A Sustainable World is Possible

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A Sustainable World is Possible
A Sustainable World is Possible
Problemlösungen für das 21. Jahrhundert mit dem
Wise-Consensus Verfahren
Ralf Klemens Stappen1
Working Paper 1.4
4. überarbeitete Version
1.1.2008 (Fassung)
© Ralf Klemens Stappen 2004-2008
1
Ralf Klemens Stappen, International Academy of Science - ICSD (www.ias-icsd.org)
E-mail: [email protected]
Vorwort
Einleitung
1. Die Notwendigkeit eines neuen völkerrechtlich verankerten „Global
Governance System“ für nachhaltige Entwicklung
2. Die vergessene „idea of limitations”
3. Eine superstarke, völkerrechtlich konforme Definition nachhaltiger
Entwicklung
4. Das Zweisäulen-Modell der Nachhaltigkeit im Sinnes eines
Nachhaltigkeitsraum-Konzept (Concept of Sustainability Space)
5. Globale Heuristik der Nachhaltigkeit
6. Der „Wise Consensus“ – Die Voraussetzung für nachhaltige
Entscheidungen und Problemlösungen im 21. Jahrhundert
7. Ausblick: Die neue globale Aufklärung
Literaturverzeichnis
Über den Autor
2
Vorwort
Dieses Arbeitspapier ist eine vollständige Neubearbeitung der 1. und 2. Fassung
(2004/2005) welche als Manuskript mit dem Titel: „Der Rio-Johannesburg Prozess
und die Global Marshall Plan Initiative“ im Umlauf ist. Der erste Text war eine
kritische Stellungsnahme zum Grunddokument des Global Marshall Plans von F.J.
Rademacher aus Sicht des Rio-Johannesburg Prozesses. In den vorliegenden Text
werden z.T. bruchstückhaft, erste Bausteine für ein neues Paradigma nachhaltiger
Entwicklung im 21. Jahrhundert vorgestellt.
20 Jahre Theorie und Praxis nachhaltiger Entwicklung waren für mich Anlass, Bilanz
zu ziehen und neue Perspektiven anzudenken. Ich bitte um Nachsicht, wenn hier der
bisherige, doch sehr komplexe Nachhaltigkeitsdiskurs vorausgesetzt wird und nicht
jeder Gedanke konsequent zu Ende gedacht wird. Einen sehr guten Überblick findet
sich im Artikel von Joachim H. Spangenberg (2005).
Mit diesem Arbeitspapier soll ein Diskurs für einen Paradigmenwechsel
nachhaltiger Entwicklung fürs 21. Jahrhundert unterstützt werden. Eine
Neukonzeption beginnt in der Regel mit einer Kritik des alten Paradigmas. Aus
verschiedenen Gründen wurde die Kritik des bestehenden Paradigmas in einem
eigenen, stark philosophisch orientierten Artikel vollzogen „Kritik der regulativen Idee
der Nachhaltigkeit“ (Stappen 2007). Grund hierfür ist, dass sich die Begründung der
alten Argumentationskette bis auf Kants „Kritik der reinen Vernunft“ beruft und hier
terminologisch und methodologisch weit ausgeholt werden muss. Weil die Kritik
abstrakt, logisch und sprachphilosophisch ansetzt und ein philosophisches
Vorverständnis vorsetzt, wurde der kritische Teil kurzerhand in einen eigenen Artikel
ausgelagert. Eine Kurzfassung ist geplant und wird 2008 hier eingebaut.
Das hier vorgestellte neue Paradigma, greift auf die Konzeption der nachhaltigen
Entwicklung des Brundtlandberichts zurück, ist primär normativ und sekundär
empirisch begründet. Im Grunde sind viele, der hier vorgestellten neuen Ideen – alte
Ideen, welche nur wiederentdeckt und konsequent weitergedacht wurden. Dazu
zählen z.B. die nicht realisierte Idee der Brundtland-Kommission für eine Konvention
nachhaltiger Entwicklung und die Idee der Grenzen in der Nachhaltigkeitsdefinition.
3
Neu
in
den
Diskurs
eingeführt
werden:
eine
wissenschaftlich
präzisere,
völkerrechtlich konforme „superstarke“ Nachhaltigkeitsdefinition, das Prinzip des
„Wise Consensus“, Gerechtigkeitskriterien für nachhaltige Entwicklung und das
Nachhaltigkeitsraum-Konzept. Zusammen sind dies einige Bausteine für das
notwendige neue Paradigma nachhaltiger Entwicklung für das 21. Jahrhundert,
welche, so die Hoffnung, in die globale Konsensfindung, in den globalen
Nachhaltigkeitsdiskurs und in die Nachhaltigkeitswissenschaft Eingang finden
werden. Methodisch wird eine kohärente und logische Argumentationskette
angestrebt, die sich normativ (Nachhaltigkeitsraum-Konzept) begründet.
Der Text basiert auf vier Vorträgen und Veranstaltungen: „Konferenz der Global
Marshall Plan Initiative in Berlin“ (30. Okt. und 1.Nov.2005); „FAW/n KonferenzAISEC und der Global Marshall Plan“ auf Schloss Reisensberg (5./6.01.2006) unter
Leitung von Prof. F.J. Rademacher, der Klausur „Neue Perspektiven für die
Entwicklungspolitik“ in Köln (13.05.2006) und der „Wise Consensus Workshop“ (17.
bis 19.10.2006) an der Universität Lüneburg, als Auftakt der großen AIESEC
Veranstaltungsserie und Kampagne „Eine nachhaltige Welt ist möglich“ an mehreren
deutschen Universitäten.
Der Text ist allen Mitstreitern im Rio-Johannesburg Prozess gewidmet, welche an
vielen Orten unserer Erde, täglich für eine nachhaltige Welt arbeiten und kämpfen –
besonders all unseren Freunden, welche auf dem NGO Global Forum „A Sustainable
World is Possible“ in Johannesburg 2002 waren.
Ralf Klemens Stappen
4
Einleitung
Die Lage von Erde und Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhundert ist
besorgniserregend: Armut, Hunger, entfesselte Globalisierung, internationaler
Terrorismus - globaler Klimawandel; globale Krankheiten wie Aids und weltweite
Vogelgrippe. Die Liste der globalen existenziellen Herausforderungen ist scheinbar
unendlich. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten zahlreiche mutige und
hoffnungsvolle Schritte in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat unternommen wurden,
konnte das „drohende Unheil“ (Hans Jonas) nicht abgewendet werden. Entweder
wir schaffen es, die beste und nachhaltigste aller Welten im 21. Jahrhundert zu
gestalten – oder wir steuern direkt in eine globale Barbarei und in einen globalen
Kollaps hinein. Die Welt im 21. Jahrhundert wird eine nachhaltige Welt sein oder sie
wird nicht mehr sein. Die Zeit läuft uns bereits davon.
Wir sind mittendrin in der „Überlebenskrise“ (Altner, 1992) oder im Sinne von Karl
Jaspers gesprochen, in einer „globalen Grenzsituation“. Die völkerrechtlich
unverbindliche
Agenda
21,
der
unzureichende
Implementierungsplan
von
Johannesburg, sowie die kaum wirksamen internationalen Konventionen z.B. die
Klimarahmenkonvention/Kyotoprotokoll werden die gewaltigen globalen Probleme
nicht wirksam lösen können. Die internationale Staatengemeinschaft steckt in einem
globalen Gefangenendilemma, welches die notwendigen Konsensentscheidungen für
wirksame globale Problemlösungen blockiert und Worten wenig Taten folgen lässt.
Ein Grund hierfür ist das gegenwärtige, verwässerte Paradigma von nachhaltiger
Entwicklung (das sog. Dreisäulenmodell), unter dessen Dach heute fast alles zur
Nachhaltigkeit gezählt werden kann und nachhaltig ist (vgl. Ott et Döring:2004)! Eine
klare Unterscheidung von nachhaltig und nicht-nachhaltig, fällt selbst Experten und
Wissenschaftlern
schwer.
Es
fehlt
Präzision,
Orientierung
und
Unterscheidungsvermögen in Bezug auf die Theorie und Praxis der Nachhaltigkeit.
Die Menschheit stochert überspitzt formuliert, was den globalen Nachhaltigkeitskurs
betrifft, blind im Nebel herum, was dazu führt, dass die Logik des Misslingens in der
Nachhaltigkeitspraxis obsiegt.
Für die heute bereits bekannten neuralgischen
Kippunkte (Tipping Points) gibt es faktisch keine Problemlösungen und konsequente
Vorbereitung.
5
Globale Kippunkte* :
- Versauerung der Meere und Abnahme der CO2-Pufferungskapaziät
- Instabilität des west-antarktischen Eisschilds – Möglichkeit des Meeresspiegelanstiegs
- Instabilität des Grönland-Eisschilds – Meereswasseranstieg
- Albedoabnahme Arktis
- Bistabilität der Sahel-Zone (sog. Achterbahn-Dynamik)
- Instabilität/Kollaps des Amazonas-Regenwalds (im Jahr 2080)
- Bistabiliät des Indischen Monsuns (sog. Achterbahn-Dynamik)
- Albedoabnahme im Tibet-Hochplateau
- Zunahme/ Persistenz des EL Nino-Phänomens
- Auftauen des Permafrostbodens und Methanfreisetzung
- Atlantisches Tiefenwasser – Kippen des Golfstroms
* siehe auch : Geographically explicit switch and choke elements in the Earth System
Quelle: W.C: Clark, P.J. Crutzen and H.J.Schellnhuber 2004
Die Menschheit läuft mit der derzeitigen globalen Logik des Misslingens, Gefahr,
dass der „endgültig entfesselte Promotheus“ (Hans Jonas) bis zum Ende des 21.
Jahrhunderts zum „Moloch“ mutiert. Es gilt diese „negative Utopie“ mit vereinten
Kräften zu verhindern. Wir brauchen eine neue Vision – eine tragfähige, globale
Leitphilosophie fürs 21. Jahrhundert, die Hoffnung und Mut macht. Dazu dient auch
diese Erörterung, konkret geht es um Antworten auf folgende Fragen:
Wie können wir uns von den Fesseln der globalen Logik des Misslingens befreien ?
Brauchen wir eine neue Vision und Strategie für eine zukunftsfähige Erde ? Müssen
wir unser Paradigma nachhaltiger Entwicklung ändern ? Ist vielleicht sogar eine
neues Paradigma nachhaltiger Entwicklung notwendig ?
Wie soll dieses
völkerrechtlich ins Global Governance verankert werden ? Welche konkreten Ziele
und Leitbilder zeichnen eine globale Nachhaltigkeitsstrategie aus ? Was kann in den
nächsten Jahren bis 2015/2017 konkret getan werden ? Welche Spielregeln müssen
verändert werden ? Was kann eine neue Aufklärung hierzu beitragen ?
6
1 Die Notwendigkeit eines neuen völkerrechtlich verankerten
„Global Governance System“ für nachhaltige Entwicklung
Von der globalen Diagnose zur Therapie
Die Idee für einen Global Marshall Plan ist zeitlich vor dem Rio Erdgipfel entstanden
(Al Gore, 1992), zu einer Zeit, wo es noch keinen international verbindlichen
Handlungsrahmen zur Lösung der drängenden globalen Probleme gab.
Vorausgegangen waren u.a. die Berichte an den Club of Rome („Grenzen des
Wachstums“) in den 70 er und besonders die große US Studie „GLOBAL 2000“
(Diagnose) mit dem Zusatzband „Global Future“ (Therapie). In „Global Future“ wurde,
was heute schon vergessen wurde, auch der Terminus „Sustainable Development“
eingeführt (Global Future 1980, S.145 ff.), welcher dann von der UN Kommission für
Umwelt und Entwicklung aufgegriffen und definiert wurde. Mit dem Rio-Erdgipfel
wurde das Defizit eines globalen Handlungsrahmens behoben. Die UN Konferenz
für Umwelt und Entwicklung 1992 (UNCED) verabschiedete mit der Rio-Deklaration,
der Agenda 21, der Klimarahmen-Konvention, der Biodiversitäts-Konvention quasi
den notwendigen globalen Therapieplan. Die Agenda 21 (BMU 1994) ist dabei das
Aktionsprogramm
für
das
21.
Jahrhundert
mit
hunderten
detaillierten
Handlungsaufträgen und guten Vorsätzen – allerdings ohne völkerrechtlich bindend
zu sein. Für die Umsetzung wurden 1992 jährlich 600 Mrd. Dollar veranschlagt, von
denen 125 Mrd. Dollar die Industrieländer aufbringen sollten (Agenda 21: Kapitel
33.18).
Auf dem Weg zu wissenschaftlichen „gesicherten“ Nachhaltigkeitsstrategien
Die Agenda 21 und die Fortschreibungen sind der Globale Marshallplan der
internationalen Staatengemeinschaft für das 21. Jahrhundert. Die Agenda 21 (1992),
das
Programm
für
die
weitere
Umsetzung
der
Agenda
21
(1997),
Durchführungsplan des Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002
2
der
, die
Millenniumserklärung 2000 und die Weltgipfel-Resolution 2005 sind zusammen mit
allen
anderen
internationalen
Konventionen
das
Fundament
für
die
Weiterentwicklung des globalen Konsens für eine zukunftsfähige Erde.
2
(http://www.un.org/Depts/german/conf/jhnnsbrg/a.conf.199-20.pdf) (zitiert als Johannesburgplan 2002).
Eine gute Zusammenfassung des Rio-Johannesburg-Prozess findet sich bei Eisermann 2003
7
Die Insuffizienz des derzeitigen globalen Umsetzungssystem
Trotz zahlreicher Fortschritte wird heute immer offensichtlicher, dass das bestehende
Gesamtsystem zur Umsetzung einer global-nachhaltigen Entwicklung insufficient
ist. Zur Begründung mögen folgende ausgewählte Fakten genügen:
- Die Erreichung der 2000 auf dem VN Millenniumsgipfel „verabschiedeten“ und in den Aktionsplan
von Johannesburg aufgenommen Millenniumsziele (MDG) bis 2015 ist definitiv gefährdet, da die
Umsetzung insufficient ist
- Die globalen CO2 Emissionen sind nach 1992 unaufhaltsam gestiegen (von ca. 21,9 Mrd. t CO2/pro
Jahr auf derzeit ca. 28 Mrd. t CO2/pro Jahr (plus 3-4 ppm CO2 pro Jahr)). Die eingeleiteten CO2
Reduktionsmaßnahmen (Kyotoprotokoll) sind insufficient um das zentrale Ziel der KlimaRahmenkonvention (Art.2) „die Stabilisierung der Treibhausgas-konzentrationen in der Atmosphäre
auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems
verhindert wird“ zu erfüllen.
- Eine spürbare Beschleunigung nicht-nachhaltiger Entwicklung prägt zur Zeit das 21. Jahrhundert, die
Industrie und Wirtschaft regagiert (von Ausnahmen abgesehen) insufficient und fördert mit der
nichtnachhaltigen Produktion immer hochmotorisierter, verbrauchsintensiver Autos (10–30 l/100Km)
den nicht-nachhaltige Konsum !
- Nachhaltige Entwicklung wird als freiwilliger Prozess verstanden (Agenda 21, etc.). Weil die
völkerrechtliche Verbindlichkeit fehlt, ist der Gesamtprozess insufficient.
- Die Agenda 21 und der Aktionsplan von Johannesburg 2002 sind in ihren Maßnahmen, aus
nachhaltigkeitswissenschaftlicher Sicht insufficient, weil sie „nicht-nachhaltig“ Strukturen zementieren.3
- Die Entwicklungspolitik der letzten 50 Jahre war weitestgehend insufficient, die Wirksamkeit und
Kohärenz von Entwicklungsprojekten, ist nach den jüngsten Evaluierungsstudien gering.
Finanzmittel für die Umsetzung (z.B. für 2006 48 Mrd. für die MDGs ) fehlen, da die Maßnahmen
freiwillig sind.
- Nicht-nachhaltige Entwicklung kann, so zeigen jüngste Studien4 , zum Untergang von lokalen,
regionale und selbst nationalen Gesellschaften führen – auch global ist ein solches Szenario heute
möglich, wenn nicht sogar sehr wahrscheinlich.
- Es zeichnet sich heute schon ab, dass viele der in den 90 er Jahren angedachten Strategien,
Konzepte für das 21. Jahrhundert nur bedingt die globalen Probleme lösen können.
- Es gibt eine große Frustration aller Beteiligten im Rio-Johannesburg Prozess, welche mehr wollten
aber aufgrund des Konsensprinzip „notwendige Vernunftlösungen“ nicht durchsetzen konnten
(Unternehmen, Staaten, NGOs, etc.).
Ein Grund für die Insuffizienz des derzeitigen globalen Umsetzungssystem ist eine
insuffiziente Verzahnung von Fachwissen (knowledge) und Umsetzung (action).
3
Die Agenda 21 basiert in vielen Punkten auf den überholten nördlichen Entwicklungsmodell mit zerstörerischen
Konsequenzen. Vgl. hierzu auch Weizsäcker, E.U.: Faktor 4. 1995, S. 244 ff.
4
Diamond, Jared: Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen. Frankfurt 2005
8
Notwendige
Bedingungen
für
das
Gelingen
der
global
nachhaltigen
Entwicklung
Eine notwendige Bedingung für das Gelingen der global nachhaltigen Entwicklung im
21. Jahrhundert ist die Entwicklung und Umsetzung von wissenschaftlich
abgesicherten Nachhaltigkeitsstrategien (von der globalen bis zur lokalen Ebene),
welche im politischen Systemen verankert sein müssen. Dies ist heute bestenfalls,
obwohl in der Agenda 21 die Rolle der Wissenschaft in fast allen 40 Kapiteln
verankert wurde, meist nur rudimentär erfolgt. Ohne wissenschaftlich abgesicherte,
quantitative und qualitative Nachhaltigkeitsziele, z.B. Reduktionsziele für den
Klimaschutz, ohne neue „nachhaltige“ Leitbilder (=Orientierungswissen), ohne
verbindliche
Aktionsprogramme
basierend
auf
bester
Fachpraxis,
wird
die
Umsetzung der global nachhaltigen Entwicklung insuffcient bleiben und der Gefahr
subjektiver Beliebigkeit ausgesetzt.
Weitere Bedingungen für ein wirksames Umsetzungssystem sind eine neue Logik
der Institutionen (Zusammenwirken), die Implementierung neuer innovativer
Lösungen,
ein
kohärentes
globales
Ordnungsdesign,
neue
mechanismen, sowie auch die Klärung der Finanzierungsfrage,
Umsetzungsinsgesamt ein
effektiveres Umsetzungssystem, wie es auch von der Global Marshall Plan
Initiative gefordert werden (Rademacher: 2003, S.71ff.).
„Nicht eine neue Agenda 21 ist erforderlich, sondern die Umsetzung der in Rio
beschlossenen“ (Klaus Töpfer: 2002).
Der völkerrechtliche Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategien
Schon im Vorfeld vom Weltgipfel in Johannesburg wurde ein Paradigmenwechsel
zur Nachhaltigkeitsstrategie als neues Instrument für die Implementierung von
nachhaltiger Entwicklung vollzogen. Auf einer Veranstaltung der OECD wurde in
Johannesburg mit dem „Ressource Book Sustainable Development Strategies“ ein
internationales Grundlagenwerk vorgestellt (OECD/UNDP 2002). Bereits 2001
wurden mit den DAC Guidelines „Strategies for Sustainable Development“ ein
Standard geschaffen. Grundlage ist hier Agenda 21 8.7 und Kapitel 28. Es handelt
9
sich hierbei um ein neues Instrument, besonders für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) von der nationalen bis zur lokalen Ebene, welches weit über
alle bisherigen Ansätze5 hinausgeht. Es geht dabei auch um die Überwindung der
„Projektitits“, der reduktionistischen Praxis – da heißt der Überwindung der vielen
nicht koordinierten Projekte und Maßnahmen der EZ in einem Land, einer Region,
einer Stadt oder einem Dorf – durch kohärentes Programmmanagement. Es geht um
wirksame Kohärenz und Koordination – bis hin zu den Instrumenten. Zukünftig
können Projekte und Programme unter dem Dach einer Nachhaltigkeitsstrategie
wirksamer koordiniert werden. Das Konzept einer Nachhaltigkeitsstrategie kann wie
folgt definiert werden: Eine Nachhaltigkeitsstrategie ist eine Steuerungsinstrument
zur Transformation komplexer Systeme (Staaten, etc.), Organisationen und
Institutionen in Richtung nachhaltiger Entwicklung. Ziel einer „nachhaltigen
Entwicklungsstrategie“ ist es, die am besten geeignete Strategie für die
Zukunftsfähigkeit (bzw. Nachhaltigkeit) zu entwickeln, umzusetzen, fortzuschreiben
und regelmäßig zu überprüfen (Review/Monitoring). Als Steuerungsinstrument dient
sie zur wirksamen Lösung von komplexen Problemen in komplexen, vernetzten,
intransparenten und dynamischen Handlungssituationen – z.B. Armutsüberwindung.
Eine
Nachhaltigkeitsstrategie
muss
nach
OECD
DAC
2001
folgende
Schlüsselprinzipen erfüllen:
•
•
•
•
•
•
•
•
Menschenorientierung
Konsens für ein langfristigen Vision
integrativ, zielorientiert mit konkreten Budget
basierend auf qualifizierte Analyse
Indikator und Monitorringsystem
in Eigenverantwortung entwickelt
High-Level Beschluss und Commitment
aufbauend
auf
bestehende
Regeln,
Strategien
Planungsinstrumente
• wirksame Beteiligung
• vertikale Integration (global, nationale u. lokale Ebene) und
• entwickelt und aufgebaut auf bestehenden Kapazitäten.
Konkretisiert
wird
eine
Nachhaltigkeitsstrategie
in
einem
vom
und
obersten
Entscheidungsgremium (möglichst Parlament) beschlossenen Dokument, mit in der
Regel folgenden inhaltlichen Elementen: Visionen, Normen, Leitbilder, strategische
Ziele, Programm mit Projekten. Für die Umsetzung wird ein dynamischer
5
z.B. der Entwicklungsplanung
10
Managementzyklus (Managementsystem) verankert, welche zur Zukunftsfähigkeit
und Lebensqualität eines Staates, einer Region oder Kommune führt. Beispiele für
die Praxis von Nachhaltigkeitsstrategien sind auf lokaler Ebene, die Lokale
Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Neumarkt („Zukunftsfähiges Neumarkt“)6 , die
„Visionen für Ingolstadt“, welche vom Autor betreut wurden, sowie auf nationaler
Ebene die „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ von Deutschland, oder die „EU
Strategie für nachhaltige Entwicklung“.
Das globale Umsetzungsdefizit
Alle Staaten sollten gemäß Agenda 21 Kapitel 8.7 bis zum Weltgipfel 2002 in
Johannesburg ihre nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorlegen, dies ist besonders
von vielen Industrieländern erfolgt. Entwicklungsländer konnten diese Empfehlung
nur z.T. erfüllen. Obwohl schon 1992 vereinbart (Agenda 21 8.7), 1997 (Rio plus 5)
bekräftigt und für 2002 (WSSD) nochmals gefordert, haben bis Ende 2005 nur ca.
30 % aller Staaten eine Nationale Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt wie folgende
UN Abbildung über den Umsetzungsstand (2005) zeigt:
6
Stadt Neumarkt: Zukunftsfähiges Neumarkt . 2004 und Stadt Ingolstadt: Visionen für Ingolstadt. 2002
11
Ein großes Umsetzungsdefizit gibt es in Afrika und Nahost, sowie in Asien. In
Johannesburg haben auch die dort versammelten Regionalregierungen mit der
Gauteng Gründungerklärung für das „Regional Government Network for Sustainable
Development“ - alle Regionalregierungen weltweit dazu aufgerufen, eine „Regionale
Nachhaltigkeitsstrategie“ zu erarbeiten und umzusetzen. Auf der regionalen Ebene
(über 2700 regionale Raumeinheiten (Provinzen, Bundesstaten, etc.) liegt der
Umsetzungstand geschätzt unter 10 %.
Durch Kapitel 28 der Agenda 21 sind auch alle Kommunen aufgefordert „die beste
Strategie“ nachhaltiger Entwicklung zu erarbeiten. Bei Kommunen liegt der
Umsetzungsstand, trotz der beträchtlichen Zahl von mehr als 10.000 Lokaler Agenda
21 Prozesse bei unter 5 % (bei über 500.000 Kommunen weltweit). Eine
Verzahnung mit bestehenden Instrumenten, z.B. der Raum- , Entwicklungs- bzw.
Stadtentwicklungsplanung und der Wissenschaft z.B. der Global Change- und
Klimafolgenforschung findet heute nur punktuell aber nicht systematisch statt. Die
Qualität der Nachhaltigkeitsstrategien ist z.T. sehr unterschiedlich. Nur wenige
erfüllen den hohen OECD-DAC Standard für Nachhaltigkeitsstrategien.
So gibt es zwar eine von der lokalen, über die regionale bis hin zu nationalen Ebene
räumliche Umsetzungsstruktur für die nachhaltige Entwicklung, kritisch betrachtet
greifen die „freiwilligen Instrumente“ des Rio-Johannesburg Prozesses bisher nicht
und sind, was die Quantität und Qualität der Implementierung betrifft, von
Ausnahmen abgesehen, insufficient. Es fehlen hier die Anreizsysteme.
Der mit Rio eingeleitete Paradigmenwechsel könnte langfristig zu wesentlich
effektiveren und effizienteren Umsetzungssystemen der Nachhaltigkeit, zur Lösung
von
Armutsproblemen,
etc.
führen.
Das
setzt
voraus,
dass
die
neuen
Problemlösungsinstrumente mit Hilfe der Sustainability Sciene, welcher hier die
Rolle einer Leitwissenschaft zukommt, konsequent umgesetzt werden. Hiermit sind
eine Fülle von Instrumenten wie z.B. Managementsysteme, Indikatoren und auch
Nachhaltigkeitsberichte
verbunden,
Entwicklungszusammenarbeit
Prozessmanagement,
die
die
bestimmen
besonders
werden.
Beteiligungsverfahren
und
Für
die
das
Fachberatung
zukünftige
komplexe
ist
die
Unterstützung durch die angewandte Nachhaltigkeitswissenschaft erforderlich.
12
Ein wirksames Multi-Level Global Governance Modell für nachhaltige
Entwicklung
Die Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien ist ein zentaler Schritt
zum Aufbau eines wirksamen multi-level Global Governance
für nachhaltige
Entwicklung. Es ist heute unbestritten, dass zur wirksamen globalen Problemlösung
ein neues Global Governance7 geschaffen werden muss. Hierfür gibt es je nach
Zielrichtung verschiedene Optionen und Ansatzpunkte. Das hier vorgestellte „MultiLevel
Global
Governance
Modell“
beansprucht
nicht
die
ökonomische
Globalisierung zu gestalten, sondern hier geht es primär um ein Modul für ein
wirksames Global Governance, für die Umsetzung global nachhaltiger Entwicklung,
Armutsbekämpfung, Klimafolgenprävention und MDG Umsetzung von der globalen
bis zur lokalen Ebene. Dabei kann auf schon von der UN und anderen int.
Organisationen bestehende Elemente und Normen zurückgegriffen werden. Das
ergänzte Global Governance für nachhaltige Entwicklung muss die bereits
bestehenden, durchaus sinnvollen Instrumente verstärken. Der entscheidende
Unterschied zum bestehenden System ist der, dass das mehr auf Freiwilligkeit
basierende jetzige System, in ein völkerrechtlich verankertes Global Governance für
nachhaltige Entwicklung überführt werden müsste, damit es wirksam werden kann.
Die hierfür notwendigen Optionen, welche schon langjährig diskutiert worden sind:
Eine Konvention für nachhaltige Entwicklung (Vorschlag Brundtland); ein MDG
Aktionsplan 2008-2015 (Vorschlag von Jeffry Sachs); wissenschaftlich abgesicherte
Nachhaltigkeitsstrategien (Int. Staatengemeinschaft); die Ausrichtung auf eine
nachhaltige Weltwirtschaftsordnung (Vorschlag Global Marshall Plan) und die
Schaffung einer neuen UN Organisation (Vorschlag verschiedener Staaten).
Die neuen Elemente sind in der folgenden Grafik mit orange markiert. Um die
Kohärenz mit der WTO; dem int. Währungsfond und der Weltbank herzustellen –
könnte eine neue Konvention für nachhaltige Entwicklung diese Brücke bauen. Alle
für eine nachhaltige Globalisierungsgestaltung steuerungsrelevanten globalen
Normen der ILO, UN-Umweltabkommen, UNESCO, Menschenrechte und anderer
7
Ziel von Global Governance ist die „Entwicklung eines Institutionen- und Regelsystems und neuer Mechanismen
internationaler Kooperation, die die kontinuierliche Problembearbeitung globaler Herausforderungen und
grenzüberschreitender Phänomene erlauben (Messener 2000:284).
13
könnten den Kern der Konvention bilden. Damit wäre eine neue globale Balance,
eine
Verankerung
von
sozialen,
ökologischen
und
ökonomischen
Normen
sichergestellt.
Mit
der
Konvention
könnte
ein
Mandat
zur
Gründung
einer
speziellen
Umsetzungsorganisation8 verbunden werden. Wobei hier die strategische Option
einer United Nations Sustainable Development Organization, UNSDO oder
alternativ
(wenn
nicht
über
die
UN)
World
Sustainable
Development
Organization, ernsthaft geprüft werden sollte, wozu alle relevanten internationalen
Millennium
Developement
Goals
UN Convention for
Sustainable Development
MDG Action Plan 2008-2015
Global Sustainable Development
Strategy (Grand Design)
Ecosocial Market Economy
Implementation Agenda 21, Rio plus 5,
Johannesburg Actionplan and Conventions
National Sustainable Development Strategies,
MDG and National Poverty Reduction Strategies
Regional Sustainable Development Strategies, MDG and
Poverty Reduction Strategies for Regional Governments
Local Sustainable Development Strategies (Local Agenda 21),MDG
and Poverty Reduction Strategies for Cities, Commuities and Villages
Effective Implementation Cycle through a UNSDO*/WSDO
Effective Multi-Level Global Governance System for SD, MDG and Poverty
Reduction Strategies Implementation
UNSDO= United Nations Sustainable
Development Organization (UNEP & UNDP)
© Stappen 2006
8
Die angedachte United Nations Environment Organisation, UNEO kann diese Funktion nur teilweise erfüllen,
wobei die Umweltorganisation der UN massiv gestärkt werden muss - egal in welchen neuen Strukturen. Hier
wird der Vorschlag zur Integration von Umwelt und Entwicklung eingebracht.
14
und UN Institutionen (UNDP, UNEP, GEF; World Solidarity Fund, UNFCCC, etc.)
unter einem Dach gebündelt werden könnten. Ein institutionelle Trennung von
Umwelt und Entwicklung im UN System ist seit der UN Konferenz für Umwelt und
Entwicklung (Rio 1992) faktisch ein Anachronismus und auch fachlich obsolet, weil
hiermit in der Praxis, z.B. der Umsetzungsunterstützung für Nachhaltigkeitsstrategien, massive Kohärenznachteile verbunden sind. Dies führt auch dazu, dass
das in Rio angedachte Umsetzungssystem faktisch nur teilweise funktioniert ! Mit
einer UNSDO könnten die UN Programme für Umwelt (UNEP) und Entwicklung
(UNDP) besser verzahnt, deutlich aufgewertet und im int. System auch gegenüber
der WTO massiv gestärkt werden. Ziel der UNSDO wäre die Umsetzung globaler
nachhaltiger Entwicklung, der Agenda 21, des Johannesburg Aktionsplans, der MDG
und Umweltabkommen. Dies würde dem Rio-Johannesburg Prozess ein starke,
institutionelle Verankerung geben, welche zur effektiven, effizienten und globalen
Problemlösung unabdingbar ist. Vorraussetzung ist hier jedoch, dass die
internationalen Vertragsparteien (Staaten) , sowie tangierte int. Organisationen WTO,
Weltbank und IWF die neue Konvention (für nachhaltige Entwicklung) völkerrechtlich
bindend annehmen und alle ihre Regelwerke auf Normenkonformität hin überprüfen
und ändern. Hier müsste ein spezieller Ratifizierungsschlüssel gefunden werden,
welcher dies bewirkt. Methodisch ist noch der Nachhaltigkeitszyklus (äußere Pfeile
orange)
hervorzuheben,
welche
zur
kontinuierlichen
Verbesserung
des
Gesamtsystems beitragen soll. Zentral ist dabei die Optimierung der Kohärenz
verschiedener Normen, Ziele, Programme und Instrumente.
Die eigentliche Archillesverse des Rio-Johannesburg Prozesses liegt auf der
völkerrechtlichen
Ebene.
Bisher
fehlt
ein
wirksamer,
das
ganze
globale
Governancesystem, umfassender völkerrechtliche Rahmen für die globalnachhaltige Entwicklung. Bisher hat die Staatengemeinschaft nur die Rio
Deklaration verabschiedet, welcher völkerrechtlich nicht bindend ist. Nach den
Empfehlungen der Brundtlandkommission sollte aber später eine völkerrechtliche
Konvention für nachhaltigen Entwicklung verabschiedet werden:
„Wir empfehlen, dass die Generalversammlung sich dazu verpflichtet, eine weltweite
Deklaration und später eine Konvention zu Umweltschutz und dauerhafter
Entwicklung vorzubereiten (Hauff 1987, 327).“
15
Das Fehlen einer verbindlichen völkerrechtliche Konvention
für nachhaltigen
Entwicklung
ist
Unverbindlichkeit,
die
Achillesverse
Beliebigkeit
und
des
Rio-Johannesburg
Prozesses.
Die
die
Frustrationen
gesamten
Rio-
des
Johannesburg-Prozesses sind hierauf zurückzuführen. Die global nachhaltige
Entwicklung - gilt international immer noch als freiwillige Aufgabe – und nicht als
rechtlich verbindliche Pflichtaufgabe ! Dies wäre 1992 schon nötig gewesen und
hätte auch eine stärke finanzielle Verbindlichkeit zur Folge gehabt.
In Zukunft muss daher ein völkerrechtlich verbindlicher Umsetzungsmodus
verankert werden, sowie die kohärente und konsequente Weiterentwicklung des
internationalen Rechts für nachhaltige Entwicklung (International Law on Sustainable
Development, vgl. Agenda 21 39.1 a) in Bezug auf alle globalen Regelwerke, massiv
beschleunigt werden. Warum ist dies notwendig ? Hier mag ein historischer
Rückblick helfen. Nach den totaler Waldvernichtung (Grenzüberziehung wegen
Übernutzung) am Anfang der Neuzeit, im Eichstätter Hochstift wurde die
Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung gesetzlich verankert. Hätte der Fürstbischof
von Eichstätt 1592 die Nachhaltigkeit nicht gesetzlich verankert, würde es heute
sicher kaum noch Wald im Eichstätter Gebiet geben. Gleiches gilt auch für das
System Erde und für die Sicherung der Grundbedürfnisse. Ohne völkerrechtliche
Verankerung der Nachhaltigkeit werden die globalen, nationalen und regionalen
Ökosysteme – die Selbstregulation der Erde, bereits im 21. Jahrhundert, dann auf
jeden Fall im 22. Jahrhundert in Grenzüberziehungen geraten.
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist bis heute nicht völkerrechtlich
verankert, es ist sogar selbst in den UN Dokumenten bisher keine Definition9
völkerrechtlich verankert. Eine völkerrechtlich verankerte Definition von nachhaltiger
Entwicklung wäre ein Baustein für die noch ausstehende Konvention für nachhaltige
Entwicklung und darüber hinaus auch für eine nachhaltige Weltwirtschaftsordnung.
Ohne eine „Konvention für nachhaltige Entwicklung“ wird es kaum Bemühungen
geben, die für die Umsetzung notwendigen Finanzmittel bereitzustellen !
Erste Rechtsprinzipien für eine Konvention wurden schon 1987 vorgeschlagenen
(vgl. Hauff 1987: S.387-390). 1992 ist die Idee einer völkerrechtlich bindenden ErdCharta in der Rio Deklaration abgemildert wurde. Geplant war aber als Kern ein
9
Giulio Di, A.: Die Idee der Nachhaltigkeit im Verständnis der Vereinten Nationen.
16
völkerrechtliches Rahmenwerk. Erst mit dieser Konvention würden die allgemeinen
Beschlüsse zur nachhaltigen Entwicklung von Rio, New York und Johannesburg
völkerrechtlich
bindend
sein
und
zur
Beschleunigung
global
nachhaltigen
Entwicklung und zu einer massiven finanziellen Stärkung des Rio-Johannesburg
Prozesses beitragen.
In der Kontinuität des Rio-Johannesburg Prozesses, mit der Priorität der Umsetzung,
wäre solch eine Konvention ein völkerrechtlich verbindlicher „Umsetzungs- und
Finanzierungsvertrag
für
die
internationalen
Beschlüsse
zur
nachhaltigen
Entwicklung“ auch im Sinne eines „Global Deal“ bzw. „North-South pact“ , wie er
auch von der EU angestrebt wird:
“38. The EU sees the Johannesburg WSSD as part of a process building on previous results including
the Doha Development Agenda and the Monterrey Consensus. The aim is to achieve a Global Deal
for sustainable development for the 21st century” (EU Priorities for 57th General Assembly: Art 38) 10.
Und:“We launched a North-South pact that encompasses the results of Doha and Monterrey”.
President Prodi’s Statement on WSSD 11
Internationale Pläne, Programme und Beschlüsse sind genügend vorhanden – was
neben den nicht umgesetzen und defizitären Nachhaltigkeitsstrategien fehlt12, sind
völkerrechtlich bindende Umsetzungs- und Finanzierungsregelungen
bestehenden
Beschlüsse
und
Programme.
Hier
besteht
für
die
dringender
Handlungsbedarf.
10
http://europa-eu-un.org/article.asp?id=1553&lg=5
http://europa-eu-un.org/article.asp?id=1601
12
Trotz der in Johannesburg verabschiedeten Stärkung des institutionellen Rahmens für eine nachhaltige
Entwicklung.
11
17
2 Die vergessene „idea of limitations”
Das dass „installierte globale Therapiesystem“ auch inhaltlich erhebliche Defizite hat
und eine neue Logik des Gelingens dringend erforderlich ist, steht außer Frage.
Zentrale Funktionen einer zukünftigen globalen Nachhaltigkeitsstrategie sind somit
die Weiterentwicklung, Verbesserung und die Einleitung der Neuordnung des
derzeitigen globalen Ordnungssystems. Es geht darum, dem Rio-Johannesburg
Prozess eine neue qualitative Richtung zu geben. Ziel ist die schon 1992
geforderte Beschleunigung nachhaltiger Entwicklung (vgl. auch Agenda 21, Kapitel
2). Notwendig hier für ist die Klärung des Konzepts nachhaltiger Entwicklung.
„Nachhaltige Entwicklung vollständig denken“ – Das Zwei-Säulenmodell
Ein fundamentaler Schwachpunkt des bisherigen Rio-Johannesburg Prozesses und
aller internationaler Beschlüsse, ist die allgemein bekannte Definition13 von
„sustainable development“, die meist in folgender Form erfolgt:
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen
Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden,
ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (Weltkommission für Umwelt und
Entwicklung 1987, zitiert nach Bundesregierung:2002, S.9)“
Es geht hier jetzt nicht um die richtige Interpretation bzw. Operatonalisierung14 dieser
Konzeption, sondern, einfach um die Tatsache, dass die Definition unvollständig ist.
Dazu ist ein Blick in den Brundtland-Report notwendig.
Die vergessene „Idee der Grenzen“
Die Weltkommission hat explizit die Definition mit zwei zentralen Grundprinzipien
verbunden. Im englischen Original steht hier:
13
Der Begriff nachhaltige Entwicklung ist im strengen wissenschaftstheoretischen Sinne keine Definition, sondern
eine Norm, Normsetzung !
14
Die meisten Konzepte nachhaltiger Entwicklung sind streng genommen „Interpretationen nachhaltiger
Entwicklung“, d.h. meist werden aus nationaler oder wissenschaftlicher Perspektive – zusätzliche Aspekte wie
Lebensqualität, systemare Integrität, etc. (vgl. Renn 2007) in die Definitionen bzw. Konzeptionen eingebaut bzw.
hineininterpretiert – normsetzend bzw. intentional gültig sind diese Ansätze in der Regel nicht !
18
“Sustainable development is development that meets the needs of the present
without compromising the ability of future generations to meet their own needs. It
contains within it two key concepts:
1. The concept of “needs”, in particular the essential needs of the world`s poor,
to wich overriding priority should be given; and
2. The idea of limitations imposed by the state of technology and social
organization on the environment ability to meet present and future needs”.
Was im gesamten Rio-Johannesburgprozess bisher ausgeblendet wurde, selbst von
der Wissenschaft15 ist das zweite Grundprinzip die „idea of limitations“, in Bezug
auf die Umwelt, die Ökosysteme und das Erd-Ökosystem. Dies kann auch erklären,
dass die internationale Staatengemeinschaft die Definition der Weltkommission auf
dem Rio Erdgipfel nicht übernehmen wollte. Sichtbar wird dies z.B. in der Rio
Deklaration über Umwelt und Entwicklung, wo von „Grenzen“ (i.S. von limitations)
des Erd-Ökosystems keine Rede mehr ist. Die 27 Prinzipien der Rio Erklärung stellen
das Grundkonzept für nachhaltige Entwicklung dar und durch die einseitigen
anthropozentrischen Regelungen, die vollständige Brundtland-Definition auf den
Kopf. Was unter dem zweit Schlüsselkonzept der „idea of limitations“ zu verstehen
ist ergibt sich nicht direkt aus dem obigen Satz. Die Brundtland Kommission hat im
Unterkapitel „Konzept der nachhaltigen Entwicklung“ das zweite Schlüsselkonzept
präzisiert:
„Im Hinblick auf dauerhafte Entwicklung sollten wir solche Werte
fördern, die Verbrauchsstandards innerhalb der Grenzen des
ökologischen Möglichen setzen und nach denen sich alle richten
könnten“ (Brundtland 1987, S.47)
„Zumindest darf nachhaltige Entwicklung die natürlichen Systeme
nicht gefährden, die das Leben der Erde erhalten: die Atmosphäre,
das Wasser, den Boden und die Lebewesen“ (Brundtland 1987, S.48).
„Im allgemeinen brauchen erneuerbare Ressourcen wie Wälder und
Fischbestände nicht zerstört werden, wenn die Nutzungsrate
15
Vgl. Sachs, W.: Fair Future. 2005, wo zwar das Thema Gerechtigkeit und Grenzen intensiv diskutiert wird, aber
keine Rückbesinnung auf die vollständige Brundtland erfolgt. So wird selbst auf Konferenzen zu den Grenzen hier
kein Bezug genommen !
19
innerhalb der Grenzen der Regeneration und natürlichen Wachstum
bleibt“ (Brundtland 1987, S.49).
„Der Verlust von Pflanzen- und Tierarten kann die Optionen künftiger
Generationen entschieden einschränken, daher fordert dauerhafte
Entwicklung, dass Pflanzen- und Tierarten erhalten werden“
(Brundtland 1987, S.49).
„Nachhaltige Entwicklung fordert, dass die ungünstigen Einflüsse auf
die Qualität von Luft, Wasser und anderen natürlichen Elementen
minimiert werden, damit die gesamte Intaktheit des Ökosystems
erhalten bleibt“.
„Für nichterneuerbare Ressourcen wie fossile Brennstoffe und
Minerale gilt, dass ihre Nutzung die zur Verfügung stehenden Bestände
für künftige Generationen mindert (Brundtland, S.49) Boden sollte als
nur soweit genutzt werden, wie er sich regenerieren lässt“.
„Nachhaltige
Entwicklung
erfordert,
dass
die
Verbrauchsrate
nichterneuerbarer Ressourcen so wenige zukünftige Optionen
ausschließt wie möglich“ (Brundtland 1987, S.49).
Bei
genauer
Betrachtung
hat
die
Brundtlandkommission
schon
1987
ein
differenzierteres und vollständigeres Konzept nachhaltiger Entwicklung vorgelegt, als
es den heutigen Interpretationen und der Praxis entspricht ! Das ursprüngliche
Konzept, man könnte es auch als (Zwei-Säulenmodell der Nachhaltigkeit
bezeichnen) basiert auf eine normative Idee der Nachhaltigkeit. Es werden
Managementregeln der Nachhaltigkeit vorgestellt, welche denen von Herman Daly in
vielen Punkten entsprechen.
Die grundlegenden Managementregeln der Nachhaltigkeit (i.S. von Herman
Daly) besagen im wesentlichen:
•
Die Nutzung erneuerbarer Naturgüter (z.B. Wälder oder Fischbestände) darf
auf Dauer nicht größer sein als ihre Regenerationsrate. Andernfalls ginge die
Ressource zukünftigen Generationen verloren.
•
Die Nutzung nichterneuerbarer Naturgüter (z.B. fossile Energieträger) darf
nach Möglichkeit und auf Dauer nicht größer sein als die Substitution ihrer
Funktionen (Beispiel: denkbare Substitution fossiler Energie träger durch
Wasserstoff aus solarer Elektrolyse).
20
•
Die Freisetzung von Stoffen und Energie darf auf Dauer nicht größer sein als
die Anpassungsfähigkeit der natürlichen Umwelt (Beispiel: Anreicherung von
Treibhausgasen in der Atmosphäre oder von säurebildenden Substanzen in
Waldböden).
Der eindimensionale Rio-Johannesburgprozess
Die heutige Diskussion und Praxis nachhaltiger Entwicklung leidet an einem
einseitigen, rein anthropozentrischen Fehlinterpretation nachhaltiger Entwicklung
(Giulio 2004: S. 321). Nicht zu unterschätzen waren auch Uminterpretationen des
Konzept. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung des Brundtlandberichts wurde
nach dem Rio Erdgipfel, besonders von neoliberalen Ökonomen systematisch und
gezielt zersetzt und radikal neu positioniert. Als Beispiele sei hier das sogenannte
Dreisäulenmodell bzw. das Integrationsmodell der Nachhaltigkeit, die sog.
regulative Idee der Nachhaltigkeit, die Interpretation als „Heuristik für die Reflexion
und die Sicht als offener Prozess, für den es nur vorläufige und hypothetische
Zwischenbestimmungen geben kann (Homann 1996) genannt. Dies führte
zwangläufig zu dem „anything goes“ Phänomen der Nachhaltigkeit
– zur
vollständigen Beliebigkeit und zur Nichtunterscheidbarkeit von nachhaltig und nichtnachhaltig. Das damit verbundene politische Konzept war das der Deregulierung, die
politische und ökonomische Konkurrenz („after Hegemony“), das wirtschaftspolitische
Konzept das des Marktautomatismus und des Weltmarkts, die Entwicklungsstrategie
die der Strukturanpassung der Länder (Outward looking strategies) – insgesamt
einen Vorrang der Mikroökonomie (Altvater 1996, S.84). Heute dominiert dieses
Nachhaltigkeitskonzept den gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskurs in Deutschland,
Europa, wenn nicht sogar weltweit, ohne das dies explizit wahrgenommen wird.
Dies
einseitige
anthropozentrische
Ausrichtung
und
Interpretation
des
Nachhaltigkeitskonzept, kann bis auf den Rio-Erdgipfel zurückverfolgt werden. So
steht im Zentrum der Rio Erklärung primär der Mensch, d.h. die Prinzipien
nachhaltiger Entwicklung in Rio werden aus einer primär anthropozentrischen
Perspektive festgelegt:
Principle 1: “Human beings are at the centre of concerns for sustainable
development”.
21
Die Natur bzw. Umwelt selbst wird, wenn man von Prinzip 716 absieht, rein auf den
Menschen gedacht. Die Staatengemeinschaft hat hier das Kunstwort „environmental
needs“ verwendet:
Principle 3 :The right to development must be fulfilled so as to equitably meet
developmental and environmental needs of present and future generations.
Bei nachhaltiger Entwicklung geht es um die menschlichen Bedürfnisse an die
Umwelt bzw. Natur !
Die Folgen der Nichtanerkennung der Grenzen
In der Praxis führt die anthropozentrische Interpretation der Brundtlanddefinition, die
dominante Heuristik in letzter Konsequenz zur Nichtanerkennung der Grenzen der
Tragfähigkeit der Erde und Ökosysteme in allen internationalen Beschlüssen (z.B.
der Agenda 21 ) und zur Beliebigkeit bei internationalen Regelungen (z.B. bei der
WTO) mit fatalen Konsequenzen wie das einfache Beispiel des globalen,
ökologischen Fußabdruck zeigt.
Quelle: Fair Future 2005
16
Visionär auch für zukünftige Optionen und für ein vertieftes Verständnis des zweiten Schlüsselkonzepts ist
dagegen das Prinzip 7 der Rio-Deklaration, worauf später einzugehen ist.
22
Grenzen wurden auf dem Rio Erdgipfel im Prinzip nicht akzeptiert und kommen auch
in den UN Dokumenten als Begriff kaum vor. Grenzen z.B. der Tragfähigkeit der
Erde (carrying capacity) und Ökosysteme, der Critical Loads (Eintragsraten) bzw.
Critical Levels (kritische Konzentrationen), welche wissenschaftlich evident vorliegen,
werden vom Montreal-Protokoll abgesehen, bis heute, von der internationalen
Staatengemeinschaft
nicht
anerkannt.
Eine
anthropozentrische
und
eindimensionale Interpretation von „sustainable development“, wie diese heute
vertreten wird, ist interessanterweise mit dem ursprünglichen Konzept der
nachhaltigen Entwicklung der Brundtlandkommission völlig unvereinbar (Hauff 1987:
S.46). Als ein Beispiel der Nichtanerkennung von Grenzen ist der Klimaschutz. In
Bezug auf die Atmosphäre wird die maximale Belastungsgrenze der Erde
(zusätzliche global CO2 Senke) globale in Bezug auf das Treibhausgas CO2 auf 11
bis 13 Mrd. t geschätzt. Derzeit liegt aber der CO2 Ausstoß bei 27,5 Mrd. t pro Jahr,
das heißt um 13,5 bis 14,5 Mrd. t über der physiologischen Belastungsgrenze der
Erde. Würde die Staatengemeinschaft (selbst die Wissenschaft) die „idea of
limitations“ und die zusätzliche globale CO2 Senke akzeptieren, wäre hier eine
Reduktion des Treibhausgas CO2 um 60 % für das Nachfolgeprotokoll von Kyoto
(2012) erforderlich. Zweitens hätte es keinen weiteren CO2 Anstieg seit 1992 geben
dürfen (21,9 Mrd. t 1990/1992). Es gibt trotz Klimarahmen-Konvention keinen
wirksamen Klimaschutz !
Quelle: Fair Future 2005
Die dominante Nachhaltigkeitsinterpretation und die Ausblendung der Grenzen
könnte ein Erklärung dafür sein, dass es bis heute weder eine völkerrechtlich
verbindliche
Definition
internationalen
von
„sustainable
Staatengemeinschaft
in
development“
noch
irgendeiner
Form
eine
von
der
beschlossene
23
Konsensdefinition gibt – dies passt nicht ins Paradigma ! Wahrscheinlich ist dies
auch darauf zurückzuführen, dass die UN Generalversammlung 1987 nur die
verkürzte Definition erstmals verwendete:
The General Assembly (96th plenary meeting, 11 December 1987)
Concerned about the accelerating deterioration of the human environment and
natural resources and the consequences of that deterioration for economic and social
development,
Believing that sustainable development, which implies meeting the needs of the
present without compromising the ability of future generations to meet their own
needs, should become a central guiding principle of the United Nations,
Governments and private institutions, organizations and enterprises…
Die Brundtland-Definition ist völkerrechtlich nicht bindend. Völkerrechtlich bindend ist
auch nicht die Rio Deklaration für Umwelt und Entwicklung17, diese ist mehr als
Konsens zu verstehen.
Das Ende der Beliebigkeit
Die Ausblendung der „Idee der Grenzen“ führte auch zur Beliebigkeit in der
Nachhaltigkeitspraxis und zur Dominanz der ökonomischen Dimension nachhaltiger
Entwicklung. Die ökologische und humanitäre Norm nachhaltiger Entwicklung ist
sekundär. Wenn wir nicht in einen globalen Kollaps steuern wollen, müssen wir von
der Beliebigkeit zur Verbindlichkeit in der Nachhaltigkeitspraxis kommen. Hierzu
brauchen wir dringend eine
völkerrechtlich verbindliche Konsensdefinition von
„sustainable development“, die möglichst wissenschaftlich und universalethisch
begründet sein muss. Diese Definition müsste in der noch ausstehenden Konvention
und alle nationalen Verfassungen verankert werden. Als Minimalkonsens wäre es
auch denkbar, die vollständige Brundtland-Definition von der UN Vollversammlung
nochmals zu bestätigen.
17
http://www.unep.org/Documents/Default.asp?DocumentID=78&ArticleID=1163
24
3
Eine
superstarke,
völkerrechtlich
konforme
Definition18
nachhaltiger Entwicklung
Um die Unklarheiten des heutigen Konzept von nachhaltiger Entwicklung zu
revidieren ist eine präzisere und konkretere Definition, welche im Kern auf der
Brundtlanddefinition aufbauen muss nötig. Einen interessanter, neuer Vorschlag für
eine „Definition
starker Nachhaltigkeit“ wurde von Konrad Ott und Ralf Döring
vorgelegt (Ott u. Döring: 2004), ältere Ansätze finden sich in der Studie
Zukunftsfähiges Deutschland (1996), welche auf dem Umweltraum Konzept von
Hans Opschoor aufbaut. Zentrale Grundgedanken der starken Konzeptionen sind die
Erhaltung eines „konstanten Naturkapitals“ für künftige Generationen und die Idee
der Gerechtigkeit (in Anlehnung an Rawls). Gerechtigkeitstheoretische oder wie auch
immer begründete Ansätze „starker Nachhaltigkeit“, so gut begründet sie auch sein
mögen, sind nicht per se für die internationale Staatengemeinschaft „konsensfähig“,
d.h. weder gültig noch für die internationale Praxis relevant. Die einzigste Möglichkeit
eine global, gültige Definition starker Nachhaltigkeit neu zu begründen, kann nur über
den Umweg schon ratifizierter UN-Normen gegangen werden. Dabei muss auf
Beschlüsse der UN zurückgegriffen werden. Schwache, mittlere, starke und
superstarke Ansätze der Nachhaltigkeit, müssen sich zukünftig an ihrem globalen
Problemlösungspotential messen lassen.
Ein Vorschlag für eine ergänzende Definition19 von „sustainable development“,
basierend auf ratifizierten UN-Normen, wäre der gravierende Unterschied zu allen
bisherigen Definitionen. Eine superstarke Definition nachhaltiger Entwicklung20,
welche auf zahlreichen UN-Normen gründet kann wie folgt definiert werden:
Nachhaltige21
EntwicklungA
der
Erde
ist
eine
Entwicklung,
die
die
A
Grundbedürfnisse aller Menschen befriedigt und die Gesundheit und Integrität
18
Nachhaltige Entwicklung ist im strengen wissenschaftstheoretischen Sinne keine Definition, sondern eine
Norm, Normsetzung !
19
Diese Definition soll die bisherigen Definition nur ergänzen – nicht ersetzen, sie hat aber den Vorteil, dass sie
konkreter, präziser und leichter im Rahmen des Nachhaltigkeitsraum-Konzepts operrationalisierbar ist.
20
Sustainable development of the earth is a development that meets the basic needs of all human beings and
which conserve, protect and restore the health and integrity of the Earth's ecosystem, without compromising the
ability of future generations to meet their own needs and without going over the limits of long term capacity of the
earth`s ecosystem.
21
Nachhaltig im Sinne (der Systemforschung) von aufrechterhaltbar, Aufrechterhaltbarkeit (Sustainability im
Sinne der Systemdynamik und Erdsystemforschung): Zustand eines Systems, das sich so verhält, dass es über
25
des Erdökosystems
B (living Earth)
bewahrt, schützt und wiederherstellt, ohne zu
riskieren, dass zukünftige GenerationenC ihre Bedürfnisse nicht befriedigen
können und die Grenzen der Tragfähigkeit der ErdeB überschritten werden22.
Durch die Rückbindung der Definitionselemente auf ratifizierte UN-Normen ist diese
präzisierte Definition nachhaltiger Entwicklung „per se“ - international gültig. Ohne
superstarke Definition mit großem Problemlösungspotential – ist es wahrscheinlich,
wie manche radikale Kritiker wie James Lovelock (2007) heute schon behaupten „zu
spät“ für nachhaltige Entwicklung. Etwas pointierter ist hier Meadows: „It is too late
for sustainable development, as that term is commonly understood“ (Meadows:
2005). Es lässt sich eine Schlussfolgerung ziehen: Ohne eine starke bzw.
superstarke Definition von nachhaltiger Entwicklung, welche international gültig sein
muss -
ist es zu spät für nachhaltige Entwicklung. Schwache und mittlere
Definitionen der Nachhaltigkeit, auch dem Drei-Säulenmodell, fehlt nicht nur das
notwendige Problemlösungspotential, sondern diese Konzepte sind Teil des
Problems in dem sie Nicht-Nachhaltigkeit zementieren.
4. Das Zweisäulen-Modell der Nachhaltigkeit im Sinnes eines
Nachhaltigkeitsraum-Konzept (Concept of Sustainability Space)
Vier Randbedingungen sind für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung im
21. Jahrhundert zentral:
1. Die Vision eines würdigen, erfüllten und reichen Lebens für alle Menschen in
Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und innerhalb der natürlichen Grenzen (idea of
limitations).
unbeschränkte Zeiträume ohne grundsätzliche oder unsteuerbare Veränderungen (Zusammenbruch) [...]
existenzfähig bleibt und vor allem nicht in den Zustand der Grenzüberziehung gerät (vgl. Meadows 1992: S. 298 )
22
A in Bekräftigung (reaffirming) der UN Millennium Development Goals, Rio Declaration on Environment and
Development, der Agenda 21, dem Programm für die weitere Umsetzung der Agenda 21, dem
Johannesburgplan, den Menschenrechten, den ILO Standards, ....)
B in Bekräftigung (reaffirming) des Prinzip 7 der Rio Deklaration und der, Welt Charta der Natur22)
C in Bekräftigung (reaffirming) der Declaration on the Responsibilities of the Present Generations Towards Future
Generations22)
26
2. Die Erfüllung der Grundbedürfnisse, insbesondere der Ärmsten der Welt, die
überwiegend
Priorität
haben
sollten,
durch
Umsetzung
der
Millenniumsentwicklungsziele, wirksame Entwicklungszusammenarbeit und neue
Finanzierungsquellen.
3. Die Anerkennung der Grenzen der Tragfähigkeit des Erd-Ökosystems (carry
capacity), insbesondere durch wirksame Anreizsysteme für nachhaltige Konsum- und
Produktionsweisen, Energie-, Stoff und Transportproduktivität (Faktor4/20).
4. Die völkerrechtliche Verankerung einer nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung23
mit einem gerechten Verteilungsprinzip24 (Equity-Faktor) in einer kulturell, vielfältigen
und nachhaltigen Weltzivilisation.
Diese Randbedingungen müssen in die Nachhaltigkeitsstrategien aller Staaten,
Provinzen und Kommunen verankert werden. Ziel ist die beste und nachhaltigste
aller Welten im 21. Jahrhundert zu gestalten.
Eine andere Alternative wäre eine ergänzende Definition25 aufgrund der Erkenntnisse
der Sustainability Science26 und der Global Change Forschung, wobei beide
Definitionen im Kern gleich sind, nur in einzelnen Termini weichen sie voneinander
ab. Zentral ist dabei die Fokussierung der Definition auf die ganze Erde, die
Grundbedürfnisse und die Integration der Grenzen in die Definition.
Fokussierung auf Grundbedürfnisse
Die Präzisierung auf Grundbedürfnisse ist nicht neu und wurde schon von der
Brundtland-Kommission intendiert (Hauff: S.46). Entsprechend der Definition der
Weltbeschäftigungskonferenz (1976) umfassen die Grundbedürfnisse den laufenden
Mindestbedarf des einzelnen und seiner Familie an Ernährung, Unterkunft und
23
24
25
Riegler, J.: Ökosoziale Marktwirtschaft. Denken und Handeln in Kreisläufen. Graz 1997
Rademacher, F.J. und R. Pestel
Sustainable development of the earth is a development that meets the fundamental human needs (of all human
beings) and which preserve the life-support system of Planet Earth, without compromising the ability of future
generations to meet their own needs and without going over the limits of long term capacity of the earth`s
ecosystem
26
Robert W. Kates et al : Sustainability Sceince. In Science. VOL 292. 27 April 2001
27
Kleidung,
ferner
lebenswichtige
öffentliche
Dienstleistungen,
insbesondere
Trinkwasser, sanitäre Anlagen, öffentliche Verkehrsmittel, Gesundheits- und
Bildungseinrichtungen.
Mit der Fokussierung auf die Grundbedürfnisse würde die Armutsbekämpfung („das
Leben in Würde“) in das Zentrum der nachhaltigen Entwicklung gerückt. Ein wichtiger
Verweis ist das 1. Prinzip der Declaration on the United Nations Conference on the
Human Environment wo explizit ein Leben in Würde erwähnt wird.
Principle 1
“Man has the fundamental right to freedom, equality and adequate conditions of life,
in an environment of a quality that permits a life of dignity and well-being, and he
bears a solemn responsibility to protect and improve the environment for present and
future generations”
.
Fokussierung auf die Anerkennung und Einhaltung der Grenzen
Die global nachhaltige Entwicklung kann nur dann gelingen, wenn „die Menschheit
die ihr gesetzten Grenzen erkennt und sich an bestimmte Maße der Ausbeutung und
Nutzung des Planten hält...Alles kommt drauf an, dass die Grenzen der Belastbarkeit
erkannt, festgelegt und respektiert werden“ (Vischer 2001, S.89). Die Grenzen der
Tragfähigkeit der Erde
(vgl. hierzu auch Weizsäcker, S.244) wären das
substanziell Neue in der Definition, welche aber im Prinzip in der UN Weltcharta der
Natur (long-term capacity of natural systems)
und in der Stockholm Deklaration
enthalten sind:
“In the decision-making process it shall be recognized that man's needs can be met only by ensuring
the proper functioning of natural systems and by respecting the principles set forth in the present
Charter” (UN World Charter for Nature, Art. 6 1982).
Und ergänzend: “In formulating long-term plans for economic development, population growth and
the improvement of standards of living, due account shall be taken of the long-term capacity of
natural systems to ensure the subsistence and settlement of the populations concerned, recognizing
that this capacity may be enhanced through science and technology” (UN World Charter for Nature,
Art. 8 1982).
28
Vgl. auch Principle 3: “The capacity of the earth to produce vital renewable resources must be
maintained and, wherever practicable, restored or improved.”
Declaration of the United Nations Conference on the Human Environment (1972)
Völkerrechtlich verankerte, humanitäre und ökologische Grundnormen für eine
global nachhaltigen Entwicklung
Die oben erwähnten „key concepts“
sind nichts anderes als normative
Festsetzungen, welche sich auch in anderen UN Dokumenten finden, sie brauchen
nicht etabliert werden, sondern müssen nur befolgt werden.
Die Nichteinhaltung der Grundnormen können auf lokaler, nationaler und selbst
globaler Ebene zur Barbarei und zum Kollaps führen. Sie sind die Achillesverse
unserer Existenz. Aufbauend auf das Umweltraumkonzept von Hans Opschoor, bzw.
dem ökologischen Fußabdruck (M. Wackernagel) wird hier das humanitäre Konzept
(Bedürfnis-Konzept) ergänzt und zu einem Nachhaltigkeitsraum-Konzept integriert –
d.h. ökologische und humanitäre Maßstäbe werden zu einem NachhaltigkeitsMaßstab verschmolzen.
Das neue Paradigma der nachhaltigen Entwicklung (Zwei-Säulenmodell) muss nach
der vollständigen Definition nach Brundtland, zwei minimale globale Normen erfüllen,
welche schon im internationalen Rechtssystem verankert sind:
1. Humanitäre Grundnorm der nachhaltigen Entwicklung: Die Erfüllung der
Grundbedürfnisse aller Menschen in Gegenwart und Zukunft (zukünftiger
Generationen)
- für ein Leben in Würde. Hier geht es normativ und
völkerrechtlich um nichts anderes, als um die globale Umsetzung von § 25 der
Universal Declaration of Human Rights.27
2. Ökologische Grundnorm der nachhaltigen Entwicklung: Die Anerkennung
und Einhaltung der Grenzen der Tragfähigkeit der Erde und Ökosysteme für
unbeschränkte Zeiträume durch die internationale Staatengemeinschaft,
welche
wissenschaftlich
evident
sind.
Hier
geht
es
normativ
und
27
Aus Thomas Pogge : § 25 der Univesal Declaration of Human Rights : “Everyone has the right to a standard of
living adequate for the health and well-being of himself and of his family, including food, clothing, housing and
medical care and necessary social services, and the right to security in the event of unemployment, sickness,
disability, widowhood, old age or other lack of livelihood in circumstances beyond his control”.
29
völkerrechtlich um die globale Umsetzung des Prinzips 7 der Rio Deklaration:
“States shall cooperate in a spirit of global partnership to conserve, protect
and restore the health and integrity of the Earth's ecosystem”.
Die humanitäre und ökologische Grundnormen für nachhaltige Entwicklung sind für
die Existenzfähigkeit von Menschheit und Erde unabdingbar. Grundnorm 2 ist eine
notwendige Bedingung für Grundnorm 1, d.h. ohne Einhaltung der Grenzen, der
Grundnorm 2, kann es dazu kommen, das Grundnorm 1 nicht eingehalten werden
kann, z.B. wenn nicht alle Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Die
rechtsphilosophische Begründung könnte auf der Theorie globaler Gerechtigkeit
erfolgen, die ethische Begründung auf dem ersten Imperativ: dass eine
Menschheit28 und Erde sei – des Prinzips Verantwortung von Hans Jonas.
Humanitäre und ökologische Gerechtigkeitskriterien nachhaltiger Entwicklung
Aufgrund
der
globalen
Grundnormen
für
nachhaltige
Entwicklung,
die
im
internationalen Rechtssystem verankert sind, können zwei humanitäre und
ökologische Gerechtigkeitskriterien universalethisch abgleitet werden, ohne die keine
globale Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit möglich ist. Diese haben bei einer
transnationalen Auslegung der globalen Gerechtigkeit von § 1 der Universal
Declaration of Human Rights
in Bezug auf alle Menschen, auch heute schon
universalethische Gültigkeit.
1. Humanitäres Gerechtigkeitskriterium: Jeder Mensch hat das gleiche Recht
auf die Teilhabe an den Reichtümern und Gütern der Erde29, welche er für ein
Leben in Würde benötigt. Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf die
Verteilung der Reichtümer und Güter der Erde, welche er für ein Leben in
Würde benötigt. Ein gerechter Verteilungsschlüssel (Equity-Faktor) hierzu,
muss durch die Staatengemeinschaft global und durch jeden einzelnen Staat
national bestimmt werden.
2. Ökologisches Gerechtigkeitskriterium: Jeder Mensch hat das gleiche
Recht auf eine gesunde Umwelt (Ökosysteme) und eine gesunde Erde, dies
28
Jonas, Hans: Prinzip Verantwortung. 1984 . Der erste Imperativ wurde hier durch die „Erde“ ergänzt, denn
rational gesehen, kann ohne Erde die Menschheit nicht sein.
29
Dies setzt voraus, dass „der Menschheit als Ganzer ein unverlierbares Teilrecht an allen Naturschätzen
zugeschrieben wird: Vgl. hierzu: Thomas Pogge.: Eine globale Rohstoffdividende. In Christine Chwascza,
Wolfgang Kersting (Hrsg.): Politische Philosophie der internationalen Beziehungen, Frankfurt 1998, Seite 341.
30
gilt auch für zukünftige Generationen gleichermaßen30. Jeder Mensch hat das
gleiche Recht, für die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse (Grundnorm 1)
global zugängliche Ressourcen31 in Anspruch zu nehmen, solange die
Ökosystem (Umwelt) und Erde nicht in den Zustand der Grenzüberziehung
gelangen.32
Der gerechte Verteilungsschlüssel der humanitären Gerechtigkeitskriterium lässt sich
gut durch Thomas Pogge Argument der „Umkehr der Rechtfertigung“ begründen :
„ Wenn innerhalb eines Staates oder vergleichbaren sozialen Systems radikale Ungleichheit besteht,
dann ist seine Grundordnung (die Gesamtheit seiner wichtigeren sozialen Institutionen) prima facie
ungerecht und bedarf dann einer besonderen Rechtfertigung. Dabei liegt die Beweislast bei denen,
die diese
Grundordnung, und ihre Durchsetzung mit Zwangsmitteln, als mit der Gerechtigkeit
vereinbar rechtfertigen wollen (Pogge Manusskript I).“
Der ganze Komplex der globalen Gerechtigkeit muss hier aus Zeitgründen vorerst
ausgeklammert werden.
Nachhaltige Weltwirtschaftsordnung
Diese Grundnormen und Grundrechte sind neben allen völkerrechtlichen Normen
und Rechten, welche nicht im Widerspruch zur nachhaltigen Entwicklung stehen, das
Fundament einer nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung, im Sinne von sozialökologischen Markt- und Planwirtschaften33. Der derzeitige Trend der unregulierten
Weltökonomie kann, wenn sich nichts verändert, im 21. Jahrhundert dazu führen,
dass die humanitären und ökologischen Grundnormen von den meisten Staaten
nicht mehr erfüllt werden können. Verantwortlich hierfür ist das neoliberale
Megaphilosophie
und
die
damit
verbundene
implizite,
neoliberale
Weltwirtschaftsordnung.
30
Der Gedanke beruht im wesentlichen auf das Umweltraum-Konzept von Hans Opschoor. Vgl. auch Opschoor,
J.B.: Environment, Economics and Sustainable Development. Groningen 1992
31
Interessant ist hier die Idee einer Rohstoffdividende von Thomas Pogge: diejenigen, die mehr als von den
Rohstoffen unseres Planeten verbrauchen (im allgemein sind das die Wohlhabenden) diejenigen entschädigen
(sollten), deren Verbrauch – unfreiwillig- nur sehr geringfügig ist. Alle die einen Mehrverbrauch über ihren
Bedürfnissen haben sollten in einen globalen Fond einbezahlen, womit die globalen Ungleichheiten ausgeglichen
werden können und auch nicht-erneuerbare Ressourcen geschont werden könnten !.
32
Die Legitmation dieses Kritreiums, ergibt sich aus § 1 Univesal Declaration of Human Rights “All human beings
are born free and equal in dignity and rights.”
33
Wobei jeder Staat das Recht hat, seine Wirtschaftsordnung selbst wählen zu können – im Prinzip wäre auch
eine sozial-ökologische Planwirtschaft, z.B. für China denkbar.
31
Die heutige stark neoliberale geprägte Weltwirtschaftsordnung steht heute im
Einklang mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung der internationalen
Staatengemeinschaft, so wie in Rio formuliert - aber im Widerspruch zur
ursprünglichen Nachhaltigkeitskonzeption der Bundlandkommission. Hier wurde z.B.
schon 1987 festgestellt, das für nachhaltige Entwicklung, „ein internationales System,
das nachhaltige Handels- und Finanzbeziehungen fördert“ erforderlich ist
(Brundtland, S.69).
Die Elemente des Washington Consensus stehen, im Widerspruch zu den
Elementen des Rio-Johannesburg Consensus. So muss man sich z.B. Fragen ob die
Privatisierung der Staatsbetriebe zur Erfüllung der Grundbedürfnisse und zur
Einhaltung ökologischer Grenzen beiträgt ? Ist dies nicht der Fall, gibt es einen
Widerspruch zur nachhaltigen Entwicklung und damit einen Widerspruch zur
Staatengemeinschaft. Ziele und hieraus abgeleitete Regeln z.B. der WTO die in
Zielkonkurrenz zur Nachhaltigkeit stehen – sind im 21. Jahrhundert weder
völkerrechtlich legitim noch moralisch vertretbar. Auch wenn einige Elemente des
Washington
Consensus
Haushaltsdefiziten,
Staatengemeinschaft
so
durchaus
muss
umdefiniert
vertretbar
dieser
sind,
aufgrund
werden.
z.B.
des
der
Abbau
von
Konsens
der
widerspricht
der
neuen
Strenggenommen
Washington Consensus dem „ersten Imperativ – dass eine Menschheit sei“, unserer
Grundpflicht gegenüber der Zukunft der Menschheit und dem gesamten RioJohannesburg Prozess (Jonas 1984: 89-91). Verantwortlich hierfür ist die mangelnde
völkerrechtliche Definition und Verankerung der nachhaltigen Entwicklung.
Die derzeitige globale Marktfundamentalismus bzw. das neoliberale globale
Steuerungsmodell stehen hier in Zielkonkurrenz zur nachhaltigen Entwicklung, den
humanitären und ökologischen Grundnormen, oder anders ausgedrückt zum
globalen
Existenzsicherungsziel.
Eine
nichtnachhaltige,
neoliberale
Weltwirtschaftsordnung, wie sie heute besteht, erfüllt beide Grundnormen global
nicht oder nur unzureichend und ist im globalen, als auch im nationalen und
regionalen Maßstab, weder sozial noch ökologisch.
Nachhaltige
Weltwirtschaftsordnung
durch
eine
sozial-ökologische
Marktwirtschaft
32
Nur
eine
Weltwirtschaftsordnung,
die
die
humanitären
und
ökologischen
Grundnormen und Grundrechte nachhaltiger Entwicklung sichert, erfüllt die Kriterien
der nachhaltigen Entwicklung vollständig und verdient den Namen nachhaltige
Weltwirtschaftsordnung. Der erste Imperativ erfordert, dass die nicht-nachhaltige
Weltwirtschaftsordnung
des
20.
Jahrhunderts
durch
eine
nachhaltige
Weltwirtschaftsordnung für das 21. Jahrhundert ersetzt wird.
Die rechtliche Grundlage hierzu (Grundnorm 1) ist in § 28 der „Universal
Declaration of Human Rights“ verankert:
“Everyone is entitled to a social and international order in which the rights and
freedoms set forth in this Declaration can be fully realized.” gibt es zumindestens
einen Anspruch eines jeden Menschens dieser Erde zur Umsetzung in Form einer
neuen
internationalen
Ordnung
im
Sinne
einer
nachhaltigen
Weltwirtschaftsordnung.34
Ohne eine neue nachhaltige Weltwirtschaftsordnung ist die zwingend notwendige
100 % Umstellung auf nachhaltige Konsum- und Produktionsstrukturen35 weltweit
kaum umsetzbar – es fehlt das Anreizsystem zur Umstellung. Nur wenige
Konsumenten und Produzenten arbeiten hier freiwillig, im Sinne des Prinzips
Verantwortung und leisten heute schon einen aktiven Beitrag für eine ökosoziale
Marktwirtschaft.
Konsumstil und neue Frugalität
In der Debatte um eine nachhaltige Weltwirtschaftsordnung muss die dringend
notwendige Diskussion, um einen neuen, nachhaltigen Konsum- und Lebensstil
geführt werden. Grundsätzlich gilt hier die Aussage der Bundtlandkommission:
„Lebensstandards, die über das Minimum hinausgehen, sind nur nachhaltig, wenn
Verbrauchsstandards
überall
langfristige
Nachhaltigkeit
in
Betracht
ziehen“
(Brundtland 1987, S.47).
Es ist internationaler Konsens, dass der Lebensstil und die Konsumweise, in den
Industrieländern als auch in vielen Entwicklungsländern absolut nicht nachhaltig ist:
34
Vgl. hierzu auch Pogge, T: Internationale Gerechtigkeit: Ein universalistischer Ansatz, S. 34. In: Ballestrem,
K.G. (Hrsg.): Internationale Gerechtigkeit. Opladen 2001
35
Die wurde 1992 schon in der Agenda 21 empfohlen und vom Weltgipfel in Johannesburg 2002 bekräftigt.
33
Nachhaltiger Konsum (Auszüge aus der Agenda 21)
„4.3 Zwischen Armut und Umweltzerstörung besteht eine enge Wechselbeziehung. Zwar bringt auch
die Armut bestimmte Arten von Umweltbelastungen mit sich, doch ist die Hauptursache für die
allmähliche Zerstörung der globalen Umwelt in den nicht nachhaltigen Verbrauchs- und
Produktionsmustern - insbesondere in den Industrieländern - zu sehen, die Anlaß zu ernster
Besorgnis geben und zunehmende Armut und Ungleichgewichte verursachen (vgl. Agenda 21, Kapitel
4).
4.5 ...Während in bestimmten Teilen der Welt übermäßig konsumiert wird, bleiben die
Grundbedürfnisse eines großen Teils der Menschheit unbefriedigt. Dies führt zu überhöhten
Ansprüchen
und
einer
auf
Dauer
nicht
vertretbaren
Lebensweise
der
wohlhabenden
Bevölkerungsanteile, was wiederum mit einer immensen Belastung der Umwelt einhergeht. Die
ärmeren Teile der Weltbevölkerung indessen sind nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse in bezug auf
Nahrung, Gesundheitsfürsorge, Wohnraum, Bildung und Erziehung zu befriedigen. Eine Veränderung
der Verbrauchsgewohnheiten setzt eine aus mehreren Elementen bestehende Strategie voraus, die
sich gezielt mit den Fragen des Bedarfs und der Deckung der Grundbedürfnisse der Armen befaßt
und die dem Abbau, der Verschwendung und der Übernutzung begrenzter Ressourcen im Rahmen
des Produktionsprozesses entgegenwirkt.
4.8 Bei ihrer Auseinandersetzung mit der Frage des Konsumverhaltens und der Lebensweise im
Gesamtzusammenhang von Umwelt und Entwicklung sollen die Länder von folgenden grundlegenden
Zielvorgaben ausgehen:
a) Alle Länder sollen danach streben, nachhaltige Verbrauchsgewohnheiten zu fördern;
b) die Industrieländer sollen bei der Einführung nachhaltiger Verbrauchsgewohnheiten die Führung
übernehmen;
c) die Entwicklungsländer sollen im Rahmen ihres Entwicklungsprozesses die Verwendung
nachhaltiger
Verbrauchsgewohnheiten
anstreben,
um
einerseits
die
Befriedigung
der
Grundbedürfnisse der Armen zu gewährleisten, gleichzeitig aber die insbesondere in den
Industrieländern verwendeten ökologisch nicht vertretbaren Verbrauchsgewohnheiten, die generell als
zu umweltschädlich, ineffizient und verschwenderisch betrachtet werden, im Verlauf dieses Prozesses
zu vermeiden. Dies setzt eine verstärkte technologische und anderweitige Hilfeleistung der
Industrieländer voraus.
Für einen, wie in der Agenda 21 geforderten Kurswechsel ist dringend eine neue
Frugalität nötig wie Hans Jonas betont.
„Um
die
im
vollen
Lauf
begriffene
Ausplünderung,
Artenverarmung
und
Verschmutzung des Planeten aufzuhalten, der Erschöpfung seiner Vorräte
34
vorzubeugen, sogar einer menschverursachten, unheilvollen Veränderung des
Weltklimas, ist eine neue Frugalität in unsern Konsumgewohnheiten vonnöten“ (Hans
Jonas 1987: S. 67).
Der Kurswechsel hat auch der Weltgipfel 2002 nochmals bekräftigt und 10 Jahres
Programme
für
nachhaltigen
Konsum-
und
Produktion
vorgeschlagen
(Johannesburgplan 2002: Art.14). Seit Rio gilt die Aussage von Klaus Töpfer:
„Dabei
muss
ebenso
unmissverständlich
klar
gestellt
werden,
dass
die
Zukunftsfähigkeit der Welt zu allererst in den hochentwickelten „reichen“ Ländern des
Nordens in Angriff genommen werden muss. Durch eine Veränderung der Konsumund Produktionsstrukturen müssen die ökologischen Fußabdrücke des Nordens im
entwicklungsbedürftigen Süden systematisch verringert werden (Töpfer 2002: S. 17).
Eine neue nachhaltige Weltwirtschaftsordnung darf nicht nur strukturell gesehen
werden, sondern macht ohne die Verhaltensdimension keinen Sinn. Struktur (z.B.
Produktion) und Verhalten (z.B. Konsum) der Weltzivilisation gehören untrennbar
zusammen (grundlegend hierzu Brand36 2005). Zentral ist aber der treibende Geist
der Weltzivilisation, der blind im Nebel herumstochert und die Orientierung verloren
hat.
5 Globale Heuristik der Nachhaltigkeit
Alle die hier vorgebachten Gedankengänge zeigen, dass wir einen alternativen,
globalen Zukunftsentwurf brauchen, um das dominante nichtnachhaltige Modell
geistig, rechtlich und praktisch zu ersetzen – eine ganz neue Vision, Strategie und
ein neues globales Metaleitbild. Das neue Metaleitbild muss sich von Ideologien
durch
Zukunftsoffenheit
(Undeterminiertheit)
und
vom
Liberalismus
durch
Gerichtetheit unterscheiden (Spangenberg 2005, 336).
„Der mit dem Begriff der Nachhaltigkeit charakterisierter Zustand muss in Form eines
Zukunftsentwurfs und in Form von Zielen konkretisiert und opernationalisiert
werden..) in den untersuchten Dokumenten der Vereinten Nationen fehlt ein
36
Believing that technical and social realms are much more connected than most people concerned with
sustainability tend to admit, the author has developed an innovative and integrated strategy that encourages
people to 'co-design' technologies that make socially-desired behaviours more attractive.
35
explizierter Zukunftsentwurf...in der Agenda 21 formulierte Ziele sind über weite
Strecken nicht konkret genug (Giulio 2004, 319).
Die neue globale Vision muss dabei in den Grenzen der Tragfähigkeit der Erde
entwickelt werden (Weizsäcker 1995: S.245 ). Dieses fundamentale Kriterium
erfüllt die Agenda 21 und im Prinzip alle Umwelt-Konventionen, außer dem MontrealProtokoll bisher nicht. Erfolgreiche Modelle für neue Visionen wurden in Europa mit
der weniger bekannten Studie „Sustainable Europe“ und in Deutschland mit der stark
diskutierten
Studie
„Zukunftsfähiges
Deutschland“
(BUND/MISEREOR
1996)
erfolgreich in die gesellschaftliche Diskussion eingebracht.
Es geht zum einem darum, der Menschheit Orientierung zu geben „was in Zukunft
sein sollte“, hierfür sind globale Ziele und Leitbilder notwendig.
Zum Beispiel
könnte eine nachhaltige Weltwirtschaftsordnung ein solches globales Leitbild sein.
Die globalen Ziele und Leitbilder sollen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse,
der
humanitären
und
ökologischen
Grundnormen
und
den
zugehörigen
Gerechtigkeitskriterien entwickelt und begründet werden. Probleme können dann
leichter durch die Abweichung von Ist- und Sollzustand identifiziert werden (Giulio
2004, 319).
Eine neue Globale Heuristik der Nachhaltigkeit37 , welche methodologisch und
methodisch abgesichert, wissenschaftlich Grenzen und Grenzwerte für das ErdÖkosystem und Minimalwerte für die Bedürfniserfüllung der Menschheit setzt und
daraus wissenschaftlich-normative Ziele für die Menschheit, die Staaten, Regionen
und Kommunen begründet ist anzudenken. Kernbausteine einer Globalen Heuristik
der Nachhaltigkeit, welche hier nur in Ansätzen dargelegt werden und im Kern auf
den Brundtlandbericht beruhen (Brundtland 1987, 308) sind:
•
Erschließen der Ursachen und Grenzen
•
Umgang mit den globalen Folgen
•
Prüfen globaler Risiken
•
Normsetzung durch das Nachhaltigkeitsraum-Konzept
•
Opernationalisierung von globalen Zielen
•
Partizipation bei der Leitbildentwicklung (Zukunftsentwürfe)
37
Vgl. Zur Heuristik vgl. hierzu Stappen, R. und R. Brand. 1997
36
•
Verankerung in die globale Nachhaltigkeitsstrategie
•
Weise Entscheidungsfindung (wise consense)
•
Verankerung von globalen Normen, völkerrechtlichen Regeln und Abkommen
•
Investitionen in unsere Zukunft
•
Managementsystem und Berichterstattung
Ziele und Leitbilder für eine globale Nachhaltigkeitsstrategie
Es ging darum, langfristige Ziele normativ, wissenschaftlich und möglichst partizipativ
im globalen Konsens festzulegen und hierzu globale Leitbilder zu entwickeln. Wichtig
ist dabei jedoch die Möglichkeit der dynamischen Fortschreibung und Änderung
einmal festgelegter Ziele, welches auf der lokalen Ebene z.B. durch die sog.
Dynamische Agenda 21 erfolgt. Die Leitbilder und Ziele (Jahr 2030/2050) in der
folgenden Tabelle stellen einen ersten Versuch der Operrationalisierung der Normen
und Gerechtigkeitskriterien dar, welche hier nur semi-streng erfolgte und wozu
verschiedene Quellen herangezogen wurden. Ausgehend von den MDG wurden für
2030/2050 weitere Ziele festgelegt, welche einen zukünftigen Orientierungsrahmen
darstellen und jeweils mit der Heuristik der Nachhaltigkeit überprüft werden müssen.
Wichtig
ist
hier
jedoch
die
kohärente
Verbindung
von
Grundnormen,
Gerechtigkeitskriterien, Grenzen (Defizite) und Ziele. Diese Ziele müssen alle
wissenschaftlich überprüft und jeweils ein Konsens hierzu gebildet werden.
37
Millenniums-Entwicklungsziele (MDG)
Ziele für eine zukunftsfähige Erde
Kurzfristige Ziele (2015)
Langfristige Ziele (2030/2050)
Ziele und Leitbilder
I. Freiheit von Armut
550 Mio. Menschen weniger die mit 1 US-Dollar pro Tag
Erfüllung der Grundbedürfnisse aller Erdbewohner,
leben
Sicherung der Existenzrechte
Halbierung der Zahl der Hungernden auf 400 Millionen bis
Freiheit von menschunwürdiger Armut
Erfülltes,
2015
Nationale Equity-Faktoren > 50 %
gesundes und
Erhebliche Verbesserungen im Leben von mindestens 100
Freiheit von Hunger
Millionen Slumbewohnern erzielt zu haben (2020)
Menschenwürdige Wohnungen für alle
Menschenwürdige und produktive Arbeit für junge Menschen
Menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer
menschenwürdiges Leben
für alle
II. Bildung für alle
Interkulturelle, suffiziente Weltzivilisation
100 % vollständige Grundschulbildung für alle Jungen und
Qualifizierte, wertorientierte Bildung und lebenslanges
Mädchen
Lernen für alle Erdbewohner
III. Gleichstellung der
In der Grund- und Mittelschulausbildung soll bis zum Jahr
Volle Gleichstellung der Frau
Frau
2005 und auf allen Ausbildungsstufen bis zum Jahr 2015
Besonderer Schutz der Einheit der Familie, sowie von
jede unterschiedliche Behandlung der Geschlechter beseitigt
Witwen, Waisen, Kinder, Jugendlichen und Senioren
Schutz der Familie
IV. Reduzierung der
Kindersterblichkeit
werden
Die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren soll um zwei
Kindersterblichkeit gegen Null
Drittel gesenkt werden
Erstklassige, kostenlose medizinische Grundversorgung
In Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie
und Medikamente für alle Kinder (und Hilfsbedürftigen)
sollen lebenswichtige Medikamente in den
Verpflichtende Gesundheitserziehung
Entwicklungsländern zu erschwinglichen Preisen verfügbar
Sicherung der Rechte der Kinder
gemacht werden
V.
Die Müttersterblichkeit soll um drei Viertel gesenkt werden
Natürliche Müttersterblichkeit
Gesundheitsversorgung
Natürliche Familienplanung und Zugang zur
für Mütter
reproduktiven Gesundheit
VI.
Die Ausbreitung von HIV/Aids soll zum Stillstand gebracht
Global Health Equity
Gesundheitsprävention
und zum Rückzug gezwungen werden
HIV/AIDS Minus 100 %
für alle
Der Ausbruch von Malaria und anderer schwerer
Gesundheit für alle – Gesundheitsplanung für alle
Krankheiten soll unterbunden und ihr Auftreten zum Rückzug
Kommunen (Gesunde Stadt)
gezwungen werden
Überwindung der Malaria und aller vermeidbarer
(Aids/Malaria)
Epidemien, Pandemien und Epizootien
> 100.000 Terramediziner weltweit
38
Millenniums-Entwicklungsziele (MDG)
Ziele für eine zukunftsfähige Erde
Kurzfristige Ziele (2015)
Langfristige Ziele (2030/2050)
Ziele und Leitbilder
VII. Sicherung der
Umsetzung der Agenda 21 und der nachhaltigen
Globaler Equity Faktor > 0,5
globalen Nachhaltigkeit
Entwicklung in die nationale Politik
CO2-Minderung –Minus 90 % auf unter 13 Mrd. T pro
Ethik der Erhaltung und pfleglichen Umgang mit der Umwelt
Jahr bzw. 2 T pro Kopf
Umsetzung eine neuen Kytoprotokolls, welches dies
Rapide Anpassung aller Kommunen an den Klimawandel
globalen Senken akzeptiert, des Übereinkommens zur
Globale Verankerung hoher Umwelt-, Sozial- ,
Wüstenbildung, der Konvention zur biologischen Vielfalt
Arbeitsschutz- und Gesundheitsstandards
Entwicklung regionaler und nationaler Wasserstrategien
100 % nachhaltiger Konsum- und Produktion
Zahl und die Auswirkungen von Natur- und anthropogenen
(nachhaltige Unternehmen)
Katastrophen zu vermindern
100 % globaler und lokaler Fairhandel
Die Zahl der Menschen, die über keinen nachhaltigen
Keine menschenunwürdige Kinderarbeit
Zugang zu gesundem Trinkwasser verfügen, soll um die
Regionalisierung der Wirtschaftskreisläufe
Hälfte gesenkt werden
Demateralisierung der Weltökonomie
Bewahrung, Schutz und Regeneration der Gesundheit und
Nachhaltiges Handwerk und Sicherung dezentraler
Integrität des Erd-Ökosystems (Einhaltung der
Unternehmensstrukturen (Mittelstand)
biophysischen Grenzen)
Zero Emission Produktion und Kreisläufe
Nachhaltige Mobilität und Transport
Weltweite Schuldenfreiheit, effektive und effiziente
partnerschaftliche Unterstützung
Nachhaltige Technologien / Wissenschaft
Schutz aller nichterneuerbaren Ressourcen
Good Governance aller Regierungen (global, national,
regional, lokal)
VIII. Verankerung
Ein offenes Handels- und Finanzsystem, das auf festen
Entscheidungen nach dem Prinzip der Weisheit (Wise
einer globalen Partnerschaft
Regeln beruht, vorhersehbar ist und nicht diskriminierend
Consensus) auf allen Ebenen
wirkt, soll weiter ausgebaut werden.
Subsidäres und demokratisches Global
Dies schließt eine Verpflichtung zu guter Staatsführung, zur
Governancesystem mit Weltparlament (Weltdemokratie)
Entwicklung und zur Beseitigung der Armut sowohl auf
und globalen Steuern
nationaler wie auf internationaler Ebene ein
Kohärentes System der Nachhaltigkeits- und
Auf die besonderen Bedürfnisse der am wenigsten
Gesundheitsstrategien für alle Ebenen (global, national,
entwickelten Länder muss entsprechend eingegangen
regional und lokal)
werden. Dazu gehören der zoll- und quotenfreie
Alle globalen öffentlichen Güter unter Treuhand der
Marktzugang für die Exporte dieser Länder; die verstärkte
Vereinten Nationen
Schuldenerleichterung für die hochverschuldeten armen
Schutz der Rechte lokaler Gemeinschaften, Kulturen und
Länder; die Streichung aller bilateralen öffentlichen Schulden
Traditionen
Weltweite ökosoziale
Marktwirtschaft
Kohärentes globales
Governancesystem
Weltfrieden , Weltreligionen und
internationale Gerechtigkeit
dieser Länder; sowie eine großzügigere Entwicklungshilfe für Gesicherter Weltfrieden und 100 % Minus aller Kriege,
Länder, die wirkliche Anstrengungen zur Senkung der Armut
regionaler Konflikte, Streitigkeiten und von Völkermord
unternehmen
Volle Unterstützung der Ziele für eine zukunftsfähige
Auf die besonderen Bedürfnisse der Binnenstaaten und der
Erde durch alle Weltregionsgemeinschaften, globale
kleinen Inselentwicklungsländer muss entsprechend
Versöhnung der Religionen und globaler Religionsfrieden
eingegangen werden
Vollständige Überwindung des Terrorismus
Die Schuldenprobleme der Entwicklungsländer mit niedrigen
Vollständige Überwindung der Kriminalität, Umwandlung
und mittleren Einkommen müssen durch Maßnahmen auf
der Gefängnisse in Therapieanstalten und wirksame
nationaler und internationaler Ebene umfassend und
Prävention, Rehabilitation und Therapie statt Strafe
wirksam angegangen werden, damit ihre Schulden auf lange
Sicht tragbar werden
In Zusammenarbeit mit dem Privatsektor sollen die Vorteile
der neuen Technologien, insbesondere der Informationsund Kommunikationstechnologien, verfügbar gemacht
werden
39
Partizipation für eine neue globale Nachhaltigkeitsstrategie
Die Realisierungschancen zur Umsetzung einer globalen Nachhaltigkeitsstrategie
können nur dann erhöht werden, wenn der die neue Vision und das neue globale
Megaleitbild (der neue Geist der Weltzivilisation) von einem breiten globalen
Grundkonsens
von
Millionen
Mitmenschen,
tausenden
NGOs,
den
Weltreligionsgemeinschaften und der Mehrheit der globalen Entscheidungsträger aus
Staat, Wirtschaft und Politik getragen wird. Hierzu muss ein breiter Konsens über die
Konzepte, Grundnormen, Gerechtigkeitskriterien, langfristigen Ziele und Leitbilder
gefunden werden. Gleichzeitig muss die Zukunftsfähigkeit der Erde in den Köpfen,
den Herzen und letztlich im Willen verankert werden. Dies setzt Beteiligung bei der
Entwicklung der neuen Vision voraus, nur dann werden sich unsere Mitmenschen
damit identifizieren und sich hierfür politisch einsetzen. Partizipation ist dabei ein
wichtiges Grundprinzip.
Wir brauchen für einen globalen Kurswechsel, eine neue
Vision für das 21. Jahrhundert (eine neue innere, geistige Welt) – erst dann wird die
Staatengemeinschaft den Willen haben, die
völkerrechtlichen Regelwerke durch
globale Reform grundlegend zu ändern. Eine notwendige Grundlage hierfür ist ein
neues Konsensprinzip bzw. Verfahren.
6
Das Wise Consensus Verfahren – Die Voraussetzung für nachhaltige
Entscheidungen und Problemlösungen im 21. Jahrhundert
Ausgangspunkt: Das Konsens-Dilemma der Staatengemeinschaft
Die globale Umwelt- und Entwicklungspolitik ist auch im 21. Jahrhundert größtenteils
„national organisiert“ (Weizsäcker: 1992). Bereits der Erdgipfel in Rio de Janeiro „der
den erdpolitischen Durchbruch hätte bringen sollen, ist teilweise ein Opfer dieses
Umstands
geworden
(Weizsäcker:
1992).“
Bis
heute
fehlt
„Weltinnenpolitik“, wie es C.F. von Weizsäcker formuliert hat
es
an
einer
sondern um eine
„Erdpolitik“.
Ein gravierendes Problem ist das Konsens-Dilemma, d.h. die Staatengemeinschaft
einigt sich meist nur auf den kleinsten gemeinsamen Konsens (je nach Sicht !).
40
Verbindliche internationale Regelungen (i.S. des Völkerrechts), selbst freiwillige
Regelungen lassen sich immer schwieriger durchsetzen. Das zeigt z.B. das
Kyotoprotokoll, welches erst nach Jahren ratifiziert wurde oder der Eklat auf der 15.
CSD Sitzung.
Es wird für die Staatengemeinschaft immer schwieriger, sich auf Regeln zu einigen,
welche von der Weisheit geboten sind. Eine globale Logik des Misslingens ist somit
vorprogrammiert. Daraus resultiert eine globale Handlungsblockade, die Unfähigkeit
der internationalen Staatengemeinschaft, das zu tun was getan werden muss.
Es bleibt wie auch in Johannesburg, bei good will Appellen und Ankündigungen. Die
Chance eines neuen globalen Kontrakts i.S. eines völkerrechtlich verbindlichen
großen Regelwerks durchzusetzen, ist derzeit realpolitisch nur dann wahrscheinlich,
wenn der globale Problemdruck die Staatengemeinschaft sie hierzu zwingt oder
wenn die Mehrzahl der Menschen der Erde dies will (Demokratieprinzip) !
Die „Realisierungschancen“ eines MDG Aktionsplans sind aus den Erfahrungen des
Rio-Johannesburg-Prozess realpolitisch mit den „alten Spieregeln“ derzeit begrenzt,
wenn nicht sogar unmöglich.
Ohne ein neues Konsensverfahren, wird es unmöglich sein, neue Regelwerke und
völkerrechtliche Vereinbarungen zu beschließen, welche die Zukunft der Erde und
Menschheit sichern. Eine strategische Option, die die ganze internationale
Konferenzdiplomatie umwälzen könnte, wäre die „Normierung eines neues
Konsensprinzips“. Es geht darum die „globale Logik des Misslingens“ des globalen
Governancesystems
zu
durchbrechen,
die
oftmals,
globale
Torheit
der
Konferenzdiplomatie zu überwinden und die internationale Staatengemeinschaft zu
helfen, das multilaterale Konsensdilemma zu überwinden.
Verankerung eines neuen Konsensprinzips (Wise Consensus - Verfahren) als
realpolitische Vorraussetzung für qualifizierte Problemlösungen:
Aufgrund des bekannten Konsensdilemmas der Staatengemeinschaft (des Wiener
Verfahrens), welches letztlich zu völlig unzureichenden Problemlösungen führt, sollte
41
der Konsultationsprozess mit einem neuem Konsensprinzip (Wise Consensus
Verfahren) arbeiten. Im Prinzip wird dieses neue Konsensprinzip implizit von vielen
praktiziert und vorausgesetzt – besonders von Wissenschaftlern.
Die Tabelle zeigt durch die brackets die Dissenspunkte.Im Bereich Globalisierung
gab es vor Johannesburg einen gewaltigen Dissens (93%), auch bei Finanzierung
und Handel – überall dort wo es um Fragen der globalen Gerechtigkeit geht. Mit dem
alten Nachhaltigkeitsparadigma können auch die Probleme nicht mehr qualifiziert
gelöst werden.
Ohne hier vertieft auf die Weisheitsdiskussion in Philosophie und den Religionen
einzugehen, kann sich der Wise Consensus an dem Weisheitsverständnis aller
Traditionen und des „Manifest für den Dialog der Kulturen“, einer Initiative von Seyed
Mohammas Chatami (Präsident der Islamischen Republik Iran), mit Unterstützung
der UN Generalversammlung und Kofi Annan, orientieren:
„Weisheit bedeutet ganzheitliches Verstehen, tiefe Selbsterkenntnis, eine
langfristige
Perspektive,
gesunden
Menschenverstand
und
gutes
Urteilsvermögen“ (Manifest38 2001, 101 f.) .
Weisheit zielt letztlich in der Polis – ob lokal, national oder global - immer auf die
Herstellung der Gerechtigkeit. Weisheit der Staatengemeinschaft auf die Schaffung
globaler Gerechtigkeit.
38
Annan, Kofi: Brücken in die Zukunft. 2001
42
In der diplomatischen Konsensfindung zählen aber andere „Spielregeln“, welche für
viele Beteiligte (Regierungen, Wissenschaftler, NGOs) zu großen Frustrationen
führen.
Mit den bestehenden Konsens-Spielregeln wird sich ein neuer weiser
Konsens kaum erzielen lassen. D.h. hier müssen die Spielregeln verändert werden,
nur damit wird ein neuer weiser Konsens, eine völlig neue Weltordnung realpolitisch
„möglich“. Die bestehenden internationalen Konsens-Spielregeln sind für die
globalen Problemlösungen im 21. Jahrhundert nicht geeignet, weil diese dem
nationalstaatlichen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts entsprechen, d.h. auf
nationaler Vernunft und Interessen beruhen und damit permanent im Widerspruch
zum Maßstab der globalen Rationalität39/Weisheit geraten. In der Praxis führt dies
zu den bekannten, widersprüchlichen Regelungen (Inkohärenz) im globalen
Governancesystem und Regelwerken, z.B. zwischen den Regelwerken der WTO,
ILO, int. Sozial- und Umweltabkommen, Menschenrechten, etc. und wenig
wirksamen globalen Problemlösungen bei internationale Konferenzen.
15 July 2002, arising from the Bali PREPCOM
Ein typischer Text der int. Konferenzdiplomatie, wo sich die EU nicht auf eine 2 %
Steigerung der erneuerbaren Energien im Rahmen des Weltgipfels 2002 mit den
anderen Staaten verständigen konnte ! Nationale Vernunft blockiert die globale
Weisheit.
39
Die globale Weisheit wird hier im Sinne der „global kommunikativen Vernunft bzw. Rationalität“ verstanden,
zielt auf die Möglichkeit intersubjektiver globaler Verständigung und Konsens.
43
Kriterien des Wise Consensus -Verfahren
Widersprüchliche globale Regelungen sind letztlich die Hauptursache für die globale
Abwärtsspirale von weltweiten Umwelt- und Sozialstandards und den Untergang des
Nationalstaats. Die globale Weisheit muss dabei nicht nur die nationale Vernunft
transzendieren,
sondern,
ganzheitlich
sein,
d.h.
soziale,
ökonomische
und
ökologische Vernunft im Einklang denken – wirklich Vernunft sein. Eine „Welt in
Balance“ setzt Weisheit voraus. Letztlich sind mangelhafte globale Problemlösungen
Ausdruck einer einseitigen instrumentellen Vernunft40, die in letzter Konsequenz,
unter den heutigen Rahmenbedingungen der Globalisierung, in die Barbarei und zur
totalen Herrschaft einer eindimensionalen Weltökonomie führen (vgl. auch
Horkheimer, M.). Das weise Konsensprinzip basiert auf bester wissenschaftlicher
Erkenntnis; guter globaler Fachpraxis und Erfahrungen; gemeinsamer globaler Werte
(Grundlegende UN Normen und Werte), insbesondere des globalen Gemeinwohls,
der
globalen
Gerechtigkeit
Widerspruchsfreiheit
und
globaler
Nachhaltigkeit
Regelungen,
und
Erklärungen.
des
Das
Prinzips
Ziel
der
sind
widerspruchsfreie und kohärente Regelungen im globalen Governancesystem. Erst
mit
Weisheit
und
einer
neuen
Gerechtigkeit
werden
wirksame
globale
Problemlösungen im 21. Jahrhundert möglich. Die Spielregeln des neuen
Konsensprinzips (Wise Consensus) schließen globale „Nonsense Consense“, d.h.
global irrationale Lösungen absolut aus.
Ein neuer „Weiser Konsens“ oder eine
kohärenzstiftende globale Nachhaltigkeitsstrategie ist unter diesen Spielregeln
„realpolitisch“ möglich ! In der folgenden Tabelle wird der Unterschied aufgezeigt.
40
Horkheimer, M.: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. 1967
44
Alte Konsensprinzip der Staatengemeinschaft
Neue Konsensprinzip der
(das sog. Wiener Verfahren)
Staatengemeinschaft
(Wise Consensus-Verfahren)
Konsensfindung aufgrund:
Konsensfindung aufgrund:
Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner;
bester wissenschaftlicher und normativer Erkenntnis;
Ausblendung wissenschaftlicher Erkenntnisse (werden nur teilweise
guter globaler Fachpraxis und Erfahrungen;
oder gar nicht berücksichtigt);
gemeinsamer globaler Werte (Grundlegende UN Normen und
nationaler Vernunft;
Werte), insbesondere des globalen Gemeinwohls, der globalen
nationaler Interessensblockaden (Richtige Problemlösungen werden
Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit
aufgrund von nationalen Interessen blockiert).
des Prinzips der Widerspruchsfreiheit globaler Regelungen,
Erklärungen;
globaler Weisheit
Globale Folgen:
Globale Folgen:
Wenig wirksamen globale Problemlösungen im 21. Jahrhundert;
Weise, gerechte, widerspruchsfreie und kohärente Regelungen im
widersprüchliche und inköhärente Regelungen im globalen
globalen Governancesystem. Wirksame globale Problemlösungen
Governancesystem z.B. zwischen WTO, ILO, Menschenrechten, etc. – im 21. Jahrhundert.
Überwindung des Prinzips der „nationalen Vernunft“
Verankerung des Prinzips der „globalen Weisheit/Vernunft“
Die Spielregeln des alten Konsensprinzip schließen globale
Die Spielregeln des neuen Konsensprinzips (Wise Consensus)
„Nonsense Consense“ Lösungen nicht aus.
schließen globale „Nonsense Consense“ Lösungen absolut aus.
Eine wissenschaftlich abgesicherte globale Nachhaltigkeitsstrategie ist Eine wissenschaftlich abgesicherte globale Nachhaltigkeitsstrategie
unter diesen Spielregeln „realpolitisch“ unmöglich.
ist unter diesen Spielregeln „realpolitisch“ möglich.
7 Eine neue globale Aufklärung
Der globale Maßstab der Weisheit
Ein zentrales Kriterium für die Findung eines weisen Konsens ist der Maßstab der
globalen Weisheit, womit eine neue Aufklärung einhergeht. Ziel der zweiten
Aufklärung41 , die im 21. Jahrhundert als globale Aufklärung zu verstehen wäre, ist
es, den bestehenden globalen Konsens, den damit zugrundeliegender Ansichten und
Weltbilder (dem globalen Paradigmen) und den daraus resultierenden Regelwerke
einer kritischen, am Maßstab der Weisheit42 orientierenden Prüfung zu unterziehen
und falls diese der Prüfung nicht standhalten, diese zu revidieren bzw. durch andere,
am Maßstab Weisheit entwickelten, neuen Global Consensus und Regelungen zu
ersetzen.
41
Wurde von Günther Altner und Ernst Ulrich von Weizsäcker in den globalen Diskurs eingebracht. Ernst Ulrich von
Weizsäcker: Grenzen der Privatisierung. In: Global Marshall Plan Initiative. Impulse für eine Welt in Balance. 2005
42
Der ursprüngliche Begriff „globale Vernunft“ wurde hier durch Weisheit ersetzt.
45
Im Zentrum stehen dabei die Entmythologisierung moderner Dogmen, Mythen,
Ideologien und überholte Theorien, welche maßgeblich dafür verantwortlich sind,
dass die Weltzivilisation in den ökologischen, sozialen und ökonomischen Kollaps
hineinsteuert. Wenn wir die heutige Welt und die Weltprobleme als „Objektivierung
des Geistes“ verstehen, so sind die nicht-nachhaltigen WTO Regeln – Schöpfungen
des Geistes. Dann eröffnen sich völlig neue Verstehens- und Erklärungsräume für
die globale Grenzsituation. Die Ursachen für die heutige „globale Grenzsituation“
sind geistigen, ja sogar profanreligiösen Ursprungs. Der „Glauben an den freien
Markt“ – die Wohlfahrt der Nationen, trägt zu weilen heilsideologische Züge.
Ein Werkzeug der globalen Aufklärung ist besonders der Dialog43. Nur durch den
problemorientierten Dialog, problematisch gewordener globaler Regelungen und
Regelwerke, können wir zu einem neuen tragfähigen Konsens für neue globale
Regelungen finden. Ohne intensiven globalen Dialog mit und zwischen den
Regierungen, der Weltbürger- und zivilgesellschaft, den Weltreligionen, den
Unternehmen und Weltreligionsgemeinschaften, wird kein neuer weiser Konsens
möglich sein.
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Ralf Klemens STAPPEN
Ralf Klemens Stappen berät als Nachhaltigkeitswissenschaftler (Sustainability Scientist) Kommunen,
Unternehmen und Regierungen. Er ist seit 1989 Mitglied der International Academy of Science / International
Council for Scientific Development (ICSD). R.K. Stappen forschte und lehrte an der Katholischen Universität
Eichstätt, der ETH Lausanne (Gastdozent) und der Universität Witten-Herdecke (Lehrbeauftragter).
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