200 Jahre Zuckerrübenanbau in Baden-Württemberg
Transcription
200 Jahre Zuckerrübenanbau in Baden-Württemberg
200 Jahre Zuckerrübenanbau in Baden-Württemberg 1811–2011 Grußworte Alexander Bonde Dr. Thomas Kirchberg Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Baden-Württemberg Mitglied des Vorstands, Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt 200 Jahre Zuckerrübenproduktion in Baden-Württemberg sind Anlass für einen Rückblick: König Friedrich I. von Württemberg verfügte am 7. April 1811 die Einrichtung einer Zuckerfabrik auf den Ländereien des Klosters Denkendorf. 16 Hektar Ackerland des Anwesens wurden so zur Keimzelle des Zuckerrübenanbaus in Südwestdeutschland. Und heute? Der Zuckerrübenanbau hat in Baden-Württemberg mit 17.000 Hektar Anbaufläche vor allem regionale Bedeutung. Im Kreis Heilbronn liegt der Anteil der Zuckerrübenerzeugung bei über 12 Prozent, im Kreis Ludwigsburg bei etwa 10 Prozent. Weitere Standorte liegen in den Kreisen Rhein-Neckar, Main-Tauber, Hohenlohe und Karlsruhe. Die Zuckerwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren im Wettbewerb bestens positioniert. Die Zuckerrübe wurde zur rentabelsten Ackerfrucht in Baden-Württemberg. Die erste Zuckerfabrik in Denkendorf brachte 1811 den Zuckerrübenanbau ins heutige Baden-Württemberg. Nach Jahren der Unsicherheit erfolgte mit der Gründung der badischen Gesellschaft für Zuckerfabrikation 1836 und ein Jahr später mit der württembergischen Gesellschaft für Zuckerfabrikation die Grundsteinlegung für einen nachhaltigen Zuckerrübenanbau in Baden-Württemberg. Ein weiterer wichtiger Schritt war 1950 die Schaffung der Süddeutschen Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft (SZVG) mit Sitz in Stuttgart als Basis der bäuerlichen Beteiligungen. Auch die Südzucker eigene Landwirtschaft hat ihren Ursprung in Baden-Württemberg. Wichtige Impulse im Pflanzenbau und in der Produktionstechnik sowie innovative Lösungsansätze im Bereich der Rübenlogistik und erfolgreiche Strukturreformen in den vergangenen Jahrzehnten zeichnen die fortwährend gute Kooperation zwischen dem Verband badenwürttembergischer Zuckerrübenanbauern e. V., seinen Mitgliedern und Südzucker aus. Wie geht es weiter? Der Zuckerverbrauch steigt − in Europa und weltweit. Ich bin deshalb sicher, dass die Zuckerrübe auch in unserem Land eine Zukunft hat. Die Landesregierung steht jedenfalls zu unserer heimischen Zuckerwirtschaft. Ich wünsche den Zuckerrübenanbauern in Baden-Württemberg alles Gute und viel Erfolg. Joachim Rukwied Dr. Hans-Jörg Gebhard Vorsitzender des Verbandes baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer Vorsitzender des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer e. V. Zucker ist momentan ein begehrtes Agrarprodukt. Weltweit ist die Nachfrage nach dem süßen Rohstoff kontinuierlich gestiegen. War Zucker im 17. und 18. Jahrhundert noch ein Luxusgut, so hat er bis heute alle gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen erreicht. Die Zuckerrübenanbauer in Baden-Württemberg blicken 2011 auf eine 200-jährige Erfolgsgeschichte zurück. In dieser Zeit ist Großartiges geleistet worden − im Rübenanbau, in der Landwirtschaft und in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Eine sichere und preiswerte Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gehört dazu. Sie ist ein Gut von hohem Wert, leider oft nicht ausreichend gewürdigt. Das Grundnahrungsmittel Zucker hat sich zum unverzichtbaren Bestandteil unserer Ernährung entwickelt. Dass dies geschehen konnte, lässt sich auf die Förderung des Zuckerrübenanbaus durch Napoleon zurückführen: Die Zuckerrübe war bereits vor 200 Jahren eine „politische Kultur“ und ist es bis heute geblieben. Ihrer fulminanten Entwicklung und dem Einsatz der Rübenanbauer verdanken wir es, dass unsere Zuckerversorgung bis heute aus eigener Erzeugung bestritten werden kann und deshalb sicher und preiswert ist. Bei uns stammt Zucker aus der Zuckerrübe. Begonnen hatte ihr Siegeszug in Baden-Württemberg vor 200 Jahren: 1811 kam mit der württembergischen Zuckerfabrik in Denkendorf auch der Rübenanbau ins Land. Weitere Anlagen entstanden und führten zur Verbreitung dieser Kulturpflanze. Heute ist Rübenzucker nicht nur Süßungsmittel, sondern findet als nachwachsender Rohstoff zum Beispiel auch in der Ethanolgewinnung Verwendung. Der Beliebtheitsgrad der Zuckerrübe schlägt sich ebenso in der Landwirtschaft nieder. Rund 2.800 Landwirte bauen heute in Baden-Württemberg die Ackerfrucht auf etwa 17.000 Hektar an. Als Verband setzen wir uns weiterhin mit Nachdruck für die Interessen der Zuckerrübenanbauer ein. 2 Die Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt wünscht allen Zuckerrübenanbauern für die Zukunft alles Gute und weiterhin eine erfolgreiche Zusammenarbeit zum Wohle der süddeutschen Zuckerwirtschaft. Der Verband Süddeutscher Zuckerrübenanbauer e. V. (VSZ) steht fest an der Seite der baden-württembergischen Landwirtschaft und setzt sich auch weiterhin für einen erfolgreichen Rübenanbau ein. 3 Vorgeschichte: Zucker aus der heimischen Runkelrübe Der Rübenanbau in Baden-Württemberg: Erste Anfänge im Klostergut Denkendorf Mit Beginn des 16. Jahrhunderts wird Zuckerrohr weltweit auf großen Plantagen auf der Südhalbkugel angebaut und der daraus gewonnene Zucker nach Europa verschifft. Damals war Zucker ein Privileg der Reichen und für die breite Masse der Bevölkerung unerschwinglich. Neue Verzehrgewohnheiten – zum Beispiel Kaffee und Schokolade – belebten die Nachfrage nach dem Luxusgut Zucker. Neben vielen Regionen befasste man sich auch in Württemberg mit der Zuckergewinnung. In Denkendorf (Bild 5) schienen die geeigneten Rahmenbedingungen gegeben, denn im Zuge der Säkularisation waren die Ländereien des Klosters Denkendorf 1806 zum Staatseigentum erklärt worden. In einer Anordnung vom 7. April 1811 verfügte König Friedrich I. von Württemberg, dass das ehemalige Klostergut mit allen dazugehörigen Klostergebäuden zur Einrichtung einer Zuckerfabrik zu nutzen sei. Zum Leiter der ersten württembergischen Zuckerfabrik wurde der Cannstatter Apotheker Heinrich Gottlieb Morstatt bestimmt. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte sich so auch in Europa eine bedeutende Zucker verarbeitende Industrie entwickelt, die ihren Rohstoff vorwiegend von den Zuckerrohrplantagen Amerikas bezog. Dort wurde das Zuckerrohr durch Sklavenarbeit billigst produziert. Auch wenn die Rübe heute eine bedeutende Stellung in vielen gemäßigten Klimazonen dieser Erde einnimmt, so bleibt doch festzuhalten, dass ihre Wiege zweifelsfrei in Deutschland stand. Im Jahr 1747 stellte Andreas Sigismund Marggraf (1709-1782; Bild 1, Portraitaufnahme oben links) fest, dass die in Europa heimischen Pflanzen weißer Mangold, Runkelrübe und Rübenmangold den gleichen „Süßstoff“ besitzen wie das Zuckerrohr. Später verbesserten Marggraf und insbesondere sein Schüler Franz Carl Achard (Portraitaufnahme oben rechts) die Methoden der Zuckergewinnung. Dies führte 1801 zum Bau der weltweit ersten Rübenzuckerfabrik in Kunern, Niederschlesien (Bild 2). Achards Forschungs- und Züchtungsarbeiten begründeten letztendlich den erfolgreichen Zuckerrübenanbau und die Zuckergewinnung in Europa. Zur bescheidenen technischen Ausstattung gehörten lediglich zwei Siedekessel, zwei Reibemaschinen und eine Kelterpresse: Viel Handarbeit war nötig. Nach dem Waschen der Rüben folgte das Schnitzeln und das Extrahieren. Der mit Hilfe einer Presse gewonnene Rübensaft köchelte so lange, bis er zu einer Art Sirup eindickte. Diesen füllte man in flache Schüsseln, die in warmen Räumen infolge der Wasserverdunstung zum Auskristallisieren aufgestellt wurden. Es dauerte sechs bis acht Wochen bis der so gewonnene Rohzucker verwendet werden konnte. Dieser Zucker war so begehrt, dass man auf eine Filtrierung beziehungsweise Reinigung zunächst verzichtete. Auf diese Weise produzierte Morstatt im ersten Betriebsjahr der Denkendorfer Fabrik rund „50 Zentner“ (2,5 Tonnen) Rohzucker. Durch Aufbereiten des Pressrückstands entstanden als Nebenprodukt „180 Maß“ Branntwein. 1806 Kontinentalsperre – Startschuss für den europäischen Rübenzucker Als Folge der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England hatte Napoleon I. 1806 die Kontinentalsperre verhängt. Infolge der Blockade kam der Zuckerhandel in Europa zum Erliegen. In Europa war man nun gezwungen, selbst Zucker zu erzeugen. Napoleon ordnete den Anbau von Runkelrüben als Rohstoff zur Zuckergewinnung sowohl in Frankreich als auch in den besetzten Ländern im übrigen Europa an. Binnen zwei Jahren stieg die Zahl der Zuckerfabriken in Frankreich von 66 auf 213. Die Zuckerproduktion wurde im gleichen Zeitraum auf 4.000 Tonnen verzehnfacht. 4 1814: Aufhebung der Kontinentalsperre und Verdrängung des heimischen Rübenzuckers Nach Aufhebung der Kontinentalsperre 1814 versorgte England Europa wieder mit billigerem sowie qualitativ hochwertigerem Rohrzucker aus Übersee und verdrängte den heimischen Rübenzucker vom Markt. Folglich mussten fast alle Rübenzuckerfabriken in Deutschland ihren Betrieb wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit einstellen. Trotz dieser für den Rübenzucker negativen Entwicklung setzten Morstatt und der Apotheker Berg − auch inspiriert durch einen Studienaufenthalt in Frankreich − ihre chemisch-technischen Versuche zur Zuckergewinnung fort und sammelten Erfahrungen in der Auswahl von Rübensorten. Überzeugt von dem Erfolg ihres Vorhabens legten sie und Staatsrat Hartmann König Wilhelm I. von Württemberg, Nachfolger Friedrichs I., den Plan vor, in der gerade neu eingerichteten landwirtschaftlichen Lehranstalt Hohenheim, eine Versuchsanstalt für Zuckergewinnung aus Runkelrüben einzurichten (Bild 6). Doch auch diese Bemühungen wurden mangels Wirtschaftlichkeit wieder eingestellt. 1811 Zuckerfabrikation im Klostergut Denkendorf 1783 Achards Versuche mit Runkelrübensorten 1747 Marggraf entdeckt den Rübenzucker Nach heutigen Maßstäben lagen die anfänglichen Zuckerausbeuten mit 1,5 Prozent auf einem sehr niedrigen Niveau. Fünf Jahre später betrug der Prozentsatz bereits 2,5 Prozent. Trotz der deutlichen Steigerung war die Produktion nicht wirtschaftlich, so dass König Friedrich I. von Württemberg die sofortige Einstellung der Produktion anordnete. 1806 Kontinentalsperre 1814 Aufhebung der Kontinentalsperre 5 Die Entwicklung einer einheimischen Zuckerindustrie: Große Gründungswelle von Zuckerfabriken Die Modernisierung des Rübenanbaus im 19. und 20. Jahrhundert Erst durch die Gründung des Deutschen Zollvereins (1834) und der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets mit entsprechenden Zollgesetzen konnte sich eine einheimische Zuckerindustrie entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland 21 Zuckerfabriken. 1836 waren es schon 122, die rund 14.000 Tonnen Rohzucker herstellten. Der gewinnversprechende Rübenanbau wurde ausgedehnt. Die Zuckerrübe war allerdings eine arbeitsintensive Feldfrucht; auch mangelte es an Erfahrung mit ihr. Durch Intensivierung und Steigerung der innerbetrieblichen Wertschöpfungskette sollten die Nachteile der kleinbäuerlichen Strukturen in Süddeutschland kompensiert werden. Es galt, ein Beratungssystem zu entwickeln, das den Anbauern vorbildliche Anbaumethoden vermittelte. Dabei kamen den Zuckerfabriken die Erfahrungen zugute, die sie auf ihren eigenen Anbauflächen sammelten. So entstand die Südzucker-Landwirtschaft: Es wurde eine landwirtschaftliche Abteilung aufgebaut, die eigene Ackerflächen bewirtschaftete, um die Rohstoffversorgung der Fabriken aus eigener Produktion gewährleisten zu können. Mehrere Faktoren haben zu diesem gewaltigen Fortschritt beigetragen. Verbesserte Züchtungsmethoden führten zu leistungsfähigeren Rübensorten mit höheren Erträgen und besseren Zuckergehalten. Verbesserungen in der Aussaattechnik und höhere Bestandesdichten trugen weiter zu einer wesentlichen Steigerung der Zuckererträge pro Hektar bei. In der Zuckerfabrikation wurde unter anderen die ursprüngliche Methode der Rohsaftgewinnung durch das Diffusionsverfahren ersetzt. Dadurch verdreifachte sich die Ausbeute. Nach dem Ersten Weltkrieg: Beginnende Mechanisierung Schon Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich die maschinelle Rübenaussaat mit umgerüsteten Getreidesämaschinen durch. Bald darauf folgte die mechanische Hacke (Bild 4). Eine weitere wichtige Entwicklung stellte die Teilmechanisierung im Bereich der Ernte dar: das sogenannte Pommritzer-Verfahren (Bild unten links). Dabei wurden die im Boden festsitzenden Rüben mit Köpfschippen − später mit dem sogenannten Köpfschlitten − von den Blättern befreit und anschließend mit dem Rodepflug aus Neben dem Standort Denkendorf gab es noch weitere Fabriken, die aus Runkelrüben Zucker gewannen. Bis in die 70erJahre waren es noch die verbliebenen vier Werke Waghäusel, Heilbronn (Bild 3), Stuttgart (Bild 2; später Cannstatt) und Züttlingen (Bild 1), wobei die letzteren drei zugunsten des neuen Werks in Offenau 1971 ihren Betrieb einstellten. Im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen beendete das Werk Waghäusel nach der Kampagne 1995 die Rübenverarbeitung. Zuckerfabriken in Baden-Württemberg (Jahr der Inbetriebnahme − Dauer des Betriebs) Denkendorf Konstanz Sulzburg Heidelberg Hohenheim Krozingen Tübingen Ulm Mosbach Ettlingen Konstanz Offenburg 1811–1815 1812–1813 1812–1813 1812–1815 1818–1882 1828–1867 1836–1837 1836–1839 1836–1843 1836–1871 1837–1844 1837–1855 Grötzingen Züttlingen Waghäusel Stockach Altshausen Stuttgart Heilbronn Böblingen Cannstatt Offenau 1837–1871 1837–1971 1837–1996 1838–1841 1838–1890 1851–1903 1853–1971 1856–1907 1903–1971 1971– der Erde gehoben. Mit dieser Technik ließen sich auch die wertvollen Blätter sauberer und verlustärmer bergen. Das Laden und die damit verbundene Schwerarbeit hatte man aber noch immer technisch nicht befriedigend gelöst. Der Einsatz fahrbarer Förderbänder zur Rübenverladung brachte keinen durchschlagenden Erfolg. Nach dem Zweiten Weltkrieg: Fortschritte in der Mechanisierung In den 50er-Jahren beflügelten technische Errungenschaften aus den USA die Mechanisierung. Das Zellenrad wurde durch ein Einzelkornsägerät (Bild 5) abgelöst und später durch die pneumatische Saatkornablage ergänzt. Zunächst musste jedoch das von Natur aus mehrkeimige Samenknäuel gebrochen und dadurch einkeimig gemacht werden. Mit der Einführung von genetisch monogermem Saatgut Mitte der 60er-Jahre wurde dieser Zwischenschritt bald hinfällig. Auch die Mechanisierung der Erntearbeiten − wie Köpfen, Roden und Bunkern − wurden weiterentwickelt. So sind die Schwadköpfer und Roder, die Schwadköpfroder und der Köpfrodebunker (Bild unten rechts) als Zwischenstufen hin zur Vollmechanisierung zu betrachten. Heute ist der sechsreihige, selbstfahrende Köpfrodebunker Standard. 1851 Gründung Werk Stuttgart 1837 Gründung Werke Züttlingen und Waghäusel 6 1853 Gründung Werk Heilbronn 1896 Rübensaat mit der Drillmaschine 1920 Pommritzer Rübenpflug 7 20. und 21. Jahrhundert: Wichtige Stationen der Zuckerwirtschaft Ohne Industrie gibt es keinen Personengruppen mit gleicher Interessenslage schließen sich zu Vereinigungen zusammen, um ihre Interessen besser durchsetzen zu können – was heute selbstverständlich erscheint, war bis Ende des 19. Jahrhunderts keineswegs üblich. Zuckerrübenbau, und ohne Zuckerrübenbau ist eine Zuckerfabrik nur ein Steinhaufen. Dr. h. c. Hans Hege 1883: Württembergischer Bauernbund In Württemberg fanden sich 1883 die Landwirte zum „Württembergischen Bauernbund“ zusammen. Der Kaufmann Theodor Körner (1863-1933; Bild 1) war der Fürsprecher der ländlichen Bevölkerung und hatte als württembergischer Landtagsabgeordneter die Interessen der schwäbischen Landbevölkerung über Jahrzehnte hinweg sachkundig und nachhaltig vertreten, auch als Reichstagsabgeordneter in Berlin. 1920: Gründung des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenpflanzer 1920 kam es in Worms zur Gründung des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenpflanzer. Insgesamt schlossen sich sieben bäuerliche Organisationen aus ganz Süddeutschland − darunter auch aus Baden und Württemberg − zusammen. 1920 Gründung des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenpflanzer 1926: Die Süddeutsche Zucker-AG entsteht Aus dieser Interessengemeinschaft wurde 1926 die Süddeutsche ZuckerAktiengesellschaft mit Sitz in Mannheim ins Leben gerufen. Dabei beteiligten sich folgende Gesellschaften: • Badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation AG, Mannheim, mit den Werken Waghäusel und Züttlingen (mit Mehrheitsbeteiligung • • • • an der Zuckerfabrik Rheingau AG, Worms); Zuckerfabrik Frankenthal AG mit den Werken Frankenthal, Regensburg, Friedensau und Gernsheim; Zuckerfabrik Heilbronn AG; Zuckerfabrik Stuttgart AG (mit Mehrheitsbeteiligung an der Zuckerfabrik Groß-Umstadt GmbH); Zuckerfabrik Offstein AG, Neuoffstein, mit den Werken Offstein und GroßGerau 1926: Reichsverband der Kaufrübenanbauer Der „Reichsverband der Kaufrübenanbauer“ gründete sich 1926 auf Initiative der süddeutschen Verbände. Es gelang dem Reichsverband erstmalig, einen für ganz Süddeutschland gültigen Rübenlieferungsvertrag mit den Zuckerfabriken zu vereinbaren, in dem die Rechte und 1926 Die Süddeutsche Zucker-AG entsteht 1920 Gründung der Interessengemeinschaft süddeutscher Zuckerfabriken 8 1920: Interessengemeinschaft der süddeutschen Zuckerfabriken 1920 gründeten die Zuckerfabriken Frankenthal und Waghäusel (Bild 2) die Interessengemeinschaft der süddeutschen Zuckerfabriken. Die Zuckerfabriken Stuttgart, Heilbronn, Offstein und Worms schlossen sich bald der neuen Organisation „Gemeinschaft süddeutscher Zuckerfabriken“ an. Pflichten zwischen Bauern und Fabriken klar geregelt waren. Drittes Reich und Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg Politische Bauernorganisationen und nahezu alle Verbände berufsständischer Art wurden nach 1933 praktisch aufgelöst. Auch die Zuckerwirtschaft wurde neu geordnet. Eine zentrale „Hauptvereinigung der Deutschen Zuckerwirtschaft“ wurde ins Leben gerufen, die ihrerseits die Gründung von Zuckerwirtschaftsverbänden anordnete. Im Jahr 1935 entstand so zunächst der „Zuckerwirtschaftsverband Südwest“, der 1936 in zwei Verbände „Süddeutschland I“ und „Süddeutschland II“ unterteilt wurde. Es zeigte sich jedoch, dass diese zentrale Organisation nicht erfolgreich war. Deshalb wiederbelebte man in Baden und Württemberg die alten Organisations- formen unter der neuen Bezeichnung „Landesverband badischer bzw. württembergischer Zuckerrübenbauvereine“. Bereits ab Frühjahr 1946 wurden in Württemberg erste Vorarbeiten und Maßnahmen für eine Folgeorganisation getroffen. Im Dezember 1946 fand die Gründungsversammlung des neuen „Landesverbands Württembergischer Zuckerrübenbauer e. V.“ statt. Eingeladen waren die Mitglieder des aufgelösten Landesverbands; Dr. h. c. Hans Hege (Bild 6), Hohebuch, wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt. Bäuerliche Beteiligung: die Süddeutsche Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft (SZVG) Als Vorsitzender des württembergischen Verbands wurde Dr. h. c. Hans Hege auch zum Vorsitzenden des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer gewählt. Er hatte schnell erkannt, dass es in Süddeutschland an der nötigen Verarbeitungskapazität fehlte. Die Zuckerfabriken Süddeutschlands waren − im Gegensatz zu den norddeutschen Fabriken − gänzlich in privatem Besitz. In zielstrebiger Arbeit begann Hege bei den Anbauern für eine bauerneigene Zuckerfabrik zu werben. So wurde am 19. September 1950 auf seine Initiative hin die „Süddeutsche Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft“ (SZVG) gegründet. Ziel war es, ausreichend Geldmittel zu beschaffen, um neue Zuckerfabriken bauen zu können. Damit sollten die Rübenanbauer endlich angemessenen Einfluss gewinnen: Sie sollten nicht nur die Rohstofflieferanten, sondern Partner sein und damit vom Anbau bis zur Verarbeitung an der Wertschöpfung profitieren. 1946 Neubeginn 1933 Auflösung der Verbände 1950 Gründung der Süddeutschen Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft (SZVG) 9 1951 wurde die Zuckerfabrik Franken GmbH gegründet. 51 Prozent des Stammkapitals übernahm die SZVG als Vertreterin der Rübenanbauer und 49 Prozent die Süddeutsche Zucker-AG, Mannheim. Es folgte der Bau der Werke Ochsenfurt, Zeil am Main und etwas später Rain am Lech. 1972: Zusammenschluss der beiden Landesverbände zum Verband badenwürttembergischer Zuckerrübenanbauer Als die damalige Süddeutsche ZuckerAG die Errichtung einer zentralen Zuckerfabrik in Offenau plante und eine Kapazitätsaufstockung in Waghäusel in Betracht zog, sahen sich die Verbände veranlasst, einen Zusammenschluss zu erwägen. Die Werke in Heilbronn, Stuttgart und Züttlingen standen vor der Stilllegung; die Rübeneinzugsgebiete mussten neu konzipiert werden. Der Landesverband badischer Zucker- rübenanbauer e. V. und der württembergische Landesverband trafen 1971 beziehungsweise 1972 die Entscheidung, gemeinsam den „Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer“ neu zu gründen. Das Werk Offenau entsteht „auf der grünen Wiese“ Anfang der 70er-Jahre gab es in BadenWürttemberg noch vier Zuckerfabriken: Waghäusel, Züttlingen, Heilbronn und Stuttgart. Im Rahmen des damaligen Strukturprogramms wurden die beiden Stadtfabriken Heilbronn und Stuttgart sowie Züttlingen geschlossen. An deren Stelle wurde in Offenau „auf der grünen Wiese“ ein modernes und leistungsfähigeres Werk gebaut. 1971 ging es nach circa zweijähriger Bauzeit in Betrieb (Bild 2). Das Werk war für eine Verarbeitungskapazität von circa 6.000 Tonnen ausgelegt und galt damals als die modernste Zuckerfabrik Europas. Parallel wurde das Werk Waghäusel ausgebaut. 1988: Die Südzucker AG entsteht 1988 fusionierte die Süddeutsche ZuckerAG mit der Zuckerfabrik Franken GmbH, Ochsenfurt, zur heutigen Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt (Bild 3). Hauptaktionär sind auch heute noch die Rübenanbauer. Sie halten über die SZVG einen Anteil von 55 Prozent am Kapital. 1995: Letzte Kampagne in Waghäusel Nach der Kampagne 1995 schloss Waghäusel − die damals älteste Zuckerfabrik Westdeutschlands − die Pforten (Werksansicht über Bildleiste). Im Zuge dieser Schließung wurde das Werk Offenau weiter ausgebaut und dessen Leistungsfähigkeit durch einen Dicksaft-Lagertank mit einer Lagerkapazität von 55.000 Kubikmetern weiter erhöht. 1972 Zusammenschluss zum Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer 1971 Erste Kampagne in Offenau 10 1988 Fusion Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt 1983 ARGE Heilbronn 1988 LMZ Hohenlohe Vom Bahntransport zur Feldrandabholung Beim Bau der Zuckerfabrik Offenau wurden noch 70 Prozent der angelieferten Rüben mit der Bahn transportiert. Im Unterschied zu heute waren die Rübenbaubetriebe sowie die RübenLogistik auf eine kontinuierliche Rodung und Verfütterung des Rübenblatts ausgerichtet. Je nach Betriebsgröße wurden jede Woche ein oder mehrere Waggons Zuckerrüben verladen. Schon frühzeitig wurde versucht, mit Hilfe technischer Einrichtungen, wie Hochrampen und Kippvorrichtungen, das aufwendige Laden der Rüben zu vereinfachen. Sowohl das Wachstum der Betriebe, die fortschreitende Mechanisierung als auch das politische Umfeld haben dazu geführt, dass der Rübenanbau immer weiter rationalisiert wurde. Insbesondere Großbetriebe mit zunächst sechsreihiger, absätziger Erntetechnik verlangten ab Mitte der 70er-Jahre eine schlagkräftige Verladung und Abfuhr der Rüben ab dem Feldrand. Letztlich war die Ankündigung der Bahn, sich vom saisonalen Rübentransport zurückzuziehen, Auslöser für die Gründung zahlreicher bäuerlicher Transportgemeinschaften. So verblieb auch das Geld für den Rübentransport in der Landwirtschaft. Als erste Maschinengemeinschaft für den Transport im Rahmen der bäuerlichen Selbstanfuhr wurde 1988 die „LMZ Hohenlohe“ gegründet. Aufgrund solcher Zusammenschlüsse steigerte sich die Leistungsfähigkeit dieser Gruppen und Rationalisierungseffekte waren vor dem Hintergrund stetig abnehmender Rübenpreise realisierbar. Parallel ging im Jahre 2008 die Einführung der 24-StundenAbfuhr einher. Die Nutzung moderner Logistik-Technik auf Basis von GPS lässt weitere Optimierungen erwarten. Bis heute wird dieses System stetig weiterentwickelt. Die Strukturen passten sich − auch mit finanzieller Unterstützung des Landes Baden-Württemberg − den neuen technischen Möglichkeiten an. Aktuell gibt es in Baden-Württemberg sechs Maschinengemeinschaften und einen gewerblichen Spediteur. Es sind neun Verlademäuse und 65 Zugmaschinen mit Sattelaufliegern während der Kampagne im Einsatz. Jährlich werden bis zu 1,4 Millionen Tonnen Zuckerrüben zur Zuckerfabrik Offenau transportiert. Auch die Schwesterwerke Offstein, Ochsenfurt und Rain werden wegen der Frachtgunst mit Rüben aus Baden-Württemberg versorgt. Erste sechsreihige Rodegemeinschaft Nach intensiver Diskussion und einer Exkursion in die Schmiede der Firma Holmer war letztlich eine überzeugende Erntedemonstration unter schwierigsten Boden- und Witterungsverhältnissen in Hochdorf Auslöser zur Gründung einer Rode-GbR, die im Jahr 1989 den ersten Roder kaufte. Diese Rodegemeinschaft Hemmingen war Vorbild für zahlreiche weitere bäuerliche Rodegemeinschaften in Süddeutschland und damit prägend für die heutige Struktur. 1989 Erste sechsreihige Rodegemeinschaft, Hemmingen 11 Pflanzenschutz und Düngung − Grundlage der Ertragssteigerung Der Kampf gegen Unkräuter, Schädlinge und Pilze ist so alt wie der Zuckerrübenanbau selbst. Schon früh wurde erkannt, dass nur ein nachhaltiger Anbau der Zuckerrübe zu den gewünschten Ertragssteigerungen führen konnte. Der integrierte Pflanzenschutz ist heute mehr als nur ein Schlagwort im Zuckerrübenanbau. Schon aus Kostengründen werden die chemischen Mittel nur in der unbedingt notwendigen Menge eingesetzt. Weiterentwicklungen bei der Applikationstechnik haben zudem eine noch genauere Dosierung ermöglicht. ARGE Heilbronn und Bockschafter Gespräche Neben den bereits bestehenden Arbeitsgemeinschaften Obrigheim, Bayern und Franken wurde 1983 die Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg gegründet. Einzigartig im Verbund der Arbeitsgemeinschaft war von Anfang an die Tatsache, dass in Baden-Württemberg der amtliche Dienst in die Versuchsarbeit eingebunden ist. Vertreter der Regierungspräsidien Karlsruhe und Stuttgart sind im Fachbeirat vertreten. Im Laufe der Jahre entstand eine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen der Obrigheimer Arbeitsgemeinschaft. Im März 2010 erfolgte der Zusammenschluss zur Arbeitsgemeinschaft Südwest. In enger Koordination werden bis heute innerhalb des Kuratoriums für Versuchswesen und Beratung im Zuckerrübenanbau, Ochsenfurt, sowie deutschlandweit mit dem Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) in Göttingen die Versuche zu sämtlichen pflanzen- baulichen Fragestellungen durchgeführt. Wesentliche Impulse wurden durch die Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg, teilweise auch mit dem Geschäftsbereich Landwirtschaft der Südzucker, im Rahmen des Bockschafter Gesprächs gesetzt: • Aufbauend auf Versuchen der Universität Hohenheim wurde mit Landwirten aus Nordhessen das Mulchsaatverfahren (Bild 1 und Bild über Leiste) zur Praxisreife entwickelt und schwerpunktmäßig in erosionsgefährdeten Regionen eingeführt. • Aufgrund zunehmender Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Bingelkraut wurde Unkrautbekämpfung vom reinen Vorauflauf zur zielgerichteten Nachauflaufbehandlung mit reduzierten Wirkstoffmengen umgestellt. • Verschiedene pflanzenbauliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Rizomania, die Anfang der 80er-Jahre erstmals in Baden-Württemberg nachgewiesen wurde, wurden erprobt. • Mit Anerkennung der EUF-Methode in Baden-Württemberg − EUF steht für Elektro-Ultrafiltration − wurde der Grundstein für eine schlagspezifische Düngeberatung zur Zuckerrübe gelegt. Durch Optimierung der Nährstoffversorgung konnte der Düngemitteleinsatz vermindert und gleichzeitig die Rübenqualität verbessert werden (Bild 2). Zuckerrüben für die Ethanolgewinnung: Energie vom Acker Erste großtechnische Versuche zur Ethanolgewinnung erfolgten Mitte 1980 bei Frankenzucker in Ochsenfurt. Die Entscheidung, aus Zuckerrüben Bioethanol am Standort Zeitz in Sachsen-Anhalt zu produzieren, fiel allerdings erst 2006 (Bild 3). Mit der Ausgabe des Lieferrechts E wurden 600.000 Tonnen Zuckerrüben für die Ethanolgewinnung ausgegeben. Dabei wurden von Landwirten in BadenWürttemberg 60.000 Tonnen gezeichnet. Die Bekämpfung von Unkräutern und Schädlingen war ein bedeutender Arbeitszeitfaktor. Seit jeher hieß die Devise: Hacken. Der große Durchbruch kam erst in den 1960er-Jahren, als mit den ersten chemischen Präparaten wie Avadex, Pyramin, Betanal und Goltix ein Meilenstein gesetzt wurde. In den letzten Jahren gab es jedoch immer weniger Neuzulassungen von Pflanzenschutzmitteln für den Rübenanbau. Dieses Manko versucht man durch Wirkstoffmischungen in Spritzfolgen zu kompensieren. Insgesamt wird der Mitteleinsatz durch Saatgutbehandlung (Pillierung), durch Spritzfolgen mit reduzierten Aufwandmengen sowie durch Monitoring und Applikation nach Schadschwellen beim Fungizideinsatz soweit als möglich reduziert. Als weiterer Meilenstein wurden 2011 von Vertretern aus Wissenschaft und Forschung, Offizialberatung, Indus- trie und Zuckerwirtschaft „Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes im Zuckerrübenanbau in Deutschland“ erstellt. Heute ist es Standard, die Felder vor dem Rübenanbau nach der EUF-Methode zu beproben und im Südzucker eigenen „Justus-von-Liebig-Labor“ auf verfügbare Nährstoffe untersuchen zu lassen. Daraus ergibt sich eine Düngeempfehlung, die sowohl das Ertragspotenzial als auch die Nährstoffreserven der Böden berücksichtigt. So konnte der Düngemitteleinsatz in den letzten 20 Jahren erheblich reduziert werden. All diese Maßnahmen führten dazu, dass Rüben und Zuckererzeugung sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Sicht nachhaltig sind. Diese pflanzenbaulichen Fortschritte basieren letztendlich auch auf einem intensiven Feldversuchswesen, das im 2010 Arbeitsgemeinschaft Südwest 2006 Bioethanol in Zeitz 12 Laufe der Jahre innerhalb der Zuckerwirtschaft etabliert wurde. Durch dieses ist eine gezielte Anbauberatung erst möglich. N-Mineraldüngeraufwand je Tonne bereinigtem Zuckerertrag kg/t bereinigtem Zuckerertrag 30 25 20 15 10 5 0 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 Quelle: Verband Süddeutscher Zuckerrübenanbauer e.V.; Südzucker AG; IfZ 1960 Chemische Unkrautbekämpfungsmittel entlasten die Anbauer 1950 Vermehrter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei Zuckerrüben 13 Individuelle Rübenzahlung EU-Zuckermarktordnung Um Preisschwankungen und Versorgungsengpässen beim Grundnahrungsmittel Zucker entgegenzuwirken, wurde bereits im Jahr 1968 eine EU-Zuckermarktordnung ins Leben gerufen, die über die Jahre hinweg immer wieder Veränderungen erfuhr. Doch auch die letzte größere Neuerung im Jahr 2006 verfolgt nach wie vor das Ziel, den europäischen Verbraucher zuverlässig und zu angemessenen Preisen mit Rübenzucker zu versorgen und gleichzeitig der rübenanbauenden Landwirtschaft und der Zuckerindustrie Planungssicherheit zu geben. Vereinheitlichung des Rübenpreises In dem Bemühen, die Rübenauszahlungspreise in Süddeutschland zu vereinheitlichen, wurde 1974 der sogenannte Westpreis aufgegeben und die Verbände legten neue Preisgebiete fest. Die Weiterentwicklung der Labortechnik erlaubte in der Folgezeit eine schnellere und genauere Zuckergehaltsbestimmung der Rüben. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, eine auf den jeweiligen Zuckergehalt bezogene Rübenpreis-Bezahlung einzelner Partien durchzuführen. 1978 wurde die individuelle Bezahlung eingeführt. EU-Zuckermarktordnung Zur Regulierung des Zuckermarkts wurde 1968 die EWG-Zuckermarktordnung geschaffen. Es ist deren Ziel, die Bevölkerung ausreichend mit Zucker zu angemessenen Preisen zu versorgen. Grundprinzipien sind: Quotenregelung, Rübenmindestpreis, Außenschutz und Selbstfinanzierung durch die Erzeuger. Die ursprüngliche Quotenregelung stellte ein System mit gestaffelten Produktionsgarantien zur Steuerung der Produktionsmenge dar. Vom Zuckerexporteur zum -importeur Das System hatte sich über vier Jahrzehnte bestens bewährt. Die Produktionsmenge konnte gezielt gesteuert werden, ohne öffentliche Haushalte zu belasten. Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Reformen am System durchgeführt. Die jüngste Reform der Zuckermarktordnung im Jahre 2006 führte zu tiefgreifenden Einbußen für Rübenanbauer und Zuckerindustrie. Im Rahmen der Umsetzung der WTO-Verpflichtungen kam es zu gravierenden Einschnitten. Im Jahr 2005 hatte die Welthandelsorganisation (WTO) verfügt, dass der Zucker-Export aus der EU auf jährlich maximal 1,4 Millionen Tonnen begrenzt werden sollte. Damit waren Zuckerexporte nicht mehr unbegrenzt möglich. Gleichzeitig wurde eine zollfreie und mengenmäßig begrenzte Importfreigabe für Zucker für die ärmsten Länder der Welt beschlossen. Damit wurde Europa vom Zucker-Exportland zum Importland − die EU musste die Zuckerproduktion um nahezu sechs Millionen Tonnen einschränken. Nicht nur Grenzregionen gaben Quoten zurück, auch wettbewerbsstarke Erzeugerregionen mussten „ungeplante“, so in den ursprünglichen Reformkonzepten nicht vorgesehene Quotenkürzungen hinnehmen, um das Gesamtziel der Mengenreduzierungen zu erreichen. In Baden-Württemberg führte die Reform der Zuckermarktordnung dazu, dass die Betriebe in den Anbauregionen Bodensee und Südbaden den Rübenanbau komplett einstellten. Zusätzlich zur Quotenkürzung war eine Rübenpreis- 1978 Individuelle Bezahlung 1968 Zuckermarktordnung 14 senkung von 39,5 Prozent zu verkraften. Das bis dato gestaffelte Quotensystem wurde abgeschafft und es gibt nun nur noch eine Quote mit Preisgarantie (26,29 €/t Rüben). Darüber hinausgehend erzeugter Zucker kann als sogenannter Industriezucker vermarktet werden oder im Rahmen vorgegebener Mengenbegrenzungen exportiert werden. Dies bedeutet, dass neben den Quotenrüben auch Vertragsrüben für die industrielle Verwertung, so zum Beispiel Ethanolrüben, angebaut werden können. Die Preisgestaltung hierfür wird zwischen den Verbänden und der Südzucker festgelegt. Die Kehrseite der Reform zeigte sich dann aber mit den Entwicklungen im Zuckerwirtschaftsjahr 2010/11. Die Einflüsse des Weltmarkts schlugen nun merklich auf das Preis- und Mengengeschehen in der EU durch. Der neue Selbstversorgungsgrad der EU mit heimischem Rübenzucker beträgt nur noch 85 Prozent. Der europäische Zuckermarkt ist von Präferenzimporten abhängig. Dies wirkt sich in Zeiten, in denen sich der Weltmarktpreis für Zucker auf oder sogar über dem Niveau des europäischen Binnenmarktpreises bewegt, negativ auf die Marktversorgung mit Importen aus. Die EU-Kommission verfügt aber im Rahmen der europäischen Zuckerpolitik über geeignete Instrumente, um etwaige Marktungleichgewichte zu beheben. So können − wie im Zuckerwirtschaftsjahr 2010/11 erstmalig praktiziert − bestimmte Mengen Nichtquotenzucker auf dem Lebensmittelmarkt der EU abgesetzt werden, um die ausreichende Versorgung der europäischen Verbraucher stets zu gewährleisten. In dieser Situation wird deutlich, dass der heimisch erzeugte Rübenzucker in einem zunehmend volatilen Weltzuckermarkt den europäischen Zuckermarkt stabilisiert. Auch in den nächsten Jahren ist es wich- tig, den EU-Zuckermarkt für Verbraucher und Produzenten stabil und planbar zu halten − auch über die Laufzeit der jetzigen Marktordnung nach 2015 hinaus. Ausgewogene Marktzugangsbedingungen für Präferenzimporte und ein weiterhin funktionierendes Mengenmanagement sind entscheidende Voraussetzungen. Unter diesen Rahmenbedingungen wird die europäische Zuckerwirtschaft und somit auch der Rübenanbau aus BadenWürttemberg den Binnenmarkt auch in Zukunft mit mindestens 85 Prozent des Verbrauchs mit Rübenzucker aus regionaler Erzeugung beliefern können. Die Politik ist aufgefordert, angemessene Rahmenbedingungen zu erhalten, um eine nachhaltige, erfolgreiche Zuckerproduktion und einen wirtschaftlichen Rübenanbau in Europa dauerhaft zu ermöglichen. Auch künftig bleibt es die Aufgabe der deutschen Zuckerwirtschaft, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit fortlaufend zu verbessern. 2006 Reform der Zuckermarktordnung 1993 Erste Biozuckerkampagne in Strausfurt 2011 Jubiläum 200 Jahre Zuckerrübenanbau in Baden-Württemberg 15 Offenau − ein modernes Werk in Baden-Württemberg Da die ehemaligen Zuckerfabriken in Stuttgart und Heilbronn immer enger von der Wohnbebauung der Städte umschlossen wurden, entschied sich die Süddeutsche Zucker-AG für eine neue größere Fabrik: Das Zuckerwerk Offenau entstand, das aus wirtschaftlichen Gründen auch noch die Verarbeitungsleistung der Zuckerfabrik Züttlingen übernehmen sollte. Seit der ersten Rübenkampagne im Jahr 1971 wurde die Verarbeitungskapazität des Werks Offenau ständig gesteigert. Mit mittlerweile 12.500 Tonnen Rüben pro Tag und 240.000 Tonnen Gesamtzuckerproduktion pro Jahr gehört Offenau heute zu den großen Fabriken der Südzucker. Mit einem modernen Hoch- regallager für über 15.000 Paletten und mit vollautomatischer Einlagerung ist Offenau zudem ein zentraler Abpack- und Logistikstandort der Südzucker für Einzelhandelswaren. Das Werk Offenau in Zahlen (2011) In Betrieb seit: Tägliche Rübenverarbeitungskapazität in der Kampagne: Jährliche Rübenverarbeitungsmenge: Täglich erzeugter Zucker in der Kampagne: Jährlich erzeugter Zucker: Partner Landwirt: Anbaufläche: 1971 12.500 Tonnen 1,4 Millionen Tonnen 1.800 Tonnen 240.000 Tonnen 2.480 Landwirte 17.000 Hektar Herausgeber: Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt, Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer e. V. − Heilbronn November 2011 Bildnachweis: Archiv Kloster Denkendorf, Archiv Universität Hohenheim, Wilhelm Dürr, Eugen Eben, Fotostudio Kauffelt, Martin Jehnichen, LBV/Niedermüller, Rainer Nitsche, ROPA Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH, Gerald Schilling, Staatsarchiv Ludwigsburg, Süddeutsche Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft (SZVG), Südzucker AG Mannheim/ Ochsenfurt, Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer e.V., Zuckermuseum Berlin. Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer e.V. Heilbronn