchen. Der schlug
eine bundesweit einmalige Konstruktion
vor, bei der er sich mit drei WTU zusam-
Denn mangelndes Vertrauen in externe
gemäß ZAG vor“, sagt Securlog-Geschäfts-
mentat. Die Potsdamer Zentrale hat inzwi-
Werttransport-Dienstleister ist nur ein
führer Thoma. Das Zahlungsdiensteauf-
schen zwölf Sparkassen und auch die ersten
Grund für diese Überlegungen. Vorrangig
sichtsgesetz (ZAG) räumt der Privatwirt-
beiden Genossenschaftsbanken unter Ver-
geht es den Sparkassen um die Konse-
schaft den Einstieg ins Cash-Recycling ein.
trag. Dabei geht es laut Gebhardt nicht um
quenzen aus dem Rückzug der Bundesbank
Jedoch ist dafür eine Zertifizierung durch
Preisdrückerei, sondern um Vertrauen. „Die
aus der Fläche. Diese hält sich zunehmend
die Aufsicht nötig. Thoma vermutet, dass
Gründung von Cashy ist mit dem Ziel
aus der Bargeldversorgung heraus und kün-
„bis Ende 2011 ein bis zwei Hände voll
erfolgt, eine andere Form der Zusammenar-
digte zuletzt im September letzten Jahres an,
Dienstleister“ eine ZAG-Lizenz erhalten
beit mit der WTU-Branche zu finden.“
ein Drittel ihrer damals noch 47 Filialen bis
werden. Nach eigenen Angaben hat das
Ende 2012 zu schließen. Eine Bündelung in
Unternehmen Kötter im Juli 2010 als erster
DSGV prüft flächendeckende
Cash-Versorgung in Eigenregie
den Ballungsgebieten könnte sich anschlie-
Geld- und Wertdienstleister den ZAG-
ßen. Gleichzeitig bietet die Bundesbank
Lizenzierungsantrag gestellt.
Insgesamt sind die Geldtransporter-Branche
weniger Bargeldservice an, indem sie Groß-
und der Cash-Logistik-Markt hart umkämpft.
mengengebinde einführt, höhere Servicege-
Tourenoptimierung ist nötig
Auf 500 Mio. Euro wird der Gesamtumsatz
bühren erhebt und aus dem Cash-Recycling
Bisher werden die Geldtransporteure nach
der Branche laut einem Handelsblatt-Bericht
ganz aussteigen will.
der Anzahl der angefahrenen Geldauto-
vom März 2010 geschätzt. S Bargeldlogistik
„Damit stehen die Banken aktuell vor
maten und der Zahl der Stopps bezahlt. Das
und Cashy sind im Sparkassenlager nicht
zwei neuen Bargeld-Problematiken“, berich-
hat zu einem ruinösen Preiswettbewerb in
alleine. Auch in Hannover haben sich Spar-
tet Sarros-Expertin Zwirnmann. „Auf der
der Branche geführt. „Die Frage, wann wel-
kasse und Volksbank zur Wertlogistik Nord
einen Seite kommen die Institute nicht mehr
cher Geldautomat angefahren werden soll,
zusammengeschlossen. Auch der Deutsche
auf kurzem Weg an Bargeld heran. Auf der
kann man nicht beantworten, ohne auch
Sparkassen- und Giroverband (DSGV) über-
anderen Seite werden sie das Bargeld aber
den Nachbar-Automaten im Blick zu haben“,
legt, die Bargeldversorgung flächendeckend
auch nicht mehr so schnell los.“ Daher ver-
sagt Cornelia Zwirnmann von Sarros. Soft-
in Eigenregie zu übernehmen. Die Projekt-
mutet sie, dass Banken zunehmend ins
warelösungen helfen bei der Planung mög-
gruppe „Bargeldlogistik im Verbund“ erar-
Cash-Recycling einsteigen werden. Neu
lichst optimaler Befüllungstouren. Die Soft-
beitet derzeit Lösungen; die Ergebnisse sollen
gegründete eigene Cash-Zentralen könnten
ware stelle auch sicher, dass bei nur einmal
im vierten Quartal 2010 vorliegen. Man prü-
künftig die Funktionen der Bundesbank-
jährlich stattfindenden Events wie Kirmes
fe alle Optionen, um die Sicherheit der Bar-
Filialen übernehmen.
oder Rock-Festival die Geräte nicht wie im
geldversorgung auch nach einem Rückzug
Auch die Geld- und Werttransportbran-
restlichen Jahr befüllt werden. „Da muss
der Bundesbank zu gewährleisten, so eine
che möchte diese Aufgabe übernehmen.
ausnahmsweise mehr rein, denn sonst sind
DSGV-Sprecherin.
„Wir bereiten uns intensiv auf einen Antrag
sie schnell leer“, weiß Zwirnmann.
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10.10
BANKMAGAZIN 45
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↗
So sieht ein Umsatzdiagramm eines geldautomaten Aus
Umsatz
0
-10.000
-20.000
-30.000
— prognostizierter Umsatz am Geldautomaten
■ tatsächlicher Umsatz am Geldautomaten
-40.000
-50.000
23:00
22:00
21:00
20:00
19:00
18:00
17:00
16:00
15:00
14:00
13:00
12:00
11:00
10:00
09:00
08:00
07:00
06:00
05:00
04:00
03:00
02:00
01:00
Zeit
00:00
-60.000
Quelle: Betriebswirtschaftliche Blätter 03/2006, Werte der Software „Cash Point & Transport Optimizer“ der Planfocus Software GmbH
Doch nicht nur die im Automaten vor-
ten momentan noch nach einem geeigneten
veranlasste diesen, Geld auszuspucken wie
handene Geldmenge, auch der Ort, an dem
Pilotprojekt Ausschau. Gesucht wird eine
ein Spielautomat beim Jackpot-Gewinn. IT-
sich Geldkassetten befinden, ist von großer
Bank, deren Automaten umgerüstet werden
Sicherheitsexperten sehen eine große Gefahr
Wichtigkeit. Derzeit sei stets bekannt und
müssen und die dann gleich die neue RFID-
darin, dass Systeme, die dafür einst gar nicht
nachvollziehbar, wo sich eine Geldkassette
Technik einsetzen will. „Wir sind bereit für
gedacht waren, über Netzwerke zusammen-
befinde, so Securlog-Chef Thoma. Doch die
einen sofortigen Beginn des Live-Tests“,
geschlossen und so auch von außen erreich-
händischen Scans der Kassetten entsprächen
erklärt Thoma.
bar werden. Die Gefahr sei besonders groß,
nicht mehr dem Stand der Technik im Rah-
wenn nur leidlich kompatible Systeme miteinander vernetzt werden. Dann bedeute ein
dards aus der Logistikbranche als Vorbild
Auch Bargeld-Systeme müssen
vor Hackern geschützt sein
dienen, um den gesamten Prozess des Geld-
Vorteil für die Bank ist die hohe Transpa-
einen Angriff auf die stärker gesicherten.
und Werttransports noch transparenter zu
renz, die mit der RFID-Technologie einher-
machen. Einige Hersteller statten die Geld-
geht. Securlog baut ein Internet-Portal auf,
Ausblick
kassetten bereits mit RFID-Technologie aus.
in dem Banken einsehen können, wo der
Bargeld wird die führende Rolle unter den
„Diese Funkchips ermöglichen eine auto-
Geldtransporter ist und welche Geldkasset-
Zahlungsinstrumenten behalten, ergab eine
matische und manipulationssichere Pro-
ten er an Bord hat. „Aber wir stellen nur
Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos
zesskette“, so Thoma. Sobald die Geldkas-
anonymisierte Codes für Geldkassetten und
im Auftrag der Bundesbank im Jahr 2009.
sette die Fahrzeugtür passiert, werde ihre
Safe-Bags online, ohne Beträge“, betont Tho-
„Kurzfristig ist eine deutliche Bargeldver-
Anwesenheit berührungslos erfasst. Doch
ma. Selbst wenn jemand diese Webseite
drängung durch unbare Zahlungsinstru-
auf den RFID-Chips können auch mehr
hacken würde, könnte er mit den Informa-
mente unwahrscheinlich“, sagte Thilo Sar-
Informationen gespeichert und weitergege-
tionen nicht viel anfangen. Securlog sei sich
razin, zum Zeitpunkt der Vorstellung der
ben werden, als dies im bisher üblichen
der Hacker-Gefahr bewusst. „Wir haben
Studienergebnisse noch Bundesbank-Vor-
Scan-Verfahren möglich ist. „Momentan ist
unser Internet-Portal professionell hacken
standsmitglied. Mittel- bis langfristig sei
eine Geldkassette eine Black Box“, beschreibt
lassen“, erzählt Thoma. Doch der Hack sei
ein weiterer verhaltener Rückgang des Bar-
Securlog-Chef Thoma. Man könne zwar
erfolglos verlaufen, freut er sich.
zahlungsanteils möglich. Bei einem wei-
men einer Prozesskette. Hier könnten Stan-
sehen, dass sie vorhanden ist, wisse aber
nichts über den Füllstand im Inneren.
Einbruch in die schwächeren Systeme gleich
Wie ernst nicht nur Dienstleister, sondern
teren Wachstum des Internethandels
auch die Banken selbst die Internet-Krimi-
könnte sich die Bargeldverdrängung nach
Securlog hat gemeinsam mit dem Geldau-
nalität nehmen sollten, zeigte ein IT-Sicher-
Einschätzung der Bundesbank-Experten
tomaten-Hersteller Wincor Nixdorf und
heitsexperte auf einem Hackerkongress in
beschleunigen.
dem Autohersteller, der die gepanzerten
den USA. Der Hacker „Barnaby Jack“ drang
Fahrzeuge des Unternehmens fertigt, eine
vor den Augen des Fachpublikums über das
Projektgruppe gegründet. Die Partner hal-
Internet in einen Geldautomaten ein und
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Autorin: Anja Kühner ist freie
Journalistin in Düsseldorf.
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