Heft 212 | Juni 2012 - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft
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Heft 212 | Juni 2012 - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft
AUSGABE 212 JUNI 2012 BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG Zeitschrift für angewandte Arbeitswissenschaft Interview: vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt über seine Strategie zur Fachkräftesicherung Personalarbeit: Wie Unternehmen Zukunft gestalten – Personalverantwortliche & Ingenieure im Dialog Ganzheitliche Produktionssysteme – eine Bestandsaufnahme der Praxis Ergonomie: Altersneutrale und wirtschaftliche Gestaltung von Montagearbeitsplätzen 2 INHALT 3 Editorial 4 Aktuelles „Wir werden die demografischen Herausforderungen meistern“ Interview mit vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt 8 Demografie-Festigkeit von Unternehmen in der Metall- und Elektrobranche – Selbst-Check und Weiterbildung 17 Aktuelle Studienergebnisse zum Arbeitsschutz und zum Sparpotenzial bei Materialkosten; EU-Vergleich der Arbeitskosten 18 Personalarbeit Wie Unternehmen Zukunft gestalten – Personalverantwortliche & Ingenieure im Dialog 26 Produktionswirtschaft Ganzheitliche Produktionssysteme in Deutschland – eine Bestandsaufnahme der Praxis 36 Ergonomie Altersneutrale und wirtschaftliche Gestaltung von Montagearbeitsplätzen contra Leistungswandel 48 Arbeitsrecht Aktuelle Entscheidungen – von A wie AGG bis Z wie Zeugnis 50 Glossar | Personalentwicklungsgespräch 52 Medien | Exzellenz durch nachhaltige Unternehmensstrategien – EFQM im Mittelstand 53 Termine 54 Titel und Thesen früherer Ausgaben | Impressum Titelfoto: Produktion bei BSH Bosch und Siemens Hausgeräte – das Unternehmen nimmt am Modellprojekt „demografie(me)“ der Bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände teil. Foto: BSH BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 3 EDITORIAL EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen in Deutschland ist nach jüngster Mitteilung des Statistischen Bundesamtes in den vergangenen 20 Jahren um 22,7 Prozent gestiegen (vgl. bit.ly/IAuiE6). Das liegt ganz sicher auch am Fleiß sowie an der Zuverlässigkeit und der Qualifikation der Arbeitsbevölkerung in Deutschland. Genauso sicher aber fußt diese gute Nachricht auch auf der Leistungsfähigkeit unserer modernen Unternehmen – und hier besonders auf der Effizienz ihrer industriellen Prozesse. Das jedenfalls hat uns das World Economic Forum in seinem jüngsten Global Competitiveness Report bescheinigt (vgl. bit.ly/ qw8PnD). Deutschlands Wirtschaft sei speziell bei den Produktionsprozessen und Distributionskanälen hoch entwickelt – highly sophisticated, um es wörtlich zu zitieren. Inzwischen sind auch jene Skeptiker widerlegt, die stets behauptet haben, in einer modern, rational und effizient organisierten Wirtschaft gehe uns die Arbeit aus. Zu Recht weist Bertram Brossardt im Gespräch mit Betriebspraxis & Arbeitsforschung (Seite 4) darauf hin, dass Deutschland mit rund 41 Millionen Erwerbstätigen Rekordwerte bei der Beschäftigung erreicht hat. Mit Blick auf das vorhin Gesagte dürfen wir Arbeitswissenschaftler uns bestätigt fühlen, durch unser Engagement für effizientere und wettbewerbsfähigere Unternehmen zu einem steigenden Wohlstand für alle beigetragen zu haben. Die Assoziation zu Erhard ist an dieser Stelle durchaus gewollt, denn hier sind wir wissenschaftlich betrachtet in seinem Sinne tätig. Als unser Institut vor 50 Jahren gegründet wurde, hieß der Bundeswirtschaftsminister ... Ludwig Erhard. Leistungsfähige Unternehmen mit modernen Prozessen haben unser Land besser durch die Krise gebracht als viele andere. Und derzeit sieht es nach den Prognosen bedeutender Forschungsinstitute so aus, als würde sich an diesem positiven Trend auch im kommenden Jahr wenig ändern. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Können wir uns also zufrieden zurücklehnen? Es liegt auf der Hand, dass das allein schon der weltweite Wettbewerb nicht zulässt. Doch Deutschland trifft mit der Demografie eine besondere Herausforderung. Natürlich sind Arbeitswissenschaftler auch auf diesem Feld forschend aktiv, sie begleiten und entwickeln Personalstrategien, wie Betriebe alternsgerecht arbeiten und so produktiv bleiben können. Ein Beispiel aus der TU Chemnitz finden Sie ab Seite 8. Für die Wirtschaft hat der dortige Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft ein Werkzeug entwickelt, mit dem auch kleinere Unternehmen sehr schnell demografische Risiken im Betrieb ermitteln und ihnen begegnen können. Das Thema Demografie werden wir aber nur mit einer ganzheitlichen Perspektive lösen können. Das bringt mich zurück zu den aktuellen Daten von Destatis. Danach hat sich die Zahl der in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden seit 1991 um 9 Prozent verringert. Je Arbeitsstunde gerechnet verzeichnen wir sogar einen Produktivitätszuwachs von 34,8 Prozent. Hier steckt in Zeiten eines rasant zurückgehenden Arbeitskräfteangebots also noch eine gewisse Reserve, wie auch Bertram Brossardt in seinem Interview anmerkt. Eine noch wichtigere Ressource, um mit weniger Menschen wettbewerbsfähig zu bleiben, ist die Produktivität. Ein Schlüssel, um hier zu noch besseren Ergebnissen zu kommen, sind Ganzheitliche Produktionssysteme (GPS). Große Unternehmen wenden sie vielfach erfolgreich an. In KMU, dem Rückgrat unserer Wirtschaft, sind GPS noch nicht flächendeckend zu Hause. Ab Seite 26 dieses Heftes suchen wir Antworten auf die Frage, wie wir das ändern können. Und kommen zu dem Ergebnis, dass dies möglich ist. In diesem Sinne verbleibe ich mit sommerlich optimistischen Grüßen Herzlichst Ihr Sascha Stowasser 4 AKTUELLES „WIR WERDEN DIE DEMOGRAFISCHEN HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN“ Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer Bayern mit seinen exportstarken Industrien wird durch den demografisch bedingten Fachkräftemangel besonders hart getroffen. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Prognos-Studie, die die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegeben hat. Welche Konsequenzen sind aus den Ergebnissen dieser Expertise zu ziehen? Darüber sprach Carsten Seim mit Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Unternehmensverbandes Metall und Elektro (bayme), des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (vbm) sowie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Sie haben im vergangenen Jahr die zweite Auflage Ihrer Studie „Arbeitslandschaft 2030“ veröffentlicht. Das von Prognos erarbeitete Papier prophezeit dramatische Einbrüche beim langfristigen Trendwachstum, wenn es nicht gelingt, Mittel und Wege gegen den Fachkräftemangel in Deutschland zu finden. Welche Chancen haben wir, uns dieser Gefahr entgegenzustellen? Die zweite Auflage dieser Studie zeichnet ein noch deutlicheres Bild als die erste Studie, die wir im Jahr 2008 veröffentlicht haben: Wir müssen in Bayern bereits 2015 mit einer Fachkräftelücke von rund 500.000 Personen rechnen. Wenn wir diese Lücke nicht schließen können, drohen uns Einbrüche beim Wachstum und bei der Wertschöpfung. Wir gehen aber davon aus, dass dieses Szenario in Bayern nicht eintreten wird, weil wir die demografischen Herausforderungen meistern werden. Prognos spricht von Deutschlandweiten Trends, und Bayern steht nicht allein, sondern befindet sich mitten in Deutschland. Reicht es da denn aus, dass nur Sie im Süden Ihre Hausaufgaben erfolgreich machen? Wir in Bayern haben den größten Handlungsdruck – denn hier wird laut Prognos der Bedarf an qualifiziertem Personal auf dem weiteren Weg in die Wissensgesellschaft besonders groß sein. Da Bayern ein Wirtschaftsmotor für ganz Deutschland ist, ist es im Interesse des ganzen Landes, dass wir schauen, wie wir unsere von der Demografie diktierten Hausaufgaben machen. Wir würden ganz sicher keine Studien in Auftrag geben, wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass wir dazu in der Lage sind! Und welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Prognos-Studie? Wir haben dazu ein 5-Punkte-Programm entwickelt. Wir müssen erstens die Beschäftigungschancen von Menschen ohne Arbeit verbessern, sie besser qualifizieren und schneller vermitteln. Wir müssen zweitens die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen erhöhen. Wir werden drittens wieder zu längeren Arbeitszeiten kommen: Was die Wochenstundenzeiten angeht, müssen wir mit unseren Tarifpartnern Lösungen finden – und was die Lebensarbeitszeit angeht: Es darf keine Abweichungen von der Rente mit 67 geben. Positiv ist, dass das tatsächliche Renteneintrittsalter in den letzten Jahren gestiegen ist. Wir brauchen viertens eine breite Bildungsoffensive – und ich nehme hier Bayern nicht aus, obwohl wir im innerdeutschen Vergleich vergleichsweise gut dastehen. Wir brauchen deutschlandweit eine deutliche Verbesserung bei den SchulBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 5 abbrecher-Quoten. Wir werden fünftens Zuwanderung gezielt gestalten müssen. Wenn man diese Maßnahmen zusammen nimmt, wird es uns gelingen, den Fachkräftemangel zumindest deutlich zu lindern. Der demografische Wandel wird zu einem härteren Wettbewerb um Arbeitskräfte führen. Bayern zieht mit seiner Metropolregion München viele Hochqualifizierte an. Doch wo bleiben die vielen KMU, die in den ländlichen Regionen dieses Flächenlandes beheimatet sind? Fachkräftesicherung war immer schon eine besondere Herausforderung für Unternehmen in den ländlichen Regionen. Es ist gute Tradition bei uns, dass Unternehmen am Ort bereits in die Schulen gehen und dort Bindungen herstellen. Und wenn junge Mitarbeiter anderswo studieren wollen, geben diese Betriebe ihnen oft die Möglichkeit zurückzukommen. Ein großer Teil der bayerischen Regionen hat unterdessen RückkehrerProgramme organisiert. Eine Chance für die Regionen sind auch Fachhochschulen, die tief in die Regionen hineingegangen sind. Die Unternehmen vor Ort unterstützen diese Fachhochschulen. Das schafft klassische Bindungselemente. Sehr wichtig ist es natürlich, dass auch die ländlichen Regionen infrastrukturell sehr gut erschlossen sind – zum Beispiel was Verkehr und Datenverbindungen angeht. Das ist in Bayern gelungen, aber weiter auszubauen. Wichtige Elemente Ihres 5-Punkte-Programms sind die Aktivierung von Menschen ohne Arbeit und die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung. Von Seiten der Unternehmen ist lange Jahre immer wieder die Flexibilisierung unseres Arbeitsmarktes gefordert worden. Und im jüngsten Global Competitiveness-Report des World Economic Forum wird erneut darauf hingewiesen.1 Haben wir hier weiteren Handlungsbedarf über die bereits erfolgten Arbeitsmarktreformen hinaus, um die Beschäftigungsquoten weiter zu steigern? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die 2004 erfolgten Arbeitsmarktreformen weitreichende Veränderungen ausgelöst haben. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland von rund 25 auf 29 Millionen gestiegen. Und die Zahl der Erwerbstätigen ist auf über 41 Millionen gewachsen. Wir haben uns also nach vorn bewegt! Meine Sorge ist eher, dass wir diese Erfolgsgeschichte durch neue Regulierungen wieder zunichte machen. Wir brauchen weder einen Mindestlohn, der Arbeitsplätze kosten wird, noch brauchen wir eine Überregulierung der Zeitarbeit. Wir brauchen eine Lohnpolitik, die hilft, unseren Arbeitsmarkt vor Konkurrenz von außen zu schützen. Es hat sich doch gezeigt, dass wir Beschäftigungserfolge erzielen, auch weil es uns gelungen ist, unsere Arbeitskostenstruktur im Rahmen zu halten. Damit sind auch die Sozialkosten gemeint. Wir stellen fest, dass unser Arbeitsmarkt lebendiger geworden ist. Wir sollten nun auf jeden Fall weitere Regulierungen vermeiden. Wenn wir im Bereich Arbeitszeit und Befristungsmöglichkeiten noch flexibler werden können, lösen wir das Prinzip der individuellen Arbeitsplatzsicherheit durch das Prinzip der Arbeitsmarktsicherheit ab. Flexicurity ist das Erfolgskonzept der Zukunft. Einweihung einer alternsgerechten Montage für Achsgetriebe im BMW Werk Dingolfing – mit BMW Group Vorstandsmitglied Frank-Peter Arndt, Staatsministerin Christine Haderthauer, dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden des BMW Werks Dingolfing, Erwin Gegenfurtner, und Barbara Bergmeier, Leiterin Produktion Fahrwerks- und Antriebskomponenten (von links). Foto: BMW BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 In den Punkten 2 und 3 Ihres 5-Punkte-Planes haben Sie das Potenzial von Frauen angesprochen. Nach wie vor ist das Interesse von Frauen am Ingenieurberuf deutlich geringer als das von Männern. Wie kann man sie für die M+E-Industrie gewinnen? Und: Hilft uns hier eine Frauenquote? Zitat aus dem Global Competitiveness-Report 20112012 des WEF: „Germany’s business sector is highly sophisticated ... On a less positive note and despite some efforts, Germany’s labor market remains rigid (125th for the labor market flexibility subpillar), where a lack of flexibility in wage determination and the high cost of firing present a hindrance to job creation.“ 1 6 „WIR WERDEN DIE DEMOGRAFISCHEN HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN“ AKTUELLES Ich bin grundsätzlich kein Freund von Quoten, sondern ein Freund von Chancen. Quoten führen nicht zu mehr Chancen, sondern zu einer sehr starken Verengung eines Themas. Wenn wir mehr Frauen in Technikberufen haben möchten – und wir brauchen sie! – so benötigen wir einen gesamtgesellschaftlichen Wandel von Rollenbildern. Wenn wir wollen, dass Frauen die Palette ihrer Studienwünsche verbreitern, so müssen wir damit bereits im Kindergarten anfangen. Wir brauchen eine Struktur für Familien, die Frauen einen besseren Wiedereinstieg in den Beruf ermöglicht. Hier muss vor allem in der Kinderbetreuungsstruktur noch einiges ausgebaut werden. Und dann muss eine neue Arbeitsorganisation entwickelt werden, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlaubt – zum Beispiel durch flexiblere Arbeitszeiten. Trotz vieler Bemühungen stagniert der Anteil von Frauen in Ingenieursstudiengängen bei rund einem Fünftel... Es hat sich da leider noch nicht viel getan. Im Maschinenbau liegt der Anteil weiblicher Studienabgänger unter 10 Prozent. Wir müssen weiter für diesen Berufsweg werben. Das muss, wie bereits gesagt, im Kindergarten beginnen und wird nicht über Nacht zu lösen sein. >>> Info Sechs Betriebe der Metall- und Elektroindustrie beteiligen sich an einem von den Bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbänden bayme vbm auf zwei Jahre angelegten Modellprojekt „demografie(me)“ zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit: BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, Bad Neustadt FTE automotive GmbH, Ebern Franken Guss Kitzingen GmbH & Co. KG, Kitzingen Linde Material Handling GmbH, Aschaffenburg Waldaschaff Automotive GmbH, Waldaschaff WAREMA Renkhoff SE, Marktheidenfeld Das Modellprojekt soll notwendige individuelle Handlungsstrategien im Bereich der Gesundheits- und Verhaltensprävention erarbeiten, um Mitarbeiter länger im Betrieb halten zu können. Hinweis zum Foto: Die BSH ist mit im nordbayerischen Bad Neustadt gefertigten Staubsaugern eigenen Angaben nach Marktführer in Deutschland und in Europa. Im Bild steuert ein Mitarbeiter die Granulatversorgung für die Kunststofffertigung. Foto: BSH Sie fordern unter Punkt 3 Ihres 5-Punkte-Programms die Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Wie soll dies mit älter werden Belegschaften realisiert werden? Ich kenne kein Naturgesetz, das besagt, dass Ältere per se weniger arbeiten sollen oder können. Ich würde mir das als Angehöriger der Generation 50 plus auch verbitten! Die Frage von Lebensalter und Arbeitszeit hängt nur partiell zusammen. Ich gebe Ihnen Recht, wenn Menschen über Jahrzehnte die gleiche schwere verschleißintensive körperliche Arbeit geleistet haben. Hier sinkt oft die individuelle Belastbarkeit. Es ist eine Zukunftsfrage der Arbeitsorganisation, solche einseitigen Belastungen zu reduzieren. Die Struktur der Arbeit wird sich in Zukunft ohnehin verändern. Es wird in einem von immer wechselhafterer Nachfrage geprägten Umfeld darum gehen, wie und wann Arbeit anfällt – einmal mehr, einmal weniger. Es wird vielleicht weniger Präsenzpflichten geben, aber höhere Erfolgspflichten für die Mitarbeiter. Es wird in Zusammenhang mit älter werdenden Belegschaften sehr intensiv über alternsgerechte Arbeitsorganisation und Gesundheitsmanagement in den Unternehmen diskutiert. BMW hat in Dingolfing eine alternsgerechte Achsgetriebemontage in Betrieb genommen. Können kleine und mittlere Unternehmen angesichts solcher Investitionen von Konzernen da mithalten? Es gibt einige Unternehmen, die hier schon Maßnahmen getroffen haben – zum Beispiel BSH / Hausgeräte. Es geht im System zu allererst nicht um das Geld, sondern um die Frage: Wie sorgen wir dafür und wer verantwortet es, dass jemand seine physische und mentale Arbeitsfähigkeit erhält? Hier sehe ich die erste Pflicht beim Individuum. Das heißt: Wir brauchen den permanenten Willen des Einzelnen zur Weiterbildung, aber auch den permanenten Willen des Einzelnen, seiBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 7 >>> Info ne körperliche Gesundheit zu erhalten. Zum Zweiten ist es eine Frage der Gesellschaft, weil das Ergebnis eines Gesunden für sie besser ist, als zu viele Kranke zu besitzen. Drittens ist es natürlich wichtig für ein Unternehmen, durch Gesundheitsmanagement zur Mitarbeitergesundheit beizutragen – schon um deren Erfahrungswissen zu sichern. Dabei handelt es sich auch um eine Mitarbeiter-Bindungsmaßnahme. Als Verband unterstützen wir kleine und mittlere Unternehmen dabei, wie auch sie kostengünstig Maßnahmen auf den Weg bringen können, um sich im demografischen Wandel zu behaupten. Das Projekt „power(me)“ ist Teil eines Aktionsprogramms der bayerischen Metall- und ElektroArbeitgeberverbände bayme vbm zur Fachkräftesicherung und richtet sich an Jugendliche, die aufgrund erheblicher schulischer Defizite und sozialem Förderbedarf sonst nur geringe Chancen auf einen Ausbildungsplatz in der M+E-Industrie hätten. Zentrales Element von power(me) ist die Begleitung der Jugendlichen und der Ausbildungsleiter in den Betrieben während der gesamten Ausbildungszeit. Dadurch konnten auch bereits Jugendliche ohne Schulabschluss in Ausbildung gebracht werden. Wie tun Sie das konkret? Wir bieten unseren Unternehmen zum Beispiel einen Demografie-Check an. Den haben wir gemeinsam mit der Technischen Universität Chemnitz erarbeitet. Wir bieten Unternehmen Altersstrukturanalysen an, beraten sie mit eigenen Mitarbeitern und vermitteln externe Beratung. Gemeinsam mit der TU Chemnitz haben wir auch Weiterbildungsprogramme entwickelt, bei denen wir Demografie-Manager vor allem für größere Unternehmen für den Office- und Production-Bereich ausbilden (siehe Seite 12 dieser Ausgabe). Verstärkte Bildungsanstrengungen, damit die Quote von Schulabbrechern sinkt, sind Sache des Staates. Was können denn die Unternehmen tun? Schulbildung, die eine möglichst große Zahl junger Menschen zu Bildungsabschlüssen und in die Berufsausbildung führt, ist zu allererst Sache des Staates und eines Landes. Dafür zahlen Bürger und Unternehmen Steuern! Auf der anderen Seite engagieren sich prak- tisch alle großen und viele mittlere Unternehmen aus gesellschaftlicher Verantwortung in diesem Bereich. Als Verband haben wir zum Jahreswechsel gerade eine erfolgreiche Zwischenbilanz für unser Projekt power(me) gezogen. Rund 100 leistungsschwächere Jugendliche haben inzwischen einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Sie hätten andernfalls wohl kaum eine Chance darauf gehabt. Wir freuen uns über die Resonanz dieses Modellprojekts und haben festgestellt, dass es viele verdeckte Begabungen auch unter Jugendlichen gibt, die schulisch schwächer dastehen. Das Interesse und die Begeisterung junger Menschen in diesem Programm sind groß. Um auf Ihren fünften Punkt zu kommen: Prognos fordert deutschlandweit eine Zuwanderung von 300.000 Personen im Jahr. Was muss geschehen, damit wir eine solch hohe Quote auch tatsächlich erreichen und damit wir auch jene qualifizierten Zuwanderer bekommen, die wir tatsächlich brauchen? Wir haben in den letzten zwei Jahren hier schon gute Verbesserungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen erlebt. So ist in Mangelberufen die Vorrangprüfung entfallen. Die Einkommensschwelle für qualifizierte Ausländer ist von rund 60.000 Euro Jahreseinkommen auf rund 40.000 Euro heruntergesetzt. Wir haben Verbesserungen erreicht, was die Anerkennung ausländischer Abschlüsse angeht. All das ist positiv. Gemeinsam mit dem bayerischen Wissenschaftsminister arbeiten wir daran, dass Studienabsolventen aus dem Ausland leichter in Deutschland und Bayern bleiben können. Schlussendlich brauchen wir in Deutschland auch eine neue Willkommenskultur für Menschen aus dem Ausland. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 8 DEMOGRAFIE-FESTIGKEIT VON UNTERNEHMEN IN DER METALL- UND ELEKTROBRANCHE AKTUELLES – SELBST-CHECK UND WEITERBILDUNG Isabell Grundmann Technische Universität Chemnitz Katharina Pöschel Technische Universität Chemnitz Die Auswirkungen des demografischen Wandels werden in Unternehmen immer offensichtlicher. Das Durchschnittsalter der Belegschaften sowie krankheitsbedingte Fehlzeiten steigen. Bereits heute sind Engpässe an qualifizierten Mitarbeitern bestimmter Berufsgruppen ersichtlich (zum Beispiel Ingenieure und Facharbeiter). Aufgrund des Nachwuchskräftemangels wird es nicht gelingen, das zunehmende Durchschnittsalter durch einen kontinuierlichen Zuwachs junger Fachkräfte zu kompensieren. Unternehmen müssen sich somit auf eine älter werdende Belegschaft einstellen. Daher ist es wichtig, das Potenzial älterer Mitarbeiter zu erkennen, zu entwickeln und als Chance wahrzunehmen. Ergonomische Methoden und Maßnahmen können dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft alternde Belegschaften zu erhalten und zu steigern, Fehlzeiten zu reduzieren sowie die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Verbände der bayerischen Metall- und Elektroindustrie bayme vbm unter Leitung des Hauptgeschäftsführers Bertram Brossardt haben die Notwendigkeit erkannt, mit geeigneten Maßnahmen auf den demografischen Wandel reagieren zu können, und das Fachkräftesicherungsprojekt „demografie(me)“ ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit der Professur Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Dr. phil. habil. Birgit Spanner-Ulmer wurde im Projekt unter anderem ein OnlineTool DemografieCheck entwickelt, mit dem Unternehmen in wenigen Minuten ihre Demografie-Festigkeit überprüfen können. Darüber hinaus wurde die berufsbegleitende Weiterbildung zum DemografieManager erarbeitet. Der folgende Beitrag erläutert die Notwendigkeit und den Nutzen des DemografieChecks sowie der Weiterbildung zum DemografieManager für Unternehmen. 1 Herausforderung – Demografischer Wandel für die Arbeitswelt Der demografische Wandel im eigentlichen Sinne beschreibt die Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung und der Bevölkerungszahl. Immer mehr Ältere stehen immer weniger Jüngeren gegenüber. Ursächlich hierfür ist die stetig ansteigende Lebenserwartung bei gleichzeitig sinkenden Geburtenraten (Statistisches Bundesamt, 2010). Laut der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes führt dies, unter Berücksichtigung der jährlichen Nettozuwanderungsrate, der Geburtenrate und der Sterblichkeit, zu der Annahme, dass die heutige Bevölkerungszahl in Deutschland von 82 Millionen im Jahr 2011 auf 65 bis 70 Millionen im Jahr 2060 schrumpfen wird (Statistisches Bundesamt, 2009). Entscheidend für den Anstieg des Durchschnittsalters der Belegschaften ist der drastische Geburtenanstieg in Deutschland Ende der 50er- bis Mitte der 60er-Jahre. Diese als Babyboomer bezeichnete Generation wird in den Jahren 2020 bis 2030 zwischen 55 und 75 Jahren alt sein. Damit kommt es zu einer drastischen Erhöhung des Durchschnittsalters in den Unternehmen. Verstärkt wird dieser Effekt durch das „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz)“ vom 20. April 2007 (Bundesgesetzblatt, 2007). Die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters wird sich bereits auf die Generation der Babyboomer deutlich niederschlagen – mit BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 9 der Folge, dass zwischen 2020 und 2030 die große Anzahl der älteren Erwerbstätigen länger in Beschäftigung bleiben wird. Schon heute ist zu beobachten, dass das durchschnittliche Rentenzugangsalter zunimmt. Vor dem Hintergrund der sich derzeit noch in der Anhebung befindenden Altersgrenzen für den Renteneintritt wird die Erwerbsbeteiligung Älterer auch in Zukunft weiter ansteigen. Insgesamt nimmt der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter ab. Die Belegschaften werden im Mittel immer älter. Die aufgezeigten Hintergründe können zu wirtschaftlich weitreichenden Folgen für ein Unternehmen führen. Neben einer möglichen Verteuerung der Arbeitskräfte und einer verringerten Personaleinsatzflexibilität ist zum Beispiel mit zunehmendem Alter ein Anstieg gesundheitlicher Beschwerden zu beobachten (Brandenburg/Domschke, 2007; Keil, 2011). Ältere Mitarbeiter sind zwar nicht häufiger krank als ihre jüngeren Kollegen, aber die durchschnittliche Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage ist deutlich höher (Happe, 2007). Durch ein zeitweises oder dauerhaftes Ausscheiden des Mitarbeiters können Unternehmen jedoch schon jetzt wertvolles, erfolgskritisches Erfahrungswissen verlieren. Unternehmen sollten deshalb frühzeitig und vorausschauend Maßnahmen ergreifen, um ältere Mitarbeiter langfristig zu motivieren, damit zu binden und somit deren Wissen im Unternehmen zu sichern. Das erfordert eine ergonomische, alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung. Sie soll Mitarbeitern jeden Alters ermöglichen, auf Dauer und in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit ihre Tätigkeit auszuüben. Häufig fehlt es jedoch an Sensibilität und Erfahrung im Umgang mit älteren Belegschaften. Oft orientieren sich Unternehmen bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen vorwiegend an den Leistungsvoraussetzungen junger Mitarbeiter. Folglich können Arbeitsbedingungen entstehen, die es älteren Mitarbeitern kaum ermöglichen, gesund bis zum gesetzlichen Renteneintritt ihrer Arbeitstätigkeit nachzugehen (INQA, 2010). Unternehmen werden demzufolge immer mehr dazu angehalten, Maßnahmen zu initiieren, welche die Aufrechterhaltung der Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit, vor dem Hintergrund der sich im Alter verändernden gesundheitlichen Bedingungen, bis ins hohe Erwerbsalter gewährleisten können (Wolters, 2004). Die Unternehmen, die bis dato keine nachhaltigen Konzepte für den Umgang mit einer alternden Belegschaft entwickelt haben, laufen Gefahr, an Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu verlieren (Buck, 2003; Baase, 2007; Brandenburg/ Domschke, 2007). Unter Beachtung der Herausforderungen sollten Unternehmen sich auch der Kompetenzen älterer MitarbeiBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ter bewusst sein. Diese sind nicht nur aufgrund ihres Erfahrungswissens für das Unternehmen sehr wertvoll, sondern verfügen oft auch über ein großes Netzwerk und werden als vertrauenswürdige Ansprechpartner beziehungsweise Vorbilder in altersgemischten Teams wahrgenommen. Sie zeichnen sich zudem aufgrund der jahrelangen Betriebszugehörigkeit durch eine hohe Arbeitsmoral, -disziplin und Loyalität sowie durch ein höheres Verantwortungsbewusstsein aus. Die lange Berufserfahrung ermöglicht es ihnen unter anderem auch, Probleme besser zu bewältigen beziehungsweise in Krisensituationen erfahrungsbezogen zu reagieren. Welchen Wert ältere Mitarbeiter für die Unternehmen besitzen, haben die bayerischen Metall- und ElektroArbeitgeberverbände bayme vbm erkannt und das Projekt „demografie(me)“ als Teil der Initiative „Wir für Bayern – Aktionsprogramm Fachkräftesicherung“ ins Leben gerufen. Die im Auftrag der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. durchgeführten Studie „Arbeitslandschaft 2030“ hat die Entwicklung der Produktion in Deutschland analysiert und den zukünftigen Personalbedarf ermittelt. Sie hat zudem prognostiziert, wie sich Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nach Qualifikationen, Tätigkeiten, Fachrichtungen, Berufen, Sektoren und Branchen entwickeln (Arbeitslandschaft 2030, 2011). Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland langfristig ein Arbeitskräftemangel von rund fünf Millionen Personen im Jahr 2030 erwartet, sofern keine umfänglichen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt eintreten (2015 wären es bereits drei Millionen). Davon werden alle Branchen und Qualifikationsniveaus betroffen sein, zunächst vor allem Akademiker und Fachkräfte mit beruflicher Bildung. Ein Großteil des Gesamtmangels in der Industrie wird mit über 60 Prozent in den Branchen Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie und Fahrzeugbau zu verzeichnen sein. Maßnahmen, um dem Mangel vorzubeugen beziehungsweise abzuwenden, sollten in den folgenden Handlungsfeldern erfolgen: Beschäftigungschancen verbessern, Erwerbsbeteiligung erhöhen, Arbeitszeiten verlängern, breite Bildungsoffensive und Zuwanderung gezielt fördern. Passiert dies nicht, wird Bayern von allen Bundesländern am stärksten betroffen sein (Arbeitslandschaft 2030, 2011). Damit Mitarbeiter jeden Alters möglichst gesund ihrer Arbeitstätigkeit nachgehen und die dafür erforderlichen 10 DEMOGRAFIE-FESTIGKEIT VON UNTERNEHMEN IN DER METALL- UND ELEKTROBRANCHE AKTUELLES – SELBST-CHECK UND WEITERBILDUNG Maßnahmen in den entsprechenden Handlungsfeldern initiiert werden können, hat die Professur Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz im Auftrag von bayme vbm den DemografieCheck und die Weiterbildung zum DemografieManager entwickelt. Der DemografieCheck ist ein Online-Tool, das die Mitgliedsunternehmen von bayme vbm bei der Analyse und Gestaltung demografiefester Arbeitsplätze unterstützt. Die berufsbegleitende Weiterbildung zum DemografieManager vermittelt die Kompetenz, eine unternehmensspezifische Bedarfsanalyse zur Demografie-Festigkeit im Unternehmen durchzuführen. Sie befähigt die Teilnehmer, das Ausmaß der Konsequenzen des demografischen Wandels für das eigene Unternehmen und dessen Belegschaft einzuschätzen, Potenziale und Handlungsfelder im Unternehmen zu erkennen, geeignete Handlungsstrategien auszuwählen und deren Umsetzung zu begleiten. 2 Handlungsfelder identifizieren – der DemografieCheck Der DemografieCheck wurde speziell für Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie entwickelt und unterstützt die Mitgliedsunternehmen von bayme vbm bei der Analyse und Gestaltung demografiefester Arbeits- plätze. Demografiefest ist ein Unternehmen dann, wenn es alle Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt hat, um die Konsequenzen des demografischen Wandels für das Unternehmen erfolgreich zu bewältigen. Insbesondere mittelständische Unternehmen können mit diesem Tool eigenständig und schnell die Demografie-Festigkeit des Unternehmens in verschiedenen Handlungsfeldern überprüfen und vergleichen. Ziel des Online-Tools DemografieCheck ist es, Unternehmen auf ihre Demografie-Festigkeit hin zu überprüfen. Da bisher kein wissenschaftlich fundiertes Bewertungsverfahren zur Analyse altersbedingter Einflüsse vorhanden war, bestand die Aufgabe darin, ein Analyseinstrument zur Bewertung alterskritischer Arbeitssystemgrößen zu entwickeln. Dieses sollte einfach und schnell in der Anwendung sein, jedem Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stehen und Hinweise für Handlungsempfehlungen zur Demografie-Festigkeit im Sinne von Erläuterungen und Serviceangeboten beinhalten. Nach einer umfangreichen Recherche zum Stand des Wissens und der Analyse verwandter Instrumente fanden zahlreiche Expertengespräche mit Wirtschaftsvertretern statt. Diese Interviews wurden mit Führungskräften mittelständischer und großer Unternehmen Bayerns geführt, die speziell mit dem Thema Demografie betraut sind. Aus der Analyse theoretisch relevanter Abbildung1: Frage aus dem Handlungsfeld Arbeitsgestaltung Produktion Quelle: Online-Tool DemografieCheck, bayme vbm, 2012 BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 11 Themenstellungen und der Implikation von Themen der Praxis wurden sechs Handlungsfelder mit insgesamt 61 Fragen abgeleitet, anhand derer die Mitgliedsunternehmen ihre Demografie-Festigkeit analysieren und in Echtzeit eine Auswertung in Form eines Ergebnisberichts für jedes dieser Handlungsfelder erhalten können: Personalrekrutierung (8 Fragen, zum Beispiel Personalbedarfsplanung, Rekrutierungsspektrum), Arbeitsgestaltung Produktion (13 Fragen, zum Beispiel physische Belastung, Beleuchtung), Arbeitsgestaltung Office (7 Fragen, zum Beispiel psychische Belastung, Bildschirmarbeitsplätze), Unternehmenskultur / Führung (8 Fragen, zum Beispiel Abbau von Vorurteilen, Umgang mit Konflikten), Gesundheitsmanagement (17 Fragen, zum Beispiel Fehlzeiten-Management, Suchtprävention) und Qualifizierung / Kompetenz (8 Fragen, zum Beispiel Qualifizierungsplanung, altersspezifische Qualifizierung). dem entsprechenden Handlungsbereich in Form einer detaillierten Auswertung mit Erläuterungen und Handlungsempfehlungen (qualitative Auswertung). Dabei werden Gestaltungsansätze in administrativen und produzierenden Bereichen betrachtet. Das Ergebnis der quantitativen Auswertung wird in einem Spinnennetzdiagramm dargestellt. Wie Abbildung 2 zeigt, wird für jeden Themenbereich der entsprechende Handlungsbedarf verdeutlicht. Die qualitative Auswertung sensibilisiert durch eine detaillierte Auswertung für die oben genannten Handlungsfelder und gibt Anregungen für mögliche Lösungen bzw. Handlungsempfehlungen. Es können mögliche Defizite behoben und die Demografie-Festigkeit des Unternehmens verbessert werden. Abbildung 1 zeigt beispielhaft eine Frage des DemografieChecks aus dem Handlungsfeld „Arbeitsgestaltung Produktion“. Das Online-Tool ist so gestaltet, dass die Bearbeitung lediglich etwa 15 bis 20 Minuten in Anspruch nimmt. Die Analyse der einzelnen Handlungsfelder kann unabhängig voneinander erfolgen. Empfohlen wird die Durchführung des DemografieChecks für Geschäftsführer, Werksleiter, verantwortliche Personen des Industrial Engineerings, Personalleiter, Personalreferenten oder speziell mit den Herausforderungen der Demografie im Unternehmen betraute Führungskräfte oder Fachreferenten. Die Auswertung des DemografieChecks kann als Kurzoder Langfassung erfolgen. Bei der Kurzfassung werden auf zwei Seiten das Gesamtergebnis und die einzelnen Punktwerte (pro Antwort 0-2 Punkte) für jede beantwortete Frage aufgezeigt. In der Langfassung können die Teilnehmer alle Fragen und die gegebenen Antworten einsehen sowie deren Punktwerte und die dazugehörigen Erläuterungen. Durch den modularen Aufbau des DemografieChecks sind auch Teilauswertungen möglich. Das Gesamtergebnis zur Demografie-Festigkeit im gesamten Unternehmen folgt nach vollständiger Beantwortung aller 61 Fragen. Die Ergebnisberichte verdeutlichen sofort die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens. Zudem geben sie erste Ansätze zur Verbesserung der eigenen Demografie-Festigkeit in BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Abbildung 2: beispielhafte quantitative Auswertung in den sechs Handlungsfeldern Quelle: Online-Tool DemografieCheck, bayme vbm, 2012 12 DEMOGRAFIE-FESTIGKEIT VON UNTERNEHMEN IN DER METALL- UND ELEKTROBRANCHE AKTUELLES – SELBST-CHECK UND WEITERBILDUNG Der DemografieCheck beantwortet folgende Fragen: Wie demografiefest ist mein Unternehmen? Wo besteht noch Handlungsbedarf? Welche Maßnahmen werden empfohlen? Wie kann mein Unternehmen auf dem Weg zur Demografie-Festigkeit unterstützt werden? Der DemografieCheck wurde auf dem 7. Kongress Personalmanagement „Demografiefeste Personalpolitik“ am 08.11.2011 präsentiert und steht seitdem den Mitgliedsunternehmen von bayme vbm als Online-Tool zur Verfügung (Login erforderlich). 3 Die berufsbegleitende Weiterbildung zum DemografieManager Ziel des Weiterbildungsangebots DemografieManager ist es, die Erkenntnisse aus den Bereichen Gesundheit und Alter in die arbeitswissenschaftliche Beratung von bayme vbm einfließen zu lassen. Sie sollen die bisherigen Schwerpunkte der Arbeitswirtschaft ergänzen und in Form einer berufsbegleitenden Weiterbildung den Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stehen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Mitgliederstruktur von bayme vbm sehr heterogen ist. Betreut werden sowohl kleine und mittelständische Unternehmen als auch OEMs. Entsprechend unterschiedlich sind auch deren Qualifizierungsbedarfe zum Demografie-Management. Einerseits soll in einer kompakten Weiterbildung eine grundlegende Handlungsfähigkeit bei demografischen Herausforderungen ermöglicht, andererseits mithilfe einer ausführlichen Weiterbildungsvariante das Unternehmen zur umfangreichen Demografiekompetenz geführt werden. Darüber hinaus möchte der Verband die verschiedenen Hierarchieebenen und Spezialisierungen seiner Mitgliedsunternehmen berücksichtigen. Aus diesem Grund wurde die berufsbegleitende Weiterbildung zum DemografieManager in Form eines modularen Konzeptes erarbeitet. Zunächst wurden hierfür die relevanten Zielgruppen identifiziert und die verschiedenen Qualifizierungsvarianten festgelegt. Ziel war es, je nach Unternehmensgröße und Interessen, eine Weiterbildung anzubieten, die Basiswissen zum DemografieManagement vermittelt, und eine Aufbauvariante in den Vertiefungsrichtungen Office oder Production zu ermöglichen. Zudem sollte abschließend ein Weiterbildungsmodul für DemografieManager mit strategischer Ausrichtung folgen. Die Weiterbildung wurde so gestaltet, dass sie offen für alle Berufsgruppen und empfehlenswert für alle Interessenten und Einsteiger des Demografie-Managements ist. Vor allem Personalverantwortliche, Planer und Prozessoptimierer (Industrial Engineering), Fach- und Füh- rungskräfte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin gehören zu den Zielgruppen. Nach Festlegung der verschiedenen Qualifizierungsvarianten wurde für jede ein ausführliches Fähigkeitsprofil erarbeitet. Das beinhaltete die Definition des notwendigen Fach- und Methodenwissens. Parallel zur konzeptuellen Erarbeitung der relevanten wissenschaftlichen und praktischen Inhalte wurde eine Didaktik entwickelt, die auf einer systematischen Lernziel-Taxonomierung der Inhalte beruht und die vielfältigen Schulungsmethoden aufeinander abstimmt. Die berufsbegeleitende Weiterbildung zum DemografieManager zeigt speziell für die Metall- und Elektroindustrie Handlungsempfehlungen in den verschiedenen Handlungsfeldern auf (zum Beispiel Gesundheitsmanagement, Personalrekrutierung, Qualifizierung). Ein besonderes Augenmerk kommt dabei dem Handlungsfeld Arbeitsgestaltung zu; denn unabhängig davon, ob junge oder ältere Mitarbeiter am Arbeitsplatz tätig sind, trägt eine ergonomische Arbeitsgestaltung dazu bei, dass der Mitarbeiter kurz- und langfristig seine Leistungsfähigkeit aufrechterhält. Sie leistet ebenso einen Beitrag zur Erhöhung der Produktivität im Unternehmen (zum Beispiel aufgrund der Reduzierung von Belastungssituationen). Die positiven Effekte der Gestaltung humaner und produktiver Arbeitsbedingungen betreffen junge und ältere Mitarbeiter gleichermaßen. Vor dem Hintergrund älter werdender Belegschaften stehen Unternehmen gegenwärtig und zukünftig vor der Herausforderung, die Arbeitsbedingungen alternsgerecht zu gestalten. In der Weiterbildung geht es um die Gestaltung der Arbeit mit dem Ziel, durch eine genaue Betrachtung der Aufgabenstellung, der Arbeitsumwelt und der MenschMaschine-Interaktion die Leistungsfähigkeit des gesamten Arbeitssystems zu verbessern und die auf den arbeitenden Menschen einwirkenden Belastungen zu reduzieren – besonders im Hinblick auf die sich mit dem Alter ändernden Leistungsvoraussetzungen. Hierzu sind in fast allen Teilgebieten der Arbeitsgestaltung spezifische Handlungsstrategien zu berücksichtigen. Abbildung 3 zeigt die Komponenten, die im Laufe der Weiterbildung genauer betrachtet werden. Das Schaubild (Abbildung 3) verdeutlicht die unmittelbare Interaktion des arbeitenden Menschen mit seinem Arbeitsmittel im Arbeitsprozess. Menschliche Aktivitäten sind generell mit Prozessen der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -umsetzung verbunden. Dabei nimmt der Mensch durch seine Fähigkeiten des Sehens, Hörens und Fühlens Informationen auf, verarBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 13 Abbildung 3: Systematische Herangehensweise in der Weiterbildung zum DemografieManager Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bubb & Schmidtke, 1993 beitet sie mit Hilfe seiner geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten und setzt sie in konkrete Handlungen um. Der Arbeitsprozess erfolgt unter bestimmten Bedingungen der Arbeitsumwelt. Sie können sich einerseits physikalisch, zum Beispiel in Form von Lärm, klimatischen Bedingungen, Beleuchtung oder in Form von Schwingungen äußern. Andererseits wirken auch soziale und organisatorische Bedingungen auf den Menschen, zum Beispiel Auswirkungen des Betriebsklimas und des Vorgesetztenverhaltens. Die Arbeitsaufgabe (zum Beispiel Heben und Tragen schwerer Lasten), die vorherrschenden Bedingungen der Arbeitsumwelt (zum Beispiel hohe Temperaturen) und die Gestaltung der Maschine bzw. des Arbeitsmittels (zum Beispiel schlechte anthropometrische Bedingungen) wirken auf den Menschen als Belastung ein. Dieser reagiert in Abhängigkeit seiner individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten mit einer subjektiven Beanspruchung. Sind Belastungsfaktoren zu hoch oder deren Belastungswirkung zeitlich zu lang, sodass der Mitarbeiter diese mit seinen individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht bewältigen kann, steigt die Beanspruchung. Dies ist ebenso der Fall, wenn der Mitarbeiter sich in seinen Arbeitspausen nicht vollständig regenerieren kann. Um festzustellen, ob und in welchem Umfang Fähigkeitsgrenzen durch die gestellten Arbeitsanforderungen überschritten werden, müssen Kenntnisse über die Veränderungen der Fähigkeiten im Altersverlauf vorliegen. Prinzipiell sind fast alle menschlichen Fähigkeiten Altersveränderungen unterworfen. Die Kenntnis über BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 die Veränderungen der Fähigkeiten im Alter ist wichtig, um in der betrieblichen Praxis bei auftretenden Beschwerden und krankheitsbedingten Fehlzeiten gezielt Handlungsfelder für arbeitsgestalterische Maßnahmen erschließen zu können. In der Weiterbildung zum DemografieManager werden die Teilnehmer dafür sensibilisiert und erhalten zahlreiche Handlungsempfehlungen, um unter Betrachtung einer arbeitswissenschaftlichen Sichtweise und der Berücksichtigung der arbeitswissenschaftlichen Tätigkeitsfelder der Arbeitsgestaltung die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass diese der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter entsprechen. Dabei wird neben gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen der ergonomischen Gestaltung von Arbeit auf die Besonderheiten einer alternsgerechten Arbeitsgestaltung eingegangen. Zentrale Inhalte der Weiterbildung sind: der demografische Wandel und dessen Herausforderungen für Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie der Mensch mit seinen individuellen Leistungsvoraussetzungen, besonders bezogen auf die sich im Alter verändernden Leistungsvoraussetzungen sowie die aus Belastung resultierende individuelle Beanspruchung die Gestaltung der Arbeitsaufgabe im Sinne einer Anpassung der Arbeitsbedingungen an die physiologischen und psychologischen Leistungsvoraussetzungen des Menschen, zum Beispiel lernförderliche 14 DEMOGRAFIE-FESTIGKEIT VON UNTERNEHMEN IN DER METALL- UND ELEKTROBRANCHE AKTUELLES – SELBST-CHECK UND WEITERBILDUNG Abbildung 4: Das modulare Weiterbildungskonzept DemografieManager Quelle: bayme vbm, 2011 Arbeitsbedingungen und persönlichkeitsförderliche Arbeitsinhalte die Gestaltung physikalischer und sozialer Einflussfaktoren, zum Beispiel Klima, Beleuchtung und Unternehmenskultur die Gestaltung der Arbeitsorganisation, welche unter anderem die Aufbau- und Ablauforganisation und die Arbeitszeit beinhaltet die anthropometrische Arbeitsgestaltung – das heißt: die Anpassungen der Arbeitsbedingungen an Körperkräfte und Körpermaße des Menschen die Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion – also der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine (Betriebsmittel/Arbeitsmittel) sowie eine nutzergerechte Produktgestaltung die sicherheits- und gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung – unter anderem rechtliche Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und des Gesundheitsmanagements die Anwendung verschiedener Demografie-Werkzeuge – zum Beispiel Altersstrukturanalyse und DemografieCheck Im Mittelpunkt der Weiterbildung steht neben der Vermittlung verschiedener Kompetenzen die Übertragbarkeit und Anwendung des erworbenen Wissens auf das eigene Unternehmen. Deshalb führen erfahrene Trainer Fallstudien durch, fördern den Erfahrungsaustausch zwischen den teilnehmenden Mitgliedsunternehmen und regen zu verschiedenen praxisorientierten Diskussionen an. Um verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden, besteht die Qualifizierung aus inhaltlich abgeschlossenen Lerneinheiten. Je nach Bedarf sind durch den modularen Aufbau verschiedene Ausrichtungen möglich (vergleiche Abbildung 4), deren wesentliche Inhalte und Zielgruppen im Folgenden kurz vorgestellt werden (bayme vbm 2011): BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 15 DemografieManager Leaders für Führungskräfte Vor dem Hintergrund der aktuellen demografischen Entwicklung in der Metall- und Elektrobranche wird in der spezifisch für Führungskräfte zugeschnittenen halbtägigen Qualifizierung DemografieManager Leaders die Notwendigkeit des Demografie-Managements für das eigene Unternehmen aufgezeigt und diskutiert. Die Teilnehmer des DemografieManager Leaders lernen das gesamte Weiterbildungskonzept, die darin vermittelten Methoden und Instrumente sowie die relevanten Handlungsfelder des DemografieManagers im Überblick kennen. Sie sind für die Thematik sensibilisiert und erkennen, wo im eigenen Unternehmen Handlungsbedarf besteht und welche Schritte dafür erforderlich sind. Zielgruppen für diese Weiterbildung sind betriebliche Führungskräfte im mittleren und oberen Management. DemografieManager Basic für Einsteiger und Interessierte Teilnehmer des Weiterbildungsmoduls Basic erhalten in drei Tagen intensives Grundlagenwissen für ein zielgerichtetes Demografie-Management im Unternehmen. Der DemografieManager Basic ist die Grundvoraussetzung für weitere Spezialisierungen im Bereich Production, Office oder General. Im Basic-Modul werden Herausforderungen und Aufgaben des Demografie-Managements, zum Beispiel Aspekte des demografischen Wandels und Konsequenzen für Unternehmen und deren Mitarbeiter, konkretisiert. Zudem lernen die Teilnehmer Potenziale und Handlungsfelder zur Förderung der Demografie-Festigkeit im Unternehmen sowie Handlungsstrategien für die verschiedenen Handlungsfelder kennen. Die Teilnehmer des DemografieManager Basic kennen die Schwächen, Stärken und Potenziale älterer Mitarbeiter und können zielgerichtet ausgewählte Methoden und Werkzeuge des Demografie-Managements anwenden. Ebenso sind ihnen Lösungsansätze und Gestaltungshinweise zur Arbeits- und Aufgabengestaltung sowie Richtlinien und gesetzliche Vorschriften bekannt. Empfohlen wird dieses Modul für Personalverantwortliche, Planer und Prozessoptimierer (Industrial Engineering), Fach- und Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 DemografieManager Production oder Office für eine Spezialisierung im produzierenden oder administrativen Bereich Aufbauend auf den Grundlagen des DemografieManagers Basic können die Teilnehmer sich in den Wahlschwerpunkten Production oder Office spezialisieren, denn es gilt, speziell auf die Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen. Deshalb ist im Modul Advanced eine Spezialisierung im produzierenden (Dauer 4 Tage) oder administrativen (Dauer 3 Tage) Bereich möglich. Die Teilnehmer im Modul Advanced erhalten zusätzlich branchenspezifische vertiefende Kenntnisse und Fähigkeiten des operativen Demografie-Managements. Sie verstehen die für den jeweiligen Bereich relevanten Zusammenhänge des demografischen Wandels und sind befähigt, in enger Zusammenarbeit mit anderen betrieblichen Abteilungen Entscheidungsvorlagen für die alters- und alternsgerechte Beschaffung und Gestaltung von Arbeits- und Betriebsmitteln zu erstellen. Zudem beherrschen die Teilnehmer des Moduls DemografieManager Advanced verschiedenste DemografieWerkzeuge, können Handlungsempfehlungen ableiten und die Umsetzung konkreter Maßnahmen für eine alter(n)sgerechte Arbeitsplatz- und Aufgabengestaltung betreuen. Das Modul DemografieManager Advanced ist besonders geeignet für betriebliche Akteure (zum Beispiel aus den Bereichen Industrial Engineering, Personal oder Arbeitssicherheit), die in ihrem Unternehmen im produzierenden oder administrativen Bereich mit demografischen Fragestellungen konfrontiert sind. DemografieManager General für eine strategische Ausrichtung Um zusätzliche Kenntnisse und Fertigkeiten des strategischen Demografie-Managements zu erlernen, gibt es die Möglichkeit, aufbauend auf dem Modul Advanced die Weiterbildung zum DemografieManager General zu absolvieren. Der DemografieManager General ist befähigt, in enger Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung konkrete Unternehmensziele sowie nachhaltige Konzepte zu formulieren und diese strategisch zu implementieren. Dadurch kann Demografie-Festigkeit im Unternehmen aufgebaut und langfristig gesichert werden. Er entwickelt unternehmensspezifische Handlungsempfehlungen und kann intern als Berater, Multiplikator und Motivator fungieren. Das beinhaltet auch die Entwicklung und Durchführung von Informationsveranstaltun- 16 DEMOGRAFIE-FESTIGKEIT VON UNTERNEHMEN IN DER METALL- UND ELEKTROBRANCHE – SELBST-CHECK UND WEITERBILDUNG AKTUELLES Literatur Arbeitslandschaft 2030 (2011): Studie der Prognos AG im Auftrag der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., Stand: September 2011, 2. Auflage, www.vbw-bayern.de. gen und Workshops zu demografiebezogenen Themen im eigenen Unternehmen. Dieses Modul ist besonders empfehlenswert für betriebliche Führungskräfte und Personen, die unternehmensintern zum Thema Demografie beraten wollen. Baase, C. M. (2007): Auswirkungen chronischer Krankheiten auf Arbeitsproduktivität und Absentismus und daraus resultierende Kosten für die Betriebe. In B. Badura, H. Schellschmidt, & C. Vetter, Fehlzeiten-Report 2006. Chronische Krankheiten - Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Berlin: Springer Fazit bayme vbm (2011): Broschüre Berufsbegleitende Weiterbildung zum DemografieManager. bayme – Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e. V.; vbm – Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e. V. 10/2011 Brandenburg, U./Domschke, J.P. (2007): Die Zukunft sieht alt aus. Herausforderungen des demographischen Wandels für das Personalmanagement. Wiesbaden: Gabler Bubb, H./Schmidtke, H. (1993): Systemstruktur. In: H. Schmidtke, Ergonomie (S. 305-333). München: Hanser Verlag Buck, H. (2003): Alterung der Gesellschaft – Dilemma und Herausforderung. In: B. Badura, H. Schellschmidt, C. Vetter & M. Astor, Fehlzeitenreport 2002 – Demographischer Wandel: Herausforderung für die betriebliche Personal- und Gesundheitspolitik. Berlin: Springer Die Auswirkungen des demografischen Wandels erfordern von Unternehmen neue Strategien und Handlungsweisen. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Unternehmen auf eine immer älter werdende Belegschaft vorbereiten. bayme vbm möchte seine Mitgliedsunternehmen bei dem Aufbau und der langfristigen Sicherung der Demografie-Festigkeit unterstützen. Durch die in Zusammenarbeit mit der Professur Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz erarbeiteten Weiterbildung zum DemografieManager und dem Online-Tool DemografieCheck können die Mitgliedsunternehmen eine unternehmensspezifische Bedarfsanalyse zur Demografie-Festigkeit durchführen und Potenziale und Handlungsfelder im Unternehmen erkennen sowie mit geeigneten Maßnahmen auf Herausforderungen reagieren. Bundesgesetzblatt. (2007): Jahrgang 2007 Teil I Nr. 16, Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV Altersgrenzenanpassungsgesetz), 30.04.2007. Bonn: Bundesanzeiger Verlag Weiterführende Informationen erhalten Sie unter: Happe, G. (2007): Demografischer Wandel in der unternehmerischen Praxis. Wiesbaden: Gabler www.demografie-check-bayern.de www.baymevbm.de/dm-manager INQA Initiative Neue Qualität der Arbeit (2010): Aller guten Dinge sind drei! Altersstrukturanalyse, Qualifikationsbedarfsanalyse, alter(n)sgerechte Gefährdungsbeurteilung - drei Werkzeuge für ein demografiefestes Unternehmen. www.inqa.de Keil, M. (2011): Konsequenzen des demographischen Wandels für zukünftige Produktions- und Technologieabläufe. Am Beispiel der altersbedingten Veränderungen der Fähigkeit des Sehens. Wissenschaftliche Schriftenreihe des Institutes für Betriebswissenschaften und Fabriksysteme, Heft 91 (Dissertationsschrift) Statistisches Bundesamt (2010): Lebenserwartung in Deutschland erreicht höchsten Stand. Pressemitteilung Nr. 401 vom 04.11.2010. Wiesbaden Statistisches Bundesamt (2009): 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, www.destatis.de. >>> Info: die Autoren Dipl.-Hdl. Isabell Grundmann Tel.: +49 371 531 38994 [email protected] Dipl.-Psych. Katharina Pöschel Tel.: +49 371 531 38479 [email protected] Technische Universität Chemnitz Professur Arbeitswissenschaft 09107 Chemnitz Wolters, J. (2004): Die Bedeutung des demographischen Wandels für betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention. In B. Bundesverband, BKK Gesundheitsreport 2004, Gesundheit und sozialer Wandel. Essen BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 17 AKTUELLES Studie: Arbeitsschutz rechnet sich für Unternehmen Der Erfolg von Investitionen in den Arbeitsschutz beläuft sich im Schnitt auf mehr als das Doppelte der investierten Summe. Das belegt eine Studie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM). Basis der Studie sind standardisierte Interviews, die in den Jahren 2010 und 2011 in 300 Unternehmen aus 16 Ländern geführt wurden. Der ermittelte „Return on Prevention“ (ROP): Jeder Euro, den ein Unternehmen in Präventionsarbeit investiert, zahlt sich im Schnitt in einem ökonomischen Erfolgspotenzial von 2,2 Euro aus. Der Endbericht zur Studie erscheint im Herbst. Ein kurzer Zwischenreport mit ausgewählten Ergebnissen ist hier hinterlegt: bit.ly/KIz4ie Studie: 48 Milliarden Euro Sparpotenzial bei Materialkosten Auf im Schnitt sieben Prozent schätzen Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes ihr Materialeinsparpotenzial in der Produktion ein, so eine Studie des FraunhoferInstituts für System- und Innovationsforschung ISI im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Das entspricht einem Einsparpotenzial von etwa 48 Milliarden Euro im Jahr. „Wollte man die durch die Realisierung dieses Einsparpotenzials verbesserte Rendite stattdessen durch zusätzlichen Umsatz erzielen, müsste der Maschinenbau seinen Umsatz um etwa 30 Prozent, der Fahrzeugbau sogar um 75 Prozent steigern“, erklärt Dr. Marcus Schröter, Projektleiter am Fraunhofer ISI. Die Basis der Studie bilden Antworten von rund 1.500 Betrieben aus der Fraunhofer ISI-Erhebung „Modernisierung der Produktion 2009“. Studie zum Download: bit.ly/IRB2Ie EU-Vergleich der Arbeitskosten: Deutschland in Europa weit vorn Im Verarbeitenden Gewerbe kostete eine Arbeitsstunde in Deutschland 2011 durchschnittlich 34,30 Euro. Deutschland belegt damit nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes im EU-weiten Vergleich Rang fünf. Eine Stunde Arbeit in der deutschen Industrie ist laut Destatis damit 48 Prozent teurer als im EU-Durchschnitt. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) kürzlich mit. Mehr Informationen unter: bit.ly/IP1DZR BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 EU-Top-Ten der Arbeitskosten Mitgliedstaaten der Europäischen Union (absteigend sortiert nach dem Arbeitskostenniveau in der Privatwirtschaft) Privatwirtschaft / Euro Verarbeitendes Gewerbe/ Euro Belgien 39,30 40,60 Schweden 39,10 40,50 Dänemark 38,90 37,60 Frankreich 34,20 35,60 Deutschland 30,10 34,30 Niederlande 31,10 33,00 Finnland 29,70 32,00 Österreich 29,20 31,00 Luxemburg 33,70 29,60 Irland 27,40 29,10 Europäische Union (EU 27) 22,80 23,20 Euro-Währungsgebiet 29,30 27,70 Quelle: Destatis, Berechnungen auf Basis von Eurostat-Daten vom 10. April 2012 (Werte für das Jahr 2011 wurden auf Basis der ersten drei Quartale 2011 geschätzt) Neue Auflage des ifaa-Leitfadens zur psychischen Belastung Die Diskussion über psychische Belastungen am Arbeitsplatz muss versachlicht werden, erklärte ifaaDirektor Professor Sascha Stowasser in einer Reaktion auf aktuelle Gewerkschaftsforderungen nach einer Antistress-Verordnung. Der durch das Arbeitsschutzgesetz und internationale Normungen bestehende Gesetzesrahmen sei ausreichend, neue Regelungen sind nach Auffassung Stowassers nicht erforderlich. Doch wie können Unternehmen feststellen, ob ihr Arbeitsumfeld den diesbezüglichen gesetzlichen Ansprüchen genügt? Zu diesem Zweck hat das ifaa das „Kurzverfahren Psychische Belastung“ (KPB) entwickelt. Es handelt sich dabei um ein zuverlässiges Instrument zur orientierenden Erfassung psychischer Arbeitsbelastung für den Betriebspraktiker. Soeben ist die dritte überarbeitete Auflage des KPB-Leitfadens erschienen. Erhältlich im ifaa-Webshop: bit.ly/KtLRAs 18 WIE UNTERNEHMEN ZUKUNFT GESTALTEN – PERSONALARBEIT PERSONALVERANTWORTLICHE & INGENIEURE IM DIALOG Interviewpartner und Veranstalter eines arbeitswissenschaftlichen Forums: Wolfgang Kohler (ME Saar), Harald Brüning (vem.die arbeitgeber), Nikolaus Schade (Hessenmetall), Ralf Mertel (Pfalzmetall) „Arbeitsgestaltung und Personalarbeit – gestalten statt verwalten“: Unter diesem Titel fand in Mainz das „Arbeitswissenschaftliche Forum 2012“ statt. Veranstalter war die Arbeitsgemeinschaft M+E MITTE – deren Mitglieder sind die Arbeitgeberverbände Hessenmetall, ME Saar, Pfalzmetall sowie vem.die arbeitgeber. Für Betriebspraxis & Arbeitsforschung sprach Carsten Seim mit den Verbandsingenieuren Harald Brüning, Wolfgang Kohler, Ralf Mertel und Nikolaus Schade über Inhalte und Erkenntnisse dieser Veranstaltung und zeichnete Standpunkte der Referenten auf. Interview: Mehr Wettbewerb ums Personal – wie erleben Sie das in Ihrer Betriebspraxis? „Arbeitsgestaltung und Personalarbeit – gestalten statt verwalten“ – warum dieses Thema? Wolfgang Kohler (ME Saar): Wir wollten zeigen, dass Personalarbeit in Zukunft nur dann erfolgreich sein wird, wenn auch arbeitswirtschaftliche Elemente einbezogen werden. Wir wollen das Thema gleichsam auf den „Hallenboden“ herunterholen und dort diskutieren. Harald Brüning (vem.die arbeitgeber): Kai Gramke von der Prognos AG hat den Rahmen aufgezeigt, in dem sich die Unternehmen in den nächsten Jahrzehnten bewegen müssen. Personalverantwortliche haben deutlich gemacht, wie sie sich zum Beispiel über Altersstrukturanalysen einen Überblick über die Lage im eigenen Unternehmen verschafft haben. Vor allem aber – und damit komme ich auf das Bild vom Hallenboden zurück – haben sie Praxisbeispiele aufgezeigt, die anderen Unternehmen Orientierung geben können. Dafür steht exemplarisch der sich verschärfende Wettbewerb um Arbeitskräfte. Wie erleben Sie das in Ihrer Betriebspraxis? Ist allen diese Lage schon voll bewusst? Nikolaus Schade (Hessenmetall): Die Unternehmen sind sich dieser Situation teilweise bewusst – und zwar vor allem dann, wenn sie Mitarbeiter suchen. Ralf Mertel (Pfalzmetall): Das Thema ist noch nicht bei allen angekommen. Gerade in KMU sind die Geschäftsführer stark damit beschäftigt, Aufträge zu gewinnen. Im harten Tagesgeschäft gehen Vorhaben, die erst in einigen Jahren Früchte tragen, leicht unter. Das Problem ist in der Theorie schon seit längerem bekannt. In der Unternehmenspraxis kommt es jetzt an... Schade: ... und die Unternehmen ziehen zum Teil bereits Konsequenzen: Sie stellen zum Beispiel Menschen, die vielleicht früher nicht einmal das Auswahlverfahren für ein Bewerbungsgespräch bestanden hätten, ein und versuchen die Lücken in der Qualifikation durch innerbetriebliche Weiterbildung zu schließen. Insofern liegt in dem Problem der demografisch bedingten Verknappung von Arbeitskräften auch eine Chance für Menschen, die sich bisher am ersten Arbeitsmarkt eher schwer getan haben. Kohler: Professor Olesch von der Phoenix Contact hat dafür ja Best Practices früherer Hauptschüler präsentiert, die inzwischen eine akademische Ausbildung absolviert haben. Er hat diese Hauptschüler, die sonst womöglich keinen Abschluss geschafft hätten, erfolgreich in den betrieblichen Alltag eingebunden. Spricht dieses Beispiel dafür, dass Unternehmen die Einstellungsbedingungen großzügiger auslegen sollten? Schade: Nicht großzügiger, aber man wird flexibler agieren müssen. Wenn ich den kompletten Mitarbeiter BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 19 nicht bekomme, werde ich früher als bisher bei dem vermeintlich weniger geeigneten Mitarbeiter zugreifen und diesen dann über die betriebliche Weiterentwicklung fit machen. Alternativ muss ich über die Arbeitsaufgabe beziehungsweise den Prozess nachdenken und diesen umgestalten. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten im Unternehmen und für die Mitarbeiter. Zugleich gibt es vor allem in der jüngeren Generation den Wunsch nach mehr Individualität – zum Beispiel bei den Arbeitszeiten ... Kohler: Auch deshalb sprechen wir von Gestaltung. Ein Beispiel dafür ist die lebensphasenorientierte Arbeitszeit bei TRUMPF. Sie bietet in einer Spannbreite zwischen 15 und 40 Wochenstunden und mit Zeitkonten bis zu 1000 Stunden umfassende Spielräume. Brüning: Die ergonomische Optimierung von Arbeitsplätzen ist schon immer ein Thema. Jetzt geht es uns aber auch darum, wie wir die Arbeitsorganisation gestalten – zum Beispiel über Schichtpläne und Arbeitszeitmodelle, die die Interessen des Unternehmens und der Mitarbeiter unter einen Hut bringen. Und: Wenn ich künftig länger arbeiten muss, bin ich ganz sicher eher bereit, das zu tun, wenn ich Freude an meiner Arbeit habe. Sie haben es indirekt angesprochen: Belegschaften altern – ziehen die Unternehmen bereits ausreichend Konsequenzen aus dieser Tatsache? Schade: Vor allem große Unternehmen gehen strategisch mit diesem Thema um, mittelgroße Unternehmen denken beispielsweise derzeit über aktives Gesundheitsmanagement, über Fitness-Studios und gesundes Essen in ihren Kantinen nach. Kleinere Betriebe sind hier weniger aktiv. Sie fürchten möglicherweise auch, dass sich die Investition nicht rechnet, wenn Mitarbeiter nach kurzer Zeit wieder weg gehen. Brüning: Die Alterung der Belegschaften wird im Betriebsalltag immer noch oft verdrängt. Das muss und wird sich bald ändern. Schade: Die Veranstaltung hat Anregungen gegeben, wie diese Konsequenzen aussehen könnten. Auch KMU können einiges auf die Beine stellen, wenn sie gemeinsam handeln. Wenn sich mehrere kleinere Unternehmen einig sind, können sie etwa dem Beispiel von KSB folgen und eine gemeinsame Kinderbetreuungsgruppe in einem kommunalen Kindergarten einrichten. Damit machen sie sich attraktiv für Eltern. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Und wie beraten Sie die Unternehmen als Verbandsingenieure? Schade: Wir tun das, indem wir beispielsweise Altersstrukturanalysen anbieten. Aber vor allem in manchen kleineren Unternehmen ist da noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Das Problem: Viele Engagements, die mit Blick auf die mittelfristige Zukunft notwendig sind, kann man nicht sofort betriebswirtschaftlich rechnen. Brüning: Wir haben solche Altersstrukturanalysen in KMU bereits durchgeführt – mit teilweise erschreckenden Ergebnissen. Meistens scheitert das dringend notwendige Handeln dann am Geld. Kohler: Vor allem scheitert es an dem Fehlen von erforderlichen langfristigen Perspektiven. Doch nur wenn Unternehmen eine Perspektive haben, kann gestaltet werden. Wir denken hier in Zeiträumen von 10 oder 15 Jahren. Kleinere Unternehmen wissen aber vielfach nicht, wo sie in 10 Jahren stehen. Brüning: Jüngst hat mir der Geschäftsführer eines kleineren Unternehmens gesagt, er wisse nicht einmal, wo er in einem Jahr steht. Mertel: Wir bemühen uns dennoch, auch KMU zu bewegen, hier etwas zu tun. Die Großen arbeiten an Konzepten, um der gesellschaftlichen Alterung zu begegnen. Das wird in wenigen Jahren ein Vorteil im Wettbewerb um Arbeitskräfte sein. Deshalb wollen wir gerade für die kleinen Unternehmen über den Verband Altersstrukturanalysen anbieten. Kontakt zu den Gesprächspartnern Dipl.-Ing. Wolfgang Kohler ME SAAR Tel.: +49 681 95434-35 E-Mail: [email protected] Dipl.-Ing. Nikolaus Schade HESSENMETALL Tel.: +49 69 95808-180 E-Mail: [email protected] Dipl.-Ing. Ralf Mertel PFALZMETALL Tel.: +49 6321 852-254 E-Mail: [email protected] Dipl.-Ing. Harald Brüning vem.die arbeitgeber Tel.: +49 261 40406-46 [email protected] 20 WIE UNTERNEHMEN ZUKUNFT GESTALTEN – PERSONALARBEIT PERSONALVERANTWORTLICHE & INGENIEURE IM DIALOG Zahlreiche Personalfachleute verfolgten beim Arbeitswissenschaftlichen Forum der Mittelgruppe in Mainz die Vorträge prominenter Referenten. Hier finden Sie exemplarische Standpunkte. Zunächst gab PrognosRepräsentant Kai Gramke einen Ausblick auf die Arbeitslandschaft 2030. Im Anschluss stellten Experten Konzepte vor, mit denen sich Unternehmen darauf einstellen. Die Standpunkte „Der demografische Wandel trifft Deutschland härter als die meisten anderen Industrieländer“ Kai Gramke ist Mitglied der Geschäftsleitung der Prognos AG in Basel. Deutschland wird seine Position als Hochtechnologieund Exportstandort halten können. (...) Jetzt kommen die Nachrichten, die uns herausfordern (sollten): Deutschland muss in Zukunft produktiver als heute sein, um im Wettbewerb bestehen zu können – und das mit einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung! Die Veränderung hin zu wissensbasierten Tätigkeiten wird die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften mit Hochschulabschuss gleichzeitig deutlich steigen lassen. Für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft haben wir den Wandel im Detail untersucht . (...) Wissensbasierte Tätigkeiten werden im Zeitraum 2010 bis 2030 von 20 auf 23 Prozent zulegen. Wir haben nachfrageseitig einen Trend zu höheren Qualifikationsanforderungen, der Anstrengungen voraussetzt, die deutlich über dem Erreichten der letzten Jahre liegen. „Mit Blick ins vierte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts lautet die gute Nachricht: Auch wenn sich die Gewichte im Kreis Hightech- und Forschungsnationen in den kommenden 20 Jahren weltweit deutlich verlagern werden: Vor dem Hintergrund unserer Zahlen einige Empfehlungen: Alle in Deutschland müssen künftig länger arbeiten. Bei den Erwerbsquoten muss in allen Altersstufen BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 21 noch eine Schippe draufgelegt werden. Niemand hört das gern, aber es ist notwendig, und wir brauchen jetzt eine offene gesellschaftliche Debatte darüber. Deutschland braucht Zuwanderung: langfristig rund 300.000 Zuwanderer verschiedener Qualifikationen pro Jahr, um seinen Bedarf am Arbeitsmarkt auch künftig zu decken. „Eine neue Strategie, um auch vor der Kulisse der gesellschaftlichen Alterung produktiv zu bleiben“ Armin Zisgen ist Leiter HR Service bei der KSBAktiengesellschaft. Alle – Unternehmen und der Staat – müssen größere Anstrengungen für die Weiterbildung unternehmen – hier geht es vor allem um Männer. Die Durchlässigkeit von Ebenen muss bei arbeitsbegleitender Weiterbildung möglich sein. Steigerungsfähig sind Erwerbsbeteiligung und Wochenarbeitszeit von Frauen. Dafür müssen Voraussetzungen geschaffen werden, zum Beispiel bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der demografische Wandel trifft Deutschland wesentlich früher und härter als die meisten anderen Industrieländer. (...) Wenn wir das Problem der Fachkräftesicherung in Deutschland nicht entschlossen angehen, drohen Wertschöpfungsverluste in Billionen-Größenordnung – die gute Nachricht dabei ist: Das Zeitfenster ist noch offen.“ Kontakt Kai Gramke Prognos AG Tel.: +41 61 3273341 [email protected] (...) Personalpolitisch verfolgen wir bei KSB mit Blick auf das Jahr 2018 eine neue Strategie, um auch vor der Kulisse der gesellschaftlichen Alterung produktiv zu bleiben. Das Ziel: Demografische Fitness. (...) Unsere Altersstrukturanalysen zeigen den Handlungsbedarf: Danach wird der Anteil älterer Mitarbeiter zwischen 56 und 60 Jahren von derzeit 13,9 Prozent der Belegschaft auf 18,6 Prozent steigen. Und fast 15 Prozent aller KSB-Mitarbeiter werden im Jahr 2018 zwischen 61 und 67 Jahren sein. Der Anteil der 26- bis 30-Jährigen wird von 10,5 auf 3,6 Prozent fallen. (...) In Befragungen haben wir ermittelt, wie sich ältere Mitarbeiter einen längeren Verbleib im Betrieb vorstellen können. Die Ergebnisse sind in unser Projekt „Ältere Beschäftigte“ eingeflossen: (...) Viele hatten in einer Befragung gesagt, dass sie sich einen längeren Verbleib in Beschäftigung vorstellen können, wenn der Druck etwas herausgenommen wird. Beispiele für Konsequenzen, die wir aus diesen Befunden gezogen haben: Ältere ab 58 Jahren müssen keine Nachtschichten mehr leisten. Sie können zudem ihre Wochenarbeitszeit aus Langzeitarbeitskonten reduzieren. Wer 60 Jahre alt und mehr als 25 Jahre oder länger im Unternehmen ist, kann sich von Führungsaufgaben entbinden lassen, ohne Verdiensteinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Ab dem 63. Lebensjahr erhalten Mitarbeiter drei Tage zusätzlichen Urlaub. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 22 WIE UNTERNEHMEN ZUKUNFT GESTALTEN – PERSONALARBEIT PERSONALVERANTWORTLICHE & INGENIEURE IM DIALOG Demografische Fitness erreicht man allerdings nicht allein dadurch, dass man seine Mitarbeiter erst mit 50 entdeckt. Das muss ganzheitlich geschehen. „Unser Konzept einer alternsgerechten Arbeitszeitgestaltung nehmen auch viele Jüngere in Anspruch“ Wir unternehmen große Anstrengungen in der Ausbildung. Unsere Ausbildungsquote liegt bei 9 Prozent. Das bewegt sich deutlich über dem Branchendurchschnitt. Und wir hatten die gesamte Belegschaft im Blick, als wir unsere Führungskräfte in Trainings geschickt haben. Dabei ging es darum, wie man Mitarbeiter durch Wertschätzung und Kommunikation motiviert. (...) Klaus Höfer, Leiter Arbeitswirtschaft, Carmen Diel, Referentin Personalentwicklung, ThyssenKrupp Rasselstein GmbH. Demografische Fitness bauen wir auch durch Maßnahmen auf, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. So haben wir hochflexible Arbeitszeitmodelle mit entsprechenden Entgeltregelungen sowie Telearbeit im Unternehmen. In Frankenthal und in Pegnitz kooperieren wir mit kommunalen Kindergärten, damit Eltern unter unseren Mitarbeitern ihre Kinder gut betreut wissen. (...)“ Kontakt: Armin Zisgen KSB Aktiengesellschaft Tel.: +49 6233 862220 [email protected] Unsere Altersstrukturanalysen zeigt heute bereits keine Standardnormalverteilung mehr. Im Jahr 2025 wird sie eine extreme Verschiebung nach rechts aufweisen – hin zur Generation 60 plus. Der wachsende Anteil Älterer verlangt Antworten auf folgende Fragen. 1. Wie halten wir unsere Mitarbeiter möglichst lange gesund? 2. Bei Rasselstein ist Schichtbetrieb wegen der hohen Investitionen in die Fertigungsinfrastruktur unvermeidlich – wie können wir diesen so gestalten, dass Mitarbeiter möglichst lange und ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen in Schichten arbeiten können? 3. Wie halten wir das Wissen im Unternehmen, wenn Ältere aus dem Arbeitsleben ausscheiden? 4. Und wie schließen wir die Lücken beim qualifizierten Personal? Teilnehmer des Kongresses nutzten die Pausen zwischen den Vorträgen zu intensiven Fachgesprächen. Zur Frage nach der Mitarbeitergesundheit: Gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft haben wir ein mehrjähriges Programm für das Gesundheitsmanagement aufgelegt. Bei Mitarbeitern mit Rückenbeschwerden untersuchen und korrigieren wir zum Beispiel systematisch die Ergonomie am Arbeitsplatz – etwa die Monitorposition. Wir bieten gesundes kalorienarmes Essen in der Kantine an. Wir haben Betriebsräte als Gesundheitsauditoren ausgebildet. (...) BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 23 Zur zweiten Frage nach der Schichtarbeit: Wir haben eine Wahlarbeitszeit eingeführt, die es den Mitarbeitern gestattet, ihre Belastung individueller zu gestalten: Schichtarbeiter können ihre Wochenarbeitszeit zum Beispiel freiwillig bis auf 32 Stunden reduzieren. (...) Zur dritten Frage nach dem Wissensmanagement: Wir haben eine Wissensstaffel eingeführt. Dabei arbeitet ein jüngerer Mitarbeiter parallel mit einem Kollegen zusammen, der bald aus Altersgründen ausscheiden wird. Dieses Tandem stattet die Personalabteilung mit einer Mindmap aus. Diese enthält unternehmensrelevante Themen, die den Arbeitsbereich des älteren Mitarbeiters betreffen. (...) „Wir bieten Spielräume für unterschiedliche Lebensentwürfe“ Stefan Gryglewski ist Leiter des Zentralbereiches Personal der TRUMPF GmbH & Co. KG Ditzingen. Er ist zudem Mitglied im Vorstand des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa. Zur vierten Frage der Nachwuchssicherung: Wir sorgen dafür, dass engagierte Mitarbeiter unterstützt durch Weiterbildungen innerhalb der vier Qualifikationsebenen in unserem Unternehmen aufsteigen können. Das heißt: Ein Angelernter auf der Qualifikationsebene IV kann in Gruppe III (Facharbeiter) aufsteigen. (...) Und ein Facharbeiter kann sich für Gruppe II durch externe Lehrgänge oder berufsbegleitende Studiengänge qualifizieren – zum Experten beziehungsweise Techniker oder Schichtkoordinator aufsteigen. (...) Wir verfolgen auch ein Konzept der Vielseitigkeit: Unsere Facharbeiter sollen möglichst mehrere Arbeitsplätze beherrschen. Dadurch sind wir in der Lage, schnell unsere Kapazitäten anzupassen. Angehende Maschinenbauer haben bei uns die Möglichkeit eines dualen Studiums. Sie absolvieren parallel zum Studium eine Ausbildung als Mechatroniker. Auf diese Weise startet ein Maschinenbau-Ingenieur bei uns gleich mit Produktionserfahrung. (...) Wir bilden über Bedarf aus: Derzeit sind 210 der rund 2400 Mitarbeiter bei Rasselstein Azubis. Das entspricht einer Ausbildungsquote von 9,5 Prozent. Wir werden diese Quote in den kommenden Jahren noch einmal steigern müssen, um die Belegschaftsstärke zu halten. (...) Kontakt Klaus Höfer ThyssenKrupp Rasselstein GmbH Tel.: +49 2632 3097-4606 E-Mail: [email protected] Carmen Diel Tel.: +49 2632 3097-2764 E-Mail: [email protected] BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 „Die Lebensentwürfe insbesondere jüngerer Menschen werden immer individueller. Viele wollen nicht länger im starren Acht-Stunden-Korsett arbeiten. Ehepartner stehen zudem heute häufig beide im Berufsleben. Die Verteilung von Erwerbs- und Familien-Arbeitszeit muss auch in Partnerschaften und der Familie immer neu justiert werden. Langzeit- oder Lebensarbeitszeitkonten können vor diesem Hintergrund keine Lösung sein. Stattdessen ist ein Arbeitszeitmodell erforderlich, das Mitarbeitern Spielräume für unterschiedliche Lebensentwürfe, familiäre Situationen und individuelle Bedürfnisse ermöglicht. Wie kann man dies mit den Belangen einer großen Organisation wie der Trumpf GmbH vereinbaren und gleichzeitig Vorteile für Mitarbeiter und – unter Aspekten der Wettbewerbsfähigkeit – für das Unternehmen sichern? Wir haben dafür das Modell der Lebensphasenorientierten Arbeitszeit geschaffen. Es stellt den letzten Baustein einer Reihe von Maßnahmen dar, die wir bei Trumpf gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG Metall „Bündnis für Arbeit“ nennen. (...) Zentrales Element des im Jahr 2011 geschlossenen „Bündnisses für Arbeit 2016“ ist ein hochflexibles Arbeitszeitmodell, das den Mitarbeitern – auch außertariflich bezahlten Führungskräften – zeitlich und finanziell wesentlich mehr Freiheit gibt als je zuvor. Dauerhaft können sich die Mitarbeiter nun für eine Basisarbeitszeit zwischen 15 und maximal 40 Wochenstunden entscheiden. In Abstimmung mit den betrieblichen Belangen, die sie mit ihrem direkten Vorgesetzten 24 WIE UNTERNEHMEN ZUKUNFT GESTALTEN – PERSONALVERANTWORTLICHE & INGENIEURE IM DIALOG PERSONALARBEIT cherweise daheim Nachwuchs zu betreuen oder Angehörige zu pflegen sind. Nach Ablauf dieser zweijährigen Lebensphase kehrt der Mitarbeiter wieder zu seiner vertraglich vereinbarten Basisarbeitszeit zurück und kann erneut eine Wahlarbeitszeit vereinbaren, wenn es die Lage im Unternehmen erlaubt. (...) Weitere Elemente des Bündnisses für Arbeit 2016: Über ein Familien- und Weiterbildungszeitkonto können Mitarbeiter bis zu 1000 Arbeitsstunden ansparen. Trumpf wandelt diese Stunden in Entgelt um und legt sie insolvenzsicher an. Der Mitarbeiter ist frei zu entscheiden, was er mit diesem Konto macht: längere Auszeit für eine Reise, für die Weiterbildung, Familie oder Ausgleich der Mindereinnahmen, wenn sie oder er beispielsweise von 5 auf 4 Wochenarbeitstage geht. Mitarbeiter können ihre Bezahlung über dieses Konto ein Stück weit unabhängig von ihrer jeweiligen Arbeitszeit steuern. Wer seine Arbeitszeit beispielsweise auf 20 Stunden reduziert, kann sich dennoch das Entgelt für eine 25-Stunden-Woche auszahlen lassen – die Entgelt-Differenz für fünf Stunden deckt er aus seinem Familien- und Weiterbildungszeitkonto ab. Bei Podien wurden die Themen der Vorträge im Dialog mit den Zuhörern vertieft. Weitere bereits früher vereinbarte Elemente des Bündnisses für Arbeit sind bis heute gültig. Dazu gehören 70 sogenannte Bündnisstunden im Jahr, die als Gegenleistung für die Beschäftigungssicherung und die Zusatzleistungen des Bündnisses (zum Beispiel bestimmte individualisierte Qualifizierungsansprüche, aufwändige Gesundheitsförderung) geleistet werden. Die Betriebsparteien haben diese 1997 mit dem Ziel vereinbart, die Arbeitskosten bei Trumpf zur Standortsicherung um 10 Prozent zu reduzieren. Dazu gehört aber auch eine im selben Jahr vereinbarte Übernahmegarantie für alle Auszubildenden, die fachlich und persönlich geeignet sind. Seit 2001 verfügt Trumpf auch über eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Die Mitarbeiter müssen dabei nicht auf ihr laufendes Entgelt verzichten, sie können diese Altersversorgung auch finanzieren, indem sie bis zu zwei Stunden pro Woche zusätzlich arbeiten. (...) absprechen, wählen die Mitarbeiter dann jeweils für einen Zeitraum von zwei Jahren eine Wahlarbeitszeit zwischen 15 und maximal 40 Stunden. Das Entgelt richtet sich nach dieser Wahlarbeitszeit. Die Wahl der Wochenstundenzahl schafft zum Beispiel die Freiheit, mehr zu arbeiten, weil ein Hausbau ansteht, oder eben weniger, weil zum Beispiel eine arbeitsbegleitende Weiterbildung absolviert werden soll, weil mögli- PS: 700 Anträge auf Veränderung der Arbeitszeit sind bei uns eingegangen. 90 Prozent aller Arbeitnehmer wollten ihre Arbeitszeit übrigens verlängern ... Kontakt Stephan Gryglewski Tel.: +49 7156 30330784 E-Mail: [email protected] BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 25 „Arbeitnehmer müssen gern in einem Unternehmen arbeiten – der Job muss bei ihnen Endorphine auslösen.“ Professor Gunther Olesch ist Geschäftsführer Personal, Informatik und Recht der Phoenix Contakt GmbH & Co. KG Blomberg. „Die Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte wird in Zukunft eine stärkere Rolle im Wettbewerb der Unternehmen spielen. Sie wird wichtiger werden als die Auseinandersetzung um Produkte am Markt. Unternehmen brauchen eine ganzheitliche und langfristig angelegte Vision, wie sie in diesem Wettbewerb bestehen wollen. Wichtige strategische Aspekte: Ein Unternehmen muss verantwortungsbewusst handeln – die Führungsmannschaft muss selbst vorleben, was sie von ihren Mitarbeitern verlangt. Bei uns hat das in der zurückliegenden Krise zum Beispiel bedeutet, dass unsere Führungskräfte anteilig auf Vergütung verzichtet haben, als unsere Belegschaft kurzgearbeitet hat. Das Management ist dabei allerdings in vollem Umfang weiter tätig geblieben. Wir werden in Zukunft mehr Volatilität auf unseren Märkten erleben. Das wird noch mehr Flexibilität beim Personaleinsatz erfordern. Auch wir werden selbstverständlich mehr Leasingkräfte einsetzen, um in diesem Auf und Ab die notwendige Bewegungsfreiheit zu haben. Equal Pay ist dabei selbstverständlicher Teil der Verantwortung, die wir für alle empfinden, die bei uns arbeiten. Zum Verantwortungsbewusstsein gehört natürlich auch die Gesundheit der Mitarbeiter. (...) Gesundheitsmanagement ist auch gut für das Unternehmen! Es rechnet sich in Euro und Cent. Das hat eine 5-Jahres-Studie des Fraunhofer-Instituts mit 380 männlichen und weiblichen Mitarbeitern ergeben: Für sie hat mein Unternehmen 430.000 Euro in eine systematische Gesundheitsförderung investiert. 620.000 Euro haben wir im Betrachtungszeitraum BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 aber durch einen geringeren Krankenstand eingespart. Unterm Strich bleiben also 190.000 Euro Gewinn. Mit Blick auf das in den nächsten Jahren steigende Belegschaftsalter ist allgemein von höheren Fehlzeiten auszugehen. Unser Unternehmensziel ist es, den Krankenstand durch ein systematisches Gesundheitsmanagement auf dem heutigen Niveau zu halten. Ein Unternehmen muss den Mitarbeitern Entwicklungsund Bleibeperspektiven bieten. Wir bei Phoenix Contact bilden selbstverständlich aus – und zwar mit dem Ziel, unsere Azubis zu übernehmen. Dabei haben wir auch spezielle Programme für Migrantenkinder. Wir holen Hauptschüler jeweils ein Jahr vor deren Abschluss in unser Unternehmen. Und wir stellen fest, dass die meisten sich richtig hereinhängen, wenn sie die Perspektive spüren, die ihnen hier geboten wird. Menschlich ist es ja verständlich, dass der Ehrgeiz von Hauptschülern sinkt, wenn sie ständig hören, dass sie ohnehin keine Aussichten am Arbeitsmarkt hätten. Unternehmen, die diese Generation vermeintliche Sackgasse rechtzeitig abholen, werden in den meisten Fällen positive Erfahrungen machen. Und sie werden in wenigen Jahren kaum eine andere Wahl haben, als diesen Weg zu gehen, zu dem ich sie aufgrund unserer Erfahrungen ermutigen möchte. Zwei der früheren Hauptschüler bei uns haben inzwischen eine akademische Ausbildung absolviert. (...) Ein Unternehmen sollte nach innen und nach außen als guter und sympathischer Arbeitgeber auftreten. Nach innen bedeutet das: Es müssen Bedingungen geschaffen werden, dass Arbeitnehmer gern in einem Unternehmen arbeiten – der Job muss bei ihnen Endorphine auslösen. Das wird sie am Ende bewegen, zu bleiben und ihre Arbeitsleistung gern und besser zu erbringen. Bei uns liegt die Fluktuation unter einem Prozent. Für ihre Personalpolitik und -entwicklung ist die Phoenix Contact vielfach ausgezeichnet worden – zum Beispiel als bester Arbeitgeber des Jahres 2011. Dieses Reputationsmanagement wird im Social MediaZeitalter noch wichtiger für die Mitarbeitergewinnung: Wer in den Urlaub fährt, schaut sich im Internet Hotelbewertungen an. Die Generation Web 2.0 wird sich im Web über mögliche Arbeitgeber ebenso selbstverständlich informieren. Bei Phoenix Contact erhalten wir monatlich rund 800 Bewerbungen, ohne dass wir Anzeigen schalten.“ Kontakt Professor Gunther Olesch Phoenix Contakt GmbH & Co. KG Tel.: +49 5235 341671 E-Mail: [email protected] 26 GANZHEITLICHE PRODUKTIONSSYSTEME IN DEUTSCHLAND – PRODUKTIONSWIRTSCHAFT EINE BESTANDSAUFNAHME DER PRAXIS Sascha Stowasser Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa Linda Heßlinger Karlsruhe Institut für Technologie, KIT Mittlerweile haben Ganzheitliche Produktionssysteme in zahlreichen Unternehmen Einzug gehalten. Dieser Trend setzt sich in den nächsten Jahren fort. Obwohl sich Ganzheitliche Produktionssysteme (GPS) in der Praxis etabliert haben, ist noch nicht in allen Unternehmen eine erfolgreiche Umsetzung zu beobachten. Oft nutzen Betriebe die Potenziale dieser Systeme nicht vollständig und nachhaltig. Folgende Fragen sind zu beantworten: Wie stark sind Ganzheitliche Produktionssysteme in Deutschland verbreitet? Welche Erfahrungen machen die Unternehmen bei der Einführung und Realisierung von Ganzheitlichen Produktionssystemen? Was sind deren Erfolgsfaktoren in der Praxis? Antworten hierzu wollen wir in der Zeitschrift „Betriebspraxis & Arbeitsforschung“ geben. 1 Übersicht Der erste Artikel stellt den derzeitigen Stand von Ganzheitlichen Produktionssystemen (GPS) in der Unternehmenspraxis dar. Er informiert über einige Studien, die sich mit GPS in großen Unternehmen und auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) beschäftigen. Abschließend stellt er eine Befragung von Arbeitnehmervertretern vor. In den folgenden Ausgaben werden die Erfolgsfaktoren von Produktionssystemen näher diskutiert. 2 Verbreitung von GPS in Deutschland GPS haben ihren Ausgangspunkt in der Automobilindustrie, die in diesem Bereich weiterhin eine Vorreiterrolle einnimmt (vgl. Barth 2005, S. 270; Dombrowski, Hennersdorf, Schmidt 2006, S. 172; Korge, Lentes 2009, S. 570). Ausgehend von den Fahrzeugherstellern haben sich GPS auf deren große Zulieferer und auf weitere Branchen übertragen (vgl. Becker, Korge, Scholtz 2003, S. 15; Zäh, Aull 2006, S. 683; Kämpf 2007, S. 239). Der Grund für die Ausbreitung entlang der Zulieferkette liegt unter anderem in dem zunehmenden Druck, den Großunternehmen auf ihre Lieferanten ausüben, um über die Unternehmensgrenzen hinweg eine reibungslose Vernetzung, zum Beispiel für Just-In-Time, und verschwendungsfreie Prozesse zu erreichen. Die mit GPS erzielten Erfolge der Automobil- und Zulieferindustrie werden von anderen Branchen erkannt, die daher zunehmend GPS umsetzen. Dabei stellen GPS für nicht-automotive Unternehmen eine Herausforderung dar. Denn die ursprünglich für die Automobilindustrie entwickelten Produktionsprinzipien und -methoden sind ohne Modifikationen nicht auf die Gegebenheiten anderer Branchen übertragbar (nach Zäh, Aull 2006, S. 683). Heute kommen GPS in diversen Industriebranchen zum Einsatz. Beispiele dafür sind der Werkzeugmaschinenbau (zum Beispiel Trumpf, vgl. Kammüller 2003, S. 166), die Medizintechnik (zum Beispiel Aesculap, vgl. Springer, Schulz 2007) und die Konsumgüterindustrie (zum Beispiel WMF, vgl. WMF 2008). Die Bauindustrie ist ein neuer erschlossener Wirtschaftszweig; für den Bausektor hat Kirsch (2009) in seiner Forschungsarbeit ein GPS-Modell entwickelt. GPS gewinnen auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen an Bedeutung. KMU sind für den Standort Deutschland sehr wichtig (nach Lay, Neuhaus 2005, S. 38), und ein GPS kann zur langfristigen Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit beitragen. In Deutschland ist beispielsweise der überwiegend mittelständische Maschinenbau der größte industrielle Arbeitgeber. Demzufolge sollten nach Auffassung von Lay und Neuhaus (2005, S. 38) auch KMU von GPS profitieren können. Beispiele aus der Betriebspraxis zeigen, dass auch mittelständische Unternehmen (zum Beispiel Ott + Heugel GmbH, vgl. Heinbitzer, Neuhaus, Zink 2010, S. 24 ff.) und Einzelfertiger (zum Beispiel Voith Paper, vgl. Bädorf, Dörich, Neuhaus 2010, S. 12 ff.) GPS realisieren. Demnach werden GPS unabhängig von der Branche, der Unternehmensgröße und der Fertigungsart in produzierenden Unternehmen angewendet. Abbildung 1 zeigt die Verbreitung GPS von der Automobilindustrie über deren Zulieferindustrie bis hin zu weiteren Branchen BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa sonstige Branchen 27 Fahrzeughersteller Zulieferer se Unternehmensbereiche das spezifische Kerngeschäft beschrieben, hieraus der wertschöpfende Prozess abgeleitet und dieser effektiv und verschwendungsfrei mit den anderen Unternehmensbereichen verknüpft werden. Eisennach 1940-1960... 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Abb. 1 - Verbreitung von GPS in der Industrie bis 2010 (in Anlehnung an Keßler, Droste o.J., S. 47; Dombrowski, Schmidt, Crespo 2008, o.S.; ergänzt um eigene Recherchen) chronologisch. Diese Grafik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch veranschaulicht sie die steigende Verbreitung von GPS in der deutschen Industrie. Darüber hinaus werden die Grundgedanken des GPS auch auf nicht industrielle Sektoren übertragen. Beispiele lassen sich in Krankenhäusern finden (nach Winnes 2002, S. 110). Der Logistiksektor ist für produzierende Unternehmen besonders wichtig. Logistikdienstleister kommen durch ihre Schnittstellenfunktion zwischen Unternehmen und durch Logistik-Methoden (zum Beispiel JIT, Kanban) mit GPS in Berührung. Wie in Abbildung 2 dargestellt kann die bisherige Verbreitung des GPS-Ansatzes zusammenfassend in drei unternehmensübergreifende Dimensionen eingeteilt werden: Sektoren, Branchen und Zulieferketten sowie eine interne Dimension–Unternehmensprozesse. Weiterhin kann sich der Nutzen eines GPS durch eine unternehmensübergreifende Anwendung entlang der Lieferkette zusätzlich verstärken. Festzustellen ist, dass von den großen Unternehmen (OEM) eine Übertragung auf in der Supply Chain vorgelagerte – tendenziell kleinere – Unternehmen stattfindet. Ein reines Kopieren der von Konzernen umgesetzten Konzepte ist aufgrund anderer Rahmenbedingungen dieser Unternehmensgruppen jedoch nicht zielführend. Durch die Optimierung in der Produktion und die konsequente Ursachenrückverfolgung bei Störungen im Produktionsprozess, wie zum Beispiel fehlendes Material und wartende Aufträge, werden ebenfalls Schwachstellen in anderen Unternehmensbereichen sichtbar (nach Wittenstein u.a. 2006, S. 3). Unternehmen übertragen daher vermehrt die Lean-Methoden auf weitere Unternehmensprozesse, wie eine Studie des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) und des Kaizen Instituts (vgl. Wittenstein u.a. 2006, S. 3) bestätigt. Dadurch wollen Unternehmen ihre Produktivität auch in indirekten, administrativen Bereichen verbessern. Nicht alle Prinzipien, die sich in der Produktion als erfolgreich erweisen, erzielen in anderen Abteilungen ausnahmslos dieselben Effekte (nach Hahn 2006, S. 41). In der Montage ist Verschwendung zu vermeiden. Dagegen sind Flexibilität und freie Zeit im Entwicklungsprozess für die schöpferische Arbeit wichtig und können für die Arbeit durchaus förderlich sein. Nicht wertschöpfende Tätigkeiten, welche durch Rückfragen, Bürokratie und Schein-Meetings verursacht werden, sollten jedoch auch hier vermieden werden. Grundsätzlich muss für dieBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Abb. 2: Verbreitungsdimensionen von GPS (in Anlehnung an Keßler, Droste o.J., S. 46) 3 Metaanalyse des Entwicklungsstandes und der Erfahrungen mit GPS in Deutschland 3.1 Übersicht der analysierten GPS-Studien Verschiedene Studien untersuchen den Entwicklungsstand von GPS sowie die damit gemachten Erfahrungen in produzierenden Unternehmen. 28 GANZHEITLICHE PRODUKTIONSSYSTEME IN DEUTSCHLAND – EINE BESTANDSAUFNAHME DER PRAXIS PRODUKTIONSWIRTSCHAFT Kriterien identifiziert werden, die mehreren Analysen gemeinsam und für den weiteren Verlauf der Arbeit relevant sind. Anhand dieser Kriterien, die in Tabelle 2 abgebildet sind, wird ein Überblick über die Studienergebnisse gegeben. Im Folgenden wird erläutert, welche Gesichtspunkte ausgewählt werden und was im Speziellen unter diesen in den Analysen untersucht wird. Basierend darauf werden die Ergebnisse der einzelnen Studien geschildert. Einführungsstand Dieser zeigt auf, wie der derzeitige Umsetzungsstand GPS in Unternehmen ist. Ferner wird angegeben, ob Unternehmen sich bei der Implementierung fachlich durch externe Berater unterstützen lassen. Abb. 3: Portfolio-Darstellung der analysierten Studien Die Portfolio-Darstellung in Abbildung 3 gibt eine Übersicht über die analysierten Studien und charakterisiert diese nach der Zahl beteiligter Unternehmen (Teilnehmeranzahl) und der Unternehmensgröße (Mitarbeiteranzahl). Tabelle 1 beinhaltet Eckdaten der einzelnen Studien. Studie Obwohl die Studien unterschiedliche Schwerpunkte setzen, können bei der Gegenüberstellung wesentliche Institution Erhebungsjahr Teilnehmer Unternehmensgrš § e 1 Institut fŸ r angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) 2003 Ð 2005 38 100 Ð 10 000 Mitarbeiter 2 LehrstŸ hle fŸ r Fabrikorganisation (LFO) & fŸ r Arbeits- und Produktionssysteme (APS) 2006 Ð 2008 32 KMU & gro§ e Unternehmen 3 Institut fŸ r Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) 2007 Ð 2008 ~100 KMU 4 Institut fŸ r Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) 2009 Ð 2010 20 KMU 5 Agamus Consult 2010 60 > 250 Mitarbeiter Tab. 1: Eckdaten der analysierten Studien Einführungsgründe und -auswirkungen Es werden Ziele und Gründe angeführt, die Unternehmen mit der Einführung von GPS verfolgen. Unterschieden werden kann beispielsweise zwischen internen und externen Gründen. Bei Ersteren wird eine Einführung aus dem Unternehmen selbst veranlasst, während bei externen Gründen eine Forderung aus dem Unternehmensumfeld vorliegt, zum Beispiel von Kundenseite. Zudem wird untersucht, wie sich die Unternehmenskennzahlen durch ein GPS verbessern und somit angestrebte Ziele erreicht werden können. Hindernisse Verschiedene Aspekte können die Einführung und Umsetzung eines GPS erfahrungsgemäß behindern. Gestaltungsprinzipien und Methoden Die Erhebungen erfassen Gestaltungsprinzipien und Methoden im Unternehmen. Sie schätzen zudem deren Bedeutung für den GPS-Erfolg im Unternehmen ein. Erfolgsfaktoren Unter den Erfolgsfaktoren werden notwendige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen erörtert, die Unternehmen für eine erfolgreiche und nachhaltige Anwendung für wichtig halten. Handlungsbedarf Unternehmen sehen in verschiedenen Bereichen noch Potenziale und somit zukünftige Handlungsfelder, die durch geeignete Maßnahmen den Erfolg eines GPS steigern können. Tab. 2: ausgewählte Kriterien zur Analyse der Studien Stand der unternehmensübergreifenden Anwendung des GPS Es wird aufgezeigt, ob Unternehmen das GPS unternehmensübergreifend mit Lieferanten und Kunden nutzen. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 29 3.2 Studie 1: (vgl. Neuhaus 2010, S. 102 ff.) 3.3 Studie 2: (vgl. Uygun, Keßler, Strausberg 2009, S. 136 ff.) Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hat von 2003 bis 2005 den Nutzen und die Gestaltung von bereits realisierten GPS in Deutschland untersucht. Die 38 teilnehmenden Unternehmen gehören unterschiedlichen Branchen an – zum Beispiel der Automobilzulieferindustrie (hier etwa Bosch, Hella, ZF) oder der Flugzeugindustrie (zum Beispiel Airbus). Die Belegschaftsgröße variiert zwischen 100 und 10 000 Mitarbeitern. Die Lehrstühle für Fabrikorganisation (LFO) sowie für Arbeits- und Produktionssysteme (APS) der Technischen Universität Dortmund führten von 2006 bis 2008 eine Analyse zu GPS in Deutschland durch. Die Zielgruppe besteht aus 32 GPS-einsetzenden Produktionsunternehmen verschiedener Industriezweige, hauptsächlich aus dem Maschinen- und Anlagenbau und der Fahrzeugindustrie. Die Unternehmen können überwiegend den Großunternehmen zugeordnet werden. Der Großteil dieser Unternehmen gibt an, während der Einführung (Konzeptions- und Umsetzungsphase) Leistungen externer Beratungen oder – vor allem in größeren Unternehmen – des eigenen Inhouse-Consultings genutzt zu haben. Obwohl die meisten Studienteilnehmer anführen, sich nicht am Toyota Produktionssystem (TPS) orientiert zu haben, lassen sich dennoch Hauptelemente des TPS nachweisen. Tabelle 3 zeigt, welche Vorteile ein GPS für Unternehmen hat. Die meisten befragten Unternehmen befinden sich in der Entwicklungs- oder Einführungsphase ihres GPS. Ein Drittel der Studienteilnehmer setzt ein GPS ein und beschäftigt sich bereits mit der Weiterentwicklung. Um sich Know-how und Methodenwissen für die Einführung anzueignen, haben drei Viertel der Unternehmen externe Beratungen hinzugezogen. Eine Vorbildfunktion bei der Ausgestaltung eines unternehmenseigenen GPS hat nach wie vor das TPS. Die Hauptgründe für die Einführung eines GPS liegen in der Reduzierung der Kosten, der Verbesserung der Qualität sowie der Termintreue (vgl. Abb. 4). Auswirkungen (n=35) • Verbesserung der ProduktivitŠ t 83% • Verringerung der UnfallhŠ ufigkeit • Reduzierung der Herstellkosten 77% • Verbesserung der Gemeinkosten 53% 53% • Reduzierung der Durchlaufzeit 76% • Verbesserung der Motivation 48% • Verbesserung der QualitŠ t 74% • Reduzierung der Lohnkosten 42% • Verbesserung der FlexibilitŠ t 71% • Verbesserung der Fehlzeiten 36% • Verbesserung der Liefertreue 71% Tab. 3: Auswirkungen der GPS-Einführung (in Anlehnung an Neuhaus 2010a, S. 103) Die bedeutendsten Auswirkungen der organisatorischen Maßnahmen im Rahmen eines GPS können in der Verbesserung der Produktivität, der Reduzierung der Herstellungskosten, der Durchlaufzeit und der Erhöhung der Qualität erzielt werden. Zudem können die Flexibilität und die Liefertreue deutlich verbessert werden. Weniger deutlich sind die Fortschritte, was eine Verringerung der Unfallhäufigkeit oder eine Verbesserung der Mitarbeitermotivation angeht. Im Bereich der Lohn- und Gemeinkosten ist in manchen Unternehmen eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Daten zu beobachten, da Anreizprämien für Mitarbeiter eingeführt werden und Ausgaben für die Durchführung von Workshops, Audits und anderes anfallen. Die Studie zeigt, dass Unternehmen Qualitätsprozesse, Standardisierung, Auditierung, KVP und Kennzahlen, welche zu den Kernelementen eines GPS gehören, für die wichtigsten Erfolgskriterien eines GPS halten. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Die Ergebnisse der Befragung lassen erkennen, dass alle Unternehmen die zu beurteilenden Gestaltungsprinzipien (Flexibilität in Produktionsprozessen, hohe Eigenverantwortung der Mitarbeiter, Fehlervermeidung statt Prüfung, ständige Verbesserung, transparente Prozesse und Vorgänge, standardisierte Arbeit, Pull Prinzip) und Methoden (zum Beispiel flexibler Mitarbeitereinsatz, systematische Problemlösung u.a.) gänzlich als wichtig bis sehr wichtig für den Erfolg eines GPS einstufen. Am häufigsten werden Methoden wie flexibler MitarGründe für die Einführung eines GPS (n=32) Kostensenkung Reduzierung von fehlerhaften Teilen Verbesserung der Termintreue fehlende Übersicht über die Produktion Neustrukturierung der Produktionsstätten Anregungen aus dem Branchenumfeld Kundenwunsch Neuaufbau eines Produktionsstandortes 1sehr gering 2 3 Bedeutung Abb. 4: Gründe für die Einführung eines GPS (Quelle: Uygun, Keßler, Strausberg 2009, S. 138) 4 sehr hoch 5 30 GANZHEITLICHE PRODUKTIONSSYSTEME IN DEUTSCHLAND – PRODUKTIONSWIRTSCHAFT EINE BESTANDSAUFNAHME DER PRAXIS beitereinsatz, transparente Arbeitsabläufe, hohe Anlagenverfügbarkeit und Methoden zur systematischen Problemlösung angewendet. Selbststeuernd automatisierte Betriebsmittel (Autonomation) sind am wenigsten verbreitet. Die größte Bedeutung messen die Unternehmen der systematischen Problemlösung und der ständigen Verbesserung der Prozesse bei. Daraus leiten Uygun, Keßler, Strausberg (2009, S. 138 f.) ab, dass die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse durch die gezielte und nachhaltige Behebung von Schwachstellen als wesentlicher Erfolgsfaktor eines GPS angesehen wird. Aus der Einschätzung der Methodenbedeutung schlussfolgern sie, dass eine ganzheitliche Anwendung der Methoden aufgrund deren gegenseitiger Abhängigkeiten von den Unternehmen erkannt wird und für den GPS-Erfolg notwendig ist. Voraussetzungen für eine erfolgreiche GPS-Umsetzung (n=32) Vorleben des GPS durch Führungsgsebene Vorgabe von Zielen und Grundsätzen Im Hinblick auf eine unternehmensübergreifende Verbesserung der Wertschöpfung hat nur die Hälfte der befragten Unternehmen Lieferantenentwicklungsprogramme, um Lieferanten bei der Einführung eines eigenen GPS zu unterstützen. Aus Lieferantensicht ist der Kundenzwang zumeist nicht ausschlaggebend für die Einführung eines GPS. Allgemein zeigt die Studie, dass in der Zusammenarbeit zwischen Kunden und Lieferanten zur Verbesserung der Wertschöpfung noch Handlungsbedarf besteht. Daraus schließen Uygun, Keßler und Strausberg (2009, S. 137), dass noch nicht alle Unternehmen die unternehmensübergreifende Bedeutung des GPS erkannt haben und dass die Zusammenarbeit der Wertschöpfungspartner noch ausbaufähig ist. Gründe dafür sehen sie einerseits darin, dass der internen Einführung der Methoden eine höhere Priorität eingeräumt wird, und andererseits darin, dass anspruchsvollere Methoden unter Einbindung von Lieferanten erst in späteren Phasen implementiert werden. 3.4 Studie 3: (vgl. Kluge, Wolf, Westkämper 2009, S. 141 ff.) Lernfähige Mitarbeiter Offenlegung von Problemen GPS als Hauptaufgabe Betreuung durch GPS-Fachleute Wirtschaftl. Leidensdruck "japanische Mentalität" 1 2 3 4 Gewichtung (1=sehr gering, 5=sehr hoch) 5 Abb. 5: Voraussetzungen für eine erfolgreiche GPS-Umsetzung (Quelle: Uygun, Keßler, Strausberg 2009, S. 139) Zum Erfolg eines GPS tragen zum einen das Engagement der Führungskräfte und zum anderen das Engagement der operativen Mitarbeiter bei. Als wichtigste Voraussetzung wird die Vorbildfunktion der Führungskräfte angesehen (vgl. Abb. 5). Deren Aufgabe besteht einerseits im Vorleben des GPS und andererseits in der Vorgabe von Zielen und Grundsätzen. Insgesamt kommt der Lernbereitschaft aller Mitarbeiter eine große Bedeutung zu. Ebenso ist es wichtig, dass das GPS als Hauptaufgabe angesehen wird und eine Betreuung durch GPS-Fachleute erfolgt. In der Praxis besteht der größte Handlungsbedarf für die Umsetzung in der Motivation der Mitarbeiter, gewohnte Verhaltensweisen zu verlassen. Weiteres Potenzial liegt in der Weiterentwicklung der Fähigkeiten des Top-Managements, an Unternehmenszielen langfristig festzuhalten, um eine Basis für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu schaffen. Der Anlass für die Studie am Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart ist die Feststellung, dass in den Branchen des Maschinenbaus und der Elektroindustrie bis zu diesem Zeitpunkt wenige branchenspezifische Informationen zu GPS vorlagen. Um diese Lücke zu schließen, wurden zwischen 2007 und 2008 Unternehmen dieser Wirtschaftszweige befragt. Dabei gliedert sich die Befragung in zwei Gruppen: auf der einen Seite in eine Breitenbefragung, bestehend aus mehr als 100 Unternehmen, auf der anderen Seite in eine Tiefenbefragung ausgewählter Vorreiterunternehmen, die bereits Erfahrungen mit GPS haben. Die beteiligten Unternehmen können überwiegend als KMU charakterisiert werden. Zum Zeitpunkt der Erhebung haben die Unternehmen der Breitenevaluation überwiegend ein moderates Einführungsniveau erreicht. Rund 70 Prozent der Unternehmen haben ein GPS eingeführt; dabei stehen die in der Einführungsphase befindlichen Unternehmen vorwiegend noch am Anfang der Einführung. 11 Prozent haben bereits ein GPS im Einsatz (vgl. Abb. 6). Mit der Planung eines GPS beschäftigen sich weitere 9 Prozent der Unternehmen. Der niedrige Umsetzungsgrad (das heißt: Anteil des Umgesetzten am Ziel) kann auf die für KMU typischen Hindernisse wie „begrenzte Mitarbeiterressourcen“ und „Überlastung der Leistungsträger“ zurückgeführt werden. Zudem hat etwa die Hälfte der Unternehmen nach 2005 mit der Einführung begonnen und befindet sich BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 31 Einführungsstand der Breitenbefragung Einführung nicht geplant Einführung geplant 21% 11% Einführung abgeschlossen 9% 59% Einführung läuft Abb. 6: Einführungsstand der Breitenbefragung (in Anlehnung an Kluge, Wolf, Westkämper 2009, S. 142 u. 145) daher noch in der Anfangsphase. Die Tatsache, dass sich rund 80 Prozent mit GPS befassen, zeigt die Bedeutung von GPS für KMU dieser Branchen. Ebenso bestätigt dies die Tiefenbefragung: Die Hälfte der Vorreiterunternehmen haben seit der Einführung im Zeitraum 1990 bis 2000 (43 Prozent) sowie 2001 bis 2005 (57 Prozent) bereits 50 Prozent ihres Zielzustandes erreicht. Während die Unternehmen der Tiefenbefragung bereits umfassende Systeme implementiert haben, wendet ein großer Teil der Breitenbefragung (40 Prozent) vorwiegend einzelne Methoden an. Die Befragung nach den beiden Dimensionen „allgemeine Bekanntheit“ und „tatsächlicher Anwendung“ der Methoden weist Unterschiede auf. Diese deuten laut Kluge, Wolf und Westkämper (2009, S. 144) darauf hin, dass Methoden mit einem höheren Standardisierungsgrad und/oder Aufwand zur Implementierung – wie beispielsweise Just-in-time, Synchrone Produktion, One Piece Flow, Standardisierung bei Zulieferern, Six Sigma – in diesen Unternehmen nicht so leicht umgesetzt werden können wie in der Automobilindustrie. Auch bei den Methoden Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) und Total Quality Management (TQM) gibt es Auffälligkeiten. Daraus leiten Kluge, Wolf und Westkämper (2009, S. 144) ab, dass die Methoden den Unternehmen zwar bekannt sind, jedoch nicht alle eingesetzt, sondern gezielt nach Bedarf ausgewählt werden. Methoden aus den Bereichen Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur finden hingegen breite Verwendung. Alle befragten Unternehmen betrachten die Mitarbeiterbeteiligung, die systematisch durch Lernformen und -methoden in den Methoden geschult werden können, worüber die Vorreiterunternehmen bereits verfügen, als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche GPS-Umsetzung. Ferner können eine das GPS unterstützende Unternehmenskultur sowie das Engagement der Unternehmensleitung die Anwendung begünstigen. Handlungsbedarf sehen alle Unternehmen vor allem im vermehrten Austausch mit Branchenpartnern. Ebenso sollten die Rahmenbedingungen von KMU verstärkt BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 berücksichtigt werden, indem Unterstützungsmaßnahmen in Form eines speziell für KMU entwickelten Implementierungsleitfadens oder für die Mitarbeitermotivation bereitgestellt werden. Die Hälfte der Unternehmen der Breitenevaluation beziehen ihre Zulieferer in das GPS ein, wohingegen dies bei den Vorreiterunternehmen nur bei 29 Prozent der Fall ist. Dies ist vor dem Hintergrund verwunderlich, da die Vorreiterunternehmen ein höheres Einführungsniveau erreicht haben und sich somit bereits mit der Ausweitung auf die Lieferanten beschäftigen könnten. 3.5 Studie 4: (vgl. Dombrowski, Schmidtchen 2010, S. 914 ff.) Die Studie wird 2009/2010 vom Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) der TU Braunschweig durchgeführt. Das Ziel besteht darin, die Einführung GPS in KMUs mit der in großen Unternehmen zu vergleichen. Die Ergebnisse dienen zur Entwicklung eines Referenzmodells, das KMU zukünftig bei der Implementierung GPS unterstützen soll. An der Umfrage haben sich 20 Unternehmen unterschiedlicher Branchen beteiligt. Die meisten davon sind im Maschinen- und Anlagenbau tätig. Der Stand der Einführung in den KMU wird anhand des neunstufigen IFU-Implementierungsmodells (vgl. Dombrowski, Schmidt 2008) erfasst. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass sich die Unternehmen überwiegend in den frühen Phasen des Einführungsprozesses befinden. Der Rollout, das heißt: die Anwendung der Methoden in den einzelnen Bereichen, erfolgte bei der Hälfte der Unternehmen. 40 Prozent dieser Unternehmen wenden ein GPS bereits nachhaltig an und entwickeln es demnach weiter. Im Vergleich zu den GPS-Implementierungsphasen in Großunternehmen können bei den untersuchten KMUs Abweichungen beobachtet werden. Die Schritte Anpassung der Organisation, Detailplanung und Pilotprojekte werden nur bei wenigen KMU realisiert. Daraus folgern Dombrowski und Schmidtchen (2010, S. 916), dass KMU nicht über die notwendigen Kenntnisse einer GPS-Einführung verfügen. Dombrowski und Schmidtchen (2010, S. 916) geben den KMU bereits bekannte Aspekte vor, die eine GPS-Implementierung behindern können und die von den Befragten entsprechend des Auftretens im Unternehmen zu beurteilen sind. Diese Hindernisse werden in fünf Hauptgruppen eingeteilt: unzureichende Führung, unzureichende Unternehmenskultur, ungeeignete Planung, ungeeignete Organisationsstruktur und unzureichendes Methodenwissen. Tabelle 4 gibt ei- 32 GANZHEITLICHE PRODUKTIONSSYSTEME IN DEUTSCHLAND – EINE BESTANDSAUFNAHME DER PRAXIS PRODUKTIONSWIRTSCHAFT Hindernisse (n=9) unzureichende FŸ hrung unzureichende Unternehmenskultur ungeeignete Planung ungeeignete Organisationsstruktur unzureichendes Methodenwissen • Management fungierte nicht als Treiber des GPS 53% • keine konsequente Zielverfolgung bei RŸ ckschlŠ gen 37% • Standards werden nicht eingehalten 55% • Diskrepanz zwischen Management und Betriebsrat 45% • keine enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern 42% • ungeeignetes Vorgehen bei Planung und Steuerung 53% • kein unternehmensspezifisches GPS 45% • ausgeprŠ gtes Abteilungsdenken 78% • unzureichende Kommunikation 65% • falsche Anwendung bzw. Ablehnung 68% • † berforderung der Mitarbeiter 63% Tab. 4: Hindernisse der GPS-Implementierung (in Anlehnung an Dombrowski, Schmidtchen 2010, S. 916) nen Überblick über die Beurteilungsergebnisse. Die größten Hindernisse liegen demnach in einer ungeeigneten Organisationsstruktur in Form eines ausgeprägten Abteilungsdenkens und unzureichender Kommunikation sowie einem unzureichenden Methodenwissen, das sich in der Überforderung der Mitarbeiter und einer falschen Anwendung oder gar Ablehnung der Methoden aufgrund von fehlendem Know-how zeigt. Daher bedarf es nach Dombrowski und Schmidtchen (2010, S. 916) eines Konzeptes, um den Mitarbeitern das notwendige Wissen für eine GPS-Implementierung zu vermitteln. Als interne Argumente für die Beschäftigung mit GPS nennen die meisten Teilnehmer eine unübersichtliche Produktion, gestiegenen Kostendruck, Qualitätsprobleme und mangelnde Termintreue (vgl. Tab. 5, linker Teil). GrŸ nde interne (n=20) externe (n=13) • unŸ bersichtliche Produktion 80% • QualitŠ t der Produkte 100% • gestiegener Kostendruck 70% • terminbezogene Forderungen 62% • QualitŠ tsprobleme 65% • QualitŠ t von Prozessen 23% • unzureichende Termintreue 60% • Verwendung neuester Technologien 15% • Mitarbeiterorientierung 8% Tab. 5 Gründe der GPS-Implementierung (in Anlehnung an Dombrowski, Schmidtchen 2010, S. 915 ff.) 65 Prozent der Unternehmen geben an, ein GPS in Folge von externen Anforderungen realisiert zu haben. Dabei dominieren die Kundenanforderungen nach der Qualität der Produkte und deren zeitlicher Verfügbarkeit (zum Beispiel Liefertreue, JIT) (vgl. Tab. 5 – rechter Teil). Weitere externe Gründe wie Prozessqualität, Auswirkungen (n=9) • Verbesserung der Termintreue 89% • Reduzierung der Durchlaufzeit 67% • Verbesserung der FlexibilitŠ t 89% • Verbesserung der ProduktqualitŠ t 56% • Verbesserung der ProzessqualitŠ t 78% • Reduzierung der UnfallhŠ ufigkeit 33% • Verbesserung der ProduktivitŠ t 78% Tab. 6: Auswirkungen der GPS-Implementierung (in Anlehnung an Dombrowski, Schmidtchen 2010, S. 915 ff.) Verwendung neuester Technologien sowie die Mitarbeiterorientierung sind weniger bedeutend. Aus den externen Gründen schließen Dombrowski und Schmidtchen (2010, S. 915), dass Ansprüche aus dem Unternehmensumfeld lediglich von Kunden gestellt werden, die ausgezeichnete Qualität und pünktliche Lieferung der Produkte fordern. Die Befragung nach den Auswirkungen zeigt, dass viele Unternehmen eine Verbesserung hinsichtlich der Termintreue und Flexibilität sowie eine positive Veränderung im Bereich der Prozessqualität und der Produktivität erzielen können (vgl. Tab. 6). Die Durchlaufzeit führt in 67 Prozent der Unternehmen zu einer Zeitersparnis. Zudem kann die Qualität der Produkte optimiert werden. Eine Verringerung von Unfällen und somit eine höhere Arbeitssicherheit für die Beschäftigten wird ebenfalls der Einführung eines GPS zugerechnet. Die häufigste Anwendung (n=9) finden die Methoden Ordnung und Sauberkeit (100 Prozent), KVP-Workshop, 5xWarum, Visualisierung und Info-Tafeln/Kennzahlencontrolling (78 Prozent). Demgegenüber werden Qualitätszirkel und Poka Yoke am seltensten eingesetzt. 3.6 Studie 5: (vgl. Strauss u.a. 2010) Im Gegensatz zu den von wissenschaftlichen Institutionen durchgeführten Studien 1 bis 4, welche häufig darauf abzielen, weiteren Forschungsbedarf zu identifizieren, ist die im Folgenden vorgestellte „Automotive Lean Production Studie“ eine Benchmark-Untersuchung. Diese wird seit 2006 jährlich als Gemeinschaftsprojekt von Agamus Consult und der Zeitschrift Automobil Produktion mit dem Ziel durchgeführt, den „ToyotaMythos“ zu entlarven. Hierfür werden europaweit Automobil- und deren Zulieferunternehmen in den Bereichen Lean Production und Produktionssystem durch einen umfangreichen Fragebogen befragt und miteinander verglichen; die besten Unternehmen werden ausgezeichnet. Angesprochen werden Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mindestens 50 Prozent Umsatzanteil im Automobilbereich. Im Jahr 2010 beteiligten sich 60 Unternehmen an der Befragung. Ein Drittel der Unternehmen gibt an, im Bereich der Lean Production bereits einen Zustand über den reinen Methodeneinsatz hinaus erreicht zu haben, in dem alle Hierarchiestufen die Lean-Prinzipien verstehen, leben und konsequent danach handeln. 36 Prozent der Unternehmen haben eine große Zahl Lean-Bausteine flächendeckend eingeführt. In der laufenden Einführungsphase befinden sich 19 Prozent der Unternehmen, mit der Umsetzung von Pilotprojekten beschäftigen sich 12 BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 33 Prozent. Dieser weit fortgeschrittene Einführungsstand könnte darauf zurückgeführt werden, dass in 76 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter freigestellt werden, die sich allein mit der Lean-Thematik beschäftigen. Trotz des hohen GPS-Niveaus stellen für etwa die Hälfte der Unternehmen der Maschinenpark (57 Prozent) sowie das Werkslayout (50 Prozent) Einschränkungen bei der Einführung dar. Verbesserungspotenzial wird auch bei den Mitarbeitern gesehen: Diese haben entweder zu wenig Zeit – oder sie sind nicht bereit, sich mit dem Thema Lean Production zu beschäftigen. Die Betrachtung des Implementierungsgrades (fünfstufige Skala von „nicht“ bis „vollständig implementiert“) vorgegebener Lean-Bausteine zeigt, dass nicht alle Bausteine gleich weit umgesetzt sind. Am weitesten eingeführt sind flexible Arbeitszeit, standardisierte Kennzahlen, 5S und Q-Tools (QFD, FMEA, Six Sigma). Das Schlusslicht mit einem zur Hälfte realisierten Implementierungsgrad bilden Lieferantenentwicklung und Wertstrommethodik. Eine detaillierte Beschreibung der Untersuchung bezüglich der Erfolgsfaktoren ist hier nicht möglich. Hier sei auf die Studie (vgl. Strauss u.a. 2010) verwiesen. Unternehmen, die bereits einen hohen und mittleren Implementierungsgrad der Lean-Bausteine aufweisen, haben Lean auf ihre strategischen Lieferanten ausgeweitet (bei 54 Prozent mit hohem und bei 44 Prozent mit mittlerem Implementierungsgrad). Bedingt durch die Konzentration in frühen Phasen auf interne Bereiche, haben Unternehmen mit einem niedrigeren Einführungsniveau in diesem Bereich noch Nachholbedarf. 3.7 Studie 6: (vgl. Pfäfflein, Schwarz-Kocher, Seibold 2010) Keine der bislang vorgestellten fünf Studien hat den Einfluss der Arbeitnehmervertretung bei der Umsetzung GPS untersucht. Hinführend auf dieses Thema liefert die nachfolgende Studie Ergebnisse über die Beteiligung der Arbeitnehmervertretung an der Gestaltung neuer Produktionskonzepte und zeigt deren Einschätzung bezüglich der Auswirkungen dieser Konzepte auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auf. In einer Studie der IG Metall Bezirk Baden-Württemberg und dem IMU Institut wurden zur Vorbereitung eines Betriebsräte-Netzwerkes „Interessenvertretung unter den Bedingungen neuer Produktionskonzepte“ Arbeitnehmervertreter der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg befragt. 90 beteiligten sich. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 In den befragten Betrieben werden 23 Prozent der Betriebsräte nicht über neue Produktionsmethoden in Kenntnis gesetzt. Zumindest die Hälfte wird regelmäßig über anstehende Veränderungen informiert, und in 24 Prozent der Unternehmen sind Betriebsratsmitglieder aktiv in Projekte einbezogen. Nach Pfäfflin, SchwarzKocher und Seibold (2010, S. 93) könnte diese geringe Projektteilnahme einerseits durch Unternehmen, die der Arbeitnehmervertretung die Mitarbeit in den Projekten verwehren, zustande kommen. Andererseits ist ein freiwilliger Rückzug der Betriebsratsmitglieder vorstellbar, weil sie in den Projekten ihre Interessen nicht vertreten können. Letztere Annahme wird vor dem Hintergrund bekräftigt, dass 30 Prozent der Betriebsräte angeben, keinen Einfluss bei der Ausarbeitung neuer Produktionskonzepte zu haben. In 16 Prozent der Unternehmen können sie die Arbeitnehmerinteressen durchsetzen, wohingegen die Hälfte der Betriebsräte lediglich versucht, eine befürchtete Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu verhindern. Wirkungen der Elemente auf die Arbeitsbedingungen Ÿ berwiegend negative wenige oder ambivalente Ÿ berwiegend positive 63,8% • Visualisierung • 5S-Methode 61,8% • U-Zelle/U-Montage 59,4% • Kanban • Total Productive Maintenance 55,0% • Wertstromdesign 51,4% • gefŸ hrte Gruppenarbeit • Standardisierung 41,5% • Flie§ fertigung • RŸ stzeitworkshops % ≙ Verschlechterung Tab. 7: Wirkungen der Elemente auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten (in Anlehnung an Pfäfflin, Schwarz-Kocher und Seibold 2010, S. 92 f.) Darüber hinaus wurde nach den Konsequenzen gefragt, die Lean-Konzepte auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter haben können (Pfäfflin, Schwarz-Kocher und Seibold 2010, S. 94 ff.). Die Einschätzungen der Arbeitnehmervertretungen sind in Tabelle 7 nach ihrer hauptsächlichen Wirkung dargestellt. Nach Einschätzung der Betriebsräte wirken sich die Fließfertigung, die U-Zelle/ U-Montage und das Wertstromdesign negativ auf die Arbeitsbedingungen aus. Zu der Gruppe mit wenigen oder ambivalenten Auswirkungen zählen Visualisierung, Kanban-Systeme, Rüstzeitworkshops und geführte Gruppenarbeit. Die geführte Gruppenarbeit wird in ihren Wirkungen zwiespältig beurteilt. Eine gleichermaßen positive wie negative Bewertung von Rüstzeitworkshops führen Pfäfflin, Schwarz-Kocher und Seibold (2010, S. 92) auf deren Organisationsweise zurück (Experten/Beschäftigte und per Direktion/unter Einbeziehung der Betroffenen). Am besten werden die Methoden 5S, Total Productive Maintenance (TPM) und Standardisierung bewertet, die % ≙Verbesserung 34 GANZHEITLICHE PRODUKTIONSSYSTEME IN DEUTSCHLAND – PRODUKTIONSWIRTSCHAFT EINE BESTANDSAUFNAHME DER PRAXIS somit zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen. Mit Hilfe von 5S und TPM werden Fehler vermieden, sodass sich eine ausgeglichene Produktion ergibt. Auffallend ist die Beurteilung der Standardisierung aus Sicht der Arbeitnehmervertretungen, die größtenteils eine Verbesserung durch Standards erkennen; Gewerkschaften hingegen meinen, dass Standards den Handlungsspielraum der Mitarbeiter einschränken. Eine Begründung für die positivere Einstellung der Betriebsräte sehen Pfäfflin, Schwarz-Kocher und Seibold (2010, S. 94) darin, dass Betriebsräte die mit der Standardisierung verbundenen Vorzüge für die Beschäftigten erkennen. Eindeutig formulierte Arbeitsanforderungen und übersichtliche Arbeitsabläufe belasten die Beschäftigten weniger. 4 Zusammenfassung Im Artikel wurden die Verbreitung sowie die vielfältigen Anwendungsbereiche des GPS-Ansatzes anhand der vier Dimensionen Sektoren, Branchen, Zulieferketten und Unternehmensprozesse erläutert. Der zweite Teil behandelte den Entwicklungsstand sowie Erfahrungen produzierender Unternehmen mit GPS. Die dargestellten Studien machen deutlich, dass GPS für die Industrie sehr wichtig sind. Nachfolgend werden wesentliche Erkenntnisse der analysierten Studien zusammengefasst. Während sich größere Unternehmen bereits mit der Weiterentwicklung des GPS beschäftigen, stehen KMU überwiegend in den frühen Phasen der Einführung. Jedoch gibt es auch KMU, die einen höheren Reifegrad aufweisen. Die Ergebnisse der Erhebungen lassen erkennen, dass sich KMU verstärkt dieser Thematik annehmen und dass GPS in diesen Unternehmensgruppen erfolgreich angewendet werden können. Derzeit wird weiterhin an entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen für diese Unternehmensgruppen gearbeitet. Mit einem fortgeschrittenen Einführungsstand der Automobilindustrie und deren Zulieferer belegt die Benchmark-Studie 5, dass diese Branchen ihrer Vorreiterrolle gerecht werden. Die Gründe für eine GPS-Einführung sind bei größeren Unternehmen und auch bei KMU überwiegend interner Natur; hier geht es zum Beispiel um die Verbesserung der Qualität, die Reduzierung der Zeit und der Kosten sowie eine bessere Übersicht über die Produktionsabläufe. Externe Gründe – wie der Kundenwunsch – sind meist weniger wichtig. Alle Erhebungen bestätigen eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Kenngrößen durch die Einführung eines GPS, welches somit die Produktivität steigert und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. Schwierigkeiten ergeben sich für KMU bei der Umsetzung von GPS aufgrund ihrer Unternehmensgröße, da sie nur über begrenzte personelle Kapazitäten verfügen. Darüber hinaus hängen weitere Probleme mit Organisationsstrukturen und fehlender Methodenkenntnis zusammen. Größere Unternehmen sehen Einschränkungen bei der Einführung hauptsächlich in den vorhandenen Betriebsmitteln und der bestehenden Gebäudeinfrastruktur. Die Betrachtung der Methodenanwendung ergibt, dass große Unternehmen viele Methoden einsetzen und sowohl alle Prinzipien als auch Methoden für den Erfolg eines GPS für notwendig halten. Dagegen setzen KMU vermehrt auf einzelne, einfachere Methoden, die sie nach Bedarf gezielt auswählen. Besonders deutlich wurde in den Studien, dass der Erfolg eines GPS von allen Mitarbeitern, sowohl von den Führungskräften als auch von den operativen Mitarbeitern, abhängig ist. Demzufolge sehen die Unternehmen in den Mitarbeitern das größte Potenzial und benötigen bei der Motivation ihrer Mitarbeiter zukünftig weitere Hilfestellungen. KMU halten einen intensiveren Erfahrungsaustausch mit Branchenpartnern und spezielle Implementierungsleitfäden für nützlich. >>> Autoren-Kontakt Professor Dr.-Ing. Sascha Stowasser Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa Tel.: +49 211 54226315 E-Mail: [email protected] Linda Heßlinger Karlsruhe Institut für Technologie, KIT Tel.: +49 176 62506493 E-Mail: [email protected] 5 Quellennachweis Bädorf, Rudolf; Dörich, Jürgen; Neuhaus, Ralf: Ein Produktionssystem für die Einzelfertigung? In: Industrial Engineering, Darmstadt, (2010), S. 12-14. Barth, H.: Produktionssysteme im Fokus. In: wt Werkstattstechnik online, Düsseldorf, 95(2005)4, S. 269-274. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 35 Becker, Martin; Korge, Axel; Scholtz, Oliver: Ganzheitliche Produktionssysteme - Erhebung zur Verbreitung und zum Forschungsbedarf. Stuttgart, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, 2003. http://www.produktionssysteme. iao.fhg.de/, 23.05.2011. Dombrowski, Uwe; Hennersdorf, Sibylle; Schmidt, Stefan: Grundlagen Ganzheitlicher Produktionssysteme. 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Aus Abbildung 1 geht der Zeitaufwand für einen Montagevorgang in Abhängigkeit von der Bewegungslänge, bestehend nach MTM aus den Grundbewegungen Hinlangen, Greifen, Bringen, Fügen und Loslassen, hervor. Deutlich wird, bezogen auf einen einfachen Fügevorgang nach MTM („Methods-Time Measurement“), dass der Gesamtaufwand im Wesentlichen durch die Größenordnung der Bewegungslänge von Hinlangen und Bringen bestimmt wird. Bei einer Bewegungslänge von 20 Zentimeter beträgt deren Anteil 47,5 Prozent und bei einer Bewegungslänge von 80 Zentimeter 70 Prozent der Gesamtzeit. 2,0 Maximale Produktgröße: ca. 100 x 100 x 100 mm Gewicht: bis zu 2 kg Komplexität: 20 bis 40 Einzelteile. 16,2 TMU 32,0 Loslassen 2,0 Fügen 16,2 Bringen 11,7 Greifen 7,3 7,3 27,6 Hinlangen11,4 ∑ TMU 48,6 60,8 73,0 Sekunden 1,75 2,19 2,63 85,1 3,06 Greifwege 20 cm 40 cm 60 cm 80 cm Anteil: Hinlangen und Bringen [TMU] 23,1 35,3 47,5 59,6 In % von ∑ 47,5 58 65 70 1 TMU (Time Measurement Unit) = 1/100.000 Std = 0,036 sec Große Bewegungslängen erhöhen die Vorgangszeit und sind somit ein Rationalisierungspotenzial. Bewegungslängen über 40 Zentimeter erfordern ausgestreckte Armhaltung. Die statische Beanspruchung der Oberarm- und Schultermuskulatur ist permanent erhöht und verringert die Geschicklichkeit des Greifens und kann zur Leistungswandlung führen (Grandjean 1979). Grundsätzlich sichern kurze Bewegungslängen eine Reduzierung der Montagezeiten und damit eine Erhöhung der Stückleistung bei gleichzeitiger körperlicher Entlastung der Mitarbeiter. Die erhöhte Stückleistung, unter der Voraussetzung kurzer Bewegungslängen, bedeutet keine zusätzliche Körperbelastung. Um die Bewertung der körperlichen Belastung der Mitarbeiter relativ sicherzustellen, sollten die Bewertungskriterien von der Stundenleistung nach REFA auf den Zeitraum einer Schicht und einer Jahresleistung erweitert werden. Eine heute weit verbreitete Arbeitsplatzgestaltung für ein virtuelles Produkt, bestehend aus 13 Einzelteilen und einem Vorgang des Ablegens des fertig montierten Produktes auf ein Förderband, ist in Abbildung 2 dargestellt. Der Aufwand für den Fügevorgang ist einheitlich für alle Einzelteile nach MTM P2SE mit 16,2 TMU angenommen. Die Bewegungslängen schwanken von 20 bis zu 80 Zentimetern. Abbildung 1: Montagevorgangszeitentwicklung bei unterschiedlichen Bewegungslängen BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 37 Es gelten folgende Definitionen: 14 2 3 4 5 50 60 40 6 7 8 30 9 10 30 25 20 20 25 40 11 50 12 13 60 1 80 cm 80 cm Gesamtgreifweg 12,2 m Abbildung 2: Arbeitsplatzbeispiel Unter Primärmontagevorgängen (PV) sind alle Vorgänge zu verstehen, die der Wertschöpfung eines Produktes während seines Montagevorganges dienen – also alle Aufwendungen an Zeit, Energie, Informationen und Teilen zur Vervollständigung eines Produktes. Unter Sekundärmontagevorgängen (SV) sind alle Vorgänge zu verstehen, die aufgrund des gewählten Montageprinzips notwendige sekundäre Aufwendungen an Zeit, Informationen und Energie darstellen, ohne eine Wertschöpfung des Produktes zu bewirken. Beispiele sind Weitertransportieren, Neugreifen und so weiter. Die Berechnung des Wirkungsgrades der Montage erfolgt nach der Formel Tabelle 1: Berechnung der Vorgangszeiten nach MTM Mit MTM errechnet sich für dieses Beispiel eine Gesamtmontagezeit von 864,2 TMU = 31,1 Sekunden. Der Anteil für Hinlangen und Bringen beträgt 523,4 TMU = 18,8 Sekunden und entspricht 60,5 Prozent der Gesamtmontagezeit. Die errechnete Montagezeit von 31,1 Sekunden ergibt unter Berücksichtigung einer persönlichen Verteilzeit von 10 Prozent eine Montagezeit von 34,2 Sekunden und eine Stundenleistung von 3 600 s / 34,2 s = 105 montierte Baugruppen. Bei einer 7-Stunden-Schicht an 230 Arbeitstagen errechnet sich eine Jahresleistung von 169 050 Baugruppen. Nach Abbildung 2 ergeben sich zur Montage einer Baugruppe 12,2 m notwendige Bewegungslängen. Für die Jahresleistung von 169 050 Baugruppen wird eine Bewegungslängenleistung pro Jahr von 12,2 m x 105 Stück/h x 7 h/Tag x 230 Tage = 2 062 km notwendig. Mit Hilfe der Primär-Sekundär-Analyse wird der wirtschaftliche Wirkungsgrad der Montage als quantitatives Beurteilungskriterium berechnet, und so werden Optimierungs- und Rationalisierungsmöglichkeiten deutlich gemacht (Lotter 1992). BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Die Primär-Sekundär-Analyse ist mehrstufig ausgebaut, und zur Bewertung einzelner Arbeitsplätze oder einzelner Montagefolgen kommt die Feinanalyse zum Einsatz. Ausgangsbasis der Feinanalyse sind die fünf Grundbewegungen nach MTM: Hinlangen, Greifen, Bringen, Fügen und Loslassen. Bei strenger Auslegung der Primär-Sekundär-Definition ist von diesen fünf Grundbewegungen nur die Grundbewegung „Fügen“ als primärer Montagevorgang zu betrachten. Eine Berechnung des Wirkungsgrades eines Montagearbeitsplatzes nach dieser Definition ist grundsätzlich möglich, hat aber keine große Aussagekraft, denn ein Einzelteil gelangt nicht ohne Aufwand lagegerecht zum Fügeort. Die Feinanalyse erfolgt nun in der Weise, dass der notwendige Mindestaufwand als Primärvorgang definiert wird und der darüber hinausgehende Aufwand als Sekundärvorgang gilt. Als Grenzwert wird grundsätzlich die arbeitsplatzgünstigste Werkstückbereitstellung angenommen. Aus der Arbeitsplatzgestaltung nach Abbildung 2 geht dieser Grenzwert mit 20 Zentimetern für die Grundbewegungen Hinlangen und Bringen hervor. Demnach gilt beispielsweise für eine Grundbewegung von 80 Zentimeter für Hinlangen und Bringen, dass 20 Zentimeter als primär und 60 Zentimeter als sekundär zu gelten haben. Greifen und Fügen gelten als primärer und Loslassen als sekundärer Aufwand (Lotter 1992, Lotter/Schilling 1994, Lotter/Spath 2002, Lotter/Wiendahl 2006). 38 ALTERSNEUTRALE UND WIRTSCHAFTLICHE GESTALTUNG VON MONTAGEARBEITSPLÄTZEN CONTRA LEISTUNGSWANDEL ERGONOMIE Eine mögliche Arbeitsplatzgestaltung mit Berechnung der Vorgangszeiten geht aus Abbildung 2 hervor. Die Zuordnung des Aufwandes nach der Primär-SekundärFeinanalyse zeigt Tabelle 2. Grundbewegungen MTM-Code Einteilung PV [TMU] SV [TMU] Hinlangen R-C 20 cm PV, darüber hinaus SV 159,6 89,2 Greifen G1C1 PV 102,2 Bringen M-C 20 cm PV, darüber hinaus SV 163,8 Fügen P2SE PV 210,6 Loslassen RL1 SV 110,8 28,0 636,2 228,0 Tabelle 2: Zuordnung nach Primär- und Sekundäraufwand der Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 2 Der Elektroschalter nach Abbildung 3 besteht aus elf Einzelteilen. Das Teil 11, eine Schraube, wird zweimal benötigt. Ein Pressvorgang zum Umformen durch Kerben der gefügten Teile T5 und T9 und zwei Schraubvorgänge mit handgeführtem Pneumatik-Schrauber sind durchzuführen. Zum Vergleich sind die Werkbankmontage, die Montage nach dem System „One Piece Flow“ und ein System mit satzweisem Montageablauf dargestellt. Aus den Abbildungen 4.1 bis 4.4 gehen die Ausführungsformen und ihre Kennzahlen der im Vergleich stehenden Montagesysteme hervor. Die Werkbankmontage ist der am meisten eingesetzte Montagearbeitsplatz und erlaubt nur stückweisen Montageablauf (siehe auch Abbildung 2). Daraus errechnet sich ein Montagewirkungsgrad von 636,2 TMU / (636,2 + 228,0) TMU = 73,6 Prozent. Dieser Wirkungsgrad ist nicht ausreichend und müsste zum Erhalt der Wirtschaftlichkeit in der Größenordnung von 85 Prozent liegen. Aus ergonomischer Sicht liegen 50 Prozent der Bewegungslängen im Bereich von 40 Zentimetern bis zu 80 Zentimetern und sind nur mit zusätzlichen Kopf- und Körperdrehungen ausführbar. Das ist eine Belastung, die über eine Schicht zu anhaltender Ermüdung führen muss und zu frühzeitiger Leistungswandlung führen kann (Schlick et al. 2010). Bemerkenswert ist, dass ein schlechter Primär-Sekundär-Montagewirkungsgrad auch auf ungünstige ergonomische Verhältnisse hinweist. Die Kombination zwischen ergonomisch hochwertig gestalteten Arbeitsplätzen und gleichzeitiger Sicherung konkurrenzfähiger Wirtschaftlichkeit wird an dem Produktbeispiel – ein Elektroschalter nach Abbildung 3 – dargestellt. T1 (Basisteil) T9 (Steckfahne) T10 (Schraubblech) T6 (Schieber) T3 (Brücke) T7 (Achse) T8 (Klammer) Der Montagearbeitsplatz nach dem System „One Piece Flow“ ist mit einer halbkreisförmigen Kugelrollenbahn mit entsprechender Teilebereitstellung ausgerüstet. Die Montage erfolgt auf einem verschiebbaren Montageschlitten mit Montagevorrichtung. Montageobjekt (auf dem Montageschlitten) und Werker bewegen sich entlang der Materialbereitstellung. Damit werden einheitlich kurze Greifwege erreicht. T5 (Lasche) T4 (Kugel) T11 (Schraube) Abbildung 4.1: Werkbank-Montagearbeitsplatz für stückweisen Ablauf T2 (Spule) Das System für satzweisen Montageablauf ist in Rundtaktausführung mit 12 bis 24 Montageaufnahmen und zentral angeordneter Teilebereitstellung aufgebaut. (Lotter B, Wiendahl H-P 2006) Abbildung 3: Produktbeispiel Elektroschalter BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 39 Mit der Primär-Sekundär-Analyse wurden die erzielbaren Wirkungsgrade ermittelt. Die Werkbankmontage liegt bei 74 Prozent, die One Piece Flow-Lösung bei 85 Prozent und die Lösung mit satzweisem Montageablauf bei 86,5 Prozent. Abbildung 4.2: One Piece Flow-Montagearbeitsplatz (LP-Montagetechnik) Bewertung der Wirtschaftlichkeit: Über eine Platzkostenrechnung nach Tabelle 3 sind die erzielbaren Montagestückkosten ermittelt. Bei einer Stundenleistung von 86,4 Elektroschaltern errechnen sich Montagestückkosten von 0,36 €. Bei der One Piece Flow Lösung erhöht sich die Leistung pro Stunde auf 117,6 Stück und die Montagestückkosten reduzieren sich auf 0,28 €. Mit dem System der satzweisen Montage erhöht sich die Leistung pro Stunde auf 163,6 Stück und die Montagestückkosten reduzieren sich auf 0,21 €. Werkbank Investition Aus Abbildung 4.4 gehen die Vergleichswerte der unterschiedlichen Montagesysteme zur Montage des Elektroschalters nach Abbildung 3 hervor. Montagesystem Werkbank One Piece Flow Satzweise Montage Kennwerte ▼ Montagezeit/Stück 8000 30 000 48 000 Abschreibung auf 5 Jahre [€/Jahr] 1 600 6 000 9 600 Kalk. Zinsen 10 % von 50 % Invest [€/Jahr] 400 1 500 2 400 Instandhaltung 5 % von Invest [€/Jahr] 400 1 500 2 400 Betriebskosten [€/Jahr] 2 400 9 000 14 400 Betriebskosten bei Nutzung 3220 h/Jahr [€/h] 0,75 2,80 4,47 Personalkosten [€/h] 30,00 30,00 30,00 Stundensatz [€/h] 30,75 32,80 34,47 [Stück/h] 86,40 117,00 163,60 [€/Stück] 0,36 0,28 0,21 Montagestückkosten Die Montagearbeitsplätze in den Abbildungen 4.1, 4.2 und 4.3 sind für Tätigkeiten im Sitzen und Stehen geeignet. 41,7 s 30,8 s 22 s Stückleistung/h 86,4 117,6 163,6 Greifwege/Stück 12,20 m 7,70 m 5,04 m Greifwege/h 1.054 m 905,5 m 825 m Greifwege/Tag/Schicht 7.378 m 6 685 m 5 775 m Greifwege/Jahr/Schicht 1 328 km 1.697 km 1 458 km Körperbelastung hoch gering gering Ergonomie gering sehr gut sehr gut Montagewirkungsgrad 74 % 85 % 86,5 Abbildung 4.4: Montagesystemvergleich von drei unterschiedlichen Montagesystemen zur Montage des Elektroschalters BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Satzweise Montage [€] Stückleistung Abbildung 4.3: Montagearbeitsplatz mit satzweisem Ablauf (LP-Montagetechnik) One Piece Flow Tabelle 3: Wirtschaftlichkeitsvergleich der Montagesysteme nach Abb. 4.1, 4.2 und 4.3 Bewertung der Ergonomie: Die ergonomische Bewertung der Arbeitssysteme erfolgt anhand der MTM-Planungsanalysen. Als wissenschaftlich anerkanntes und den ergonomierelevanten EU-Richtlinien konformes Bewertungsverfahren wird das „Automotive Assembly Worksheet“ (AAWS/AAWS+) verwendet (Schaub 2004 S. 91ff, Kugler et al. 2010 S.21ff). Das Screening-Verfahren ermöglicht eine ergonomische Risikoanalyse der Montagetätigkeiten unter Berücksichtigung von statischen sowie kurzzyklischen repetitiven Ganzkörperkräften. Dabei werden die Belastungsarten in Teilbelastungen unterteilt und mit Punkten bewertet. Je höher der Punktwert, desto höher das gesundheitliche Risiko. Das Verfahren summiert die Teilbelastungen und deren Punktwerte und liefert somit eine Risikobeurteilung der Gesamtsituation des Arbeitssystems. Beurteilt werden dabei die Körperhaltung beziehungsweise -bewegungen, zusätzliche Kräfte sowie die Lastenhandhabung anhand eines Drei-Zonen-Modells auf Basis des Ampel Prinzips (vgl. DIN EN 614-1 S. 20 f). 40 ALTERSNEUTRALE UND WIRTSCHAFTLICHE GESTALTUNG VON MONTAGEARBEITSPLÄTZEN CONTRA LEISTUNGSWANDEL ERGONOMIE Zur weitgehend alters- und geschlechterneutralen Betrachtung werden für die Analysen das 50. Körpermaßperzentil und 50. Kraftperzentil der weiblichen (w) beziehungsweise männlichen (m) Nutzerpopulation verwendet (vgl. DIN 33402-2 und DIN 33411-5). Die Ergebnisse der ergonomischen Bewertung berücksichtigen dabei den kurzzyklischen Arbeitsablauf der manuellen Montage, unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsinhalte über den betrachteten Zeitraum von einer Schicht konstant bleiben (siehe Tabelle 4). Werkbank One Piece Flow Satzweise Montage 50. Perzentil w m w m w m Punktwert der Analyse 27 23 17,25 11,75 8,25 7 Risikobewertung Mögliches Risiko Kein Risiko Kein Risiko Kein Risiko Kein Risiko Kein Risiko Nicht empfeh- Empfehlenslenswert wert Empfehlenswert Empfehlenswert Empfehlenswert Empfehlenswert Empfehlung Handlung Maßnahmen erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich Einstufung [DIN EN 614-1] gelb grün grün grün grün grün Tabelle 4: Ergebnisse der ergonomischen Bewertung für kleine Produkte Das sich aus dieser Montageaufgabe ergebende Bewertungsergebnis ist als empfehlenswert einzustufen und es besteht kein physisches Belastungsrisiko und Maßnahmen sind nicht erforderlich. Montagesystem „Satzweise Montage“: Durch die Verwendung des Rundtakttisches sind die Bewegungslängen auf ein Minimum reduziert (15-20 Zentimeter). Sie liegen für alle Montageoperationen an dem Produkt im körpernahen Bereich. Rumpfneigungen (>20 Grad) sind für diese Ausführungen nicht erforderlich. Lediglich für die Ablage der montierten Baugruppen ist eine Rumpfneigung (>20 Grad) beziehungsweise Rumpfdrehung notwendig. Die Arbeitsweise innerhalb der satzweisen Montage erhält den niedrigsten (besten) Punktwert der bewerteten Montagesysteme für kleine Produkte und ist somit als empfehlenswert zu bezeichnen. Es besteht kein physisches Belastungsrisiko und Maßnahmen sind nicht erforderlich. Die Bewegungslängen Hinlangen und Bringen sind extrem kurz und die Belastung der Arm- und Schultermuskulatur sehr gering. Alle Fügevorgänge sind im optimalen Blick- und Arbeitsraum durchführbar. Schnelle Ermüdung wird trotz der Leistungssteigerung weitgehend vermieden. Werkbankmontage: Ein hoher Anteil an Handhabungsvorgängen mit Bewegungslängen über 40 Zentimeter führen dazu, dass derartige Handhabungen nur durch zusätzliche Rumpfdrehung beziehungsweise -neigung und unter gestreckter Armhaltung auszuführen sind. Durch eine große Anzahl von Armbewegungen in diesen Bereichen entsteht daraus eine erhöhte physische Belastung der Mitarbeiter. Kombiniert betrachtet ergibt sich daraus ein Ergebnis, welches durch die AAWS-Analyse mit einem möglichen Risiko bewertet wird. Das analysierte Arbeitssystem ist als nicht empfehlenswert einzustufen und Maßnahmen zur Gestaltung beziehungsweise Risikobeherrschung sollten ergriffen werden. Montagesystem „One Piece Flow“: Durch die geänderte halbkreisförmige Teilebereitstellung entlang der Kugelrollenbahn sind die Handhabungswege auf maximal 30 Zentimeter reduziert. Die Handhabungsvorgänge werden im optimalen Sichtfeld ausgeführt und benötigen keine Rumpfneigungen (>20 Grad) mehr. Die Handhabungs- und Montagevorgänge werden in sitzender oder stehender Haltung, ggf. leicht vorgeneigt, ausgeführt. Rumpfdrehungen sind leicht ausgeprägt und werden nur noch vereinzelt benötigt. Insgesamt wird durch den Systemvergleich jedoch deutlich, dass eine erzielbare hohe Wirtschaftlichkeit in keinem Widerspruch zu ergonomisch hervorragender Arbeitsplatzgestaltung stehen muss. Große Produkte Max. Produktgröße: Gewicht: Komplexität: ca. 800 x 800 x 1 800 mm, bis ca.140 bis 150 kg, 80 bis 150 Einzelteile. Bei Einzelplatz- oder Gruppenmontage sind die Montagearbeitsplätze nach dem Prinzip der Baustellenmontage gestaltet. Stationäre Montageobjekte kennzeichnen die Baustellenmontage. Das Prinzip der Gruppenmontage besteht darin, dass mehrere Montageobjekte in benachbarten Montageplätzen gleichzeitig montiert werden. Die Montageobjekte bleiben stationär, das Montagepersonal wechselt an den aufgestellten Montageobjekten. Durch die notwendige Bereitstellung einer hohen Anzahl von Einzelteilen und/oder vormontierter Baugruppen sowie der notwendigen Zugänglichkeit von allen Seiten zum Montageobjekt hat die Baustellenmontage einen hohen Platzbedarf. Gegenüber der KleingeräteBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 41 montage sind bei der Baustellenmontage Materialbereitstellung und Montageobjekt räumlich voneinander getrennt. Bei der Kleingerätemontage beschränkt sich der Aufwand der Teilehandhabung auf Bewegungslängen durch Hand und Arm. Dagegen werden bei der Baustellenmontage für die Handhabung der Einzelteile oder Werkzeuge Körperbewegungen wie Drehen, Gehen, Beugen, Bücken und Aufrichten notwendig. Am Beispiel eines virtuellen Produktes, bestehend aus 107 Einzelteilen mit einem Gewicht von 136,6 kg, wird die Arbeitsplatzgestaltung in Abbildung 5 dargestellt. Das Basisteil mit 60 kg Gewicht wird über den Hallenkran am Montagearbeitsplatz bereitgestellt. Die beiden notwendigen Großteile, einmal 20 kg und einmal 15 kg Gewicht, stehen auf zwei am Hallenboden platzierten Paletten bereit. Die Kleinteile mit einem Durchschnittsgewicht von 0,4 kg werden in einem Materiallager bereitgestellt. Davon sind 23 Teile in den unteren Ebenen des Materiallagers angeordnet. Die Montagezeit dieses virtuellen Produktes beträgt 15 Minuten und damit ergibt sich eine Leistung von vier Produkten pro Stunde. Materialregal Einzelteile Palette Zur Handhabung der zwei Großteile von Paletten und der 23 Kleinteile aus den unteren Ebenen des Regals sind Körperbewegungen wie Bücken und Aufrichten notwendig. Auch beim Fügen von Teilen an großen Objekten sind ebenfalls Fügevorgänge in gebückter Körperhaltung nicht zu vermeiden. Bei dem gedachten virtuellen Montageprodukt müssen innerhalb der vorgesehenen Montagezeit von 15 Minuten 25-mal in gebückter Körperhaltung Einzelteile aufgenommen werden. Unter Annahme, dass 35 Teile in gebückter Haltung zu fügen sind, wird innerhalb von 15 Minuten 60-mal Bücken und Aufrichten notwendig. 60-mal Bücken und Aufrichten in 15 Minuten stellen eine Belastung von Muskulatur und Rückgrat dar und können zur Ermüdung führen. Ein gesundheitliches Risiko entsteht bei der manuellen Handhabung schwerer Lasten mit der Folge der Überbeanspruchung der Gelenke, Muskeln, Bandscheiben und Wirbelsäule. Als Anhaltspunkte, im Sinne der Berufskrankheitsverordnung, werden die in Tabelle 5 genannten Werte von Lastengewichten angeführt. Die Werte gelten für Lastgewichte, die eng am Körper getragen werden. Mit länger werdender Tragdauer (Wegstrecke zwischen Aufnehmen und Fügen) wird die Greifkraft der Finger immer stärker beansprucht. Jede Kürzung der Tragdauer bedeutet einen besonderen Gewinn infolge exponentieller Reduzierung der Ermüdung und der Wirbelsäulenentlastung (Landau/Pressel 2009). Palette Zumutbare Last [kg] Montageplatz 2 Großteile 20 + 15 kg = 35,0 kg 104 Kleinteile je 0,4 kg = 41,6 kg ———— 76,6 kg/Produkt x 4 Produkte/h = 306,4 kg/h und entspricht einem Teilegewicht pro Schicht von 306,4 kg/h x 7 h = 2144,8 kg. Bei 230 Arbeitstagen im Jahr errechnet sich ein zu handhabendes Teilegewicht von 2 144,8 kg/Tag x 230 Tage = 493 304 kg oder 493 t. Davon entfallen für die beiden Großteile 225 t. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 gelegentlich häufiger Frauen Männer Frauen Männer 15 - 18 Jahre 15 35 10 20 19 - 45 Jahre 15 55 10 30 ab 45 Jahre 15 45 10 25 Abbildung 5: Arbeitsplatzgestaltung Das zu handhabende Teilegewicht beträgt pro Stunde: Häufigkeit des Hebens und Tragens Lebensalter Tabelle 5: Empfohlene Grenzlasten für das Heben und Tragen von Lasten (Bongwald et al. 1995 S.30) Abbildung 6 zeigt drei unterschiedliche Körperhaltungen zum Aufnehmen von Teilen. Körperhaltung A zeigt die optimale Voraussetzung, ein Teil ohne zusätzliche Körperbewegungen aufnehmen zu können. Körperhaltung B ist die Aufnahme in gebückter Haltung. Sie sollte vermieden werden und Körperhaltung C, gebückt in Kombination mit einer Schrittbewegung, ist unmöglich und darf nicht erforderlich werden. 42 ALTERSNEUTRALE UND WIRTSCHAFTLICHE GESTALTUNG ERGONOMIE VON MONTAGEARBEITSPLÄTZEN CONTRA LEISTUNGSWANDEL Teilebehälter A B C Abbildung 6: Unterschiedliche Köperstellungen zur Aufnahme von Lasten (eigene Darstellung nach Dworsky) Um Leistungswandlung in der Montage von Großgeräten zu reduzieren beziehungsweise zu verhindern, wird die Verbesserung der Arbeitsplatzgestaltung notwendig: 1. Paletten mit schweren Werkstücken nicht mehr am Hallenboden, sondern auf Lagerböcken in passender Greifhöhe platzieren. Sind pro Palette mehrere Werkstücke gelagert, wäre eine Ablage auf eine Drehscheibe (Teil des Lagerbocks) von Vorteil. 2. Die Bereitstellung der sogenannten Kleinteile muss so gestaltet werden, dass beim Aufnehmen ein Bücken und damit ein Aufrichten nicht mehr notwendig wird. 3. Das Montageobjekt muss auf einer in der Höhe verstellbaren Montageaufnahme platziert sein. 4. Verkürzung der Handhabungswege bei schweren Einzelteilen. Palettenbereitstellung: Um Bücken und Aufrichten unter Last zu vermeiden, müssen Paletten mit Großteilen auf einem Lagerbock nach Abbildung 7 drehbar bereitgestellt werden. Die Höhe des Lagerbocks soll in Anpassung an die Körpermaße des am Arbeitsplatz tätigen Mitarbeiters möglich sein. Um Aufnahmesituationen wie in Abb. 6C dargestellt zu verhindern, soll der Lagerbock mit einer drehbaren Aufnahmefläche ausgerüs 800 tet sein. Abbildung 7: Lagerbock für Paletten mit drehbarer Aufnahmefläche Bereitstellung der sog. Kleinteile: Die Bereitstellung von Kleinteilen, beispielsweise bis zu einem Gewicht von maximal 2 kg, erfolgt in der Regel mit entsprechenden Greifbehältern, angeordnet in Regalen. Die unterste Bereitstellung von Greifbehältern ist praktisch der Hallenboden und bedeutet, dass ein Teil der Greifbehälterpositionen zur Entnahme von Teilen die Vorgänge des Bückens und Aufrichtens notwendig macht. Zur Vermeidung von Bücken und Aufrichten muss die unterste Bereitstellungsebene einer Greifhöhe entsprechen, die das Aufnehmen eines Teiles ohne Bücken ermöglicht. Abbildung 6A zeigt hierfür ein Beispiel. Um die Entnahme aus dem Greifbehälter in ergonomisch bester Position sicherzustellen, können dynamische Bereitstellungsregale nach Abbildung 8 zum Einsatz kommen. Die Bereitstellungsebenen sind dabei nicht mehr statisch, sondern können in Anpassung der optimalen Entnahmeposition automatisch verstellt werden. Eine Grundvoraussetzung beim Einsatz dynamischer Bereitstellungsregale ist, dass die Anordnung der Greifbehälter der Montagerangfolge entspricht. Abbildung 8 zeigt ein System mit drei unterschiedlichen Bereitstellungsebenen. Die Entnahmehöhe der Teile ist auf einen Meter eingestellt. Das System ist mit drei Bereitstellungsebenen ausgerüstet. Abbildung 8a zeigt die Stellung für die Entnahme der bereitgestellten Teile der Ebene 1, Abbildung 8b die Stellung der Ebene 2 und Abbildung 8c die Stellung der Ebene 3 für die Entnahme der Teile. Damit sind alle Teile in gleicher Entnahmehöhe aufnehmbar und ein Bücken und Aufrichten wird vermieden. Die dynamischen Bereitstellungsregale werden in der Verstellung der Regalebenen über ein sog. Pick-by-light-System gesteuert. Ist die Bereitstellungsebene 1 in Entnahmeposition, leuchten automatisch die 1–2m E 1 E 2 E 3 2 3 a) b) c1) c2) E Entnahmeposition, a) Bereitstellungsebene 1, b) Bereitstellungsebene 2 c1) Seitenansicht der Bereitstellungsebene 3, c2) Vorderansicht der Bereitstellungsebene 3 Abbildung 8: Dynamisches Bereitstellungsregal (LP Montagetechnik) Lampen an den Greifbehältern der Ebene auf. Wird ein Teil entnommen, löscht dies die Lampe. Sind alle Teile der Bereitstellungsebene entnommen, sind auch alle Lampen gelöscht und die Verstellung von Ebene 1 auf 2 BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 43 wird automatisch durchgeführt. Ist Ebene 3 abgearbeitet, werden die Ebenen im Block auf Ausgangsposition zurückgefahren und Ebene 1 steht wieder im optimalen Greifbereich. Montageaufnahme des zu montierenden Produktes: Um Montage in gebückter Körperhaltung zu vermeiden, muss, in Abhängigkeit der Dimensionen des Montageobjektes, die Montageaufnahme in ihrer Höhe verstellbar sein. Abbildung 9 zeigt die notwendige Verstellbarkeit der Produktaufnahme, abgestimmt auf den notwendigen Arbeitsraum. Produkthöhe a Arbeitsraum ca. 60 cm Produkthöhe b Tischhub Abbildung 9: Höhenverstellbarer Arbeitsplatz für stehende Montagearbeit Ein weiteres Beispiel der Arbeitsplatzgestaltung zeigt Abbildung 10 für ein sehr schlankes, aber großes Montageobjekt. Das Objekt kann liegend und zum Teil senkrecht stehend montiert werden. Liegend und stehend ist die Montageaufnahmehöhe einstellbar. Montageobjekt Schließkraft der Finger lässt mit jedem Schritt nach und verursacht eine zusätzliche Belastung der Mitarbeiter. Montagezeitreduzierung großer Produkte durch ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Abbildung 11 zeigt beispielhaft den Ablauf, um ein schweres Einzelteil mit einem Gewicht von ca. 20 kg zu handhaben und im unteren Bereich des Basisteiles den Fügevorgang durchzuführen. Abbildung11A zeigt den Bewegungsablauf bei ergonomisch schlecht gestaltetem Arbeitsplatz. Nach der Fügung eines Werkstückes im unteren Bereich des Montageobjektes muss der Werker zur Durchführung des nächsten Vorganges sich aufrichten, eine Körperdrehung und drei Schritte zur Teilebereitstellung ausführen. Um das Teil aufzunehmen, muss er sich bücken, mit dem Teil wieder aufrichten, eine Körperdrehung und drei Schritte zum Bauteil ausführen, sich bücken und dann fügen. Abbildung 11B zeigt den Bewegungsablauf bei ergonomisch verbesserter Arbeitsplatzgestaltung. Durch eine in der Höhe verstellbare Montageplattform entfällt das Aufrichten. Die verkürzte Entfernung zur Materialbereitstellung erspart einen Schritt. Die Bereitstellung der Palette mit dem schweren Teil auf einem Lagerbock verhindert zur Teileaufnahme das Bücken und Aufrichten. Den zeitlichen Unterschied für die Handhabung eines schweren Teiles nach Abbildung 11A und 11B zeigt Tabelle 6. Da die Funktionen Hinlangen, Greifen, Bringen, Fügen und Loslassen keinen Unterschied aufweisen, beschränkt sich die Tabelle 6 auf die Körperbewegungen wie Körperdrehung, Bücken, Aufrichten und Gehen. schwenkbar Montageobjekt bis zum Boden absenkbar BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 • • Montageplatz Verkürzung der Handhabungswege: Palette mit Großteil, platziert am Boden Materialbereitstellung negativ B optimal Montageobjekt 2 Schritte Montageraum Grundsätzlich reduziert jeder nicht notwendige Schritt die Montagezeit um 15 TMU. Für die Wirtschaftlichkeit der Montage muss jeder nicht notwendige Schritt vermieden werden. Dies reduziert gleichzeitig die Belastung der Mitarbeiter. Von besonderer Bedeutung ist die Verkürzung der Handhabungswege mit großen, schweren Werkstücken. Die notwendige negativ Montageobjekt A Abbildung 10: Montageaufnahme, schwenkbar und in der Höhe verstellbar Montageraum 3 Schritte optimal • • Palette mit Großteil, platziert auf Lagerblock Abbildung 11: Ablauf eines Montagevorganges mit einem schweren Teil (20 kg) 44 ALTERSNEUTRALE UND WIRTSCHAFTLICHE GESTALTUNG ERGONOMIE VON MONTAGEARBEITSPLÄTZEN CONTRA LEISTUNGSWANDEL Lösung A [TMU] Lösung B [TMU] Körperdrehung TBC2 37,2 37,2 Gehen W-P 3 Schritte 45,0 Bewegungsablauf Gehen W-P 2 Schritte Montageobjekt auf höhenverstellbarer Montageplattform, um Fügevorgänge durch Bücken zu vermeiden. 30,0 Bücken S 29,0 -- Aufrichten AS 31,9 -- Körperdrehung TBC2 37,2 37,2 Gehen unter Last W-PL 3 Schritte 51,0 Gehen unter Last W-PL 2 Schritte Verkürzung der Handhabungswege von drei auf zwei Schritte durch entsprechende Arbeitsplatzgestaltung. 34,0 Bücken S 29,0 -- Aufrichten AS 31,9 -- 292,2 292,2 TMU = 10,5 s 138,4 138,4 TMU = 5,0 s Summe Tabelle 6: MTM-Analyse zu Abb. 11: im Vergleich Lösung A zu Lösung B Wirtschaftlichkeit: Ausgangsbasis: Das im Kapitel „Große Produkte“ beschriebene Produkt benötigt bei einer Arbeitsplatzgestaltung nach Abbildung 11A eine Montagezeit von 900 Sekunden und entspricht einer Stundenleistung von vier Produkten. Daraus errechnet sich eine Jahresleistung im Zweischichtbetrieb zu 4 Stück/h x 14 h/Tag x 230 Tage/Jahr = 12 880 Produkte/Jahr. Zur Vermeidung möglicher Leistungswandlung und notwendiger Verbesserung der Wirtschaftlichkeit müssen die in Abbildung 11B ausgeführten Veränderungen der Arbeitsplatzgestaltung zum Einsatz kommen: Paletten mit Großteilen werden nicht mehr auf dem Hallenboden sondern auf Lagerböcken bereitgestellt. Bücken und Aufrichten entfallen. Pos. Teile Vorgang davon entfallen bei Lösung B Anzahl Zeit je der Vor- Vorgang gänge [TMU] Zeit je Produkt [TMU] 1 2 Großteile von Palette Bücken und Aufrichten aufnehmen 2 29 + 31,9 121,8 2 2 Großteile Gehen 4 15 60,0 3 23 Kleinteile aus Regal Bücken und Aufrichten entnehmen 23 29 + 31,9 4 23 Kleinteile Gehen 1 Schritt vor und 1 zurück 46 15 690,0 5 81* Kleinteile Gehen 1 Schritt mit je 2 Teilen vor und 1 zurück 80 15 1 200,0 6 35 Teile Bücken und Aufrichten 35 29 + 31,9 2 131,5 Summe Summe Fügen 1 Schritt vor und 1 zurück Bereitstellung der kleinen Teile in dynamisch verstellbaren Lagerregalen zur Vermeidung von Bücken und Aufrichten. 1 400,7 [TMU] 5 604,0 [s] 201,7 Aus Tabelle 7 gehen, nach Durchführung der genannten Arbeitsplatzveränderungen, die möglichen Montagezeitreduzierungen pro Produkt hervor: Die Montagezeit ohne Veränderungen (Abb. 11A) liegt bei 900 Sekunden und reduziert sich bei der Lösung aus Abb. 11B auf 900 Sekunden – 202 Sekunden = 698 Sekunden oder um 22 Prozent Die Stundenleistung erhöht sich dabei auf 3 600s/698 s = 5,16 Stück. Bei gleich bleibender Jahresstückleistung von 12 880 Stück sind nur noch 12 880 Stück/Jahr : 5,16 Stück/h = 2 496 Montagestunden/Jahr notwendig. Eine Einsparung von 3 220 h/Jahr – 2 496 h/Jahr = 724 Stunden/Jahr. Bei einem Personalkostensatz von 40 €/h errechnet sich eine Jahreseinsparung von 724 h/Jahr x 40 €/h = 28 960 €/Jahr Dem Ergebnis gegenüber steht eine Zusatzinvestition von 2 Lagerböcke für Paletten 1 200 € 1 dynamisches Lagersystem 15 000 € 1 verstellbare Montageplattform 8 000 € ————— Summe 24 200 € Amortisationszeit der Zusatzinvestition: 24 200 € / 28 960 € = 0,84 Jahre = 10 Monate Primär-Sekundär-Analyse (PSA) Definition der PV-Analyse für Baustellenmontage: Primäraufwand (PV): Fügen und Teilehandhabung bis zu max. einem Schritt Gehen und ohne Körperbewegungen wie Bücken und Aufrichten. * Alle Kleinteile werden nicht einzeln, sondern paarweise gehandhabt. Tabelle 7: Montagezeitreduzierung pro Produkt bei Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 11B Sekundäraufwand (SV): Aufwand, welcher neben dem Primäraufwand durch die BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 45 Arbeitsplatzgestaltung notwendig wird. Dazu zählen zum Beispiel Körperbewegungen wie Bücken und Aufrichten. Mit der Arbeitsplatzgestaltung nach Abbildung 11A wird zur Montage eines Objektes ein Aufwand von 900 Sekunden notwendig. Der Sekundäranteil berechnet sich wie folgt: Ergonomische Bewertungsergebnisse für die Montage großer Produkte: Die Ergebnisse der ergonomischen Bewertung der Montagesysteme für die großen Produkte erfolgt nach dem bereits beschrieben Bewertungsverfahren „Automotive Assembly Worksheet Plus“ und sind in Tabelle 8 zusammengestellt. Gehen 3 Schritte: 1 Schritt PV und 2 Schritte SV SV: 2 x 65 Schritte x 15 TMU/Schritt = 1 950 TMU = 70,2 s 70,2 Sekunden hin + 70,2 Sekunden zurück = 140,4 s Bücken und Aufrichten SV: 25 Teile x 60,9 TMU/Teil = 1 522,5 TMU = Fügen in gebückter Haltung und Aufrichten SV: 35 Teile x 60,9 TMU/Teil = 2 131,5 TMU = Gesamtsekundäraufwand 54,8 s 76,7 s ———— 271,9 s Der Primäraufwand beträgt 900 s – 271,9 s = 628,1 Sekunden Lösung A Lösung B 50. Perzentil w m w m Punktwert der Analyse 63 58 23 16 Hohes Risiko Hohes Risiko Kein Risiko Kein Risiko Vermeiden Vermeiden Empfehlenswert Empfehlenswert Maßnahmen dringend erforderlich Maßnahmen dringend erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich Keine Maßnahmen erforderlich rot rot grün grün Risikobewertung Empfehlung Handlung Einstufung Der Montagewirkungsgrad mit der Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 11A berechnet sich zu [DIN EN 614-1] Tabelle 8: Ergebnisse der ergonomischen Bewertung für große Produkte 628,1 s WM = ———————— x 100 [%] = 69,8 % 628,1 s + 271,9 s Mit den Veränderungen der Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 11B wird der gesamte Sekundäraufwand der Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 11A Bücken und Aufrichten eliminiert. Vom Aufwand für Gehen bleibt ein Schritt pro Vorgang, da der Handhabungsweg bei diesem Lösungsvorschlag mit zwei Schritten bestimmt ist. Nach der eingangs genannten Definition ist nur ein Schritt dem Primärvorgang zuzuordnen. Mit dem Lösungsvorschlag nach Abbildung 11B reduziert sich die Gesamtmontagezeit pro Produkt auf 698 Sekunden. Als Sekundäranteil kommen 65 Schritte vor und 65 Schritte zurück für die Handhabung der Einzelteile zum Ansatz und errechnen einen Sekundäranteil von 130 Schritte x 15 TMU/Schritt = 1 950 TMU = 70,2 s. Der Montagewirkungsgrad der Arbeitsplatzgestaltung nach Abbildung 11B errechnet sich zu 628,1 s WM = ———————— x 100 [%] = 90 % 628,1 s + 70,2 s BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Lösungsvariante A Die Handhabung der schweren Teile (15, 20 kg) erfolgt von der Palette auf Hallenboden-Niveau durch tiefes Beugen beziehungsweise weites Vorneigen des Rumpfes. Der Großteil der zu montierenden Einzelteile benötigt für das Aufnehmen aus der unteren Ebene des Regals (23 Stück) sowie das Fügen im unteren Bereich des Basisteiles (35 Stück) einen stark nach vorn gebeugten Oberkörper (> 60 Grad). Die Dauer und Intensität der Beziehung sowie die Art und Weise der Handhabung führen zu einem hohen physischen Belastungsrisiko für die Mitarbeiter. Die Ausführung dieser Arbeitsweise ist dringend zu vermeiden, und Maßnahmen zur Risikobeherrschung sind erforderlich. Lösungsvariante B Durch die höhenverstellbare Platzierung der schweren Großteile im Arbeitsraum des Mitarbeiters wird eine Rumpfneigung (> 20 Grad) für das Handhaben überflüssig. Das Tragen beziehungsweise Umsetzen der Großteile wird verkürzt, ist jedoch weiterhin Bestandteil der Arbeitsaufgabe. Die Aufnahme aller Einzelteile erfolgt durch den Einsatz der dynamischen Bereitstellungsregale, ebenfalls ohne Rumpfneigung (> 20 Grad). Das Fügen aller Teile wird von dem Mitarbeiter 46 ALTERSNEUTRALE UND WIRTSCHAFTLICHE GESTALTUNG VON MONTAGEARBEITSPLÄTZEN CONTRA LEISTUNGSWANDEL ERGONOMIE durch die schwenk- und höhenverstellbare Montageaufnahme in aufrechter Körperhaltung ausgeführt. Die gestalterische Anpassung der Lösungsvariante B führt zu einer ergonomischen Bewertung ohne physisches Belastungsrisiko beziehungsweise ohne dass weitere Maßnahmen erforderlich sind. Abbildung 12 zeigt in zusammenfassender Darstellung die Ergebnisse der Punktbewertung nach dem „Automotive Assembly Worksheet“ (AAWS) der beschriebenen Kleingeräte und der Großgerätemontage. 50. Perzentil Mann 50. Perzentil Frau 70,00 niedriges Risiko 50,00 40,00 30,00 27,00 23,00 23,00 17,25 20,00 11,75 10,00 0,00 PMV-SMVWirkungsgrad 16,00 7,00 8,25 Montage Werkbank Montage OnePieceFlow Satzweise Montage 74% 85% 86,5% Baustellenmontage Lösung A 70% kein Risiko Punktbewertung [nach AAWS] hohes Risiko 63,00 58,00 60,00 Baustellenmontage Lösung B 90% Abbildung 12: Darstellung der Bewertungsergebnisse der Montagesysteme nach AAWS-Analyse Zusammenfassung Zur vereinfachten Darstellung und zur besseren Übersicht sind in dieser Arbeit aus umfangreichen Recherchen nur einzelne Beispiele aufgeführt. Nachweislich besteht ein Zusammenhang zwischen ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung und erzielbarer Wirtschaftlichkeit. Ergonomisch einwandfrei gestaltete Arbeitsplätze sind wirtschaftlicher als Arbeitsplätze, die den ergonomischen Ansprüchen nicht gerecht werden. Ein Schwerpunkt der Arbeitsplatzgestaltung aus ergonomischer und wirtschaftlicher Sicht ist dabei die Gestaltung der Materialbereitstellung und der notwendigen Werkzeuge. Große Bewegungslängen der Kleingerätemontage und große Handhabungswege bei der Montage großer Geräte – zum Teil unter Gewichtsbelastung, mit Körperbewegungen wie Bücken und Aufrichten – können Ursache frühzeitiger Ermüdung und der Entwicklung zur Leistungswandlung sein. gabe einer zu erfüllenden Stundenleistung bezogen ist, genügt nicht der Leistungserhaltung der Mitarbeiter. Erst eine Hochrechnung der zu erfüllenden Bewegungslängen, Handhabungswege, Handhabungsgewichte und Körperbewegungen wie Bücken, Aufrichten etc. – über eine volle Schicht bzw. über eine Jahresleistung – gibt Auskunft über die mögliche Nachhaltigkeit der Leistung und damit der Gefahr einer Leistungswandlung. Was durch Reduzierung der Bewegungslängen, der Handhabungswege und der Körperbewegungen erreicht wird, ist auch eine Reduzierung der Montagezeiten. Es wird also die Stückleistung erhöht und der Handhabungsaufwand reduziert und mehr Stückleistung erreicht und das bei geringerer Belastung der Montagemitarbeiter/innen. Als Bewertungsinstrument für Montageplanungen eignet sich ebenfalls die Primär-Sekundär-Analyse. Primärvorgänge sind wertschöpfend, Sekundärvorgänge ohne eine Wertschöpfung. Die genaue Definition von Primär und Sekundär ist zwischen der Kleingeräteund der Großgerätemontage unterschiedlich (Lotter/ Spath 2002). Der mit dieser Analyse ermittelte Montagewirkungsgrad gibt nicht nur Auskunft über die Wirtschaftlichkeit, sondern auch über den Grad der ergonomischen Gestaltung. Wie aus den gezeigten Beispielen hervorgeht, liegt der Montagewirkungsgrad bei ergonomisch schlechter Gestaltung in der Größenordnung von 70 bis 75 Prozent, bei ergonomisch guter bis sehr guter Gestaltung bei 85 bis 90 Prozent. Die höheren Investitionskosten ergonomisch richtig gestalteter Arbeitsplätze amortisieren sich in der Regel unterhalb eines Jahres. Dem demografischen Wandel durch ergonomische, altersneutrale Arbeitsplatzgestaltung gerecht zu werden, ist eine soziale und wirtschaftliche Herausforderung zur Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland. >>> Autoren-Kontakt Professor Bruno Lotter Industrieberatung Montagetechnik Tel.: +49 7045 8040 E-Mail: [email protected] Dipl-Ing. Jochen Hartung Lehrstuhl für Arbeits- und Produktionssysteme Tel.: +49 231 7552631 E-Mail: [email protected] Die übliche Bewertung einer Arbeitsplatzgestaltung durch REFA, MTM und so weiter, die nur auf die VorBETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 47 12 e re n z 2 0 f n o k t s b ! GfA-Her n o t i e re n Literatur: min Jetzt Ter Bongwald, O.; Luttmann, A.; Laurig, W. (1995): Leitfaden für die Beurteilung von Hebe- und Tragetätigkeiten. Plump KG, Rheinbreitbach. 27.-28. September 2012 DIN 33402-2 (2005): Ergonomie - Körpermaße des Menschen - Teil 2: Werte. Beuth Verlag, Berlin. DIN 33411-5 (1999): Körperkräfte des Menschen - Teil 5: Maximale statische Aktionskräfte, Werte. Beuth Verlag, Berlin. DIN EN 614-1 (2006): Sicherheit von Maschinen - Ergonomische Gestaltungsgrundsätze - Teil 1: Begriffe und allgemeine Leitsätze. Beuth Verlag, Berlin. Grandjean, E. (1979): Physiologische Arbeitsgestaltung. Leitfaden der Ergonomie. Ott Verlag, Thun. Kugler, M.; Bierwirth, M.; Schaub, K.; Sinn-Behrendt, A.; Feith, A.; Ghezel-Ahmadi, K.; Bruder, R. (2010): Ergonomie in der Industrie - aber wie? Handlungshilfe für den schrittweisen Aufbau eines einfachen Ergonomiemanagements. Meindl, München. Landau, K.; Pressel, G. (Hrsg.) (2009): Medizinisches Lexikon der beruflichen Belastungen und Gefährdungen. 2. Auflage, Gentner Verlag, Stuttgart. Lotter, B. (1992): Wirtschaftliche Montage. 2. Auflage, VDI Verlag, Düsseldorf. Angewandte Arbeitswissenschaft für kleine und mittelständische Unternehmen Die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) und das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) laden Sie herzlich zur Herbstkonferenz 2012 nach Düsseldorf ein. Ausrichter ist in diesem Jahr das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa). Freuen Sie sich auf interessante Vorträge und Diskussionen über gegenwärtige und zukünftige betriebliche Anforderungen an die Arbeitswissenschaft und die Vorstellung aktueller Umsetzungslösungen von Referenten aus Forschung und Betriebspraxis. Außerdem erwarten Sie am 27. September eine außergewöhnliche Abendveranstaltung und zum Abschluss der Konferenz zwei attraktive Betriebsbesichtigungen. Termin Lotter, B.; Schilling, W. (1994): Manuelle Montage. VDI Verlag, Düsseldorf. Lotter, B.; Spath, D.; Baumgartner, P. (2002): PrimärSekundär-Analyse. Expert Verlag, Renningen. Lotter, B.; Wiendahl, H.-P. (2006): Montage in der industriellen Produktion. Springer Verlag, Berlin. Schaub, K. (2004): Das „Automotive Assembly Worksheet“ (AAWS). In Landau K. (Hrsg.): Montageprozesse gestalten: Fallbeispiele aus Ergonomie und Organisation. Ergonomia Verlag, Stuttgart. Schlick, C. M.; Bruder, R.; Luczak, H. (2010): Arbeitswissenschaft. 3. Auflage, Springer Verlag, Berlin. 27.-28. September 2012 27.09.2012: 09:00-17:15 Uhr Konferenz, ab ca. 19:00 Uhr Abendveranstaltung im Landschaftspark Duisburg-Nord 28.09.2012: 09:00-14:00 Uhr Konferenz, ab ca. 14.30 Uhr Betriebsbesichtigungen im Düsseldorfer Umland Veranstaltungsort Meliã Düsseldorf am Hofgarten, Inselstraße 2, 40479 Düsseldorf, Telefon: +49 211 52284-2501 Anmeldung Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e. V. (GfA) bei Frau Simone John, Telefon: +49 231 124243 per E-Mail: [email protected] oder ab dem 04. Juni 2012 über die Homepage der GfA: www.gfa-online.de Wir freuen uns, Sie bei der diesjährigen GfA-Herbstkonferenz begrüßen zu dürfen! BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 48 ARBEITSRECHT AKTUELLE ENTSCHEIDUNGEN – VON A WIE AGG BIS Z WIE ZEUGNIS Bernd Schiefer Schiefer Rechtsanwälte Düsseldorf Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Schadensersatz-Entschädigungsanspruch / Frist für die Geltendmachung BAG v. 15.03.2012 – 8 AZR 160/11 -, PuR 2012, 88 Bei einem Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) – zum Beispiel wegen des Alters oder der Behinderung eines Bewerbers – ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG). Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monate nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG). Ein Schadens- oder Entschädigungsanspruch muss innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in Das Bundesarbeitsgericht hat Klarden sonstigen Fällen eistellungen zur Befristung getroffen. ner Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hat (siehe im Einzelnen Schiefer/Ettwig/Krych, Düsseldorfer Schriftenreihe, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Rdz. 564 ff.). Mit oben genannter Entscheidung bestätigt das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass diese Zweimonatsfrist wirksam ist und nach europäischem Recht keinen Bedenken begegnet. Bei Ablehnung einer Bewerbung beginnt die Frist in dem Moment zu laufen, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Im zu entscheidenden Fall hatte der Kläger mit Erhalt des Ablehnungsschreibens Kenntnis von Indizien seiner Benachteiligung erlangt, da er bei der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hingewiesen hatte und er abgelehnt worden war, ohne nach § 82 SGB IX von dem öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Befristung - Erleichterte Befristung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG BAG v. 21.09.2011 – 7 AZR 375/10 -, PuR 2012, 35 Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist eine so genannte erleichterte (sachgrundlose) Befristung des Arbeitsvertrages nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer nicht „zuvor“ bei dem Arbeitgeber beschäftigt war. Heftig umstritten war, ob der Begriff „zuvor“ zeitlich einzuschränken und ob gegebenenfalls auch ein Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Vorbeschäftigungsverbots ist. Nach Ansicht des BAG gilt Folgendes: Das Vorbeschäftigungsverbot ist zeitlich zu beschränken. Jede Vorbeschäftigung, die länger als drei Jahre zurückliegt, ist im Sinne des Vorbeschäftigungsverbots unschädlich und steht einer erleichterten Befristung nicht entgegen. Ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Vorbeschäftigungsverbots. Dies bedeutet: Im Anschluss an ein Berufsausbildungsverhältnis ist eine erleichterte Befristung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG möglich (zu den Einzelheiten siehe bereits BAG vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 -, PuR 2011, 97; Fechner, PuR 2011, 163). BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 49 Elternzeit - Verlängerung - Zustimmung des Arbeitgebers - Billiges Ermessen BAG vom 18.10.2011 – 9 AZR 315/10 –, PuR 2012 , 89 Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Die Elternzeit kann vorzeitig beendet oder im Rahmen des § 15 Abs. 2 BEEG verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt (§ 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG) (siehe hierzu Sowka, Elternzeit, Düsseldorfer Schriftenreihe, 5. Auflage, 16). Ist der Arbeitgeber im Hinblick auf die „Zustimmung“ gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG in seiner Entscheidung „frei“ – oder unterliegt diese billigem Ermessen? Nach Ansicht des BAG gilt Folgendes: Das BAG hat bereits mit Entscheidung vom 23. April 2009 „9 AZR 391/08“ (DB 2009, 949) entschieden, dass der Arbeitgeber entsprechend § 315 BGB billiges Ermessen wahren müsse, wenn er darüber entscheide, ob er der Übertragung der Elternzeit auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes zustimme oder sie ablehne (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BEEG). Für die Zustimmung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG könne nichts anderes gelten. „Wenn ein Gesetz die im Interesse der Eltern notwendige Flexibilisierung der Elternzeit im Einzelfall von der „Zustimmung“ des Arbeitgebers abhängig macht, darf ohne konkrete Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes nicht angenommen werden, in einem Fall stehe die Entscheidung über die Zustimmung im freien Belieben des Arbeitgebers, in dem anderen Fall müsse er eine Ermessensabwägung vornehmen.“ Hieraus folgt: Bei der Zustimmungsentscheidung ist „billiges Ermessen“ zu wahren. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitige Interessen angemessen berücksichtigt hat. Hierfür gilt ein objektiver Maßstab. Der Arbeitgeber hat alle Umstände zu berücksichtigen, die zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Soweit die Entscheidung ermessensfehlerhaft ist, tritt entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB an ihre Stelle das Urteil des Gerichts. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Immer wieder sind Zeugnis-Formulierungen Gegenstand von Auseinandersetzungen. Zeugnis - Verschlüsselte Formulierung BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10 -, PuR 2012, 12f. Nach § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen unabdingbaren Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis in deutscher Sprache. Das Zeugnis muss der Wahrheit entsprechen und darf keine Formulierungen enthalten, die den zukünftigen Berufsweg des Arbeitnehmers unnötig erschweren. Dies gilt auch für „verschlüsselte“ Redewendungen. Vor diesem Hintergrund hatte das BAG über folgenden Zeugnistext zu befinden: „Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hoch motivierten Mitarbeiter kennengelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte.“ Nach Ansicht des BAG gilt Folgendes: Die in Rede stehende Formulierung „als sehr interessierten und hoch motivierten Mitarbeiter kennengelernt“, erweckt aus der Sicht des objektiven Empfängers nicht den Eindruck, die Beklagte attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation. Sie ist daher nicht zu beanstanden. Insbesondere bringt der Arbeitgeber nicht verschlüsselt zum Ausdruck, dass „gerade das Gegenteil zutreffe“ (zur Zeugnissprache siehe im Einzelnen Schiefer, PuR 2012, 15). >>> Autoren-Kontakt RA / FA für Arbeitsrecht Prof. Dr. Bernd Schiefer Schiefer Rechtsanwälte Düsseldorf Tel.: +49 211 4573267 E-Mail: [email protected] 50 GLOSSAR PERSONALENTWICKLUNGSGESPRÄCH Stephan Sandrock Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa Was ist ein Personalentwicklungsgespräch? Ein Personalentwicklungsgespräch (PEG) ist ein Instrument der Personalentwicklung. Personalentwicklung wird verstanden als Gesamtheit der Maßnahmen, die der individuellen beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter dienen. Diese Maßnahmen vermitteln den Mitarbeitern unter Beachtung ihrer persönlichen Interessen die zur optimalen Wahrnehmung ihrer jetzigen und zukünftigen Aufgaben erforderlichen Qualifikationen. Ein PEG ist eine Sonderform des Mitarbeitergespräches. Das Mitarbeitergespräch ist ein zentrales Führungsinstrument. Es bringt in Form eines Dialoges Führungskraft und Mitarbeiter zusammen. Es umfasst alle festgelegten (und ggf. formalisierten) Personalführungsgespräche, die der Vorgesetzte mit einem Mitarbeiter in Wahrnehmung seiner Führungsaufgabe gestaltet. Dabei ist zu beachten, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter sich auf das Gespräch vorbereitet haben müssen. Im PEG können auch die spezifischen Lebenssituationen, die Mitarbeiter über die Berufsphasen hinweg durchlaufen können, thematisiert und damit gestaltbar gemacht werden. Spezifische Lebenssituationen können beispielsweise die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen sein. Ein Unternehmen, das gezielt die individuellen Wünsche der Mitarbeiter und Führungskräfte zum Beispiel bei der Gestaltung der Arbeitszeit berücksichtigen kann, leistet einen aktiven Beitrag zur Steigerung der Motivation und damit zur Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter. Eine Besonderheit des PEG ist demnach die Zukunftsorientiertheit. Es gibt verschiedene Anlässe zur Durchführung eines PEG. Beispielsweise kann es dann zum Tragen kommen, wenn interne Versetzungen geplant sind. Auch können der Wegfall von Stellen und darin begründete Umsetzungen Anlass für ein PEG geben. Aber auch vor der Übernahme eines größeren Verantwortungsbereiches im Sinne eines Job-Enrichments ist ein PEG sinnvoll, um die nötigen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Mitarbeiters zu bewerten und notwendige beziehungsweise wünschenswerte Entwicklungsmaßnahmen zu besprechen. Das PEG bietet einmal dem Mitarbeiter die Möglichkeit, seine individuellen Vorstellungen und Wünsche zu verdeutlichen. Ferner dient es zur Abstimmung vorgesehener Entwicklungsmaßnahmen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter. Weiterhin kann damit Klarheit über die weitere berufliche Entwicklung des Mitarbeiters im Unternehmen gewonnen werden. Welchen Nutzen bieten Personalentwicklungsgespräche? Ziele/Vorteile Wie trägt ein PEG zum Erhalt und Ausbau der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bei? Durch gut organisierte PEG profitieren Mitarbeiter und das Unternehmen gleichermaßen im Sinne einer WinWin-Situation: PEGe dienen dem Erhalt und Ausbau der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und Führungskräfte wie folgt: Im Gespräch sollen die Stärken und Entwicklungspotenziale der Mitarbeiter herausgearbeitet werden. Dies eröffnet dem Vorgesetzten die Möglichkeit, den Mitarbeiter seinen Stärken nach einzusetzen beziehungsweise so einzusetzen, dass der Mitarbeiter seine Potenziale entfalten kann. Die Berücksichtigung der Stärken und Potenziale des Mitarbeiters beim Personaleinsatz fördert so die individuelle Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Für den Mitarbeiter kann daraus resultieren: Ableitung von beruflichen Förder- und Weiterentwicklungskonzepten, die seinen Interessen entsprechen, Motivation durch Wertschätzung, Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit. Für das Unternehmen kann resultieren: Durch den Aufbau beziehungsweise die Erweiterung von Kompetenzen können Leistungslücken geschlossen BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 51 und der Mitarbeiter für gewünschte weiterführende Tätigkeiten eingesetzt werden. Durch Analyse des Potenzials des Mitarbeiters kann unter anderem erreicht werden: Transparenz über Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten Schließen von Leistungslücken des Mitarbeiters durch Ableiten gezielter PE-Maßnahmen Qualifizierung im Hinblick auf neue berufliche Erfordernisse. Wie kann ich ein PE-Gespräch durchführen und im Unternehmen etablieren? PEG durchführen: Zunächst ist es wichtig, sich auf das Gespräch vorzubereiten; dazu gehört in erster Linie die Klärung des Anlasses des Gespräches. Dazu empfiehlt es sich, einen unternehmensspezifischen Leitfaden zu entwickeln. Weiterhin ist zu empfehlen, im Vorfeld eine StärkenSchwächen-Analyse durchzuführen. Dies kann z.B. mit Unterstützung der Personalabteilung geschehen. Die eigentliche Durchführung des PEG besteht aus mehreren Schritten: Zur Erzeugung einer angenehmen Gesprächsatmosphäre ist es wichtig auf einen geschlossenen Rahmen zu achten. Im ersten Schritt wird der Mitarbeiter begrüßt und ein passender Gesprächseinstieg gewählt. In der folgenden Informationsphase wird die Situation des Mitarbeiters dargestellt. Neben der Einschätzung des Vorgesetzten gilt es, die Erwartungen und Wünsche des Mitarbeiters zu hören. Im folgenden Schritt werden die Unternehmensziele und das PE-Potenzial des Mitarbeiters aus Sicht des Unternehmens dargestellt. Daraufhin werden gemeinsam die PE-Maßnahmen festgelegt. Im Anschluss wird als letzter Schritt der Gesprächsverlauf reflektiert und die Ergebnisse werden schriftlich festgehalten. Worauf müssen Sie achten? Welche Hürden könnten auftreten? Das PEG stellt wie andere MA-Gespräche auch besondere Anforderungen an die Fähigkeiten von Führungskräften, die eventuell erst erlernt werden müssen. Folgende Handlungsfelder können auftreten: Probleme in der Kommunikation Mangelnde Fähigkeiten bei Führungskräften (für entsprechende Schulung sorgen) Missverständnisse (Empfängergerechte Sprache wählen) Unterschiedliche Zielvorstellungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter (Zielinkongruenz). >>> Autoren-Kontakt Dr. Stephan Sandrock Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa Tel.: +49 211 54226333 E-Mail: [email protected] Mitarbeitergespräche müssen systematisch vorbereitet werden, damit sie den Unternehmenszielen dienen. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 52 REZENSION: „EXZELLENZ DURCH NACHHALTIGE UNTERNEHMENSSTRATEGIEN – MEDIEN EFQM IM MITTELSTAND“ C.-Andreas Dalluege · Hans-Werner Franz · Wolfgang Pfeffer · Hans-Joachim Schneider Exzellenz durch nachhaltige Unternehmensstrategien – EFQM im Mittelstand – Die ifaa-Taschenbuchreihe Das Taschenbuch „Exzellenz durch nachhaltige Unternehmensstrategien – EFQM im Mittelstand“ bietet einen guten Zugang zum ExcellenceModell der „European Foundation for Quality Management“ und informiert durch Praxisbeispiele über den Wirkungsrahmen von EFQM in KMU. Das EFQM-Modell bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur Bewertung von Organisationen. Es ermöglicht eine umfassende und systematische Überprüfung von Prozessen und Ergebnissen anhand definierter Kriterien und schafft so die Basis für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung. Die besprochene Publikation von Dalluege, C.-Andreas; Franz, Hans-Werner; Pfeffer, Wolfgang; Schneider, Hans-Joachim Südwestmetall hat das Projekt „Exzellenz im Mittelstand“ (ExiM) durchgeführt, um die Anwendbarkeit des ganzheitlichen Excellence-Ansatzes des EFQM-Modells in der Metall- und Elektroindustrie zu erproben. Im Rahmen des Projektes „ExiM“ haben sechs Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen das EFQMModell erfolgreich erprobt. Das erste Kapitel des Taschenbuches präsentiert arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über Exzellenz, lernende Organisationen, die Qualität sowie den Einführungsund Beratungsprozess. Kapitel 2 stellt das Exzellence-Konzept des EFQM vor. Es thematisiert zudem den organisatorischen und wirtschaftlichen Nutzen und skizziert die wichtigsten Themen auf dem Weg zur Exzellenz. Im Anschluss werden die Themen „Benchmarking in der Praxis“, und „EFQM und Basel II & III“ aufgegriffen. Der dritte Teil stellt die Umsetzung in den Pilotunternehmen mit Hilfe bewährter Software dar. Schrittweise wird die Umsetzung des EFQM-Modells beschrieben – von der Selbstbewertung zur Umsetzung bis hin zur Auszeichnung. Besonders die Anerkennung durch die Auszeichnung bestätigt eindrucksvoll die Anwendbarkeit und den Nutzen des EFQM-Moduls auch in KMU: Die Unternehmen Rich Präzision Drehteile GmbH und L’ORANGE GmbH erzielten den Status „Recognized for Exzellence“, das Unternehmen ASSA ABLOY Sicherheitstechnik GmbH erhielt den Ludwig Erhard Preis 2011. Das letzte Kapitel präsentiert die Unterstützungssoftware GOA WorkBench zum Selbstbewertungsprozess des EFQM-Modells sowie ergänzende Informationen zum Prozess. Die Unterstützungsprozesse sind anwenderorientiert dargestellt. Hauptschwerpunkt dieses Kapitels sind die Software „MinD.m+e“ und die GOAWorkBench Software „GOA Easy Assesment“, die den Selbstbewertungsprozess sowie den Reporting-Prozess unterstützen. Die Unternehmen haben erstmals die Wahl zwischen GOA Easy Assessment, dem GOA Exzellence Check Up bis hin zum GOA EFQM-Assessment – je nach Erfahrung und Kompetenz mit Excellenz- und Selbstbewertungsprozessen. Der dreistufige Ansatz zur Selbstbewertung berücksichtigt die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Unternehmen im Selbstbewertungsprozess und ist damit auch für unerfahrene Unternehmen realisierbar. Bewertung: Der Weg von der Selbstbewertung bis hin zur Auszeichnung wird verständlich vorgestellt. Unternehmen erhalten so wertvolle Anregungen und Informationen – und damit eine Orientierungshilfe, wie das EFQM-Konzept auch in KMU erfolgreich und nutzbringend gestaltet werden kann. Insbesondere Unternehmen, die auf dem Weg zur Business Excellence sind, um auch in Zukunft leistungs- und wettbewerbsfähig zu sein, können von dem Buch profitieren. Gerade in einer Zeit sich wandelnder Arbeitsmarktstrukturen ist die ganzheitliche Sichtweise auf das Unternehmen mit dem Ziel, Prozesse zu verbessern, ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die erfolgreich umgesetzten Maßnahmen bieten auch KMU hilfreiche Ansätze zur Gestaltung eigener Verbesserungsprozesse. Verständliche und praxisorientierte Formulierungen erleichtern die Lektüre. Dabei helfen zudem zahlreiche Abbildungen und Grafiken. Der einleitende wissenschaftliche Zugang zu den Themen „Exzellenz“, „Qualität“ und „Prozessgestaltung“ eröffnet das Verständnis für die umfassende Strategie, die dem EFQM Excellence-Modell zugrunde liegt. Die Projektergebnisse zeigen, dass das EFQM-Modell zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsbetriebe beitragen kann. Zitat Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall: „Für die Beratungsleistungen des Verbandes stellt es einen geeigneten Handlungsrahmen dar, um die Unternehmen passgenau und zielgerecht zu unterstützen.“ >>> Autoren-Kontakt Magdalene Prynda Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa Tel.: +49 211 54226321 E-Mail: [email protected] BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa 53 TERMINE 20. Juni | Fachtagung „Industrial Engineering – Kernkompetenz entwickeln und entfalten“ 27. und 28. September | Herbstkonferenz der GfA in Düsseldorf 4. Juli | Alters- und alternsgerechte Arbeitszeitgestaltung und Führung 27. September | 5. GPS-Symposium Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Arbeits- und Produktionssysteme lädt die deutsche MTM-Vereinigung Fachleute aus Industrie und Wissenschaft zur Fachtagung „Industrial Engineering - Kernkompetenz entwickeln und entfalten“ an der TU Dortmund ein. Themen sind: Industrial Engineering als Erfolgsfaktor in Produktionssystemen, Qualifizierungsprogramme für Basismethoden des IE und Kompetenzerwerb durch „Training on the job“ und „Coaching”. Experten namhafter Unternehmen nehmen dazu Stellung. Ort: TU Dortmund, Maschinenbau I, Leonhard-Euler-Straße 5 44227 Dortmund Kontakt: Sekretariat Professor Jochen Deuse Tel.: +49 231 7552652 Mail: [email protected] Online-Anmeldung: bit.ly/LWf2RX Eine Veranstaltung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) beschäftigt sich mit alternsgerechter Arbeitszeitgestaltung, Nacht- und Schichtarbeit sowie Gestaltungsempfehlungen, wie Unternehmen künftig mit durchschnittlich älteren Belegschaften produktiv bleiben können. Dafür brauchen sie zum Beispiel altersgerechte Arbeitszeitmodelle, alternsgerechte Laufbahnplanungen und Konzepte für die Führung älterer Mitarbeiter. Auf dem Podium: Professor Jürgen Wegge (TU Dresden) und Frank Brenscheidt (BAuA). Zeit: 4. Juli, 13 bis 16 Uhr Ort: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Fabricestraße, 01099 Dresden Kontakt: Regina Thorke Tel.: +49 351 56395464 E-Mail: [email protected] 20. September | Abschlusstagung VITNESS „Flexibilität und Stabilität in Balance – neue Erkenntnisse zu einer vertrauten Verbindung.“ Unter dieser Überschrift steht die Abschlussveranstaltung des Verbundprojektes VITNESS. In Pilotunternehmen wurden maßgeschneiderte EFQMplus-Konzepte erprobt und weiterentwickelt. Über Beispiele aus den VITNESS-Pilotunternehmen berichtet Professor Ralf Neuhaus vom ifaa, das zu den VITNESSProjektpartnern gehört. Ort: Marriott Hotel Köln, Johannisstraße 76-80 (Nähe Hauptbahnhof) Zeit: 10 bis 16 Uhr Anmeldung: [email protected] Internet: www.vitness.info BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 „Angewandte Arbeitswissenschaft für kleine und mittelständische Unternehmen“ ist das Thema der Herbstkonferenz der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA). Ausrichter der Konferenz ist das ifaa, das in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert. Referenten werden betriebliche Umsetzungslösungen aktueller arbeitswissenschaftlicher Fragestellungen aus den Bereichen „Arbeitsgestaltung“, „Arbeitszeitgestaltung und Vergütung“ sowie „Personalentwicklung“, „Führung“ und „Produktionsmanagement“ vorstellen. GfA-Präsident Professor Ralf Bruder hält die Eröffnungsrede. Am zweiten Tag finden Betriebsbesichtigungen statt. Ort: Hotel Meliã, Inselstr. 2, 40479 Düsseldorf Kontakt: Simone John (GfA) Tel.: +49 231 124243 E-Mail: [email protected] Internet: www.gfa-online.de „Von den Besten lernen – GPS Erfolgs-Stories“ – das 5. Braunschweiger GPS-Symposium bietet eine Diskussionsplattform für den Erfahrungsaustausch mit Fachleuten. Veranstalter sind die TU Braunschweig, der VDI sowie die Deutsche MTM-Vereinigung, Hamburg. Ort: TU Braunschweig, Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung Kontakt: Kai Schmidtchen Tel.: +49 531 391-2712 E-Mail: [email protected] 25. bis 27. September | Fachmesse „Zukunft Personal“ Die Messe Zukunft Personal bietet Ihnen ein umfangreiches Programm mit insgesamt rund 220 Beiträgen in acht Praxisforen. Experten referieren und diskutieren in den Praxisforen über unterschiedliche Themen des Personalwesens. Ort: Messe Köln, Messeplatz 1, 50679 Köln Internet: http://bit.ly/IEiooQ 16. bis 18. Oktober | Messe und Kongress Arbeitsschutz aktuell Zum Kongress und zur Messe „Arbeitsschutz Aktuell 2012“ werden 1200 Fachbesucher erwartet – unter ihnen Betriebs- und Werksärzte, Unternehmer, Umweltschützer und Qualitätsmanager. Veranstalterin ist die Fachvereinigung Arbeitssicherheit (FASI). Praxisforen für einzelne Zielgruppen bieten zusätzliche Dialogmöglichkeiten. Ort: Augsburger Schwabenhallen Am Messezentrum 5, 86159 Augsburg Kontakt: Christina Schlegel Tel.: +49 721 93133760 E-Mail: [email protected] Internet: http://bit.ly/Jqoicr 54 TITEL UND THESEN FRÜHERER AUSGABEN Nr. 208 von 06/2011 Nr. 211 von 03/2012 Nr. 205 von 09/2010 Interview: NORDMETALL-HauptDigitale Fabrik – große Potenziale für Handlungsfelder eines erfolgreichen geschäftsführer Thomas Klischan den industriellen Mittelstand Personalmanagements und FührungsM+E-Benchmark Bayern – die Qrientieüber den Fachkräftemangel und kultur Interkulturelles Gesundheitsmanagerung an den Besten zeigt Unternehmen die Demographie Krisenfestigkeit: Was für eine erfolgment bei der BMW AG den Weg Betriebliche Rationalisierung mit dem Präventionsprojekt TAQP - Technologiereiche Veränderung der Unternehinnovation, Arbeitsorganisation, demographischen Wandel in Einklang mensorganisation geschehen muss Produktionssysteme: Mitwirkung des Qualifizierung und Prävention bringen – das Projekt Stradewari Bedarfsgerechte und ergonomische Industrial Engineering zur ganzheitBetriebsrates in Veränderungsprozessen Schichtpläne – Praxisbeispiele, Erfahrunlichen Wertstromgestaltung – Kommunikation auf Augenhöhe gen und Empfehlungen ist alles Nr. 204 (Themenheft) von 06/2010 Methodisches ProduktivitätsmanageNr. 207 von 03/2011 Nr. 210 von 12/2011 Gesundheitsmanagement: Burnout, Industrial Engineering im moderment – Umsetzung und Perspektiven Depression, Demografie – was kann nen Produktionsbetrieb – Vorausund soll betriebliche Gesundheitsfördesetzung für einen erfolgreichen Nr. 203 von 03/2010 Viele Ideen zu produzieren, ist weniger rung hier leisten? Verbesserungsprozess Industrial Engineering: Das ProduktiviAcht Experten beantworten 16 zentrale das Problem – Zum aktuellen Stand des tätsmanagement für indirekt-produkFragen rund um nachhaltige Ideenmanagements Kontinuierliche Verbesserung – Produktionssysteme tionsmengenabhängige Prozesse im Einstieg in eine nachhaltige LeanProjekt oder Prozess? Kontext der Unternehmensführung Personalwirtschaft: Das BeurteilungsZielvereinbarungen unter ERA – Kultur bei der August Brötje GmbH Innovation durch Kooperation – wie system als integraler Bestandteil Strategische Ausrichtung des nichtforschungsintensive Unternehleistungsorientierter Vergütung Unternehmens mit Praxisbeispiel Fabrikplanung unter dem Aspekt men im Wettbewerb bestehen können des demographischen Wandels Nr. 209 von 09/2011 Interview: Qualifizierte Frauen gefragt Nr. 206 von 12/2010 EFQMplus-Konzept – entwickelt im – Gabriele Sons über die Zukunft Nr. 202 von 12/2009 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Arbeitswelt Rahmen des Projektes VITNESS Unternehmensbefragung: Wie flexibel Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!? (KVP): Von der Kenntnis zur sind deutsche Unternehmen? Systemvertrauen als Voraussetzung für praktischen Umsetzung Gesundheitsmanagement: Wie Betriebe mit erfolgreiches Veränderungsmanagement MTM – Basismethode für das Abläufe systematisch verbessern – Burnout und Depression umgehen können Industrial Engineering Personalentwicklung: QualifikationsbeDienstleistungen als systematische ein Praxisbericht Systematische ganzheitliche Potendarf frühzeitig erkennen Ergänzung von Produkten ifaa-Trendbarometer: Wie Experten zentrale Rückenschmerzen – Einflussgrößen zialanalysen und -bewertungen mit arbeitswissenschaftliche Fragen beurteilen und mögliche Präventionsansätze dem MITO-Methoden-Tool IMPRESSUM Betriebspraxis & Arbeitsforschung - Zeitschrift für angewandte Arbeitswissenschaft www.betriebspraxis-und-arbeitsforschung.de ISSN 2191-6268 Herausgeber Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V. (ifaa) Uerdinger Straße 56 40474 Düsseldorf Telefon: +49 211 542263-0 Telefax: +49 211 542263-37 www.arbeitswissenschaft.net Verlag Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH Vangerowstraße 14/1 69115 Heidelberg Telefon: +49 6221 6446-0 Telefax: +49 6221 6446-40 www.konradin.de E-Mail: [email protected] Redaktion Carsten Seim, avaris konzept Telefon: +49 228 3694420 E-Mail: [email protected] im Auftrag der Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH Layout Bernhard Kück, .punto design Telefon: +49 6201 256114 E-Mail: [email protected] im Auftrag der Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH Druck impress media GmbH Heinz-Nixdorf-Straße 9 41179 Mönchengladbach www.impress-media.de Leserservice/ Abonnement Marita Mlynek Konradin Business GmbH Ernst-Mey-Straße 8 70771 Leinfelden-Echterdingen Telefon: +49 711 7594-302 Telefax: +49 711 7594-1302 E-Mail: [email protected] Bezugsbedingungen Abonnement für 4 Hefte jährlich 22,40 Euro zzgl. Versandkosten Einzelpreis 9,80 Euro zzgl. Versandkosten Vorteilspreis für Studenten: 15,80 Euro (inkl. MwSt zzgl. Versandkosten) gegen Nachweis. Kündigungen sind mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende des Kalenderjahres möglich. Soweit in der Zeitschrift „Betriebspraxis & Arbeitsforschung“ namentlich gezeichnete Aufsätze und Beiträge enthalten sind, handelt es sich nicht um offizielle Verlautbarungen des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa). Die Veröffentlichungen erfolgen, um die Diskussion auf diesen Gebieten zu fördern. Deshalb ist die Redaktion auch für kritische Stellungnahmen stets dankbar. BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 ifaa Düsseldorfer Schriftenreihe: Das Programm für den Praktiker Sowka Aus Arbeitgebersicht und immer auf dem neuesten Stand g.) se (Hrs fer / Hei / Schie ngsKündigu cht e schutzr ommentar w ka /S ch ie fe r von owka arald S Hans-H r Schiefe Bernd se Hei Dietmar gelsdorf en Peter B elm Köster ilh Hans-W th Ramra Ulrich Sowka / Aus Arbeitgebersicht werden die wichtigsten Probleme anhand zahlreicher Beispiele, Musterformulierungen und Checklisten behandelt – zuverlässig und kompakt. So ng digu .) Kün e (Hrsg r / Heis Schiefe 2012 neu neu neu neu neu neu ToppAktuell 2012 55 Fehlervermeidung Die Schriftenreihe wendet sich an Personalverantwortliche und ihre Ratgeber. etz k Praxis utzges Kölner ndigungssch digungsn ü zum K sonstigen kü en ft und zu hen Vorschri rechtlic age 4. Aufl Arbeitsrecht M Kölner Praxiskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsrechtlichen Vorschriften 4. Aufl. ∙ Sowka/Schiefer/Heise/Köster/Ramrath/Bengelsdorf ∙ ca. 1.000 Seiten, 06/12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 128,00 M Mitbestimmung in Deutschland – Leitfaden für die betriebliche Praxis Dr. Rainer Sieg ∙ 212 Seiten Din A 4, 02/12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 37,80 M Das Betriebsverfassungsgesetz ∙ Prof. Dr. B. Schiefer, W. Korte ∙ 352 Seiten DIN A 3, 10/11. . . . . . . . . . . . . . EUR 67,80 M Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Sozialversicherungsrechtliche Aspekte H.-W. Köster ∙ 164 Seiten DIN A 5, 07/11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 30,80 M Befristete Arbeitsverträge ∙ 4. Aufl. ∙ H.-H. Sowka ∙ ca. 148 Seiten DIN A 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Vorbereitung M Outsourcing, Betriebsübergang, Auftragsvergabe, Umstrukturierung 4. Aufl. ∙ Dr. B. Schiefer, Dr. B. Pogge ∙ ca. 224 Seiten DIN A 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Vorbereitung M Handbuch: Goldene Regeln des Arbeitsrechts ∙ H.-H. Sowka, K. Kieper ∙ 136 Seiten, 02/11 . . . . . . . . . . . . EUR 69,00 M Arbeitsrecht – Leitfaden für alle Führungskräfte ∙ 8. Aufl. ∙ Dr. R. Sieg ∙ 188 Seiten DIN A 4, 11/10 . . . . . . EUR 37,80 M Betriebsratsschulungen ∙ 2. Aufl. ∙ Dr. B. Schiefer, Dr. A. Borchard ∙ 116 Seiten DIN A 5, 05/10 . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis – Handbuch für Führungskräfte 11. Aufl. ∙ Hrsg. H.-H. Sowka, Prof. Dr. B. Schiefer ∙ 736 Seiten, 01/10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 98,00 M Elternzeit ∙ 5. Aufl. ∙ H.-H. Sowka ∙ 108 Seiten DIN A 5, 12/09. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Betriebsbedingte Kündigung ∙ 4. Aufl. ∙ Dr. B. Schiefer ∙ 136 Seiten DIN A 4, 11/09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 34,80 M Kurzarbeit und Beschäftigungstransfer ∙ H.-W. Köster, B. Nimscholz, W. Korte ∙ 148 Seiten DIN A 4, 06/09. EUR 34,80 M Das Pflegezeitgesetz in der Praxis Prof. Dr. B. Schiefer, M. Hilgenfeld, Dr. J. Krogull ∙ 98 Seiten DIN A 5, 03/09. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Abmahnung ∙ 2. Aufl. ∙ Prof. Dr. B. Schiefer ∙ 124 Seiten DIN A 5, 09/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Zeitarbeit ∙ RA St. Schöne ∙ 80 Seiten DIN A 5, 08/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Wege in die Altersrente – Altersteilzeit ∙ 5. Aufl. ∙ H.-W. Köster ∙ 152 Seiten DIN A 5, 02/08. . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Umstrukturierung 3. Aufl. ∙ Prof. Dr. B. Schiefer, C. Conrad ∙ 360 Seiten DIN A 4, 01/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 59,80 M Ohne Tarifbindung ∙ 2. Aufl. ∙ H.-H. Sowka, K. Balg ∙ 132 Seiten DIN A 5, 01/08. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Lohnpfändungsrecht ∙ 2. Aufl. ∙ Prof. Dr. P. Bengelsdorf ∙ 104 Seiten DIN A 5, 01/07 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 28,80 M Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ∙ Dr. B. Schiefer, V. Ettwig, S. Krych ∙ 240 Seiten DIN A 4, 08/06 . EUR 49,80 M Teilzeitarbeit ∙ 2. Aufl. ∙ Dr. B. Schiefer ∙ 160 Seiten DIN A 4, 08/05. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 32,80 M Schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben 2. Aufl. ∙ Dr. S. Hoehl, A. Hörder, Dr. U. Ramrath ∙ 120 Seiten DIN A 5, 11/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EUR 22,80 M Alkohol und Drogen im Betrieb ∙ 2. Aufl. ∙ Prof. Dr. P. Bengelsdorf ∙ 132 Seiten DIN A 5, 11/03 . . . . . . . . . . . EUR 18,80 M Telefonische Bestellungen bitte unmittelbar richten an: Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V. z. Hd. Frau Albrand, Uerdingerstr. 58-62, 40474 Düsseldorf Telefon: 0211/4573-268 oder über Internet: www.duesseldorfer-schriftenreihe.de BETRIEBSPR A XIS & ARBEITSFORSCHUNG 212 | 2012 Per Fax geht’s schneller: FAX – 0211 / 45 73 -231 Kompetent Die Verfasser sind langjährige Experten des Arbeitsrechts und durch zahlreiche Veröffentlichungen bekannt. Zuverlässiger Ratgeber Herausgeber der Schriftenreihe „Düsseldorfer“ sind die Rechtsanwälte Hans-Harald Sowka und Prof. Dr. Bernd Schiefer sowie der Verband der Metall- und ElektroIndustrie Nordrhein-Westfalen e.V. Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa) Telefon:+49 211/542263 0 Telefax: +49 211/542263 37 E-Mail: [email protected] www.arbeitswissenschaft.net Eine Publikation des Dr. Curt Haefner-Verlages Uerdinger Straße 56 40474 Düsseldorf