Projektberichts - Centrum für soziale Investitionen und Innovationen

Transcription

Projektberichts - Centrum für soziale Investitionen und Innovationen
CSI
Centrum für soziale
Investitionen & Innovationen
Centre for Social Investment
CSI FORSCHUNG
|
ABSCHLUSSBERICHT
Erfolgsbedingungen staatlichphilanthropischer Bildungspartnerschaften
Ekkehard Thümler
CSI
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der fördernden Stiftung
4
Vorwort6
Danksagung8
Autoren9
1
Einleitung 11
1.1
Problematik staatlich-philanthropischer Partnerschaften
1.2
Fragestellung und Ziele
1.3
Zentrale Begriffe
1.3.1 Stiftungen und Staat
1.3.2Partnerschaften
1.3.3 Soziale Innovation
1.3.4Erfolg
1.4
Stand der Forschung
1.4.1 Partnerschaften als vielversprechende Problemlösungsinstrumente
1.4.2 Grenzen von Partnerschaften
1.4.3 Erfolgsfaktoren öffentlich-privater Partnerschaften
1.4.4 Offene Fragen
1.4.5 Projektdesign und Datengrundlage
1.5
Aufbau der Studie
11
12
13
13
13
13
14
15
16
16
17
18
18
21
2
22
Fallstudien (mit Matthia Nelles)
2.1DeutschSommer
2.1.1 Der Programmansatz
2.1.2 Entwicklung und Status quo
2.1.3 Partner und Netzwerk
2.1.4Zielerreichung
2.2
Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz
2.2.1Programmansatz
2.2.2 Entwicklung und Status quo
2.2.3 Partner und Netzwerk
2.2.4Zielerreichung
2.3Jacobs-Sommercamp
2.3.1Projektansatz
2.3.2 Entwicklung und Status quo
2.3.3 Partner und Netzwerk
2.3.4Zielerreichung
2.4
Netzwerke für Bildungspartner
2.4.1Projektansatz
2.4.2 Entwicklung und Status quo
2.4.3 Partner und Netzwerk
2.4.4Zielerreichung
2.5
Selbstevaluation in Schulen (SEIS)
2.5.1Projektansatz
2.5.2 Entwicklung und Status quo
2.5.3 Partner und Netzwerk
2.5.4Zielerreichung
2
22
22
23
24
24
25
26
26
27
27
27
28
29
29
30
31
31
32
33
33
34
34
35
36
36
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
2.6
Selbstständige Schule
2.6.1Projektansatz
2.6.2 Entwicklung und Status quo
2.6.3 Partner und Netzwerk
2.6.4Zielerreichung
37
37
38
39
39
3
41
Die Rolle von Netzwerken
3.1
Erfolg von Partnerschaften: Wirkung in der Fläche oder Innovation in Nischen?
3.2
Innovative Nischen als Ergebnisse von Partnerschaften
3.3
Von Partnerschaften zu Innovationsnetzwerken 3.4
Effektivität von Netzwerken: Probleme und Prozessphasen
3.4.1 Problemtypen
3.4.2 Der Innovationsprozess
3.5Netzwerktypen
3.5.1 Explorative Netzwerke
3.5.2Entwicklungsnetzwerke
3.5.3Leadorganisationen
3.5.4Konsortien
3.6
Wandlungsfähigkeit von Innovationsnetzwerken 3.7Fazit
41
42
43
44
44
45
46
46
47
49
50
51
52
4
53
Nischen als Bausteine systemischer Innovation
4.1
Wege aus der Nische
4.2
Nischen neu bewertet
4.3
Die Relevanz innovativer Nischen für den Prozess sozialer Innovation
4.4
Die Bedeutung von Netzwerken für Nischenprozesse
4.5
Strategisches Nischenmanagement in der Praxis
4.6Fazit
54
55
55
58
59
61
5
Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke
62
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Auf Pilotprojekte und flächendeckende Verbreitung verzichten
Strategisches Nischenmanagement erproben
Vernetzte Problemlösungsgemeinschaften als Instrumente einsetzen
Innovationsnetzwerke problemorientiert gestalten Wissen über strategisches Nischenmanagement vertiefen
62
62
63
63
64
Literatur65
3
CSI
CSI
Vorwort der fördernden Stiftung
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen und gerade auch mit staatlichen Stellen gehört seit jeher
zur Praxis und zum Selbstverständnis der Robert Bosch Stiftung. Die Bedeutung, die wir solchen Partnerschaften beimessen, hat dabei ganz praktische Gründe. Als Stiftung ist es
unser Ziel, nachhaltigen sozialen Wandel zu befördern. Gerade
im Bildungsbereich ist dies nur in der Zusammenarbeit mit
staatlichen Partnern möglich. Zum einen, weil wir uns hier
in einem Kernbereich staatlicher Kompetenz bewegen, die zu
respektieren für uns eine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen, weil wir uns in beinahe allen unseren Projekten vor eine
zentrale Herausforderung gestellt sehen: Wie gelingt es, von
begrenzten Pilotprojekten zu breiterer Wirkung zu kommen?
Die Annahme liegt nahe, dass die Zusammenarbeit mit staatlichen Partnern zumindest ein Teil der Antwort auf diese Frage
sein muss. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, dieses
Thema systematischer zu erörtern. So förderten wir dazu zwei
Workshops, die 2008 und 2009 von der Deutschen Kinder- und
Jugendstiftung durchgeführt wurden. In diesem Rahmen wurden die Perspektiven und die Expertise beteiligter Praktiker
aus Politik, Administration und Stiftungen gesammelt und
ausgewertet.
Unsere eigenen, ganz konkreten Erfahrungen in Projekten wie
‚Netzwerke für Bildungspartner‘ zeigen, wie sinnvoll und konstruktiv, aber auch wie herausfordernd solche ‚systemischen‘
Formen der Zusammenarbeit sein können. In dem genannten
Vorhaben etablierten wir gemeinsam mit dem Land BadenWürttemberg und der Breuninger Stiftung eine Infrastruktur
zur Förderung von Initiativen, die sich die Aktivierung der
Eltern von Schulkindern mit Migrationshintergrund zum Ziel
gesetzt haben.
Wie bei der Bearbeitung dieser sehr komplexen, beharrlichen
und grundlegenden Herausforderungen nicht anders zu erwarten ist, blieben bei den genannten Diskussionen und Projekterfahrungen eine Reihe Fragen offen. Diese Feststellung war
Anknüpfungspunkt für unsere Zusammenarbeit mit dem CSI
und der Grund, weshalb wir uns für die Förderung des Projekts ‚Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften‘ entschieden haben.
Ziel der Studie war insbesondere die Erarbeitung strategisch
relevanten Wissens im Sinne eines praktisch anwendbaren
Instrumentariums, das explizit für Entscheider sowohl in Stiftungen als auch für ihre Partner in Politik und staatlichen Verwaltungen relevant sein sollte.
4
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Die hier vorliegenden Ergebnisse sind für uns aus folgenden
Gründen relevant: Sie führen zu einer Neubewertung vorwiegend
projektorientierter, zeitlich begrenzter Stiftungsarbeit und lassen
gerade unsere langfristigen Programme wie etwa den Deutschen
Schulpreis und dessen Akademie in einem neuen Licht erscheinen. Die Überlegungen zu ‚strategischem Nischenmanagement‘,
also dem Auf bau bzw. der Vernetzung und Unterstützung einer
Vielzahl von Initiativen, die ganz pragmatisch an der Entwicklung
von effektiven Lösungen für die Probleme des Bildungsbereichs
tätig sind, eröffnen uns alternative Handlungsoptionen und Hinweise für die weitere Strategieentwicklung im Bildungsbereich.
Als entscheidend für die praktische Umsetzbarkeit dieser Forschungsergebnisse sehen wir dabei den Umstand an, dass über
solche grundlegenden Modelle hinaus eine ganz konkrete Typologie verschiedener Netzwerke samt einer Analyse ihrer Stärken
und Schwächen entfaltet wird. Dies ermöglicht uns künftig einen
zielgerichteteren und wirklich maßgeschneiderten Einsatz dieser
Instrumente und trägt so zur Professionalisierung von Stiftungsarbeit bei.
In den vergangenen Jahren wurde im Stiftungssektor eine engagierte Diskussion über Bedingungen und Grenzen sozialer Wirkung im Bildungsbereich und darüber hinaus geführt. Wir freuen
uns, dass diese Anliegen von der Forschung aufgenommen wurden und dass wir die Möglichkeit hatten, eine Studie zu fördern,
die geeignet ist, die Diskussion zu beleben und voranzubringen.
Wir wünschen uns daher, dass sich die hier vorgestellten Ergebnisse und Ideen für Praxis und Wissenschaft als fruchtbar und
für künftige Vorhaben im Feld der Bildungs- und insbesondere
der Schulreform als hilfreich erweisen werden. Wir würden uns
besonders freuen, wenn diese Impulse zur Entstehung neuer und
effektiverer Kooperation mit anderen Stiftungen und staatlichen
Akteuren führen und so dazu beitragen würden, die Erfolgsgeschichte der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Stiftungen
und Staat im Bildungsbereich fortzuschreiben.
Dr. Olaf Hahn
Leiter des Programmbereichs Bildung, Gesellschaft und Kultur
der Robert Bosch Stiftung
Stuttgart, November 2014
5
CSI
CSI
Vorwort
Im Verhältnis von Staat und Stiftungen beobachten wir in den
vergangenen Jahren eine Reihe bedeutender Veränderungen.
So ist im Stiftungssektor ein Prozess der Rationalisierung und
Professionalisierung im Gange, der durch Begriffe wie strategische Philanthropie oder soziale Investitionen gekennzeichnet
ist. Dieser Vorgang ist insbesondere durch eine zunehmende
Aufmerksamkeit auf soziale Wirkung, also auf die ganz konkreten Beiträge, die Stiftungen für die Gesellschaft leisten können, geprägt.
Gerade diejenigen Stiftungen, die sich eine Bearbeitung der
zentralen Herausforderungen moderner Gesellschaften – wie
etwa der Entwicklung eines leistungsfähigeren und gerechteren Schulsystems – zum Ziel gesetzt haben, stellen dabei fest,
dass ihre finanziellen Ressourcen, so beeindruckend sie auf
den ersten Blick auch sein mögen, bei weitem zu gering sind,
als dass sie alleine mehr als lediglich marginale Beiträge leisten könnten. Es stellt sich insofern unmittelbar die Frage nach
einer Zusammenarbeit mit staatlichen Partnern, die imstande
sind, die genannten Beschränkungen zu überwinden.
Nachdem auf staatlicher Seite lange eine gewissen Zurückhaltung gegenüber privatem Engagement in einem zentralen
Bereich hoheitlichen Handelns zu beobachten war, ist seit
einiger Zeit eine zunehmende Aufgeschlossenheit für Zusammenarbeit und Kooperation mit gemeinnützigen Partnern festzustellen – gerade auch in Bereichen wie der Sprachförderung
von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
oder der Arbeit mit ‚failing schools‘, in denen der Schuh wirklich drückt.
Diese positiven Entwicklungen werden jedoch durch den
Umstand beeinträchtigt, dass vertraute Handlungsroutinen
nur bedingt für solche Arrangements geeignet sind und das
bislang noch kaum gesichertes Wissen hinsichtlich der Frage
vorliegt, wie in der Praxis gemeinsam erfolgreich agiert werden
kann. Dieser Befund ist nicht unbedingt überraschend: Wir
bewegen uns hier im Bereich sozialer Innovationen, die gerade
von einem Abweichen von Routinen, dem Ausprobieren von
neuen Wegen und dem produktiven Umgang mit Unsicherheit
geprägt sind.
In einem Punkt besteht in den Diskussionen um adäquate
gemeinsame Problemlösungsstrategien jedoch hoher Konsens:
Komplexe Probleme können nur dann erfolgreich bearbeitet
werden, wenn unterschiedliche Akteure ihre je eigenen Ressourcen, Perspektiven und Kompetenzen beisteuern.
6
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
So entstehen Kooperationen, Partnerschaften, hybride Organisationen und Netzwerke, die in Szenarien sozialer Innovation eine
wichtige Rolle spielen, wenngleich wir heute noch nicht genug
darüber wissen, welche dieser Formate für die Bearbeitung welcher Probleme geeignet sind. Ohne einen verlässlichen Bestand
systematisch erarbeiteten und erprobten Wissens bleiben strategische Entscheidungen in den beteiligten Organisationen jedoch
auf bloß implizites Wissen oder die Intuition von Entscheidern
angewiesen.
Mit unserem Projekt ‘Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften’ schließen wir an diese Entwicklungen und Diskussionen in zweierlei Hinsicht an. Zum einen entwickelt die vorliegende Studie ein alternatives Modell von Prozessen sozialer
Innovation im Bildungsbereich. Es unterscheidet sich deutlich
von den vorherrschenden Denkweisen, die von einem eher linearen, rationalen und planbaren Prozess ausgehen und setzt ihnen
einen Ansatz entgegen, der die experimentelle Natur von Innovationen betont, die über lange Zeiträume hinweg auf geschützte
Orte angewiesen sind und die nur unter günstigen Umständen
und Dank des politischen Handelns maßgeblicher Akteure systemische Wirkung entfalten können.
Zum anderen knüpft die Arbeit an Forschungsergebnisse zur
Effektivität von sektorübergreifenden Netzwerken an, die bislang
vorwiegend aus dem angelsächsischen Bereich vorliegen, und
überträgt sie auf Prozesse sozialer Innovation im Bildungsbereich. So ermöglicht sie ein besseres Verständnis eines Phänomens, das für moderne Gesellschaften von maßgeblicher Bedeutung ist.
Insgesamt führt die vorliegende Studie so nicht nur zu einem
besseren Verständnis der Gelingensbedingungen kollaborativer
Innovationsprozesse im deutschen Bildungsbereich. Indem sie
grundlegende Wirkungsmodelle und konkrete Instrumente für
die Lösung sozialer Probleme anbietet, leistet sie vielmehr einen
grundlegenden Beitrag zur Erforschung von Prozessen sozialer
Innovation im Sinne einer Science of Improvement.
Dr. Volker Then
Geschäftsführender Direktor des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg
Heidelberg, November 2014
7
CSI
CSI
Danksagung
Das Projekt ‚Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften‘ untersuchte nicht nur die Beiträge unterschiedlicher Partner zu Gemeinschaftsprojekten von Stiftungen und Staat; es bedurfte auch selber der
Unterstützung durch viele verschiedene Beteiligte, denen an dieser Stelle
gedankt werden soll.
Ein erster, persönlicher Dank, geht an Annelie Beller und Mattia Nelles,
die mir bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Projekts unverzichtbare Unterstützung leisteten. Für kollegialen Rat und die gute und
freundschaftliche Zusammenarbeit, die weit über die Projektzeit hinausreicht, bedanke ich mich bei Volker Then und Georg Mildenberger.
Dieses Projekt kam auf Initiative der Robert Bosch Stiftung zustande und
wäre ohne ihre Förderung nicht möglich gewesen. Hierfür bedanke ich
mich ebenso wie für die gute und reibungslose Zusammenarbeit bei Olaf
Hahn, Michael Schulze und Christiane Kreher.
Das Vorhaben beruht auf den Vorarbeiten der Projekte ‚Strategies for
Impact in Philanthropy‘ und ‚Strategies for Impact in Education‘, die
durch ein Stiftungskonsortium aus Compagnia di San Paolo (Italien),
Fundaçao Calouste Gulbenkian (Portugal), Koning Boudewijnstichting
(Belgien), Stiftung Mercator (Deutschland) und Stiftelsen Riksbankens
Jubileumsfond (Schweden) ermöglich wurden. Deshalb geht ein erneuter
Dank auch an die Mitglieder dieses Konsortiums.
Den Teilnehmern des Expertengespräch in Heidelberg, Oliver Beddies,
Jean-Pierre Dällenbach, Wolfgang Kunze, Rainer Michaelis und HansGünter Rolff danke ich für Ihre Bereitschaft, sich mit den Projektergebnissen in einem frühen Stadium kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen.
Die Teilnehmer des Bildungsforschungskolloquiums in Heidelberg gaben
ebenfalls wertvolle Hinweise zur Fortentwicklung der Forschungsergebnisse und bekräftigten einmal mehr die interdisziplinäre Stärke der Universität Heidelberg. Hierfür bedanke ich mich insbesondere bei Birgit
Spinath, Heike Dietrich, Joachim Funke, Silke Hertel und Anne Sliwka.
Tobias Funk, Angelika Hüfner und Maximilian Müller-Härlin lasen
freundlicherweise das Policy Paper in einem frühen Stadium und gaben
wichtige Einschätzungen und Ratschläge zu Inhalt und Gestaltung.
Grundlage der Datenanalyse bildeten die Transkriptionen unserer Interviews, für die ich mich bei den Transkribierern Katja Huth, Kubilay
Karaer und Anne Kliebisch bedanke.
Abschließend sei all‘ unseren Interviewpartnern für ihre Bereitschaft
gedankt, uns offen und konstruktiv Auskunft über Ihre Beteiligung an
den untersuchten Vorhaben zu geben. Ohne ihre Unterstützung wäre dieses Forschungsprojekt nicht möglich gewesen.
8
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Autoren
Ekkehard Thümler
Ekkehard Thümler leitet seit Mai 2008 im Centrum für soziale Investitionen und Innovationen
(CSI) der Universität Heidelberg das Forschungsprogramm zur sozialen Wirkung von Stiftungshandeln. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Erforschung des Zusammenhangs
zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und den globalen Finanzmärkten. Zuvor war er von
2002 bis 2008 als Projektleiter für Bertelsmann Stiftung, Landesstiftung Baden-Württemberg
sowie Vodafone Stiftung tätig. Ekkehard Thümler hat einen Magisterabschluss in Philosophie
und Jura der Universität Göttingen. Er promoviert an der Universität Heidelberg zu Problemlösungsstrategien europäischer Stiftungen.
Mattia Nelles
Mattia Nelles war von 2013 bis 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am CSI tätig. Darüber
hinaus arbeitet er für das Berliner Unternehmen iversity im Bereich der Digitalisierung von
Hochschullehre. Zuvor absolvierte er ein Bachelorstudium der Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und der University of California, Berkeley.
9
CSI
CSI
Einleitung
Executive Summary
Innovationsnetzwerke, in denen Staat und Stiftungen partnerschaftlich zusammenarbeiten, sind
grundsätzlich für die Entwicklung neuer Lösungsansätze für die Probleme des Bildungsbereichs in
Deutschland geeignet. Sie erhöhen darüber hinaus
die Wahrscheinlichkeit, dass die einmal entwickelten Ansätze dauerhaft etabliert und stabilisiert
werden. Beides gilt jedoch nur für den Fall, dass
das gewählte Netzwerkformat jeweils passgenau
auf das bearbeitete Problem abgestimmt ist.
Explorative Netzwerke eigenen sich für die Phase
der Initiierung von Vorhaben. Sie werden eingesetzt um Stakeholder und Themen zu identifizieren und insgesamt ein besseres Verständnis des
Problems zu gewinnen. Entwicklungsnetzwerke
sind für die zeitlich begrenzte experimentelle Entwicklung und Implementierung neuer Vorhaben
geeignet. Netzwerke, die nicht von Partnern sondern nur von einer einzelnen Organisation gesteuert werden, sind eher für die dauerhafte Stabilisierung neuer Ansätze geeignet. Konsortien werden
für die Koordinierung einer größeren Anzahl von
Stakeholdern eingesetzt, deren Tätigkeit durch
eine Netzwerkmanagement-Organisation koordiniert wird. Die Bedingungen ihres effektiven Einsatzes sind noch unklar.
Zeitlich begrenzte Formen der Zusammenarbeit resultieren hingegen nicht in der f lächendeckenden Verbreitung von Innovationen und einer
nachweisbaren, signifikanten und umfangreichen
Leistungssteigerung des staatlichen Systems. Die
Ergebnisse sind vielmehr als begrenzte innovative Nischenaktivitäten auf lokaler bzw. regionaler
Ebene zu bewerten.
Staatliche und philanthropische Akteure sollten
daher herkömmliche Herangehensweisen, die auf
einen direkten Übergang von der Entwicklung
und Erprobung neuer Ansätze zu deren f lächendeckender Verbreitung setzen, infrage stellen.
Stattdessen sollte die Rolle von Nischen für Prozesse sozialer Innovation neu bewertet werden.
‚Inseln des Gelingens‘ sind häufig als vollkommen adäquate Problemlösungen auf lokaler Ebene
10
anzusehen. Sie spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle als Zwischenschritt in umfangreicheren Prozessen sozialer Innovation. Um weitreichendere Ergebnisse zu erzielen, sollte daher der
Ansatz des strategischen Nischenmanagements
als ein alternatives Handlungsmodell erprobt werden. Es setzt auf die langfristige Etablierung und
Vernetzung einer Vielzahl begrenzter Nischen als
Orten dauerhaften Lernens und Experimentierens
mit neuen Lösungen, die in der Absicht geschieht,
Bausteine für systemischen Wandel zu entwickeln.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
1.Einleitung
Einer der bedeutendsten internationalen Trends
im Bereich der öffentlichen Bildungssysteme ist
das zunehmende Zusammenspiel staatlicher und
privater Akteure (Meyer und Rowan 2006). Insbesondere das öffentliche Schulsystem entwickelt
sich immer mehr zu einer Arena, in der alte und
neue Akteure aufeinandertreffen, nicht zuletzt,
um die Qualität des Systems auf neue, kollaborative Weise zu verbessern (Thümler et al. 2014a).
Arrangements, in denen Stiftungen und staatliche
Akteure gemeinsam an der Lösung der vielfältigen
Probleme des Bildungsbereichs arbeiten, sind
dabei von besonderem Interesse. Einerseits werden
sie oftmals als Partner beschrieben, die einander
besonders gut ergänzen. Dieser Argumentationslinie folgend bringen Stiftungen die Flexibilität,
Kreativität, Risikobereitschaft und Innovationsbereitschaft mit, die dem Staat fehlen und können
deshalb innovative Modellvorhaben entwickeln.
Stiftungen sind jedoch vergleichsweise kleine
Akteure1 und aufgrund ihrer beschränkten Budgets und Mangels rechtlicher Kompetenzen
überfordert, wenn es darum geht, diese Ansätze
in einem relevanten Ausmaß ‚in die Fläche‘ des
Schulsystems hineinzutragen (Czerwanski 2000;
Hess 2005; Gerber 2006; Person et al. 2009).
Das öffentliche System hingegen wird zwar als
riskanten Experimenten weniger aufgeschlossen
angesehen, es stellt jedoch die Ressourcen, Technologien und rechtlichen Kompetenzen zur Verfügung, die benötigt werden um die Verbreitung
nachweislich wirksamer, innovativer Ansätze in
das Regelsystem zu ermöglichen und so zugleich
deren Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Auf diese
Weise, so wird angenommen, kann es in arbeitsteiliger Zusammenarbeit zwischen Stiftungen
und Staat gelingen, Wandel in ein wenig innovationsfreudiges öffentliches System hineinzutragen
(Gerber 2006; Bacchetti und Ehrlich 2007; DKJS
2009; Person 2009).
1 Um die Relationen zu verdeutlichen: Es ist davon auszugehen, dass der gesamte Betrag, den die deutschen Stiftungen in
einem Jahr in Vorhaben im Bildungsbereich investieren, vom
Staat an einem Vormittag ausgegeben wird (Thümler et al.
2014a: 7).
CSI
K apit el 1
www.CSI.UNI-HD.de
Dabei war zunächst die Annahme verbreitet, dass
eine gelungene Arbeitsteilung zwischen Stiftungen und Staat darauf hinausläuft, dass Stiftungen in eigener Initiative Lösungsmodelle entwickeln und diese sodann staatlichen Akteuren als
fertig entwickelte Produkte zwecks Übernahme
und Verbreitung zur Verfügung stellen – oder
sogar politischen Druck auf staatliche Stellen ausüben, um diese zu Veränderungen zu bewegen.
Gemäß diesen Überlegungen hängt viel von der
Fähigkeit von Stiftungen ab, mittels geeigneter
Instrumente und Strategien dafür zu sorgen, dass
auch kleine Budgets überproportional hohe Wirkung entfalten können: “philanthropic giving can
have a massively outsized impact – like a small
rudder steering a big ship” (Hess 2005: 297).
1.1Problematik staatlich-philanthropischer Partnerschaften
Die Forschung der vergangenen Jahre zeigt
jedoch, dass dieses Modell aus verschiedenen
Gründen recht fragwürdig ist. Zunächst einmal
ist in Hinblick auf das reale Veränderungspotential von Reformvorhaben im Bildungsbereich
grundsätzlich erhebliche Zurückhaltung ratsam.
So ist etwa der öffentliche Schulbereich ein hochkomplexes soziales und politisches System und
eines der größten Subsysteme moderner Gesellschaften überhaupt, dem regelmäßig eine hohe
Resistenz gegenüber genau der Art von Veränderungen bescheinigt wird, die Stiftungen anstreben (von Friedeburg 1992; Tyack und Cuban 1995).
Diese etwas ernüchternde Diagnose trifft jedoch
nicht nur für die staatliche Seite zu. Inzwischen
liegen verschiedene Studien vor, die die reale Wirkung von Stiftungen im Bildungsbereich in den
vergangenen Dekaden als gering einschätzen und
zu dem Schluss kommen, dass deren oftmals sehr
weitreichenden und systemverändernden Ambitionen bislang keinesfalls eingelöst werden konnten
(Connell und Klem 2002; Bacchhetti und Ehrlich
2007; Lagemann und de Forest 2007). Es ist darüber hinaus zweifelhaft, ob es Stiftungen überhaupt
gelungen ist, effektive Lösungsansätze in größerer
Zahl zu entwickeln. So konnte eine internationale
11
CSI
Einleitung
Recherche nach nachweislich wirksamen Stiftungsprogrammen nur wenige überzeugende Vorhaben identifizieren (Thümler et al. 2014b).
Als Ursache für diesen Befund werden dabei unter
anderem inadäquate Organisationsformen, mangelnde inhaltliche Kompetenzen (Bacchhetti und
Ehrlich 2007) sowie inadäquate Handlungsstrategien von Stiftungen genannt (Thümler et al.
2014b). Darüber hinaus besteht möglicherweise
weder auf staatlicher Seite noch unter Stiftungen
ein allgemeiner „Konsens, dass es überhaupt
gemeinsame Aufgaben gibt, die zu teilen wären
oder auch nur geteilt werden könnten – und worin
diese möglicherweise bestehen“ (DKJS 2008).
Vor diesem Hintergrund ging es im Rahmen
unserer Untersuchung darum, die Annahme zu
überprüfen, ob eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und Staat geeignet
ist, den genannten Herausforderungen wirksam
zu begegnen. Diesem Ansatz liegt das folgende
Argument zugrunde: Stiftungen und staatliche
Akteure müssen von vornherein gemeinsam an
der Initiierung, Entwicklung und Implementierung von innovativen Vorhaben beteiligt sein. Nur
durch solche engen Formen der Koproduktion, so
die Überlegung, wird gewährleistet, dass konkrete
staatliche Bedürfnisse und Erfordernisse von Stiftungen hinreichend berücksichtigt werden, und
nur so entsteht auf staatlicher Seite das nötige
commitment, um innovative Lösungen als eigene
zu begreifen und f lächendeckend in das System
einzubauen.
1.2Fragestellung und Ziele
Auf dieser Grundlage wurden die folgenden forschungsleitenden Fragestellungen formuliert:
■■ Sind staatlich-philanthropische Bildungspartnerschaften ein geeignetes Instrument für die
Entwicklung effektiver Instrumente zur Lösung
von Problemen des Bildungsbereichs? Falls ja,
unter welchen Umständen und in welchen Konstellationen?
■■ Führt partnerschaftliche Zusammenarbeit zu
f lächendeckender Verbreitung der entwickelten
Instrumente? Fall ja, auf welche Weise und mit
welchem Ergebnis? Falls nicht, warum nicht?
■■ Für welche Problemlagen erweisen sich Part-
12
nerschaften als ungeeignete Instrumente? Welche
Alternativen gibt es?
Die Studie beabsichtigte, praxisrelevantes Steuerungswissen zu generieren, das explizit für alle an
Bildungspartnerschaften beteiligten Parteien relevant sein sollte. Der vorliegende Projektbericht ist
insofern als eine Navigationshilfe gedacht, die den
Akteuren sowohl auf staatlicher als auch auf Stiftungsseite – und darüber hinaus auch möglichen
weiteren Beteiligten an kollaborativen Projekten –
eine konkrete Orientierung für ihre strategische
Planung ebenso ermöglichen soll, wie die Auswahl geeigneter Instrumente für die Durchführung innovativer Vorhaben.
Unsere Absicht ist dabei zunächst einmal, ein Verständnis davon zu vermitteln, welche Ergebnisse
mithilfe solcher Formen der Zusammenarbeit
erzielt werden können, und an welche Grenzen
diese stoßen. Im nächsten Schritt geht es darum,
ein Repertoire relevanter Formen der Zusammenarbeit zu identifizieren und deren Anwendungsbereich näher zu bestimmen. Auf dieser Grundlage wird es strategischen Planern möglich sein,
begründete Entscheidungen hinsichtlich der Fragen zu treffen, wann und in welcher Konstellation
derartige Partnerschaften geeignete Problemlösungsinstrumente sind bzw. wann sie nicht zum
Einsatz kommen sollten und welche Alternativen
ggf. möglich und sinnvoll sind.
In wissenschaftlicher Hinsicht sollen Erkenntnisse generiert werden, die einerseits an die
aktuelle internationale Forschung zu Rolle, Beiträgen und Funktionen von Stiftungen im Bildungsbereich (mit besonderem Augenmerk auf
partnerschaftliche Formate) anknüpfen und den
wissenschaftlichen Diskurs zu diesen Themen
vorantreiben können. Zum anderen soll ein Beitrag zur Erforschung der Rolle und Effektivität von
staatlich-philanthropischen Netzwerken geleistet
werden, der sich auf einen Bereich (Bildung), auf
Beteiligte (Stiftungen) und auf einen Zweck (soziale Innovation) erstreckt, die in der vorliegenden
Forschung bislang nur wenig berücksichtigt worden sind.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
1.3Zentrale Begriffe
1.3.2Partnerschaften
Für unser Vorhaben zentrale Begriffe wie ‚Stiftungen‘ und ‚Staat‘, ‚Partnerschaft‘, ‚Innovation‘
und ‚Erfolg‘ sind mehrdeutig und daher erläuterungsbedürftig. Im Folgenden soll daher näher
bestimmt werden, was darunter im Rahmen dieser Studie zu verstehen ist.
Die Zusammenarbeit von Staat und Stiftungen
spielt sich stets in einem Kontinuum verschiedener Abstufungen der Intensität ab, das von
zufälligen Überschneidungen gemeinsamer Tätigkeitsfelder über reine Auftragstätigkeiten bis hin
zu formalen Partnerschaften reicht (Person et al.
2009). Umgangssprachlich werden viele dieser
Kooperationsformen als Partnerschaft bezeichnet. Wir sehen staatlich-philanthropische Bildungspartnerschaften hingegen als einen ganz
speziellen Fall innerhalb eines sehr viel größeren Felds an, der laut Person et al. (2009) durch
Übereinstimmung („alignment“) hinsichtlich der
adressierten Probleme, der Projektziele, gewählter
Strategien der Problemlösung, eingesetzter Ressourcen sowie der Implementation gekennzeichnet ist. (Person et al. 2009: 14ff.) .
1.3.1 Stiftungen und Staat
Die von uns im Rahmen der Fallstudien untersuchten Stiftungen bilden ein breites Spektrum
philanthropischer Tätigkeit ab. Mit der Robert
Bosch Stiftung, der Bertelsmann Stiftung sowie
der Jacobs Foundation kommen drei der größten
unternehmensverbundenen Stiftungen Deutschlands bzw. der Schweiz in den Blick. Die Stiftung
Polytechnische Gesellschaft ist ebenso wie Die
Chance mit einem eigenen Stiftungsvermögen
ausgestattet, die letztere ist dabei als Verbrauchsstiftung organisiert, die ihr Vermögen im Laufe
der Zeit aufzehrt. Während die drei erstgenannten Stiftungen international aktiv sind, beschränken sich die Polytechnische Gesellschaft und Die
Chance auf einen regional eingegrenzten Tätigkeitsraum. Robert Bosch Stiftung, Jacobs Foundation und Polytechnische Gesellschaft sind sowohl
fördernd als auch operativ tätig (Jacobs mit einem
Schwerpunkt auf wissenschaftlicher Förderung),
die Bertelsmann Stiftung und die Chance ausschließlich operativ.
Soweit staatliche Akteure als Partner in einem
engeren Sinn (siehe unten unter 1.3.2) an den
untersuchten Vorhaben beteiligt waren, handelte
es sich ausschließlich um Länderministerien. In
der Regel waren dies die Kultusministerien der
Länder (Jacobs-Sommercamp, Selbstständige
Schule, SEIS), im Fall von Netzwerke für Bildungspartner aber auch Justiz- bzw. Integrationsministerium. Ist von Partnern in einem allgemeineren Sinn die Rede, der alle diejenigen Akteure
umfasst, die aktiv an einem Innovationsprozess
beteiligt waren bzw. sind, kommt ein sehr breites
Spektrum unterschiedlicher Organisationen auf
allen Ebenen staatlichen Handelns in den Blick.
Es reicht von einzelnen Schulen und Hochschulen
über Bezirksregierungen bis hin zu internationalen staatlichen Partnerorganisationen.
Wir definieren derartige Partnerschaften als
dauerhafte (d.h. mehr als nur ganz kurzfristige)
Formen der Zusammenarbeit zwischen staatlichen, philanthropischen und ggf. auch weiteren
Beteiligten, die auf gegenseitigem Einvernehmen
beruhen und zur Beförderung eines gemeinsamen
Zwecks – also hier: der Qualitätsentwicklung des
Bildungssystems – durchgeführt werden. Dabei
sind alle Partner gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse eingebunden, investieren eigene
Ressourcen und tragen gemeinsam die Risiken
des Vorhabens (Weihe 2008: 435; Forrer et al. 2010:
476).
1.3.3 Soziale Innovation
Im Zentrum dieser Studie steht die Untersuchung
von Prozessen sozialer Innovation. Unter diesem
Begriff werden in der Literatur neue Lösungen
für soziale Probleme verstanden, die sich dadurch
auszeichnen, dass sie zumindest einen effektiven
Beitrag zur Problemlösung leisten und sich darüber hinaus in mehr oder weniger großem Umfang
verbreiten (Zapf 1989: 177; Howaldt und Schwarz
2010: 54). Mit dem Begriff ‚Innovation‘ verbinden
sich umgangssprachlich indessen oftmals irreführende Vorstellungen von einem Prozess, der durch
inspirierte Impulsgeber vorangetrieben wird, die
neuartige Ideen oder Konzepte entwickeln und
die Mühen der eher trivialen Umsetzung anderen
13
CSI
K apit el 1
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Einleitung
überlassen. Dies ist hier nicht gemeint. Der Innovationsprozess erstreckt sich nicht lediglich auf
die Erfindung, sondern ganz wesentlich auf die
Implementierung und Etablierung neuer Ansätze.
Es geht dabei nicht um die Entwicklung möglichst
origineller neuer Ideen, sondern vielmehr darum,
ganz pragmatisch und mit langem Atem Lösungsmodelle zu erarbeiten. Wichtig ist darüber hinaus,
dass man sich den Prozess sozialer Innovation
nicht linear und damit planbar und berechenbar
vorzustellen hat. Innovationsprozesse laufen vielmehr zyklisch ab und sind von Zufällen und Planabweichungen gekennzeichnet. Das in Kapitel
3 vorgestellte Phasenmodell ist daher auch eher
als „nützliche Fiktion“ (Braun-Thürmann 2005:
38) zum Zwecke der Gliederung eines tatsächlich
oftmals viel komplexeren Prozesses zu begreifen denn als Beschreibung einer zielgerichteten
Abfolge immer gleicher Schritte.
1.3.4Erfolg
Unser Projekt beabsichtigte, den Zusammenhang
von Partnerschaften und dem Erfolg bzw. Misserfolg einzelner Vorhaben aufzuklären. Daher
ist ein klares Verständnis davon, was den Erfolg
staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften ausmacht, von wesentlicher Bedeutung
für unser Vorhaben. Erfolg kann jedoch entlang
ganz verschiedener Dimensionen konzipiert und
gemessen werden. McConnell (2010) schlägt etwa
eine Unterscheidung nach „Prozess“, „Politik“ und
„Programm“ vor.
Die Frage nach dem Prozess bezieht sich auf den
Ablauf einer Partnerschaft: Kam die Zusammenarbeit einvernehmlich zustande oder fühlten sich
Beteiligte zur Mitarbeit gedrängt? Verlief die Kooperation reibungslos bzw. wurden Probleme oder
Krisen konstruktiv gelöst oder nicht? Und ist nach
Abschluss des Vorhabens das Verhältnis der Projektpartner noch intakt oder sogar so tragfähig,
dass eine weitere, unter Umständen noch intensivere und belastbarere, Zusammenarbeit möglich
ist?
In politischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob die
Zusammenarbeit den Interessen der Beteiligten
entsprach bzw. förderlich war. Erfolg auf dieser
Ebene beinhaltet zunächst einmal die Außen-
14
wahrnehmung des Vorhabens als legitim und das
Ausbleiben von Kritik. Darüber hinaus zählen
insbesondere der Gewinn an Reputation sowie die
Erschließung neuer Finanzquellen oder wichtiger
Kontakte zu dieser Kategorie. Wenngleich diese
beiden Dimensionen von Erfolg sicherlich von
hoher Relevanz für den Erfolg innovativer Vorhaben sind, stehen sie nicht im Mittelpunkt unserer
Studie.
Wir konzentrierten uns mit unserer Untersuchung vielmehr auf die Programmebene, d.h.
die Frage, ob die Zwecke des Vorhabens realisiert
werden konnten. Im Rahmen unserer Studie wäre
es wünschenswert gewesen, einen einheitlichen
Vergleichsmaßstab für diese Zielerreichung festlegen zu können, – im Bildungskontext kann
etwa nach dem Eintreten von Vorteilen für die
Zielgruppe gefragt werden, die z.B. in gesteigerten Lernleistungen zum Ausdruck kommen.
Die untersuchten Projekte waren jedoch allzu
unterschiedlich und ließen sich deshalb nicht
auf einen einheitlichen, fallübergreifenden Maßstab für Erfolg reduzieren. Wir definierten Erfolg
bzw. Misserfolg daher im Sinne der Frage, ob die
Programme bzw. Projekte ihre intendierten Ziele
erreichten oder verfehlten. Dieses Kriterium ist
zwar nicht unproblematisch – so hatten etwa in
Vorhaben wie Selbstständige Schule wichtige
Projektbeteiligte unterschiedliche Auffassungen
von den Zielen des Vorhabens. Gleichwohl ließ
sich jedoch auf Grundlage einer Kombination
unterschiedlicher Quellen wie der Analyse von
Projektdokumenten und -publikationen (z.B.
Kooperationsverträgen), externen und möglichst
wissenschaftlichen Evaluationen sowie den Aussagen unserer Interviewpartner hinreichend genau
bestimmen, ob die Ziele klar und im Konsens
definiert waren oder nicht und ob sie sich über
die Zeit hinweg veränderten oder stabil blieben.
Abweichungen sind in den Fallstudien dokumentiert und wurden ggf. in unserer Datenanalyse
berücksichtigt.
Zudem ist das Kriterium ‚Programmerfolg‘ seinerseits mehrdeutig und umfasst sowohl Zielerreichung, als auch die Generierung von Vorteilen
für die Zielgruppe (McConnell 2010: 46). Dies
bedeutet zugleich, dass Aussagen über erfolgreich
erreichte Ziele im ersteren Sinne unabhängig von
der tatsächlichen Effektivität im Sinne sozialer
Wirkung der untersuchten Vorhaben sein kön-
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
nen. So fehlen für Vorhaben wie Selbstständige
Schule oder SEIS bislang überzeugende Belege
für deren Wirksamkeit im Sinne einer Steigerung
von Schulqualität, während beide Vorhaben hinsichtlich anderer Zieldimensionen wie etwa der
erzielten Reichweite als besonders erfolgreich
einzuschätzen sind. Das Projekt Jacobs-Sommercamp hingegen verbindet erfolgreiche Zielerreichung und Effektivität miteinander.
1.4Stand der Forschung
Die Forschung zu staatlich-philanthropischen
Partnerschaften ist bislang recht begrenzt und
in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Zunächst
einmal klammert sie die Perspektive staatlicher
Akteure regelmäßig fast vollständig aus. Der
Fokus liegt in der Regel auf Stiftungen als maßgeblichen Akteuren, was einen in zweifacher
Hinsicht problematischen Bias darstellt. Zum
einen politisch, weil der Staat tendenziell als von
privaten Stiftungen getriebener ‚gefesselter Riese’
porträtiert wird (z.B. Heifetz et al. 2003; Greene
2005; Hess 2005; Schöller 2006), was nicht ohne
Auswirkungen auf Fragen nach der Legitimität der beteiligten Akteure bleibt. Zum anderen
empirisch, weil klischeehafte Vorstellungen von
innovationsfreudigen und durchsetzungsfähigen
Stiftungen, die auf paralysierte Bürokratien treffen, der Realität nicht gerecht werden: In den vom
CSI im Rahmen der Forschungsprojekte Strategies for Impact in Philanthropy (SIP) und Strategies for Impact in Education (SIE) durchgeführten
Studien zu wirksamen Stiftungsvorhaben in den
Bereichen ‚gesellschaftliche Integration und Partizipation’ sowie ‚schulische und außerschulische
Bildung’ wurden ebenso wie in dem hier vorgestellten Projekt in aller Regel Partnerschaften
im eigentlichen Sinne des Wortes vorgefunden,
bei denen staatliche Akteure und Stiftungen bei
Anbahnung, Vorbereitung und Durchführung der
Vorhaben auf Augenhöhe agierten.
Des Weiteren ist es problematisch, dass insbesondere für Deutschland aber auch international
kaum empirisch fundiertes geschweige denn
theoretisch informiertes Wissen über staatlichphilanthropische Partnerschaften im Bildungsbereich vorliegt. Die Diskussion ist vielfach von eher
anekdotischer Evidenz geprägt und wird daher
wissenschaftlichen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit nicht gerecht. Erforderlich sind hingegen verlässliche Daten, die auf
nachvollziehbare Weise erhoben werden, sowie
Analysen, die nicht lediglich die herkömmlichen
Annahmen der Stiftungs- und Nonprofitpraxis
fortschreiben, sondern auf einer Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur aus Bildungs- und Innovationsforschung beruhen.
Diejenigen Untersuchungen, die diese Anforderungen erfüllen, klammern hingegen bislang
weitgehend die Frage aus, ob die Ziele der Kooperation erreicht bzw. ob überhaupt ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen wurde und welche
ursächliche Rolle die Kooperation dafür spielte
(Person et al. 2009; Almog-Bar und Zychlinski
2014). Der Grund dafür ist sicherlich nicht zuletzt
in dem Umstand zu sehen, dass der Erfolg solcher
Vorhaben angesichts einer Reihe methodischer
Probleme – unklare Zielformulierungen, Mangel
an verlässlichen Evaluationen sowie die Problematik, was jeweils unter ‚Mehrwert‘ bzw. Erfolg zu
verstehen ist – oft auch nur sehr aufwändig und
schwierig zu bestimmen ist.
Wenn jedoch die Charakterisierung von Stiftungen als Motoren gesellschaftlicher Innovation
und staatlichen Einrichtungen als reformbedürftigen Orten organisatorischer Trägheit allzu holzschnittartig ist, und wenn öffentlich-philanthropische Bildungspartnerschaften nicht bereits
als solche erfolgversprechend sind, ist näher zu
klären, welche Ressourcen und Fähigkeiten welcher Partner in welcher Konstellation in Anschlag
gebracht werden müssen, damit die jeweils angestrebte Problemlösung zustande kommt. Es ist
darüber hinaus zu bestimmen, welche Reichweite
solche Lösungen haben können und an welche
Grenzen sie stoßen.
Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden
haben wir unsere Recherche auf die umfangreiche
Literatur zu organisationaler bzw. sektor-übergreifender Zusammenarbeit im Allgemeinen (wie z.B.
im Rahmen von PPPs), sowie zu Kooperationen
zwischen Staat und Nonprofit-Organisationen
im Besonderen, ausgeweitet. Dabei werden ganz
verschiedene Akteure untersucht, deren Tätigkeit
in unterschiedlichen Bereichen auf vielfältige
Weise miteinander verknüpft ist – das Spektrum
reicht von Infrastrukturmaßnahmen bis hin
15
CSI
K apit el 1
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Einleitung
zu Entwicklungshilfeprojekten. Die Intensität
der Zusammenarbeit reicht dabei von zufälligen
Überschneidungen gemeinsamer Tätigkeitsfelder
bis hin zu genuinen Partnerschaften (Person et al.
2009).
1.4.1 Partnerschaften als vielversprechende Problemlösungsinstrumente
Die untersuchte Literatur weist bemerkenswerte
Parallelen zum Diskurs über die Kooperation zwischen Stiftungen und Staat im Bildungsbereich
auf. Allen Arbeiten ist zunächst einmal gemeinsam, dass sie die hohen Erwartungen betonen, die
an Partnerschaften geknüpft sind wenn es darum
geht, Innovationen zu generieren, soziale Probleme zu lösen bzw. öffentliche Dienstleistungen
effektiver und effizienter zu gestalten (Bidault
und Cummings 1994; Gazley und Brudney 2007;
Almog-Bar und Zychlinski 2014). Gerade öffentlich-private Partnerschaften werden regelmäßig
als innovative Governance-Arrangements angesehen, die sich, jedenfalls im Prinzip, besser als herkömmliche vertraglich geregelte Vereinbarungen
zwischen staatlichen Auftraggebern und privaten
Auftragnehmern für die Bearbeitung komplexer Probleme in modernen Industriegesellschaften eignen in denen die verschiedenen Akteure
voneinander abhängig, Ressourcen endlich und
Lösungsstrategien unklar sind (Klijn und Teismann 2000; Lewis 2004; Bryson et al. 2006; Hodge
und Greve 2007; Forrer et al. 2010).2
Grundlegende Idee ist dabei stets, dass komplexe
soziale Probleme moderner Gesellschaften nicht
(mehr) von einzelnen Akteuren alleine und im
Rahmen hierarchischer Strukturen gelöst werden
können. Gerade die Kombination unterschiedlicher Stärken und Schwächen und die Öffnung
von Räumen für gleichberechtigtes Nachdenken
und Handeln macht die Pointe sektor-übergreifender Zusammenarbeit aus, die es staatlichen
Akteuren ermöglicht, die besonderen Ressourcen
privater Organisationen für die Lösung sozialer Probleme zu mobilisieren (Forrer et al. 2010).
Diese Bewertung führt zuweilen sogar zu einem
2 Die Situation im deutschen Bildungsbereich ist insofern
ein guter Anknüpfungspunkt für unsere Untersuchung, als sie
durch eben diese Eigenschaften gekennzeichnet ist.
16
Verständnis von Partnerschaften als einem Allheilmittel für die Lösung gesellschaftlicher Probleme, das unabhängig von den Anforderungen
der ganz konkreten Problemsituation einzusetzen
ist. In diesem Zusammenhang ist auch vom „buzz
of partnerships“ (Ostrower 2005) die Rede.
1.4.2 Grenzen von Partnerschaften
Partnerschaften können derartig hohen Erwartungen jedoch keinesfalls gerecht werden. Die
Literatur diagnostiziert regelmäßig eine Spannung zwischen der hohen Bedeutung, die Partnerschaften beigemessen wird einerseits, und der
empirischen Realität solcher Formen der Zusammenarbeit andererseits – insbesondere auch was
deren konkrete Ergebnisse anbelangt. So kommen
Untersuchungen der Effektivität von PPPs hinsichtlich der Lösung sozialer Probleme zu sehr
gemischten Befunden (z.B. Geddes und Bennington 2001 für Partnerschaften auf lokaler Ebene in
Großbritannien). Gerade die Unterschiedlichkeit
der beteiligten Partner wird nicht nur als Stärke,
sondern auch als bedeutendes Hindernis für den
Erfolg angesehen (Klijn und Teismann 2000; Bryson et al. 2006). Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass mit Partnerschaften stets signifikant
erhöhte Transaktionskosten einhergehen, die
umso höher ausfallen, je intensiver die Zusammenarbeit ist (Person et al. 2009: 27). Für den
Bereich industrieller Allianzen haben Bidault und
Cummings (1994) grundsätzliche Spannungen
zwischen dem dynamischen innovativen Prozess
und den vertraglich festgelegten Strukturen und
Prozeduren von Partnerschaften diagnostiziert.
Es kommt hinzu, dass Effektivität nur ein relevanter Aspekt der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Akteuren ist. Fragen nach
der Rechenschaftslegung und demokratischen
Teilhabemöglichkeiten in solchen Arrangements
werden als weitere kritische Aspekte von Partnerschaften genannt, weil diese eine klare Linie
zwischen staatlichen und privaten Aufgaben und
Zuständigkeiten – und daher auch Verantwortlichkeiten – verwischen (Forrer et al. 2010). Vor
diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass
die Konjunktur von Public-Private Partnerships
des Öfteren als Produkt neo-konservativer und
neo-liberaler Privatisierungsideologie kritisiert
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
wird (Linder 1999), obwohl sie an sich von bloßer
Privatisierung oder dem Outsourcing staatlicher
Zuständigkeiten zu unterscheiden sind (Forrer et
al. 2010: 476).
Ungeachtet aller partnerschaftlichen Rhetorik
wird ebenfalls eine Gefährdung der Unabhängigkeit von Nonprofit-Organisationen befürchtet.
So gab Dahrendorf zu bedenken: „Is not the seemingly mutual embrace of government and the
voluntary sector a threat especially to the weaker
partner of the love affair? Is there not an issue of
independence, which is the oxygen of charity but
stif led by the f lirt with political power?“ (Dahrendorf 2001: 8).
Es ist daher davon auszugehen, dass sektorübergreifende Partnerschaften keinesfalls als
Wert an sich anzusehen sind und die mit ihnen
verknüpften hohen Erwartungen sich jedenfalls
nicht pauschal als gerechtfertigt erweisen. Gerade
auch die Effektivität solcher Arrangements ist in
hohem Maße von den Eigenschaften der jeweiligen Problemsituation abhängig, die in der Regel
nicht generalisiert werden können. Mit anderen
Worten: Es gibt nicht die eine erfolgreiche Strategie für erfolgreiche sektor-übergreifende Partnerschaften; vielmehr lässt sich die Frage, ob
eine Partnerschaft überhaupt sinnvoll ist oder ob
Alternativen besser für die Problembearbeitung
geeignet sind, und wie sie ggf. konkret ausgestaltet werden sollten, nur in Bezug auf ein konkretes
Problem beantworten (Person et al. 2009; Forrer
et al. 2010).
1.4.3 Erfolgsfaktoren öffentlichprivater Partnerschaften
einstimmende Ziele verfolgen und sich dabei auf
eine gemeinsame Lösungsstrategie einigen können. Denn nur unter dieser Voraussetzung können die Partner ihre unterschiedlichen Stärken
optimal ausspielen und ihre Aktivitäten gut miteinander synchronisieren (Bryson et al 2006; Persson et al. 2009).
Begrenzte Komplexität: Dies führt auch dazu, dass
kleinere, kurzfristigere und weniger komplexe
Vorhaben den Erfolg wahrscheinlicher machen,
weil große Projekte mit einer Vielzahl verschiedener Beteiligter auf unterschiedlichen Ebenen
ein höheres Risiko abweichender Problem- und
Zieldefinitionen mit sich bringen. Unter Umständen kann sich daher auch ein geringeres Budget
vorteilhaft auf die Effektivität einer Partnerschaft
auswirken (Almog-Bar und Zychlinski 2014).
PPPs werden hingegen als weniger gut für die
langfristige Bearbeitung und Lösung sehr komplexer Probleme angesehen (Person et al. 2009).
Die Ursache hierfür ist in dem Umstand zu sehen,
dass klar definierte und eng zugeschnittene Probleme potentiellen Partnern die Einschätzung
erleichtern, ob gemeinsame Lösungsstrategien
möglich und mit den jeweiligen organisationalen
Kapazitäten und Werten vereinbar sind. Ambiguität und Komplexität der Problemsituation, wie
etwa im Falle so umfangreicher Vorhaben wie des
globalen Kampfs gegen Malaria, sind hingegen für
erfolgreiche Partnerschaften hinderlich (Person et
al. 2009: 24). Hinzu kommt der Umstand, dass auf
die Dauer die erhöhten Transaktionskosten von
Partnerschaften deren Vorteile überwiegen können.
Allerdings lassen sich zumindest eine Reihe
grundlegender Muster identifizieren, die in der
Literatur weitgehend übereinstimmend als wichtige, wenngleich auch sehr allgemeine, Erfolgsfaktoren für Partnerschaften genannt werden. Diese
Erfolgsfaktoren lassen sich in der Umkehrung
natürlich ebenso treffend als Faktoren für den
Misserfolg von Partnerschaften formulieren.
Komplementarität: Angesichts des Aufwands, den
Partnerschaften verursachen, sind sie überhaupt
nur dann sinnvoll, wenn die Beteiligten Ressourcen unterschiedlicher Art (Wissen, Geld, Kontakte, Managementkompetenzen) mitbringen, die
für die Zielerreichung jeweils notwendig sind und
über die andere Partner nicht verfügen (AlmogBar und Zychlinski 2014). Diese Ressourcen sind,
anders als man zunächst annehmen könnte, nicht
typischerweise bestimmten Akteuren zuzuordnen.3 Die erforderlichen Ressourcen ebenso wie
Problemdefinition: Partnerschaften sind am
ehesten dann erfolgreich, wenn die Beteiligten
wirklich dieselben Probleme bearbeiten und über-
3 So trug etwa in Netzwerke für Bildungspartner und Selbstständige Schule der Staat den Großteil der Kosten während
die Stiftungen das Vorhaben koordinierten und teils auch die
operative Arbeit leisteten. Das Jacobs-Sommercamp hingegen
17
CSI
K apit el 1
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Einleitung
geeignete Partner müssen daher passgenau auf die
jeweilige Problemsituation bzw. Lösungsstrategie
zugeschnitten werden.
Vertrauen und Gemeinsamkeit: Als weiterer
Erfolgsfaktor wird in der Literatur ein hohes Maß
an Vertrauen und gegenseitigem Respekt auf
unterschiedlichen Ebenen der Zusammenarbeit
genannt, die beispielsweise durch die Einbindung
von Beteiligten auf unterschiedlichen Ebenen,
aber auch die Partizipation wichtiger Entscheider
herbeigeführt werden kann. Als ein wichtiger vertrauensbildender Aspekt und charakteristisches
Merkmal von Partnerschaften wird die mehr oder
weniger gleichberechtigte Einbindung der beteiligten Partner in alle relevanten Prozesse und Entscheidungen gesehen (Klijn und Teismann 2000;
Sandfort 2008).
1.4.4 Offene Fragen
Auf Grundlage der genannten Forschungsergebnisse lassen sich indes noch keine schlüssigen
Antworten auf die Fragestellung unserer Studie
formulieren. Es ist zwar davon auszugehen, dass
die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Bildungspartnerschaften umso größer ist, je mehr die
Beteiligten vertrauensvoll zusammenarbeiten und
ein gemeinsames Verständnis der zu bearbeitenden Probleme und der angestrebten Lösungen
haben, je weniger komplex die gemeinsamen Vorhaben sind und je mehr die von den unterschiedlichen Beteiligten eingesetzten Ressourcen als
komplementär einzuschätzen sind.
Unsere Studie fragt jedoch danach, wann partnerschaftliche Vorhaben überhaupt sinnvoll sind und
wann nicht. Diese Frage ist sozusagen im Vorfeld
der oben genannten Erfolgsfaktoren zu beantworten, denn bevor Partner ein gemeinsames Ziel
festlegen bzw. sich über die erforderlichen Ressourcen zur Problemlösung verständigen können,
muss ja zunächst die Entscheidung getroffen werden, ob eine Partnerschaft überhaupt sinnvoll ist,
oder nicht, und wie sie konkret gestaltet sein soll.
Im Folgenden wird daher näher beschrieben, wie
wurde maßgeblich von der Jacobs Foundation finanziert, vom
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und dem Bremer
Bildungssenat koordiniert und vom Goethe-Institut als Auftragnehmer durchgeführt.
18
unser Forschungsprojekt gestaltet war, um einer
Antwort auf die genannten Fragen näherzukommen.
1.4.5 Projek tdesign und Datengrundlage
Das Projekt Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften wurde von der Robert Bosch
Stiftung gefördert und vom Centrum für soziale
Investitionen und Innovationen der Universität
Heidelberg von 2013 bis 2014 durchgeführt. Es
untersuchte die Frage, ob und inwiefern öffentlich-private Partnerschaften zwischen gemeinnützigen Stiftungen und staatlichen Akteuren
unterschiedlicher Funktionen und hierarchischen
Ebenen (z.B. aus Bildungspolitik, Bildungsadministration und Schulpraxis), geeignet sind, einen
substantiellen Beitrag zur Lösung der zahlreichen
und vielgestaltigen Probleme des staatlichen
Schulsystems in Deutschland zu leisten. Wir gingen dabei von der Annahme aus, dass dieser Beitrag nur dann zustande kommen kann, wenn es
im Rahmen solcher Kooperationen gelingt, effektive Problemlösungsinstrumente zu entwickeln,
diese Arrangements nachhaltig zu stabilisieren
und über bloß lokale Pilotprojekte hinaus ‚in die
Fläche‘ des Schulsystems zu verbreiten.
Das Projekt zielte daher darauf ab, die Gestalten,
Funktionen und Ergebnisse partnerschaftlicher
Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Akteuren und privaten Stiftungen systematisch und mit Blick auf ihre Relevanz für die
Lösung der Probleme von Bildungseinrichtungen
bzw. Bildungsprozessen im deutschen Schulsystem zu untersuchen.
Im Rahmen des Vorhabens wurden Aktivitäten im
allgemeinbildenden und beruf lichen Schulsystem
und an dessen Schnittstellen untersucht. Damit
waren insbesondere solche Vorhaben von der
Untersuchung ausgeschlossen, die sich auf frühkindliche Bildung oder den tertiären Bildungsbereich konzentrieren.
Wir gingen dabei in den folgenden Schritten vor:
Mittels einer Aufarbeitung der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur wurde zunächst die
theoretische Grundlage für die weitere Studie
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
mit dem Ziel gelegt, sowohl die Fragestellung des
Projekts als auch die empirische Erhebung zu
präzisieren und um weitergehendes Wissen anreichern zu können. Die Literaturrecherche wurde
um das Screening vorhandener Fallstudien aus
den Vorgängerprojekten Strategies for Impact in
Philanthropy und Strategies for Impact in Education hinsichtlich der neuen Fragestellung ergänzt.
In beiden Vorhaben war bereits systematisch die
Frage nach der sozialen Wirkung von Stiftungsengagement (im Falle von SIE für Vorhaben in
europäischen und nordamerikanischen Ländern
während der Pf lichtschulzeit) untersucht worden
(Thümler et al. 2014). Insofern konnte für das Bildungspartner-Projekt auf umfangreiches Hintergrundwissen und Datenmaterial zurückgegriffen
werden.
An diese erste Projektphase schloss sich die empirische Phase an. Dabei wurde den oben genannten Fragestellungen bei der Fallauswahl insofern
Rechnung getragen, als nur solche Vorhaben ausgewählt wurden, bei denen sich mit hinreichender
Zuverlässigkeit einschätzen ließ, ob sie ihre Ziele
erreicht hatten, oder nicht. Um diese anspruchsvolle Bewertung vornehmen zu können, wurden
vorwiegend Fälle aus der vorhergehenden SIEStudie ins Sample aufgenommen, ergänzt durch
lediglich eine weitere neue Fallstudie (Netzwerke
für Bildungspartner). Dieses Vorgehen ermöglichte es, unsere Einschätzung auf Grundlage
bereits vorliegender externer Evaluationen und
projekteigener Dokumente (wie z.B. Vertragstexten oder Projektpublikationen), sowie eigener
Forschungsergebnisse aus SIE zu treffen. Unsere
Name
1
Träger bzw. Partner
Bewertung wurde im Verlauf der Fallstudien
anhand der Aussagen der Interviewpartner überprüft und ggf. angepasst.
Wir gingen dabei davon aus, dass sich die charakteristischen Merkmale genuiner Partnerschaften im Bildungsbereich ebenso wie strategische
Handlungsoptionen am besten herausarbeiten
lassen, indem ein möglichst breites Spektrum verschiedener Fälle ins Sample aufgenommen wird,
um auf diese Weise Kontraste und Spielräume
deutlich zu machen. Deshalb untersuchten wir
zum einen staatlich-philanthropische Partnerschaften im engeren Sinn (Selbstständige Schule,
SEIS), aber auch eine trilaterale Partnerschaft zwischen Stiftung, Staat und Wissenschaft (JacobsSommercamp) sowie ein Vorhaben, das von zwei
Stiftungen und wechselnden staatlichen Partnern
getragen wurde (Netzwerke für Bildungspartner).
Das Programm DeutschSommer war insofern von
Interesse, als es sich hierbei um die Fortführung
einer ursprünglich partnerschaftlich entwickelten
Innovation handelte, die selber wiederum maßgeblich von einer einzelnen Stiftung durchgeführt
wird. Im Falle der Schweizer Stiftung Die Chance
wurde darüber hinaus bewusst ein Kontrastfall
ausgewählt. Zum einen, weil diese Stiftung Probleme des Übergangs von der Schule in den Beruf
bearbeitet und somit eher an der Peripherie des
Schulbereichs aktiv ist. Die Chance war auch deshalb von Interesse, weil sie als einzige Organisation explizit auf die Partnerschaft mit staatlichen
Organisationen verzichtete.
Tabelle 1: Die untersuchten Programme - Überblick
über die Fallstudien1
Projektgegenstand
Grund für Aufnahme in die Studie
Interviews
Deut s chS om- Stiftung Polytechnische Sprachförderung für
Fortsetzung und Fortentwicklung des 2 (1)
mer
Gesellschaft
Schülerinnen und Schüler Jacobs-Sommercamps
mit Problemen in Deutsch
2
D i e C h a n c e . Gleichnamige Stiftung
St if t un g f ür
Berufspraxis in
der Ostschweiz
Berufliche Eingliederung Kontrastfall: Explizite Ablehnung part- 1 (2)
von Jugendlichen
nerschaftlicher Zusammenarbeit mit
staatlichen Akteuren. Tätigkeit an den
Schnittstellen des Schulsystems.
3
J a c o b s -S o m - Bremer Bildungsbehörde,
mercamp
Jacobs Foundation, MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung
Ferienlager für Schüle- Trilaterale Partnerschaft, experimen- 3 (3)
rinnen und Schüler mit teller Projektansatz, nachgewiesene
Schwächen in deutscher Effektivität.
Sprache
1 In Klammern die Anzahl der Interviews aus SIE
19
CSI
K apit el 1
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Einleitung
Name
4
Träger bzw. Partner
Projektgegenstand
Grund für Aufnahme Interin die Studie
views
Netzwerke für Breuninger Stiftung, Justizministe- Förderung von Strukturen zur ‚Systemischer‘ Pro- 4
Bildungspart- rium, später Integrationsministerium Aktivierung der Eltern von jektansatz, Förderung
ner
BaWü, Robert Bosch Stiftung
Migrantenkindern
bereits existierender
Akteure.
5
Selbstevalua- Bertelsmann Stiftung, Kultusministe- Entwicklung und Distribution Unternehmerischer 5 (3)
tion in Schulen rien der Länder Bayern, Niedersach- eines Instruments zur Selbste- Projektansatz, hohe
(SEIS)
sen, Nordrhein Westfalen und Thü- valuation von Schulen
Verbreitung
ringen
6
Selbstständige Bertelsmann Stiftung, Schulministe- Erprobung von Schulautono- Politischer Projekt- 7 (7)
Schule
rium NRW
mie in regionalen Bildungs- ansatz, hohe Verbreilandschaften
tung
Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die
Inhalte und die Bewertung der unterschiedlichen
Programme.
Zwischen September 2013 und Februar 2014
führten wir 19 semi-standardisierte Interviews
mit einzelnen Programmteilnehmern, sowie
ein Gruppeninterview mit drei Teilnehmern aus
unterschiedlichen Organisationen. Darin ging
es insbesondere um die Rolle und Bedeutung
von Partnerschaften für die Durchführung und
Zielerreichung der jeweiligen Vorhaben – und
zwar explizit aus der Perspektive aller beteiligter
Akteursgruppen. Die Interviews wurden auf Band
aufgenommen und professionell transkribiert.
Diese Daten wurden um öffentlich zugängliche
und interne Dokumente der Projektbeteiligten
ergänzt. Im Rahmen dieser Fallstudien ließen
sich die für unsere Fragestellung relevanten
Akteure, Prozesse und Strukturen eingehend und
vertieft studieren. Auf dieser Datengrundlage war
es sodann möglich, belastbare erste Antworten
auf die genannten Fragen zu geben. Die Ergebnisse der ersten Analysestufe wurden in Rahmen
einer Expertentagung im Februar 2014 mit den
Erwartungen und Beurteilungen von Interviewpartnern aus staatlichen und wissenschaftlichen
Einrichtungen sowie Stiftungen abgeglichen.
Anregungen und Kritik wurden in den Analyserahmen eingearbeitet.
20
Es folgte eine weitere Analysephase, die eine
zusätzliche Literaturrecherche und -auswertung
einschlägiger Themen, insbesondere zu strategischem Nischenmanagement und Netzwerkeffektivität, sowie einen erneuten Durchgang durch
das empirische Material beinhaltete. Die daraus
resultierenden Ergebnisse wurden ab Mai 2014
verschriftlicht und bis Juli 2014 finalisiert.
Die unterschiedlichen methodischen Zugänge
und die Breite der berücksichtigten Perspektiven
erlauben es ein Bild vom Gegenstand unserer
Forschung zu entwerfen, in dem grundlegende
Muster staatlich-philanthropischer Zusammenarbeit, ihrer Ergebnisse und Prozesse deutlich werden, die von strategischer und wissenschaftlicher
Relevanz sind. Dabei kann unser qualitativ angelegter Forschungsansatz jedoch weder Anspruch
auf Vollständigkeit noch auf Repräsentativität der
Ergebnisse erheben. Das Projekt verfolgte vielmehr eine explorative, hypothesengenerierende
Forschungsagenda die mit der Absicht verbunden
war, neue Erklärungsansätze für vertraute Phänomene zu entwickeln.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
1.5Aufbau der Studie
Im anschließenden zweiten Teil des Berichts
werden in knapper Form die Ergebnisse der Fallstudien vorgestellt. Sie geben ein Überblick über
das jeweils bearbeitete Problem, den gewählten
Lösungsansatz, die zeitliche Entwicklung sowie
den aktuellen Stand des Vorhabens. Darüber
hinaus werden die beteiligten Partner und ihre
Rolle im Projekt ebenso wie die konkrete Gestaltung ihrer Zusammenarbeit dargestellt. Abschließend wird eine Bilanz hinsichtlich der Frage
gezogen, ob die Vorhaben ihre selbstformulierten
Ziele erreichen konnten, oder nicht. Der dritte Teil
stellt die wesentlichen Analyseergebnisse unserer
Untersuchung dar. Dabei ist zunächst einmal die
Feststellung zu nennen, dass statt Partnerschaften Innovationsnetzwerke als die eigentlich relevante Analyseeinheit anzusehen sind, weil deren
Gestaltung von wesentlicher Bedeutung für Erfolg
oder Scheitern der untersuchten Projekte ist. Es
konnten vier verschiedenen Typen von Netzwerken identifiziert und dieraussetzungen für ihren
effektiven Einsatz näher bestimmt werden. Darüber hinaus wird festgestellt, dass Netzwerke, in
denen staatliche Akteure, Stiftungen und ggf.
auch weitere Beteiligte partnerschaftlich zusammenarbeiten, zwar grundsätzlich für die Entwicklung neuer Lösungsansätze für die Probleme des
Bildungsbereichs in Deutschland geeignet sind
und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die einmal entwickelten Ansätze dauerhaft in der Praxis
etabliert und stabilisiert werden. Einschränkend
ist jedoch festzustellen, dass zeitlich begrenzte
Formen der Zusammenarbeit nicht in der flächendeckenden Verbreitung von Innovationen und
einer nachweisbaren, signifikanten und umfangreichen Leistungssteigerung des staatlichen Systems resultieren. Die Ergebnisse sind vielmehr
als innovative Nischenaktivitäten auf lokaler bzw.
regionaler Ebene zu bewerten.
Im vierten Teil dieses Berichts wird sodann eine
Neubewertung von nischenartig gestalteten Vorhaben vorgenommen. Derartige ‚Inseln des Gelingens‘ werde nicht als Sackgasse sondern teils als
adäquate Lösungen lokaler Probleme, teils als
notwendiger Zwischenschritt in Prozessen sozialer Innovation angesehen. Um weitreichenderen
systemischen Wandel zu erzielen, wird den Handelnden der Ansatz des strategischen Nischenmanagements empfohlen. Er misst der Entwicklung,
Stabilisierung und Vernetzung einer größeren
Zahl innovativer Nischen wesentliche Bedeutung
für das Innovationsgeschehen zu. Dieser Ansatz
wird detailliert dargestellt und in seinen praktischen Konsequenzen deutlich gemacht.
Im abschließenden fünften Teil werden konkrete
Vorschläge an staatliche und philanthropische
Akteure formuliert, wie die Erkenntnisse des Forschungsvorhabens in die Praxis umgesetzt werden
könnten. Darüber hinaus wird auch eine Reihe
offener Fragen benannt und eine wissenschaftliche Agenda vorgeschlagen, entlang derer sich
der vorgeschlagene Ansatz teils weiter ausbauen
bzw. präzisieren, und teils praktisch anwendbar
machen lässt.
21
CSI
K apit el 1
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
2Fallstudien
Im folgenden Abschnitt stellen wir die Fallstudien
in alphabetischer Reihenfolge und ihren wesentlichen Ergebnissen nach dar. Auf dieser Grundlage wird eine detailliertere Ausarbeitung der
konkreten Gestalten staatlich-philanthropischer
Zusammenarbeit sowie derjenigen Problemsituationen möglich, für deren Bearbeitung sich Partnerschaften als geeignet bzw. ungeeignet erweisen.
2.1DeutschSommer
Das Konzept des DeutschSommer Programms
basiert im Wesentlichen auf dem Ansatz des
Jacobs-Sommercamps, entwickelt 2004 von der
Bremer Schulbehörde, der Jacobs Foundation
sowie dem Max-Planck Institut für Bildungsforschung. Die im Jahr 2005 gegründete Stiftung
Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt am Main
griff das Modell als eines ihrer ersten Programme
auf, entwickelte es weiter und bietet in Frankfurt
seit 2007 jährlich ein eigenes Sommercamp unter
dem Titel DeutschSommer an.
Das Programm richtet sich an Grundschüler und
–schülerinnen der dritten Klasse, die Probleme
mit der deutschen Sprache haben. Das Projekt zur
Sprach- und Persönlichkeitsbildung verfolgt dabei
vier Ziele. Erstens sollen konkret die Deutschkompetenzen der teilnehmenden Kinder in den
Sommerferien zwischen der dritten und vierten
Klasse verbessert werden. Auf diese Weise sollen
sie rechtzeitig vor dem Übergang in weiterführende Schulen gefördert werden, um ihnen so die
Chance einer insgesamt erfolgreicheren weiteren
Schullauf bahn zu eröffnen. Zweitens soll durch
Theaterspiel und Freizeitangebot das Selbstbewusstsein der teilnehmenden Kinder ebenso
gestärkt werden wie drittens die Vertrautheit mit
ihrer Heimatregion. Abschließend sollen viertens
die Familien für die Bildungsbegleitung ihrer Kinder gewonnen werden.
22
Ekkehard Thümler und Mattia Nelles
Zu diesem Zweck führt die Stiftung einmal im
Jahr ein Sommercamp in der Region durch, in
dem rund 150 Frankfurter Grundschüler für drei
Wochen in Jugendherbergen ein gemeinsames
Lernprogramm sowie ein von Pädagogen entwickeltes Freizeitprogramm absolvieren.
Das Projekt hat ein jährliches Budget von ca.
340.000 Euro. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft stellt davon insgesamt 290.000 Euro zur
Verfügung. Der Rest wird von einer Allianz aus
privaten Stiftungen bzw. staatlichen Stellen aufgebracht. Insgesamt wirken an der Durchführung
eines Sommercamps ca. 50 Experten, Pädagogen
und weitere Unterstützer mit.
2.1.1 Der Programmansatz
Ähnlich wie im Bremer Pilotprojekt werden für
die DeutschSommer Camps einmal jährlich 150
Frankfurter Grundschüler auf Grundlage von
Sprachtests ausgewählt. Die Tests werden von den
Lehrerinnen und Lehrern der 41 teilnehmenden
Schulen durchgeführt. Die Kinder werden sodann
je nach Standortgröße in drei bis vier nach Sprachniveau differenzierte Lerngruppen aufgeteilt, die
an unterschiedlichen Veranstaltungsorten außerhalb Frankfurts tagen.
Alle teilnehmenden Kinder erhalten über drei
Wochen hinweg täglich zwei Stunden Deutschunterricht und zwei Stunden Theatertraining, hinzu
kommt ein von Pädagogen entwickeltes Freizeitprogramm. Der Deutschunterricht konzentriert
sich besonders auf Grammatik (Verbkonjugation,
Satzbau, Satzstellung), Lesen und Schreiben.
Dabei sind die Kinder von Montag bis Freitag in
Jugendherbergen untergebracht. Das Wochenende
verbringen werden sie in ihren Familien in Frankfurt.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Während des Lernprozesses sind die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen von zehn bis
maximal 15 Teilnehmern aufgeteilt. Jede dieser
Kleingruppen wird während des gesamten Camps
von einem Team betreut, das aus einer Lehrkraft
für Deutsch als Zweitsprache, einem Theaterpädagogen sowie einem Sozialpädagogen besteht. Eine
Fachberatung ist für Schulung und Supervision
der Betreuungsteams verantwortlich. Gemeinsam
mit dem Träger evaluiert die Fachberatung darüber hinaus Verlauf des Projekts sowie die Lernergebnisse am Ende des DeutschSommers.
2.1.2 Entwicklung und Status quo
Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft, die das
Projekt initiierte und seit 2007 hauptverantwortlich durchführt, wurde 2005 von der Polytechnischen Gesellschaft e.V. in Frankfurt ins Leben
gerufen.
Nach ihrer Gründung recherchierte die Stiftung
nach wirksamen Projektansätzen, die für die
Frankfurter Situation geeignet erschienen. Dabei
wurde sie auf das Jacobs-Sommercamp aufmerksam, dem die Evaluation des Max-Planck-Instituts
für Bildungsforschung eine nachweisliche Steigerung der Sprachkompetenzen der teilnehmenden
Grundschüler bescheinigte. Der Stiftungsvorstand fällte die Entscheidung, den Projektansatz
zu übernehmen und in angepasster Form für den
Frankfurter Raum dauerhaft zu etablieren.
CSI
2014a). Das Format ähnelt dem des DeutschSommers und setzt zeitlich direkt vor den Halbjahreszeugnissen und vor der Schulempfehlung der
Klassenlehrer für den Übergang in die Sekundarstufe an.
Seit 2013 an den DeutschSommer angeschlossen
ist das DeutschSommer-Familienprogramm. Ziel
des Programms ist es, die Eltern der Schülerinnen
und Schüler für die Bildungsbegleitung ihrer Kinder zu gewinnen und gemeinsam Bildungs- und
Kulturinstitutionen in der Stadt kennenzulernen. Das Programm startet im DeutschSommer
mit einer Elternsprechstunde. Dort haben die
Eltern die Gelegenheit, sich mit den Deutsch- und
Theaterlehrern aus dem Projekt über ihr Kind
auszutauschen und Lernfortschritte und Förderbedarf zu diskutieren. Angeschlossen ist eine
Bildungsmesse mit ausgewählten weiterführenden, kommunalen Angeboten wie bspw. die Volkshochschule, das Amt für multikulturelle Angelegenheiten und eine Familienbildungsstätte. Nach
dem DeutschSommer beginnen dann die Vor-OrtTermine. Im Dezember werden die Familien zum
Besuch des Familienstücks ins Theater eingeladen. Im März folgt ein Besuch der Stadtbücherei.
Ein Angebot gemeinsam mit der VHS und einem
Museum werden nach Auskunft der Stiftung derzeit vorbereitet.
Der DeutschSommer war eines der ersten Stiftungsprogramme. Es wird seit 2007 durchgeführt
und dabei kontinuierlich weiterentwickelt. 2014
fand das DeutschSommer Camp zum achten Mal
statt. In seiner achtjährigen Existenz erreichte es
1.200 Grundschüler.
2014 hat der Träger die so genannte Elterngrammatik eingeführt. Dabei handelt es sich um ein
zweiseitiges Papier, das die Schülerinnen und
Schüler am letzten Tag jeder DeutschSommerWoche mit nach Hause nehmen. Auf der Vorderseite informiert ein kompakter Brief die Eltern
über die Sprachaktivitäten im Deutschunterricht
und erklärt einfach grammatische Zusammenhänge. Auf der Rückseite regt eine Sprachaufgabe
zur spielerischen Vertiefung des Themas in der
Familie an.
Über den DeutschSommer hinaus hat die Stiftung im Laufe der Zeit verschiedene Zusatzmodule entwickelt. Für die Teilnehmer des Sommercamps bietet sie das Programm Endspurt an. In
der letzten Woche der Weihnachtsferien eröffnet
es den Kindern die Möglichkeit, ihre im Sommer
erworbenen Kenntnisse noch einmal aufzufrischen, zu vertiefen und zu ergänzen – „sowohl
sprachlich als auch in der Persönlichkeitsbildung
der Kinder“ (Stiftung Polytechnische Gesellschaft
Das dritte Begleitprogramm 3x Deutsch ist ein
Seminar, das sich primär an die Schulen bzw. die
Lehrerinnen und Lehrer der DeutschSommerTeilnehmer richtet. In einer anderthalbtägigen
Fortbildung werden sie mit den Konzepten und
Methoden des DeutschSommers vertraut gemacht.
Dabei werden den Teilnehmern Möglichkeiten
und Beispiele aufgezeigt, Elemente des DeutschSommers in den Schulalltag einzubringen (Stiftung
Polytechnische Gesellschaft 2014b).
23
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
Die vierte Maßnahme ist das Diesterweg-Stipendium, nach Angaben der Stiftung das erste Bildungsstipendium für Familien in Deutschland.
Die Auswahl des Stipendienprogramms ist nicht
auf Teilnehmer des DeutschSommers beschränkt,
nach Angaben unserer Interviewpartner waren
jedoch mehr als ein Drittel der Teilnehmer bisher DeutschSommer-Alumni. Im Rahmen des
Stipendiums werden Kinder mit Potential für
eine höhere Schulbildung trotz förderbedürftiger
Deutschkenntnisse gemeinsam mit ihren Eltern
auf dem Bildungsweg von der Grundschule in die
weiterführende Schule begleitet. Das Stipendium
wird für zwei Jahre für die Klassen vier und fünf
vergeben. Ziel des Programms ist es, „den Kindern eine ihren Begabungen entsprechende schulische Lauf bahn zu ermöglichen und ihre Eltern
in die Lage zu versetzen, sie dabei bestmöglich
zu unterstützen“ (Stiftung Polytechnische Gesellschaft 2014c). Das Stipendium beinhaltet Exkursionen in Frankfurt und Umgebung, Ferienkurse
und Kindertreffs zur Deutschförderung, Elterntreffs zu aktuellen Themen, Sprechstunden sowie
eine individuelle Betreuung. Es umfasst darüber hinaus einen Bildungsfonds, aus dem Eltern
jeweils bis zu 600 Euro pro Jahr für Bildungsanschaffungen und Lernmaßnahmen beantragen
können. Alle zwei Jahre werden rund 30 Familien
in das Stipendienprogramm aufgenommen.
Diese begleitenden Maßnahmen sollen nach
Angaben der Stiftung in den kommenden Jahren
weiter ausgebaut werden, um die kurzfristig positive Wirkung des DeutschSommers zu verstetigen
und vor allem auch das Engagement der Eltern für
den Bildungserfolg weiter zu stärken.
2.1.3 Partner und Netzwerk
Das Programm wird von einer breiten Allianz privater und staatlicher Akteure getragen, koordiniert
von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft als
maßgeblichem ‚Kümmerer‘. Auf staatlicher Seite
wirken das Landeschulamt/Staatliche Schulamt
für die Stadt Frankfurt am Main, das Bildungsdezernat der Stadt Frankfurt, das Amt für multikulturelle Angelegenheiten sowie die Volkshochschule an dem Projekt mit.
24
Dabei trägt das Amt für multikulturelle Angelegenheiten die Kosten für die fachliche Begleitung des Programms. Die Volkshochschule als
kommunaler Partner übernimmt pro bono verwaltungstechnische Aufgaben, insbesondere die
gesamte Vertragsadministration sowie die Zahlungsabwicklung mit den Honorarkräften. Das
Landeschulamt/Staatliche Schulamt unterstützt
den DeutschSommer bei dem Kontakt zu den
Schulen und deklariert die Veranstaltung aus versicherungstechnischen Gründen als schulische
Veranstaltung. Das Bildungsdezernat unterstützt
die Stiftung mit Räumen für Veranstaltungen im
Vorfeld und nach Abschluss des Projekts bzw. bei
weiteren operativen Aspekten des Projekts. Die
Zusammenarbeit ist von Beginn an durch einen
Kooperationsvertrag geregelt, in dem die genauen
Beiträge der einzelnen Beteiligten festgehalten
sind.
Hinzu kommen eine Reihe gemeinnütziger privater Partner, die vorwiegend finanzielle Unterstützung leisten. Dazu gehören die Peter Fuld
Stiftung, die Stiftung Citoyen sowie das Deutsche
Jugendherbergswerk – Landesverband Hessen e.V.,
das auch bei der Unterbringung der Schülerinnen
und Schüler in Jugendherbergen unterstützt.
2.1.4Zielerreichung
Was die Verbesserung der Sprachkenntnisse der
teilnehmenden Kinder anbelangt, so ist der Erfolg
des DeutschSommer-Programms ähnlich einzuschätzen, wie derjenige des Jacobs-Sommercamps.
Eine positive kurzfristige Wirkung ist gut belegt.
Die Ergebnisse der Projektevaluation bestätigen
insbesondere eine Stärkung der Sprachkenntnisse und des Selbstvertrauens der Schülerinnen
und Schüler. Deren Leistungen werden zu drei
Zeitpunkten gemessen. Im Februar jeden Jahres
werden die Sprachleistungen von den Lehrerinnen
und Lehrern der teilnehmenden Schulen ermittelt. Direkt nach der Teilnahme am Sommercamp
werden die Schülerleistungen im Projekt erhoben. In allen erhobenen Kategorien (Wortschatz,
Artikel, Präpositionen, Satzbau und Verbbildung)
werden dabei signifikante Leistungszuwächse
gemessen (Stiftung Polytechnische Gesellschaft
2011: 37).
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Neben der direkten Leistungsüberprüfung der
Schülerinnen und Schüler befragt die Stiftung
ihre Lehrerinnen und Lehrer ca. drei Monate
nach dem DeutschSommer-Camp. Alle Befragten
gaben 2013 an, dass sie Leistungssteigerungen
von 12 bis 40 Prozent in allen Bereichen der
Sprachkenntnisse beobachten konnten.
Kinder und Eltern eine positive Erfahrung darstellt.
Die Begleitforschung des Max-Planck-Instituts
zum Jacobs-Sommercamp zeigte aber auch, dass
die positive Wirkung bereits nach wenigen Monaten wieder abnimmt. Hervorzuheben ist daher
der Ansatz der Stiftung, das Sommercamp durch
einer Reihe begleitender Maßnahmen zu f lankieren, wie den Auffrischerkurs Endspurt oder das
Diesterweg-Stipendium. So soll durch Endspurt
der Rückgang verzögert bzw. die Wirkung der
Förderung verlängert werden. Eine Befragung
der Grundschullehrer im Februar 2013 (d.h. im
Anschluss an das Sommercamp 2012) deutet
darauf hin, dass dies gelungen sein könnte: Die
Lehrerinnen und Lehrer gaben an, dass sich bei
84 Prozent der Schülerinnen und Schüler die
Sprachkenntnisse verbessert haben. Bei 93 Prozent bemerkten sie eine Stärkung der Persönlichkeit.
Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der
Ostschweiz 4 wurde im Jahr 1999 gegründet.
Zweck der Organisation ist die Förderung von
Jugendlichen im Alter von 15 bis 22 Jahren in
der Ostschweiz , die aufgrund ihrer schulischen
Leistungen, ihres sozialen Umfeldes oder ihres
Migrationshintergrundes trotz „positiver Grundhaltung“ keinen entsprechenden Ausbildungsund damit später nur schwer einen Arbeitsplatz
finden. Die Stiftung unterstützt und berät darüber
hinaus auch Jugendliche, die eine laufende Ausbildung abbrechen möchten oder deren Lehrverhältnis aufgelöst wurde (Die Chance 2014).
Ob es dadurch gelingt, den Kindern eine erfolgreichere Schullauf bahn zu ermöglichen, konnte
nicht ermittelt werden. Nach dem Endspurt-Programm im Winter erfasst die Stiftung lediglich
die Übergangsempfehlungen der Lehrer. Nach
Angaben der Stiftung ergibt sich nach dem Programm DeutschSommer 2013/Endspurt 2014
eine Verteilung von 15 Prozent Gymnasium, 63
Prozent Realschule, 13 Prozent Hauptschule und
9 Prozent Gesamtschule. Eine Vergleichsgruppenanalyse wird jedoch nicht vorgenommen und auch
die tatsächlichen Übergangszahlen sind nicht
bekannt.
In Bezug auf die weiteren Ziele des Projekts, wie
die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung
sowie die bessere Kenntnis der Region Frankfurt
ergeben Lehrerbefragungen regelmäßig, dass entsprechende Entwicklungen stattgefunden haben.
So beobachteten die Lehrerinnen und Lehrer für
das Programm 2013/14 bei über 90 Prozent der
teilnehmenden Kinder eine positive Persönlichkeitsentwicklung. Die hohe Teilnahmequote am
Camp selbst sowie am Familienprogramm deutet
darüber hinaus darauf hin, dass das Vorhaben für
CSI
2.2Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz
Im Zentrum der Tätigkeit der Chance steht ein
individuell nach Bedarf abgestimmtes, teils intensives, engmaschiges und dauerhaftes Mentoring- und Coachingprogramm für die einzelnen
Jugendlichen während der Lehrstellensuche und
der ganzen Lehrzeit. Ebenso kann diese Begleitung auch von den Ausbildungsbetrieben in
Anspruch genommen werden, um ihnen bei der
Lösung von Problemen mit den Lehrlingen während der gesamten Lehrzeit beizustehen.
Als Maßstab für ihren Erfolg hat sich Die Chance
zum Ziel gesetzt, dass 80 Prozent der betreuten
Jugendlichen ihre Ausbildung erfolgreich
abschließen. Nach dem Abschluss der Berufsausbildung sollen 90 Prozent der erfolgreichen
Jugendlichen einen Arbeitsplatz finden. Diese
Werte entsprechen denjenigen der nicht-benachteiligten Auszubildenden in der Schweiz (Bethmann 2014: 80-81) und wurden in den letzten Jahren stets übertroffen.
Die Chance unterhält eine Geschäftsstelle in Rheineck mit drei Beschäftigten, hinzu kommen fünf
regional tätige AusbildungsberaterInnen. Das jährliche Budget der Organisation betrug in den vergangenen Jahren je rund 1,2 Million Franken (Die
4 Die Chance ist in den Kantonen Thurgau, St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und
Glarus sowie im Fürstentum Liechtenstein tätig.
25
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
Chance 2011, 2012, 2013).
2.2.1Programmansatz
Die Gründung der Stiftung war durch die Feststellung motiviert, dass in den späten 1990er
Jahren jährlich rund 10 Prozent der Schweizer
Schulabgänger keine weitere Ausbildung absolvierten. Gleichzeitig war es in der Schweiz nicht
möglich, eine ausreichende Zahl von qualifizierten Bewerbern für die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze zu finden. Hinzu kommt
der Umstand, dass die Beschäftigungsaussichten
ungelernter Arbeitskräfte infolge der wachsenden
Anforderungen des Arbeitsmarktes an die Qualifikation von Arbeitnehmern stetig sinken.
Nach Einschätzung der Stiftung Die Chance können die resultierenden hohen Folgekosten für die
sozialen Netze des Wohlfahrtstaates sowie der
Fachkräftemangel ebenso wie die dramatischen
persönlichen Folgen für die betroffenen Jugendlichen nur gemindert werden, indem geringqualifizierte und lernschwache Jugendliche intensiv
bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, der
Ausbildung selber und schließlich dem Übergang
in den Beruf unterstützt werden.
Zu Beginn der Fördertätigkeit entwickelte die
Stiftung einen Projektansatz, der auf zwei Säulen
beruht und ihrer Arbeit bis heute zugrunde liegt.
Zum einen hilft sie den teilnehmenden Jugendlichen bei der Suche nach einem passenden
Ausbildungsplatz sowie im Bewerbungsprozess,
begleitet sie während der gesamten Lehrzeit
durch ein intensives Mentoring- und Coachingprogramm und unterstützt sie bei der Suche nach
einer Festanstellung.
Im Rahmen der zweiten Programmsäule unterstützt sie die Ausbildungsbetriebe und Ausbilder,
die oft nicht über die Ressourcen, Fähigkeiten und
Kenntnisse verfügen, sich angemessen um die
geförderten Lehrlinge zu kümmern. So wird die
Stiftung etwa in Problemfällen am Ausbildungsplatz aktiv um mögliche Konf likte frühzeitig zu
schlichten und so das Risiko größerer Probleme
während der Lehre oder gar von Lehrabbrüchen
zu verringern (Bethmann 2014).
26
2.2.2 Entwicklung und Status quo
Die Stiftung Die Chance wurde im September
1999 von Dr. Markus Rauh mit einer Einlage
von drei Millionen Franken gegründet. Dank weiterer Spenden verfügte die Stiftung im Frühjahr
2000 über ein Startkapital von knapp 4,2 Millionen Franken. Die Chance wurde in Form einer
Verbrauchsstiftung gegründet, was es der Organisation erlaubt, ihr gesamtes Vermögen für den
Stiftungszweck einzusetzen. Dies bedeutet jedoch
auch, dass die Stiftung aufgrund des abnehmenden Vermögens nur in dem Maße arbeitsfähig
ist, wie sie zusätzlich und dauerhaft Gelder durch
Spenden oder Programmgebühren erhält.
Die Chance nahm ihre aktive Arbeit im Sommer
2000 mit einem Pilotprojekt für rund 30 Jugendliche im Arbeitsfeld Logistik auf. Dabei lag der
Fokus insbesondere auf der Vermittlung von Ausbildungsplätzen. Die ersten Erfahrungen machten
das Bedürfnis der Jugendlichen nach einer breiteren Ausrichtung des Programms ebenso deutlich,
wie das Erfordernis zusätzlicher Unterstützung
und Förderung. Die Tätigkeit der Stiftung wurde
deshalb bereits ab Sommer 2001 wesentlich erweitert, sowohl, was die Anzahl betreuter Jugendlicher, als auch was die angebotenen Arbeitsfelder
und den Umfang der Betreuung anbelangt (Die
Chance 2014).
Die Stiftung erkannte außerdem in einer frühen Phase ihrer Arbeit, dass die oft hohen theoretischen bzw. schulischen Anforderungen an
Auszubildende gerade für ihre Zielgruppe ein
Problem darstellen. Aus diesem Grund entwickelte die Organisation in Kooperation mit Unternehmen neue Ausbildungsplätze für Jugendliche
mit stärkeren praktischen Fähigkeiten, aber eher
schwachen schulischen Leistungen. Durch das
Absolvieren dieser praxisnäheren und kürzeren
Ausbildungen sollten die Jugendlichen an den
Betrieb und das Berufsfeld herangeführt und der
Eintritt in die Berufswelt erleichtert werden. Nach
erfolgreichem Abschluss dieser neu geschaffenen
Ausbildungen haben die Jugendlichen dann die
Möglichkeit, weitere spezifischere Weiterbildungen oder Ausbildungen zu absolvieren.
Nach einer Phase schnellen Wachstums waren im
Jahr 2003 171 Jugendliche in insgesamt 143 Unter-
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
nehmen Teil des Förderprogramms. Ende 2010
nahmen 309 Jugendliche am Förderprogramm
teil, das Partnernetzwerk umfasste 184 Unternehmen. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 298 Jugendliche in rund 200 Unternehmen betreut. Zwischen
den Jahren 2000 und 2013 betreute Die Chance
insgesamt 1312 Jugendliche (Die Chance 2013).
2.2.3 Partner und Netzwerk
Die Stiftung entwickelte ihr Programm in eigener Regie und führt es bis heute bewusst ohne –
insbesondere staatliche – Partner durch um eine
möglichst hohe Autonomie und Flexibilität ihrer
Tätigkeit gewährleisten zu können. Um den dauerhaften Fortbestand der Stiftung zu sichern, muss
die Finanzierung indessen auf eine breitere Basis
gestellt werden. Die Organisation strebt daher
an, die öffentliche Hand, Firmen und auch die
Eltern stärker in die Finanzierung des Programms
miteinzubeziehen, wobei das Hauptaugenmerk
weiterhin auf die Unterstützung durch Förderstiftungen gelegt wird.
Andererseits zeichnet sich Die Chance dadurch
aus, dass sie ein überaus umfangreiches und
dichtes Netzwerk als Grundlage ihrer Tätigkeit
aufgebaut hat, dem eine Vielzahl staatlicher und
privater Akteure angehört. Es umfasst auf staatlicher Seite Berufs- und Lauf bahnberatungen,
Oberstufen- und Berufsfachschulen, Ämter
für Berufsbildung und Sozialämter, Regionale
Arbeitsvermittlungen und Beratungsstellen sowie
Jugendanwaltschaften. Hinzu kommen die Lehrbetriebe im Einzugsgebiet: So arbeitet die Stiftung
derzeit mit rund 200 Unternehmen zusammen,
die betreute Jugendliche beschäftigen. Seit der
Gründung hat sich ein Unternehmensnetzwerk
von insgesamt rund 850 Unternehmen gebildet.
Wie wichtig diese regionale Verankerung für die
Stiftung ist, zeigte sich anlässlich einer umfangreichen Förderung durch die Credit Suisse. Die
Bank machte für ihre Unterstützung zunächst
die Ausweitung des Programms auf die ganze
Schweiz zur Bedingung. Dies wurde von der Stiftung mit Hinweis auf die fehlenden Netzwerke
und mangelnde Kenntnis der Verhältnisse vor Ort
abgelehnt. Im Ergebnis kam es zwar zu einer För-
CSI
derung; Die Chance beschränkte das gewünschte
Wachstum jedoch auf zwei benachbarte Kantone
(Bethmann 2014: 70).
2.2.4Zielerreichung
Zwischen 2002 und 2010 erzielte die Chance
eine Abschlussrate von 88,3 Prozent der teilnehmenden Jugendlichen (80 Prozent war definiertes
Minimalziel des Stiftungsrates). Gleichzeitig fanden im gleichen Zeitraum 97,9 Prozent der Absolventen eine Stelle im Anschluss an die Ausbildung (90 Prozent definiertes Minimalziel). 2012
betrugen die Abschlussquote 94,3 Prozent und die
Beschäftigungsquote 95,2 Prozent (Die Chance
2012), 2013 erreichte die Chance eine Abschlussquote von 86,1 Prozent und eine Beschäftigungsquote 91,2 Prozent (Die Chance 2013). Gemessen an ihren eigenen Indikatoren ist die Stiftung
damit über die Jahre hinweg kontinuierlich sehr
erfolgreich.
2.3Jacobs-Sommercamp
Das Jacobs-Sommercamp wurde im Jahr 2004 von
der Bremer Bildungsbehörde, der Jacobs Foundation, sowie dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI) entwickelt und implementiert.
Das Projekt zielte zum einen darauf ab, ein effektives und praxistaugliches Instrument zur Sprachförderung von Grundschülern mit Problemen in
Deutsch zu entwickeln. Hinzu kamen genuin wissenschaftliche Anliegen, insbesondere die Überprüfung der Frage, ob die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern in Deutschland, wie auch in den
USA, über die Sommerferien hinweg nachlassen.
Die Jacobs Foundation hatte darüber hinaus den
Anspruch, zur weiteren Verbreitung des neuentwickelten Formats über Bremen hinaus beizutragen.
Das Konzept des Jacobs-Sommercamps war in
Anlehnung an amerikanische Summer Camp
Modelle gestaltet. Dem Vorhaben lag die Idee
zugrunde, für die genannte Zielgruppe ein maßgeschneidertes und evidenzbasiertes Lern- und
Freizeitprogramm zu entwickeln und in den Sommerferien durchzuführen.
27
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
Das wissenschaftliche Projektdesign wurde vom
MPI entwickelt, das gemeinsam mit dem Bremer
Bildungssenat auch die operative Abwicklung
betreute. Die Jacobs Foundation finanzierte das
Vorhaben mit 500.000 Euro. Das Format wird
unter dem Namen Sprachsommercamp in Zusammenarbeit von der Bremer Bildungsbehörde und
dem Goethe-Institut Bremen bis heute einmal
jährlich durchgeführt und fand auch an anderen
Standorten Nachahmer.
2.3.1Projektansatz
Dem Jacobs-Sommercamp liegt die Überlegung
zugrunde, dass Kinder mit Problemen in Deutsch
von einer zusätzlichen Förderung in den Sommerferien (ähnlich wie sie als ‚summercamp‘ in den
USA praktiziert wird) besonders profitieren würden – also in einem Zeitraum, in dem die Sprachfähigkeiten möglicherweise eher stagnieren oder
sogar nachlassen.
Das Vorhaben ist deshalb bemerkenswert, weil es
als wissenschaftliches Experiment geplant und
durchgeführt wurde. Dieses Projektdesign unterscheidet es von allen anderen untersuchten Vorhaben, weil zu Beginn des Vorhabens zwar die Ziele
– nämlich die Verbesserung der Sprachkompetenzen der teilnehmenden Kinder – feststanden.
Die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden
sollten, wurden aber bewusst variiert. Das JacobsSommercamp untersuchte dabei die Effektivität
von expliziten Maßnahmen zur Sprachförderung
(Deutsch als Fremdsprache) im Vergleich zu
impliziter Sprachförderung durch Theatertraining, beides kombiniert mit Freizeitelementen.
Im Sommer 2004 wurden Drittklässler aus 32
Bremer Grundschulen für das Programm angemeldet. Aus den 251 Bewerbungen wurden
zufällig 150 Schülerinnen und Schüler als Treatmentgruppe für das Sommercamp und 83 als Kontrollgruppe ausgewählt. Das Durchschnittsalter
der Teilnehmer war neun Jahre und die Gruppe
bestand fast genau zur Hälfte aus Jungen und
Mädchen, die insgesamt 29 verschiedene Sprachen
im Elternhaus sprachen (Stanat et al 2012: 163).
Die Teilnehmer des Sommercamps w urden sodann in zwei Gruppen aufgeteilt. Die
K inder der ersten Gr uppe erhielten aus-
28
schließlich theaterpädagogisches Training, Die
Kinder der zweiten Gruppe darüber hinaus auch
Unterricht in Deutsch als Fremdsprache. Das
eigentliche Sommercamp dauerte drei Wochen.
In dieser Zeit durchliefen die Kinder zunächst
eine zweiwöchige Übungsphase und dann eine
einwöchige Intensivierungsphase. Hinzu kamen
zwei Wochen vor und nach Schulbeginn, in denen
ein Freizeitprogramm durchgeführt sowie eine
gemeinsame Theateraufführung geprobt und aufgeführt wurde (Stanat et al. 2005: 870). Diese letztere Komponente war nicht expliziter Bestandteil
der wissenschaftlichen Evaluation, trotzdem kam
ihr nach Angaben der Begleitforschung innerhalb
des Gesamtprogramms eine wichtige Bedeutung
zu. Die zuständigen Pädagogen verbrachten die
Tage mit den Kindern und gestalteten ein umfassendes Freizeitprogramm. Des Weiteren stellten
Sie sicher, dass die allgemeinen Campregeln eingehalten wurden:
„Diese Arbeit beeinf lusst in hohem Maße, wie
sich die sozialen Beziehungen im Camp entwickeln, wie wohl sich die Kinder fühlen und wie
sehr sie sich mit dem Camp identifizieren. Von
solchen Aspekten ist die Atmosphäre im Camp
abhängig, die wiederum für das Gelingen des
Gesamtprogramms entscheidend sein kann“ (Stanat 2005: 867).
Für die wissenschaftliche Evaluation wurden der
Leistungstand und die psychosoziale Entwicklung
der Schülerinnen und Schüler zu drei Zeitpunkten erhoben: kurz vor den Sommerferien, direkt
nach den Sommerferien und ca. drei Monate nach
Abschluss des Ferienprogramms (siehe Abbildung
1, nächste Seite). Die Erhebungen umfassten nicht
nur die Kinder in den Treatment- und Kontrollgruppen. Vielmehr wurden alle Kinder in den
Klassen der Schülerinnen und Schüler, die sich
für die Teilnahme am Jacobs-Sommercamp beworben hatten, Teil der Evaluation.
Den Abschluss des Ferienprogramms bildeten
drei Aufführungen im Bremer Waldau-Theater, zu
denen die Eltern, die Lehrkräfte aus den teilnehmenden Schulen sowie alle an der Studie beteiligten Personen eingeladen waren.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
geeinigt, dass sich das
Pilotprojekt als erfolgreich erweisen sollte.
Nach dessen Abschluss
legte das Max-PlanckInstitut positive Forschungsergebnisse vor.
Darauf hin wurde der
Ansatz von der Bremer
Bildungsbehörde übernom men. Seit 2 0 05
w ird das Programm
jä hrlic h im Au f t rag
der Behörde durch das
Goethe-Institut mit ca.
120-150 teilnehmenden
Kindern durchgeführt
(Pressestelle des Senats
2005; Bremer Senat für
Bildung 2014).
2.3.3P a r t n e r
und Netzwerk
Das Jacobs-Sommercamp beruhte wie einAbbildung 1: Untersuchungsdesign für das Jacobs-Sommercamp
gangs geschildert auf
(Quelle: Stanat et al. 2005: 864)
einer trilateralen Partnerschaft zwischen der
Bremer Bi ldu n gsb e 2.3.2 Entwicklung und Status quo
hörde, der Zürcher Jacobs Foundation und dem
Berliner Max-Planck-Institut für BildungsforDie Idee für ein gemeinsames Projekt zur Sprachschung. Das MPI war für die Konzipierung des
förderung von Grundschulkindern entstand im
Projektdesigns verantwortlich und ließ dabei insJahr 2003 nach dem schlechten Abschneiden
besondere aktuelle Forschungserkenntnisse in
Bremens in der ersten PISA 5 Studie. Der Bremer
das Projekt einf ließen. Zugleich wurde durch die
Schulsenator vereinbarte mit der Zürcher Jacobs
Beteiligung des MPI die wissenschaftliche EvaluaFoundation und dem Berliner Max-Planck-Institut
tion des Projekts sichergestellt. Der Bremer Senat
für Bildungsforschung die Durchführung eines
stellte den Kontakt zu den teilnehmenden Schuentsprechenden Pilotvorhabens (Beller 2014: 48).
len her und leistete die erforderliche Informations- und Überzeugungsarbeit bei den Eltern der
Das Projekt verlief trotz des ungewöhnlichen
Schüler. Die Jacobs Foundation engagierte sich in
wissenschaftlichen Untersuchungsdesigns nach
der Konzeptionsphase und trug mit 500.000 Euro
Angaben unserer Interviewpartner reibungslos.
einen Großteil der Projektkosten.
Vor Projektbeginn hatten sich Jacobs Foundation
und Bildungsbehörde auf eine Fortsetzung des
Über die genannten Partner hinaus waren eine
Projekts in staatlicher Trägerschaft für den Fall
Reihe weiterer Akteure an dem Projekt beteiligt.
An erster Stelle ist das Bremer Goethe-Institut zu
nennen, das für die eigentliche operative Umset5 Das Programme for International Student Assessment der
zung der Projektkonzeption sowie für die AnleiOECD.
29
CSI
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
tung der Trainer zuständig war: Der Unterricht
wurde von Studenten des Fachs Deutsch als
Zweitsprache (DaZ) geleistet, die von der Universität Bremen vermittelt wurden. Hinzu kamen
Theaterpädagogen die das Theaterspiel anleiteten.
Prof. Heidi Rösch von der TU Berlin entwickelte
das didaktische Konzept für das DaZ-Modul und
begleitete und evaluierte dessen Umsetzung.
Die Koordination des Projekts teilten sich die
Schulbehörde und das Max-Planck-Institut. Nach
Aussagen unserer Interviewpartner war diese
Tätigkeit wenig formalisiert und eher informell
organisiert. Dabei war die Zusammenarbeit der
Projektpartner durch ein hohes Maß an Flexibilität, Improvisations- und Kompromissbereitschaft
sowie gegenseitigem Vertrauen geprägt.
2.3.4Zielerreichung
Ziel des Projekts war in erster Linie die Entwicklung und dauerhafte Implementierung eines wirksamen Sommercamp-Modells in dessen Rahmen
Kinder mit Problemen in der deutschen Sprache
effektiv gefördert werden sollten. Einer unserer
Interviewpartner zog folgendes Resumee:
„Dieses Sommercamp hat sich für uns gelohnt,
weil wir eine entsprechende Dokumentation und
Beglaubigung letzten Endes bekommen haben,
dass das Projekt gut war und auch tatsächlich
etwas bringt. Es bringt sowohl etwas für die
Sprachkompetenz, für die Grammatik, für den
Wortschatz als auch für die Sozialkompetenz der
Kinder“.
Dieses positive Fazit wird von den Ergebnissen
der Begleitforschung bestätigt. Zunächst zeigte
die erfolgreiche Durchführung und Akzeptanz
bei teilnehmenden Kindern, Eltern und Lehrern,
dass Ferienprogramme mit Unterricht angenommen werden, wobei die Akzeptanz von der Qualität der Betreuung und der Balance zwischen
Lern- und Freizeitangeboten abzuhängen scheint
(Stanat et al. 2012: 169). Die Ergebnisse des ersten
Posttests zeigen, dass die Mischung aus expliziter
und impliziter Sprachförderung bei den Schülern
in den Bereichen Grammatik und Lesen zu signifikanten Verbesserungen und im Bereich Wortschatz zu positiven Entwicklungen führten. Die
Ergebnisse der impliziten Förderung zeigen posi-
30
tive, aber im Vergleich zur Vergleichsgruppe nur
geringfügige Entwicklungen. Die positiven Ergebnisse der expliziten Förderung im Vergleich zur
impliziten Förderung und zur Vergleichsgruppe
konnten auch im zweiten Posttest bestätigt werden, wobei hierbei die Abstände zur Testgruppe
abnahmen und keine statistische Signifikanz
mehr nachzuweisen war (Stanat 2005: 32-34;
Beller 2014: 59).
Die Evaluationsergebnisse belegen damit, dass
Ferienprogramme trotz der Kürze der Intervention dazu beitragen können, den Leistungsabstand zwischen Kindern nichtdeutscher und
Kindern deutscher Herkunftssprache zu verringern. Der übereinstimmende Eindruck der am
Ferienprogramm beteiligten Pädagoginnen und
Pädagogen war außerdem, dass den Kindern die
Teilnahme am Camp große Freude gemacht hat.
Dies konnte durch eine Befragung der Kinder und
der Eltern nach Abschluss des Ferienprogramms
bestätigt werden (Stanat et al 2005: 872).
Insgesamt zeigen der positive Verlauf und die
Ergebnisse des Projekts, dass es möglich ist, eine
experimentell gestaltete und wissenschaftlich
gut kontrollierte und dokumentierte Programmentwicklung mit der Etablierung und Stabilisierung eines praxisfähigen Modells zu verbinden. Kritisch ist dabei jedoch die Kurzfristigkeit
der Wirkung bzw. die unklare Auswirkung der
Intervention auf die längerfristige Lernbiografie der Schülerinnen und Schüler zu sehen. Seit
seiner ersten Durchführung findet das Projekt
zwar jährlich in Bremen statt. Da die Ergebnisse
zeigen, dass die positive Wirkung der Intervention bereits nach kurzer Zeit abnimmt, wäre eine
nachhaltigere bzw. umfangreichere Förderung
der beteiligten Kinder durch zusätzliche und
längerfristig angelegte Programme bzw. f lankierende Maßnahmen notwendig.
Seit seiner ersten erfolgreichen Durchführung
und positiven Evaluierung wurde das Jacobs-Sommercamp auch an anderen Standorten in Deutschland übernommen. So griff etwa die Frankfurter
Stiftung Polytechnische Gesellschaft das erfolgreiche Projekt auf und führt seit 2007 den so
genannten DeutschSommer durch.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
2.4Netzwerke für Bildungspartner
Das Projekt Netzwerke für Bildungspartner war
ein Gemeinschaftsvorhaben des Landes BadenWürttemberg (zunächst vertreten durch das
Justiz- und später das Integrationsministerium
des Landes), der Robert Bosch Stiftung GmbH
und der Breuninger Stiftung GmbH. Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, die Bildungschancen und letztendlich den Bildungserfolg von
Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg zu verbessern.
Dies sollte auf dem Wege einer stärkeren Einbeziehung der Eltern in den Lern- und Entwicklungsprozess ihrer Kinder erreicht werden. Zu
diesem Zweck wurde eine Reihe von Maßnahmen
gefördert, welche bereits bestehende Initiativen
in diesem Bereich stärken sollten. Das Vorhaben
hatte den Anspruch, „eine Konzeption zu entwickeln, mit der nicht nur ein Impuls gesetzt, sondern ein auf Nachhaltigkeit zielendes, f lächendeckend einsetzbares Programm entwickelt wird“
(Runder Tisch 2009: 6).
Die Konzeption des Vorhabens begann im Jahr
2009, die Umsetzung der Maßnahmen wurde ab
2010 vom Verein Netzwerke für Bildungspartner
e.V. mit Sitz in Stuttgart gesteuert und 2013 abgeschlossen. Das Projekt hatte ein Gesamtbudget
von rund 2,85 Millionen Euro.6
2.4.1Projektansatz
Das Projekt beruhte auf dem Ansatz, bestehende
Akteure und Strukturen zu stärken und zu fördern statt neue Instrumente zu entwickeln.
Dieses Anliegen sollte durch die Beratung und
Vernetzung lokaler Akteure, ergänzt um die
finanzielle Förderung kleinerer Projekte, erreicht
werden. Das Projekt beruhte im Wesentlichen
auf zwei Säulen: Dem Auf bau eines Beraterpools
sowie der finanziellen Förderung lokaler Maßnahmen.
Beraterpool: Der Beraterpool bestand aus 20
hauptamtlich tätigen Beratern in ganz BadenWürttemberg, die für lokale Initiativen als
Ansprechpartner bzw. Dienstleister zur Verfügung standen. Ihre Aufgabe war es, bestehende
lokale und regionale Netzwerke sowie den Aufbau neuer Netzwerkstrukturen zu unterstützen,
indem sie beispielsweise lokale bzw. regionale
Runde Tische oder Dialogforen initiierten oder
begleiteten, eigenes Wissen und Erfahrungen zur
Verfügung stellten sowie Kontakte zu Kommunen, Behörden und anderen Ansprechpartnern
vermittelten. Des Weiteren informierten sie über
Best-Practice-Modelle und zeigten den Zugang zu
bestehenden Fördermöglichkeiten, insbesondere
im Rahmen des projekteigenen Förderprogramms
auf (Runder Tisch 2009: 15f, Netzwerke für Bildungspartner 2014a). Der Beraterpool bestand
vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Dezember 2013.
Finanzielle Förderung von (lokalen) Maßnahmen:
Die direkte finanzielle Förderung von lokalen oder
regionalen Initiativen stellte die zweite Säule des
Projekts dar. Gefördert wurden „Maßnahmen, die
dazu beitragen konnten, Bildungspartnerschaften zu begründen und nachhaltig zu verankern“
(Netzwerke für Bildungspartner 2014b). Die Kriterien für eine finanzielle Förderung wurden in
einem so genannten „Faktorenpapier“ genauer
definiert (Runder Tisch 2009: 8). Voraussetzung
für eine Förderung war demnach, dass die jeweiligen Projekte auf lokaler Ebene gemeinsam von
einem Netz relevanter Partner (etwa Kindergärten, Schulen, Elternvertreter, Vereine, Kirchengemeinden) entwickelt, koordiniert und möglichst in
Absprache mit der Kommune umgesetzt wurden.
Die maximale Fördersumme pro Maßnahme
betrug 5.000 Euro und war an die Bedingung
einer Kofinanzierung mindestens in Höhe des
beantragten Förderbetrags geknüpft. Dieser Beitrag musste nicht vom Projektträger oder –initiator erbracht werden: Erwünscht war vielmehr das
Engagement lokaler bzw. regionaler „Verantwortungsgemeinschaften (Kommune, Verbände, Vereine, Unternehmen etc.)“ (Runder Tisch 2009: 16).
6 Die Summe von 2,85 Millionen Euro ergibt sich aus
Gesamtfördermitteln für den Beraterpool sowie die Einzelmaßnahmenförderung von 2,6 Millionen sowie weiteren 250.000€,
die von der Breuninger Stiftung für die Geschäftsstelle des
Vereins zur Verfügung gestellt wurden. Hinzu kamen knapp
1 Millionen Euro aus Mitteln der Co-Finanzierung der Einzelmaßnahmen.
31
CSI
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
2.4.2 Entwicklung und Status quo
Der Anstoß zum Projekt Netzwerke für Bildungspartner entstand 2008 im Rahmen der Überlegungen zur Ausgestaltung der neuen Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg. Auf
Initiative des Integrationsbeauftragten der badenwürttembergischen Landesregierung, Justizminister Ulrich Goll, wurde das Vorhaben gemeinsam
mit Robert Bosch Stiftung und Breuninger Stiftung ins Leben gerufen.
Das Projekt begann am 3. Februar 2009 mit einer
Konzipierungsphase im Format eines Runden
Tisches. Daran nahmen zahlreiche staatliche und
private Einrichtungen und Organisationen teil,
die sich in Baden-Württemberg mit den Themen
Bildung und Integration befassen.7 In Rahmen
von insgesamt sechs ganztägigen Workshops, in
denen sich Praktiker und Sachverständige mit der
Ausgangslage und den Zielen des Projekts sowie
möglichen Wegen zur Zielerreichung auseinandersetzten, wurde das Konzept des Projekts entwickelt. Der gesamte Prozess basierte dabei auf dem
Konsensprinzip. Im Oktober 2009 wurde während
des sechsten Workshops die Endfassung der Projektkonzeption einstimmig beschlossen.
Am 8. Juni 2010 gründeten die Projektinitiatoren den Verein Netzwerke für Bildungspartner
e.V. Dem Verein oblag die Aufgabe der Gesamtsteuerung und Evaluation des Umsetzungsprozesses sowie der Auf bau des Beraterpools und
die Abwicklung der Förderungsmaßnahmen. Die
beteiligten Partner waren im Vorstand des Vereins
vertreten, die Breuninger Stiftung und das Justizministerium teilten sich die Geschäftsführung.
Ministerium
Netzwerke für
für Integration, Bildungspartner
Robert-Bosch- e.V.
Stiftung,
BreuningerStiftung
Regionale
Träger des
Beratungspools
■■ Projektiniti-
■■ Projektkoordi-
■■ Aufbau und
ierung
■■ Konzeption
durch Runde
Tische mit anderen
Akteuren
■■ Politikansatz
■■ Projektsteuerung
nation und Trägerschaft
■■ Umsetzung des
Förderprogramms
■■ Netzwerkarbeit
Koordination des
Beratungspools
■■ Umsetzung
des Beratungsangebots
■■ Netzwerkarbeit
Abbildung 1: Beiträge der Projektpartner (Quelle:
Alicke und Stallmann 2013: 3)
Das Förderprogramm startete im August 2010.
Bis Oktober 2012 wurde in sechs Förderrunden
ein breites Spektrum von insgesamt 198 verschiedenen Maßnahmen finanziell unterstützt. Darunter fallen beispielsweise Dolmetscherpools und
Elterncafés, zielgruppenspezifische Beratungsangebote und Patenschaftsprojekte, die Einrichtung
von Elterntreffs, Theaterprojekte und vieles mehr.8
Der Beraterpool war zwischen Oktober 2010 und
Dezember 2013 tätig. Die Beraterinnen und Berater standen während ihrer Tätigkeit meist nicht
direkt mit der Zielgruppe, den Eltern mit Migrationshintergrund, in Kontakt, sondern sie arbeiteten
auf Multiplikatorenebene mit engagierten Einzelpersonen und Fachleuten sowie bestehenden und
neu gebildeten Institutionen und Netzwerken,
Arbeitsgruppen und Gremien zusammen. Sie
agierten dabei im Wesentlichen als Dienstleister,
vermittelten Wissen und zeigten den Zugang
zu bestehenden Fördermöglichkeiten, insbesondere zum Förderprogramm von Netzwerke für
Bildungspartner e.V., auf (Alicke und Stallmann
2013: 3).
Bedingt durch den Regierungswechsel infolge
der Landtagswahl 2011 kam es zu umfassenden
Veränderungen im Projekt. Statt des Justizministeriums wurde nunmehr das neugeschaffene
Integrationsministerium des Landes neuer Projektpartner. Die Integrationsministerin Bilkay
7 Für eine Übersicht der teilnehmenden Organisationen des
Runden Tisches siehe Netzwerke für Bildungspartner (2014c).
32
8 Für eine Liste aller 198 geförderten Initiativen siehe Netzwerke für Bildungspartner (2014d).
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Öney löste daher den ehemaligen Integrationsbeauftragten des Landes, Ulrich Goll, als Vorsitzenden des Vereins ab. Des Weiteren schied
der Vertreter des Justizministeriums aus der
Geschäftsführung des Vereins aus, diese Position wurde jedoch nicht neu besetzt. Hinzu kam
ein Wechsel in der Geschäftsführung der Robert
Bosch Stiftung, infolge dessen Ingrid Hamm Dieter Berg als stellvertretenden Vorsitzenden des
Vereins ablöste (Netzwerke für Bildungspartner
2011).
Die Erfahrungen mit der Projektumsetzung wurden von den Beratern und Trägern des Beraterpools sowie weiteren Projektpartnern im Rahmen
von zwei Fachkongressen im Oktober 2011 und
im September 2012 diskutiert. Der Abschlusskongress des Projekts fand am 16. Oktober 2013 in
Stuttgart statt. Das Projekt wurde am 31.12.2013
beendet. Eine weitergehende Initiative seitens
des Landes Baden-Württemberg zur Sicherung
der Nachhaltigkeit des Vorhabens besteht darin,
dass der Schwerpunkt ‚Elternbeteiligung‘ in die
Förderrichtlinie ‚VwV-Integration‘ aufgenommen
wurde, damit wurden Fortsetzungsprojekte finanziert.
2.4.3 Partner und Netzwerk
Die am Projekt Netzwerke für Bildungspartner
Beteiligten bzw. deren Rolle variierten je Projektphase. Maßgebliche Akteure waren zunächst
das Justizministerium mit dem Integrationsbeauftragten des Landes und später das 2011 neu
geschaffene Integrationsministerium, die Robert
Bosch Stiftung und die Breuninger Stiftung.
Diese Organisationen waren über die gesamte
Projektlaufzeit hinweg als Partner und Projektträger maßgeblich und federführend an der Projektentwicklung und –umsetzung beteiligt.
Während der Konzeptionsphase im Rahmen des
runden Tisches waren neben den Projektpartnern
auch das Sozialministerium und das Kultusministerium, verschiedene Wohlfahrtsverbände
sowie zahlreiche weiteren Initiativen beteiligt.
Ziel war es dabei, ein möglichst breites Spektrum
relevanter Akteure an den Tisch zu bringen um
einen umfassenden Überblick über bestehende
Initiativen zu gewinnen und zugleich ein gutes
CSI
Verständnis von deren konkreten Bedarfen zu entwickeln.
Nach Verabschiedung des Projektkonzepts kooperierte der Verein Netzwerke für Bildungspartner insbesondere mit einer Reihe von regionalen
und lokalen Institutionen, um den Beraterpool im
Land Baden-Württemberg aufzubauen bzw. zu etablieren.9
2.4.4Zielerreichung
Ob und inwiefern das Projekt Netzwerke für Bildungspartner das übergeordnete Ziel, also bessere schulische Leistungen von Schülerinnen und
Schülern mit Migrationshintergrund, erreichte,
kann auf Grundlage der vorliegenden Daten10
nicht zuverlässig beurteilt werden. Ein solcher
Nachweis wäre aufgrund des ausgesprochen indirekten Projektansatzes, der sich als wesentliches
Ergebnis ein stärkeres Engagement von deren
Eltern zum Ziel gesetzt hatte, aber auch nicht zu
erwarten gewesen. Es lässt sich indessen ebenfalls
nicht feststellen, ob sich die Angehörigen dieser
Zielgruppe infolge der Projektmaßnahmen stärker
für den Bildungserfolg ihrer Kinder engagieren,
z.B. durch den vermehrten Besuch von Elternabenden. Der Grund hierfür ist in dem Umstand
zu sehen, dass sich die Projektevaluation auf die
Frage nach dem Gelingen der Projektumsetzung
konzentrierte.
Das Zwischenfazit von 2012 spricht in der Gesamteinschätzung des gewählten Ansatzes daher von
„größeren Unsicherheiten bezüglich der Wirkung“ (Alicke und Stallmann 2012: 55) des Projekts. Hinsichtlich der operativen Umsetzung des
Projektkonzepts fällt das Fazit hingegen positiv
aus. In Bezug auf die Arbeit des Beraterpools wird
resümiert, „dass die Projektziele – Ansatzpunkte
für den Aufbau von Kompetenzen und Strukturen
zu schaffen – in den meisten der untersuchten
9 Für eine Übersicht der Kooperationspartner des Beraterpools siehe Netzwerke für Bildungspartner (2014e).
10 Mit der begleitenden wissenschaftliche Evaluation des
Umsetzungsprozesses wurde im November 2010 das Institut für
Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) beauftragt. Das ISS
verfasste insgesamt drei Evaluationsberichte: Den Zwischenbericht 2011 (Alicke und Münch 2011b), den Zwischenbericht
2010-2012 (Alicke und Stallmann 2012) und den Abschlussbericht 2013 (Alicke und Stallmann 2013).
33
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
Standorte erreicht wurden“ (Alicke und Stallmann 2013:28). Demnach gelang es dem Projekt, lokalen und regionalen Kompetenzzuwachs
bestehender Projekte aus dem Bereich Integration
und Elternbeteiligung zu ermöglichen und neue
Projekte anzuregen. Es half darüber hinaus den
bestehenden und neu geschaffenen Initiativen
weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen (Alicke und Stallmann 2013:28). Auch die
direkte finanzielle Förderung der einzelnen Maßnahmen wird für die Förderempfänger positiv eingeschätzt. Zusammenfassend stellte die Evaluation fest, dass infolge der Projektmaßnahmen ein
„deutlich positiver Effekt für den Auf bau lokaler
Netzwerke und Kooperationen“ eingetreten ist
(Alicke und Stallmann 2012: 43).
Insgesamt scheint das Projekt Netzwerke für Bildungspartner demnach einen positiven Effekt
auf die organisierte Zivilgesellschaft im Bereich
der Elternintegration in Baden-Württemberg
gehabt zu haben. Die Frage, ob dieser indirekte
Ansatz wie beabsichtigt zu einem intensiveren
Engagement der Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund führte, muss an dieser Stelle
jedoch ebenso offen bleiben wie das Thema der
Nachhaltigkeit der durchgeführten Maßnahmen.
Diese wird sich erst in einigem zeitlichen Abstand
zuverlässig beurteilen lassen.
2.5Selbstevaluation in Schulen
(SEIS)
Das Projekt Selbstevaluation in Schulen (SEIS)11
wurde 2004 von der Bertelsmann Stiftung ins
Leben gerufen und bis zum Jahr 2008 durchgeführt. Ziel des Vorhabens war es, die Qualität von
Schulen durch interne Evaluationen mittels eines
standardisierten Selbstevaluationsinstruments zu
verbessern. Schulen sollten befähigt werden, auf
Grundlage eines geteilten Qualitätsverständnisses
und der Erhebung objektiver Daten die Qualität
ihrer Arbeit eigenständig zu messen und darauf
auf bauend einen Prozess der Selbstref lexion und
Organisationsentwicklung in Gang zu setzen.
Dabei sollte das SEIS Instrument mindestens
11 SEIS war ein Unterprojekt im Rahmen des Projekts ‚Bessere
Qualität in allen Schulen‘. Bei diesem Vorhaben ging es darum,
über die Selbstevaluation hinaus sog. regionale Bildungslandschaften zu entwickeln.
34
zehn Prozent aller deutschen Schulen jeglicher
Schulform erreichen.
Die Grundlagen von SEIS wurden von 2000 bis
2004 im Rahmen des Internationalen Netzwerks
Innovativer Schulen (INIS) gelegt. Dabei wurden
ein Qualitätsrahmen als einheitlicher Maßstab für
Schulqualität sowie ein Verfahren zur Messung
der eigenen Schulqualität entlang dieses Rahmens
mittels standardisierter Fragebögen und Auswertungsroutinen entwickelt. Im zweiten Netzwerk
(2004-2008) wurde dieser Prototyp in das eigentliche SEIS Instrument weiterentwickelt. Dafür
wurden Bedienung und Auswertung maßgeblich
vereinfacht um SEIS auch für eine große Teilnehmerzahl einfach handhabbar zu machen und so
eine weitreichende Verbreitung des Instruments
allererst zu ermöglichen.
Das Gesamtbudget des Vorhabens ist nicht eindeutig zu bestimmen. Einerseits, weil die beteiligten
Ministerien dafür Personalanteile in nicht gesondert ausgewiesener Höhe zur Verfügung stellten.
Andererseits, weil es im Rahmen von zwei eigenständigen Projekten entwickelt wurde, zudem
war SEIS lediglich ein Teil des Stiftungsprojekts
„Bessere Qualität in allen Schulen“, das wiederum
aus verschiedenen Unterprojekten bestand. Die zu
quantifizierenden Kosten für den Zeitraum von
2004 bis 2008 sind fünf Vollzeitstellen sowie Materialkosten in Höhe von insgesamt ca. 3,915 Millionen Euro (Glänzel 2014a: 89).
2.5.1Projektansatz
Das SEIS Projekt beruhte im Wesentlichen auf
den folgenden drei Annahmen. Um ihre Leistungen zu verbessern, müssen Schulen zunächst
einmal ein gemeinsames Verständnis davon entwickeln, was Qualität im schulischen Kontext
überhaupt bedeutet. Schulen müssen sodann die
Möglichkeit haben, die Qualität ihrer Arbeit kontinuierlich zu beobachten und zu evaluieren um
auf dieser Grundlage Maßnahmen planen und
umsetzen zu können. Und schließlich sollten sie
ggf. in der Lage sein, ihre Qualität (im Hinblick
auf die Prozesse und Ergebnisse der Schule) mit
den Werten anderer Schulen zu vergleichen (Glänzel 2014a: 84).
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Schulentwicklung auf Grundlage des SEIS-Instruments wurde dementsprechend als ein zyklischer
Prozess in vier Phasen konzipiert: Zunächst
müssen sich alle Beteiligten (Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler,
Eltern etc.) an den Schulen darüber verständigen, ob sie das SEIS-Qualitätsverständnis12 als
Beschreibung ‚guter Schule‘ für sich akzeptieren
können. Ist dies der Fall, führt die Schule eine
standardisierte Befragung aller relevanten Stakeholder durch um objektive Daten zur Schulqualität in sechs Bereichen zu ermitteln. Im Anschluss
werden die Fragebögen ausgelesen und die Daten
in die internetbasierte SEIS-Software eingespeist.
Die Schule erhält auf dieser Grundlage einen
automatisch generierten Evaluationsbericht. Er
gibt Auskunft über Durchschnittswerte und
umfasst auch einen Vergleich mit anderen SEISSchulen. Beruhend auf der gemeinsamen Diskussion und Interpretation dieses Berichts können
sodann Schulentwicklungsmaßnahmen geplant
und durchgeführt und deren Wirksamkeit nach
einem bestimmten Zeitraum wiederum überprüft
werden (SEIS 2014).
2.5.2 Entwicklung und Status quo
Ausgangspunkt des Projekts war die Mitwirkung
von Reinhard Mohn, Vorstandsvorsitzender der
Bertelsmann AG und Gründer der Bertelsmann
Stiftung, an der Kommission ‚Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft‘. Das Gremium wurde
1992 vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, einberufen und
legte 1995 einen Abschlussbericht vor (Bildungskommission NRW 1995).13
Ausgehend von diesem Hintergrund vergab die
Stiftung im Jahr 1996 den Carl Bertelsmann Preis
für herausragende innovative Schulsysteme im
internationalen Vergleich (Bertelsmann Stiftung
2014a). Dieses Vorhaben mündete im Jahr 2000
in die Gründung des Internationalen Netzwerks
Innovativer Schulen, das zu Beginn noch einen
ganz offenen, explorativen Charakter hatte. Der
spätere Ansatz von SEIS entwickelte sich erst im
Laufe der Zeit aus den Diskussionen des Netz12 Siehe SEIS (2014b).
13 Siehe die detailliertere Beschreibung in der Fallstudie zum
Projekt Selbständige Schule.
werks heraus. Diese Überlegungen konkretisierten sich zunehmend und resultierten 2004 in
der Entwicklung des grundlegenden Konzepts
sowie eines Prototypen. Das Instrument bestand
zunächst im Wesentlichen aus einem gemeinsam
entwickelten und international wie national tragfähigen Qualitätsverständnis von guter Schule
sowie aus wissenschaftlich geprüften, zunächst
noch papierbasierten, Fragebögen zur Befragung
von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und
Lehrern, Eltern und sonstigen Mitarbeitern (Glänzel 2014: 87).
Den Projektbeteiligten wurde indessen schnell
deutlich, dass die weitreichende Verbreitung
des Instruments eine umfangreiche Weiterentwicklung und insbesondere eine Digitalisierung
erfordern würde um das Instrument nutzerfreundlicher zu gestalten und dessen Akzeptanz
zu erhöhen. Da für den Schritt von der Entwicklung des Prototyps bis hin zur Serienreife erhebliche Investitionen erforderlich waren, fragte die
Bertelsmann Stiftung die Schulministerien aller
sechzehn Bundesländer nach deren Interesse am
neuen Evaluationsinstrument. Sie beschloss, SEIS
zu digitalisieren und weiterzuentwickeln, nachdem neun Bundesländer ihre Mitarbeit an diesem
Prozess vertraglich zugesagt hatten. Dies beinhaltete auch die Verpf lichtung, das SEIS Instrument
nach Ablauf der Projektförderung der Stiftung
2008 zu übernehmen und dessen weitere Verbreitung und Entwicklung zu gewährleisten.
Im SEIS Projekt von 2004 bis 2008 wurde das
Instrument entsprechend fortentwickelt. Dies
beinhaltete insbesondere die Möglichkeit, die Fragebögen mit Hilfe einer internetgestützten Software auszuwerten und die Umfrageergebnisse der
Schule in einem automatisierten Bericht zur Verfügung zu stellen.
Den Ländern kam dabei die Rolle zu, SEIS zu
bewerben, die Schulen zu kontaktieren und sie
bei der Einführung durch Trainings und Fortbildungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Bertelsmann Stiftung war für die inhaltliche und
insbesondere auch technische Weiterentwicklung
von SEIS sowie für die Durchführung der Fortbildungen zuständig. Aufgrund der hohen Nachfrage
wurden darüber hinaus von der Stiftung 60 weitere Trainer ausgebildet, die den Schulen bei der
Implementierung des Instruments helfen konn-
35
CSI
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
ten.
Nachdem SEIS 2006 bereits an vielen Schulen
implementiert war, wurde unter den teilnehmenden Ländern der Ruf nach weitergehenden
Anpassungen des Instruments laut, insbesondere
in Hinblick auf die jeweiligen Besonderheiten der
Länder sowie die seit 2002 stetig zunehmende
schulische Selbständigkeit. Die gewünschten
Veränderungen führten zu einer grundlegenden
inhaltlichen Änderung des SEIS Konzepts sowie
einer kompletten Überarbeitung der Software und
damit zu dem Instrument in heutiger Gestalt: Seit
der Übergabe an das staatliche Konsortium im
Jahr 2008 wurden keine größeren Veränderungen
oder Weiterentwicklungen von SEIS mehr vorgenommen.
2008 wurde SEIS von der Stiftung an ein Länderkonsortium namens SEIS Deutschland übergeben. Teilnehmer waren die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, SachsenAnhalt, sowie die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und die deutschsprachige
Gemeinschaft Belgiens. Die daran teilnehmenden
Bundesländer und die ZfA verpflichteten sich vertraglich gegenüber der Stiftung, den dauerhaften
Betrieb und den technischen Support von SEIS zu
gewährleisten. Des Weiteren stellten sie für ihre
Schulen Fortbildungs- und Unterstützungsangebote sowie Informationsmaterialien bereit.
Im Jahr 2013 kündigte mit Bremen das anteilsmäßig kleinste Land den Vertrag, was auch zum Ausscheiden von Baden-Württemberg, Brandenburg
und Rheinland-Pfalz führte. Zu diesem Zeitpunkt
wurde auch die Geschäftsstelle aufgelöst und die
Programmabwicklung an die verbleibenden Länder übertragen. Heute wird das SEIS Instrument
noch von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt und der ZfA angeboten. 2014 verlängerten die genannten Beteiligten ihre Zusammenarbeit um ein weiteres Jahr.
2.5.3 Partner und Netzwerk
Die Projektbeteiligten in SEIS unterscheiden sich
je nach Projektphase. Von 2000-2004 wurden im
Internationalen Netzwerk Innovativer Schulen die
36
Grundlagen des Instruments entwickelt. Dabei
handelte es sich um einen Zusammenschluss
von Vertretern der Stiftung sowie von 40 Schulen
aus Kanada, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und Ungarn sowie vier deutschen Bundesländern (Bayern, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen und Thüringen) sowie der
Bertelsmann Stiftung und Experten aus Wissenschaft und Praxis, unterstützt von einer Unternehmensberatung (Glänzel 2014a: 87). Das Netzwerk
wurde von der Bertelsmann Stiftung und den
Schulministerien der beteiligten Länder getragen,
wobei die Koordination des Vorhabens der Stiftung oblag.
In der anschließenden Projektphase ab 2004
waren die wesentlichen Partner die Bertelsmann
Stiftung sowie die Kultusministerien der Länder
Bayern, Niedersachsen, Nordrhein Westfalen und
Thüringen. Im Netzwerk arbeitete die Stiftung
gemeinsam mit einer Reihe von Schulen an der
Implementierung von SEIS. Die Netzwerkkoordination wurde wiederum durch die Stiftung
besorgt.
2.5.4Zielerreichung
Das SEIS Projekt zielte zunächst einmal auf die
Entwicklung eines verallgemeinerbaren Qualitätsrahmens für gute Schule sowie eines funktionsfähigen Selbstevaluationsinstruments ab,
das von mindestens zehn Prozent der Schulen in
Deutschland genutzt werden sollte. Alle diese Projektziele wurden erreicht und, im Falle der Zahl
der Nutzer, auch übertroffen. So verwendeten im
Jahr 2012 über 5200 Schulen das Instrument, viele
davon bereits mehrmals. (Glänzel 2014: 93). Seitdem dürften die Zahlen nach Auskunft unserer
Interviewpartner allerdings zurückgegangen sein.
Die genaue aktuelle Teilnehmerzahl konnte nicht
ermittelt werden.
Übergeordnetes Ziel des SEIS Projekts war es, die
Qualität schulischer Arbeit im Sinne des selbstentwickelten Qualitätsrahmens zu verbessern. Da
diese Zieldimension nicht systematisch evaluiert
wurde, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden
Daten nicht beurteilen, ob diese Absicht realisiert
werden konnte. In einer Studie der Deutschen
Sporthochschule Köln wurde das Projekt selber
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
von Teilnehmern und Stakeholdern indes als insgesamt „sehr positiv“ eingeschätzt (Buhren et al.
2008: 24).
2.6Selbstständige Schule
Das Projekt Selbstständige Schule startete am
1. August 2002 als gemeinsames Vorhaben des
Schulministeriums Nordrhein-Westfalen und
der Bertelsmann Stiftung und endete am 31. Juli
2008. Übergeordnetes Ziel des Projekts war die
„Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit
und insbesondere des Unterrichts“ (Brabeck und
Lohre 2004) im Land Nordrhein-Westfalen. Dieses
Anliegen sollte durch die Entwicklung und Implementierung eines Modells für die qualitätsorientierte Selbststeuerung von Schulen in regionalen
Bildungslandschaften erreicht werden.
Zwischen 2002 und 2008 waren 19 von 54 Regionen in NRW14 mit 278 Schulen aller Schularten
als volle Projektpartner beteiligt. Von 2004 bis
2008 nahmen weitere 413 ‚Korrespondenzschulen‘ an dem Projekt teil. Damit war Selbstständige Schule das größte Schulentwicklungsprojekt
Deutschlands (Glänzel 2014b: 98).
Die Bertelsmann Stiftung war mit der operativen
Steuerung des Projektes beauftragt. Die Projektleitung war in zwei Projektbüros in Gütersloh und
Düsseldorf angesiedelt. Das Land NRW trug die
Hauptlast der Projektkosten in Form von Freistellungsstunden im Umfang von einer halben Stelle
pro teilnehmende Schule. Durch seinen Innovationsfonds finanzierte es die wissenschaftliche
Begleitforschung sowie die Schulentwicklungsfonds mit einem Betrag von jährlich 1,5 Mio. Euro.
700.000 Euro pro Jahr wurden von den Schulämtern für diese Fonds bereitgestellt. Die Bertelsmann Stiftung stellte pro Jahr durchschnittlich
500.000 Euro für die operative Arbeit der Projektleitung und die beiden Projektbüros zur Verfügung. (Glänzel 2014b: 104).
14 9 kreisfreie Städte, 8 Kreise und 2 „Sonderregionen“ (Glänzel
2013: 104).
CSI
2.6.1Projektansatz
Der Projektansatz von Selbständige Schule wurde
maßgeblich von den Ergebnissen der Kommission ‚Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft‘
beeinf lusst. Der Kommissionsbericht entwirft
eine umfangreiche Vision künftiger Schulorganisation entlang des Leitbilds von Schule als „Haus
des Lernens“. Des Weitern wird die Empfehlung
ausgesprochen, Gestaltungskraft und Selbstverantwortung der einzelnen Schulen zu stärken und
sie zugleich systematischer in ihre kommunale
und regionale Umwelt einzubinden (Bildungskommission NRW 1995).
Das Projekt Selbständige Schule beruhte dementsprechend auf zwei grundlegenden Projektkomponenten, in denen diese Überlegungen deutlich
zum Ausdruck kommen: Erstens sollten Schulen
befähigt werden, die Qualität ihrer Arbeit und
insbesondere des Unterrichts durch eine umfassende qualitätsorientierte Selbststeuerung in den
Bereichen Personalentwicklung, Ressourcenbewirtschaftung, Unterrichtsorganisation, Mitwirkung und Partizipation sowie Qualitätsmanagement und Rechenschaftslegung zu entwickeln.
Zweitens sollten Schulen im Rahmen regionaler
Bildungslandschaften mit weiteren bildungsrelevanten Akteuren der Region vernetzt werden.
Auf diese Weise, so die Annahme, würden zum
einen die Bedürfnisse schulischer Umwelten
besser berücksichtigt und zum anderen die fragmentierten Akteure und Ressourcen einer Region
systematisch koordiniert und so für den individuellen Bildungsprozess nutzbar gemacht werden.
In der Projektkonzeption kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass Schulen ihre eigenen
Probleme am besten kennen und in der Regel auch
eine intrinsische Motivation für deren Lösung
haben. Da ihnen jedoch die nötigen Managementfähigkeiten und –kompetenzen fehlen, können
sie erforderliche Schulentwicklungsmaßnahmen
nicht oder nur unzureichend durchführen. Selbständige Schule zielte insofern nicht darauf ab,
den Schulen extern entwickelte Problemlösungen
anzubieten. Vielmehr wurde erwartet, dass die
größere Selbstverantwortung im Zusammenspiel
mit Fortbildungen im Bereich des Schulmanagements und der Unterrichtsentwicklung sowie
einem regionalen Unterstützungssystem Schulen
dazu befähigen würde, ihre Probleme künftig sel-
37
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
ber zu lösen.
2.6.2 Entwicklung und Status quo
Das Projekt Selbständige Schule hat eine besonders lange und voraussetzungsreiche Geschichte.
Sie beginnt mit der Teilnahme von Reinhard
Mohn, dem Stifter und damaligen Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG an der Bildungskommission des Landes NRW.
Das Gremium wurde 1992 vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes
Rau, einberufen. Es war aus einem breiten und
diversen Kreis nationaler wie internationaler
Experten aus Staat, Wissenschaft, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft zusammengesetzt und legte im
Jahr 1995 seinen Abschlussbericht vor (Bildungskommission NRW 1995).
Diese Überlegungen wurden maßgeblich konkretisiert als die Bertelsmann Stiftung im Anschluss
an die Arbeit der Kommission 1996 das Thema
‚Innovative Schulsysteme im internationalen Vergleich‘ für ihren Carl Bertelsmann Preis wählte.
Preisträger war das Durham Board of Education
im kanadischen Ontario. Das Durham Board
überzeugte die Jury als „unkonventionelle und leistungsstarke Schulbehörde“, die mit ihrer Autonomie in Personal-, Finanz- und Schulentwicklungsfragen besonders produktiv umging (Bertelsmann
Stiftung 2014a).
Im Anschluss an die Preisverleihung vereinbarten das Land NRW und die Bertelsmann Stiftung
Mitte der 1990er Jahre die Durchführung eines
Modellprojekts namens Schule & Co. (1997-2002).
Im Rahmen dieses Projekts sollte in den Testregionen Leverkusen und Herford und in Zusammenarbeit mit 52 teilnehmenden Schulen die
Annahme geprüft werden, dass höhere Schulautonomie sowie die Einbettung von Schulen in regionale Bildungslandschaften einen Prozess selbstgesteuerter Schulentwicklung in Gang setzen und
so zu einer Steigerung von Schulqualität beitragen
(Glänzel 2014: 101; Bertelsmann Stiftung 2014b).
Dabei stand bereits bei diesem Projekt die Unterrichtsentwicklung im Fokus. Insgesamt wird das
Projekt in der Abschlussevaluation als sehr erfolgreich beschrieben (Bastian und Rolff 2002). Die
38
Einschätzungen der Projektbeteiligten deuten
jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse in Leverkusen keineswegs als überzeugend wahrgenommen
wurden, während die Umsetzung in Herford als
Erfolg galt (Glänzel 2014b: 101f).
Im Juni 2000 wurde im Koalitionsvertrag der rotgrünen Landesregierung als Zielsetzung vereinbart, die Leistungsfähigkeit der Schulen in NRW
durch eine größere Gestaltungsfreiheit und ein
höheres Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu stärken. Auf dieser Grundlage
verabredeten Landesregierung und Stiftung die
Durchführung des Projekts Selbständige Schule.
Im August 2002 wurde ein entsprechender Kooperationsvertrag zwischen dem Land NRW und der
Bertelsmann Stiftung unterzeichnet (Bertelsmann
Stiftung 2001).
Um die geplanten Veränderungen in den teilnehmenden Modellregionen zu ermöglichen wurde
das Schulgesetz des Landes in den Jahren 2001
und 2002 geändert. Mit Projektbeginn 2002 lagen
dem Projektteam Bewerbungen aus 54 Regionen
vor, von denen 19 ausgewählt wurden. Einzelschulen konnten sich zunächst nicht am Modellvorhaben beteiligen. Von 2004 bis 2008 wurde indessen
weiteren 413 ‚Korrespondenzschulen‘ die Möglichkeit eingeräumt, am Projekt teilzunehmen um auf
diese Weise von den Erfahrungen der Schulen in
den Modellregionen profitieren zu können.
Die Hauptaufgabe des Projektteams bestand zum
einen in der Schaffung der regionalen Unterstützungs- und Beratungssysteme sowie der Einrichtung von regionalen Bildungsbüros (Glänzel 2014:
104). Hinzu kam ein umfangreiches Trainingsund Weiterbildungsprogramm für die regionalen
Steuergruppen, die Schulleiter, die schulischen
Steuergruppen und für ganze Kollegien im
Bereich der Unterrichtsentwicklung. Insgesamt
wurden rund 10.000 Lehrer erreicht.
Durch einen Regierungswechsel im Jahr 2005
erlebte das Projekt einen Rückschlag, weil die
neue Koalition aus CDU und FDP nach Einschätzung der Interviewpartner am Projekt der
Vorgängerregierung kein Interesse mehr hatte.
Das Projekt wurde aufgrund des massiven Einsatzes der beteiligten Akteure zwar planmäßig
weitergeführt, jedoch ohne ein entschiedenes
politisches Bekenntnis zu einer Fortsetzung nach
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Projektende. Dies hatte zur Folge, dass viele der
neugeschaffenen Strukturen und Positionen
nicht dauerhaft aufrechterhalten werden konnten.
Umfangreichere Veränderungen sind jedoch bis
heute in einigen besonders engagierten Regionen
festzustellen.
2.6.3 Partner und Netzwerk
Während der Projektlaufzeit waren eine Reihe
unterschiedlicher Akteure auf ganz unterschiedlichen Ebenen an der Konzipierung, Umsetzung
und Evaluierung des Projekts beteiligt. Die wichtigsten Partner waren die Bertelsmann Stiftung
und das Schulministerium NRW. Das Ministerium schloss 2002 weitere 237 Kooperationsvereinbarungen mit den beteiligten Schulen bzw.
Kreisen, Städten und Gemeinden ab, die für die
Projektdauer die Grundlage der Zusammenarbeit
bildeten. Aus diesem Vorgehen resultierte ein sehr
umfangreiches und diverses Netzwerk verschiedener Beteiligter auf unterschiedlichen Ebenen
und mit unterschiedlichen Kompetenzen.
Die Steuerung dieses überaus ambitionierten
Projekts bedurfte einer entsprechend komplexen
Mehrebenenorganisation. Auf der höchsten Ebene
wurde ein Projektvorstand berufen, der zu gleichen Teilen aus Vertretern des Schulministeriums
sowie der Bertelsmann Stiftung besetzt war. Der
Vorstand entschied konsensorientiert über die
längerfristigen inhaltlichen, konzeptionellen und
methodischen Weichenstellungen.
Unterhalb des Projektvorstands war die Projektleitung angesiedelt. Projektleiter war ein Mitarbeiter
der Bertelsmann Stiftung, der aus dem Schulministerium kam und für das Projekt freigestellt
wurde. Dem Projektleitungsteam gehörten neben
weiteren Mitarbeitern der Bertelsmann Stiftung
auch jeweils zwei Lehrer sowie zwei Mitarbeiter
aus Kommunalverwaltungen an.
Auf regionaler Ebene wurden für die Projektsteuerung in jeder Modellregion regionale Steuergruppen eingesetzt, die sich aus jeweils zwei Vertretern
der Schulträger, der Schulaufsicht und der teilnehmenden Schulen zusammensetzten. Die Steuergruppen sollten im Wesentlichen die Arbeit der
Schulen unterstützen und waren darüber hinaus
für den Auf bau regionaler Bildungslandschaften
CSI
zuständig, einschließlich der Einrichtung eines
regionalen Bildungsbüros.
Auf Schulebene wurden schulische Steuergruppen eingerichtet, die je nach Schulgröße drei bis
sieben Personen umfassten. Die Schulleiter waren
„gesetzte Mitglieder“ der schulischen Steuergruppen. Über ihre sonstige Zusammensetzung
konnten die Schulen frei entscheiden. Die Steuergruppe hatte die Aufgabe, den Schulentwicklungsprozess der eigenen Schule zu koordinieren und
den Entwicklungsprozess zu moderieren (Bertelsmann Stiftung 2014c).
2.6.4Zielerreichung
Die Frage, ob und in welchem Umfang das Projekt Selbständige Schule seine Ziele erreicht hat,
ist vergleichsweise schwer zu beantworten. Laut
Kooperationsvertrag vom 22. August 2001 (Bertelsmann Stiftung 2001) und allen wesentlichen
Projektdokumenten einschließlich der wissenschaftlichen Begleitforschung bestand das wesentliche Ziel des Vorhabens in der Verbesserung von
Schulqualität und insbesondere der Unterrichtsqualität (Projektleitung ‚Selbstständige Schule‘
2004, 2006; Bertelsmann Stiftung 2014d). Als
wesentlicher Indikator für positive Veränderungen
dieser Dimension wurden dabei Leistungssteigerungen von Schülerinnen und Schülern angesehen (Projektleitung ‚Selbstständige Schule‘ 2006:
6; Bertelsmann Stiftung 2014e). Laut unseren
Interviewpartnern gab es faktisch auf Seiten von
Ministerium und Stiftung jedoch unterschiedliche
Prioritätensetzungen: Während für das Ministerium die Erprobung und Implementierung regionaler Modelle von Schulautonomie im Vordergrund stand, stellte dies für die Stiftung nur ein
Mittel zum eigentlichen Zweck der Unterrichtsentwicklung dar. Einen hohen Konsens gab es
jedoch hinsichtlich der Entwicklung eines Modells
regionaler Bildungslandschaften. Beide Seiten hatten ein großes Interesse zu zeigen, dass der Ansatz
höherer Schulautonomie, eingebettet in regionale
Bildungsnetzwerke funktionieren kann.
Diese Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung durch das Dortmunder Institut für
Schulentwicklungsforschung wurden 2008 in
einer umfassenden Publikation veröffentlicht
(Holtappels et al. 2008). Die Evaluation deckt ein
39
K apit el 2
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Fallstudien
breites Spektrum unterschiedlicher Projektdimensionen ab und kommt dabei zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Während in einer Reihe organisationaler Dimensionen eine positive Wirkung
festgestellt wurde, konnte kein Zusammenhang
zwischen einer höheren Autonomie von Schulen
und der beabsichtigten Steigerung der Schülerleistungen nachgewiesen werden.
Die Studie wird indessen aus wissenschaftlicher
Sicht aber auch von einigen Interviewpartnern als
methodisch problematisch kritisiert. Hervorzuheben ist insbesondere der Umstand, dass nicht
mit Vergleichsgruppen gearbeitet wurde (Heyder
2014: 196), was Aussagen zur kausalen Wirkung
des Projekts unnachvollziehbar macht. Von verschiedenen Interviewpartnern wurde zudem
darauf hingewiesen, dass ein so grundlegendes
Projekt wie Selbständige Schule womöglich über
die kurze Projektphase hinaus mehr Zeit benötigen könnte, um seine volle Wirkung zu entfalten.
Seit Projektende wurden jedoch keine weiteren
Messungen bzw. Befragungen mehr vorgenommen, um einen möglichen langfristigen Erfolg zu
prüfen.
Was die Entwicklung regionaler Schul- und Bildungslandschaften anbelangt, so kommt die Evaluation zu sehr positiven Ergebnissen. Die Arbeit
und Ergebnisse der Regionalen Steuerungsgruppen wurde von einer Mehrzahl der Befragten als
Erfolg eingeschätzt und eine Mehrheit wünschte
sich 2008 deren Fortbestehen (Holtappels et al.
2008: 199). Die weitere Entwicklung des Ansatzes
regionaler Bildungslandschaften nach Ende der
Projektlaufzeit lässt diesen Projektbaustein als
den eigentlichen Erfolg des Vorhabens erscheinen. 2007 gab es in 18 der 19 Modellregionen
ein Bildungsbüro (2005: 15 Bildungsbüros) und
eine Mehrheit der Befragten sah Bildungsbüros
als notwendiges Instrument für den Erfolg der
regionalen Steuerung an. Unmittelbar nach Projektende wurden in 44 von 54 Regionen in NRW
Bildungsbüros geschaffen. Darüber hinaus fand
das Konzept deutschlandweit Beachtung und
wurde in vielfältiger Art und Weise in anderen
Bundesländern kopiert, insbesondere im Rahmen
des BMBF-Projekts Lernen vor Ort (Glänzel 2004b:
120). Insgesamt gibt es nach Aussagen eines Interviewpartners aktuell deutschlandweit ca. 300 Bildungsbüros, was den nachhaltigen Erfolg dieses
Konzepts dokumentiert. Damit ist vermutlich der-
40
jenige Projektbaustein am erfolgreichsten gewesen, der sozusagen den kleinsten gemeinsamen
Nenner der Projektpartner darstellte und zugleich
politisch am wenigsten kontrovers war.
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
CSI
3 Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
3.1Erfolg von Partnerschaften: Wirkung in der Fläche oder Innovation in
Nischen?
Partnerschaftliche Arrangements erwiesen sich
als für die Entwicklung neuer, zuweilen auch
nachweislich effektiver, Lösungsansätze geeignet. Sie führen auch tatsächlich zu einer Übernahme der gemeinsam entwickelten Lösungsmodelle durch staatliche Akteure. Das Projekt
Jacobs-Sommercamp ist ein Beispiel für diesen
positiven Befund. Dabei entwickelte die Bremer
Schulbehörde gemeinsam mit der Zürcher Jacobs
Foundation und dem Berliner Max-Planck-Institut
für Bildungsforschung ein effektives Sommerschulprogramm zur Förderung von Schülerinnen
und Schülern mit Problemen in Deutsch. Das
Programm wurde nach Abschluss des Projekts
von der Stadt übernommen. Es existiert in Trägerschaft der Bildungsbehörde bis heute und wird in
nur leicht veränderter Form vom Bremer Goethe
Institut durchgeführt.
Die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse konnte
auch in den Fällen Selbstständige Schule und
SEIS gesichert werden. Zugleich macht die Analyse dieser beiden Projekte jedoch auch deutlich,
dass die Übernahme gemeinsam entwickelter
Innovationen in staatliche Trägerschaft aus unterschiedlichen Gründen nicht notwendigerweise die
hohen Erwartungen an Verbreitung und Wirksamkeit erfüllt, die unserem Projekt als Prämissen
zugrunde lagen.
Das SEIS Instrument entstand im Rahmen eines
Gemeinschaftsvorhabens von Bertelsmann Stiftung und vier Bundesländern. Es wurde im Laufe
von zwei aufeinanderfolgenden Projekten von
der ersten Idee über einen Prototyp bis hin zum
marktfähigen Produkt entwickelt. Anschließend
wurde es von einem Konsortium aus neun staatlichen Trägern übernommen und verbreitete sich
dadurch schnell an über 5.200 von rund 43.300
allgemeinbildenden und beruf lichen Schulen
in Deutschland. Dies ist – auch im internationalen Vergleich – eine außergewöhnlich hohe Zahl
(Thümler et al. 2014b). Das SEIS Programm
kommt insofern von allen untersuchten Vorhaben einem Modell am nächsten, das auf partnerschaftliche Entwicklung neuer Instrumente und
die folgende Übernahme und Verbreitung durch
staatliche Stellen setzt. Zugleich bedeutet dieser
Befund jedoch auch, dass selbst im erfolgreichsten
Fall rund 38.000 Schulen, und damit die überwiegende Mehrheit, das Instrument nicht nutzten.
Zudem erwies sich das SEIS-Konsortium nicht
als dauerhaft stabil und löste sich nach rund fünf
Jahren Existenz auf.15 Unsere Interviewpartner
nannten dafür unterschiedliche mögliche Gründe.
Zum einen den Umstand, dass es nicht gelang,
das auf Stabilität und Standardisierung hin ausgelegte Instrument an neue Entwicklungen wie
das Entstehen unterschiedlicher schulischer Qualitätsrahmen in den einzelnen Ländern oder die
Bedürfnisse von Schulen nach stärker modularisierten Instrumenten anzupassen und damit auch
auf die Konkurrenz durch neue Anbieter reagieren zu können. Eine Rolle gespielt haben könnte
jedoch auch „[m]angelnde Nachfrage vonseiten der
Schulen und die wiederum bedingt durch einfach
zu viele Reformprojekte, die dort auch gleichzeitig
bewältigt werden mussten.“
Das Projekt Selbstständige Schule, ein Vorhaben
von Bertelsmann Stiftung und Schulministerium
NRW, ist ein weiteres Beispiel für die Problematik des Anspruchs f lächendeckender Verbreitung.
Die Projektpartner hatte sich die Erprobung, Realisierung und Verbreitung umfassender neuer
schulischer Steuerungsmechanismen zum Ziel
gesetzt. Sie konzentrierten sich dabei auf die
erhöhte Selbstständigkeit von Schulen im Rah15 Das SEIS Programm wird heute von den vier verbliebenen
Partnern getragen.
41
K apit el 3
Auf Grundlage unserer Fallstudien lässt sich nun
die Frage beantworten, welche Rolle Partnerschaften für den Erfolg von sozialer Innovation
im Bildungsbereich spielen. Darüber hinaus lässt
sich auch die Reichweite solcher Vorhaben genauer bestimmen.
CSI
Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
men regionaler Bildungslandschaften um eine
„Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit und
insbesondere des Unterrichts“ (Brabeck und Lohre
2004) im Land Nordrhein-Westfalen zu erreichen.
Wie die konkreten Ergebnisse des Vorhabens
einzuschätzen sind, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Ob es tatsächlich zu einer f lächendeckenden Implementierung des neuentwickelten
Systems in NRW kam, muss auf Grundlage
der vorliegenden Daten und auch der Aussagen
unserer Interviewpartner zumindest als strittig
gelten. Während durch eine Novellierung des
Schulgesetzes im Jahr 2006 zumindest formal
tatsächlich allen Schulen des Landes erhöhte
Selbstständigkeit gewährt wurde (Bertelsmann
Stiftung 2014d) wurde das im Projekt entwickelte
umfangreiche Unterstützungs- und Governancesystem nicht übernommen. Insbesondere für den
Anspruch, dass durch diese Veränderungen eine
Verbesserung der Unterrichtsqualität, und damit
auch der Schülerleistungen erreicht werden kann,
fehlt bis heute der Nachweis.
Insofern sind sowohl SEIS als auch Selbständige
Schule als Beispiele für die Fragwürdigkeit der
Idee ‚f lächendeckender‘ Ausbreitung einzustufen: Zunächst einmal suggeriert der Begriff ein
Ausmaß an Verbreitung, für das es in der Praxis
staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften keine überzeugenden Beispiele gibt und das
vermutlich nicht realistisch sein dürfte. Und selbst
wenn eine hohe Verbreitung stattfindet, bedeutet
dies noch nicht, dass die eigentlichen Projektziele dadurch verwirklicht werden können. Denn
einerseits ist Verbreitung nicht notwendigerweise
mit nachweisbarer Effektivität gleichzusetzen,
zum anderen werden im Prozess der Verbreitung oftmals nur ausgewählte einzelne Bestandteile von ursprünglich weitaus komplexeren oder
anspruchsvolleren Innovationen übernommen.
Und schließlich ist aufgrund der Unterschiedlichkeit lokaler Problemlagen auch nicht davon
auszugehen, dass die Einführung eines bestimmten Instruments für die Mehrheit aller Schulen
überhaupt sinnvoll ist. Aus diesem Grund wird
im Folgenden von ‚weitreichender‘ statt ‚f lächendeckender‘ Verbreitung die Rede sein, wenn es
um das Wachstum bzw. die Diffusion innovativer
Ansätze geht.
42
3.2Innovative Nischen als Ergebnisse
von Partnerschaften
Wenn nicht lediglich die bloß quantitative bzw.
formale Verbreitung als Kriterium für erfolgreichen Transfer gewählt sondern die Frage gestellt
wird, ob lebendige Innovationen entstanden, die
auch tatsächlich vor Ort die gewünschte Veränderungswirkung erzielten, muss demzufolge auf den
ersten Blick eine eher ernüchternde Bilanz gezogen werden: Im Anschluss an eine gemeinsame
Entwicklungsphase entstanden im günstigsten
Fall begrenzte innovative Nischen, die den einmal
entwickelten Ansatz nicht lediglich unverändert
fortführten, sondern dynamisch weiterentwickelten. Dies ist beispielsweise im DeutschSommer Programm der Fall. Es beruht auf dem Modell
des Jacobs-Sommercamps und wird von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt am
Main getragen und durchgeführt. Die Stiftung
war sich dabei des Umstands bewusst, dass die
zunächst signifikanten Effekte des Sommercamps
nach wenigen Monaten deutlich nachlassen (Stanat et al. 2012) – was bei einer so kurzen Intervention indessen auch kaum anders zu erwarten
war. Deshalb wurde das Programm im Laufe der
Zeit durch weitere begleitende Maßnahmen, wie
etwa ein Familienstipendium, zu einem deutlich
umfangreicheren Förderprogramm ausgebaut.
Die Entwicklung von regionalen Bildungslandschaften im Kontext des Projekts Selbstständige
Schule ist als weiteres Beispiel für die Bedeutung
von innovativen Nischen einzuschätzen. Denn
wenngleich der vom Projekt angestrebte umfassende Umbau des Nordrhein-Westfälischen Schulsystems nicht realisiert werden konnte, scheinen
doch zumindest einige der im Rahmen von Selbstständige Schule entwickelten und etablierten
regionalen Bildungslandschaften eine dauerhafte
Stabilisierung bei gleichzeitiger kontinuierlicher
Entwicklungsdynamik entwickelt zu haben (Rolff
2013).
Dieses Vorhaben ist noch aus einem weiteren
Grund für unsere Studie von hohem Interesse.
Denn das Konzept fand auch nach Abschluss des
Projekts wachsende Aufmerksamkeit und erfuhr
insbesondere durch das BMBF-Projekt Lernen vor
Ort deutschlandweite Verbreitung (Glänzel 2004:
120). Insgesamt gibt es nach Aussagen eines Interviewpartners derzeit ca. 300 regionale Bildungs-
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
büros. Dieser Umstand dokumentiert einerseits
den nachhaltigen Erfolg dieses Konzepts, wenngleich auch in diesem Fall von ‚f lächendeckender‘
Verbreitung keine Rede sein kann. Es zeigt sich
jedoch auch, dass von der ersten Erprobung regionaler Bildungslandschaften im Projekt Schule
& Co. (1997-2002) bis zur heutigen Verbreitung
zwölf Jahre vergangen sind, in denen im Rahmen
von zwei großen partnerschaftlich gestalteten
Projekten das Konzept immer weiter erprobt und
ausgebaut wurde. Die Ermöglichung einer solchen
intermediären Lern- und Entwicklungsphase
erweist sich als ein entscheidender Baustein in
Strategien für nachhaltige Innovationen im Bildungsbereich.
3.3Von Partnerschaften zu Innovationsnetzwerken
Unsere Daten zeigen, wie oben erwähnt, dass
Partnerschaften zwischen Stiftungen und Staat
zur Entwicklung neuer Lösungsansätze für die
Probleme des Schulsystems führen können, die
sich zwar nicht in die Fläche ausbreiten, jedoch
zumindest nischenhaft stabilisiert werden. In
einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, welche
Rolle dabei der Umstand spielt, dass die Beteiligten ihre Zusammenarbeit als Partnerschaft und
nicht anders gestalteten.
Dass es Alternativen zu partnerschaftlicher
Zusammenarbeit gibt, zeigen Beispiele wie die
Schweizer Stiftung Die Chance. Stiftung für
Berufspraxis in der Ostschweiz oder das DeutschSommer Programm der Stiftung Polytechnische
Gesellschaft. Die Chance entwickelte – unter
ausdrücklichem Verzicht auf partnerschaftliche
Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen – ein
erfolgreiches Programm für den Übergang von
der Schule in den Beruf. Die Polytechnische
Gesellschaft übernahm das Jacobs-Sommercamp
für Frankfurt und führt es dort erfolgreich fort.
Beide Vorhaben erzielten nachweislich positive
Ergebnisse obwohl sie nicht partnerschaftlich
organisiert sind. Darüber hinaus zeigt das Beispiel des Jacobs-Sommercamps als eine trilaterale
Partnerschaft zwischen Bremer Bildungsbehörde,
Jacobs Foundation und Max-Planck Institut für
Bildungsforschung, dass Partnerschaften nicht
auf Stiftungen und Staat begrenzt sein müssen,
CSI
sondern auch weitere Beteiligte umfassen können.
Aus diesen Beobachtungen ziehen wir den
Schluss, dass die Beschränkung des Blicks auf
staatlich-philanthropische Partnerschaften für
die Fähigkeit zu einer begründeten strategischen
Abwägung nicht hinreichend ist. Unsere Antwort
auf diese Problematik knüpft an die Beobachtung
an, dass in keiner der untersuchten Partnerschaften die Arbeit von den Partnern alleine geleistet
wird. Erfolgreiches Problemlösen ist vielmehr
stets als Resultat der Zusammenarbeit eines
Netzwerks anzusehen, das sich aus einem breiten Spektrum privater wie staatlicher Beteiligter
zusammensetzt.16
Je nachdem, welche Rolle die einzelnen Teilnehmer spielen und wie die Beziehungen untereinander organisiert sind, können Innovationsnetzwerke sehr unterschiedliche Gestalt annehmen.
Sie hängt maßgeblich davon ab, wie Zusammensetzung, Governance und Koordination des Netzwerks gestaltet sind. So können Netzwerke Beteiligte von höherer oder niedriger Diversität (hier
verstanden als Angehörigkeit zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren) umfassen.
Sie können zweitens von einem maßgeblichen
Akteur, einer sog. Leadorganisation, oder aber
von gleichberechtigten Partnern geführt werden
(Provan und Kenis 2008). Nur wenn Letzteres der
Fall ist, kann von einer genuinen Partnerschaft die
Rede sein. Und schließlich ist die Koordination
des Netzwerks von dessen Governance zu unterscheiden. Während sich Letztere auf die Frage
bezieht, wer die Entscheidungen trifft, betrifft der
Aspekt der Koordination die Vorbereitung bzw. die
Umsetzung der Entscheidungen. Dies kann auf
informelle Weise oder formelle Weise geschehen.
Im ersten Fall kommt es zu informellen Absprachen zwischen den Partnern, im zweiten Fall wird
ein ‚Kümmerer‘ formell benannt. Dieser Kümmerer kann eine Geschäftsstelle oder Projektteam
in einer der beteiligten Organisationen sein, oder
aber eine eigens zu diesem Zweck gegründete
und formal mit der Koordination betraute externe
16 Die Rolle von Vernetzung für Schulentwicklungsprozesse ist
bereits mehrfach Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion geworden (z.B. OECD 2003). Häufig kommen dabei eher
informelle, ‚gewachsene‘ Netzwerke in den Blick. Bei den hier
untersuchten Netzwerktypen handelt es sich hingegen um ‚strategische‘ Netzwerke, die als Arbeitsinstrumente für die Bearbeitung eines bestimmten Problems ins Leben gerufen werden
(Sydow 1992).
43
K apit el 3
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
Netzwerkmanagement-Organisation (Provan und
Kenis 2008).
Wir definieren Innovationsnetzwerke daher als
Formen der Zusammenarbeit unterschiedlicher
Akteure (Organisationen oder Personen) zwecks
Lösung öffentlicher Probleme. Dabei sind entweder eine einzelne Organisation oder mehrere
gleichberechtigte Partner maßgeblich für die Aktivitäten des Netzwerks verantwortlich, treffen die
Entscheidungen und/oder leisten die erforderliche
Koordinationstätigkeit. Weitere Netzwerkmitglieder unterstützen mit eigenen Ressourcen, sind
jedoch nicht als gleichberechtigte Partner eingebunden (O’Toole 1997; Provan und Kenis 2008;
Provan und Lemaire 2012).
Diese unterschiedlichen Strukturmerkmale stehen wiederum mit bestimmten Netzwerkeigenschaften in Zusammenhang. Grundsätzlich gilt:
Je diverser das Netzwerk zusammengesetzt ist, je
partnerschaftlicher die Governance gestaltet und
je mehr es intern und informell koordiniert wird,
desto höher ist das innovative Potential und desto
niedriger ist dessen Stabilität. Umgekehrt gilt,
dass Netzwerke umso stabiler und desto weniger
innovativ sind, je ähnlicher sich die Beteiligten
sind und je zentralisierter die Entscheidungsfindung gestaltet ist.17 Die formale Koordination
durch eine auf diesen Zweck spezialisierte NMO
ist als Zeichen besonders hoher Stabilität anzusehen. Dieser Zusammenhang zwischen Netzwerkmerkmalen und innovativer Kapazität bzw. Stabilität wird in Tabelle 2 dargestellt
Strukturmerkmale
Innovation
Stabilität
Governance
Partnerschaft
Leadorganisation
Diversität
Hoch
Niedrig
Koordination
Modus
Ort
Informell
Intern
Formell
Extern (NMO)
17 Dieser Befund macht im Übrigen zugleich deutlich, dass
Innovation und Kreativität nicht als charakteristische Merkmale
von Stiftungen anzusehen sind, die diese als ihre besondere
Kompetenz in Partnerschaften mit staatlichen Akteuren einbringen. Kreative Innovationen entstehen vielmehr durch das
gleichberechtigte Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure.
44
Tabelle 2: Netzwerkstruktur, Innovation und Stabilität
3.4Effektivität von Netzwerken:
Probleme und Prozessphasen
Die Kombination unterschiedlicher Governanceund Koordinationsarrangements resultiert in
unseren Fällen in vier unterschiedlich strukturierten Netzwerktypen. Diese Unterscheidung
ist deshalb wichtig, weil Innovationsnetzwerke je
nach Struktur für die Erfüllung ganz verschiedener Aufgaben geeignet bzw. ungeeignet sind
(Provan und Kenis 2008). Sie bewegen sich entlang eines Spektrums, das von hoch innovativen
aber auch eher instabilen Netzwerken am einen
Ende, bis hin zu hoch stabilen aber auch wenig
innovativen Netzwerken am anderen Ende reicht.
Entsprechend kommen die verschiedenen Netzwerktypen für die Bearbeitung unterschiedlicher
Problemtypen in verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses zum Einsatz. Um welche Problemtypen bzw. Prozessphasen handelt es sich
dabei?
3.4.1 Problemtypen
Die Unterscheidung verschiedener Problemtypen
ist deshalb so wichtig, weil soziale Probleme ihrer
Natur nach überaus unterschiedlich sind, und
deshalb nicht auf Grundlage allgemeingültiger
Rezepte oder standardisierter Verfahren bearbeitet
werden können, wie es beispielsweise die Vertreter
des Ansatzes ‚strategischer Philanthropie‘ empfehlen (z.B. Frumkin 2006, Brest und Harvey 2008).
Lösungsmethoden und –ansätze müssen vielmehr auf die jeweils konkrete Problemsituation
maßgeschneidert werden (Thümler et al. 2014b).
Dabei ist jedoch nicht jedes Problem vollkommen
unvergleichbar und einzigartig. In den hier untersuchten Fällen konnten wir drei unterschiedliche
Problemtypen identifizieren, die sich anhand der
Frage unterscheiden lassen, in welchen Bereichen
des Schulsystems sie angesiedelt sind. Dementsprechend lassen sie sich in Probleme im ‚Zentrum‘ des Systems, ‚Management‘ Probleme und
Probleme an der ‚Peripherie‘ des Systems unter-
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
scheiden.18
Zentrum des Systems: Im Zentrum des Bildungssystems stehen Unterricht und Lernen. Interventionen in diesem Bereich zielen insbesondere auf
besseres und erfolgreicheres Lernen ab. Dabei
handelt es sich um überaus intransparente blackbox Probleme, bei denen unklar und schwierig
festzustellen ist, welche Interventionen effektiv
sind und zu welchen Folgen sie führen. Für die
Bearbeitung dieser Probleme wird daher hochspezialisiertes Expertenwissen benötigt. Darüber
hinaus ist ein sehr experimentelles und aufwändig zu evaluierendes, evidenz-basiertes Vorgehen
erforderlich. (Thümler et al. 2014b). Für die Bearbeitung dieser Probleme bietet sich daher, wie im
Fall des Jacobs-Sommercamps, die Beteiligung
wissenschaftlicher Akteure an, um spezifisch wissenschaftliche Expertise (z.B. experimentelle Projektdesigns, Techniken der Unterrichtsentwicklung, Kenntnisse adäquater Evaluationsverfahren
usw.) systematisch in den Prozess der Nischenentwicklung einbinden zu können.
Management: Einige untersuchte Vorhaben
wie etwa Selbständige Schule oder SEIS zielen
darauf ab, die Managementfähigkeiten von Schulen oder anderer Akteure des Bildungssystems
zu entwickeln. Es handelt sich dabei ebenfalls
um komplexe, wissensintensive Probleme, deren
Bearbeitung wiederum genuine Partnerschaften
erfordert. Dieser Problemtypus erscheint jedoch
tendenziell weniger intransparent und weniger
schwer zu evaluieren zu sein, als Interventionen
in Unterricht und Lernprozesse. Er kann dabei,
wie etwa im Fall von Selbständige Schule, jedoch
hochpolitischer Natur sein.
Peripherie: An der Peripherie des staatlichen
Bildungssystems, also dort, wo nicht mehr schulisches Lernen im Zentrum der Aufmerksamkeit
steht sondern z.B. der Übergang von der Schule
in den Beruf, werden weniger komplexe und wissensintensive Probleme bearbeitet, deren Erfolg
leichter zu evaluieren sein kann. Die Arbeit der
Stiftung Die Chance ist ein Beispiel dafür, dass in
diesen Fällen reduzierter Komplexität die Arbeit in
18 Wir gehen nicht davon aus, dass diese Gliederung die
ganze Vielfalt des Bildungssystems erschöpfend erfassen kann.
Unsere Analyse beruht ausschließlich auf den untersuchten Fällen, es ist daher möglich, dass über die hier genannten Muster
hinaus auch weitere Problemtypen existieren.
CSI
Partnerschaften nicht unbedingt erforderlich ist.
3.4.2 Der Innovationsprozess
Für die weitere Diskussion unserer Fragestellung
spielt insbesondere der Umstand eine Rolle, dass
nicht nur bearbeitete Probleme voneinander unterschieden werden müssen. Vielmehr verändert sich
auch der Charakter der Problembearbeitung im
Laufe des Prozesses sozialer Innovation. Dieser
lässt sich ganz schematisch nach den Phasen ‚Initiierung‘, ‚Entwicklung und Implementierung‘,
sowie ‚Stabilisierung und Wachstum‘ unterscheiden (z.B. Braun-Thürmann 2005; Van de Ven et al.
2008: 23-24).
Die Initiierungsperiode ist vorwiegend darauf ausgerichtet, ein vertieftes und möglichst umfangreiches Verständnis des adressierten Problems
oder überhaupt der zur Verfügung stehenden
Handlungsoptionen zu gewinnen. Die Steuerung
dieses Prozesses bezeichnen wir als ‚Ideenentwicklung‘. In der Entwicklungsphase werden ein
ausgewähltes Problem analysiert und Strategien
bzw. konkrete Designs für dessen Bearbeitung
entwickelt. Diese Konzepte werden in der Implementierungsphase in die Realität umgesetzt. Die
Steuerung dieses Prozesses nennen wir ‚Nischenentwicklung‘. Dabei entstehen innovative Arrangements, die im Erfolgsfall auf Dauer gestellt bzw.
skaliert und dabei kontinuierlich den Erfordernissen ihrer Umwelt angepasst werden. Wir bezeichnen die Steuerung dieses Prozesses als ‚Nischenmanagement’.
Im Laufe der Problembearbeitung verändert sich
der Charakter des bearbeiteten Problems. Je komplexer und intransparenter es ist, desto mehr geht
es zu Beginn darum, Unsicherheit und Komplexität zu reduzieren. Optimalerweise entsteht während der ersten Schritte der Problembearbeitung
(also der Phasen von Ideenfindung und Nischenentwicklung) ein Instrument, dessen Anwendungsmöglichkeiten und Erfolgsbedingungen
mehr oder weniger klar sind. Ist das der Fall,
verändert sich die Problemsituation: Es geht nun
weniger darum, Licht in die black box ungeklärter Zusammenhänge zwischen Handlungen und
erwünschten Ergebnissen zu werfen und mehr
darum, das Instrument am Leben zu erhalten und
45
K apit el 3
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
weiterzuentwickeln. Mit dieser Entwicklung geht
dann natürlich auch eine Veränderung der Netzwerke einher, die für die Problembearbeitung eingesetzt werden.
3.5Netzwerktypen
Wir hatten oben festgestellt, dass Netzwerke für
die Bearbeitung unterschiedlicher Problemtypen
bzw. die verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses maßgeschneidert sein müssen. Im Folgenden wird nun dargestellt, welche Netzwerktypen wir in unseren Fallstudien vorfanden, und
unter welchen Bedingungen diese effektiv eingesetzt werden können.
3.5.1 Explorative Netzwerke
Einige, wenngleich nicht alle Vorhaben, weisen
eine vorbereitende Orientierungsphase auf, in der
Informationssammlung und Konzeption im Vordergrund stehen. Zu diesem Zweck werden explorative Netzwerke eingesetzt. Sie versammeln ein
breites Spektrum unterschiedlicher Stakeholder
mit verschiedenen Interessen, Fachkenntnissen
und Werten an einem Tisch. Auf diese Weise identifizieren sie relevante Partner, gewinnen einen
umfangreichen Überblick über die Problemsituation und schaffen das Potenzial für die Entwicklung kreativer Lösungsideen.
Im Rahmen dieser Studie kamen zwei derartige
Netzwerke in den Blick: Zum einen die Kommission ‚Zukunft der Bildung — Schule der Zukunft‘
beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Deren Ergebnisse sind in einem
umfangreichen Bericht festgehalten, der für die
Entwicklung der Projekte Selbstständige Schule
und SEIS sehr einflussreich wurde (Bildungskommission NRW 1995).
Zum anderen der ‚Runde Tisch‘ innerhalb des
Projekts Netzwerke für Bildungspartner, der eine
große Anzahl relevanter Stakeholder in die Entwicklung des Projekts einband. Während die RauKommission federführend von der Staatskanzlei
des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und
koordiniert wurde, wurde der Runde Tisch von
46
den Partnern Breuninger Stiftung, dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg und
der Robert Bosch Stiftung getragen.
Die beiden Vorhaben illustrieren zunächst einmal
den Umstand, dass explorative Netzwerke partnerschaftlich organisiert sein können, aber nicht
müssen: es ist in diesem Fall kein Grund ersichtlich warum einer der beiden Varianten der Vorzug
gegeben werden sollte. Die Entscheidung wird
üblicherweise aus der konkreten Situation heraus
getroffen werden können. Typischerweise setzen
sich solche Netzwerke aus einem sehr breiten und
diversen Spektrum unterschiedlicher Akteure aus
verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren, häufig
auch mit internationalem Hintergrund, zusammen. Die Koordination erfolgt dabei intern bei
der federführenden Organisation bzw. einer der
Partnerorganisationen. Es liegt in der Natur der
Sache, dass die Lebensdauer solcher Netzwerke
je nach adressierter Problemsituation auf ein bis
wenige Jahre beschränkt ist. Die Eigenschaften
explorativer Netzwerke werden überblickshaft in
der Tabelle 3 dargestellt.
Governance
Diversität Koordina- Lebenstion
dauer
Partnerschaft oder Hoch
Leadorganisation
Intern
Formell
Kurz bis
Mittel
Tabelle 3: Eigenschaften von explorativen Netzwerken
Da explorative Netzwerke in einem sehr frühen
Stadium der Problembearbeitung zum Einsatz
kommen, könnte man annehmen, dass diese
Instrumente einen relativ hohen Grad von Unverbindlichkeit aufweisen und dass z.B. die Zusammensetzung keine entscheidende Rolle für das
spätere Projekt spielt. Unsere Fälle deuten jedoch
darauf hin, dass eher das Gegenteil der Fall ist:
Explorative Netzwerke stellen entscheidende Weichen. Wenn z.B. wichtige Stakeholdergruppen
nicht darin vertreten sind, kann dies dauerhafte
Auswirkungen für das ganze weitere Vorhaben
mit sich bringen. So bilanzierte einer der Teilnehmer des Projekts Netzwerke für Bildungspartner:
„Wir haben während des ganzen [Vorhabens] nie
irgendeinem Elternteil mal in die Augen geguckt.
Also auch so ein typisches Projektgeschehen, man
beschäftigt sich mit irgendwas ganz wichtigem,
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
aber die eigentliche Gruppe der Leute die das
wirklich betrifft, die hat man nie selber als Veranstalter im Blick oder redet mit denen mal.“
Explorative Netzwerke haben sowohl Vor- als auch
Nachteile. Sie werden erfolgreich eingesetzt, wenn
es darum geht, Orientierung in Situationen zu
schaffen, die durch besonders hohe Unsicherheit
und Ambiguität gekennzeichnet sind. Im Falle
der Bildungskommission NRW etwa stand gar
kein konkretes Problem auf der Agenda, sondern
vielmehr der Anspruch, Ideen für ein modernes
Schulsystem der Zukunft zu entwickeln. Alternativ können solche Netzwerke dazu eingesetzt
werden, in potentiell oder tatsächlich kontroversen
Handlungsfeldern Konsens zu schaffen und so
Handlungsspielraum zu entwickeln. Das Format
des ‚runden Tisches‘, wie er im Projekt Netzwerke
für Bildungspartner eingesetzt wurde, ist eigentlich typisch für solche hoch konf liktreichen Situationen.
Weil explorative Netzwerke auf einem partizipativen Prinzip beruhen, können sie einer gerade auf
Stiftungsseite verbreiteten Tendenz entgegen wirken, die zu bearbeitenden Probleme vollkommen
autonom zu setzen und Lösungen unabhängig von
den Adressaten zu entwickeln. So kann von vornherein gewährleistet werden, dass nur solche Probleme adressiert werden, die von den handelnden
Akteuren auch wirklich als relevant angesehen
werden.
Einer unserer Interviewpartner drückte das Erfordernis eines Vorgehens, dass sich an einer konkreten Problemsituation auf staatlicher Seite sowie
dem Bedarf an praxisnahen Lösungen orientiert,
mit den Worten aus: „Wir müssen uns diesen Auftrag holen, wir können ihn nicht geben.“
Explorative Netzwerke können für die Klärung
dieses Auftrags hilfreich sein. Allerdings belegen die Fallstudien auch, dass ein breit und partizipativ angelegter Ansatz weniger gut dazu
geeignet ist, sehr fokussierte Lösungen auf klar
zugeschnittene Probleme zu generieren. Dies ist
der einschlägigen Forschung zufolge jedoch ein
wichtiges Merkmal erfolgreicher Partnerschaften.
Im Falle der Bildungskommission etwa wurde ein
außerordentlich breiter ‚Lösungshorizont‘ entworfen. Dies führte nach Aussage mehrerer Beteiligter u.a. dazu, dass ein Projekt wie Selbstständige
CSI
Schule bei weitem zu umfangreich und ambitioniert angelegt wurde. Es dauerte in diesem Falle
rund 12 Jahre (1996–2008), bis es gelang, diese
Komplexität soweit zu reduzieren, dass daraus die
handhabbare Innovation ‚regionale Bildungslandschaften‘ hervorging. Im Falle des Bildungspartner-Projekts hingegen entstand ein nach Einschätzung unserer Interviewpartner „sehr abstraktes
Konzept“ (es wurden u.a. Berater geschult, die
Initiativen berieten, die sich mit der Erwartung an
die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund
richteten, dass diese positiv auf das Verhalten
ihrer Kinder einwirken würden) das als „viel zu
weit weg von den eigentlichen Zielgruppen“ und
dessen Komplexität als „grenzwertig“ beschrieben
wurde.
Fazit: Explorative Netzwerke werden in der ersten
Phase des Innovationsprozesses eingesetzt um das
zu bearbeitende Problem näher zu bestimmen
und Lösungsideen zu entwickeln. Sie können von
Partnern oder einer einzelnen Organisation getragen werden, benötigen jedoch einen formellen
‚Kümmerer‘. Ihre Aufgabe impliziert zugleich,
dass solche Netzwerke nur von begrenzter Dauer
sein können bzw. müssen. Explorative Netzwerke
entwerfen eher breit angelegte, konsens-orientierte Lösungshorizonte, als konkrete Ansätze für
klar zugeschnittene Probleme. Sie sind insofern
am besten für solche Problemsituationen geeignet,
die durch besonders hohe Unsicherheit und/oder
politische Brisanz gekennzeichnet sind.
3.5.2Entwicklungsnetzwerke
Ein zentrales gemeinsames Element aller von uns
untersuchten Vorhaben ist eine Periode von Entwicklung und Implementierung. In dieser Phase
geht es darum, Ressourcen zu mobilisieren, konkrete Initiativen zu gestalten, Partner zu finden
und dergleichen (Van de Ven et al. 2008: 23-24).
Zu diesem Zweck werden Entwicklungsnetzwerke
eingesetzt, die sich wiederum in zwei verschiedene Typen unterteilen lassen.
Experimentelle Entwicklungsnetzwerke markieren
das innovative Ende des Spektrums. Sie kombinieren eine geringe Anzahl sehr unterschiedlicher
(hier: staatlicher, philanthropischer und wissenschaftlicher) Akteure, die ihr Vorgehen informell
47
K apit el 3
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
untereinander abstimmen. Sie sind für die kurzfristige Bearbeitung hochkomplexer, jedoch stark
eingegrenzter, Probleme im Zentrum des Schulsystems geeignet. Dazu zählen insbesondere Vorhaben, die auf besseren Unterricht und/oder besseres Lernen abzielen. Das Jacobs-Sommercamp
ist ein Beispiel für ein solches Arrangement. Die
Besonderheit dieses Vorhabens bestand darin,
dass das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nicht bloß als Teilnehmer an einer Steuerungs- oder Beratergruppe eingebunden war,
sondern als eigenständiger Partner. Auf diese
Weise konnte die Einrichtung ihre wissenschaftlichen Kompetenzen beim Design und der Durchführung des Vorhabens zur Geltung bringen.
Dies äußerte sich insbesondere in der Wahl eines
experimentellen Projektdesigns, das verschiedene
Ansätze im Rahmen einer Vergleichsgruppenstudie gegeneinander antreten ließ. Zugleich wurden
die Projektergebnisse rigoros evaluiert. Dieses
Vorgehen ist auch im internationalen Vergleich
als sehr ungewöhnlich einzuschätzen (Thümler
et al. 2014b). Die positive Evaluation wurde auf
staatlicher Seite als wichtiges Argument für die
Übernahme des Vorhabens angesehen. Einer der
Projektbeteiligten stellte fest:
„Es ist viel besser zu sagen: ‚Wir machen das jetzt
so. Es kostet uns keinen Pfennig Geld und wir
kriegen Ergebnisse.‘ Und wenn Du die Ergebnisse
hast und die sind wunderbar, kriegst Du jede politische Entscheidung.“
Die Jacobs Foundation war dabei in erster Linie
als Geldgeber sowie in der Entwicklungsphase
des Vorhabens aktiv, hielt sich aber während der
Implementierung im Hintergrund, was von den
Beteiligten als klug und vorteilhaft und als Ausdruck eines genuinen Stiftungsbeitrags angesehen wurde:
„das war eine Positiverfahrung, das war […] eine
Art von Forschungsförderung, die es sonst eben
nicht in dieser Form […] gibt. […] Sowas würde
man bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft
[….] nicht so leicht gefördert kriegen.“
Ungewöhnlich war weiterhin, dass die Koordination verteilt und auf sehr informelle Weise
erfolgte. Das MPI war für die inhaltliche Gestaltung und Umsetzung, der Bildungssenat für die
organisatorische Realisierung des Vorhabens
federführend. Die Beschreibung der Zusammenarbeit vermittelt dabei den Eindruck, dass
48
die Abstimmung durch die verantwortlichen
Personen sehr informell und auf kurzem Wege
erfolgte, was vermutlich auch durch die Kürze der
zur Verfügung stehenden Zeit bedingt war.
Dieses Vorgehen dürfte nur im Rahmen eines vergleichsweise kurzen Projekts möglich sein (das
Sommercamp-Projekt dauerte nicht länger als ein
Jahr). Zugleich ist anzunehmen, dass sich ein derartiger Ansatz gut dafür eignet, bricolage-Prozesse
zu unterstützen, in denen begrenzte Ressourcen
von ‚Bastlern‘ neukombiniert werden um maßgeschneiderte Lösungen für eine lokale Problemsituation zu entwickeln. Dieser Ansatz ist für die
Entstehungsphase sehr innovativer Vorhaben charakteristisch (Andersen 2008).
Innovative Entwicklungsnetzwerke bewegen sich
im Vergleich zu explorativen Netzwerken einen
Schritt in Richtung des stabilen Endes der Netzwerkskala. Sie kombinieren bilateral staatliche und
philanthropische Partner, wobei einer der Partner
die Zusammenarbeit als formaler ‚Kümmerer‘
koordiniert. Solche Netzwerke sind für die mittelfristige Bearbeitung komplexer Managementprobleme geeignet, die ein nicht ganz so hohes
Maß an Unsicherheit und Intransparenz aufweisen wie es für Vorhaben charakteristisch ist, die
sich Unterrichtsentwicklung zum Ziel gesetzt
haben. Im Falle von SEIS ging es etwa um die
Entwicklung eines neuen Steuerungsinstruments
für Schulen; Selbstständige Schule entwickelte
ein innovatives Governance-System im Sinne
von autonomen Schulen in regionalen Bildungslandschaften. Beide Vorhaben wurden von einer
Partnerschaft zwischen Länderministerien und
Bertelsmann Stiftung getragen, die formelle Koordination der Vorhaben lag jeweils bei der Stiftung
und beide Projekte erstreckten sich über einen
Zeitraum von mehreren Jahren (SEIS vier Jahre,
Selbstständige Schule sechs Jahre). Innovative
Partnerschaften können umfangreicher sein und
z.B. deutlich mehr Schulen als Teilnehmer umfassen, als dies im Fall experimenteller Partnerschaften der Fall ist.
Netzwerktyp
Governance
Diversität
Koordination
Lebensdauer
Experimentell
Partnerschaft
Mittel (trilateral)
Intern,
informell
Kurz
Innovativ
Partnerschaft
Mittel
(bilateral)
Intern,
formell
Mittel
Tabelle 4: Eigenschaften von Entwicklungsnetzwerken
Fazit: Entwicklungsnetzwerke eignen sich für die
kurz- oder mittelfristige Entwicklung und Implementierung von innovativen Problemlösungen. Sie
werden von zwei oder mehr Partnern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren getragen,
die zugleich die Koordination des Vorhabens übernehmen. Für die Bearbeitung von hochkomplexen
Problemen im Zentrum des Schulsystems, etwa
im Zusammenhang mit Unterrichtsentwicklung
und Lernen, kommen experimentelle Partnerschaften zum Einsatz; für die Bearbeitung von
weniger komplexen Problemen, etwa im Zusammenhang mit dem Management von Bildungseinrichtungen, bieten sich innovative Partnerschaften
an. Für langfristiges Nischenmanagement eignen
sich Entwicklungsnetzwerke weniger gut.
3.5.3Leadorganisationen
Innovationsnetzwerke, die von einer Leadorganisation getragen werden, spielen insbesondere in
der Phase von Stabilisierung und Wachstum eine
Rolle, weil sie sich aufgrund ihrer Struktur auf
dem Spektrum zwischen Innovation und Stabilität eher in Richtung des stabilen Endes bewegen
(Provan und Kenis 2008). Im Falle der Stiftung
Die Chance wurde eine Leadorganisation jedoch
auch erfolgreich für die Entwicklung und Implementierung eines innovativen Programms eingesetzt. Das bearbeitete Problem war jedoch an der
Peripherie des Schulsystems, nämlich im Bereich
des Übergangs von der Schule in den Beruf, angesiedelt, und wurde von uns daher als weniger komplex eingestuft.
In der Leadorganisation sind Handlungsfähigkeit und Stabilität dadurch erhöht, dass wichtige
Entscheidungen von einem maßgeblichen Akteur
getroffen werden, wobei ein geringerer Abstimmungsbedarf entsteht. Dieser Vorteil wird jedoch
durch eine verringerte innovative Kapazität
erkauft. Die Führungsfunktion kann von staatlichen Stellen, Stiftungen oder anderen NonprofitOrganisationen übernommen werden, was jeweils
unterschiedliche Konstellationen der Zusammenarbeit nach sich zieht. Im Falle des DeutschSommer Programms hat etwa die Stiftung Polytechnische Gesellschaft den Grundzügen nach das
Bremer Sommercamp-Modell übernommen und
nach Frankfurt am Main transferiert. Sie agiert
als zentraler ‚Kümmerer‘, spielt eine maßgebliche
Rolle bei der Durchführung des Programms, der
Einbindung von Partnern sowie Weiterentwicklung und Ausbau der Aktivitäten und trägt auch
maßgeblich die Finanzierung des Vorhabens.
Dabei agiert die Stiftung jedoch keineswegs als
bloßer Solist: Staatliche, halbstaatliche und private
Akteure sind weitere Mitglieder des Netzwerks
und leisten in dieser Funktion wichtige Teilbeiträge ohne jedoch als gleich verantwortliche Partner zu agieren. Einer unserer Interviewpartner
beschrieb dieses Verhältnis so:
„Die Stiftung […] führt […] diese Allianz an aus privaten und kommunalen Partnern. Das heißt nicht,
dass sie […] Ideen oder auch Impulsen […] von den
anderen Partnern irgendwie verschlossen ist, ganz
im Gegenteil, aber sie versteht schon auch das Projekt als ihr Kind und entsprechend steckt sie da
sicherlich einen anderen Schweiß rein als das die
anderen tun. Insofern ist das eine gleichberechtigte Partnerschaft? Jein.“
Der Ausbau des DeutschSommer Programms hin
zu einem umfangreicheren Familienprogramm
macht jedoch zugleich auch die Einschränkungen
von Leadorganisationen deutlich. Zwar wurde von
der Stiftung die Notwendigkeit erkannt, das Sommercamp aufgrund seiner allzu kurzfristigen Wirkung weiterzuentwickeln. Die hinzugekommenen
Angebote wie Exkursionen in die Stadtbibliothek
oder ein Familienstipendium sind jedoch als die
konventionellen Instrumente operativer Stiftungen anzusehen und somit als weniger innovativ einzuschätzen als das ursprüngliche Sommercamp-Modell. Insbesondere auch die Evaluation
der Effekte des Begleitprogramms bleibt hinter
den hohen Maßstäben des Sommercamps zurück.
Das Jacobs-Sommercamp wiederum ist als Beispiel für die Fortsetzung eines Programms durch
49
CSI
K apit el 3
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
eine staatliche Leadorganisation anzusehen. Das
Modell wurde nach Ende des Projekts und Ausscheiden der Partner Jacobs Foundation und
Max-Planck-Institut von der Bremer Schulbehörde
übernommen. Sie ist bis heute der maßgebliche
Träger des Vorhabens geblieben, während die operative Umsetzung vom Bremer Goethe Institut
übernommen wird. Eine Weiterentwicklung des
Programms hat in dieser Konstellation jedoch nur
in ganz begrenztem Umfang stattgefunden.19
Governance
Diversität Koordination
Lebensdauer
Unilateral
Niedrig
Lang
Intern, formell
Tabelle 5: Eigenschaften von Leadorganisationen
Fazit: Die Leadorganisation erweist sich als wandlungsfähiger Netzwerktyp, der insbesondere für
die langfristige Stabilisierung und das Wachstum
von Lösungen in innovativen Nischen nachgewiesen werden kann. Netzwerke, die von einer
Leadorganisation getragen werden, eignen sich
darüber hinaus auch für die Entwicklung von
Instrumenten, die weniger komplexe Probleme
an der Peripherie des staatlichen Schulsystems
adressieren.
3.5.4Konsortien
In einem Konsortium werden die Entscheidungen
im Unterschied zur Leadorganisation im Konsens
und von einem Gremium getroffen, welches sich
in unseren Fällen aus teils sehr diversen, teils
sehr homogenen Partnern zusammensetzte. Dieser Netzwerktyp wird von einer eigens für diese
Aufgabe gegründeten eigenständigen Organisation koordiniert. Dieses Arrangement ist zwar vergleichsweise aufwändig, resultiert jedoch in einer
erhöhten Professionalisierung und Stabilisierung
des Netzwerks.
19 Darüber hinaus hat sich in den vergangenen Jahren im
Bildungsbereich eine Reihe von Nonprofit-Organisationen
wie buddY e.V. oder Teach First etabliert, die Schulreform‚Produkte‘ entwickeln, vertreiben und implementieren. Sie
basieren ebenfalls auf der Tätigkeit einer Leadorganisation,
wobei Stiftungen und andere private Geldgeber den laufenden
Betrieb der Organisation finanzieren. Die staatliche Seite hingegen agiert in erster Linie als Abnehmer und ‚Kunde‘ und
trägt dabei die Kosten der Aktivitäten in einzelnen Schulen.
50
Im Falle des Projekts Selbständige Schule wurde
etwa von den Interviewpartnern die Etablierung
regionaler Bildungslandschaften als wichtigstes
Ergebnis des Vorhabens genannt. Solche Bildungslandschaften beruhen auf einer Allianz
vorwiegend staatlicher Akteure unterschiedlicher
Ebenen und Funktionen. Den Steuerungsgremien
können jedoch auch Vertreter von Wirtschaft,
Wissenschaft und Zivilgesellschaft, darunter auch
Stiftungen, angehören. Angesichts der Größe und
Komplexität dieser Arrangements werden die Aktivitäten im Rahmen von Bildungslandschaften von
sog. regionalen Bildungsbüros koordiniert.20
Der Transfer des SEIS Programms beruhte auf
einer ähnlichen Governance-Struktur, hingegen
ohne Beteiligung privater Partner. Es wurde an ein
Konsortium übergeben, das von einer Gruppe von
neun staatlichen Organisationen getragen und von
einer Geschäftsstelle am Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung
koordiniert wurde. Dabei handelt es sich zwar
nicht um eine eigenständige Organisation, aber
doch um eine eigens zum Zweck der Koordination
eingerichtete und auf Dauer ausgelegte Abteilung.
Netzwerke für Bildungspartner kommt ebenfalls
dem Konsortiums-Modell nahe, stellte jedoch in
mehrerlei Hinsicht eine Besonderheit dar. Zum
einen, weil dieses Projekt mit einer vergleichsweise kleinen Zahl von nur drei beteiligten Partnern arbeitete. Zweitens, weil die Geschäftsstelle
nicht klar von der Governance-Ebene getrennt
sondern Teil des Trägervereins war, der zugleich
den Vereinsvorstand als das oberste Führungsgremium des Projekts umfasste. Drittens, weil
operative Entscheidungen von einem Projektleitergremium vorbereitet wurden, dem Angehörige der
Trägerorganisationen angehörten und das seinerseits nicht Teil des Vereins war.
Diese Ambiguität in der Gestaltung des Netzwerks
spiegelt möglicherweise den Umstand wider, dass
in dem Projekt selber eine fundamentale Spannung angelegt war: Hatte es sich doch zur Aufgabe gesetzt, ein dauerhaftes Problem durch die
Entwicklung einer Infrastruktur zur Förderung
bereits bestehender Aktivitäten zu bearbeiten, dies
20 Ungewöhnlich ist im Fall von Selbstständige Schule der
Umstand, dass im Rahmen von mehreren aufeinander folgenden Netzwerken ein neues Instrument entwickelt wurde,
das seinerseits auf einer Netzwerkstruktur basiert.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
jedoch im Rahmen eines Vorhabens, das nur auf
kurze bis mittlere Dauer angelegt war.
Konsortien stellen eine Alternative zur Leadorganisation dar, wenn, wie im Falle der im Rahmen
von Selbständige Schule entwickelten regionalen
Bildungslandschaften, das Management aus politischen bzw. rechtlichen Gründen nicht von einer
einzelnen Organisation übernommen werden
kann. Sie werden, wie etwa im Falle von SEIS,
auch dann eingesetzt, wenn es um Innovationen
mit sehr hohem Verbreitungsgrad geht. Sie sind
zwar insbesondere für die Stabilisierung von Innovationen nachweisbar, scheinen jedoch, wie im
Falle von regionalen Bildungslandschaften, auch
für die Entwicklung neuer Lösungen auf regionaler Ebene genutzt zu werden.
Konsortien sind insofern ein ungewöhnlicher
Netzwerktypus, als sie Elemente, die für besonders hohe Innovativität stehen (Partnerschaftliche
Governance durch große und diverse Gruppen)
mit Elementen besonders hoher Stabilität (externer Koordination durch eine Netzwerkmanagement-Organisation) kombinieren. Zumindest
theoretisch scheinen Konsortien daher imstande
zu sein, ‚die beste aller Netzwerk-Welten‘ zu realisieren. Auffällig ist jedoch, dass sich im Gegensatz zu explorativen Netzwerken, Entwicklungsnetzwerken und Leadorganisationen in allen drei
genannten Fällen nicht verlässlich einschätzen
ließ, ob die Konsortien die ihnen zugedachten
Aufgaben auch tatsächlich erfüllen. Im Falle von
regionalen Bildungslandschaften war nicht einmal
deutlich, um welche Aufgaben es sich dabei genau
handelt.21 Daher kann die Frage nach der Effektivität dieses Netzwerktypus‘ für die Lösung von Problemen im Bildungsbereich hier nicht zuverlässig
beantwortet werden.
Governance
Diversität
Koordination
Lebensdauer
Effektivität
Partnerschaft
Hoch bis
Niedrig
NMO
Mittel bis Unklar
Lang
Fazit: Die untersuchten Konsortien wiesen ganz
unterschiedliche Governance-Arrangements auf.
Sie kamen für Entwicklung und Stabilisierung
von Lösungsansätzen zum Einsatz und hatten
eine unterschiedliche Lebensdauer. Gemeinsamer
Nenner ist stets die Existenz einer dauerhaften
externen Netzwerkmanagement-Organisation.
Die Frage, in welchen Fällen Konsortien das Mittel
der Wahl sind bzw. für welche Aufgaben sie ungeeignet sind, und wie sie im Einzelnen gestaltet
werden müssen um Probleme effektiv zu lösen,
bedarf noch der weiteren Erforschung.
3.6Wandlungsfähigkeit von Innovationsnetzwerken
Die Analyse unserer Fälle zeigt, dass die Netzwerkstruktur sich häufig organisch über die
Laufzeit mehrere Projekte hinweg entwickelt und
dabei in der Regel einen Weg von höherer Innovation und Kreativität hin zu mehr Stabilität einschlägt. Ursprung des SEIS Projekts etwa war die
Bildungskommission NRW, ein sehr groß und
divers gestaltetes exploratives Netzwerk, das dementsprechend breite Handlungsempfehlungen vorlegte. Das anschließende Internationale Netzwerk
Innovativer Schulen (INIS) war ähnlich explorativ
strukturiert und zu Beginn noch gar nicht auf
einen konkreten inhaltlichen Schwerpunkt festgelegt. Im Laufe der Zeit und auf Druck der Stiftungsleitung resultierte es in der Idee und dem
Prototypen des späteren SEIS Instruments. Um
den Prototypen zur Marktreife zu entwickeln,
wurde die Komplexität des Netzwerks durch das
Ausscheiden der internationalen Partner und der
Wissenschaft erneut reduziert; daraus resultierte
ein innovatives Entwicklungsnetzwerk. Bei der
Übergabe des fertigen SEIS Instruments fand
erneut eine Strukturveränderung hin zu einem
Konsortium statt. Das neu entstandene Netzwerk wurde von einer homogenen Gruppe staatlicher Partner getragen und von einer eigenen
Geschäftsstelle koordiniert, die einer NetzwerkManagement-Organisation ähnlich war.
Tabelle 6: Eigenschaften von Konsortien
21 Diese Anmerkung ist jedoch keineswegs als abschließendes
Urteil über die genannten Vorhaben anzusehen sondern vielmehr als Hinweis darauf, wie voraussetzungsvoll eine solche
Bewertung sein und wie lange es dauern kann, bis sie überzeugend möglich ist.
CSI
Zugleich zeigt die Analyse von SEIS jedoch auch,
dass dieser Prozess nicht unumkehrbar ist. Während es zunächst so aussah, als ob das Instrument
sich nachhaltig in einer Vielzahl Schulen etabliert hätte, ist durch die Auf lösung des Konsorti-
51
K apit el 3
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen
ums und damit auch der Geschäftsstelle im Jahr
2013 eine neue Situation entstanden. SEIS wird
heute von einem kleineren Partnerkreis getragen, der seine Tätigkeit informell koordiniert.
Zugleich berichteten unsere Interviewpartner von
geplanten Fortentwicklungen des Instruments.
Dies mag durch die zu Tage getretenen Probleme
von SEIS zu erklären sein, aber auch durch den
Umstand, dass das verkleinerte SEIS Netzwerk
zwar an Umfang verloren, dafür aber an Handlungsfähigkeit gewonnen hat.
gesteuert und koordiniert werden. Für die Koordination eines sehr breiten Spektrums von Akteuren
hingegen könnten Konsortien, in denen die Tätigkeit eines je nach Bereich mehr oder weniger breiten Spektrums von Akteuren von einer eigenen
Geschäftsstelle koordiniert wird, das Mittel der
Wahl sein. Die Eigenschaften der unterschiedlichen Netzwerktypen und die Bedingungen für
ihren effektiven Einsatz sind überblickshaft in
Tabelle 7 dargestellt.
3.7Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass je
nach adressiertem Problemtyp und je nach Phase
des Innovationsprozesses unterschiedliche Netzwerktypen zum Einsatz kommen. Wenn es um
die Auswahl bzw. die nähere Bestimmung des
zu bearbeitenden Problems geht, kommen explorative Netzwerke zum Einsatz. Für die Neuentwicklung von Lösungen für komplexe Probleme
erwiesen sich Netzwerke als geeignet, die von
Partnerschaften zwischen Stiftungen, Staat und/
oder Wissenschaft getragen und eher informell
koordiniert werden. Für die Stabilisierung und
den Ausbau von Nischen werden Netzwerke aus
staatlichen und privaten Akteuren eingesetzt, die
von einer (staatlichen oder privaten) Organisation
Tabelle 7: Netzwerkstruktur und -Effektivität
Programm
Netzwerkstruktur
Problemtyp
Phase
DeutschSommer
Leadorganisation
Unterricht & Lernen Stabilisierung &
Wachstum
Lebensdauer
Dauerhaft
Die Chance. Stiftung für
Leadorganisation
Berufspraxis in der Ostschweiz
Peripherie
Jacobs-Sommercamp
Entwicklungspartnerschaft
(experimentell)
Unterricht & Lernen Entwicklung
Kurz
Netzwerke für Bildungspartner
Konsortium
Peripherie
Mittel
Selbstständige Schule NRW
Entwicklungspartnerschaft
(innovativ)
Management,
Entwicklung, Stabili- Mittel bis Lang (mit
Unterricht & Lernen sierung & Wachstum Vorgängerprojekt)
Selbstevaluation in Schulen
(SEIS)
Entwicklungspartnerschaft
(innovativ)
Management
52
Entwicklung, Stabili- Dauerhaft
sierung & Wachstum
Stabilisierung &
Wachstum
Entwicklung
Mittel bis Lang (mit
Vorgängerprojekt)
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
CSI
4 Nischen als Bausteine systemischer Innovation
Zugleich wurde jedoch auch festgestellt, dass
unsere Fälle keine überzeugende Beispiele für die
aktive Übernahme der neuentwickelten Modelle
durch die staatlichen Partner mit dem Ergebnis
einer ‚f lächendeckenden‘ Verbreitung darstellen.
Für diesen Befund gibt es eine Reihe unterschiedlicher Gründe. Zunächst einmal den Umstand,
dass Innovationen sich in einem System behaupten müssen, das auf ganz anderen Grundannahmen und Routinen beruht und sich derzeit auch
dynamisch verändert. Neue Programme konkurrieren darüber hinaus mit einer großen Anzahl
weiterer Vorhaben und oftmals auch tagespolitischer Anliegen um Aufmerksamkeit und Ressourcen. Solche Arrangements entfalten oftmals
auch nicht von Beginn an ihre volle Wirkung,
sondern müssen über längere Zeiträume hinweg
weiterentwickelt werden, die deutlich über die
übliche Projektdauer von wenigen Jahren Laufzeit
hinausgehen.
Die Entwicklung von regionalen Bildungslandschaften ist hierfür ein gutes Beispiel. Dieser Prozess erstreckte sich über einen Zeitraum von 22
Jahren, beginnend mit ersten Gesprächen im Rahmen der Bildungskommission NRW ab 1992 über
den anschließenden Carl-Bertelsmann-Preis 1996
und die Projekte Schule & Co., Selbstständige
Schule und Lernen vor Ort von 1997 bis heute.
Dennoch kann die Entwicklung schon deshalb
nicht als abgeschlossen betrachtet werden, weil
bis heute der eigentliche Anwendungsbereich des
Modells bzw. dessen Grenzen nicht hinreichend
klar sind: Aus wissenschaftlicher Sicht ist bis
heute die Frage unbeantwortet, was genau regionale Bildungslandschaften zu leisten imstande
sind, für welche Probleme sie die geeignete Antwort darstellen und für welche Aufgaben sie ungeeignet sind.
Innovationen dürfen daher nicht als abgeschlossene Produkte angesehen werden, die nach einer
zeitlich begrenzten Entwicklungsphase unverändert übernommen und f lächenhaft verbreitet
werden, und so ihre Wirkung dauerhaft und weitf lächig entfalten. Vielmehr sind Innovationen
als „dauerhafte Betaversionen“ (O’Reilly 2005)
zu begreifen. Daher muss eine kontinuierliche
Unterstützung und Weiterentwicklung gewährleistet sein, um Schwächen beheben, die volle Wirksamkeit entwickeln und auf Veränderungen der
Umwelt f lexibel reagieren zu können. Eine solche
Kombination aus dauerhafter Stabilisierung und
dynamischer Weiterentwicklung war in den von
uns untersuchten Fällen wiederum nur in Nischen
und nicht in der Fläche nachzuweisen.
Eine solche bloß nischenhafte Innovation ist indessen auch regelmäßig gar nicht als Problem anzusehen: Wenn, wie etwa im Falle von Die Chance
oder DeutschSommer sowohl der geografische
Anwendungsbereich als auch die Zielgruppe eines
Vorhabens eng zugeschnitten sind, spricht an sich
nichts gegen eine solche Begrenzung. Insbesondere der Umstand, dass in beiden Fällen eine dem
Umfang nach überschaubare, jedoch besonders
benachteiligte Zielgruppe mit außergewöhnlich
hohem Förderungsbedarf in einer empfindlichen
Übergangsperiode gewählt wurde, macht gerade
die Pointe dieser Vorhaben aus.
Fasst man die Probleme weiter, wie es Netzwerke
für Bildungspartner, Selbstständige Schule und
SEIS taten, ist jedoch mit einem solch begrenzten
Vorgehen wenig auszurichten. Ihnen ist tatsächlich nur mit Veränderungen in einem sehr viel
breiteren Umfang wirksam zu begegnen. Wenn
sich jedoch ein ‚f lächenhafter‘ Transfer neu entwickelter Lösungen im Sinne einer Verbreitung
in die Mehrzahl oder doch eine systemrelevant
hohe Zahl der Schulen eines Landes faktisch nicht
53
K apit el 4
Wir haben oben nachweisen können, dass Partnerschaften zwischen Staat, Stiftungen und ggf.
weiteren Akteuren sich dafür eignen, innovative
Problemlösungen zu entwickeln und in Nischen
dauerhaft zu stabilisieren. Es wurde zweitens
eine Netzwerk-Typologie entwickelt, die es strategischen Entscheidern erlaubt, begründet abzuwägen, ob die Bearbeitung eines Bildungsproblems
die Arbeit in Partnerschaften erfordert oder nicht,
bzw. wie die Netzwerke gestaltet sein sollten, in
die solche Partnerschaften eingebettet sind.
CSI
Nischen als Bausteine systemischer Innovation
realisieren lässt, bleibt das eingangs genannte
Dilemma bestehen: Bloß insulare Lösungen sind
auf die Dauer den Größenordnungen der bearbeiteten Probleme nicht adäquat und bleiben insofern
bloße Tropfen auf dem heißen Stein.
4.1Wege aus der Nische
Um trotz begrenzter Aussagekraft unserer Fallstudien Auskunft darüber geben zu können, wie sich
in solchen Problemfällen relevante Größenordnungen erreichen lassen, entschieden wir uns für
eine weitere Phase der Literaturanalyse. Deren Ziel
war es, einschlägige Handlungsmodelle zu identifizieren und auf diese Weise zumindest einen
Vorschlag machen zu können, wie sich der erforderliche umfangreiche Transfer bewerkstelligen
lassen könnte. Die Diskussion in diesem Kapitel
beruht daher im Gegensatz zu den bislang vorgestellten Ergebnissen stärker auf einer Auswertung
der einschlägigen Literatur als auf der Analyse
unserer Fallstudien.
Die vermutlich bekannteste Antwort auf die Problematik der ‚Inseln des Gelingens‘ besteht in
dem Ansatz, statt der Durchführung immer neuer
Pilotprojekte die zur Verfügung stehenden Ressourcen verstärkt für die Verbreitung bzw. das
Wachstum von bereits vorhandenen best practices
einzusetzen (z.B. Weber et al. 2013). Eine Variante
dieses Modells besteht darin, dass Nonprofit-Organisationen ein Programm stabilisieren, weiterentwickeln und ‚skalieren‘. Organisationen wie buddY
e.V. oder Teach First zeigen, dass diese Vorgehensweise grundsätzlich funktionieren kann.
Auch wenn aufgrund der Knappheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen auf diese Weise wohl
nicht die Kapazitäten erreicht werden können, die
für eine weitreichende Verbreitung erforderlich
sind, ist der Ansatz als solcher nachvollziehbar
und steht auch in Einklang mit der Beobachtung,
dass innovative Modelle zunächst in Nischen stabilisiert und ausgebaut werden müssen. Diese
Herangehensweise alleine ist jedoch vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie als wenig
aussichtsreich einzuschätzen.
Zum Einen setzt sie voraus, dass nachweislich
effektive Vorhaben existieren, die eine Skalierung
allererst sinnvoll machen (Weber et al. 2013). Ein-
54
schlägige Beispiele für solch effektive Vorhaben
sind jedoch bislang auch international nur sehr
selten zu finden (Thümler et al. 2014b).22
Dies liegt, zweitens, unter anderem an dem
Umstand, dass es einen deutlichen Zielkonf likt
zwischen dem Umfang des Wachstums einzelner
Vorhaben und deren Effektivität gibt. Generell
gilt die Regel: Je kleiner und begrenzter innovative Vorhaben sind und je schärfer die adressierten Probleme zugeschnitten sind, desto eher
ist die gewünschte Wirkung nachweisbar und
desto höher ist die Effektstärke – und umgekehrt
(Robert Slavin, persönliche Kommunikation). Dies
liegt u.a. an dem Umstand, dass die Problemsituationen ebenso wie die Umsetzung vor Ort variieren. Die Verbindung von hohem Wachstum und
nachweisbarer Effektivität gelingt daher bislang
nur ganz wenigen Vorhaben (siehe für ein erfolgreiches Beispiel Schröer 2014a).
Drittens leidet der Ansatz unter dem Problem,
dass er die besondere Problematik innovativen
Handelns in komplexen sozialen Systemen weitgehend ausklammert. Denn Vorhaben, die komplexe
Probleme adressieren, sind kaum langfristig planbar. So beschrieb einer unserer Interviewpartner
die Entwicklung der Projekte SEIS und Selbstständige Schule als einen organischen Prozess und
urteilte,
„dass es oftmals keine vernünftige Strategie gegeben hat. Aber bei solchen Entwicklungsprozessen
ist es ziemlich schwierig, vorauszusehen, was
einem alles so begegnet.“
Dies ist gerade auch für partnerschaftliche Konstellationen charakteristisch, denn
„[m]an kann dann nicht einfach sagen: So, das ist
das Konzept, und das machen wir jetzt. […]. Das
geht einfach nicht. Sondern solche Projekte haben
ein gewisses Eigenleben und da muss man die
Partner auch mit Entwickeln lassen. Und das ist
auch das eigentlich Spannenden in einem Projekt.“
Hinzu kommt der Umstand, dass im Falle genuiner Innovationen, wie oben bereits am Beispiel
regionaler Bildungslandschaften dargestellt, häufig über lange Zeit hinweg gar nicht klar ist, wie
22 Siehe darin auch ein kritisches Portrait von Teach for America, der US-amerikanischen Mutterorganisation von Teach First
(Schröer 2014b).
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
ihre Effektivität einzuschätzen ist und worin ihr
genauer Einsatzbereich besteht. Nicht zuletzt ist
auch denkbar, dass verschiedene Innovationen
überhaupt erst in Kombination Sinn machen und
Systemwirkung entfalten. So wird einer der Vorteile regionaler Bildungslandschaften etwa darin
gesehen, dass sie eine Plattform zur Verfügung
stellen, an die die Anbieter neuer Instrumente
andocken können, die ansonsten gar keinen Träger für ihre Angebote hätten finden können. Regionale Bildungslandschaften könnten insofern als
die Bedingung der Möglichkeit regionaler Innovationsprozesse angesehen werden, insofern sie
die Durchführbarkeit anderer Vorhaben allererst
ermöglichen. Der Nachweis dieser Fähigkeit ist
aber naturgemäß nicht einfach zu erbringen.
4.2Nischen neu bewertet
Wir haben aus diesen Überlegungen die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Antwort auf das
Dilemma der ‚Inseln des Gelingens‘ jedenfalls
nicht alleine in einer Kombination des Pilotprojekt-Ansatzes mit einer unternehmerischen
Wachstumslogik liegen kann. Wir schlagen stattdessen ein alternatives Modell sozialer Innovation
vor, dass auf die Rehabilitation und Neubewertung von ‚Inseln des Gelingens‘ als wichtigen
Orten und grundlegenden Einheiten sozialer
Innovation setzt. Wir gehen, mit anderen Worten,
davon aus, dass derartige Nischen, wenn sie richtig konzipiert werden, nicht als Sackgassen, sondern als unverzichtbare Bestandteile der ‚Innovationsreise‘ (Van de Ven et al. 2008) anzusehen sind.
Dieses Vorgehen knüpft an den Umstand an,
dass unsere Interviewpartner regelmäßig Skepsis
gegenüber der Sinnhaftigkeit kurzfristigen Engagements zum Ausdruck brachten, wohingegen
das Erfordernis eines Handelns in langfristiger
Perspektive als wesentliche Bedingung für erfolgreiches Handeln im Bildungsbereich hervorgehoben wurde:
„[w]enn wir am Thema Bildungsgerechtigkeit
arbeiten, dann arbeiten wir wirklich fast an einer
Jahrhundertaufgabe, ja. Und mit diesem Bewusstsein muss man da auch rangehen und sagen, ‚das
war jetzt einer der vielen Steine auf dem Weg‘.
Also der Projektdruck […] der ist für jede Art von
Lernen […] vollkommen destruktiv.“
CSI
Zugleich wurde jedoch auch festgestellt, dass
staatliche Akteure oftmals zu f lächendeckendem
Handeln gezwungen sind, was wiederum für die
Entwicklung von Innovationen als überaus nachteilig angesehen wurde. Eines der wichtigsten
Argumente für die Zusammenarbeit von Stiftungen und Staat ist daher in dem Umstand zu
sehen, dass solche Arrangements das Entstehen
innovativer Nischenlösungen begünstigen. Einer
unserer Interviewpartner sagte:
„Vom Staat aus gesehen […] ist es schon interessant mit Stiftungen zusammenzuarbeiten, weil
sie dann auch in Themengebiete hineingehen
können, etwas ausprobieren können, was sie selber mit ihrer Verpf lichtung zur Flächenversorgung nicht anpacken würden und nicht anpacken
könnten.“
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Etablierung und Weiterentwicklung solcher Nischen in
langfristiger und systemischer Absicht als wichtige Alternative zu zeitlich wie räumlich stark
begrenzten Pilotprojekten einerseits bzw. von
vornherein systemweitem Handeln andererseits
anzusehen.
Die Pointe des hier vertretenen Ansatzes besteht
dabei in der Annahme, dass systemische Relevanz
weder aus bloß pilothaften ‚Impulsen‘, noch der
Etablierung einzelner Modelle, sondern vielmehr
aus der Vernetzung einer größeren Zahl nischenhafter Akteure erwächst, die ähnliche Probleme
im Rahmen vorwiegend lokaler, ihrem Umfang
nach zunächst begrenzter, Vorhaben bearbeiten.
4.3Die Relevanz innovativer Nischen
für den Prozess sozialer Innovation
Wir beziehen uns für die folgenden Überlegungen auf die wissenschaftliche Literatur zum
sog. strategischen Nischenmanagement. Dieser Forschungsansatz konzentriert sich auf die
Beschreibung, Modellierung und Erklärung von
radikalen Prozessen sozio-technischer Innovation. Er geht dabei von dem Problem des Wandels
dominanter technologischer ‚Regimes‘ aus. Damit
ist das komplexe Gefüge aus Infrastruktur und
Organisationen, Techniken und Wissen, Akteuren
in unterschiedlichen Positionen und Funktionen
sowie ihrer denk- und handlungsleitenden Nor-
55
K apit el 4
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Nischen als Bausteine systemischer Innovation
men, Praktiken, Vokabulare und Motivationen
gemeint, das jedem funktionierenden technologischen System zugrunde liegt und von dem Innovationen mehr oder weniger stark abweichen. Die
komplexen Bestandteile solcher Systeme haben
sich über lange Zeiträume hinweg aufeinander eingespielt und entwickeln daher eine hohe
Beharrlichkeit gegenüber gezielten Eingriffen.
Kemp et al. (1998) illustrieren diesen Umstand
mit dem Beispiel der Entwicklung des Automobils. 23 Dieser Darstellung nach entstand während
einer Phase intensiver Entwicklungsaktivitäten
im Zeitraum von 1890 bis 1920 ein “dominantes
Design” das u.a. aus einem Verbrennungsmotor,
einem Metallrahmen und einem Steuerrad besteht
und seitdem keine wesentlichen Veränderungen
mehr erfahren hat (Kemp et al 1998: 178). Seitdem ist um dieses Design herum ein komplexes
System entstanden, das eine umfangreichende
Infrastruktur (wie etwa Automobilfabriken und
ein Tankstellennetz) ebenso umfasst, wie Anreize
durch staatliche Regulierung oder Vorstellungen
von Herstellern und Kunden davon, wie ein ‚richtiges‘ Auto auszusehen hat.
Solche Systeme entwickeln aus drei Gründen ein
hohes Maß an Beharrlichkeit. Zum einen, weil
die Vielfalt unterschiedlicher Komponenten sich
gegenseitig stabilisiert und so zu Entwicklungspfaden führt, die nicht leicht zu verändern sind:
“What we have is not a set of factors that act separately as a containment force, but a structure of
interrelated factors that feed back upon one another, the combined inf luence of which gives rise
to inertia and specific patterns in the direction of
technological change.” (Kemp et al. (1998: 181)
Derartige stabile technologische Pfade und
Regimes machen zweitens die Entwicklung von
Alternativen selbst dann problematisch, wenn
grundlegende Probleme unübersehbar sind.
(Kemp et al. 1998). Neue Technologien wie z.B.
Elektroautos haben es unter diesen Umständen
schwer sich zu behaupten geschweige denn in grö23 An diesem Beispiel wird zugleich deutlich, dass organisationale Trägheit und Resistenz gegenüber Veränderung keineswegs charakteristische Eigenschaften des Schulsystems im
Besonderen oder staatlicher Organisationen im Allgemeinen
sind. Im Gegenteil liegen Stabilität und Trägheit in der Natur
von Systemen, die aus einer Vielzahl aufeinander abgestimmter
Elemente bestehen, die in einem Laufe eines langen Entwicklungsprozesses entstanden sind.
56
ßerem Umfang durchzusetzen: weil der Auf bau
von entsprechenden Produktionskapazitäten teuer
und risikoreich ist, die technische Umwelt herkömmliche Fahrzeuge begünstigt, sie sich gegen
mächtige Interessen der Industrie behaupten müssen, und weil nicht klar ist, ob Elektrofahrzeuge
hinreichend zuverlässig und funktionsfähig sind
und welche Nachteile mit der umfangreichen Einführung solcher Technologien verbunden sind.
Es kommt drittens der Umstand hinzu, dass sich
solche komplexen Systeme umfangreicheren zielgerichteten Eingriffen widersetzen, denn deren
Entwicklungsprozess
„strebt nicht etwa zielgerichtet und linear immer
besseren Funktionalitäten entgegen, sondern
kann mit dem Wachstum von Hefe verglichen werden, ‚with developments branching off in different
directions, and cross-connections and interactions
complicating the picture further‘“ (Ilten 2009: 16).
Wie kann unter Bedingungen hoher Stabilität des
existierenden Regimes und hoher Unsicherheit
und geringer Planbarkeit von Innovationen dennoch mit Aussicht auf langfristigen Erfolg agiert
werden? Die Forschung geht davon aus, dass
Innovationen sich zunächst nur in geschützten
Nischen, d.h. „neuartigen, zunächst lokalen, spezifischen Anwendungsbereichen, die nicht den
Regeln und der Grammatik des dominanten technologischen Regimes entsprechen“ (Ilten 2009: 17)
entwickeln können.
Die Bedeutung solcher Nischen für die Entwicklung radikaler, d.h. stark von den vorherrschenden Praktiken abweichenden, Innovationen
wurde zunächst in der Ökonomie hervorgehoben.
Nischen werden dabei als Orte angesehen, in
denen die verbreiteten Anforderungen an routinehaftes, ‚richtiges‘ Handeln außer Kraft gesetzt
sind, was das Entstehen von substantiellen Innovationen im Laufe der Zeit allererst ermöglicht
(Levinthal 1998).
Nischen stellen einen geschützten Raum zur Verfügung der es ermöglicht, noch unfertige Ansätze
zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Sie sind
daher wesentlich Orte des Lernens und Experimentierens. Zugleich haben sie die Funktion, das
valley of death von Innovationen zu überbrücken
und neue Instrumente soweit zu stabilisieren
und auszubauen, dass die Nischen unter gün-
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
stigen Umständen aufgelöst und die neu entwickelten Technologien sich innerhalb herrschender
Regimes verbreiten oder diese sogar grundsätzlich
transformieren können.
Bereits die Etablierung und Stabilisierung innovativer Nischen kann jedoch von der Bereitschaft
anderer Akteure im Feld abhängen, solche Abweichungen von der Norm überhaupt zuzulassen.
Dieser Umstand deutet auf die grundsätzlich
politische Natur sozialer Innovation hin. Dies
gilt natürlich umso mehr für deren Wachstum
und Migration auf Regimeebene. Dafür ist zum
einen eine dynamische Entwicklung der Nischen
in quantitativer und qualitativer Hinsicht erforderlich: Im Laufe der Zeit entstehen immer neue,
immer besser aufeinander abgestimmte lokale
Aktivitäten, wobei einzelne Nischenvorhaben
durchaus auch ein stärkeres Wachstum aufweisen können. 24 Parallel findet eine qualitative Entwicklung statt. Sie kommt zum Ausdruck in besser funktionierenden Technologien, vermehrtem
Wissen über Anwendungsbedingungen, billigeren
und zuverlässigeren Produktionsverfahren und
dergleichen. Auf diese Weise akkumulieren einzelne Nischenaktivitäten zu einem nischenhaften
Subsystem, das als Voraussetzung einer umfassenderen Transformation des Regimes angesehen
wird (Geels 2002).
Auch hoch entwickelte Nischenpraktiken migrieren allerdings nur unter günstigen Umweltbedingungen in größerem Umfang in das dominante
Regime oder ersetzen es gar. Zu diesen Voraussetzungen werden insbesondere Krisen des Regimes
gezählt, die durch innere Konf likte, in erster
Linie aber durch Veränderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (der sog. „Landschaft“)
ausgelöst werden (Geels 2002: 1262). Die Energiewende in Deutschland infolge des Reaktorunfalls in Fukushima ist ein besonders drastisches
Beispiel für diese Konstellation: Während sich
in der Nische des Sektors erneuerbarer Energien
über Jahrzehnte hinweg eine, wie sich heute zeigt,
funktionsfähige Alternative zu Kernkraft und
konventionellen Energieträgern entwickelt hatte,
24 Je nach Entwicklungsstadium können Nischenakteure bloß
lokale ‚Bastler‘ sein, im Laufe der Zeit aber auch eine beträchtliche Größe erreichen. Als einschlägiges Beispiel für einen
solchen Entwicklungsprozess ist etwa das US-amerikanische
Programm ‚Success for All‘ zu nennen, das in bis zu 2000 Schulen verbreitet ist und somit die Größe des Schulsystems eines
kleinen Bundesstaats erreicht (Peurach 2011; Schröer 2014a).
CSI
bedurfte es einer fundamentalen Krise, um die
Umstellung in Gang zu setzen. Im Bildungsbereich wäre als entsprechendes Beispiel der PisaSchock von 2001 zu nennen – nur lag zu diesem
Zeitpunkt entweder keine überzeugend ausgearbeitete nischenhafte Alternative zum dominanten
System vor, oder die einschlägigen Nischenakteure waren nicht in der Lage, die Gelegenheit zu
ergreifen.
Die Grafik von Geels (2002) (siehe nächste Seite)
illustriert dieses Zusammenspiel von Nischen,
Regimes und Landschaft. Sie macht deutlich, dass
einzelne Nischenaktivitäten nur aufgrund des Entstehens von windows of opportunity im Sinne von
Instabilität auf Landschafts- und Regimeebene in
letzteres migrieren und auf diese Weise sowohl
Regime als auch Landschaft verändern können.
In solchen Fällen kann es zum Aufgehen der
Nischentechnologie im dominanten Regime kommen. Die Grafik suggeriert dabei eine lineare Entwicklung in dem Sinne, dass einmal migrierte
Nischenpraktiken stabil in das dominante System eingebaut werden. Das Beispiel SEIS macht
jedoch deutlich, dass die Übernahme eines neuen
Ansatzes durch staatliche Akteure nicht notwendigerweise mit einer solchen dauerhaften Transformation gleichzusetzten ist. In diesem Fall
kann von einer ‚probeweisen‘ Übernahme des
Instruments in das System gesprochen werden,
die nach einer Übergangszeit jedoch in wichtigen
Teilen wieder rückgängig gemacht wurde.25 Dieser
Umstand macht deutlich, dass dauerhafter Transfer selbst dann kaum planbar ist, wenn er vertraglich zumindest mittelfristig gut abgesichert ist:
„Es gab Bundesländer, die waren die Treiber, und
dann [ist] durch eine von außen natürlich gar nicht
mehr nachvollziehbare interne Umstrukturierung
kein Ansprechpartner mehr geblieben. […] [D]a
wähnten wir uns auf der sicheren Seite, und ‚aus
die Maus‘.“
Nischen müssen zwar nicht notwendigerweise
für immer aufrechterhalten werden. Es ist jedoch
wichtig, sie nicht vorzeitig aufzulösen sondern so
lange zu stabilisieren bis sichergestellt ist, dass
sie sich tatsächlich fest innerhalb des Regimes
25 Die Einführung von Studiengebühren an deutschen Universitäten sowie die Einführung des achtjährigen Gymnasiums
sind weitere Beispiel für die Instabilität solcher Veränderungsprozesse.
57
K apit el 4
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Nischen als Bausteine systemischer Innovation
Abbildung 2: Dynamische Mehrebenen-Perspektive auf technologische Übergänge. Quelle: Geels (2002:
1263).
etabliert haben. Daher spricht viel für die Empfehlung eines Interviewpartners, zwar auf den Transfer neuer Ansätze hinzuarbeiten, diesen jedoch
nicht als Ausstieg zu gestalten sondern als
„Rollenwechsel […] „vom Initiator zum Begleiter
hin zum vielleicht noch kritischen Freund der
noch eine Weile mit dabei ist. […] Man kann ja
nicht Dauerlutscher in Stiftungen bearbeiten.“
4.4Die Bedeutung von Netzwerken
für Nischenprozesse
Für die Fragestellung dieser Studie ist darüber
hinaus der Umstand wichtig, dass die Forschung
zu strategischem Nischenmanagement insbesondere der Vernetzung nischenhafter Akteure hohe
Bedeutung für Verlauf und Erfolg des Innovationsprozesses beimisst. Innerhalb der Nischen
werden lokale Netzwerke als maßgebliche Träger
der Innovation angesehen. Sie unterstützen den
Nischenprozess indem sie Ressourcen wie Geld
und Personal, Wissen und praktische Kenntnisse
zur Verfügung stellen. Zugleich ermöglicht die
Interaktionen zwischen den Netzwerkmitgliedern
58
diejenigen intensiven Lernprozesse, die für innovative Nischen charakteristisch sind (Schot und
Geels 2008).
Auf einer globalen, d.h. projektübergreifenden
Ebene, spielen Netzwerke ebenfalls eine wichtige
Rolle, doch diese ist etwas anderer Natur: Während etwa die Netzwerke innerhalb einer Nische
sehr konkretes, problem-spezifisches Wissen entwickeln, dienen globale Netzwerke dem Austausch
dieses Wissens und bringen darüber hinaus abstraktes, allgemeingültiges Wissen hervor, das
wiederum zwischen verschiedenen Nischenaktivitäten zirkulieren kann. Des Weiteren tragen
Netzwerke auf globaler Ebene zur Bewusstseinsbildung bei, indem Sie ein Verständnis einzelner
Akteure als Angehörige eines gemeinsamen Felds
befördern (Geels und Deuten 2005; Raven und
Geels 2010).
Darüber hinaus liegt die Annahme nahe, dass
Netzwerke im Rahmen des Innovationsprozesses
nicht lediglich eine Lernfunktion erfüllen, sondern dass ihnen wesentlich auch eine politische
Dimension zukommt. Schot und Geels (2008)
weisen etwa darauf hin, dass Netzwerkmitglieder
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
auch die Aufgabe haben, die Nische vor externen
Eingriffen schützen. Dieser bedeutsame Umstand
kommt jedoch im Kontext von SNM nur am
Rande zur Sprache; nach Kenntnis des Autors ist
er bislang in der sozialwissenschaftlichen Literatur zwar festgestellt (Tichy et al. 1979) aber nicht
näher ausgearbeitet worden.
4.5Strategisches Nischenmanagement in der Praxis
Keines der von uns untersuchten Vorhaben entspricht vollständig dem oben vorgestellten Ansatz.
Gleichwohl weisen die Projekte Selbstständige
Schule und Netzwerke für Bildungspartner wichtige Merkmale eines solchen Vorgehens auf.
Wenngleich beide sicher nicht als genuine Beispiele für strategisches Nischenmanagement gelten können und auch nicht als solche intendiert
waren, so lassen sich der Analyse dieser Vorhaben
doch wichtige Hinweise entnehmen, welche alternative Rolle Stiftungen und Staat künftig bei der
Gestaltung langfristiger Prozesse sozialer Innovation spielen könnten.
Das Projekt Selbständige Schule ist zunächst einmal ein gutes Beispiel für die Bedeutung innovativer Nischen für die Ermöglichung von Lernprozessen und illustriert zugleich deren zutiefst
politische Dimension. Das Vorhaben zielte auf
eine Transformation des Schulregimes, hier: des
hierarchischen Steuerungsmodells des Schulsystems in Nordrhein-Westfalen ab. Im Rahmen des
Projekts sollte dieses in ausgewählten Regionen
probeweise außer Kraft gesetzt und durch ein
alternatives Modell ersetzt werden. Dieser Versuch
war hochpolitisch, wurde von wichtigen Stakeholdern dementsprechend kritisch wahrgenommen
und war deshalb vielfältigen Versuchen der externen Einf lussnahme und Kontrolle ausgesetzt.
Organisationale Lernprozesse sind jedoch wesentlich auf eine stabile Umgebung angewiesen, um
kausale Beziehungen zwischen reformerischem
Handeln und dessen Effekten nachvollziehen zu
können (Van de Ven et al. 2008: 80). Daher wurde
das Projekt durch den Umstand begünstigt, dass
einige Regionen mehr als andere die für erfolgreiches Nischenmanagement erforderliche politische Unterstützung mobilisieren und Eingriffe
CSI
von außen abwehren konnten. Einer unserer Interviewpartner benutzte für diesen Umstand das Bild
einer ‚Käseglocken-Strategie‘:
„Wir haben auf die Region […] eine Käseglocke
drüber gepackt, die ist ja durchsichtig […]. Also
wer will, der kann ja reingucken. Man kann die
auch hochheben. Aber ich hebe sie nur hoch,
wenn ich soll. Und dieser Schutz vor bestimmten
zu frühen, präventiven Einflussnahmen hat natürlich dann Entwicklungen ermöglicht, die sich
dann auch nicht mehr zurückholen ließen. Das ist
auch politisches Handeln, meines Erachtens auch
Governance-orientiert.“
Auch in Selbstständige Schule waren solche
Nischen in erster Linie Lernorte, jedoch war auch
dieses Anliegen stets untrennbar mit politischen
Erwägungen verbunden. Ein Projektbeteiligter
urteilte über die Motive des Ministeriums für die
Zusammenarbeit mit der Stiftung nüchtern:
„Das Bildungsministerium hatte Interesse, mit
diesen Pilotprojekten bestimmte Entwicklungen
auszuprobieren, in einem, ich sag mal, eher
geschützten Raum mit einem Partner, den man
notfalls, ja, behelligen kann, oder dem man vorwerfen kann, dass er es falsch gemacht hat.“
Hinzu kam dabei der Umstand, dass es gerade die
partnerschaftliche Konstellation war, die ein Lernen über verschiedenen Ebenen des staatlichen
Systems hinweg überhaupt möglich machte:
„Dazu bedurfte es eines solchen Partners, weil
die Ressentiments, Vorurteile, das eingefahrene
Miteinander-Umgehen, die Hierarchieebenen, die
wir in den Systemen drin haben, die wären sonst
überhaupt nicht zu überwinden gewesen.“
Diese Nischenstrategie kam noch in einem weiteren Umstand zum Ausdruck. Denn als Nachfolgeprojekt zu dem Vorhaben Schule & Co., in dem
die eigentliche Modellentwicklung stattgefunden
hatte, ging es hier darum, den neu entwickelten
Ansatz für weitere sechs Jahre nicht nur zu stabilisieren sondern auch umfangreich weiterzuentwickeln. Hatten im Rahmen von Schule & Co.
immerhin 52 Schulen in zwei Modellregionen
teilgenommen, waren an Selbstständige Schule
bereits 278 Schulen in 19 von 54 Regionen in NRW
als volle Projektpartner beteiligt, von 2004 bis
2008 nahmen weitere 413 Schulen als Korrespondenzschulen teil.
59
K apit el 4
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Nischen als Bausteine systemischer Innovation
Dabei war den Beteiligten auch in diesem Zusammenhang der politische Charakter dieses Vorgehens klar: Sie agierten eben nicht alleine auf
Grundlage der Annahme, dass das neue Modell
bei nachgewiesener Effektivität wie von selbst
übernommen werden würde. Es ging vielmehr
darum, durch den Auf bau einer einf lussreichen
Allianz sowie die Mobilisierung von Unterstützung aus den Modellregionen heraus hinreichenden Druck auf die Ebene der politischen Entscheider aufzubauen um politische Unterstützung
für den weiteren Ausbau sicherzustellen.
Dieser Ansatz bewährte sich spätestens in dem
Moment (wenngleich anders, als von der Projektleitung geplant), als maßgebliche Veränderungen
auf Landschaftsebene stattfanden. 2005 kam es
in Nordrhein-Westfalen zu einem Regierungswechsel. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung
stand dem Projekt, das mit der Vorgängerregierung identifiziert wurde, sehr kritisch gegenüber.
Laut Einschätzung unserer Interviewpartner verhinderte der erfolgreich mobilisierte Widerstand
aus der Schulpraxis heraus womöglich die frühzeitige faktische Einstellung des Vorhabens. Eine
Weiterentwicklung über die reguläre Projektzeit
war unter diesen Bedingungen jedoch nicht mehr
möglich.
Das Beispiel von Netzwerke für Bildungspartner
hingegen weist zunächst einmal auf den Umstand
hin, dass Innovation nicht in jedem Fall eigene
Entwicklung notwendig macht. Wenn ein Problem von bereits existierenden Nischenakteuren
bearbeitet wird, kann es eine klügere Strategie
sein, diese mit maßgeschneiderten Angeboten zu
fördern. In diesem Fall wäre es allerdings wünschenswert, sich über die Effektivität der geförderten Vorhaben im Klaren zu sein, was hier nicht
der Fall war:
„[U]rsprünglich ist man losgezogen, hatte den
Gedanken: Es gibt vielleicht ein Ei des Kolumbus wie man es machen muss und dann schreibt
man das nieder, schickt es allen, alle machen es so
und dann wird das wunderbar funktionieren […].
Das hat sich herausgestellt […] das es so nicht ist.
Sondern [..] die Verhältnisse vor Ort sind extrem
unterschiedlich, die Anforderungen sind sehr
unterschiedlich.“
Als Reaktion auf eine fragmentierte Akteurslandschaft und die damit einhergehende Unklarheit
60
über funktionierende Ansätze wählte man daher
einen Ansatz, der mit der Erwartung verbunden
war,
„dass man durch den Auf bau solcher Netzwerke,
durch die Einrichtung eines Beraterpools für die
Beratung dieser Netzwerke, durch das Rausgeben
von Fördermitteln für diese Netzwerke und die
Einrichtung einer zentralen Stelle, die den ganzen
Prozess lenkt und leitet und auch auswertet zu
einem funktionierenden System kommt.“
Die Projektpartner agierten deshalb von Vornherein weniger auf lokaler sondern eher auf globaler
Nischenebene. Die im Projekt gewählte Kombination aus Vernetzung, Beratung und finanzieller Förderung vorhandener Akteure illustriert
wichtige Instrumente im Repertoire strategischen
Nischenmanagements und stellt insofern trotz der
Skepsis der Projektbeteiligten einen im Grundsatz durchaus nachvollziehbaren und kohärenten
Ansatz dar.
Allerdings geht diese Herangehensweise mit einer
Veränderung der vertrauten Rolle gerade von Stiftungen einher. Diese Wahrnehmung von einer
konkreten operativen hin zu einer eher politischkommunikativen Funktion wurde von einem
Interviewpartner im Projekt Selbstständige Schule
so ausgedrückt:
„Die Stiftungen haben überhaupt keinen legitimierten Auftrag. So, und deswegen sage ich,
Stiftungen sind nicht in erster Linie Bildungsakteure, sondern sie könnten Akteure sein, die die
Kooperation im Bildungswesen befördern, durch
Moderation, durch Geld, durch know-how, durch
ihre Netzwerke, durch alles Mögliche. Von mir aus
auch durch ihren politischen Druck, den sie entfalten können. Die Kooperation zu fördern […], das
wäre für mich die hervorragendste Aufgabe einer
Stiftung im Bildungsbereich.“
Gerade der Vergleich mit Selbstständige Schule
macht jedoch auch deutlich, dass im Fall von Netzwerke für Bildungspartner der gewählte Projektzeitraum von rund drei Jahren vermutlich allzu
kurz bemessen war um diejenigen Lern- und
Wachstumsprozesse anzustoßen, die für eine
genuine und nachhaltige Nischenentwicklung
einerseits und die nötige Mobilisierung politischer
Unterstützung andererseits erforderlich gewesen
wären.
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
4.6Fazit
Wichtigstes Ergebnis staatlich-philanthropischer
Bildungspartnerschaften ist die Entwicklung und
Etablierung innovativer Nischen. Darunter sind
geschützte Räume unterschiedlicher Größe zu
verstehen, in denen neuartige Problemlösungen
experimentell entwickelt, langfristig betrieben,
weiterentwickelt und ausgebaut werden. Solche Nischen, oftmals als ‚Inseln des Gelingens‘
bezeichnet, sind weder als unzureichende Problemlösungen, noch als Sackgasse sozialer Innovation anzusehen. Sie können vielmehr als adäquate
Lösungen für solche Problemsituationen angesehen werden, die hinsichtlich der Zielgruppe und/
oder geografischen Ausdehnung eng begrenzt
sind.
Doch Nischen sind auch dann nicht irrelevant,
wenn es um die Veränderung komplexer Systeme
geht. Sie spielen vielmehr eine unverzichtbare
Rolle in umfangreicheren Prozessen sozialer Innovation. Denn solche Prozesse gehen nicht direkt
von der Entwicklung und Implementierung neuer
Instrumente zu deren f lächendeckender Verbreitung und Wirkung über. Neue Lösungen müssen
im Anschluss an die Entwicklungsphase zunächst
als innovative Nischen stabilisiert und vernetzt
werden. Unter günstigen Umständen eröffnen
sich im Laufe der Zeit windows of opportunity die
es erlauben, dass aus diesen Nischen heraus breitere gesellschaftliche Veränderungen angestoßen
werden.
CSI
Dieser Prozess hat nicht zuletzt auch eine politische Dimension: Die Verbreitung neuer Ansätze
auf Regimeebene kommt nicht alleine deshalb
zustande, weil innerhalb des Systems eine Nachfrage nach effektiven neuen Problemlösungen
besteht, sie bedarf vielmehr der Fürsprache und
Unterstützung mächtiger Stakeholder. Die Gestaltung eines solchen Prozesses erfordert von den
handelnden Akteuren ‚strategisches Nischenmanagement‘ – und eine gehörige Portion Glück und
Geschick, denn eine Garantie für den Erfolg einer
solchen Herangehensweise kann es nicht geben.
K apit el 4
www.CSI.UNI-HD.de
61
CSI
Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke
5 Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke
Auf Grundlage unserer empirischen Daten sowie
einer Auswertung der einschlägigen Literatur können wir folgende Handlungsempfehlungen aussprechen. Sie richten sich gleichermaßen an Stiftungen wie an staatliche Akteure, die an sozialer
Innovation im Bildungsbereich interessiert sind.
5.1Auf Pilotprojekte und flächendeckende Verbreitung verzichten
Wir empfehlen Stiftungen, die im Bildungsbereich operieren, den Verzicht auf zeitlich
begrenzte Pilotprojekte in der unbegründeten
Hoffnung auf spätere systemweite Wirkung. Staatlichen Akteuren empfehlen wir, flächendeckendes
Handeln in der Hoffnung auf innovative Problemlösungen häufiger zugunsten dauerhafter, jedoch
begrenzter Entwicklungsvorhaben zurückzustellen.
Dies bedeutet natürlich nicht, dass gar keine Pilotprojekte mehr durchgeführt werden sollten. Für
die Bearbeitung von Problemen, für die es noch
keine überzeugenden Lösungsmodelle gibt, können solche Formate sinnvoll sein – jedoch nur,
wenn auch sichergestellt ist, dass im Fall nachweislich erfolgreicher oder doch zumindest vielversprechender Lösungsansätze auch eine nachhaltige Weiterentwicklung gewährleistet werden
kann.
Damit ist auch nicht gemeint, dass weitreichende
Veränderungen nicht zumindest als Vision für
innovatives Handeln handlungsleitend sein
könnten. Es bedeutet vielmehr, dass weder kurzfristige begrenzte Pilotprojekte noch langfristige
f lächendeckende Programme die entscheidenden
Bausteine für Prozesse sozialer Innovation sind.
Innovatives Handeln kann zwar durchaus von
einer Vorstellung davon geleitet sein, wie das leistungsfähige, inklusive und gerechte Schulsystem der Zukunft aussehen sollte. Dabei sollte die
Strategiediskussion jedoch um die Frage kreisen,
wie es gelingen kann, effektive Lösungsmodelle
zu entwickeln und deren Nachhaltigkeit im Rah-
62
men begrenzter innovativer Nischen dauerhaft zu
gewährleisten.
5.2Strategisches Nischenmanagement erproben
Stiftungen und Staat sollten deshalb strategisches
Nischenmanagement als eine neuartige Form
staatlich-philanthropischer Zusammenarbeit
erproben. Damit wird die Initiierung, Koordination und Förderung einer Vielzahl von Nischenaktivitäten bezeichnet, sofern sie in der Absicht
geschieht, Bausteine für systemischen Wandel
zu entwickeln. Unsere Empfehlung läuft darauf
hinaus, gemeinsam und auf offene und experimentelle Weise ein breiteres Spektrum effektiver
neuer Instrumente zur Lösung von Bildungsproblemen zu entwickeln und sie im Rahmen miteinander vernetzter innovativer Nischenaktivitäten
dauerhaft zu stabilisieren und auszubauen. Dies
impliziert zugleich die Empfehlung einer veränderten Ressourcenallokation. SNM erfordert die
Durchführung weniger, dafür aber besser ausgewählter, aufwändiger begleiteter und langfristiger
angelegter Vorhaben.
Konkret könnte dies bedeuten, in einem ausgewählten Feld – etwa der Unterstützung von ‚failing
schools‘ oder der Förderung von Kindern, die Probleme mit der deutschen Sprache haben – gemeinsam und über einen langjährigen Zeitraum hinweg tätig zu werden. Dabei könnte entweder ein
neues Programm ins Leben gerufen werden, es
könnte aber auch an bereits existierende Vorhaben angeknüpft werden. Zu nennen sind im
Zusammenhang mit ‚failing schools‘ etwa School
Turnaround – Berliner Schulen starten durch
(durchgeführt von Berliner Bildungsbehörde und
Robert Bosch Stiftung) und Ein Quadratkilometer Bildung in Neukölln (ein Projekt der Freudenberg Stiftung und der Karl-Konrad-und-RiaGroeben-Stiftung, ebenfalls in Partnerschaft mit
der Berliner Bildungsbehörde). Für den Bereich
der Sprachförderung wäre etwa an die zahlreichen
Sommercamps zu denken, die in Folge des Jacobs-
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Sommercamps initiiert worden sind. Die Etablierung und Weiterentwicklung solcher Nischen
erfordert eine langjährige Förderung und Vernetzung, die insbesondere auch die Generierung von
Wissen über die Effektivität dieser Programme
oder einzelner Bestandteile in den Mittelpunkt
stellen sollte.
Ein besonderer Mehrwert könnte daher darin
bestehen, nach dem Vorbild von US-amerikanischen Programmen wie Title 1 insbesondere
die evidenzbasierte Neu- und Weiterentwicklung
innovativer Vorhaben zu fördern. Zum einen,
weil es bislang noch zu wenige Programme gibt,
die ihre Effektivität nicht nur behaupten, sondern
anhand unabhängiger Evaluationen auch überzeugend nachweisen können (Thümler et al. 2014b).
Zum anderen, damit diese sehr langfristige Perspektive nicht in erster Linie denjenigen Akteuren
zugutekommt, die ihre Vorhaben am geschicktesten verkaufen können, obwohl sie keinen nachweisbaren Mehrwert für Schülerinnen und Schüler bzw. Schulen schaffen.
5.3Vernetzte Problemlösungsgemeinschaften als Instrumente einsetzen
Vernetzte Problemlösungsgemeinschaften („networked improvement communities“) im Sinne
von Bryk et al. (2010) stellen das zentrale Instrument des strategischen Nischenmanagements
dar. Eine solche Problemlösungsgemeinschaft
ist zunächst einmal als Netzwerk-Arrangement
anzusehen, das verschiedene Akteure und ihre
besonderen Ressourcen umfasst und das Ziel hat,
gemeinsam eine lokale Lösung für ein bestimmtes Bildungsproblem zu finden. Dabei können
die Beziehungen, die die Mitglieder einer solchen
Gemeinschaft miteinander unterhalten, sehr
unterschiedlich gestaltet sein. Sehr enge Beziehungen, z.B. in Form formaler Partnerschaften,
sind ebenso möglich, wie hierarchische Auftraggeber-Auftragnehmer Beziehungen. Am Rande des
Netzwerks können Unterstützer eher informelle
Kontakte zu den übrigen Mitgliedern unterhalten.
„Vernetzt“ sind die einzelnen Gemeinschaften
zunächst einmal deshalb, weil sie darauf ausgerichtet sind, kontext-unabhängiges Wissen zu
generieren: Es geht hier darum, von vornherein
CSI
Variation zuzulassen um Innovationen zu entwickeln die sich nicht nur an einem bestimmten
Standort oder unter ganz spezifischen Bedingungen bewähren (Bryk et al. 2010). Die Vernetzung hat zweitens zum Ziel, Sichtbarkeit und
politische Handlungsfähigkeit des Netzwerks zu
erhöhen und so für die nötige Durchsetzungsfähigkeit im Falle von windows of opportunity zu
sorgen, die eine weitreichendere Verbreitung möglich machen.
5.4Innovationsnetzwerke problemorientiert gestalten
Für die Entwicklung, Stabilisierung und ggf.
das Wachstum bzw. die weitreichendere Verbreitung neuer Problemlösungsansätze sollten dabei
jeweils unterschiedliche Netzwerktypen zum
Einsatz kommen. Wenn es um die Auswahl bzw.
die nähere Bestimmung des zu bearbeitenden
Problems geht, sind explorative Netzwerke zu
empfehlen. Für die Neuentwicklung von Problemlösungsmodellen sind Netzwerke geeignet, die
von Partnerschaften zwischen Stiftungen, Staat
und/oder Wissenschaft getragen und eher informell koordiniert werden. Für die Stabilisierung
und den Ausbau von Nischen sind Netzwerke aus
staatlichen und privaten Akteuren zu empfehlen,
die von einer (staatlichen oder privaten) Organisation gesteuert und koordiniert werden. Für strategisches Nischenmanagement könnten Konsortien,
in denen die Tätigkeit eines je nach Bereich mehr
oder weniger breiten Spektrums von Akteuren von
einer eigenen Geschäftsstelle koordiniert wird, das
Mittel der Wahl sein.
Die Analyse unserer Fälle zeigt jedoch, dass die
Entwicklung eines Innovationsvorhabens nicht
linear von einer Phase kreativen Experimentierens, in der entsprechend diverse Explorationsoder Entwicklungsnetzwerke erforderlich sind,
hin zu einer Phase höherer Stabilität, in der eher
Leadorganisationen das adäquate Instrument sind,
verläuft bzw. verlaufen muss. Vielmehr ermöglicht es die Wandlungsfähigkeit von Netzwerken,
dass diese unabhängig von den genannten Phasen für die Bearbeitung der jeweils anstehenden
Aufgaben eingesetzt werden können. So könnten
etwa Leadorganisationen oder Konsortien, die
umfangreichere Anpassungen oder Ergänzungen
63
K apit el 55
www.CSI.UNI-HD.de
CSI
Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke
ihrer Lösungsmodelle vornehmen wollen, diese
anspruchsvollen Entwicklungsvorhaben von
experimentellen Netzwerken begrenzter Lebensdauer bearbeiten lassen und die Ergebnisse im
Anschluss in ihr eigenes Tätigkeitsrepertoire aufnehmen.
5.5
Wissen über strategisches
Nischenmanagement vertiefen
Das in dieser Studie vorgeschlagene Vorgehen
zeigt neue Wege für die Gestaltung von Innovationsprozessen im Bildungsbereich auf. Zugleich
wirft dieser Ansatz auch eine Reihe offener Fragen
auf. Dies betrifft zunächst einmal den Umstand,
dass bislang nicht klar ist, inwiefern sich Modelle
sozio-technischer Innovation auf den Bereich sozialer Innovation übertragen lassen, und an welche
Grenzen dieser Versuch stößt. Zwar konnte im
Rahmen dieser Studie bereits nachgewiesen werden, dass grundlegende Parallelen zwischen beiden Phänomenen bestehen. Dennoch ist davon
auszugehen, dass es auch wichtige Unterschiede
gibt. So dürfte es im Falle sozialer Innovation
häufig sehr viel schwerer sein, die Effektivität
neuer Vorhaben schlüssig nachzuweisen, als dies
für technische Innovationen der Fall ist. Wenn
jedoch Antworten auf Fragen nach der Effektivität von Innovationen weniger eindeutig ausfallen,
könnten politische Prozesse und die Fähigkeit der
Nischenakteure, Advocacy für ihr Anliegen zu
betreiben, in Fällen sozialer Innovation eine größere Rolle spielen.
Zweitens konnte im Rahmen dieser Studie die
Rolle von Netzwerkstrukturen für die Phase von
Wachstum und Verbreitung von Innovationen
nicht hinreichend detailliert geklärt werden. Zwar
wurde das Konsortium als ein Netzwerktyp vorgestellt, der hierbei eine wichtige Rolle spielen
könnte. Konsortien erwiesen sich in unseren Fallstudien jedoch als zu vielgestaltig und hinsichtlich
der Ergebnisse zu wenig eindeutig, als das hier
belastbare Aussagen zu den genauen Erfolgsbedingungen möglich wären. Daher läge es nahe, die
Frage nach der Übertragbarkeit von SNM auf Prozesse sozialer Innovation gerade anhand der Rolle
von Netzwerken vertieft zu erforschen.
64
Und schließlich stellt der vorgeschlagene Ansatz
hohe Ansprüche an das beteiligte Personal sowohl
in Stiftungen als auch in staatlichen Organisationen, insbesondere, was die strategische Planung sowie das konkrete Netzwerkmanagement
anbelangt. Unsere Fallstudien geben zwar einige
Hinweise, wie etwa die Personalauswahl entsprechend gestaltet werden könnte. So findet sich z.B.
im Projekt Selbstständige Schule die Figur des
‚Wanderers zwischen den Welten‘ in Person eines
Ministeriumsbeamten, der für den Zeitraum des
Projekts an die Stiftung abgeordnet war. Welche
Möglichkeiten es darüber hinaus gibt und welche
Kenntnisse und Fähigkeiten zur Bewältigung der
neuen Aufgaben erforderlich bzw. günstig sind,
bedarf jedoch weiterer, vertiefter Untersuchungen.
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Literatur
■■ Alicke,
Tina und Münch, Sybille (2011): Zwischenbericht 2011, Evaluation des Projekts „Integration in Baden-Württemberg - Gemeinsam mit
den Eltern für neue Bildungschancen“, Institut
für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. Online
verfügbar unter http://www.bildungspartner-ev.
de/typo3/fileadmin/data/Dokumente/Evaluation/
Zwischenbericht2011_Stand27062011.pdf. Letzter
Zugriff am 5.5.2014.
■■ Alicke, Tina und Stallmann, Ludger (2012):
„Evaluationsbericht 2010 -2012 des Projektes ‚Integration in Baden-Württemberg - Gemeinsam mit
den Eltern für neue Bildungschancen`“, Institut
für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. Online
verfügbar unter http://www.bildungspartner-ev.
de/typo3/fileadmin/data/Dokumente/Evaluation/
Nf B_Zwischenbericht_2010-2012.pdf. Letzter
Zugriff am 4.5.2014.
■■ Alicke, Tina und Stallmann, Ludger (2013):
Abschlussbericht der Evaluation 2013, „Integration in Baden-Württemberg - Gemeinsam mit
den Eltern für neue Bildungschancen“, Institut
für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. Online
verfügbar unter http://www.bildungspartner-ev.
de/typo3/fileadmin/data/Dokumente/Evaluation/
Integration_in_Baden-Wuerttemberg_-_NfB_-_
Abschlussbericht_2013.pdf. Letzter Zugriff am
4.5.2014.
■■ Almog-Bar, Michal und Zychlinski, Ester (2014):
Collaboration between philanthropic foundations
and government. In International Journal of
Public Sector Management 27 (3), S. 201–211.
■■ Andersen, Ole J. (2008): A Bottom-Up Perspective on Innovations: Mobilizing Knowledge and
Social Capital Through Innovative Processes of
Bricolage. In Administration & Society 40 (1), S.
54–78.
■■ Bacchetti, Ray und Ehrlich, Thomas (2007):
Foundations and Education: Introduction. In Ray
Bacchetti und Thomas Ehrlich (Hrsg.): Reconnecting Education & Foundations. Turning Good
Intentions Into Educational Capital. San Francisco:
Wiley, S. 3–20.
■■ Beller, Annelie (2013): Jacobs Summer Camp
and DeutschSommer: Making a Difference with
Summer Camp Programmes. In: Ekkehard Thümler, Nicole Bögelein, Annelie Beller und Helmut
K. Anheier (Hrsg.): Philanthropy and Education:
Strategies for Impact. Basingstoke: Palgrave Macmillan, S. 47-64.
■■ Bertelsmann Stiftung (2014a): Carl Bertelsmann-Preis 1996. Online verfügbar unter http://
www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID3D9F74E7-D5C8C364/bst/hs.xsl/5763_5772.htm.
Letzter Zugriff am 22.6.2014.
■■ Bertelsmann Stiftung (2014b): „Schule &
Co.“ – Das Vorläuferprojekt. Online verfügbar unter http://www.bertelsmann-stiftung.de/
cps/rde/xchg/SID-DC15DE80 -B410BE56/bst/
hs.xsl/88751_ 88867.htm. Letzter Zugriff am
4.7.2014.
■■ Bertelsmann Stiftung (2014c): Projektsteuerung. Online verfügbar unter http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-3FC60DBE3CCBAC23/bst/hs.xsl/88751_88765.htm. Letzter
Zugriff am 4.7.2014.
■■ Bertelsmann Stiftung (2014d): Projektbeschreibung. Online verfügbar unter http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-B33C38A1510487B5/bst/hs.xsl/88751_88759.htm. Letzter
Zugriff am 25.6.2014.
■■ Bertelsmann Stiftung (2014e): Selbstständige
Schule NRW. Ziele. Online verfügbar unter http://
www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SIDCB30D495-D507FDA0/bst/hs.xsl/88751_88767.
htm. Letzter Zugriff am 21.11.2014.
■■ Bertelsmann Stiftung (2001): Kooperationsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und
der Bertelsmann Stiftung. Online verfügbar unter
http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/
SID-54A5380D-21C4FAA7/bst/Kooperationsvertrag.pdf. Letzter Zugriff am 6.7.2014.
■■ Bethmann, Steffen (2014): The Chance: A Systemic Approach to Integrate Adolescents into the Job
Market. In: Ekkehard Thümler, Nicole Bögelein,
Annelie Beller und Helmut K. Anheier (Hrsg.):
Philanthropy and Education: Strategies for Impact.
Basingstoke: Palgrave Macmillan, S. 65-83.
■■ Bidault, Francis und Cummings, Thomas
(1994): Innovating through alliances: expectations
and limitations.
■■ Bildungskommission NRW (1995): Zukunft der
Bildung – Schule der Zukunft. Denkschrift der
Kommission „Zukunft der Bildung — Schule der
65
CSI
CSI
Literatur
Zukunft“ beim Ministerpräsidenten des Landes
Nordrhein-Westfalen. Neuwied: Luchterhand.
■■ Brabeck, Heribert und Lohre, Wilfried (2004):
Bildung gestalten - Selbstständige Schule. Das
Profil des gemeinsamen Projekts des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder und der
Bertelsmann Stiftung in Nordrhein-Westfalen.
In Projektleitung ‚Selbstständige Schule‘ (Hrsg.):
Verantwortung für Qualität. Band 1: Grundlagen
des Projekts. Troisdorf: Bildungsverlag EINS, S.
31–45.
■■ Braun-Thürmann, Holger (2005): Innovation.
Bielefeld: transcript.
■■ Bremer Senat für Bildung (2014): Sprachsommercamps. Online verfügbar unter http://
w w w. b i l d u n g . b r e m e n . d e / s i x c m s/d e t a i l .
php?gsid=bremen117.c.4546.de. Letzter Zugriff
am 18.07.2014.
■■ Bryk, Anthony S.; Gomez, Louis M. und Grunow, Alicia (2010): Getting Ideas into Action: Building Networked Improvement Communities in
Education. Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching. Online verfügbar unter http://
files.eric.ed.gov/fulltext/ED517575.pdf. Letzter
Zugriff am 21.05.2014.
■■ Bryson, John M.; Crosby, Barbara C. und Stone,
Melissa Middleton (2006): The Design and Implementation of Cross-Sector Collaborations: Propositions from the Literature. In Public Administration Review 66 (1), S. 44–55.
■■ Buhren, Claus; Arndt, Mike und Keßler, Catie
(2008): Bessere Qualität an Schulen, Abschlussbericht zur Weiterentwicklung des Steuerungsinstrumentes SEIS (Selbstevaluation in Schulen),
Deutsche Sporthochschule Köln.
■■ Connell, James P. und Klem, Adena M. (2001):
A Theory-of-Change Approach to Evaluation
Investments in Public Education. In Patrice Flynn
und Virginia A. Hodgkinson (Hrsg.): Measuring
the Impact of the Nonprofit Sector. New York: Kluwer Academic/Plenum Publishers, S. 173–183.
■■ Czerwanski, Annette (2000): Private Stiftungen
und staatliche Schulen. Schulentwicklung durch
nicht-staatliche Förderprogramme? Opladen:
Leske und Budrich.
■■ Dahrendorf, Ralf (2001): Challenges to the
voluntary sector, Arnold Goodman Charity Lecture.
■■ Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS)
(Hrsg.) (2009): Kooperation von Staat und Stiftungen als Voraussetzung für den Transfer von
Programmen. Dokumentation der Arbeitstagung
66
vom 10. Juli 2009.
■■ Die Chance (2014): Die Chance - Stiftung für
Berufspraxis in der Ostschweiz. Online verfügbar unter http://www.die-chance.ch/wer-wir-sind/
geschichte. Letzter Zugriff am 20.08.2014.
■■ Die Chance (2013): Jahresbericht 2013. Die
Chance - Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz. Online verfügbar unter http://www.
die-chance.ch/downloads/jahresberichte. Letzter
Zugriff am 27.10.2014.
■■ Die Chance (2012): Jahresbericht 2012. Online
verfügbar unter http://w w w.die-chance.ch/
downloads/jahresberichte. Letzter Zugriff am
27.10.2014.
■■ Forrer, John; Kee, James Edwin; Newcomer,
Kathryn E. und Boyer, Eric (2010): Public-Private
Partnerships and the Public Accountability Question. In Public Administration Review 70 (3), S.
475–484.
■■ Frumkin, Peter (2006): Strategic Giving. The
Art and Science of Philanthropy. Chicago, London:
The University of Chicago Press.
■■ Gazley, Beth und Brudney, Jeffrey L. (2007):
The Purpose (and Perils) of Government-Nonprofit Partnership. In Nonprofit and Voluntary Sector
Quarterly (36), S. 389–415.
■■ Geels, Frank W. (2002): Technological transitions as evolutionary reconfiguration processes:
a multi-level perspective and a case study. In
Research Policy 31 (8-9), S. 1257–1274.
■■ Geels, Frank und Deuten, J. Jasper (2006): Local
and global dynamics in technological development: a socio-cognitive perspective on knowledge
flows and lessons from reinforced concrete. In Science and Public Policy 33 (4), S. 265–275.
■■ Geddes, Mike und Benington, John (2001):
Local partnerships and social exclusion in the
European Union. New forms of local social governance? London und New York: Routledge.
■■ Gerber, Pia (2006): Der lange Weg der sozialen Innovation - Stiftungen und sozialer Wandel.
Unternehmensnahe Stiftungen in der Bundesrepublik als Innovationsagenturen im Feld der Bildungs- und Sozialpolitik am Beispiel der Freudenberg Stiftung. Frankfurt am Main: Peter Lang.
■■ Glänzel, Gunnar (2014a): SEIS: The Role of the
Bertelsmann Foundation as a Think Tank Taking
Action, In: Ekkehard Thümler, Nicole Bögelein,
Annelie Beller und Helmut K. Anheier (Hrsg.):
Philanthropy and Education: Strategies for Impact.
Basingstoke: Palgrave Macmillan, S. 84-96.
■■ Glänzel, Gunnar (2014b): Bertelsmann Founda-
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
tion and the Largest School Development Project
in German History. In Ekkehard Thümler, Nicole
Bögelein, Annelie Beller und Helmut K. Anheier
(Hrsg.): Philanthropy and Education: Strategies for
Impact. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
■■ Greene, Jay P. (2005): Buckets into the Sea. Why
Philanthropy Isn‘t Changing Schools, and How
it Could. In Frederick M. Hess (Hrsg.): With the
Best of Intentions. How Philanthropy Is Reshaping
K-12 Education. Cambridge, MA: Harvard Education Press, S. 49–76.
■■ Heifetz, Ronald A.; Kania, John V. und Kramer,
Mark R. (2003): Leading Boldly. Foundations can
move past traditional approaches to create social
change through imaginative - and even controversial - leadership. In Stanford Social Innovation
Review, S. 21–31.
■■ Hess, Frederick M. (2005): Introduction. In
Frederick M. Hess (Hrsg.): With the Best of Intentions. How Philanthropy Is Reshaping K-12 Education. Cambridge, MA: Harvard Education Press,
S. 1–17.
■■ Heyder, Anke (2014): Assessing the Impact
of Educational Programmes: An Evaluation of
Research Validity. In Ekkehard Thümler, Nicole
Bögelein, Annelie Beller und Helmut K. Anheier
(Hrsg.): Philanthropy and Education: Strategies for
Impact. Basingstoke: Palgrave Macmillan, S. 192204.
■■ Holtappels, Heinz Günter; Klemm, Klaus
und Rolff, Hans-Günter (2008): Schulentwicklung durch Gestaltungsautonomie. Ergebnisse
der Begleitforschung zum Modellvorhaben
“Selbstständige Schule” in Nordrhein-Westfalen.
Münster: Waxmann.
■■ Ilten, Carla (2009): Strategisches und soziales
Nischenmanagement. Zur Analyse gesellschaftspolitisch motivierter Innovation. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften.
■■ Jacobs Foundation (2014): Wer wir sind. Verfügbar online unter http://jacobsfoundation.org/de/
wer-wir-sind/. Letzter Zugriff am 18.7.2014.
■■ Kemp, René; Schot, Johan und Hoogma, Remco
(1998): Regime Shifts to Sustainability Through
Processes of Niche Formation: The Approach of
Strategic Niche Management. In Technology Analysis & Strategic Management 10 (2), S. 175–195.
■■ Lagemann, Ellen Condliffe und de Forest, Jennifer (2007): What might Andrew Carnegie want
to tell Bill Gates? Ref lections on the Hundredth
Anniversary of the Carnegie Foundation for the
Advancement of Teaching. In Ray Bacchetti und
Thomas Ehrlich (Hrsg.): Reconnecting Education & Foundations. Turning Good Intentions
Into Educational Capital. San Francisco: Wiley, S.
49–67.
■■ Levinthal, Daniel A. (1998): The Slow Pace of
Rapid Technological Change: Gradualism and
Punctuation in Technological Change. In Industrial and Corporate Change 7 (2), S. 217–247.
■■ Lewis, Jane (2004): The state and the third
sector in modern welfare states: independence,
instrumentaliy, partnership. In Adalbert Evers
und Jean-Louis Laville (Hrsg.): The Third Sector
in Europe. Cheltenham, UK, etc.: Edward Elgar, S.
169–187.
■■ Linder, Stephen H. (1999): Coming to Terms
With the Public-Private Partnership: A Grammar
of Multiple Meanings. In American Behavioral Scientist 43 (1), S. 35–51.
■■ McConnell, Allan (2010): Understanding policy
success. Rethinking public policy. New York: Palgrave Macmillan.
■■ Meyer, Heinz-Dieter und Rowan, Brian (2006):
Institutional Analysis and the Study of Education.
In Heinz-Dieter Meyer und Brian Rowan (Hrsg.):
The New Institutionalism in Education. Albany,
NY: State University of New York Press, S. 1–13
■■ Netzwerke für Bildungspartner (2011): Pressemitteilung: Kontinuität im Verein Netzwerke für
Bildungspartner durch die Wahl von Integrationsministerin Bilkay Öney und Dr. Ingrid Hamm von
der Robert Bosch Stiftung gewährleistet. Online
verfügbar unter http://www.bildungspartner-ev.
de/typo3/f ileadmin/data/Dokumente/Presse/
PM_Mitgliederversammlung_30-06-11.pdf. Letzter Zugriff am 7.5.2014.
■■ Netzwerke für Bildungspartner (2014a): Der
Beraterpool. Online verfügbar unter http://www.
bildungspartner-ev.de/typo3/beraterpool.html.
Letzter Zugriff am 7.05.2014.
■■ Netzwerke für Bildungspartner (2014b): Förderprogramm. Online verfügbar unter http://www.
bildungspartner-ev.de/typo3/foerderprogramm.
html. Letzter Zugriff am 7.5.2014.
■■ Netzwerke für Bildungspar tner (2014c):
Teilnehmer/-Innen der Initiative. Online verfügbar unter http://www.bildungspartner-ev.de/
typo3/ueber-die-initiative/teilnehmer-innen.html.
Letzter Zugriff am 7.5.2014.
■■ Netzwerke für Bildungspartner (2014d): Liste
geförderter Maßnahmen. Online verfügbar unter
http://www.bildungspartner-ev.de/typo3/fileadmin/data/Dokumente/Foerderprogramm/Liste_
67
CSI
CSI
Literatur
gefoerderter_Massnahmen-Januar2013.pdf. Letzter Zugriff am 7.5.2014.
■■ Netzwerke für Bildungspartner (2014e): Kooperationspartner beim Betrieb des Beraterpools.
Online verfügbar unter http://www.bildungspartner-ev.de/typo3/beraterpool/kooperationspartner.
html. Letzter Zugriff am 7.5.2014.
■■ OECD (2003): Schooling for Tomorrow: Networks of Innovation. Towards New Models for
Managing Schools and Systems. Paris: OECD
Publshing.
■■ O’Reilly, Tim (2005): What Is Web 2.0. Online
verfügbar unter http://www.oreilly.com/pub/a/
web2/archive/what-is-web-20.html?page=4. Letzter
Zugriff am 19.11.2014.
■■ O‘Toole, Laurence J. (1997): Treating Networks
Seriously: Practical and Research-Based Agendas
in Public Administration. In Public Administration Review 57 (1), S. 45-52.
■■ Ostrower, Francie (2005): The reality underneath the buzz of partnerships. The potentials and
pitfalls of partnering. In Stanford Social Innovation Review, S. 34–41.
■■ Person, Ann E., Strong, Debra A., Furgeson,
Joshua und Berk, Jillian A. (2009): Maximizing
the Value of Philanthropic Effort through Planned Partnerships between the U.S. Government
and Private Foundations. Mathematica Policy
Research.
■■ Peurach, Donald J. (2011): Seeing Complexity in
Public Education. Problems, Possibilities, and Success for All. Oxford, New York: Oxford University
Press.
■■ Pressestelle des Senats (2005): Max-PlanckInst it ut Berlin: Das Jacobs-Sommercamp
war ein voller Erfolg. Online verfügbar unter
ht t p://w w w. sen at spresseste l le.bremen .de/
si xcms/detail.php?gsid=bremen14 6.c.17538.
de&asl=bremen146.c.25714.de. Letzter Zugriff am
18.07.2014.
■■ Projektleitung ‚Selbstständige Schule‘ (2006):
Entwicklung ist messbar. Zwischenbericht der
wissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt
„Selbstständige Schule“. Troisdorf: Bildungsverlag
EINS.
■■ Provan, Keith G. und Kenis, Patrick (2008):
Modes of Network Governance: Structure,
Management, and Effectiveness. In Journal of
Public Administration Research and Theory 18 (2),
S. 229–252.
■■ Provan, Keith G. und Lemaire, Robin H. (2012):
Core Concepts and Key Ideas for Understanding
68
Public Sector Organizational Networks: Using
Research to Inform Scholarship and Practice. In
Public Administration Review 72 (5), S. 638–648.
■■ Raven, R.P.J.M und Geels, Frank W. (2010):
Socio-cognitive evolution in niche development:
Comparative analysis of biogas development in
Denmark and the Netherlands (1973–2004). In
Technovation (30), S. 87–99.
■■ Rolff, Hans-Günter (2013): Gestaltung und
Steuerung einer Bildungsregion. Eine Expertise
für die StädteRegion Aachen. Dortmund: Institut
für Schulentwicklungsforschung.
■■ Runder Tisch (2009): „Integration gemeinsam
schaffen - Für eine erfolgreiche Bildungspartnerschaft mit Eltern mit Migrationshintergrund“.
Online verfügbar unter http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/NHS-Konzeption_ENDFASSUNG.pdf. Letzter Zugriff am
4.5.2014.
■■ Sandfort, Jodi (2008): Using Lessons From
Public Affairs to Inform Strategic Philanthropy. In
Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly 37 (3), S.
537–552.
■■ Schöller, Oliver (2006): Bildung geht stiften.
Zur Rolle von Think Tanks in der Wissensgesellschaft. In Uwe H. Bittlingmayer und Ullrich
Bauer (Hrsg.): Die „Wissensgesellschaft“. Mythos,
Ideologie oder Realität? Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften, S. 285–320.
■■ Schot, Johan und Geels, Frank W. (2008): Strategic niche management and sustainable innovation journeys: theory, findings, research agenda,
and policy. In Technology Analysis & Strategic
Management 20 (5), S. 537–554.
■■ Schröer, Andreas (2014a): Success for All: The
Impact of Research-Proven Cooperative Learning
Strategies. In Ekkehard Thümler, Nicole Bögelein,
Annelie Beller, Helmut K. Anheier (Eds.): Philanthropy and Education: Strategies for Impact.
Basingstoke: Palgrave MacMillan, S. 124–160.
■■ Schröer, Andreas (2014b): How a Teacher Corps
changes Schools and Community. The impact of
Teach For America on Student Learning, Participants and the Community. In Ekkehard Thümler,
Nicole Bögelein, Annelie Beller und Helmut K.
Anheier (Eds.): Philanthropy and Education: Strategies for Impact. Basingstoke: Palgrave Macmillan , S. 161-191.
■■ SEIS (2014a): Ziele. Online verfügbar unter
http://www.seis-deutschland.de/projekt/ziele.
html. Letzter Zugriff am 22.6.2014.
■■ SEIS (2014b): Qualitätsverständnis. Online ver-
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
fügbar unter http://www.seis-deutschland.de/seisinstrument/qualitaetsverstaendnis.html. Letzter
Zugriff am 16.9.2014.
■■ Stanat, Petra (2005): Förderung von Sprachkompetenzen bei Kindern aus zugewanderten und
sozial benachteiligten Familien: Das Jacobs-Sommercamp Projekt. Online verfügbar unter http://
www.blk-foermig.uni-hamburg.de/cosmea/core/
corebase/mediabase/foermig/intranet/sprachfoerderung/AG%20DS/SprachkompetenzStanat.pdf.
Letzter Zugriff am 17.07.2014.
■■ Stanat, Petra; Baumert, Jürgen und Müller,
Andrea (2005): Förderung von deutschen Sprachkompetenzen bei Kindern aus zugewanderten
und sozial benachteiligten Familien: Evaluationskonzeption für das Jacobs-Sommercamp Projekt.
Zeitschrift für Pädagogik 51 (6), S. 856–875.
■■ Stanat, Petra; Becker, Michael; Baumert, Jürgen; Lüdtke, Oliver und Eckhardt, Andrea G.
(2012): Improving second language skills of immigrant students: A field trial study evaluating the
effects of a summer learning program. In Learning and Instruction 22 (3), S. 159–170.
■■ Stiftung Polytechnische Gesellschaft (2014a):
Endspurt 2014. Online verfügbar unter http://
www.sptg.de/1endspurt.aspx. Letzter Zugriff am
10.08.2014.
■■ Stiftung Polytechnische Gesellschaft (2014b):
3 x Deutsch: Sprache, Theater, Freizeit. Online
verfügbar unter http://www.sptg.de/deutsch-alszweitsprache.aspx. Letzter Zugriff am 19.09.2014.
■■ Stiftung Polytechnische Gesellschaft (2014c):
Diesterweg-Stipendium. Online verfügbar unter
http://www.sptg.de/1diesterweg-stipendium.aspx.
Letzter Zugriff am 28.10.2014.
■■ Stiftung Polytechnische Gesellschaft (2011):
Wirkungen. Ein Bericht der Polytechnischen
Gesellschaft Frankfurt am Main. Online verfügbar unter http://www.sptg.de/Data/Sites/7/media/
bilder/wirkungen/wirkung.pdf. Letzter Zugriff
am 14.08.2014.
■■ Sydow, Jörg (1992): Strategische Netzwerke.
Wiesbaden: Gabler.
■■ Thümler, Ekkehard; Bögelein, Nicole und
Beller, Annelie (2014a): Education Philanthropy
in Germany and the United States. In Ekkehard
Thümler, Nicole Bögelein, Annelie Beller und Helmut K. Anheier (Hrsg.): Philanthropy and Education. Strategies for Impact. Basingstoke: Palgrave
Macmillan, S. 3–28.
■■ Thümler, Ekkehard; Bögelein, Nicole und
Beller, Annelie (2014b): Philanthropic impact and
effectiveness in education. In Ekkehard Thümler, Nicole Bögelein, Annelie Beller und Helmut
K. Anheier (Hrsg.): Philanthropy and Education.
Strategies for Impact. Basingstoke: Palgrave MacMillan, S. 207–235.
■■ Thümler, Ekkehard; Bögelein, Nicole, Beller,
Annelie und Anheier, Helmut K. (Hrsg.) (2014c):
Philanthropy and Education. Strategies for Impact.
Basingstoke: Palgrave Macmillan.
■■ Van de Ven, Andrew H.; Polley, Douglas E.;
Garud, Raghu und Venkataraman, Sankaran
(2008): The innovation journey. Oxford, New York:
Oxford University Press.
■■ von Friedeburg, Ludwig (1992): Bildungsreform
in Deutschland. Geschichte und gesellschaftlicher
Widerspruch. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
■■ Weber, Christina; Kröger, Arne; Kunz, Linda;
Lambrich, Kathrin; Peters, Maria und Labitzke,
Gerald (2013): Skalierung sozialer Wirkung.
Handbuch zu Strategien und Erfolgsfaktoren von
Sozialunternehmern. Gütersloh: Bertelsmann
Stiftung.
■■ Weihe, Guðrið (2008): Ordering Disorder – On
the Perplexities of the Partnership Literature. In
Australian Journal of Public Administration 67 (4),
S. 430–442.
■■ Zapf, Wolfgang (1989): Über soziale Innovationen. In Soziale Welt 40 (1/2), S. 170–183.
69
CSI
CSI
www.CSI.UNI-HD.de
Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften
Photos © by Lena Ganssmann, Titus Tamm, Timo Tamm.
Kontakt: ww.csi.uni-heidelberg.de