Eine Sonderveröffentlichung des Ausgabe 10 • Oktober 2014

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Eine Sonderveröffentlichung des Ausgabe 10 • Oktober 2014
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GEA-Wirtschaftsmagazin
Editorial
Die dritte Luft
»Die Zukunft ist ungewiss, heißt es lapidar. Aber – das ist
kein Grund, sich einer fatalistischen Betrachtung hinzugeben. Auch das Morgen ist beeinflussbar. Zum Beispiel mit der
Aneignung von Wissen, Geschick und gemachter Erfahrung.
Die implizite Aufforderung, etwas zu tun, geht viele an:
Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Der Satz, »wir haben ausgelernt«, noch mit der Attitude des Selbstlobs verbunden, ist
ein für allemal entsorgt. »Lebenslanges Lernen« hat sich in
das Gedächtnis eingeprägt. Nicht nur in das der Menschen,
Unternehmen, Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen – ja ganze Gesellschaften haben sich längst
darauf eingestellt.
Qualifikationen, Kow-how, Innovationen sind Voraussetzungen für das Überleben von Unternehmen. Ein Satz, der
in den Gesprächen mit Betrieben immer wieder zu hören ist.
Das Faktum in manchen Branchen, nicht ausreichend Fachkräfte zu bekommen, ist hie und da bereits zu einer Wachstumsbremse geworden. Die demografische Entwicklung
verstärkt dieses Problem. Humankapital macht als Produktionsfaktor im Vergleich zum Geld Boden gut. Mitarbeiter
gewinnen an Wertschätzung. Wenn das Gehalt dabei steigt –
auch gut.
Wer Bildung jedoch nur als notwendige Voraussetzung im
ökonomischen Prozess betrachtet, der springt eindeutig zu
kurz. Immer geht es auch um die Entwicklung von Persönlichkeit, um Bewusstsein, um Würde. Das Individuum schöpft
bei diesem Unterwegssein Kraft und erringt neue Freiheitsgrade. Es ist ein Atmen einer dritten Luft.
Franz Pfluger
3
Was ist Bildung?
»Eine Pizza kann man sich nach Hause bestellen –
nicht aber Bildung« ...................................................................................... 8
Hochschulen und andere
Bildungseinrichtungen
Unternehmen
Uni Tübingen
Bosch
Ingrid Peters:Vertrauen – Offenheit – Fairness ....................... 6
Elring Klinger
»Junge Menschen für unser
Unternehmen begeistern« ................................................................... 10
IAB-Sudie
Beachtliche Bildungsprämien ............................................................. 12
Manz
Manz – immer eine Idee voraus! ...................................................... 14
Hugo Boss
»Young Talents«
sind der Erfolg von Morgen ................................................................. 16
Wafios
Reutlinger Modell als perfekte Lösung ........................................ 18
Rökona
Eigene Ideen sind gefragt ........................................................................ 22
Paul Horn
Ein neuer Studiengang –
Initialzündung für die Region ............................................................. 24
Refugio
Qualifizierung als Schlüssel zum Job ............................................. 26
Schwörer Haus
Leben in intelligenten Häusern ......................................................... 28
Zwischen Spitzenforschung
und Anwendungsorientierung............................................................ 46
Hochschule Reutlingen
Das Beste aus zwei Welten .................................................................... 48
VHS Reutlingen
Willkommen in der Welt der Weiterbildung ........................... 50
IHK Reutlingen
Der Kick für den Berufsalltag................................................................ 52
So funktioniert lebenslanges Lernen ............................................. 54
Arbeitsagentur Reutlingen
Kompetenz sichert den Job .................................................................. 56
Landeszentrale für Politische Bildung
Tagen in einem »Jahrhunderthaus« ............................................ 58
Europa Institut
Xing Wang vermittelt zwischen Welten ..................................... 60
Südwestmetall
Vom Einstieg zum Aufstieg .................................................................. 62
Girlsday-Akademie –
Sprungbrett für junge Frauen .............................................................. 64
IG Metall Reutlingen
»Kein junger Mensch darf zurückbleiben« ............................. 66
Sparkassenverband
Know-how-Schmiede für Sparkässler ........................................... 68
CHT
Innovationskultur ist Basis des Erfolgs ......................................... 30
Easysoft
Erfolgsfaktor Bildung ................................................................................ 32
Brodbeck
Brodbeck bleibt am Ball:
coole Sprüche – viel dahinter .............................................................. 34
Titelbild:
Solcom
Bildung
Gestaltung: Achim Goller/Foto: Fotolia
Berner
Impressum
Investition in die Zukunft ...................................................................... 36
Maschinenbau-Know-how par excellence ................................ 38
RVM
Ganz sicher gute Chancen .................................................................... 40
Barth
»Der Mensch macht’s aus« ................................................................ 42
Dekra
Arbeitssicherheit geht jeden an .......................................................... 44
Sonderveröffentlichung/Advertorial-Magazin
von GEA Publishing für die Region Neckar-Alb
Ausgabe 10/Oktober 2014
Leitung/Koordination: Franz Pfluger
Anzeigen: Stephan Körting (verantwortl.), Stephan Schweikert
Graphische Konzeption/Layout/Satz/Gestaltung: Achim Goller
Herausgeber: GEA Publishing und Media Services GmbH & Co. KG
Persönlich haftende Gesellschafterin: GEA Publishing und Media Services
Verwaltungs GmbH, Burgplatz 5, 72764 Reutlingen, Geschäftsführer:
Michael Eyckeler, Stephan Körting
Druck: Bechtle Druck & Service/Esslingen
6
GEA-Wirtschaftsmagazin
Interview mit Ingrid Peters, Leiterin der Bosch-Personalabteilung am Standort Reutlingen:
Vertrauen - Offenheit - Fairness
GEA: Spricht man über das Unternehmen Bosch, wird in
der Öffentlichkeit eine gewisse Unternehmenskultur
damit verbunden. Wie würden Sie denn die beschreiben?
Peters: Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, das hatte schon
Firmengründer Robert Bosch praktiziert. Auch wenn sich die Rahmenbedingungen geändert haben und der Wettbewerb härter geworden ist,
dieses Bild stimmt auch heute noch. Bosch ist ein soziales Unternehmen,
durch Werte geprägt. Vertrauen, Offenheit, Fairness – das ist nicht nur
niedergeschrieben, das wird überall dort gelebt, wo Bosch vertreten ist.
Auch wenn man Kultur gewiss nicht in Zahlen ausdrücken kann, möchte
ich eines hinzufügen: Unsere Mitarbeiterbefragung zeigt, dass 95 Prozent der Beschäftigten stolz sind, bei Bosch zu arbeiten. Ein sehr guter
Wert.
Hat diese Identifikation etwas mit den Produkten zu
tun?
Peters: Das Produktportfolio unterstützt diese. Wir haben ja den Slogan »Technik fürs Leben«. Es ist unser Anspruch, das Leben der Menschen zu verbessern. Das betrifft Sicherheit, Komfort, Sauberkeit. Das
geht vom ABS über das E-Bike bis hin zu Chips in den Handys. Hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren Ressourcenschonung, also
nachhaltiges Wirtschaften. Stolz sind wir darauf, ein unabhängiges
Unternehmen zu sein. Wir müssen nicht quartalsweise den Shareholders berichten und können daher unser Handeln an längerfristigen Zielen orientieren.
Soziale Kultur und ökonomische Ziele – das kann sich
doch auch mal beißen?
Peters:Natürlich gibt es auch bei uns Zielkonflikte. Sie zusammenzuführen ist die Kunst. Menschen mit unterschiedlichen Charakteren führen das Unternehmen. Unser Führungsgrundsatz heißt: »Das Management übernimmt Aufgaben auf Zeit.« Die Führungskräfte in unserem Unternehmen werden geschult, die Bosch Werte zu verinnerlichen
und zu leben
Wie bereitet sich Bosch darauf vor, dass morgen und
übermorgen die richtigen Leute an Bord sind?
Peters: Wir betreiben Kompetenzmanagement. Abgeleitet aus der
Strategie und dem Ziel, was wir erreichen wollen, müssen wir schauen,
dass wir die passenden Mitarbeiter haben. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Einmal im Jahr sprechen wir mit den Führungskräften
über die Mitarbeiter. In unseren Kompetenzclustern wird dann bestimmt,
welche Qualifizierungsmaßnahmen und Investitionen notwendig sind.
Wird Bosch die Beschäftigung am Standort Reutlingen
halten können?
Peters: Die Automatisierung schreitet fort – am stärksten wohl im
Halbleiterwerk. Da müssen wir überlegen, was wir mit den Menschen
machen, für die es Auswirkungen hat. Diese Aufgabe wird uns in den
nächsten zwei bis drei Jahren sehr intensiv beschäftigen. Wir müssen unsere Mitarbeiter auf eine ganz andere Welt vorbereiten. IT-Kenntnisse,
die englische Sprache und ein anderes Arbeitsverhalten sind erforderlich. Wir wollen wachsen und haben von daher nicht vor, unterm Strich
Arbeitsplätze abzubauen. Wir wollen am Standort Reutlingen mit der
Mannschaft – derzeit7 000 Beschäftigte – weitermachen.
Wie beschäftigen Sie sich mit dem demografischen
Wandel?
Peters: Wir spüren ihn im Ansatz. Wir haben am Bosch-Standort
Reutlingen wenig Fluktuation. Das durchschnittliche Alter der Belegschaft beträgt 44 Jahre. Mit dem Betriebsrat haben wir jüngst eine Vereinbarung getroffen, in den nächsten drei Jahren unsere Auszubildenden zu 100 Prozent zu übernehmen. Derzeit gib es 210 Auszubildende
am Standort. Wir beschäftigen uns mit dem lebenslangen Lernen, mit
Qualifizierung und versuchen, die Beschäftigten fit zu halten. Wir haben
für die physische und psychische Gesundheit ein Programm. Medizinische Betreuung gehört dazu. Leider ist es oft so, dass diejenigen, denen
es gut tun würde, weniger daran teilnehmen als die Gesünderen. Aber,
ich muss darauf hinweisen, es gibt hier auch eine eigene Verantwortung
der Mitarbeiter.
Technologische Entwicklungen verändern Inhalte.
Wie wirkt sich das auf den Nachwuchs aus?
Peters: Wir haben unsere Ausbildung überprüft und Berufsbilder dem
Wandel angepasst. Im Halbleiterwerk haben wir schon vor Jahren die
Mikrotechnologie-Ausbildung gestartet. Im Moment haben wir fünf
technisch-gewerbliche und zwei kaufmännische Berufsbilder. Es gibt
noch zwei Berufe (Industriemechaniker und Mechatroniker), in denen
gute Hauptschüler eine Chance haben. Ansonsten ist Mittlere Reife Minimum. In die Duale Ausbildung - Reutlinger Modell - sind wir jüngst
eingestiegen. Die jungen Menschen müssen sich auf höhere Anforderungen einstellen. Wir rekrutieren Personal auch aus dem Ausland. Im
GEA-Wirtschaftsmagazin
Wir akzeptieren nicht
nur Andersartigkeit,
wir streben sie an
Technischer Wandel berührt ja alle Arbeitnehmer –
auch die, die schon im Haus sind. Das wird auch ein
Thema in den Tarifverhandlungen der Metallindustrie
in 2015 sein?
Peters: Ich halte es für unabdingbar, sich mit dem Thema »Flexibilität« zu beschäftigen. Wir sind nicht nur Automobilzulieferer sondern
auch in anderen Branchen unterwegs, die anderen Gesetzmäßigkeiten
unterliegen. Flexibilität und Geschwindigkeit sind wichtig. Es gibt bei
Bosch eine Konzernvereinbarung mit dem Begriff »Mobiles Arbeiten«.
Wer mit dem US-Markt viel zu tun hat, braucht vielleicht eine andere
Arbeitszeit als derjenige, der sich mit Kunden in Asien unterhält. Diese
Vereinbarung wollen wir auch am Standort Reutlingen umsetzen. Die
Lebensarbeitszeit wird sich verändern. Wir werden die verschiedenen
Lebensphasen der Mitarbeiter anders begleiten müssen. Wir werden
künftig stärker in internationalen Teams arbeiten. Auch über andere Organisationsstrukturen denken wir nach. Es wird in der nahen Zukunft
schon mehr agile Teams geben. Mitarbeiter werden auf Zeit an Projekten arbeiten.
»Diversity« ist bei Bosch ein starkes Thema.
Was verstehen Sie genau darunter?
Peters: Wir haben inzwischen den Begriff »Diversity« (Vielfalt) weiter gespannt. Begonnen haben wir mit dem Fokus Gender (Geschlecht).
In 2020 sollen 20 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt
sein. Inzwischen gehört der demografische Wandel ebenso zu Diversity
wie die Internationalisierung. Auch am Standort Reutlingen arbeiten
Mitarbeiter aus 60 Nationen. Zum Beispiel bereitet sich eine junge Chinesin am Standort Reutlingen auf ihre Aufgaben am Standort im Reich
der Mitte vor. Unser Ziel ist es, 80 Prozent der Führungspositionen im
Ausland mit Mitarbeitern aus dem jeweiligen Land besetzt zu haben.
Folgende Aussage habe ich gehört: »Wir, bei Bosch,
Ingrid Peters
Foto: Bosch
Sommer haben wir bei Bosch 100 jungen Menschen aus Spanien den
Zugang zu einer Ausbildung angeboten. Erfreulich ist, dass das Interesse
bei Mädchen für die technischen Berufe wächst. Aber in den Elektrotechnikstudiengängen gibt es immer noch zu wenig Frauen.
akzeptieren nicht nur Andersartigkeit, wir streben sie
an.« Was verstehen Sie unter Andersartigkeit?
Peters: Wir haben vor Kurzem im Rahmen unseres Jubiläums 50 Jahre
Standort Reutlingen einen Diversity-Tag veranstaltet. Dort wurde die
Vielfalt der Belegschaft und sein Engagement sichtbar. Wir pflegen zehn
Netzwerke in Reutlingen – darunter »Women @ Bosch«, »50 plus,«
»Papas @ Bosch« und ein Schwulen- und Lesben-Netzwerk. Bei einigen bin ich Schirmherrin. Darüber hinaus nutzen wir das Wissen und
die Erfahrung von über 400 unserer pensionierten Mitarbeiter, in dem
sie uns bei verschiedenen Aufgaben unterstützen. Ich bin begeistert von
der gelebten Vielfalt bei Bosch.
Das Gespräch führte Franz Pfluger
Bosch in Zahlen
Unternehmensbereiche:
Kraftfahrzeugtechnik, Industrietechnik,
Gebrauchsgüter, Energie- und Gebäudetechnik
Mitarbeiter: 281 000
Umsatz: 46,1 Milliarden Euro
360 Tochter- und Regionalgesellschaften
4,5 Milliarden Euro für F + E
7
8
GEA-Wirtschaftsmagazin
»Eine Pizza kann man sich nach
Hause bestellen – nicht
aber Bildung«
Von Franz Pfluger
W
as heißt denn sich bilden? Lernen.
Geistiges Training. Streben. Dass sich
diese Übung nicht auf die Zeit der Schule oder
Universität beschränkt, hat sich herumgesprochen. »Lebenslanges Lernen« ist das
Stichwort dazu. Es gibt viele Gründe, zu lernen, sich zu qualifizieren, zu bilden. Die Gesellschaft mit ihren Unternehmen und Institutionen hält ein Selektionssystem bereit, an
dem der Einzelne sich bewähren muss. Wer
einen bestimmten Beruf ergreifen möchte,
muss Voraussetzungen mitbringen, Bedingungen erfüllen. Status- und Lebenschancen hängen entscheidend von Wissen,
Kompetenz und Bildung ab. Die Gesellschaft hält einen Rahmen für dieses Training parat: öffentliche und private Schulen. Die Schleußen sind Examina,
Promotionen. Die Belohnungen Zertifikate
und Prämien. Bildung braucht Investment.
Das ist beileibe nicht nur Geld. »Zu den Wegekosten zählen auch Leid und Erfahrung«,
sagt der Philosoph Peter Sloterdijk. Nicht
ohne einen Seitenhieb auf die Neuen Medien
loszuwerden: »Mit dem Downloaden geht
man nur den Weg der Entspannung und Verwöhnung. Man kann eine Pizza sich nach
Hause bestellen – nicht aber Bildung.«
Thema Bildung. Die Wirtschaft- und Finanzkrise in Europa hat solche Problemstellung nur noch verdeutlicht. Noch
wird Deutschland, ob seiner Stellung bewundert und beneidet: Wirtschaftswachstum,
Rückgang der Arbeitslosigkeit, Spitzenstellungen in
Auch Nationen
müssen sich anstrengen
Was für Individuen gilt, dieses
Streben nach Zielen und einem
Werden, ist auch für ganze Gesellschaften elementar. Im Ranking der 60
wettbewerbsfähigsten Länder der Welt liegt
Deutschland auf Platz neun – hinter den USA,
der Schweiz, Schweden, Hongkong und Singapur. Grundsätzliche Fragen wie, muss der
Westen auf längere Sicht seine Vorherrschaft
an Asien abgeben, berühren elementar das
Foto: Fotolia
vielen Branchen
auf der Welt. Die asiatischen Staaten haben in
den zurückliegenden Jahrzehnten Europa das
Fürchten gelehrt und beeindrucken immer
wieder mit ihren Ergebnissen. Längst haben
die Tigerstaaten ihre Erfolge nicht nur dem
Fleiß und der
Nachahmung zu
verdanken. Die beeindruckende Zahl der Lizenzen ist ein Ausdruck dafür, dass sie
auch im Schöpferischen auf sehr gutem Wege
sind.
Das deutsche Bildungssystem zeichnet sich
durch eine signifikante Stabilität und Leistungsfähigkeit aus, sagt die OECD. Die Zahl
der Personen, die die Hochschulen mit einem
Abschluss verlassen, hat sich seit 2002 fast verdoppelt. Junge Frauen erwerben häufiger
einen Hochschulabschluss als junge Männer;
unter den 30- bis unter 35-Jährigen sind es 24
GEA-Wirtschaftsmagazin
Prozent der Frauen und 22 Prozent der gleichaltrigen Männer. Der Bachelorabschluss ist inzwischen zum häufigsten Abschluss geworden.
Auch
die Zahl der
Absolventinnen und Absolventen
mit
einem Masterabschluss steigt. Alle
Untersuchungen belegen eindrucksvoll: Die Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, steigen mit zunehmender Ausbildung.
Nordische Länder
sind Vorbild
Das ist kein Grund, nicht mehr zu tun.
Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe der Menschen in Deutschland sind unzureichend erreicht. Die Europäische Union
hat sich das Ziel gesetzt, alle Bevölkerungsgruppen an Bildungsprogrammen zu beteiligen. Die Menschen sollen mindestens über
einen Abschluss des Sekundarbereichs II (Gymnasium, berufsbildende Schule, Abendschule) verfügen. Noch mehr Personen sollen einen Hochschulabschluss erwerben. Die
EU hat in ihrer auf zehn Jahre angelegten
Wachstumsstrategie »Europa 2020 » für den
Bildungsbereich zwei Hauptziele gesetzt: Zum
einen soll die Quote frühzeitiger Schulabgänger auf unter 10 Prozent gesenkt werden. Dieses Ziel hat Deutschland schon erreicht. Das
zweite Ziel, den Anteil der 30 bis unter 35-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung
auf mindestens 40 Prozent zu steigern, ist nicht
erreicht. Hier lag Deutschland mit 32 Prozent
im Jahr 2012 noch deutlich unter dem internationalen Zielwert sowie unter dem EUDurchschnitt (36 Prozent).
Aber - man muss es einräumen: Es gibt Länder mit besserer Performance. Das nordische
Bildungsmodell schneidet im Vergleich mit
dem deutschen seit Jahrzehnten besser ab. In
den Ländern Finnland, Norwegen, Schweden, Island und Dänemark ist Erziehung so
etwas wie ein allgemeines und unentgeltliches Bürgerrecht. Das Schulsystem
steht weitgehend unter der Monopolhoheit des Staates. Gesundheitsfürsorge,
Bildung und Ausbildung und teilweise
auch Tagesbetreuung für Kinder sind Rechte
und Leistungen, für die die Bürger nur wenig
bezahlen müssen. Bei bestimmten Parametern
wie öffentliche Ausgaben für Bildung in Relation zu den öffentlichen Gesamtausgaben
oder öffentlichen Ausgaben für Bildung in
Relation zum Sozialprodukt liegen die nordischen Länder auf Spitzenplätzen und
Deutschland im letzten Drittel von über 30
Staaten.
Der demografische Wandel birgt eine andere Herausforderung: Nach den Bildungsvorausberechnungen der Experten wird sich
die Anzahl der Bildungsteilnehmerinnen und
Teilnehmer insgesamt bis 2025 um 12 Prozent verringern. Von diesem Rückgang ist in
erster Linie der Schulbereich betroffen. Im Bereich der frühkindlichen Bildung und im
Hochschulbereich steigt demgegenüber der
Bedarf in den nächsten Jahren noch an. Folglich steigt die Anzahl der Einrichtungen für
unter 3-Jährige sowie der Hochschulen, während die Anzahl der allgemeinbildenden Schulen deutlich sinkt.
Um den Bildungsstand der Bevölkerung
insgesamt zu verbessern, ist es wichtig, dass
sich alle gesellschaftlichen Gruppen an Ausund Weiterbildung beteiligen und die Bildungsprogramme erfolgreich abschließen. Insbesondere gilt es, geschlechtsspezifische und
soziale Disparitäten zu vermindern. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf junge
Männer und Personen mit Migrationshintergrund gelegt werden. Trotz Verbesserungen
in den letzten Jahren ist der Bildungsstand von
Personen mit Migrationshintergrund noch
deutlich niedriger als derjenigen ohne Migrationshintergrund. Diese Ziele gibt der Bildungsbericht des Ministeriums für Bildung
vor.
Die andere Seite:
Identitätsstiftung
Bildung als Instrument für Job, Geld und sozialen Status ist eine Selbstverständlichkeit.
Doch nicht alles kann im unmittelbaren
Dienst der Karriere stehen. Ein gut ausgebildeter Mensch ist das eine, ein gut Gebildeter
das andere. Technik im Kindergarten, Wirtschaft in der Schule und dergleichen Aktionen
können aber nicht darüber hinwegtäuschen,
dass es noch eine zweite Seite der Bildung gibt:
Bildung als Identitätsstiftung und Persönlichkeitsentwicklung. Die zu vernachlässigen wäre
töricht. Kulturelle Bildung sollte eine große
Rolle in der Entwicklung von jungen Menschen spielen. Sie sitzt zu viel auf der Ersatzbank, ist viel zu oft Feigenblatt, meint beispielsweise der Rat für Kulturelle Bildung.
Doch auch das, was sich nicht unmittelbar
rechnet, muss eine Chance haben. Musizieren, Theaterspielen, Malen, alles was mit Kreativität zu tun hat, sind mehr als nur die Hobbys
von Kindern bürgerlichen Schichten.
Zur Bildung gehören auch soziale Kompetenz. Die Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen, eine
Distanz zur eigenen Kultur herzustellen,
Selbstreflexion und die Fähigkeit, Neues aufzunehmen – all das gehört zur Bildung. Es fällt
auf – Personalchefs in den Unternehmen
wünschen sich häufiger Mitarbeiter, die hinterfragen und auch widersprechen. Einspruch,
Widerspruch ist ausdrücklich erwünscht. Offenbar sind bei der Karriereplanung viele zu
brav geworden.
Wissen, Kompetenz und Bildung sind ausgezeichnete Waffen im Kampf gegen Unterdrückung in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Sie können Menschen davor bewahren, Opfer zu werden. Die Freiheit im Denken, eine moralische Sensibilität, die Fähigkeit
zur Abgrenzung und die Unbestechlichkeit im
Charakter können Resultate von Bildung sein.
Wem es bei dieser Bildungsdividende immer
noch an Motivation fehlt, dem sagt Peter Sloterdijk: »Bildung ist die Vorfreude auf sich
selbst.«
9
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GEA-Wirtschaftsmagazin
»Junge Menschen für
unser Unternehmen
begeistern«
Der Automobilzulieferer Elring Klinger
hat einen hohen Bindungsgrad der Auszubildenden und daher gegenwärtig kein
Facharbeiterproblem, sagt Vorstandsvorsitzender Stefan Wolf.
Von Andreas Fink
F
acharbeitermangel? »Wir haben kein
Problem«, sagt Dr. Stefan Wolf, »genauer: wir haben im Moment noch keines.«
Der Vorstandsvorsitzende der Elring Klinger
AG erklärt: »Das liegt daran, dass wir einen
hohen Bindungsgrad unserer Auszubildenden
haben.« Starker Bindungsgrad bedeutet, dass
so gut wie alle bei dem 1879 gegründeten Unternehmen bleiben, wenn sie ihre Ausbildung
abgeschlossen haben. In Zahlen: Pro Jahr fangen deutschlandweit ungefähr 50 Azubis und
Dr. Stefan Wolf
DHBW-Studenten an, knapp 30 davon am
Standort Dettingen/Erms. In drei Jahren
kommen so mehr als 150 gut ausgebildete Berufseinsteiger zusammen – junge Menschen,
die »nahezu zu hundert Prozent bei uns bleiben«, wie Wolf stolz sagt. »Das schaffen wir,
weil wir sie für Elring Klinger begeistern – für
unsere Unternehmenskultur und weil wir
ihnen nachher eine gute Perspektive bieten«.
Die viel beschworene
Unternehmenskultur
beschreibt Wolf so:
»Wir sind nach wie
vor sehr bodenständig,
wir sind sehr klar strukturiert, wir geben unseren Mitarbeitern einen
hohen Grad an Eigenständigkeit und Verantwortung
und wir treffen sehr schnelle Entscheidungen.« Als Beispiel nennt Wolf den
Einstieg in die Fertigung von Getriebesteuerplatten: »Wir hatten das nie vor«, sagt der 53Jährige, »dann kam der Leiter des Geschäftsbereichs Spezialdichtungen zu mir und sagte,
ich habe ein interessantes Geschäftsfeld identifiziert. Wir haben uns innerhalb einer Stunde
entschieden einiges zu investieren, um die ersten Produkte zu entwickeln.« Heute werden
allein im Werk in Runkel (Hessen) acht Millionen Getriebesteuerplatten hergestellt.
»Viele Unternehmen werden umso schwerfälliger, je größer sie werden«, weiß Wolf, »bei
uns ist das anders.«
»Ich sehe es derzeit als eine meiner Hauptaufgaben im Vorstand an, diese Strukturen
aufrechtzuerhalten«, so Wolf, »das ist nicht
nur eine Basis für die Mitarbeiterbindung, sondern auch für unseren wirtschaftlichen Erfolg
und für unsere Ziele.« Die sind hoch: »Für
das Jahr 2020 streben wir einen Umsatz von
zwei Milliarden Euro an«, sagt Wolf. 2005, als
er in den Vorstand kam, waren es
475 Millionen Euro, derzeit liegt Elring Klinger bei knapp 1,2 Milliarden Euro.
Sonderzahlungen sind am
Ergebnis orientiert
Die Mitarbeiter erhalten eine jährliche Beteiligung als Sonderzahlung, die sich am Ergebnis orientiert. Mit dem Betriebsrat hat der
Vorstandsvorsitzende vereinbart, dass sie in
dem Maß gehoben oder gesenkt wird, wie das
mit der Dividende passiert. »Die Aktionäre
setzen ihr Geld ein, die Mitarbeiter ihr Humankapital«, sagt Wolf, »also müssen sich
beide gleich entwickeln.« Elring Klinger: eine
börsennotierte AG, die mitbestimmungspflichtig ist – selten genug. Das Verhältnis zum
Betriebsrat beschreibt der Vorstandsvorsitzende als »offen, klar und transparent – auch
wenn wir nicht immer einer Meinung sind,
aber das liegt in der Natur der Sache«. Den
11
GEA-Wirtschaftsmagazin
Betriebsräten attestiert Wolf ein »stark unternehmensbezogenes Denken – sie wissen,
wenn's dem Unternehmen gut geht, geht’s
ihnen auch gut«. In einer Betriebsvereinbarung ist eine Beschäftigungssicherung für alle
Stammbeschäftigten (90 Prozent der Mitarbeiter) festgeschrieben, wenn die Pläne zur Rationalisierung und Produktionssteigerung eingehalten werden.
Klassische Unternehmens-Tugenden sind
eine Sache, Dr. Stefan Wolf
zingen versorgt). Bei Wettkämpfen oder anderen Sportereignissen in der Umgebung fallen immer wieder Athleten diverser Betriebssport-Gruppen von Elring Klinger auf.
Wolf würde einem Teil seiner Mitarbeiter
gern noch mehr Flexibilität anbieten, betont
er. »Ich habe Mitarbeiter, die würden gerne
erst gegen Mittag anfangen und dafür bis um
22 Uhr arbeiten«, sagt der 53-Jährige. Geht
theoretisch, praktisch wird dies aber nicht umgesetzt, denn: »Wenn so jemand über 18 Uhr
hinaus arbeitet, müssen ihm gemäß Tarifvertrag von Arbeitsbeginn
linger Stadtbussen. Hierbei setzt das Unternehmen auf »echte« Mitarbeiter. Insgesamt
16 Kollegen aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen werden für die Kampagne
eingesetzt. Sie präsentiert die ElringKlingerGruppe im Kampf um die besten Kandidaten
als modernen und zukunftsorientierten Technologie-Konzern. »Auch wenn wir aktuell
noch keine Probleme bei den Facharbeitern
haben: Wir suchen laufend, wir müssen permanent suchen.« Nicht aus Mangel, sondern
aus Weitsicht, wie Wolf betont. »Im Jahr 2000
hatten wir 2 500 Mitarbeiter, momentan arbeiten circa 7 000 Menschen für Elring Klinger, 2020 werden es nochmals deutlich mehr
sein. Die suchen wir jetzt schon.«
Elring Klinger AG
Umsatz:
1,175 Milliarden Euro
Produkte:
Zylinderkopfdichtungen, Spezialdichtungen, Abschirmtechnik, Kunststoffgehäusemodule, Komponenten für E-Mobility
Vorsitzender:
Dr. Stefan Wolf
Mehrheitsaktionär:
Familie Lechler
Die Kochwerk Catering GmbH kümmert sich um das leibliche Wohl der Mitarbeiter
Fotos: Elring Klinger
betont, dass
die »weichen Faktoren« nicht
minder wichtig sind – mehr noch: immer
wichtiger werden. »Für junge Mitarbeiter ist
nicht nur das Geld entscheidend, sie schauen
auch, ob die Rahmenbedingungen stimmen.«
Der CEO nennt als Beispiel 10 Betreuungsplätze, die Elring Klinger in der Dettinger Kindertagesstätte zur Verfügung stehen. »Wenn
es das Aufgabengebiet zulässt, bieten wir auch
das Arbeiten aus dem Home-Office an, um
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Zu den weichen Faktoren zählt
Wolf auch das vor einigen Jahren eingeführte
betriebliche Gesundheitsmanagement. Ein bis
zwei Mal in der Woche kommt ein externer
Betriebsarzt, das Unternehmen bietet Fitnesskurse mit Schwerpunkt Herz-Kreislauf
und Bewegungsapparat an. Im vergangenen
Jahr ging die firmeninterne Kampagne »gesund & fit« an den Start, die das Wohlbefinden der Mitarbeiter in den Vordergrund stellt.
Das Ganze läuft in Zusammenarbeit mit der
neu gegründeten Kochwerk Catering GmbH
(die Tochtergesellschaft steht für die neue
Küche, die nicht nur das Betriebsrestaurant,
sondern mittlerweile auch das Regierungspräsidium in Tübingen und Lechler in Met-
ab die Nachtzuschläge bezahlt
werden, die eigentlich erst ab 19 Uhr fällig
wären«, so Wolf. »Da sind wir in den Tarifverträgen in zu engen, starren Regelungen
drin.« Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall kritisiert die Gegenseite: »In diesem Punkt sperrt sich der Sozialpartner IG Metall total, obwohl ihr Klientel
eigentlich andere Bedürfnisse hat.«
Unübersehbar die Recruiting-Kampagne
von Elring Klinger, beispielsweise auf Reut-
Mitarbeiter:
7 000, davon 1 500 am Standort
Dettingen/Erms, 42 Standorte weltweit
12
GEA-Wirtschaftsmagazin
Beachtliche Bildungsprämien
Dabei zeigt sich ganz klar: Bildung ist viel
wert. So verdient ein Beschäftigter mit Berufsausbildung im Verlauf des ganzen
Erwerbslebens rund 243 000 Euro mehr als
jemand ohne Berufsausbildung und ohne
len, dass die Über-50-Jährigen der Jahre 2008
bis 2010 zu einer anderen Zeit ins Erwerbsleben eintraten als später geborene Personen.
Damit könnten die Älteren möglicherweise
ein insgesamt nach unten verschobenes Profil der Jahresentgelte aufweisen.
Unterschiedliche
Zuwächse
ohne Berufsausbildung
1083000 Euro
Berufsausbildung
1 325 000 Euro
Die durchschnittlichen Einstiegsentgelte
von Abiturienten, Fachhochschul- und Hochschulabsolventen liegen relativ nahe an dem
Betrag, den Personen ohne Abitur
im gleichen Alter verdienen. Bis
etwa zum 40. Lebensjahr sind jeDurchschnittliche
doch
die Steigerungsraten in den
Lebensverdienste
durchschnittlichen Jahresentgelten
nach höchstem
für besser gebildete Personen deutBildungsabschluss
lich höher als für Beschäftigte mit
in Euro
niedrigerer formaler Bildung. Dies
ist insbesondere für Individuen mit
Fachhochschulabschluss und in
noch stärkerem Maße für solche
mit Hochschulabschluss der Fall.
Das hat zur Folge, dass Hochschulabsolventen im Alter von 40
Jahren durchschnittlich fast das
2,7-Fache dessen erzielen, was Personen ohne Berufsausbildung und
ohne Abitur verdienen. Im weiteren Erwerbsverlauf schließt sich
dann die Schere zwischen den Bildungsgruppen wieder etwas. Akademiker verdienen aber auch in
der zweiten Hälfte des Erwerbslebens im Durchschnitt deutlich
Hochschulabsolventen 2 320 000 Euro.
mehr als Nicht-Akademiker.
Zu Beginn des Erwerbslebens sind die JahWenn man etwa die Personen ohne Beresentgelte relativ niedrig. Bis zum vierten Lerufsausbildung und Abitur mit denjenigenmit
bensjahrzehnt steigen sie dann für alle Bileiner Ausbildung aber ebenfalls ohne Abitur
dungsgruppen stark an. Je nach Gruppe wird
vergleicht, ergeben sich für das 30. Lebensjahr
der Anstieg der Entgelte ungefähr ab dieser
jeweils kumulierte durchschnittliche JahresPhase des Erwerbsverlaufs zusehends kleiner,
entgelte von 179 000 beziehungsweise
kommt zum Erliegen oder kehrt sich sogar
231 000 Euro. Für das 40. Lebensjahr steigen
um. Der Rückgang der Jahresentgelte ab dem
die kumulierten Lebensentgelte auf durch50. Lebensjahr könnte einerseits tatsächlich
schnittlich 404 000 Euro beziehungsweise.
darauf beruhen, dass die Entgelt-Wachs512000 Euro und für das 50. Lebensjahr auf
tumsraten über den Erwerbsverlauf hinweg
661 000 Euro beziehungsweise 827 000 Euro.
abnehmen und sogar negativ werden können.
Zuletzt, im 65. Lebensjahr liegen die Werte bei
Andererseits könnte aber auch eine Rolle spie1083 000 Euro bzw. 1325 000 Euro.
Abitur
1561000 Euro
Hochschulabschluss
2320000 Euro
Vergleich über
Berufsphase
Abitur. Diese sogenannte Bildungsprämie beträgt für ein Abitur als höchsten Abschluss
478 000 Euro, für ein Fachhochschulstudium
920 000 Euro und für ein Hochschulstudium
1 237 000 Euro, jeweils gegenüber Personen
ohne Berufsausbildung.
Personen ohne Berufsausbildung verdienten über ihre gesamte Erwerbskarriere hinweg
im Durchschnitt etwa 1 083 000 Euro brutto,
solche mit Berufsausbildung aber ohne
Abitur 1325 000 Euro und Abiturienten
1561 000 Euro. Das durchschnittliche Lebensentgelt von Fachhochschulabsolventen
beträgt circa 2 002 000 Euro und das von
Fachhochschulabschluss
2002 000 Euro
G
eld ist bestimmt nicht alles – schon gar
nicht, wenn über das Thema Bildung
geredet wird. Aber – dass sich Anstrengung
lohnt, darf schon erwähnt werden. Mühe hat
ihren Lohn. Beispielsweise zeigen Berechnungen des Instituts für Angewandte Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, dass Hochschulabsolventen durchschnittlich bis zum
2,7-Fachen dessen verdienen, was Personen
ohne beruflichen Abschluss erhalten. Na bitte!
Aber auch eine Berufsausbildung ist ihr Geld
wert. Über das ganze Erwerbsleben hinweg addieren sich die Bildungsprämien zu beachtlichen Summen – für alle Berufsabschlüsse, für
Männer wie Frauen. Allerdings unterscheiden sich die Bildungsprämien zwischen den betrachteten
Gruppen durchaus erheblich.
»Sicherer Job, guter Verdienst,
viele individuelle Entwicklungsmöglichkeiten« – mit diesen
Schlagworten wirbt die Website
»Berufliche Bildung – Praktisch
unschlagbar« der Bundesministerien für Bildung und Forschung
sowie Wirtschaft und Technologie bei den Jugendlichen für die
Vorteile des Dualen Ausbildungssystems. Doch lassen sich diese
Vorteile auch belegen? Achim
Schmillen und Heiko Stüber untersuchten das, indem sie im Zeitraum 2008 bis einschließlich 2010
die durchschnittlichen Brutto-Lebensentgelte von fünf Personengruppen miteinander vergleichen:
Personen ohne Berufsausbildung
und ohne Abitur,Personen mit Berufsausbildung und ohne Abitur, Abiturienten
mit oder ohne Berufsausbildung, Fachhochschulabsolventen und Hochschulabsolventen.
John F. Kennedy
14
GEA-Wirtschaftsmagazin
Manz – immer eine Idee voraus!
Gruppenleiter Martin
Maurer, Prozessentwickler
Thomas Betzitza und Ralf
Schallenberg, der jüngst
seine Ausbildung abgeschlossen hat, im Gespräch
mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin
Von Jasmin Siebert
I
Ralf Schallenberg
Martin Maurer
Thomas Betzitza
Mit ihrer umfassenden technologischen Expertise ist die Manz
AG ein wichtiger Innovationstreiber für den Durchbruch von
Schlüsseltechnologien unserer Zeit wie nachhaltige Energieerzeugung, globale Kommunikationsbedürfnisse und E-Mobilität.
Foto: Trinkhaus
n der Kreativenbranche normal, für einen
Hightech-Maschinenbauer doch eher ungewöhnlich: Seit Juli 2013 heißt es Vertrauensarbeitszeit statt Stempeln in der Firmenzentrale der Manz AG in Reutlingen. Nach
einem Jahr Probezeit wurden die Stechuhren
nun endgültig abgeschafft. »Vertrauen ist ein
Wesensbestandteil unserer Kultur«, sagt Axel
Bartmann, Sprecher des seit 2006 börsennotierten Unternehmens, das in diesem Jahr wieder den Sprung in den TecDAX (Index der
30 größten börsennotierten Technologieunternehmen) geschafft hat.
Als Anbieter integrierter Produktionslinien
vereint der Maschinen- und Anlagenbauer
Kompetenz in sechs Technologiefeldern: Automation, Laserprozesse, Vakuumbeschichtung, Siebdrucken, Messtechnik und nasschemische Prozesse. Mit der Strategie, die
Technologien in drei verschiedenen Geschäftsbereichen, nämlich Lithium-Ionen Batterien, Fotovoltaik und Display, einzusetzen
und weiterzuentwicklen, fährt das Unternehmen auf Erfolgskurs. Über 40 offene Stellen
sind auf der Unternehmenshomepage ausgeschrieben. Gesucht werden Fach- und Führungskräfte, zum Beispiel Naturwissenschaftler, Konstrukteure und Softwareentwickler.
»Fehlendes hoch qualifiziertes Personal ist
eindeutig ein wachstumshemmender Faktor«, so Bartmann. Dabei biete Manz tolle
Jobs auf allen Ebenen.
Als Martin Maurer im Jahr 2001 nach Abschluss der Technikerschule bei der Manz AG
als Konstrukteur anfing, hatte er gerade ein-
GEA-Wirtschaftsmagazin
mal 70 Kollegen. Heute sind es 400 in Reutlingen und annähernd 2 000 weltweit. Die
stete Weiterentwicklung des Unternehmens
bietet auch den Mitarbeitern Aufstiegschancen. Unterstützt werden sie dabei durch Weiterbildungen, die die Manz Academy firmenintern und extern anbietet. Darunter sind Projekleiterkurse, Software-Schulungen, Englischkurse oder Seminare mit Titeln wie »Vertragsrecht für Führungskräfte«.
Maurer hat sich hochgearbeitet und ist seit
zwei Jahren als Gruppenleiter für ein Team
von acht Konstrukteuren verantwortlich. In
Spitzenzeiten kommen externe Konstrukteure
hinzu. »Es gibt viele Möglichkeiten, wenn
man entsprechende Leistung bringt«, sagt der
40-Jährige und ergänzt: »Ich habe ja »nur«
den Technikertitel im Maschinenbau, führe
aber in meinem Team auch studierte Ingenieure.«
Auch nach 13 Jahren ist Maurer seine Arbeit noch nie langweilig geworden, da er
immer wieder mit neuen Technologien in
Kontakt kommt und eigenständig Entscheidungen treffen kann. Ihm gefällt es, in verschiedene Projekte von deren Start bis zu
deren Abschluss involviert zu sein. Momentan tüftelt er mit seinem Team für einen Kunden in Asien an einer Anlage, mit der Bauteile
von Notebooks automatisiert zusammengebaut werden können. Ein- bis zweimal im Jahr
ist Maurer auf Auslandseinsatz; immer dann –
wenn ganz neue Anlagen in Betrieb genommen werden.
Kreativität ausleben in
der Hightech-Schmiede
»Wow, da geht was!«, dachte Thomas Betzitza, als er nach seinem Bewerbungsgespräch
über das weite Firmengelände der Manz AG
geführt wurde. In den Werkshallen standen
nicht nur modernste Prozessanlagen, sondern
auch Handlingssysteme und Roboter. 2009
begann der heute 24-Jährige sein Mechatronik-Studium und verbrachte in den folgenden
drei Jahren im Wechsel je drei Monate an der
Dualen Hochschule in Horb und im Betrieb.
Für seine Bachelorarbeit besuchte er zwei Wochen lang die damalige Manz-Tochter in Israel. Seinen Master absolvierte Betzitza anschließend an der FH in Reutlingen und arbeitete daneben als Werkstudent in der Entwicklung von Basistechnologien. Der Roboter zur Handhabung von Solarzellen, mit des-
sen Weiterentwicklung er sich im Rahmen
seiner Masterarbeit im Bereich Kinematik beschäftigte, ist heute bei Manz im Einsatz.
Nach Abschluss seines Masters stieg Betzitza als Prozessentwickler im Bereich
New Business bei der Manz AG ein. New
Business beschäftigt sich mit Erschließung
neuer Märkte und Technologien. Leitend sind
dabei die Fragen: »Welche Märkte und Technologien rechnen sich für uns? Bei welchem
Arbeitsschritt, der bisher noch manuell gemacht wurde, können wir ansetzen?« Momentan tüfteln Betzitza und seine Kollegen an
Klebeprozessen von Materialien, die für Manz
eher ungewöhnlich sind: Textilien. Doch auch
bei der Herstellung im Bereich der Textilien
kommen die Kernkompetenzen von Manz
wie Laserprozesstechnik und Handling, zum
Einsatz. »In unserer Hightech-Schmiede können die Mitarbeiter ihre Kreativität ausleben«,
betont Bartmann.
Betzitza genießt, dass trotz der Freiheiten,
die er beim Arbeiten hat, immer ein Betreuer
hinter ihm steht. Er entwickelt nicht nur neue
Prozesse, sondern hat auch Kundenkontakt,
was er sehr spannend findet. »Es ist ein tolles
Arbeitsklima hier«, schwärmt er. Großraumbüros gibt es bei Manz nicht. Stattdessen steingetäfelte Wände und Ausblick auf die Alb.
China, Taiwan, Italien, Ungarn und der Slowakei hat sowie Service-Niederlassungen in
Südkorea, Indien und USA, stehen Auslandseinsätze auf der Tagesordnung. Einige Mitarbeiter wechseln auch für einen längeren Zeitraum zu einem anderen Manz-Standort.
Seit 2005 bildet die Manz AG mit dem Ziel
der Übernahme von allen Azubis selbst aus.
Etwa zehn neue Auszubildende starten jedes
Jahr im September mit einer Einführungswoche in ihre Ausbildung. Neben dem Mechatroniker gibt es drei weitere technische Ausbildungsberufe: Elektroniker/in für Betriebstechnik, Industriemechaniker/in und Fachinformatiker/in für Systemintegration. Außerdem werden jedes Jahr Industriekaufleute ausgebildet. Dazu kommen sechs Studenten, je
zwei in Mechatronik und (Wirtschafts-)Informatik, die an der Dualen Hochschule
Baden-Württemberg (DHBW) in Horb studieren und zwei Studenten, die nach dem
»Reutlinger Modell« in fünf Jahren zwei Abschlüsse erwerben, den Facharbeiterbrief Industriemechaniker sowie einen Bachelor of
Engineering.
»Wir sind
laufend unterwegs«
Die Einführungswoche mit einer Rallye, die
die Lehrlinge aus dem zweiten Lehrjahr für die
Neuen organisieren, soll den neuen Lehrlingen helfen, sich untereinander und den Betrieb
kennen zu lernen. Dabei werden sie spielerisch
mit ihren Rechten und Pflichten im Unternehmen vertraut gemacht und lernen auch
praktische Dinge wie Krawattenbinden. Ein
Tag steht im Zeichen der Gesundheit, an
einem anderen wird gemeinsam Sport gemacht, zum Beispiel im Klettergarten. Auch
ein Fahrsicherheitstraining wird angeboten.
Bemerkenswert sind die Elternabende, bei
denen interessierte Schüler sich mit ihren Eltern über die Karrieremöglichkeiten bei Manz
informieren. Der Firmengründer Dieter Manz
legt Wert darauf, dass die Eltern die meist minderjährigen Lehrlinge in guten Händen wissen. Einmal im Jahr lädt er zu »Dieter Manz
meets Azubis« ein. Bei der Veranstaltung können Lehrlinge mit dem Firmengründer über
die Leitlinien des Unternehmens sprechen.
»Bei uns wissen die Mitarbeiter wohin die
Reise geht. Darin unterscheiden wir uns als inhabergeführtes Unternehmen deutlich von
anderen«, sagt Bartmann.
Auch Ralf Schallenberg beeindruckte die
Führung durch die Firma. Jüngst hat er seine
Mechatroniker-Ausbildung abgeschlossen, die
er wegen guter Leistungen um ein halbes Jahr
verkürzen konnte. Er wird in der Abteilung Inbetriebnahme übernommen. Dort wird er
unter anderem Software auf die Computer
spielen, ohne die die Anlagen nur »leere Hüllen« wären. Eventuell will Schallenberg nach
zwei Jahren noch den Techniker machen.
Doch zunächst freut er sich auf seinen ersten
Auslandseinsatz. Dass junge Mitarbeiter schon
im ersten Jahr nach abgeschlossener Lehre ins
Ausland geschickt werden, ist bei Manz nicht
ungewöhnlich. Auch während der Ausbildung
gibt es bereits die Möglichkeit, zwei Wochen
im Ausland zu verbringen. Schallenberg war
im Manz-Werk in der Slowakei.
»Wir sind laufend unterwegs«, sagt Pressesprecher Bartmann. In einem weltweit tätigen Unternehmen, dass die Wachstumsmärkte in Fernost bedient, Dependancen in
Auch Krawattenbinden
will gelernt sein
15
16
GEA-Wirtschaftsmagazin
HUGO BOSS: »Young Talents« sind
der Erfolg von morgen
Hugo Boss steht für Mode. Für den Erfolg
sind jedoch nicht nur jene Mitarbeiter, die
unmittelbar mit Textilien zu tun haben,
verantwortlich. Kreative Köpfe werden auch
in den IT-Abteilungen, im Einzelhandel, in
der Logistik gebraucht. Auch gute Betriebswirte, Juristen und Architekten haben
Chancen.
Von Xaver Baumann
H
ugo Boss kleidet
nicht nur, Hugo
Boss zieht auch an: Weltweit beschäftigt das international erfolgreiche Unternehmen 12 500 Mitarbeiter. Allein am Hauptsitz
in Metzingen arbeiten
dabei rund 2 500 Beschäftigte aus circa 55 Nationen
am Erfolg des Modekonzerns. Mit vielen Weiterbildungsmöglichkeiten und
einer großen Spanne an unterschiedlichen Benefits bietet
die Hugo Boss AG ein modernes und zukunftsorientiertes
Arbeitsumfeld mit schwäbischen Wurzeln.
Dabei ist es wenig verwunderlich, dass an
diesem Erfolg nicht nur »kreative Köpfe« und
Modedesigner mitwirken. Denn neben den
Mitarbeitern im kreativen Bereich, bedarf es
vieler Abteilungen und Spezialisten, die mit
ihrem Fachwissen den Fashion-Betrieb täglich in Gang halten. So arbeiten bei Hugo Boss
beispielsweise über 200 Mitarbeiter im Bereich »Global IT«. Daneben sind Architekten, Einzelhandelsexperten, Logistikspezialisten, Juristen, Betriebswirte und viele weitere
Berufsgruppen für das Unternehmen im Ein-
SS
Der HUGO BO
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GEA-Wirtschaftsmagazin
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Young Talent
GO BOSS
satz. Sie alle finden ein attraktives Arbeitsumfeld vor, das viel Raum für Gestaltung und Verantwortungsübernahme bietet.
Erfahrung
im Ausland
Auch bildet Hugo Boss schon seit Langem
selbst aus. Mittlerweile sind es14 verschiedene
Ausbildungsberufe und duale Studiengänge,
die über 100 sogenannte »Young Talents«
beschäftigen und eine wichtige Säule zur Sicherung eines qualifizierten Mitarbeiternachwuchses darstellen. Neben der klassischen
ifft
Kaffeebars tr
zahlreichen
Kollegen
it
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Auch an den
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man sich zu
Hugo Boss AG (2013)
Umsatz:
2,43 Milliarden Euro
Mitarbeiter:
12 500, davon 2 500 in Metzingen
Fotos: Boss
Konzerneigene BOSS Stores:
1 010
FußballAlljährliches
UGO BOSS
H
turnier bei
Marken:
Boss, Boss Green, Boss Orange,
Hugo
Vorstandsvorsitzender:
Claus-Dietrich Lahrs
Ausbildung zum Einzelhandels- oder Industriekaufmann/frau bietet das zweigeteilte
Duale Hochschulstudium fundierte Einblicke
in die Bereiche Wirtschaftsinformatik oder in
das Handel- und Textilmanagement des Konzerns. Bereits während der Ausbildung oder
während des Studiums bieten sich Möglichkeiten erste Praxiserfahrungen im Ausland zu
sammeln. Die »Young Talents« können an
Unternehmensstandorten wie New York,
Hongkong oder Melbourne früh ihre interkulturelle Kompetenzen aufbauen und schärfen.
Personal Trainer
zur Stelle
Der Einstieg bei Hugo Boss ist auch über
ein internationales Traineeprogramm möglich. In diesem Nachwuchskräfteprogramm
durchläuft ein Trainee in einem Zeitraum von
18 Monaten diverse Abteilungen und unterstützt Projekte im In- und Ausland. Zusätzlich
begleiten Seminare den Trainee auf seinem
Weg, um nach Abschluss des Programms in
seiner Zielfunktion im Unternehmen durchstarten zu können.
Generell wird bei Hugo Boss auf die kontinuierliche Personalentwicklung jedes Mitarbeiters großen Wert gelegt, wobei durch die
Internationalität des Konzerns interessante
Perspektiven im Ausland entstehen. Zusätzlich bietet die sogenannte »Fachkarriere«,
neben der klassischen Karriere als Führungskraft, vielen Spezialisten die Möglichkeit der
persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung.
Um nach dem Feierabend oder auch über
den Mittag einen guten Ausgleich zu den anspruchsvollen beruflichen Tätigkeiten zu erhalten, gibt es ein firmeneigenes Fitnessstudio
auf dem Campus. Dort reicht das Kursangebot von Zumba über Tiefenentspannung bis
hin zur Verfügbarkeit von Personal Trainern,
die den Mitarbeitern kostenfrei zur Verfügung
stehen. Für die Ballsportler gibt es einen Fußballplatz, ein Beachvolleyballfeld und vergünstige Mitgliedsbeiträge in diversen Tennis- und Golfclubs. Besonders bei dem jährlichen Hugo Boss Run, einem Halbmarathon
für Mitarbeiter und Gäste sowie auf internen
Fußballturnieren kommt dabei der Spaß, das
Engagement und der Teamgeist der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Ausdruck.
17
18
GEA-Wirtschaftsmagazin
Reutlinger
Modell als
perfekte
Lösung
Nicole Boley und Tobias
Single erzählen über
ihre Ausbildung bei der
WAFIOS AG.
Von Jasmin Siebert
W
enn Nicole Boley von ihrem Werdegang erzählt, strahlen ihre blauen
Augen. Seit Februar 2014 arbeitet die 25-jährige Maschinenbauerin im Patentwesen der
Maschinenfabrik WAFIOS in Reutlingen.
Nach dem Abitur wollte Nicole Boley nicht
gleich studieren. Eine reguläre Ausbildung
wäre die Alternative gewesen. Aber eine normale Ausbildung, fürchtete sie, hätte sie schnell
langweilig gefunden. Das sogenannte Reutlinger Modell, das eine verkürzte Ausbildung
zur Industriemechanikerin mit einem Bachelor in Maschinenbau verbindet, war die perfekte Lösung für sie.
Drehen, fräsen, bohren, schrauben und
montieren – all diese Tätigkeiten lernte sie in
ihrer Ausbildung, ehe sie nach zwei Jahren mit
dem Gesellenbrief in der Tasche ihr Studium
Fotos: Pacher
Nicole Boley und Tobias Single an ihrem Arbeitsplatz
begann. »Viele Fächer fielen mir leicht, weil
ich den direkten Bezug sehen konnte und
nicht in der Theorie gefangen war«, erinnert
sie sich.
Ein Studiensemester verbrachte Nicole
Boley in Branford an der amerikanischen Ostküste. Während ihre Kommilitonen nach drei
Monaten an der Uni heimflogen, durfte sie ein
dreimonatiges Praktikum bei einer Partnerfirma von WAFIOS dranhängen. Dort lernte
sie die englischen Bezeichnungen für Maschinenteile. Das hilft ihr sehr, wenn sie jetzt
zum Beispiel Patente auf Englisch lesen muss.
Tobias Single, der gerade seine Bachelor-
arbeit schreibt und anschließend auch direkt
bei WAFIOS einsteigen wird, nennt weitere
Pluspunkte des Reutlinger Modells. Viermal
im Jahr tauschen sich Studenten und Ehemalige bei einem Stammtisch aus. »Man lernt
sich untereinander besser kennen und auch
die Vorgesetzten«, erzählt Single, der so auch
an das Thema seiner Abschlussarbeit kam.
Gut findet er auch, dass er mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ins Studium
starten und in den Semesterferien Geld verdienen konnte. »Man steht nicht am Band,
sondern bekommt eine verantwortungsvolle
Aufgabe und wird nach Tarif bezahlt.«
GEA-Wirtschaftsmagazin
Wer die Werkhallen von WAFIOS betritt,
wähnt sich nicht in einer Maschinenfabrik. Es
ist nicht sonderlich laut, der helle Boden ist
sauber und die Wände frisch gestrichen. Erst
Anfang des Jahres wurde die Renovierung abgeschlossenen. Seitdem ist es in den Produktionshallen und Büros viel heller als zuvor.
Mitten in der
Transformation
Der Wandel, der bei WAFIOS vor sich
geht, ist nicht nur ein äußerer. Auch die Unternehmensstruktur verändert sich. »WAFIOS befindet sich in der Transformation
vom Maschinenbauer zum Lösungsanbieter«, sagt Uwe-Peter Weigmann, der Vorstandssprecher. Während der Kunde früher
nur eine Maschine bestellte, kaufe er nun ein
Komplettpaket, das heißt, eine fertige Anlage,
die seinen speziellen Anforderungen entspricht und dazu ein Software-Paket zur Wartung. Früher brauchte WAFIOS gute Konstrukteure und Maschinenbauer. »Heute
brauchen wir Experten für die fertigen Anlagen«, sagt Weigmann.
Damit verändern sich auch die Anforderungen in der Ausbildung. WAFIOS ist einer
der größten Ausbilder in der Region. Ein
Zehntel der Belegschaft sind Azubis. Neben
dem Reutlinger Modell gibt es bei WAFIOS
sechs gewerbliche Ausbildungen: Industriemechaniker/in, Elektroniker/in für Betriebstechnik, Mechatroniker/in, Technische/r
Produktdesigner/in und Industriekauffrau/
-mann. Daneben bietet WAFIOS Themen für
Bachelor- und Masterarbeiten in Maschinenbau, Elektrotechnik und Industriemanagement an.
Auf die 81 Ausbildungsplätze bewarben
sich in diesem Jahr rund 300 junge Menschen.
»Es gab Zeiten, in denen waren es 900«, sagt
WAFIOS-Vorstand Martin Holder. Obwohl
die Anforderungen in den gewerblichen Ausbildungen steigen, wollen immer mehr Schulabgänger studieren. Dazu kommt der demografische Wandel. Holder betont: »Es fangen
nicht nur 1,0er-Leute bei uns an. Wir brauchen verlässliche Mitarbeiter, nicht nur Wissenschaftler.«
Azubis werden frühzeitig in Arbeitsprozesse
eingebunden. Sie bauen zum Beispiel eigenständig die Haspeln. Haspel sind Spulen, die
den Draht abwickeln und als eigene, kleine
Maschinen auf der Hauptmaschine aufsitzen.
Foto: Meyer
Der Vorstand der WAFIOS AG (von links): Martin Holder, Dr. Uwe-Peter Weigmann (Vorsitz) und
Dr. Christoph Müller-Mederer posieren vor einer Federenden-Schleifmaschine.
Der Name der Azubis steht auf einer Plakette
und sie sind für das Funktionieren verantwortlich.
Die WAFIOS-Chefs legen nicht nur auf die
fachlichen, sondern auch auf die sozialen
Kompetenzen ihrer Mitarbeiter Wert. Seit vier
Jahren beteiligen sich die Azubis an sozialen
Projekten der Bruderhaus-Diakonie. Bemerkenswert ist auch das Formula-StudentProjekt in Kooperation mit der Uni Stuttgart.
Hier tüfteln gewerbliche Azubis gemeinsam
mit Studenten überaus erfolgreich an Rennautos mit Elektromotor.
Nach der Ausbildung hört das Lernen bei
WAFIOS nicht auf. Für die Weiterbildung
von Mitarbeitern steht ein jährliches Budget
von 350 000 Euro zur Verfügung. Pro Mitarbeiter sind das theoretisch 400 Euro im Jahr.
Damit sich die Mitarbeiter besser mit den ausländischen Geschäftspartnern verständigen
können, werden Sprachkurse angeboten.
Auch um die Zeichnungen, die seit 2013 ausschließlich auf Englisch beschriftet werden,
besser zu verstehen. Daneben gibt es Vorträge
über die chinesische (Geschäfts-)Kultur, Schulungen für Führungskräfte und Rückenschule.
Weigmann. Dennoch gibt er zu, dass
WAFIOS in der Industrie 4.0 noch ganz am
Anfang steht. »Die Vernetzung von Maschinen ist hochkomplex. Sie betrifft sowohl die
eigenen Maschinen als auch die, die für den
Kunden gebaut werden«, erklärt er und fügt
hinzu: »Es ist eine völlig neue Herausforderung, in diese Richtung auszubilden.«
Noch immer ist Maschinenbau eine Männerdomäne. Auf die Frauen im Unternehmen
angesprochen schmunzelt Weigmann und
sagt: »Sie sollten nicht benachteiligt sein.«
Acht Mitarbeiterinnen befinden sich derzeit
im Erziehungsurlaub. Ihnen wird zugesichert,
nach zwei Jahren wieder einsteigen zu können.
Auch 15 Männer haben in diesem Jahr bereits
zwei Monate als Vollzeitväter zu Hause verbracht.
Bei WAFIOS ist Nicole Boley bisher die
einzige weibliche Absolventin des Reutlinger
Modells. Damit sich das ändert, organisiert sie
jedes Jahr den Girls’ Day mit. »Die Mädchen
dürfen etwas zusammenbauen und merken
dann gleich, ob ihnen das liegt«, erzählt sie.
Viele Schülerinnen nutzen die Gelegenheit,
um sich über technische Berufe zu informieren und Nicole Boley auszufragen.
»Wir haben gute
Software-Arbeitsplätze«
WAFIOS AG
Dunkel, dreckig, laut und ölig – diese Attribute, die einem unweigerlich zu einer Maschinenfabrik einfallen, gehören in die Vergangenheit. »Wir haben tolle Software-Arbeitsplätze«, schwärmt Holder. Informatiker
sind bei WAFIOS gefragt. Früher beherrschte
die Mechanik eine Maschine. »Heute lebt
eine Maschine von Bits und Bytes«, sagt
Produktionsstätten:
Reutlingen, Wuppertal, Berlin,
São Paulo, Shanghai
Umsatz:
141 Millionen Euro
Mitarbeiter:
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Arthur Schopenhauer
22
GEA-Wirtschaftsmagazin
Eigene Ideen sind gefragt
Das Tübinger Unternehmen rökona,
Hersteller von technischen Textilien,
stellt drei Ausbildungsberufe vor:
Produktionsmechaniker, Produktveredler
und Textillaborantin.
Von Jasmin Siebert
B
ei einer Textilfirma näht man bestimmt
den ganzen Tag Kleider. Mit diesem
Vorurteil sind die Mitarbeiter von rökona häufig konfrontiert. Ahnung von Nähmaschinen
muss man bei dem namhaften Hersteller von
technischen Textilien, der die Automobilindustrie, die Medizintechnik und Hersteller
von Freizeitbekleidung als Kunden hat, jedoch
nicht mitbringen, dafür aber Mathe- und Chemiekenntnisse. Das GEA-Wirtschaftsmagazin stellt drei anspruchsvolle Ausbildungsberufe vor, die die Tochterfirma des Tübinger
Textilunternehmens Rösch anbietet.
Simona Manz
wird Textillaborantin
Fotos: Trinkhaus
Vor einem Jahr hat Simona Manz ihre Ausbildung zur Textillaborantin bei rökona begonnen. Die 22-Jährige aus Dußlingen wollte
keinen klassischen Ausbildungsberuf lernen,
den jeder macht. Labortätigkeit hat sie schon
immer interessiert, aber sie wollte nicht ausschließlich mit Chemie zu tun haben. Lieber
wollte sie etwas in Händen halten. Simona
Manz mag Stoffe und näht in ihrer Freizeit
gerne. Die Tübinger Firma kannte sie vom Fabrikverkauf der Muttergesellschaft Rösch, die
Nacht- und Tagwäsche, Freizeit- und Bademode der Marken Rösch und Louis Féraud
herstellt und vertreibt. Je länger sie nun selbst
in der Firma arbeitet, desto überzeugter ist sie:
»Das ist genau der richtige Beruf für mich hier
bei rökona.«
Textillaboranten prüfen die fertigen Stoffe,
bevor sie an den Kunden geschickt werden.
Im physikalisch-chemischen Labor ist präzises Arbeiten sehr wichtig. Simona Manz' Aufgaben teilen sich in drei Arbeitsschritte: Vorbereitung der Tests, die Prüfung und deren
Auswertung. Was sich schematisch anhört, ist
in der Praxis anspruchsvoll und abwechslungsreich. Denn was unter welchen Kriterien
geprüft wird, unterscheidet sich von Auftrag
zu Auftrag. »Wir haben auch viele Sonderprüfungen«, erzählt Simona Manz. Je nach
Kundenvorgaben werden Biegesteifigkeit, Gewicht, Dicke, Farbe, Reißverhalten mit der
Kraft- und Dehnungsprüfmaschine oder
Brennverhalten in der eigens dafür eingerichteten Brennkammer getestet.
Während der dreieinhalbjährigen Ausbildung hat Simona Manz alle drei Monate
Produktionsmechaniker
Sinan Tokmak
Blockunterricht in der Berufsschule in Schopfheim. Dort werden auch die Produktveredler
während ihrer dreijährigen Ausbildung unterrichtet.
Manuel Reisch
ist Produktveredler
Manuel Reisch hat seine Ausbildung zum
Produktveredler schon 2006 abgeschlossen.
Er spezialisierte sich auf das Färbereilabor, wo
er bis zum Frühjahr diesen Jahres arbeitete.
Jetzt ist der 29-jährige Assistent des Abteilungsleiters in der Ausrüstung/Färberei, wo er
auch organisatorische Aufgaben hat.
Die Produktveredler verleihen dem Textil
bestimmte Eigenschaften. Da fast 90 Prozent
der Aufträge bei rökona aus der Automobilindustrie kommen, werden vor allem technische Textilien für das Auto hergestellt. Die
Produktveredler entwickeln unter anderem
Säulen, Hutablagen und Innendecken, den sogenannten »Himmel«, in genau dem Grau-,
Beige-, Anthrazit- oder Schwarzton, den der
Kunde wünscht. Die Farbvorgaben sind dabei
sehr anspruchsvoll, selbst Abweichungen, die
für das menschliche Auge nicht sichtbar sind,
GEA-Wirtschaftsmagazin
werden nicht geduldet. Die Produktveredler
prüfen auch Dehnung, Gewicht und Eigenschaften wie zum Beispiel schmutzabweisende
Beschichtungen. Neben den technischen Stoffen für Autos stellt rökona zu einem geringen
Teil auch Funktionstextilien her.
Wer in der Abteilung Ausrüstung/Färberei
arbeiten will, muss körperlich belastbar sein.
Da die Maschinen, die die Stoffe produzieren,
Wärme abstrahlen, ist es in der Abteilung heiß.
Dazu ist es laut und es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Produktveredler müssen unter
anderem die Maschinen mit den Textilien
bestücken. Die großen Stangen sind oft so
schwer, dass man zu zweit anpacken muss.
Dennoch können Frauen den Beruf genausogut ausüben, betont die Personalchefin
Melanie Müller.
Sinan Tokmak wird
Produktionsmechaniker
Sinan Tokmak saß bei Rewe an der Kasse,
bevor er 2013 seine Ausbildung zum Produktionsmechaniker bei rökona begann. Er war
auf der Suche nach einem familienfreundlichen Unternehmen. Noch ist Sinan Tokmak
täglich von sieben Uhr morgens bis 15.30 Uhr
im Betrieb. Nach der Ausbildung wird auch er
im Drei-Schicht-Betrieb mit regelmäßigen
Nacht- und Wochenendschichten arbeiten.
»Solange ich vorher planen kann, habe ich
damit aber kein Problem«, betont er. Auch
mit seinem Bruttogehalt von 815 Euro im ersten Lehrjahr ist er sehr zufrieden.
»Anfangs hatte ich meine Probleme mit
den Textilien«, gibt er zu. Bevor er zu rökona
kam, hatte er keine Ahnung von Textilien. Geduldig musste er lernen, wie er die Wirkmaschinen einstellt, die Garne richtig einspannt,
Textillaborantin
Simona Manz
sodass der Kamm Tausende Fäden zugleich
richtig einziehen kann, um sie zu einer textilen
Fläche zu wirken. »Kleine Fehler haben eine
große Wirkung«, sagt Sinan Tokmak. Inzwischen hat er sich an die Arbeit gewöhnt und
außer Geduld viele interessante Dinge über
Textilien gelernt.
Nach dem Vorstellungsgespräch wird allen
Bewerbern empfohlen, einen oder mehrere
Tage probezuarbeiten, um herauszufinden, ob
die angestrebte Ausbildung wirklich die richtige ist. Doch die meisten fühlen sich in dem
Unternehmen mit seinen flachen Hierarchien
schnell wohl. Die Lehrlinge bei rökona steigen
schnell ins Tagesgeschäft ein, arbeiten nicht
nur zu, sondern tragen aktiv zum Erfolg der
Firma bei.
Von den Auszubildenden wird erwartet,
dass sie selbstständig arbeiten und flexibel auf
veränderte Arbeitsweisen reagieren können.
»Vor allem sollen sie selber denken und eigene Ideen einbringen«, betont Melanie Müller. Und schiebt einen Satz hinterher: »Die
Azubis sollen Verantwortung für ihr Leben
übernehmen.« Zunächst sollte man sich fragen, ob das Problem nicht bei einem selber
liegt. Im offenen Arbeitsumfeld, wie es rökona
bietet, sind jedoch auch Verbesserungsvorschläge von Lehrlingen jederzeit willkommen.
»Wir lernen hier voneinander«, sagt Melanie
Müller.
Neben der flachen Hierarchie sind es auch
weiche Faktoren, die eine Ausbildung bei rökona attraktiv machen. »In der Kantine gibt
es jeden Tag günstiges, aber gutes Essen«,
schwärmt die angehende Textillaborantin
Simona Manz. Bemerkenswert sind auch die
internen Schulungen, die die Mitarbeiter
selbst anbieten. Die Personalchefin hat zum
Beispiel einmal an einem Unternehmensplanspiel teilgenommen, das Auszubildende
Produktveredler
Manuel Reisch
organisiert hatten. Auch Gesundheit ist dem
Unternehmen
wichtig: Am Arbeitsplatz gibt es
kostenloses
Obst und Wasserspender, in
der Freizeit werden Fußballund Beachvolleyballturniere
angeboten.
Personalchefin
Melanie Müller
Wer bei rökona eine Ausbildung macht, lernt nicht nur Inhalte seines
späteren Berufs, sondern darf in verschiedene
Abteilungen hineinschnuppern. Jeden Monat
finden sogenannte Lehrgespräche statt, bei
denen Mitarbeiter von ihrer Arbeit erzählen.
So lernen Auszubildende nach und nach den
gesamten Betrieb kennen.
Karrierechancen bietet rökona auch für
Akademiker: Viele Themen für Masterarbeiten werden an Studenten der Fakultät Textil
und Design an der Hochschule Reutlingen
vergeben.
Wer in Elternzeit geht, bekommt einen
Paten an die Seite gestellt, der über Neuigkeiten in der Firma informiert. Die Eltern haben
weiterhin Zugriff aufs Intranet und können an
Fortbildungen teilnehmen. Da der Betriebskindergarten Kinder ab einem Jahr aufnimmt,
kehren auch die meisten Mütter rasch wieder
an ihren Arbeitsplatz zurück. Der Kindergarten wurde übrigens schon 1971 eröffnet – 22
Jahre nach Gründung der Mutterfirma Rösch
und neun Jahre nach Gründung von rökona.
Sogar Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat ihn
schon besucht und als vorbildlich gelobt.
23
24
GEA-Wirtschaftsmagazin
Auszubildende an ihren
Werkzeugmaschinen
Ein neuer Studiengang –
Initialzündung für die Region
Präzisionswerkzeuge und Yoga – zwei
Dinge, die auf den ersten Blick nichts
miteinander zu tun haben. Die Paul Horn
GmbH in Tübingen vereint beides ganz
selbstverständlich unter ihrem Firmendach.
Denn die Mitarbeiter sind das höchste Gut
des Unternehmens.
Von Konstanze Faßbinder
D
ie Personalentwicklung ist das zentrale
Instrument, über das alles läuft«, sagt
Pressesprecher Christian Thiele. Das Unternehmen tue viel dafür, als Arbeitgeber attraktiv zu sein und werbe aktiv um gute Mitarbeiter. Deshalb sei Fachkräftemangel derzeit kein
Thema. Am liebsten zieht man sich bei Horn
die Fachkräfte sowieso selbst heran.
Zum einen ganz klassisch über die Ausbildung zum/r Industriemechaniker/in. Zwischen zweihundert und dreihundert Kandidaten bewerben sich pro Jahr auf einen der 15
Ausbildungsplätze, bis zu 60 gleichzeitig sind
teilweise angestellt. »Egal ob Hauptschul-,
Realschulabgänger oder Abiturient – Hauptsache, sie sind zuverlässig und motiviert«, sagt
Thiele. Auch mehr Frauen gerade in den technischen Bereichen hätte man gerne. »Wir
wollen keine Quote erzwingen.«Alle bekämen nach der Ausbildung einen Job angeboten, fast alle nähmen an. Manche gingen auch
weiter auf die Schule, machten Meister- oder
Techniker. Oder studierten und kämen dann
für Praktika, Bachelor- oder Masterarbeit wieder zurück.
»Nur sehr wenige Leute gehen weg«, sagt
Thiele. Kein Wunder, schließlich biete Horn
einen Mehrwert, mit modernster Ausstattung,
engem Kontakt zu den Vorgesetzten, einem
gut ausgebauten Intranet, einem Betriebsrestaurant, Ausflügen in die Oper nach Stuttgart
oder nach München. Und nicht nur das: Für
alle 850 Mitarbeiter am Standort Tübingen –
800 bei der Paul Horn GmbH, 50 bei Horn
Hartstoffe GmbH – gibt es zahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten, im fachlichen wie persönlichen Bereich.
Über die eigens gegründete Horn Akademie bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern und auch Externen die Möglichkeit,
sich in technischen Themen weiterzubilden.
Da wäre zum Beispiel die zertifizierte, sechswöchige Ausbildung zur Industriefachkraft für
Schneidewerkzeug, die Horn gemeinsam mit
der IHK Reutlingen etabliert hat. Um einen
einheitlichen Wissensstand im ganzen Betrieb
zu erzielen, machen alle betreffenden Mitarbeiter diese Ausbildung, bezahlt und während
ihrer Arbeitszeit. Sie sei notwendig, um die
hohe Qualität der Horn-Produkte zu sichern.
»Und sie motiviert. Am Schluss sind alle zufrieden, die Mitarbeiter, die Firma und der
Kunde.«
Darüber hinaus entwickelte und etablierte
die Paul Horn GmbH gemeinsam mit dem
Campus Horb der Dualen Hochschule
25
GEA-Wirtschaftsmagazin
Baden-Württemberg einen offenen Bachelorstudiengang: Fach Maschinenbau, Fachrichtung Produktionstechnik, Schwerpunkt
Schneidwerkzeugtechnik. »Eine Initialzündung« für die Region, die ja das Herz der
Werkzeughersteller sei, sagt Thiele. Nicht ganz
uneigennützig: Denn es gebe nur wenige qualifizierte Bewerber in diesem sehr speziellen
Bereich. Auch Maschinenbau-Absolventen
hätten meist wenig Kenntnisse von Präzisionswerkzeugen.
herrscht, sagt Pressesprecher Thiele. Die Arbeitszeit mit eingerechnet, investiere das Unternehmen einen siebenstelligen Betrag in Bildung und Gesundheit seiner Mitarbeiter. Ein
Investment, das sich lohnt: Mit 235 Millionen
Euro weltweitem Umsatz und einem Plus von
zehn Prozent in Deutschland »wachsen wir
oberhalb des Markts.« Vier Prozent habe der
Branchenverband als Prognose ausgegeben.
Man tue viel. Was benötigt werde, werde
gemacht. »Was wir darüber hinaus machen
können, tun wir«, sagt Thiele. Er und HornStemmler sind sich einig: »Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital«, sozusagen das
Herz der Firma. »Wenn das nicht mehr
schlägt, geht gar nichts mehr.«
Motto: Profitieren
durch Wissen
Manuela Horn-Stemmler
er auf Messen arbeite und dort präsentieren
müsse. Das Sport- und Gesundheitsprogramm steht allen Mitarbeitern offen. Neben
Burnout-Prävention, Autogenem Training,
Mediation, Yoga, Gesundheitsvorträgen und
Rückenschule enthält es auch noch den bewährten Betriebssport, bei dem die Mitarbeiter miteinander Fußball spielen oder beim Zirkeltraining schwitzen können. Die Mitarbeiter, sagt Horn-Stemmler, sollen dabei unterstützt werden, etwas für die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu tun.
Ziel sei, eine ganzheitliche Entwicklung zu
bieten. Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen, trotz der Größe des Unternehmens den
familiären Geist spüren, der noch immer vor-
Paul Horn GmbH
Die Paul Horn GmbH wurde 1969 gegründet. Sie entwickelt und produziert
Einstech-, Längsdreh- und Nutfräswerkzeuge für die Automobil- und
deren Zulieferindustrie, den Maschinenbau, die Luft- und Raumfahrtechnik,
für Hydraulik und Pneumatik, die
Schmuckindustrie und die Medizintechnik. 20 000 Standardwerkzeuge führt
die Paul Horn GmbH, auf Wunsch werden Sonderanfertigungen entwickelt.
Weltweit arbeiten 1 300 Menschen für
das Unternehmen, das neben Tübingen
Standorte in England, Italien, Tschechien und den USA hält.
Weiterbildung im kleinen Kreis
Fotos: Horn
Neben fachliche Weiterbildung über die
Horn Akademie bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern auch die Möglichkeit, sich
persönlich zu entwickeln. Manuela HornStemmler, Unternehmensmanagement und
Mitglied der Geschäftsleitung, zeichnet auch
für die interne Weiterbildung verantwortlich.
Unter ihrer Ägide wurde 2014 erstmals ein
ganzer Katalog mit Workshops veröffentlicht,
»Profitieren durch Wissen« lautet das Motto.
Er enthält Englischkurse für Anfänger und
Fortgeschrittene, EDV-Kurse, Deutsch-Kurse,
Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung oder
Coaching für Führungskräfte. Alle Kurse, betont Horn-Stemmler, werden in kleinen Gruppen von vier, fünf Leuten durchgeführt und
nach Bedarf besucht. So könne sich auch ein
Maschinenführer in Rhetorik schulen, wenn
26
GEA-Wirtschaftsmagazin
Andrej Stscheglow
im Gespräch mit
Personalberaterin
Angelika Geugis
sellschaft Refugio mit Hauptsitz in Plochingen. Die Transfer-Spezialisten begleiten in
Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit
und dem bisherigen Arbeitgeber die von der
Kündigung Betroffenen und leisten damit vorzugsweise im Ländle – aber auch bundesweit
– einen wichtigen Beitrag zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Die Arbeitssuchenden werden gecoacht und bei
ihren Bewerbungsanstrengungen unterstützt.
Sie formulieren, mit Unterstützung von Profis, ein scharfkantiges Profil ihrer Fähigkeiten
und Kenntnisse, um sich dann zielgerichtet –
und selbstbewusst – bewerben zu können.
Stichwort: Hilfe
zur Selbsthilfe
Qualifizierung als
Schlüssel zum Job
Refugio stellt betriebsbedingt gekündigte
Arbeitnehmer ein. Das Ziel: die von der Transfergesellschaft übernommenen Frauen und Männer
wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Von Jürgen Spieß
J
ede Krise birgt auch eine große Chance:
Dies erfuhr Andrej Stscheglow (41) nicht
nur einmal, seit er 1994 von Kasachstan nach
Deutschland gekommen ist. Er arbeitete zunächst einige Jahre als Schlosser, dann in der
Produktion der Firma Bauknecht: »Eine gute
Arbeit«, wie der Familienvater heute rückblickend berichtet. Doch 2012 dann der Schnitt:
Der Hausgerätehersteller begann massiv Arbeitsplätze abzubauen und auch Andrej
Stscheglow war von dieser Kündigungswelle
betroffen.
Aufgefangen wurde er damals wie viele seiner Bauknecht-Kollegen von der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Refugio. Sie unterstützte ihn bei der Bewerbung,
beriet ihn bei der weiteren persönlichen Le-
bensplanung und organisierte
für ihn schließlich eine 22-monatige Umschulung zum Industriemechaniker, die er erfolgreich
abgeschlossen hat. Im Oktober letzten Jahres hat Stscheglow zunächst
einen befristeten Arbeitsvertrag in
der Produktion bei Porsche unterschrieben, der später in einen
unbefristeten Vertrag überging.
Ohne die Hilfe von Refugio, so
seine tiefe Überzeugung, wäre er
heute arbeitslos. Feste Stellen
sind in vielen Bereichen Mangelware und von einer Vielzahl
konkurrierender Bewerber hart
umkämpft.
Genau um diese Klientel
kümmert sich die Transferge-
Die Vorteile für den zu vermittelnden Arbeitssuchenden: Für den Zeitraum eines Jahres erhält er eine qualifizierte und praxisnahe
Anleitung – sowohl orientiert an der Situation
des Beschäftigungsmarktes als auch unter Berücksichtigung der spezifischen Wünsche und
des Bildungsbedarfs: »Das Ziel ist, unsere
Teilnehmer persönlich und fachlich für die
Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes fit
zu machen«, so Refugio-Geschäftsführerin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Manuela Eschenbächer. Projektleiter Rainer
Bergmann ergänzt: »Wichtig ist dabei eine integrative Verzahnung von Qualifizierung
sowie Beratung und Vermittlung. Die Teilnehmer sollen dazu befähigt werden, ihre berufliche Integration in Zukunft selbst in die
Hand zu nehmen«.
Zudem richtet Refugio eine umfassende
und aktuelle Stellenbörse ein, leitet passende
Arbeitsplatzangebote ohne Zeitverlust an ihre
Beschäftigten weiter, unterstützt ihre Teilnehmer bei der Beseitigung und Verbesserung
von Problemfeldern, bei der Suche und Vermittlung von Praktikumsbetrieben und hilft
durch gezielte Projekt- und Netzwerkarbeit.
Der entscheidende Vorteil für die Teilnehmer:
Sie steigen nicht in die Arbeitslosigkeit ab, sondern werden von Refugio in ein auf ein Jahr
befristetes und sozialversicherungspflichtiges
Arbeitsverhältnis übernommen. Während dieser Zeit beziehen sie etwa 80 Prozent ihres
letzten Monatsgehalts, das zu 50 Prozent in
Form von Transferkurzarbeitergeld von der
Agentur für Arbeit und etwa in gleicher Höhe
vom bisherigen Unternehmen bezahlt wird.
Nicht zuletzt profitiert auch der bisherige
Arbeitgeber selbst, denn er braucht keine Kündigungsfristen einzuhalten, vermeidet Kündigungsschutzklagen und kann auf diese Weise
Refugio Geschäftsführerin
Manuela Eschenbächer
und Projektleiter Rainer
Bergmann
Fotos: Trinkhaus
Hansi Wieczorek kam
über die Weiterbildung
zum Fachangestellten
für Bäderbetriebe
einen Teil der anfallenden Kosten wieder
wettmachen. Neben der Bauknecht Hausgeräte GmbH, die ihre Fertigung in Schorndorf
inzwischen ganz geschlossen hat, haben auch
andere Firmen im Land gute Erfahrungen mit
der zertifizierten Beschäftigungsgesellschaft
gemacht. Die durchschnittliche Vermittlungsquote über alle Branchen hinweg liegt
bei gut 65 Prozent.
Ganz entscheidend ist für die Transfer-Spezialisten, dass die Teilnehmer ebenfalls aktiv
werden und ihre berufliche Integration selbst
mit in die Hand nehmen. So wie der 46-jährige Hansi Wieczorek, der 13 Jahre lang bei
Bauknecht als Schichtführer in der Logistik
arbeitete und im Dezember 2012
ebenfalls gekündigt wurde. Für
den Familienvater keine einfache Situation, denn mit Mitte
40 wieder eine feste Anstellung als Schichtführer zu finden, gestaltet sich eher
schwierig: »Außerdem
hatte ich vorher noch nie
eine Bewerbung geschrieben und keinerlei Erfahrung in Bezug auf Jobsuche«, so Hansi Wieczorek.
Da er bereits seit 2012 nebenberuflich für einen Saunabetrieb
tätig war, beschloss er schließlich,
beruflich nochmal umzusatteln
und sich in eben diese Richtung
weiterzubilden. Nach fünf Monaten
unter der Ägide von Refugio klappte es auch
mit der angestrebten Festanstellung: Seit Mai
diesen Jahres arbeitet Hansi Wieczorek als
Fachangestellter für Bäderbetriebe bei den
Stadtwerken Schorndorf – und konnte somit
gleichzeitig sein Hobby zum Beruf machen.
Refugio
Refugio ist eine von etwa 400 Transferträgern in Deutschland. Das vor 18 Jahren gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Plochingen betreut und berät mit
seiner Mannschaft im Jahresdurchschnitt
zwischen 400 und 800 Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen. Ein Projekt kommt
dann zustande, wenn sich der Betriebsrat
und das Unternehmen einigen, keine betrieblichen Kündigungen auszusprechen,
sondern mit der Transfergesellschaft zusammenzuarbeiten. Refugio richtet dann
einen Projektstandort ein, um die an sie
»abgegebenen Beschäftigten« vor Ort zu
begleiten und zu beraten. Für das Refugio-Transferprojekt wird ein eigener Beirat mit weitgehenden Kontrollrechten
eingerichtet, der sich in der Regel aus
Vertretern der Belegschaft und der Geschäftsführung zusammensetzt. Nachdem
sich die Betriebsparteien geeinigt haben,
mit Refugio zusammenzuarbeiten, werden die der Transfergesellschaft zufließenden Finanzmittel über einen Treuhänder projektbezogen und insolvenzsicher
verwaltet.
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28
GEA-Wirtschaftsmagazin
Leben in intelligenten Häusern
Häuser
werden
nicht nur für
das Hier und
Jetzt, sondern auch
für die Zukunft gebaut.
In Kooperationen mit Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
Modelhaus B10 in der
Stuttgarter Weißenhofsiedlung
geht SchwörerHaus neue Wege.
D
as klassische Einfamilienhaus bekommt
Konkurrenz von allen Seiten. Die
Wohnformen der Zukunft sind so vielfältig
wie die Lebensentwürfe der Menschen:
Mehrgenerationenhäuser, intelligente Assistenzsysteme, die das Älterwerden in den eigenen vier Wänden erleichtern, und sogenannte
»Flying Spaces«, die es modernen Nomaden
ermöglichen, ihre Zelte fast von heute auf morgen an einem Ort abzubrechen und an einem
anderen wieder aufzustellen.
Der Oberstetter Johannes Schwörer hat die
Zeichen der Zeit erkannt. Sein Unternehmen
SchwörerHaus, das sich als Fertighaushersteller in ganz Deutschland und darüber hinaus einen Namen gemacht hat,
stellt exemplarisch drei
zukunftsweisende Projekte vor: das Aktivhaus
»B10« in Stuttgart, das Lebensphasenhaus in
Tübingen und das Stadthaus in Pfullingen.
»Gemeinsames Forschen« ist für Johannes
Schwörer der Schlüssel für die Zukunft. Die
Fachleute seines Unternehmens sind inzwischen gefragte Kooperationspartner für Hochschulprofessoren unterschiedlichster Disziplinen: Nicht nur Fachleute für Architektur und
Bauwesen, sondern auch Experten aus dem
Gesundheitswesen schätzen den Austausch
mit Schwörer. Dass sich nun sogar Wissenschaftler, die sich mit technischen Textilien
auseinandersetzen, mit dem Oberstetter
Unternehmen zusammengetan haben, ist auf
Stadthaus
in Hamburg
Foto: Sabine Gudath
Von Marion Schrade
Foto: Zooey Braun
den ersten Blick exotisch. Dahinter steht eine
futuristische Idee, die es vom Papier ins Pilotprojekt-Stadium geschafft hat: Das Modellhaus »B10« (Bruckmannweg 10) in der
Stuttgarter Weißenhofsiedlung hat eine Fassade aus Textil, die die Nachteile herkömmlicher Materialien wie Putz, Farbe oder Holz
aufwiegt. »Ein Textilgewebe lässt sich
leichter anbringen
und wieder entfernen, es muss nicht
alle zehn Jahre neu
gestrichen werden
und hält auch extremen Wetterbelastungen stand«, erJohannes Schwörer
läutert Johannes
Schwörer. Ein schöner Nebeneffekt: Die
weiße Außenhaut des B10 ist wie geschaffen
dafür, mit Lichteffekten zu arbeiten.
Aktivhaus B10
In dem Namen B10 schwingt, wie Schwörer betont, »jede Menge Entwicklungsmusik«
mit. Das Stuttgarter Büro Werner Sobek Design und der Bauherr, die SIS-Stiftung (Stuttgart Institute of Sustainability, also Nachhaltigkeit), hatten sich das Ziel gesetzt, ein in jeder
Hinsicht zukunftsweisendes Haus zu bauen:
optisch anders, energetisch so effizient, dass es
als erstes Aktivhaus der Welt aus nachhaltigen
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Lebensphasenhaus
Ein »Lernobjekt« ist für Schwörer auch das
Lebensphasenhaus in Tübingen. Das Land
Baden-Württemberg hatte Fördermittel in
Höhe von 550 000 Euro ausgeschrieben und
deren Ausschüttung an die Fragestellung geknüpft, wie ein Gebäude älteren Bewohnern
den Alltag mithilfe von technischen Assistenzsystemen erleichtern und damit eine Antwort auf den demografischen Wandel geben
kann. Das Sozialministerium, das für dieses
Projekt eng mit dem Wissenschafts- und dem
Finanz- und Wirtschaftsministerium zusammenarbeitet, wählte unter mehreren Bewerbungen den Vorschlag aus, den SchwörerHaus und weitere Unternehmen aus der
Region gemeinsam mit Partnern der Universität Tübingen und der IHK Reutlingen unterbreitet hatten. Was diese Kooperation den
anderen Vorschlägen voraus hatte? »Unsere
Ideen können im privaten Wohnungsbau
ebenso umgesetzt werden wie in Pflegeeinrichtungen«, erklärt Schwörer.
Neue Technologien werden erprobt. Dazu
gehören beispielsweise Hilfen für Menschen
mit eingeschränkter Mobilität – vom leichteren Aufstehen aus dem Bett bis hin zur weniger beschwerlichen Arbeit in der Küche mit
verstellbaren Arbeitsplatten und barrierefreier
Bewegung in der eigenen Wohnung. Türen
öffnen sich per Knopfdruck. Alles ist so konzipiert, dass Technik für Senioren nicht zur
Lebensphasenhaus in Tübingen
komplizierten Herausforderung wird.
Im Sommer dieses Jahres wurde mit dem
Bau begonnen, im kommenden Frühjahr soll
das Lebensphasenhaus fertig sein. Die Universität plant, den Betrieb weiterzuführen,
auch nachdem die Landesförderung Ende
Oktober 2016 ausläuft. Wie auch das B10 soll
das Lebensphasenhaus als eine Art Musterhaus der Zukunft interessierten Bürgern und
Fachleuten offen stehen: Handwerker, Pflegekräfte und Ärzte sollen sich über den Einsatz von technischen Assistenzsystemen
informieren können.
Überhaupt ist die Praxis oft der beste Lehrmeister. Dessen ist sich auch Johannes Schwörer bewusst. Der Unternehmer hat deshalb
schon vor Jahren ein betriebliches Vorschlagswesen eingeführt: Jeder Mitarbeiter
darf Ideen einbringen, ausgearbeitet werden
sie von interdisziplinären Teams über AbteiMontage des B10
Foto: Zooey Braun
Quellen das Doppelte seines Energiebedarfs
selbst erzeugt, und architektonisch so beschaffen, dass es ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden kann.
Die Grundlagen dafür hatte Schwörer mit
seinem Konzept »Flying Spaces« bereits geschaffen: Der Baukörper besteht aus zwei Modulen, die in der Weißenhofsiedlung errichtet
wurden. Fotovoltaik, Thermosolar, Fußboden-, Wand- und Deckenheizung sind dabei
schon Standard. Zu den Aufsehen erregenden
Neuigkeiten, die an den Schau-Tagen (donnerstags von 15 bis 18 Uhr) viele Besucher anziehen und faszinieren, gehören eine klappbare Wand, die als Terrasse genutzt werden
kann und die Integration eines Elektroautos.
»Das intelligente Haus lernt seine Bewohner
und deren Energiebedarf kennen«, erläutert
Schwörer. Die selbst erzeugte Energie steht
dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird.
In Überschusszeiten fließt der Strom in den
Akku des Elektroautos.
Foto: Schwörer Haus
GEA-Wirtschaftsmagazin
lungsgrenzen hinaus. Auch Rückmeldungen
– ob positiv oder kritisch – werden oft zum
Ausgangspunkt für neue Entwicklungen.
Stadthaus
Das dritte Modellprojekt, mit dem Schwörer derzeit für Aufsehen in der Branche sorgt,
ist das Stadthaus: Für die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 in Hamburg als Prototyp errichtet, wird es nun auch in der Region
realisiert. Am Ahlsberg in Pfullingen entsteht
ein Mehrfamilienhaus in Fertigbauweise. »Die
Nachfrage ist riesig«, freut sich Schwörer.
Anfragen für Folgeprojekte hat der Unternehmer schon auf dem Schreibtisch liegen.
Mit dem Mehrfamilienhaus erschließt er sich
einen neuen Markt: »Der Trend geht hin zu
größeren Einheiten, das klassische Einfamilienhaus wird weniger, weil Neubauland nicht
mehr in größerem Umfang ausgewiesen
wird«, erläutert Schwörer und verweist auf
den politischen Willen, Ortskerne zu verdichten, anstatt immer weiter in die Fläche zu
wachsen.
Das Konzept des Stadthauses basiert auf
der Weiterentwicklung von Lösungen für individuelle Einfamilien-Fertighäuser. Die
vorgefertigten Bauteile werden aber in einem
völlig neuen Kontext – dem Geschosswohnungsbau – für innerstädtische Standorte eingesetzt. Das Baukastensystem ermöglicht
einerseits kurze Bauzeiten, andererseits maximale räumliche Flexibilität. Auch die einzelnen Lofts folgen einem modularen Konzept:
Die 45 bis 140 Quadratmeter großen Wohnungen sind offen gestaltet, Schiebeelemente
ermöglichen dennoch räumliche Trennungen. Die Lofts ändern sich mit den Lebensphasen ihrer Bewohner: Singles, Paare,
Alleinerziehende, Familien oder Senioren.
30
GEA-Wirtschaftsmagazin
Innovationskultur
ist Basis des Erfolgs
Die CHT R. Beitlich GmbH in Tübingen
behauptet sich am hart umkämpften Markt
für chemische Spezialitäten.
Von Dr. Annegret Vester
A
ls Innovationen werden in der Regel
Ideen oder Erfindungen bezeichnet, die
wirtschaftlich im Markt umgesetzt werden
können. Ohne Innovationen und das Innovationsmanagement gibt es keine Weiterentwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und
Kultur. Ganz
besonders gilt
diese Maxime
aber für chemische Unternehmen, die
ohne die systematische
Verwertung
von Innovationen nicht
Geschäftsführer
überlebensfäDr. Bernhard Hettich
hig sind.
Ein chemisches Unternehmen des Mittelstandes wie die CHT R. Beitlich GmbH, das
seinen Platz am global hart umkämpften
Markt für chemische Spezialitäten behaupten
und weiterhin nachhaltig profitabel wachsen
will, hängt nicht zuletzt von seiner Innovationskraft und seinem Ideenreichtum ab. Dass
das Unternehmen über diese Stärken verfügt,
zeigen nicht nur die wachsenden Umsatzzahlen, die die gesamte Unternehmensgruppe seit
Jahren in Folge schreibt. Auch das dieses Jahr
zum zweiten Mal verliehene »Top 100«-Siegel, dem ein anspruchsvolles Auswahlverfahren voraus geht, bescheinigt der CHT R. Beitlich GmbH, dass sie zu den erfolgreichsten
Ideenschmieden Deutschlands zählt.
Die als Top-Innovator ausgezeichnete
CHT R. Beitlich GmbH ist auf Produkte und
Anwendungen spezialisiert, die Eigenschaften,
Qualität und Funktionalität von Textilien,
Baustoffen, Papier, Tiernahrungsmitteln sowie
Reinigungs- und Pflegemitteln verbessern und
unterstützt damit weltweit zahlreiche Industriezweige. Die Chemie heute und morgen
wird als Innovationsmotor den Fortschritt in
allen produzierenden Industrien entscheidend
mitbestimmen. Aber natürlich sind neue Hilfsmittel und Produkte, die in industriellen Prozessen eingesetzt werden, selten mit radikalen
Innovationen, wie dem PC, Mobiltelefonen
oder gar Smartphones gleichzusetzen, die
unschwer von jedermann als Innovationen
anerkannt werden.
Chemische Forschung und Entwicklung
befindet sich häufiger im Bereich der eher
schrittweisen Verbesserungen.
Megatrends
werden aufgegriffen
Nur mit chemischen Innovationen wird es
Antworten auf globale Themen wie die sogenannten Megatrends geben. Nehmen wir zum
Beispiel die Schaffung von Wohnraum und
Infrastruktur für die wachsende Weltbevölkerung oder auch das Thema Einsparung von
Ressourcen in der Mobilität: Beides hat mit
der Thematik Leichtbau zu tun, für beides benötigt man moderne innovative Werkstoffe,
die leistungsfähig miteinander verbunden werden müssen. Im Bereich des Leichtbaus werden immer häufiger textile Verbundstoffe eingesetzt, die mittels geeigneter Klebstoffe oder
Polymere mit Metallen oder anderen Werkstoffen verbunden werden.
Der Textilbeton stellt eine zukunftsweisende Querschnittstechnologie dar, ohne die
der Megatrend Leichtbau nicht zu bewerkstelligen sein wird. Er bietet ein hohes nachhaltiges Potenzial, zu dessen Entwicklung Un-
ternehmen wie die CHT mit ihren Stärken in
der chemischen Forschung und Entwicklung
sowie ihrer Erfahrung und Kompetenz im
Bereich der textilen Verfahren und Anwendungen einen entscheidenden Beitrag liefern
können.
Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung
industrieller Prozesse unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sehr häufig von
Innovationen abhängig. Innovationen sind
beispielsweise
notwendig,
um die allgegenwärtigen
Fluorkohlenwasserstoffe
als Ausrüstungsmittel für
Wasser- und
vor allem Ölabweisung
Geschäftsführer
überflüssig zu
Erich Mechel
machen. Hier
konnte die CHT R. Beitlich GmbH mit zeroF
bereits eine sehr gute und vor allem umweltverträgliche Lösung für die wasserabweisende
Imprägnierung von Outdoorbekleidung und
Sportartikeln auf Basis eigener Silikon- und
Polymerchemie entwickeln.
Denkt man an Jeansstoffe, so fällt einem das
Auswaschen des Indigofarbstoffes ein, dies ist
GEA-Wirtschaftsmagazin
mobilpflege«, »innovative Holzimprägnierungen« oder »Lignin als
nachwachsender Rohstoff
für
Carbonfasern«
(Green Carbon Fibers) –
ein Thema, das die CHT
in Kooperation mit dem
Deutschen Institut für
Textil- und Faserforschung in Denkendorf,
der BASF und Audi bearbeitet.
Dem
Stammsitz
kommt auch heute eine
zentrale Bedeutung zu. In
der Universitätsstadt am
Neckar ist das Kompetenzzentrum angesiedelt,
in dem innovative Ideen
entwickelt und in chemische Produkte, Anwendungen oder Prozesse
umgesetzt werden. Hier
arbeiten hochqualifizierte Fachkräfte in mit
modernster Technik ausgestatteten Laboren
für Entwicklung, Analytik und Anwendungstechnik.
Kundenkontakte, Forschungskooperationen und die Kreativität des F & E- Teams speisen das Ideen- und Projektmanagement kontinuierlich; Neuentwicklungen werden forciert
und Prozesse laufend verbessert. »Unser Innovationsteam ist fester Bestandteil der Forschung und Entwicklung und übernimmt die
Rolle eines Trendscouts unter anderem für
neue Technologien«, sagt Geschäftsführer
Dr. Bernhard Hettich.
Fotos: CHT
Die Suche nach
umweltfreundlichen
Lösungen beginnt
im Labor
allerdings nicht die wirklich große Gefahr für
das Abwasser. Bei der Herstellung von Jeans
mit modischen Effekten wird heute eine Chemikalie verwendet, die zu den sogenannten
»Wassergiften« zählt, da sie nicht biologisch
abbaubar ist und in den Gewässern hohe
Mengen an Schwermetallen akkumulieren.
Die Chemiker der CHT R. Beitlich GmbH
haben sich dieses Problems angenommen
und nun ein effektives Hilfsmittel entwickelt,
das die gleichen Effekte erzielt, allerdings biologisch abbaubar und schwermetallfrei ist. Daneben gibt es noch Innovationen, die alltägliche Produktionsprozesse, wie das Waschen
und Färben von Textilien, das Bedrucken von
Teppichen, die Herstellung von Papier und
Zellstoff sowie das industrielle Waschen von
Textilien effizienter und damit auch weniger
belastend für die Umwelt machen.
Kompetenzzentrum
in Tübingen
Auf der »Forscher-Agenda« stehen so unterschiedliche Themen wie »aufdruckbare
elektrische Leitfähigkeit«, »unsichtbarer Plagiatschutz«, »Harzentfernung bei russischer
Birke«, »Pollenschutz«, »FC-freie BarriereBeschichtung für Papierverpackungen«,
»moderne Trocknungshilfen in der Auto-
CHT-Verwaltungsgebäude
Bevor Vorschläge in der Zentralen Forschung und Entwicklung als Projekte umgesetzt werden, bewertet das Unternehmen
Marktpotenzial, Realisierbarkeit und den Entwicklungsaufwand in der Abteilung Produktdatenmanagement, die ständig bestehende
Prozesse evaluiert und optimiert. »Hauptaufgabe dieses Teams ist die Effizienzsteigerung
und die Optimierung interner Prozesse«, erklärt Erich Mechel, der kaufmännische Geschäftsführer. In der Zentralen Forschung und
Entwicklung wird jährlich im Durchschnitt an
über 50 Projekten gearbeitet. Immer wieder
werden Erzeugnisse aus der CHT-Ideenschmiede, wie etwa ein Projekt zum Thema
Nanosicherheit im Jahr 2013 von Institutionen wie dem Bundesministerium für Bildung
und Forschung als förderwürdig eingestuft.
Schwäbischer Erfindergeist gepaart mit
höchstem technologischem Wissen, führte
vor Kurzem zu einer im wahrsten Sinne des
Wortes »tragbaren« Innovation.
Durch Beschichtung von Textilien mit
solar+ kann die Temperatur der Bekleidung
durch maximale Absorption der Wärmestrahlung der Sonne erhöht werden. Dadurch
kann helle, dünne Bekleidung hergestellt werden, die trotzdem warm hält – eine bemerkenswerte textile Weiterentwicklung, die bereits durch die erfolgreiche Vermarktung an
internationale Sportbekleidungshersteller wirtschaftlich im Markt umgesetzt wurde.
CHT
Die CHT, »schwäbische Heimat von Chemie-Tüftlern«, wurde 1953 in Tübingen
gegründet. Das Unternehmen zählt
heute knapp 600 Beschäftigte in
Deutschland. Weltweit ist die Unternehmensgruppe mit rund 1 700 Mitarbeitenden in 20 Gesellschaften vertreten. Durch die Gründung der Beitlich
Familienstiftung in den 1980er-Jahren
gelang es Reinhold Beitlich, langfristig
Kontinuität und Unabhängigkeit des
Unternehmens zu sichern. Bis heute ist
das Unternehmen im Besitz der gemeinnützigen Reinhold-Beitlich-Stiftung und der Familienstiftung, die für
die Geschäftstätigkeit verantwortlich
ist. Darüber hinaus hält der Enkel des
Firmengründers, Tino Beitlich Anteile
am Unternehmen.
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GEA-Wirtschaftsmagazin
Erfolgsfaktor Bildung
Vor 20 Jahren schrieb Andreas Nau sein
erstes Computerprogramm, um die Personalverwaltung in einer Klinik zu vereinfachen.
Heute ist sein Unternehmen easySoft in
St. Johann führend auf dem Software-Markt
für Bildungsmanagement und Personalentwicklung.
Von Marion Schrade
E
ine Kletterwand und einen Tischkicker
im Besprechungszimmer haben wohl die
wenigsten Unternehmen. Was Arbeitsalltag
und Mitarbeiterführung angeht, beschreitet
Andreas Nau, einer von drei Geschäftsführern
der Firma easySoft in St. Johann-Würtingen,
gern neue Wege. Mit Erfolg. Denn in diesem
Jahr wurde seine »Software-Schmiede« mit
einem Titel ausgezeichnet, um den ihn viele
Chefs beneiden: Beim bundesweiten Wettbewerb »Top Job« hat easySoft in der Größenklasse 20 bis 100 Mitarbeiter den Gesamtsieg errungen und darf sich Arbeitgeber
des Jahres 2014 nennen.
Das Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen hatte
zuvor Mitarbeiter anonym befragt, im Mittelpunkt standen die Mitarbeiterzufriedenheit
und die Führungsqualität. Dass er und seine
beiden Mitgeschäftsführer Wilfried Hahn und
Friedhelm Seiler offenbar durchweg Best-
noten bekamen, ist für Nau das größte Kompliment: »Wir wissen jetzt, dass wir auf dem
richtigen Weg sind.«
Intelligente und
digitale Personalakten
Menschen, die sich in ihrem Job wohlfühlen, arbeiten nicht nur gerne, sondern auch gut.
Sie sitzen natürlich auch in den Büros des
St. Johanner Unternehmens viel am Schreibtisch. Aber eben nicht nur. »Am Tischkicker
wird durchaus das eine oder andere beredet,
das sonst nicht so locker besprochen werden
könnte.« Wenn der Software-Entwickler mit
dem Mitarbeiter des Kunden-Supports und
dem Kollegen aus der Vertriebsabteilung ins
Gespräch kommt, werden Hierarchien überwunden und neue Ideen geboren. Weil eben
nicht nur jeder acht Stunden lang sein eigenes
Süppchen kocht.
Die Erfolgsgeschichte der Software-Firma
beginnt im Jahr 1994.
Entspannung beim Tischfußball ... Damals ist Andreas
Nau noch Lehrer für
Pflegeberufe, arbeitet
im Reutlinger Klinikum und organisiert
Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter.
Von Brandschutz bis
Hygiene-Unterweisung: Die Anzahl der
Seminare, die das
Pflegepersonal regelmäßig besuchen soll,
ist ebenso beträcht-
lich wie die Zahl der Kollegen. »Damals
wurde alles noch von Hand mit Karteikarten
verwaltet«, erinnert sich Nau. Mühselig, zeitaufwendig. Nau beginnt, zu Hause am PC –
damals zählt er als Besitzer eines solchen noch
zu den Pionieren der neuen Technologie – zu
tüfteln. Es gelingt ihm, ein Programm zu
schreiben, das die Verwaltung der Bildungsmaßnahmen im Krankenhaus deutlich erleichtert. Bahnbrechend, denn »zu dieser Zeit
hatten nicht einmal alle Firmen oder Kliniken
überhaupt einen Computer«. Zwei weitere
33
Die Geschäftsführung (von links)
Friedhelm Seiler,
Andreas Nau und
Wilfried Hahn
Jahre bleibt Nau in der Klinik, reduziert seinen
Job aber auf 50 Prozent. Die andere Hälfte seiner Zeit verwendet er darauf, sich mit seinen
Freunden Friedhelm Seiler und Wilfried
Hahn, beide Ingenieure, auf den Sprung in die
Selbstständigkeit vorzubereiten.
Nach und nach steigen die drei Gründer
fulltime ins Software-Geschäft ein. Die Idee
trägt. Je selbstverständlicher der PC im Berufsalltag wird, desto mehr werden die Aufträge für easySoft. »Die Uni-Kliniken in
Baden-Württemberg arbeiten alle mit unseManche Idee reifte im Gruppengespräch
rem System«, sagt
Nau. Hinzu kommen
zahlreiche Kreiskrankenhäuser, aber auch
Banken, Universitäten, Kommunalverbände oder Maschinenbauer gehören
inzwischen zum Kundenkreis. Sie alle verbindet, dass ihre
Personalverantwortlichen Hunderte Mitarbeiter zu verwalten ... und beim Volleyball
haben.
»Früher
waren unsere Programme für Betriebe mit
mehr als 500 Arbeitnehmern interessant«,
sagt Andreas Nau. Doch die Schwelle sinkt
kontinuierlich, inzwischen setzen auch Firmen
mit nur 100 Mitarbeitern auf die Verwaltungssoftware von easySoft.
Die Programme, die für jeden Betrieb individuell angepasst werden, sind im Grunde intelligente Personal-Akten: Anstatt mühselig
jede Weiterbildungsmaßnahme, jedes Zertifikat und jeden Seminartermin für den einzelnen Mitarbeiter in Excel-Tabellen zu verwalten, haben Personalverantwortliche mithilfe
der Software nicht nur alle Daten auf einen
Blick. Sondern werden auch automatisch informiert, wenn beispielsweise eine Schulung
fällig ist. Für viele Unternehmen, verdeutlicht
Nau am Beispiel aus seinem Kundenkreis, ein
wichtiger Punkt: »Die Mitarbeiter im Bereich
der Wertpapierberatung müssen jährliche
Schulungen nachweisen, sonst verlieren sie
ihre Lizenz.«
Arbeitskräfte
aus der Region
Nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Berufsbildung, sondern
auch die Tatsache, dass das Thema in den
Köpfen der Führungskräfte angekommen ist,
bescheren easySoft volle Auftragsbücher.
»Die Unternehmen haben den Wert der
Weiterbildung ihrer Mitarbeiter erkannt«,
sagt Andreas Nau. »Die Technologien ändern
sich rasant, lebenslanges Lernen wird immer
wichtiger.« Der drohende Fachkräftemangel
tut sein Übriges: Arbeitgeber buhlen um die
besten Mitarbeiter, die es sich aussuchen können, für wen sie arbeiten wollen. Bildung und
Fotos: Easysoft
GEA-Wirtschaftsmagazin
damit verbundene Aufstiegschancen sind
durchaus Angebote, mit denen Unternehmer
neue Kollegen locken können.
Das gilt auch für easySoft. Das Unternehmen wächst rasant, die Digitalisierung der
Arbeitswelt ist nicht abgeschlossen, sondern
schreitet weiter rasant voran. Apps für
Smartphones und Cloud-Anwendungen sind
Themen, die das Unternehmen zurzeit beschäftigen. Vor zwei Jahren zählte easySoft
noch 25 Mitarbeiter, heute sind es 47. »Wenn
die Entwicklung der vergangenen Jahre so weitergeht, werden wir 2017 insgesamt 70 Leute
sein«, rechnet Nau hoch. 2006 baute die
Firma ihren Hauptsitz in St. Johann, 2012
folgte ein weiterer Standort in Bretten.
Während sich die Stadt in der Nähe von
Karlsruhe um die Ansiedlung von SoftwareUnternehmen bemühe, seien Versuche, am
Hauptsitz in St. Johann zu erweitern bislang
gescheitert, bedauert Nau. Jetzt hofft er, in
naher Zukunft doch noch grünes Licht für die
räumliche Expansion am Würtinger Ortsrand
zu bekommen.
Nau kommt von hier. Die meisten seiner
Mitarbeiter auch. Qualifizierte Leute in der
Region zu rekrutieren, sei kein Problem: »Es
gibt gute Leute hier.« easySoft bietet nicht nur
Ausbildungs-, sondern auch Studienplätze im
Dualen Hochschulsystem. Den Wunsch, zu
studieren, und das Bedürfnis, trotzdem nicht
von zu Hause wegziehen zu müssen, kann Andreas Nau gut verstehen. Auch in Zeiten der
grenzenlosen Flexibilität und Mobilität gibt in
der Arbeitswelt Orte, an denen man Wurzeln
schlagen kann und darf: »Die Fluktuation ist
bei uns extrem gering«, sagt Andreas Nau.
»Wer zu uns kommt, bleibt in der Regel
auch.« Bei einem der besten Arbeitgeber
Deutschlands.
34
GEA-Wirtschaftsmagazin
Brodbeck bleibt am Ball:
coole Sprüche – viel dahinter
Die Zeiten haben sich längst geändert: Nicht
Kraft, sondern komplexes Denken ist in der
Baubranche gefragt. Aus- und Weiterbildung
sind Topthemen.
Von Judith Knappe
D
as Telefon klingelt, ein Bekannter ruft
an. Ulrich Brodbeck ist geschäftsführender Gesellschafter der Gottlob Brodbeck
GmbH & Co. KG in Metzingen und wird gerade nach einem Job gefragt. »Ich kenne da
jemanden, der sucht dringend Arbeit«, erzählt
der Bekannte. »Er spricht zwar wenig deutsch,
ist aber sehr kräftig. Das könnt ihr doch brauchen, oder?« Brodbeck muss entschuldigend
ablehnen. Solche Situationen erlebt er öfter,
doch: »Die Zeiten haben sich geändert«, erklärt er.
Eine große Vielfalt
an Berufen
Im Straßen- und Ingenieurbau hat
sich einiges getan. Auch hier schreitet
die Technologie immer weiter fort, die
Anforderungen ans Personal wachsen.
»Die Leute brauchen Ausbildungen,
müssen sich artikulieren und mit Zahlen umgehen können«, führt Ulrich
Brodbeck aus. Die Qualifizierung beginnt schon bei den Auszubildenden im
Unternehmen – gerade sind es 32. Und
damit ist der Bedarf noch nicht gedeckt.
»Wir würden gerne noch mehr ausbilden,
es bewerben sich aber nicht mehr«, sagt
Brodbeck. Dabei ist die Übernahmequote
ungewöhnlich hoch: Pro Jahr werden acht
von zehn Auszubildende übernommen.
Um also für sich und das Image der Branche zu werben, beschließt das Unternehmen
bereits im Jahr 2013 etwas zu wagen: Brodbeck nimmt Geld in die Hand, engagiert eine
Agentur und ruft eine Kampagne mit
frechen Sprüchen ins Leben, die vor
allem die Jugendlichen und Schulabgänger erreichen und begeistern soll. Auf
Fahrzeugen und Bauzäunen des Unternehmens liest man Sprüche wie »Eine
Ausbildung bei Brodbeck hat viele Vorteile.
Mehr Zukunft, weniger schnarch« oder
»Eine Ausbildung bei Brodbeck hat viele
Vorteile. Mehr baggern, weniger graben«. So
was kommt an. »Der Erfolg ist schwer messbar, aber wir bekommen viele direkte Reaktionen«, sagt Carsten Fellmeth, Personalleiter bei Brodbeck. Die Bewerbungen seien seit
der Kampagne spürbar angestiegen. Deshalb
sind auch weiterhin coole Sprüche überall dort
zu lesen, wo das Unternehmen sie verbreiten
kann.
Motive der
Ausbildungskampagne
Die Branche bietet eine große Vielfalt an
Berufen. Brodbeck bildet beispielsweise Straßenbauer, Beton- und Stahlbetonbauer
(ehem. Maurer), Bautechniker, Baugeräteführer, Land- und Baumaschinenmechaniker
und Industriekaufleute aus. Die Voraussetzungen sind differenziert: vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur. Die Anforderungen
auch, Tendenz steigend »Durch die IT ist
komplexes Denken erforderlich«, erklärt Ulrich Brodbeck, erinnert aber auch an die Vorteile: »Die Ausbildungsvergütung ist sehr
hoch – wir lassen Dienstleister weit hinter
uns.« Im ersten Ausbildungsjahr gibt’s rund
700 Euro, im zweiten 1 000 Euro und im dritten 1300 Euro. Massiver Bedarf besteht derzeit im Straßenbau. Auch hier gibt es Vorteile,
wie Fellmeth aufzählt: »Es ist die Abwechslung, man ist immer woanders bei unterschiedlichen Bauvorhaben.« Auch die Arbeit an der frischen Luft hebt er hervor, natürlich nur bei einem »gewissen Abkönnen von Wetter«. Das Hauptargument:
Nachher könne man Familie und
Freunden ein Ergebnis präsentieren, ein
Bauwerk, an dem man »mitg’schafft«
hat. Und all das unter Garantie eines
Arbeitsplatzes. »Wir bilden mit dem
Ziel der Übernahme aus«, versichert
der Personalleiter. »Auszubildende
sind für uns keine billigen Arbeitskräfte, sondern eine Investition.«
»Und nach der Ausbildung geht's
ja erst richtig los«, erzählt Fellmeth. Die
Möglichkeiten sind vielfältig, bis zur eigenen
Führung einer Baustelle. »Der Polier ist heute
vor allem für die Logistik zuständig«, so der
Personalleiter. Die Poliere werden im Betrieb
gefördert und größtenteils selbst ausgebildet.
Das Traditionsunternehmen bildet aber
nicht nur aus, sondern bietet auch ein duales
Studium zum Bauingenieur
an. An der dualen Hochschule in Mosbach findet
die Theorie-Phase statt.
»Wir würden gerne mehr
davon ausbilden, aber momentan fehlt uns der
Platz«, sagt Carsten Fellmeth. Das soll sich aber bald ändern: In der Maienwaldstraße in Metzingen entsteht ein neues Gebäude mit
einem Investitionsvolumen von rund fünf Millionen Euro. Zum Jahreswechsel 2015/2016
sollen dort 120 Arbeitsplätze zur Verfügung
Fotos: Brodbeck
GEA-Wirtschaftsmagazin
Maschinensteuerung
gestellt werden. Unter den Mittelständlern in
Baden-Württemberg rangiert das Unternehmen unter den Top 10 der Bauunternehmen– was Qualität und Service voraussetzt.
Angst vor Technik
geht nicht
Deshalb wird auch Weiterbildung groß geschrieben. »Früher hat man sich einfach auf
eine Maschine gesetzt und sie bedient. Heute
sind Schulungen erforderlich«, sagt Ulrich
Brodbeck. Lkw-Fahrer beispielsweise brauchen fünf Schulungsmodule bis zur Berechtigung als Berufskraftfahrer, danach gibt es
jedes Jahr ein weiteres Schulungsmodul.
»Das hat sich alles komplett geändert.«
Die Fahrer machen auch nicht mehr
nur ihre Tour, heutzutage sind sie
mit der Zentrale per GPS verbunden und bekommen ihre Koordinaten aufs Navigationssystem.
Die Zentrale wiederum sieht
genau, wo sich der Fahrer
gerade befindet und
kann ihn zielführend leiten.
Baggerführer werden heutzutage von einem
Maschinensteuerungssystem angeleitet, das
in der Führerkabine die Soll-Lage seines Geräts im Vergleich zur Ist-Lage anzeigt. Dies erfordert Flexibilität bei den unterschiedlichen
Berufsgruppen. »Unsere Leute dürfen keine
Angst vor der Technik haben«, stellt Brodbeck fest.
Die nötige Weiterbildung ist kostspielig, es
dem Unternehmen aber wert: »Es gibt keine
Chance, sich dem technischen Fortschritt zu
entziehen.« Deshalb setzt Brodbeck lieber
gleich auf Innovationen: mobile Datenerfassung auf dem Bau, Zeiterfassung per Tablet,
elektronische Personalakte – Fellmeth sieht
die Firma als »Vorreiter«. Und auch wenn der
Fortschritt bedeutet, dass weniger Helfer benötigt werden, will das Unternehmen an seiner Personalpolitik festhalten. Denn: »Das
Plus, das wir als Firma haben, ist ein stabiler,
gesunder und gut qualifizierter Mitarbeiterstamm«, konstatiert Fellmeth. Der Erfolg gibt
ihnen recht: »Unsere Mitarbeiter werden leider auch bei anderen Firmen geschätzt«, sagt
Ulrich Brodbeck. Dennoch ist die Mitarbeiterfluktuation gering und die Betriebszugehörigkeit lang, was sich jedes Jahr an der
hohen Anzahl der zu ehrenden Firmenjubilare widerspiegelt.
Ulrich Brodbeck (rechts)
und Wolfgang Brodbeck
35
36
GEA-Wirtschaftsmagazin
Investition
in die Zukunft
Für die SOLCOM Unternehmensberatung
GmbH spielt das Thema Weiterbildung eine
entscheidende Rolle. Durch die gezielte
und individuelle Förderung ist das Unternehmen zu dem geworden, was es heute
ist: Ein erfolgreicher Know-how-Mittler
und Innovationspartner für die größten
Unternehmen der Welt.
Von Benjamin Rieck
S
eit nun 20 Jahren beruht die Erfolgsgeschichte von SOLCOM auf
dem engagierten Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dabei zeichnet sich der Spezialist für externe Projektunterstützung aus
Mitarbeitersicht insbesondere durch Zuverlässigkeit, Stabilität sowie
überdurchschnittliches Wachstum aus. Ein wichtiges Erfolgsmodell:
Alle Führungskräfte am Hauptsitz in Reutlingen sind ausschließlich aus
dem eigenem Mitarbeiterstamm heraus gefördert.
Für SOLCOM ist die Personalentwicklung daher ein entscheidender Baustein der Personalarbeit und beinhaltet den individuellen Karrierepfad jedes Einzelnen sowie dessen darauf angepasste Entwicklung
über die nachhaltige Förderung von fachlichen, methodischen, sozialen Kompetenzen sowie der Unternehmenswerte.
Dies bestätigt auch die Key-Account-Managerin Melina Bäßler. Über
die Webseite ihrer Hochschule wurde sie auf die SOLCOM Unternehmensberatung GmbH aufmerksam. Das Reutlinger Unternehmen
gehört zu den führenden Dienstleistern bei der Besetzung von Projekten mit IT-Spezialisten und Ingenieuren und bietet Einstiegspositionen
im Vertrieb an. »Vertrieb war für mich interessant, da eine Karriere in
diesem Bereich auch immer eine Grundlage für eine Laufbahn im
höheren Management ist.«
In dieser Position übernahm sie anspruchsvolle Aufgaben mit Verantwortung, wie die vertriebsseitige Betreuung von namhaften Unternehmen, die Erschließung neuer Kundenpotenziale aber auch den Ausbau bestehender Beziehungen. Gleichzeitig führte sie Verhandlungen
mit den freiberuflichen Experten, aber auch mit Kunden – immer mit
dem Ziel, den passenden Spezialisten mit den richtigen Qualifikationen
zu finden und im Projekt einzusetzen. Eine wichtige Aufgabe, wie Frau
Bäßler bestätigt: »Unternehmen sind heute auf externes Branchenwissen angewiesen, um im globalisierten Markt zu bestehen. Mit unserer
Arbeit leisten wir also einen wichtigen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Auftraggeber.«
Intensive
Einarbeitung
Für die Arbeit bei SOLCOM werden die Mitarbeiter intensiv
geschult. Sechs Wochen dauert das Trainingscenter bei SOLCOM zu
Beginn des Arbeitsverhältnisses. Währenddessen wurde Melina Bäßler
gezielt auf die Aufgaben im Vertrieb vorbereitet. Insgesamt kamen in
den ersten beiden Jahren so über 40 Schulungstage zusammen. In dieser Zeit wurde sie zudem von einem erfahrenen Mentor begleitet, der
ihr mit Rat und Tat zur Seite stand. Nach dieser intensiven Einarbeitung konnte sie auch ohne vorherige Berufserfahrung direkt als AccountManager einsteigen.
Fotos: Solcom
GEA-Wirtschaftsmagazin
antwortung. Sie ist mittlerweile Mentorin und berät in ihrem Team
junge Mitarbeiter. Für diesen Karriereweg wurde sie in mehreren Führungskräfte- und Coaching-Seminaren sukzessiv vorbereitet. »Die Coachings waren eine optimale Vorbereitung auf die Situationen im Führungsalltag, der mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert.«
Neben der fachlichen Ausbildung ist es das erklärte Ziel von PEP,
Mitarbeiter auch persönlich weiterzuentwickeln. So bietet SOLCOM
zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit auch Seminare zur Gesundheitsvorsorge. Dies sind unter anderem Seminare im Bereich der Stressvermeidung oder zur richtigen Ernährung.
Gewappnet für künftige
Herausforderungen
Geschäftsführender Gesellschafter Thomas Müller
Als Grundlage für dieses System gilt bei SOLCOM das sogenannte
PEP, ein ausgefeiltes Personalentwicklungsprogramm. PEP wurde gemeinsam mit erfahrenen Trainern und Coaches entwickelt und ist als
Rahmenkonzept zu verstehen, welches stetig weiterentwickelt wird. Es
soll in erster Linie zur Orientierung dienen und bei der Strukturierung
individueller Entwicklungspläne für die Mitarbeiter unterstützen.
Das SOLCOM-PEP hat sich über Jahre bewährt und trägt zu der erfolgreichen Entwicklung des Unternehmens bei. Dabei wird das Programm gemeinsam mit den Mitarbeitern stetig weiterentwickelt und
ausgebaut. »Der Markt und die Anforderungen der Kunden sind ständig im Wandel, darauf müssen wir auch in Zukunft reagieren«, so Thomas Müller. »Mit unserem Personalentwicklungsprogramm haben wir
ein Konzept, das flexibel auf die Herausforderungen reagieren kann. Unsere Kunden können sich damit auch künftig auf hervorragend geschulte
Mitarbeiter und eine qualitativ hochwertige Dienstleistung verlassen.«
Individuelle
Maßnahmen
Kern von PEP ist es, die Karriere jedes Einzelnen zu begleiten und
ihm eine transparente Darstellung hinsichtlich seiner individuellen Förderung und Weiterbildung, als auch zu möglichen Positionen und Karrierepfaden im Unternehmen zu bieten.
Nach der Einarbeitung, die für jeden Vertriebsmitarbeiter nach einem
festen Schema abläuft, werden die weiteren Weiterbildungsmaßnahmen individuell auf die Bedürfnisse und Talente des Mitarbeiters zugeschnitten. Dazu wird aus einem Katalog mit über 40 Schulungsangeboten gemeinsam mit dem Mitarbeiter, der Führungskraft und der
Personalabteilung die optimale Mischung zusammengestellt. Die eingesetzten externen Trainer arbeiten bereits seit Jahren mit SOLCOM
zusammen und kennen daher die Ansprüche des Unternehmens genau.
»Mit unserem Personalentwicklungsprogramm schaffen wir die
Grundlage für den zukünftigen Erfolg in unserem Unternehmen. Daher
investieren wir sehr viel in diesem Bereich«, meint Thomas Müller,
Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der SOLCOM. »Denn
nur ein Unternehmen, welches in der Personalentwicklung ein hohes
Niveau gewährleistet, kann dauerhaft Leistungsbereitschaft und Innovationsfreude der Mitarbeiter erwarten und damit die Kunden zufriedenstellen.«
Unterschiedliche
Karrierepfade
Melina Bäßler entschied sich nach dem Aufstieg zum Key-AccountManagerin für eine Laufbahn mit Führungsaufgaben und Personalver-
Key-Account-Managerin Melina Bäßler
Fakten: Das SOLCOM-Personalentwicklungsprogramm
- 6 Wochen Einarbeitung im internen Schulungscenter
- Über 40 feste Schulungstage in den ersten zwei Jahren
- Weitere individuelle Fortbildungsmöglichkeiten
- Mentorenprogramm
- Erfahrene Trainer, die seit Jahren mit SOLCOM arbeiten
- Über 40 verschiedene Weiterbildungsmodule zur Auswahl
- Seminare zur Gesundheitsvorsorge
- Stetige Weiterentwicklung mit den Mitarbeitern
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38
GEA-Wirtschaftsmagazin
Maschinenbau-Know-how
par excellence
Spritzgießmaschine
der Firma KraussMaffei
Warum Berner Engineering in
Pfullingen auf Fachkräfte aus
der Region setzt und was ihnen
geboten wird.
Von Norbert Leister
Q
uerdenken, kreativ sein und unkonventionelle Lösungen finden. Für Peter Berner, geschäftsführender Gesellschafter der Berner Engineering GmbH, ist »Thinking outside the box« seit über 25 Jahren das Erfolgsrezept des Pfullinger Maschinenbau-Konstrukteurs. Unter diesem zeitgemäßen Begriff
ist allerdings ein Aspekt zu verstehen, der
nichts anderes bedeutet als den Blick zu weiten und ȟber den Tellerrand hinaus zu
schauen«. Im Gespräch mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin zeigt sich das Unternehmen
mit Niederlassungen in Feldkirchen bei München, Lenzburg in der Schweiz und Poznan in
Polen selbstbewusst, offen und erfinderisch.
Projekterfahrung
als großes Plus
Überall dort, wo Engineering eine gewichtige Rolle im Wettbewerbsumfeld spielt, bietet Berner maßgeschneiderte Entwicklungs- und Konstruktionsleistungen an. Dabei sind die
Auftraggeber, überwiegend namhafte Firmen
des Maschinen- und Anlagenbaus, hauptsächlich an technologischen Neu- und Weiterentwicklungen sowie der Effizienzsteigerung ihrer Maschinen interessiert. Mit Stolz
hebt Peter Berner die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Kunden KraussMaffei
Technologies hervor, für den die Fachleute
am Berner-Standort in Feldkirchen eine kom-
plett neue Spritzgießmaschinen-Baureihe
nach modularem Baukastenprinzip entwickelt
haben. »Bei so einem Großprojekt ist es normal, dass wir im Vorfeld der Zusammenarbeit
ein paar Testaufgaben absolvieren«, sagt Berner. »Der Kunde muss einen Großauftrag ja
schließlich in den besten Händen wissen,
damit sein Projekt technisch und auch
zeitlich erfolgreich umgesetzt werden kann.« Dabei ist der enge
und regelmäßige Austausch
mit dem Auftraggeber für den
Projekterfolg entscheidend.
Wöchentliche Treffen zwi-
Das Berner Führungsteam (von
links) Peter Berner, Joachim
Mutschelknaus,
Carmen Hummel,
Walter Ruckwied
und Marc Berner
39
GEA-Wirtschaftsmagazin
beit mit den Firmen. »Wir müssen zunächst ganz genau verstehen, was der Kunde von uns erwartet, bevor
wir in unseren Entwicklerteams kreativ nach
Lösungen suchen.« Am Anfang der Ideenfindung erfolgen zahlreiche Termine mit dem
Auftraggeber, um »sicherzustellen, dass das
finale Konzept bis hin zur Konstruktion zu
100 Prozent den Anforderungen des Kunden
entspricht«, sagt Mutschelknaus. Manche
Projekte erstrecken sich sogar über ein bis zwei
Jahre, die von intensiver Kooperation mit klarer Zielfokussierung geprägt sind. »Unser
Vorteil aus Kundensicht ist dabei natürlich,
dass wir deutlich zielgerichteter und somit
schneller sind, weil sich die Ingenieure unserer Auftraggeber im Alltagsgeschäft vorwiegend um die laufende Serienbetreuung ihrer
Maschinen zu kümmern haben«, ergänzt
Peter Berner.
Regionale Anbindung des
Personals von Vorteil
So sei es dann auch kein Wunder, dass
einige »Schlüsselkunden« schon seit Jahrzehnten eng mit zwei bis drei Ingenieuren und
Technikern von Berner
zusammenarbeiten.
Warum genau dieses
hochqualifizierte Fachpersonal von Berner Engineering von den Kunden geschätzt wird, liegt
für Peter Berner klar auf
der Hand. »Wir arbeiten
hier alle vernetzt und
denken erstmal unkonventionell und quer.«
Dieser erfahrungsbaBrainstorming der Berner-Ingenieure am Standort Pfullingen
sierte »Outside the BoxBlick« über den Tellerrand
offensichtlich hochzufrieden: »Wir haben alhinaus führe letzten Endes immer zu
lein hier am Hauptstandort in Pfullingen neun
neuen Ansätzen, Ideen und
Mitarbeiter, die seit 25 Jahren dabei sind.« In
Lösungen. Doch gerade
dem Pfullinger Unternehmen setzen sich die
diese Vielfältigkeit der
Projekt-Teams aus einem Mix von erfahrenen
Aufgaben bringt für Berner
und kreativen Kollegen zusammen. »Bei uns
Engineering eine große
kann man extrem viel lernen«, so Peter BerHerausforderung mit sich,
ner und »auch andere sehen, dass unsere
die sich NachwuchssicheStärke darin liegt, Synergien sinnvoll und mit
rung nennt. »Wenn junge,
Mehrwert für den Kunden zu nutzen«. Marc
talentierte Techniker von
Berner, geschäftsführender Gesellschafter der
der Hochschule kommen,
Berner Engineering GmbH, fügt einen weitedann fehlt ihnen natürlich anren, nicht weniger wichtigen Aspekt hinzu:
fangs ganz einfach die Erfahrung – umso mehr
»Bei uns ist das A und O die Teamfähigkeit.«
liegt uns daher die zielgerichtete Förderung
Immer wieder wechseln die Projektteams,
von Absolventen am Herzen«, so Mutschel»die sich natürlich untereinander verstehen
knaus. Und natürlich buhlen auch viele andere
müssen«. Dies gelte aber nicht nur für die einMaschinenbau-Unternehmen in Badenzelnen Standorte, sondern auch länder- und
Württemberg um die besten Ingenieure und
kulturübergreifend, von Pfullingen oder FeldTechniker. Dennoch blickt Berner Engineekirchen bis nach Lenzburg oder Poznan. Die
ring zuversichtlich in die Zukunft und ist sich
Auftraggeber sind jedenfalls laut den Ergebseiner Stärken bewusst. Die werden wiederum
nissen der regelmäßigen Kundenbefragungen
auch von vielen Berufseinsteigern geschätzt.
sehr zufrieden. Berner Engineering sei, so beSo hat das Unternehmen etwa die Erfahrung
tont Peter Berner, heute mehr denn je ein angemacht, dass die regionale Verbundenheit
erkannter und verlässlicher Entwicklungsseines Fachpersonals ein großer Erfolgsfaktor
partner für den Maschinen- und Anlagenbau.
für die Zusammenarbeit sein kann. »Deshalb
freuen wir uns besonders
über Bewerbungen junHauptsitz von Berner Engineering in Pfullingen
ger Talente, die in der
Region
beheimatet
sind«, sagt Peter Berner.
Selbstverständlich sucht
das Pfullinger Unternehmen aber auch auf gängigen Internetportalen
nach qualifiziertem Personal für alle vier Standorte.
Doch wer sich erst einmal für Berner Engineering entschieden hat, ist
Fotos: Berner
schen Berners Ingenieuren und den Fachleuten der Auftraggeber sind dabei wichtig.
Ebenso wie die Möglichkeit, Entwicklungsdaten über eigens eingerichtete Datenleitungen zum Firmennetzwerk der Kunden auszutauschen.
»Hochspannend« ist nach den Worten
von Joachim Mutschelknaus, Prokurist und
teilhabender Gesellschafter von Berner
Engineering, stets der
Beginn einer
Zusammenar-
40
GEA-Wirtschaftsmagazin
Ganz sicher gute Chancen
Die RVM Versicherungsmakler GmbH & Co. KG
(Eningen) profiliert ihre
Nachwuchskräfte mit
eigener Akademie zu
Personalchefin Larissa Lang
mit Auszubildenden bei der
Pflege des Azubi-Auftritts
in Facebook
Kompetenz und Mitverantwortung
Von Ingeborg Kunze
N
ext Generation. Sie bringt: Interesse.
Motivation. Begeisterung. Sie bekommt
bei RVM eine breit angelegte Ausbildung plus
Weiterbildung. Gewinnt Kompetenz. Teambewusstsein. Außenwirkung.
Alles Erfolgserfahrungen junger Menschen
am Beginn ihres Berufswegs bei RVM, dem
unabhängigen Versicherungsmakler-Unternehmen mit Sitz in Eningen, das in Deutschland zu den Top Ten der Industrie-Versicherungsmakler zählt. Das kann ganz schnell in
Karriere münden. Ganz sicher gibt es hier gute
Chancen für Engagierte.
Denn RVM (»Sicherheit aus Leidenschaft«) mit mehr als 160 Mitarbeitern will
und braucht gute Leute. »Wir wachsen«, lautet schlicht die Begründung dafür von Larissa
Lang. Die Diplom-Betriebswirtin hat seit 2011
die Leitung Personal und Verwaltung.
Investitionen in
Ausbildung lohnen sich
Die junge Frau, Modeltyp, superschlank,
strahlendes Lächeln, repräsentiert an dieser
Zentralstelle bereits die Kultur des Unternehmens, welches Bildungswege über Hochschule und Berufsschule hinaus öffnet. Dies
macht RVM konsequent und strukturiert,
zum Beispiel mit einer eigenen Ausbildungsakademie. Neben intensiver Schulung und
Information gehören Gespräche, Begegnungen, Einblicke und Ausblicke zu regelmäßigen
Begleitern der Ausbildungsprogramme.
Der Firmensitz am Auslauf der von Industrie, Gewerbe und Dienstleistern dicht be-
Fotos: RVM
GEA-Wirtschaftsmagazin
setzten Arbachtalstraße in die offene Weite
grüner Landschaft ist für junge Menschen ein
vielversprechender Ausgangspunkt für den
Aufstieg. Seit RVM ausbildet sind stets 100
Prozent der Auszubildenden übernommen
worden. »Unter anderem darin unterscheiden wir uns von vielen Ausbildungsbetrieben
in unserer Branche. Bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen achte ich bereits darauf, dass
wir diesen Menschen auch nach Ablauf der
Ausbildung eine Zukunft bei uns bieten können,« weiß Larissa Lang zu berichten.
Bei RVM ist man »Überzeugungstäter«:
»Investition in eine erfolgreiche Ausbildung
lohnt sich und wird in Zukunft der Garant für
den Mitarbeiternachwuchs bei RVM sein.«
Vom Sachbearbeiter bis zur Fach- oder Führungskraft. Dass dies nicht ein bloßes Lippenbekenntnis ist, zeigt die
Tatsache, dass Auszubildende der
ersten Jahre heute Führungsfunktionen im Unternehmen wahrnehmen.
Wer hier startet, bringt schon mal
Werte mit, zumindest im Ansatz, die
später im weiteren Berufsleben innerhalb und außerhalb des Hauses
zählen. Neugier, Freude, Begeisterung für den Umgang mit Menschen, Lernbereitschaft, Sensibilität,
Fingerspitzengefühl, gutes Benehmen neben fachlichem Interesse als
Grundvoraussetzung, persönlicher
Präsenz, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein. Wer dabei auch leger ist und
offen, auch für lebenslanges Lernen, der ist
bei RVM genau richtig.
Verantwortung
braucht Kompetenz
In diesem Kontext wächst Kompetenz,
Selbstsicherheit, Sprachbewusstsein, Leidenschaft und Dynamik in einem Metier, dessen
Basis Verantwortung, Mitverantwortung ist.
Denn betriebliche Versicherungen sind elementar in der Risikostrategie jedes Unternehmens.
Versicherungsmakler suchen aus dem
Markt Versicherungen aus, die zu den Unternehmen passen, deren Partner sie sind. Und
die Guten in dieser Branche statten die noch
mit Dienstleistungen aus, um ihren Kunden
möglichst viel Transparenz, Schnelligkeit und
Sicherheit bieten zu können. RVM betreut seit
der Gründung 1985 in Reutlingen mittelständische Unternehmen, Verbände, Kommunen und Freiberufler in allen betrieblichen
Versicherungsfragen, national und international: »Maßgeschneiderter Versicherungsschutz und ein umfassender Service für unsere
über Zweitausend Kunden sind unsere
oberste Maxime.«
Wichtig in dem von Erich Burth und Michael Friebe geführten Unternehmen: die eigene wirtschaftliche und rechtliche Unabhängigkeit und die langjährige Zusammenarbeit mit allen renommierten nationalen und
internationalen Versicherungsgesellschaften,
mit der RVM »eine ausgeprägte Markttransparenz erreicht«. Die Basis dafür ist objektive
Beratung, aktuelle Information für Kunden.
ordnet. Der Teamleiter ist während der ganzen Ausbildungsdauer ihr Pate und Partner.
Gebündelte Wissensvermittlung ist hier gewollt.
In Praxisphasen werden sie abwechselnd in
der RVM-Ausbildungsakademie gemeinsam
mit den Mitauszubildenden spartenübergreifend geschult und in ihrem Team ins Tagesgeschäft mit eingebunden. Später durchlaufen
sie interne Fachteams, machen mit dem Paten
Kundentermine, sind integriert in Arbeitsabläufe, betriebliche Funktionsbereiche, Projektaufgaben und den dienstleistungsorientierten Umgang mit Kunden. Larissa Lang zur
Unternehmensstrategie: »Alle unsere Mitarbeiter müssen fachlich auf Top-Niveau sein.«
Brancheninitiative:
»Gut beraten«
Die
inhaltlichen
Schwerpunkte sind alle Sparten der Industrie- und gewerblichen Versicherungen, Kreditversicherungen, betriebliche Altersvorsorge, Privatversicherungen,
Kapitalanlage, Krankenversicherung.
Interessenten mit Abitur und Fachhochschulreife können bei diesem Dienstleister
fachlich qualifiziert dabei sein und mit wachsender Kompetenz Karriereziele erreichen.
Die Mehrzahl der aktuell 22 Auszubildenden
des Unternehmens ist weiblich – sechs junge
Männer und 16 junge Frauen sind dabei, den
»klassischen« Kaufmann für Versicherungen
und Finanzen zu machen oder den Bachelor
of Arts im Studiengang BWL Versicherung.
Das Konzept des Hauses für Bachelor of
Arts: Vom Beginn an sind die Studierenden
einem Stammteam im Unternehmen zuge-
Aber nicht nur bei den Auszubildenden steht die Weiterbildung im
Fokus, sondern für die gesamte Belegschaft. RVM begrüßt die Brancheninitiative »Gut beraten«. Die
Initiative soll allgemein Versicherungsvermittler unterstützen, ihr
Fachwissen stets aktuell zu halten und
zu erweitern, ihre Kompetenzen zur
Kundenberatung im Sinne eines lebenslangen Lernens weiter zu stärken.
Es soll erreicht werden, dass Kunden
eine seriöse und fachlich einwandfreie Beratung gewährleistet werden kann. Dies
sind Tugenden, die bei RVM seit der Firmengründung 1985 ganz oben stehen und
denen RVM ihre Erfolge verdankt. »Deshalb
werden wir die RVM im Rahmen dieser Initiative auch exponiert einbringen. Unter anderem beschäftigen wir uns auch gerade
damit, uns als Bildungsdienstleiter akkreditieren zu lassen«, weiß Larissa Lang
Deshalb auch interne und externe Weiterbildung. Fortbildung wird hier finanziell und
zeitlich gefördert. Ziele können sein: Ausbilder (IHK), geprüfter Fachwirt für Versicherungen und Finanzen (IHK), Versicherungsbetriebswirt (DVA), technischer Underwriter & Haftpflicht-Underwriter.
Das an Mitarbeiter-Qualifikation und
Wachstum interessierte Unternehmen RVM
beteiligt sich grundsätzlich auch an der IHKInitiative Ausbildungsbotschafter, informiert
und gewinnt die »nächste Generation« auf
Messen und an weiterführenden Schulen.
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42
GEA-Wirtschaftsmagazin
»Der
Mensch
macht’s
aus«
Barth Logistikgruppe setzt
auf gut ausgebildete FachFoto Meyer
kräfte. Das Berufsbild
der Fahrer hat sich in den
vergangenen Jahren stark
Von links: Geschäftsführender Gesellschafter Peter-Johannes Barth, Mitglied der Geschäftsleitung
Christoph Kopf und geschäftsführender Gesellschafter Berthold Barth
verändert.
Von Judith Knappe
P
räsent sind in der Region Neckar-Alb vor
allem die blau-gelben Fahrzeuge der
Barth Logistikgruppe. Doch das Unternehmen mit seinem Hauptsitz in Burladingen ist
längst mehr als eine Spedition – es ist Dienstleister mit einem breit gefächerten Portfolio.
Spedition, Transport, Warehousing und Logistik – vor allem auch Pharmalogistik – sind
die Kernkompetenzen des inhabergeführten
Unternehmens. Das Stückgut macht nur noch
ein Drittel des Jahresumsatzes von 67 Millionen Euro aus. »Wir haben ein BranchenKnow-how aufgebaut, insbesondere für die
Mitarbeiter mit Stapler
Pharmaindustrie, Papier und Reifen«, verdeutlicht Peter-Johannes Barth, geschäftsführender Gesellschafter. Die Logistikgruppe
agiert in Süddeutschland, hat aber auch Standorte im angrenzenden Ausland und den neuen
Bundesländern. Das Unternehmen stellt sich
den Herausforderungen dieser Märkte, die
nicht immer ganz einfach sind. »Wir verstehen uns als Architekt für Problemlösungen unserer Kunden.« Hier geht es beispielsweise
um Krankenhaus-Logistik – wie ein aktueller
Auftrag an der Universitätsklinik Freiburg –
oder Logistik bei der metallverarbeitenden Industrie. Diese komplexen Arbeitsfelder müssen von unterschiedlichem Personal bewältigt
Fahrer-Azubi
werden: »Wir brauchen Leute, die im Lager
sauber Paletten bewegen können bis hin zu
Leuten, die studieren und komplizierte Fragestellungen angehen.«
»Menschen muss
man befähigen«
Um diese organisatorischen und logistischen Herausforderungen zu meistern, bedarf
es gut ausgebildeter Fachkräfte. »Fahrzeuge,
IT und Geräte sind nur Instrumente«, sagt
Berthold Barth, geschäftsführender Gesellschafter. »Es kommt auf die saubere Leistung
der Mitarbeiter an.« Für einen Dienstleister
komme es darauf an, welche Menschen wie
zusammenarbeiten. Denn: Bei der Barth Logistikgruppe steht der Slogan »Der Mensch
macht's aus« für Qualität und Service.
»Dazu braucht's Menschen und die muss
man befähigen«, führt Berthold Barth aus. Logistische Besonderheiten und eine Vielzahl an
Zusatzleistungen erfordern ein umfassendes
Knowhow. »Die Spezialwünsche der Kunden
müssen eingebaut werden«, erklärt Peter-Johannes Barth. Das Unternehmen legt auch
deshalb Wert darauf, seine Mitarbeiter selbst
auszubilden. Die Ausbildungsquote, die auch
Studierende beinhaltet, liegt bei 10 Prozent.
Die Übernahmechancen liegen laut Berthold
Barth bei 100 Prozent: »Wir holen unseren
Nachwuchs aus unseren Auszubildenden.«
Bedarf besteht bei Berufskraftfahrern und
Kfz-Mechatronikern. Vor allem das Berufsbild
des Fahrers hat sich stark verändert. »Das ist
ein sehr anspruchsvoller Job«, sagt Peter-Johannes Barth im Hinblick auf Ladungssicherung, Gefahrguttransport und die Beförderung
von wertvollen Produkten. Doch noch immer
hat dieser Beruf ein schlechtes Image. Zu Unrecht, wie Berthold Barth erklärt. »Wenn man
das Bild am osteuropäischen Fahrer auf Autobahnraststätten festmacht, entspricht das
nicht der Realität.« Professionelle Fahrer im
Barth-Netz haben geregelte Arbeitszeiten und
sind am Wochenende zu Hause. »Sie erbringen eine sehr gute Verkehrs- und Versorgungsleistung. Und das nicht auf irgendwelchen Autobahnen, sondern hier.« Hinzu
komme, dass sie Hightech-Maschinen bis zu
500 PS fahren dürfen.
»Vor allem bei den vermittelnden Stellen
ist das Berufsbild zu wenig bekannt«, so Berthold Barth. Um dem entgegen zu wirken, veranstaltet die Barth Logistikgrupppe jedes Jahr
einen Informationstag für die Agentur für Arbeit. Das Unternehmen will damit erreichen,
dass der Beruf realistisch und nicht vorurteilsbehaftet, den Schülern von Haupt-, Werkrealund Realschulen übermittelt wird. »Man
muss deutlich machen, dass der Fahrer auf der
Straße eine Fachkraft ist.« Seit dem 11. September diesen Jahres wird die Berufskraftfahrerqualifikation benötigt, die auch jährliche
Schulungen beinhaltet.
Die Barth Logistikgruppe ist zertifizierter
Ausbildungsbetrieb. Berthold Barth hält Ausbildung für einen wichtigen Bestandteil: »Es
kann nicht jeder Abitur machen, die Gesellschaft lebt davon, dass es für alle Berufsspar-
Fotos: Barth
GEA-Wirtschaftsmagazin
Scannertechnik
ten Nachwuchs gibt.« Auch im kaufmännischen Bereich: Mit mittlerer Reife kann eine
solide Ausbildung erworben werden, beispielsweise als Kaufmann für Spedition und
Logistikdienstleistungen. Und dies immer mit
dem Augenmerk, die Kräfte im eigenen
Unternehmen zu behalten. »Es gehört zur
Unternehmenskultur, dass wir eine hohe
Betriebszugehörigkeit haben«, konstatiert
Berthold Barth. Durchschnittlich 10 bis 15
Jahre sind dabei keine Seltenheit.
Duale Studiengänge für
Spedition und Logistik
Auch seine Führungskräfte bildet das Unternehmen selbst aus. Es bietet duale Studiengänge im Bereich Spedition, Transport, Logistik und Personalmanagement, Personaldienstleistung an. »Hier lernen die jungen
Menschen den Beruf von Grund auf – mit
Theorie und Praxis«, sagt Berthold Barth.
Doch gut ausgebildete Leute sind gefragt:
»Die Besten werden am Markt immer gesucht.« Mit Abwerbungen hat die Logistikgruppe also Erfahrung. »Das ist eben dann
unfair, wenn andere Betriebe gar nicht ausbilden und ihre Mitarbeiter durch Abwerbung
generieren.« Denn ausbildende Unternehmen stecken eine Menge Geld in ihre Kräfte,
auch in puncto Weiterbildung. »Es gibt ein
laufendes Training on the job«, sagt Berthold
Barth. Dazu gehören nicht nur wöchentliche
Teambesprechungen, sondern auch die Kontrolle von Arbeitsprozessen und die damit ver-
bundene persönliche Weiterentwicklung,
Trainings und Seminarprogramme. »Deshalb
wollen wir vor allem Leute ausbilden, bei
denen die Chance besteht, dass sie bleiben.«
An allen Standorten werden die Ausbildungsberufe an Schulen beworben, um die
jungen Leute im direkten Umfeld zu erreichen. Doch das reicht längst nicht mehr aus.
In Zeiten sozialer Netzwerke ist nichts aussagekräftiger als die Empfehlung von Freunden – »überzeugen durch Zeugen«. Die
Barth Logistikgruppe will auch dort aktiv werden: Geplant ist eine Facebook-Azubi-Seite
als Ergänzung zur bestehenden Azubi Seite
(www.barth-azubi.de).
Barth Logistikgruppe
• 650 Mitarbeiter
• 14 Standorte (Burladingen, Wendlingen, Gundelfingen, Langweid-Foret,
Donaueschingen, Cottbus, OberRamstadt, Kandel, Unterschleißheim,
Freiburg, Hechingen, Landau, Umkirch,
Frankreich: Ennery - Metz)
• 250 Fahrzeuge im Selbsteintritt
• 67 Millionen Euro Umsatz
• Mittelständisches, inhabergeführtes
Unternehmen seit 1948
• Geschäftsführende Gesellschafter in
zweiter Generation Berthold Barth und
Peter-Johannes Barth
• Selbsteintritt, Speditionskooperation
und Partner für europaweite Logistikdienstleistungen
• Logistikdienstleistung mit Warehousing, value added services und sich am
Kundenprodukt orientierende IT-Prozesse
43
44
GEA-Wirtschaftsmagazin
Arbeitssicherheit
geht jeden an
Die DEKRA Akademie
Reutlingen bietet
in Altensteig-Wart
Schulungen und
Seminare an.
Von Uwe Körting
U
ns wird schon nichts passieren« lautet auch im Jahr 2013 für die
Mehrheit der Unternehmen die Devise. Denn 72 Prozent der Befragten schätzen die Gefahr in ihrem Unternehmen geringer oder eher
geringer als in anderen Branchen ein.
Damit verharmlosen fast drei Viertel die bestehenden Risiken für
einen Unfall. Ein gravierender Fehler. Denn wer sich über eine mögliche Gefährdung nicht im Klaren ist, wird auch nicht nach Maßnahmen
suchen, um präventiv dagegen vorzugehen.
Gefährdungsbeurteilung
ist ganz wichtig
Die Selbsteinschätzung der Unternehmen steht auch im Gegensatz
zu den Fakten und den erwartbaren Ausfällen bei einem Arbeitsunfall.
46 Prozent der befragten Unternehmen sind dem produzierenden Gewerbe und der Industrie zuzurechnen. Laut einer Untersuchung der
BAuA ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage in diesem Bereich mit
15,8 pro Jahr am höchsten. Bundesweit summieren sich diese auf 114,8
Millionen Ausfalltage. Die zweithöchste Quote der Arbeitsunfähigkeitstage weist die Statistik für öffentliche und private Dienstleistungen
aus. Ein Bereich, in dem die Unternehmen selbst ein eher unterdurchschnittliches Unfallrisiko sehen.
Gefährdungsbeurteilung: noch immer nicht selbstverständlich. Sie
ist das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz. Trotz der
gesetzlichen Verpflichtung hat aber jedes zehnte Unternehmen noch
keine. Nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Unfallverhütungsvorschrift »Grundsätze der Prävention« sind alle Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Sie ist die Grundlage für ein systematisches sowie gelungenes Sicherheits- und Gesundheitsmanagement und trägt somit erheblich zum Erfolg des Unternehmens bei.
Dekra bietet entsprechende Kursangebote an. Bereits zum dritten
Mal hat DEKRA Unternehmen aus allen relevanten WirtschaftsbereiAusbildungszentrum in Altensteig-Wart
45
GEA-Wirtschaftsmagazin
Fotos: Dekra
chen für das Arbeitssicherheitsbarometer befragt. 799, mehr als jemals
zuvor, haben sich an der Online-Befragung beteiligt.
Für das Arbeitssicherheitsbarometer 2013 hat DEKRA zufällig ausgewählte Kunden per E-Mail zu einer Befragung eingeladen. Aufgrund
der Unternehmenstypologie und der Unternehmensgröße der beteiligten Unternehmen ist die Befragung besonders aussagekräftig für den
industriellen Mittelstand bis 500 Beschäftigte. Diese haben den Spagat
zwischen steigenden Anforderungen der Gesetzgeber, der Unfallversicherer, aber auch der Arbeitnehmer an den aktiven Arbeits- und Gesundheitsschutz einerseits und den limitierenden fachlichen, strukturellen und zeitlichen Gegebenheiten andererseits zu bewältigen. Immer
mehr nutzen deshalb bei Analyse, Beratung, Coaching und Umsetzung
die Unterstützung von externen Experten. Potenzial besteht dort vor
allem bei der Einführung eines Arbeitsschutzmanagements.
Experten ...
Managementsysteme
reduzieren Risiken
Während bei 68 Prozent der befragten Unternehmen ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt ist und 26 Prozent ein Umweltmanagementsystem nutzen, geben nur 15 Prozent an, nach einem Arbeitsschutz-Managementsystem wie OHSAS oder SCC zertifiziert zu sein.
Diese vergleichsweise geringe Quote ist sicherlich der besonderen Struktur des Arbeitsschutzes in Deutschland geschuldet. Dieser ruht, anders
als in vielen Nachbarländern, auf zwei Säulen: Die staatliche Aufsicht
der Länder kontrolliert die Einhaltung der staatlichen Vorschriften, die
Unfallversicherungsträger konzentrieren sich bei Rechtsetzung, Prävention und Überwachung auf die jeweiligen Branchen. Diese Regulierung durch unterschiedliche Institutionen führt dazu, dass viele Unternehmen davon ausgehen, mit der Umsetzung der zahlreichen Vorschriften sei quasi ein Arbeitsschutzmanagement vorhanden.
Aber Arbeitsschutzmanagement ist mehr: Planung, Umsetzung,
Überprüfung, Bewertung und nicht zuletzt die ständige Verbesserung
folgen der gleichen Systematik wie bei anderen Managementsystemen
– auch deshalb kann Arbeitsschutzmanagement in ein bestehendes
Managementsystem integriert werden. Eine wesentliche Hilfestellung
dazu gibt der nationale Leitfaden zum Aufbau eines Arbeitsschutzmanagements.
Die Einführung eines Arbeitsschutz-Managementssystems reduziert nicht nur
die Unfallrisiken und vermeidet Sachschäden, sondern reduziert die Kosten durch die
Vermeidung von redundanten Aktivitäten, schafft Transparenz bei Verantwortlichkeiten, notwendigen Maßnahmen und Überprüfungen
und stabilisiert betriebliche
Prozesse. Nicht zuletzt profitieren davon die Führungskräfte und Mitarbeiter, die
den Rahmen kennen, in dem
... führen Schulungen durch
sie Verantwortung tragen. Basis für die Anforderungen der DIN SPEC
91020 ist ein bestehendes Managementsystem, beispielsweise nach ISO
9001, ISO 14001, SCC oder BS OHSAS 18001. Insgesamt 90 Prozent
der Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt und setzen das
Managementinstrument Gefährdungsbeurteilung intern oder mit externer Unterstützung um oder aktualisieren diese. Die Gefährdungsbeurteilung ist als Schlüssel zu mehr Arbeits- und Gesundheitsschutz
sehr wichtig und schafft nachhaltigen Nutzen.
Messbare Ziele sind ein wichtiges Instrument für eine erfolgreiche
Unfallverhütung. Das Fazit: Neben den direkten Folgen von Arbeitsunfällen haben die Unternehmen noch zu wenig den Produktionsverlust im Blick: Immerhin gehen durch Arbeitsunfähigkeit jährlich mehr
als 68 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung verloren. Ein Arbeitsunfall zieht in den meisten Fällen auch einen Produktionsausfall nach sich.
Denn dort, wo ein Mitarbeiter ausfällt, stockt die Produktion. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kostet ein Produktionsausfall im produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) rund 127
Euro pro Tag. Dazu kommen 198 Euro Bruttowertschöpfungsausfall.
Gesamtbetrag: 325 Euro pro Tag Arbeitsunfähigkeit. Die Kosten für
Ersatzarbeitskräfte und Qualitäts- beziehungsweise Servicemängel summieren sich je nach Branche auf weitere 400 bis 500 Euro für jeden Tag
der Arbeitsunfähigkeit. (www.dekra-akademie.de/altensteig_wart)
46
GEA-Wirtschaftsmagazin
Zwischen Spitzenforschung
und Anwendungsorientierung
Auf Augenhöhe mit den besten Forschungsuniversitäten
der Welt – dies ist das erklärte Ziel der Eberhard Karls
Universität Tübingen. Als eine von elf deutschen Exzellenzuniversitäten setzt sie auf ein breites Fächerspektrum
und die sich daraus ergebenden Chancen für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Verstärkt im Fokus steht auch die
Zusammenarbeit mit Industrie und Wirtschaft.
Von Ingeborg Kunze und Volker Kurz
D
as Zukunftskonzept mit dem programmatischen Titel »Research. Relevance. Responsibility« gibt den Weg vor, auf
dem die Universität Tübingen in den kommenden Jahren zur Weltspitze aufschließen
will. Beim Tübinger Erfolg in der Exzellenzinitiative stehen insgesamt fünf Bereiche im
Mittelpunkt: Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, eine besondere
Qualifizierungsoffensive für junge Wissenschaftlerinnen, Maßnahmen zur Verbesserung
der Gleichstellung, der Aufbau einer hochmodernen wissenschaftlichen Infrastruktur
durch interdisziplinär nutzbare »Core Facilities« sowie eine umfassende Internationalisierung der Universität, die sämtliche Ebenen
umfasst.
Als wichtiger Schwerpunkt neben dem Ausbau der international sichtbaren Spitzenforschung kommt nun eine stärkere Verknüpfung der Grundlagenforschung mit Anwendungsorientierung und Technologietransfer
im Zusammenspiel mit der regionalen Wirtschaft und Industrie hinzu. Von besonderer
Bedeutung hierbei ist die Medizintechnik: In
Kooperation mit der Universität Stuttgart und
Unternehmen aus der Region bietet die Universität Tübingen einen bundesweit einzigartigen Bachelor-Studiengang in diesem Bereich an.
Ausgründungen von Absolventen und
Nachwuchswissenschaftlern haben vor allem
im Bereich der Impfstoffforschung, der Gen-
technologie und in der Medizintechnik zu erfolgreichen Unternehmen geführt. Um Existenzgründer nachhaltig zu unterstützen und
den Technologietransfer in die regionale Wirtschaft reibungslos zu gestalten, gibt es spezielle
Angebote für gründungswillige Teams und
Einzelpersonen. Wissenschaftler werden im
Hinblick auf Patentierung und Lizenzierung
ihrer Forschungsergebnisse beraten.
Als weitere Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung
dienen auch die neu eingerichteten »Industry on Campus-Professuren«. Hierbei handelt
es sich um eine besondere Chance, die Kompetenz außeruniversitärer Experten in Forschung und Lehre praxisnah einzubinden.
Während Industriepartner ihren Beitrag durch
partielle Freistellung ihrer Mitarbeiter leisten,
unterstützt die Hochschule die Projekte durch
eine angemessene Ausstattung. Gemeinsam
mit Grundlagenforschern der Universität Tübingen sollen die »Industry on Campus«Professuren Fragestellungen im Vorfeld
industrieller Anwendung untersuchen.
Dem Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut an der Universität Tübingen (NMI) schließlich kommt eine Pionierrolle in einem weiteren Zukunftsfeld von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung zu. Das
NMI, ein Forschungsinstitut der Innovationsallianz Baden-Württemberg, betreibt anwendungsorientierte Forschung an der
Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern erschließt und entwickelt neue
Technologien für Unternehmen und öffentliche Forschungsförderer in den Geschäftsfeldern Pharmakologie und Biotechnologie,
Biomedizintechnik sowie Oberflächen- und
Werkstofftechnologie.
Neben der Medizintechnik und den Naturwissenschaften ist ein weiteres Problemfeld
von gesamtgesellschaftlicher Relevanz in den
Blick der anwendungsorientierten Grundlagenlagenforschung gerückt: Mit Professor Ulrich Trautwein beschäftigt sich einer der bundesweit renommiertesten Bildungsforscher
mit Fragen zur Vergleichbarkeit von Schulleistungen, der Wirksamkeit von pädagogischen Konzepten und der Ausbildung von
hochqualifizierten Nachwuchsforschern.
Hierzu hat die Universität Tübingen in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Wissensmedien jüngst die Graduiertenschule
LEAD (»Learning, Educational Achievement,
and Life Course Development«) ins Leben
gerufen, die zuverlässige Antworten auf diese
wichtigen Fragen geben soll.
Anwendungsorientierte Forschung mit hoher
gesellschaftlicher Relevanz: Empirische Bildungsforschung
GEA-Wirtschaftsmagazin
DIE EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
Fotos: Universität Tübingen
Innovativ. Interdisziplinär. International. Seit 1477. Die Universität Tübingen verbindet diese Leitprinzipien
in ihrer Forschung und Lehre, und
das seit ihrer Gründung. Sie zählt zu
den ältesten und renommiertesten
Universitäten Deutschlands. Im Exzellenzwettbewerb des Bundes und
der Länder konnte sie sich mit ihrem
Zukunftskonzept durchsetzen und
gehört heute zu den elf deutschen
Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. Dass Tübingen
eine hervorragende Forschungsuniversität ist, hat sich auch in weiteren
nationalen und in internationalen
Wettbewerben immer wieder gezeigt: So wurde die Universität
Tübingen in den wichtigsten Hochschulrankings der vergangenen Jahre Ein wichtiges Scharnier zwischen Wissenschaft und regionaler Wirtschaft: Ausgründungen
sowohl in den Geistes- und Sozial- der Universität Tübingen
wissenschaften wie auch in den Leund Medizin bis hin zu Nano-Science und Islamischer Theolobens- und Naturwissenschaften als Spitzenuniversität ausgie. Forschungsorientiertes Lernen, persönliche Betreuung und
gewiesen.
ein hoher Praxisanteil im Studium sind in Tübingen besonders
Ihre Exzellenz in der Forschung bietet den aus aller Welt
wichtig: CampusTV und Universitätsradio laden zum Mitkommenden Studierenden der Universität Tübingen optimale
machen und praktischem Lernen ein, die Kurse im Studium
Bedingungen für ihr Studium, verbunden mit der Möglichkeit,
Professionale ermöglichen den Erwerb von überfachlichen,
persönliche Akzente und Schwerpunkte zu setzen. Das attrakberufsfeldorientierten Kompetenzen, wie etwa Grundlagen
tive Lehr- und Lernumfeld wird durch zahlreiche zusätzliche
grafischer Gestaltung, Schreib- und Redekompetenz oder
Angebote wie etwa das Fachsprachenzentrum oder das StuBewerbungstraining. In der Reihe Studium Generale gibt es
dium professionale erVorträge zu medizinischen Themen, Politik, Theologie, Philogänzt. Das Motto der
sophie und Ethik.
Universität spricht für
Darüber hinaus unterstützt die Universität Tübingen ihre
sich selbst: attempto Studierenden auch bei der Jobsuche: Der Career Service berät
ich wag‘s!
bei Fragen der Berufsorientierung und gibt Hinweise zu
Ihren derzeit rund
Praktika, hilft bei Bewerbungen und informiert über die Mög28 500 Studierenden
lichkeiten und Stolpersteine wissenschaftlicher Karrierewege.
eröffnet die Universität
Vereinbarungen der Universität Tübingen mit über 180 PartTübingen ein breites
nerinstitutionen auf der ganzen Welt bieten konkrete AnsatzSpektrum an Fächern,
punkte für Auslandssemester und internationale Praktika. TüStudiengängen und
bingen ist auch für Studierende, Nachwuchswissenschaftler
Abschlüssen. Als klassiund Hochschullehrer aus dem Ausland eine beliebte Adresse,
sche Volluniversität
um hier für einige Zeit zu forschen, zu lehren oder zu lernen.
bietet sie knapp 300
Graduierten- und Promotionskollegs nach internationalem
verschiedene StudienVorbild fördern und fordern den wissenschaftlichen Nachgänge in den Geistes-,
wuchs. Strukturierte Promotionsprogramme sorgen für optiNatur- und Lebenswismale Betreuung und zielgerichtete Weiterqualifikation. Nicht
senschaften an: von
nur als eine der besten Universitäten Deutschlands ist die Eberder Archäologie über
hard Karls Universität Tübingen bekannt, sondern auch als
Germanistik, Betriebsattraktiver Ausbildungsort.
wirtschaft, Biochemie
47
GEA-Wirtschaftsmagazin
Foto: Bosch
48
Das Beste aus zwei Welten
Am Robert Bosch Zentrum für Leistungselektronik in
Reutlingen-Rommelsbach arbeiten Studierende und
Doktoranden der Hochschule Reutlingen und der
Von Marion Schrade
W
arum braucht ein Laptop immer
noch ein klobiges Netzteil, wenn es
zum Aufladen an die Steckdose muss? Und
wieso dringen aus dem Autoradio manchmal aus unerfindlichen Gründen Störgeräusche? Mit solchen Fragestellungen und
vor allem den Lösungen derartiger Probleme befassen sich die Professoren, Doktoranden und Studenten am Robert Bosch
Zentrum für Leistungselektronik (RBZ) in
Rommelsbach. In einer bundesweit einzigartigen Kooperation haben die BoschGruppe, die Hochschule Reutlingen, die
Universität Stuttgart und das Land BadenWürttemberg 2009 das RBZ auf dem Gelände des ehemaligen Bosch-Fertigungsstandorts eingerichtet.
In speziellen Studiengängen und Forschungsprojekten sollen Fachkräfte ausgebildet werden, die Bosch und andere Unternehmen dringend brauchen: hochspezialisierte Elektronik-Ingenieure. Das Gebiet der Leistungselektronik befasst sich mit Zukunftstechnologien, die eng mit der Energiewende verknüpft sind und deshalb auch von hohem gesellschaftlichem Interesse
sind. Die Ingenieure entwickeln beispielsweise Bauelemente und Komponenten, die für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, aber auch für Fotovoltaik-Systeme, Medizin- und Haustechnik genutzt werden. Oft geht es
hierbei um die Wandlung elektrischer Energie zwischen Erzeuger und
Verbraucher, beispielsweise in Motorsteuerungen, Fotovoltaik-Wech-
Fotos: Niethammer
Universität Stuttgart gemeinsam an Zukunftsthemen.
selrichtern oder Steckernetzteilen. Auch die
Frage, wie Störungen, ausgelöst durch benachbarte elektronische Bauteile –Beispiel
Autoradio – vermieden werden können,
spielt eine wichtige Rolle.
Mikrochips für
Autos und Züge
Sechs Professoren – drei aus Reutlingen,
drei aus Stuttgart – arbeiten am RBZ interdisziplinär zusammen, am Standort Rommelsbach und an der Universität Stuttgart.
In Rommelsbach lehren und forschen sie
mit ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern
und Studenten auf 1 300 Quadratmetern,
die mit Hörsälen und hochwertigen Labors
ausgestattet sind. Auf Basis der Kooperation
ist an der Hochschule Reutlingen eigens ein
neuer Master-Studiengang entwickelt worGroße lichte Räume ... den: Die Studenten der »Leistungs- und
Mikroelektronik« lernen in vier Semestern,
Bauelemente, Schaltungen und Systeme zu entwickeln und einzusetzen.
Sie entwerfen beispielsweise mit modernen Software-Werkzeugen selbst
einen Mikrochip. Die komplexen Bauteile sind in vielen modernen Produkten eingebaut – Autos, Robotern, Navigationsgeräten oder Hochgeschwindigkeitszügen. Das Pendant zum Reutlinger Studiengang ist an
der Universität Stuttgart der Master-Studiengang Elektro- und Informationstechnik mit dem Wahlschwerpunkt Mikro-, Opto- und Leistungselektronik.
GEA-Wirtschaftsmagazin
Zwei Mal im Jahr hat das RBZ an der Hochschule Reutlingen 15 Stu- nach Reutlingen und verfasste seine Master-Thesis bei Bosch USA in
dienplätze zu vergeben, die Zahl der Bewerber ist mehr als doppelt so Palo Alto im Silicon Valley. Der Ansatz des RBZs, wissenschaftlich zu arhoch. Die Zusammenarbeit mit der Uni Stuttgart öffnet denjenigen, die beiten, dabei aber nie die wirtschaftliche Verwertung des Ergebnisses aus
von der Fachhochschule kommen, einen Weg, der sonst mit einigen den Augen zu verlieren, hat den jungen Mann schließlich dazu bewogen,
Hürden verbunden ist: Auch sie können ihrem Studium eine Promo- die Promotion dranzuhängen. Die jungen Wissenschaftler forschen nicht
tion anschließen – ein Möglichkeit, die rund ein Drittel der Master-Ab- im luftleeren Raum. Ihr Ziel ist es, wie auch Master-Student Andreas
solventen des ersten RBZ-Jahrgangs wahrgenommen hat. Diese Quote Schmid betont, praxisrelevante Ergebnisse vorzulegen. Manchmal wird
sogar im Auftrag von Industrieliegt deutlich über dem Durchpartnern – Bosch, aber auch andeschnitt: Nur etwa 10 bis 20 Prozent
ren Unternehmen – geforscht. In
der deutschen Ingenieure streben
solchen Projekten, erläutert
einen Doktortitel an.
Dr. Axel Wenzler, Abteilungsleiter
Insgesamt werden mehr als 30
Integrierte elektronische SchaltMillionen Euro über rund zehn
kreise bei der Robert Bosch GmbH
Jahre in fünf neue Professuren und
am Standort Reutlingen, bekomInfrastruktur investiert. Bosch
men die Promotionsstudenten rebringt etwa 20 Millionen Euro, das
gelmäßig fachliches Feedback vonLand Baden-Württemberg über 10
seiten der Industrie.
Millionen Euro in Personal, in WisDie Möglichkeit der interdiszipsenschaft und Verwaltung sowie Inlinären Forschung im Verbund
frastruktur ein. Um den finanziellen
und die Bildung von Netzwerken
Spielraum des RBZ zu erweitern
sind die Aspekte, die Professor Dr.und weitere Forschungsstellen zu Professor Bernhard Wicht (von links), Doktorand Daniel Lutz und Student
Andreas Schmid im Gespräch mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin
Ing. Bernhard Wicht an der Kofinanzieren, bewerben sich die Wisoperation besonders schätzt: »Wir
senschaftler auch um Fördergelder.
Bernhard Wicht, einer der drei Reutlinger Professoren am RBZ, ver- haben das Beste aus zwei Welten«, sagt er. »Das anwendungsorientierte
deutlicht, wie viel Aufwand dahinter steckt. Ein 15- bis 20-seitiger För- Denken der Fachhochschulen und die wissenschaftliche Tiefe der Uniderantrag bedeutet viel Arbeit, die Chancen, in attraktive Programme versität.« Beide existieren, was das RBZ angeht, nicht getrennt voneiaufgenommen zu werden, liegen bei 15 bis 30 Prozent. »Das Geld liegt nander, sondern werden eng miteinander verknüpft. Teams beider Hochauch bei Themen wie erneuerbaren Energien nicht auf der Straße,« sagt schulen arbeiten gemeinsam an ihren Projekten, ebenso die insgesamt
Wicht , »trotzdem ist das RBZ gut drei Jahre nach dem Start auf be- sechs Professoren. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie in internationalen
Publikationen oder stellen sie auf Fachkongressen vor. So nimmt auch
achtliche 19 Mitarbeiter angewachsen, Tendenz steigend.«
die Welt außerhalb der Hochschulen Notiz von den Leistungen der jungen Wissenschaftler, denen nach dem Studium oder der Promotion viele
Fachleute haben
Türen offen stehen. Elektronik-Ingenieure sind begehrte Fachkräfte –
Karrierechancen
bei Bosch und vielen anderen Unternehmen rund um den Erdball. »Um
weiterhin innovative Technik fürs Leben zu entwickeln, benötigen wir
Einer von derzeit 15 Rommelsbacher RBZ-Doktoranden ist der 27- begeisterte junge Ingenieurinnen und Ingenieure«, betont Dr. Axel
jährige Daniel Lutz, der seit September an seinem Forschungsprojekt ar- Wenzler.
beitet: Drei bis fünf Jahre lang wird
er sich mit der Frage auseinander- ... fördern die Arbeitsmotivation
setzen, wie großvolumige Netzteile
durch einen kleinen Mikrochip ersetzt werden können, der direkt ans
230-Volt-Netz angeschlossen wird
– beispielsweise für besagten Laptop, der dann um ein sperriges Bauteil erleichtert wäre. Aber nicht nur
das: Auch die Verlustleistung würde
damit minimiert und Energie eingespart. »Low Power« ist eines der
Leitmotive im Zeitalter der Energiewende. Daniel Lutz hat in Göppingen Elektrotechnik studiert,
wechselte zum Master-Studium
49
50
GEA-Wirtschaftsmagazin
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GEA-Wirtschaftsmagazin
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51
52
GEA-Wirtschaftsmagazin
Der Kick für den Berufsalltag
Bisher war es immer so: Lief die Wirtschaft gut und sank die Zahl der
Arbeitslosen nahm auch das Interesse an Weiterbildung ab. Doch die
Einstellung hat sich gewandelt: Statt lästiger Übung ist Weiterbildung
mittlerweile der Kick für den Berufsalltag.
Von Peter Backhaus
F
ast 1 700 Weiterbildungsprüfungen wurden im vergangenen Jahr
vor der IHK Reutlingen abgelegt. »Das Interesse, das eigene berufliche Fortkommen über eine Weiterbildung voranzutreiben,
nimmt immer weiter zu«, sagt Walter Herrmann, Bereichsleiter Ausund Weiterbildung und stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer. Bei der für die Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb
zuständigen IHK wurden 2013 fast acht Prozent mehr Prüfungen im
Bereich des beruflichen Aufstiegs abgenommen als im Jahr zuvor.
Die Weiterbildung zur Ausbilderin und zum Ausbilder liegt mit
479 absolvierten Prüfungen deutlich vorne. Im technischen Bereich
ist der »Industriemeister Metall« mit 299 Prüfungsteilnehmern und
im kaufmännischen Bereich der Wirtschaftsfachwirt mit 378 mit Abstand die häufigste Weiterbildung. Zusammen machen diese drei
Weiterbildungen bei der IHK fast 70 Prozent der Prüfungen aus. Sie
zeigen zugleich: Wer sich weiterbildet, macht das in aller Regel neben
der Arbeit, eben berufsbegleitend, mit Kursstunden am Abend und
am Wochenende.
Mittelstand
bildet weiter
Erfreulich aus Sicht der IHK: Immer häufiger ist Weiterbildung
auch im Mittelstand ein Thema. Ein Großteil der Prüflinge kommt
mittlerweile aus diesen Betrieben. »Früher war Weiterbildung doch
eher eine Domäne der ganz großen Firmen«, sagt Hermann Dörrich, Leiter der IHK-Weiterbildung. Das lässt sich beispielsweise an
der erst im letzten Jahr gegründeten Technikakademie festmachen.
Sie bietet eben technische Weiterbildungen an und wird vor allem
von Firmen angefragt, die keine eigenen Aus- und Weiterbildungsstätten im Hause haben und gerne auf das neue Angebot zugreifen.
Die ersten Kurse wie der Aufstiegslehrgang zum Industrietechniker
(IHK) oder der Zertifikatslehrgang zur Elektrofachkraft sind ausgebucht.
Vor allem im Bereich der Technik erwartet die IHK in den kom-
menden Jahren eine steigende Nachfrage. Grund ist der aufkommende Fachkräftemangel. Er wird der Region Neckar-Alb in den
kommenden Jahren eine Lücke von Mitarbeitern mit technischem
Hintergrund in einer Größenordnung von 8 000 Köpfen bescheren.
Weil entsprechend qualifizierte Beschäftigte kaum zu bekommen
sind, gewinnt die Weiterbildung eigener Mitarbeiter enorm an Bedeutung. In der Planung sind daher Seminare wie »Messen und Prüfen im Industriebereich« und IHK-Zertifikatslehrgänge wie die
»Fachkraft für Robotik«.
Keine
Altersgrenze?
Weiterbildung ist mittlerweile auch altersunabhängiger geworden.
Die Teilnehmer werden zwar einerseits immer jünger, weil viele sehr
bald nach der Lehre die erste Aufstiegsfortbildung machen. Andererseits merken auch die Älteren, dass sie nicht stehen bleiben dürfen. »Wir sehen das bei unseren Seminaren: Mehr Ältere kommen«,
sagt Hermann Dörrich und prognostiziert, dass man auf Dauer sicher
die Angebote trennen muss. »Auf der einen Seite die Jüngeren, die
lernbegierig und oft sehr schnell sind. Auf der anderen Seite sehe ich
die Teilnehmer, die mit viel Erfahrung zu uns kommen, diese auch
einbringen wollen und sollen, aber andere Lernwege brauchen, um
Spaß an der Weiterbildung zu haben.«
Lieber direkt
und persönlich
Das Thema Online-Lernen hat sich nach Eindruck der IHK Reutlingen noch nicht durchgesetzt. »Die Kunden schätzen nach wie vor
die unmittelbare Betreuung durch Dozenten und den direkten und
persönlichen Kontakt zu den Mitlernenden«, beobachtet Dörrich.
Insofern finden die meisten Weiterbildungen klassisch in der Gruppe
statt; dies gleichwohl mit neuen Lernmethoden wie zum Beispiel
Gruppen- und Projektarbeiten. Wer sich weiterbilden will, kann sich
GEA-Wirtschaftsmagazin
übrigens oft fördern lassen. Die bei der IHK dominierende berufsbegleitende Aufstiegs-Weiterbildung wird in der Regel
über das sogenannte »Meister-Bafög« gefördert.
Mehr Geld,
bessere Position
Apropos Geld. Weiterbildung lohnt sich. Laut jüngster
bundesweiter Befragung von Absolventen der IHKWeiterbildung erreichten 74 Prozent der erfolgreichen Absolventen höhere berufliche Positionen, 69 Prozent verbesserten sich finanziell. Die Absolventen, das sind in der
Regel Fachwirte, Industriemeister
oder Betriebswirte, berichten, dass
sich die Weiterbildung sogar oft
schnell auszahlt: Für 70 Prozent der Aufsteiger ging es
gleich im ersten Jahr die
Karriereleiter nach oben.
Ähnliches Bild beim Gehalt: Zwei Drittel derjenigen, die sich verbesserten, erreichten das
finanzielle Mehr schon
im Jahr nach der Prüfung.
Interessant: Die Gehaltszuwächse durch
Weiterbildung betragen
in einem Viertel der Fälle
mindestens 750 Euro
brutto pro Monat. Dabei
sind die Zuwächse keine
Frage des Alters: Ob alt oder
jung, Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die sich erfolgreich
weiterbilden, haben unabhängig
von der Altersgruppe eine Chance auf
Lohnsteigerung.
Noch vor wenigen Jahren hieß es regelmäßig, die Leute hätten »ausgelernt«. »Das ist
glücklicherweise vorbei«, sagt Hermann Dörrich.
»Die Welt dreht sich immer schneller und unsere Kunden wollen für sich dranbleiben. Die Einstellung ist heute eine
andere: Weiterbildung wird als gute Sache wahrgenommen
und nicht als lästige Übung.«
Foto: Fotolia
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GEA-Wirtschaftsmagazin
Kann man eigentlich »auslernen«? Wer kleine Kinder
erlebt, wie sie ihre Welt
entdecken und Wissen
förmlich aufsaugen, weiß:
Das geht nicht. Im Gegenteil: Kinder lassen sich fordern. Und wenn man es
richtig macht, funktioniert
das auch bei Jugendlichen
und Erwachsenen. Eine
kleine Bildungsbiografie im
Zeitraffer.
So funktioniert
lebenslanges Lernen
U
S
Von Christoph Heise
ophia ist fünf und ein begeistertes Kindi-Kind. Kein Wunder:
47 Spielkameraden locken jeden Morgen aufs Neue. Ihr persönliches Highlight erlebt Sophia am Donnerstag. Dann ist im Kindergarten Forschen angesagt: Ob Sprudelgas zum Selbermachen, Magnete,
die auch aus Entfernung Dinge anziehen, oder der lustige Flaschentornado – das »Haus der kleinen Forscher« macht es möglich.
370 Kindergärten aus den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und
Zollernalb gehören mittlerweile zum »Haus der kleinen Forscher
Neckar-Alb«. Über 3.000 Erzieherinnen und Erzieher wurden
regional seit Start des Projekts in 2008 geschult. Das Ziel: Kinder
sollen über spielerische Experimente mit vermeintlich kleinen
Alltagsphänomenen Zugang zu Technik und Naturwissenschaften
bekommen. Es funktioniert: In sechs von zehn Kindergärten der
Region wird mittlerweile einmal in der Woche geforscht. Die IHK
organisiert das »Haus der kleinen Forscher« für die Region NeckarAlb. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp. »Wir haben
selten so viel nettes, herzliches und uns bestärkendes Feedback
bekommen wie bei diesem Projekt. Die Kinder und die Kindergärten lieben das ›Haus der kleinen Forscher‹.«
nsere Sophia wächst. Mittlerweile ist sie sieben, ein Schulkind und
lernt schon das Abc und Rechnen bis 100. Ihre Wissbegierde ist
immer mit dabei und so muss sich ihre Lehrerin auf viele Fragen gefasst
machen. »Frau Ritter, sag mal…« heißt es oft. Dann weiß die Grundschulpädagogin, dass es jetzt wieder kniffelig wird. Oder können Sie
erklären, wer im Wald die Blätter aufräumt, ob Luft etwas wiegt oder
warum der Fernseher überhaupt die vielen bunten Bilder zeigt?
Grundschule heißt eben auch den Dingen auf den Grund zu
gehen.
Das von der IHK entwickelte Projekt »MINT Kids«
bringt die Idee vom Forschen in die Grundschule,
zum Teil sogar in Kooperation mit heimischen Hochschulen. Aus dem kindlichen Staunen soll nun
Verstehen und Wissen werden. Durch Angebote des
freien Forschens und Experimentierens im Rahmen
der Nachmittagsbetreuung lässt sich ein fließender
Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule schaffen. Die Begeisterung der Kinder für
naturwissenschaftliche Phänomene wird aufgegriffen
und ihr Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Fragen vertieft. Und ganz nebenbei fördert das
Forschen und Experimentieren die Lern-, Sozial- und Sprachkompetenz der Sechs- bis Zehnjährigen.
GEA-Wirtschaftsmagazin
S
S
ophia ist jetzt auf der Realschule und auf dem
besten Weg, eine junge Dame zu werden.
Was die Zukunft bringen wird, weiß sie noch
nicht so richtig. Aber mit Technik sollte
es schon zu tun haben. Da kommt die
Einladung des benachbarten Maschinenbaubetriebs genau richtig. Die
Klasse darf vorbeikommen und in
die Produktion und in die Lehrwerkstatt schauen. Am Ende des
Nachmittags folgt noch eine Offerte: Alle Schülerinnen und Schüler, die wollen, können ein Schnupperpraktikum in der Werkstatt machen. Das lässt sich Sophia nicht
zweimal sagen und ist dabei. Möglich
macht dies die Bildungspartnerschaft
zwischen der Realschule und dem Betrieb.
»Coole Sache«, findet Sophia.
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Seit zehn Jahren bringt die IHK-Initiative »Wirtschaft macht Schule« heimische Betriebe und weiterführende Schulen zusammen. Es geht darum, noch mehr Praxisbezug in den Unterricht zu bringen und Jugendliche bei der
Berufswahl unterstützen. Schule und Partnerbetrieb legen im Rahmen ihrer sogenannten »Bildungspartnerschaft« ein Kooperationsprogramm fest. Das bietet Schülerinnen und Schülern Zugang
zur betrieblichen Praxis in Form von Praktika, Arbeitsgruppen oder
Trainingsmodulen. »Oft tun sich Jugendliche durch die Erfahrung
im Betrieb deutlich leichter, den passenden Beruf zu finden und
können die Anforderungen in Bewerbung und Ausbildung besser
einschätzen«, sagt Ida Willumeit, die bei der IHK Reutlingen das
Projekt verantwortet.
lia
ophia ist doppelt glücklich: Sie hat
den Auto-Führerschein mit 17 und ist
mittendrin in ihrem persönlichen
Traum-Ausbildungsberuf: Sie wird
Mechatronikerin, als eine unter
fünf in ihrem Jahrgang. Der
Betrieb kümmert sich richtig
klasse um die Lehrlinge und
hat alle zu Beginn erstmal zu
»IHK-Start Karriere« geschickt. Das Einsteigerprogramm rundet die Ausbildung ab und bietet »StartUp-Module« von Arbeitstechniken über Motivation bis
hin zum interkulturellen Training. Und bei der Prüfungsvorbereitung hilft das IHK-AzubiKolleg.
Bei der IHK Reutlingen werden jedes Jahr
rund 2 700 Ausbildungsverhältnisse eingetragen.
Die IHK organisierte die Zwischen- und Abschlussprüfungen und
nimmt sie auch ab. Weil Bewerber in den letzten Jahren knapp
geworden sind, liegt ein weiterer Schwerpunkt mittlerweile beim
Ausbildungsmarketing und dem Werben für die »Karriere mit
Lehre«. »Betriebe haben sich umstellen müssen«, sagt Walter Herrmann, Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung und stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer. »Mittlerweile haben die jungen
Leute die Auswahl.« Um die Zielgruppe zu erreichen gehen
Ausbildungsbotschafter in Klassen, um ihren Lehrberuf vorzustellen. Mit den Berufs-Infotagen, Azubi-Speeddatings in den Landkreisen der Region, einer eigenen IHK-Azubi-Seite bei Facebook
und der bundesweiten IHK-Lehrstellenbörse trommelt die IHK
kräftig für die Ausbildung als Alternative zu einem Studium.
A
usgelernt? Unsere Sophia hat sich ihre Lust am Wissen und Lernen erhalten. Die
Lehre ist längst mit Bravour abgeschlossen, die ersten Berufsjahre sind schnell
vorbeigezogen. Und nun? Genau, Zeit für eine Weiterbildung. Sophia will Meister werden und drückt zwei Jahre nebenberuflich die Schulbank – immer freitags und samstags. Anstrengend, aber es lohnt sich. Am Ende steht der Meisterbrief und mit dem
kann Sophia sogar studieren gehen.
Weiterbildung lohnt sich. Laut jüngster bundesweiter Befragung von Absolventen der IHK-Weiterbildung erreichten 74 Prozent der Teilnehmer höhere berufliche Positionen, 69 Prozent verbesserten sich finanziell. Zumeist zahlt sich die
Weiterbildung sogar schnell aus: Für 70 Prozent der Aufsteiger ging es gleich im
ersten Jahr die Karriereleiter nach oben. Ähnliches Bild beim Gehalt: Zwei Drittel
derjenigen, die sich verbesserten, erreichten das finanzielle Mehr schon im Jahr nach
der Prüfung. Das Ergebnis verwundert kaum: Chefinnen und Chefs wissen sehr zu schätzen, dass das, was in der Weiterbildung gelernt wird, direkt anwendbar ist.
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GEA-Wirtschaftsmagazin
Interview mit Wilhelm Schreyeck, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Reutlingen
Kompetenz
sichert den Job
Wie bewerten Sie denn die Lage
auf dem Arbeitsmarkt in der
Region?
Schreyeck: Der Arbeitsmarkt hat sich seit
längerer Zeit positiv entwickelt. Wir haben
eine erfreulich günstige Beschäftigungsentwicklung im Bezirk der Arbeitsagentur Reutlingen (Landkreise Reutlingen und Tübingen). Die ist sogar besser als der Durchschnitt
des Landes. Wir haben einen Schwerpunkt im
verarbeitenden Gewerbe, in dem circa 50 000
Personen von insgesamt 173 000 beschäftigt
sind. Im Gesundheits- und Sozialwesen sind
16 Prozent der Beschäftigten tätig, neun Prozent in den wirtschaftlichen Dienstleistungen.
Die Zahl der Erwerbslosen liegt bei circa
9 800. Das entspricht einer Arbeitslosenquote
von 3,7 Prozent.
Dennoch gibt es Probleme?
Schreyeck: Wir haben deutliche Unterschiede bei den spezifischen Arbeitslosenquoten. Beispielsweise ist die Arbeitslosenquote unter den sogenannten Helfern, das
sind Menschen ohne eine Berufsausbildung,
bei über 20 Prozent. Zum Vergleich: Bei den
»Fachkräften« liegt sie im Westen Deutschlands nur bei sechs Prozent (im Osten 10 Prozent). Bei den sogenannten »Experten«,
Menschen mit akademischen Abschluss, liegt
die Arbeitslosenquote bei nur 3,3 Prozent im
Westen (5,9 Prozent Ost). In den beiden
Landkreisen Reutlingen und Tübingen sind
unter allen Arbeitslosen 50 Prozent Ungelernte – circa 4 500 Personen. 60 Prozent
davon werden von den beiden Jobcentern
Reutlingen und Tübingen betreut, 40 Prozent
von der Arbeitsagentur.
Wie kann die Arbeitsagentur
helfen?
Schreyeck: Es gibt in einigen Berufen gute
Beschäftigungsmöglichkeiten, in anderen
weniger. Aus diesem Grund funktioniert der
Arbeitsmarkt nicht optimal. Für die Integration der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt stehen uns insgesamt über zehn Millionen Euro
zur Verfügung. Hinzu kommen die beiden
Programme »Weiterbildung von Geringqualifizierter« (WeGebAU) und »Initiative zur
Flankierung des Strukturwandels« mit knapp
3,5 Millionen Euro. Es geht hier um den
Erwerb eines Berufsabschlusses. Kompetenz
gewinnen ist das Stichwort. Erfreulich ist, die
finanziellen Mittel sind ausreichend vorhanden. Umso bedauerlicher ist es, dass die
Umsetzungsbereitschaft der Unternehmen
beim Programm WeGebAU zu wünschen
übrig lässt. Wir müssen nicht benötigte Gelder wieder zurückgeben. Derweil verlangt
doch der Arbeitsmarkt Fachkräfte. Wir brauchen einerseits motivierte Bewerber und andererseits die Bereitschaft der Betriebe, solche
Stellen einzurichten. Wir würden uns wünschen, dass mindestens 200 Menschen pro
Jahr die Chance nutzen, einen Berufsabschluss
zu erreichen.
Für wen gibt es die Hilfe?
Schreyeck: Für die Arbeitslosen suchen wir
entsprechende Ausbildungsplätze. Sie machen
diese Ausbildung nicht im Rahmen der regulären Ausbildung sondern im Rahmen einer
Umschulung, die erwachsenengerecht verkürzt ist. Das kann für alle Berufe gelten. Die
größeren Chancen liegen wohl im handwerklichen und gewerblichen Bereich. Wir
wissen, dass einige Ausbildungsstellen unbesetzt sind. Der Arbeitgeber zahlt die Ausbildungsvergütung – er erhält im Rahmen der
Umschulung kein Geld. Die Unterstützung
erfährt der Arbeitnehmer. Wenn wir über die
Wilhelm Schreyeck
GEA-Wirtschaftsmagazin
Unser Arbeitgeberservice arbeitet für die
Arbeitsagentur und das Jobcenter und steht in
engem Kontakt mit den Personalabteilungen
der Unternehmen
Foto: Trinkhaus
beschäftigten Arbeitnehmer sprechen, die sich
weiterqualifizieren, gibt es Geld für den Arbeitgeber. Er muss ja die betroffene Person für
die Bildungsmaßnahme freistellen. Wir können bis zu 100 Prozent des Bruttogehaltes erstatten. Das machen wir aber nicht, weil auch
der Arbeitgeber ein Interesse an der Maßnahme haben sollte. Es soll für den Arbeitgeber aber nicht teurer sein, wie wenn er einen
Auszubildenden einstellt.
Wie viele Personen machen die
Weiterbildung in den Betrieben?
Schreyeck: Nur etwa 20 Personen haben
in diesem Jahr diesen Weg beschritten. Die
Rationalisierung in den Betrieben wird aber
fortschreiten und damit die Lage der Helfer
immer schwieriger machen. Es gibt inzwischen durchaus Unternehmen, die gar keine
Helfer mehr haben. Wenn die Fachkräfte aber
am Markt nicht zu bekommen sind, haben die
Helfer aber auch eine Chance. Und Demografie bedingt werden in den nächsten Jahren
viele Fachkräfte aus dem Berufsleben ausscheiden. Die Rente mit 63, von der vorwiegend die Fachkräfte profitieren, verschärft das
Problem. Es gibt Unternehmen, denen ist die
Situation sehr bewusst. Es gibt aber auch
Betriebe, denen noch nicht so klar ist, was die
demografische Entwicklung für ihr Haus
bedeutet. Aus diesem Grund platzieren wir
generell die Thematik in die Betriebe hinein.
Bei allen Kontakten mit den Arbeitgebern fragen wir nach den Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir haben die Abteilung »Arbeitgeberservice«, ein Team mit 15 Personen, das
regelmäßig für die Arbeitsagentur und für die
Jobcenter im regen Kontakt mit den Personalbüros der Unternehmen steht. Bedenken
sollte man, auch der Strukturwandel braucht
andere Qualifikationen.
Das Gespräch führte Franz Pfluger
Beispiel für
WeGebAU
Stefan Raiser ist 28 Jahre alt. Nach der
Hauptschule erlernte er zwischen 2002
und 2006 den Beruf des Karosserieund Fahrzeugmechanikers. Leider hatte
er nach seinem
Wehrdienst nie
die Möglichkeit in
seinem gelernten
Beruf zu arbeiten.
Im Rahmen von
Zeitarbeit war er
in verschiedenen Firmen tätig – unter
anderem ab Juli 2012 auch bei Eissmann
Automotive Deutschland GmbH in Bad
Urach. Seinem Chef ist Stefan Raiser positiv aufgefallen. Auch Stefan gefiel die
Firma sehr gut. Er erkundigte sich nach
der Möglichkeit einer Ausbildung bei
Eissmann, da er gerne Facharbeiter werden wollte.
Die Eissmann-Gruppe hat bereits positive
Erfahrungen mit der Umschulung von
Mitarbeitern und dem WeGebAU-Programm der Agentur für Arbeit gemacht.
Gerne war man bereit Stefan Raiser die
Möglichkeit einer zweiten Ausbildung zu
geben. Durch die finanzielle Unterstützung des WeGebAU-Programms war es
Stefan möglich, die Ausbildung zu beginnen und gleichzeitig seinen Lebensstandard zu halten.
Die Ausbildung verläuft gut. Stefan war
auch überrascht, dass er nicht mal der
Älteste in der Berufsschulklasse ist. In
der Schule muss er zu Hause etwas mehr
lernen als seine jüngeren Mitschüler, die
direkt von der Schule in die Ausbildung
gestartet sind, aber diesen Mehraufwand
bringt er gerne auf. Die Umschulung ist
daher für beide Seiten, dem Mitarbeiter
und dem Unternehmen, ein Gewinn.
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GEA-Wirtschaftsmagazin
Tagen in einem
»Jahrhunderthaus«
Das »Haus auf der Alb« in Bad Urach ist etwas
Besonderes. Es ist ein Zeugnis für die schlichte
und funktionale »Architektur der Moderne«. Es ist
ein Haus, in dem sich die Epochen der deutschen
Geschichte seit der Wilhelminischen Monarchie
widerspiegeln. Und es ist ein vitales »Haus der
Demokratie und der Begegnung«.
Von Werner Fichter
S
eit 1992 ist das »Haus auf der Alb«
Tagungszentrum der Landeszentrale für
politische Bildung Baden-Württemberg. Das
war nicht immer so. Im Juli 1930 wurde es
nach den Plänen des Stuttgarter Bauhausarchitekten Adolf Gustav Schneck innerhalb
von nur elf Monaten fertiggestellt. Bauherr war
der sozialreformerische Dr. Georg Goldstein,
Direktor der Deutschen Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime (DGK), deren Zweck
darin bestand, »kleinen Kaufleuten und Angestellten« einen bezahlbaren Urlaub zu ermöglichen.
Die ursprüngliche Zweckbestimmung des
Hauses als Kaufmannserholungsheim währte
Tagungszentrum der Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg:
das »Haus auf der Alb
nicht lange. Die Nationalsozialisten drängten
sich schon 1933 mit ihren »Heil bringenden«
Vorstellungen in die Hausgeschichte. Nach
ihrer Machtübernahme wurde das Haus auf
der Alb zum »Kraft-durch-Freude-Heim« in
der Deutschen Arbeitsfront und damit zum
Objekt des totalitären NS-Systems. Georg
Goldstein, den Bauherrn, ermordeten die
Nazis im August 1943 im KZ Theresienstadt.
Sein Haus auf der Alb wurde von 1939 bis
1945 als Reservelazarett genutzt.
Zwischen 1945 und 1950 war das Haus
unter französischer Besatzung für kurze Zeit
Ferienkolonie für Kinder aus Frankreich und
anschließend Versorgungskrankenhaus für
Gesichts- und Kieferverletzte. Nach einer Sanierung wurde es zu Beginn der 1950er-Jahre
wieder als Erholungsheim genutzt bis die
DGK wegen finanzieller Schwierigkeiten 1974
den Betrieb einstellen und das Gebäude verpachten musste. Erster Pächter war die Landesversicherungsanstalt, die das Objekt für
Kuren nutzen wollte, was aufgrund der
schlechten konjunkturellen Lage scheiterte.
Als Denkmal
gerettet
Im Sommer 1977 zog die Internationale
Meditationsgesellschaft ein und gründete die
TM-Akademie Haus auf der Alb (TM =
Transzendentale Meditation). Während der
Zeit der Meditationsgesellschaft kam es zu
weiteren Nutzungen, zum Beispiel als Hotel,
das 1985 geschlossen wurde. 1988 verließ die
Meditationsgesellschaft das Haus auf der Alb
vollständig.
59
GEA-Wirtschaftsmagazin
Schon 1983 drohte der Abriss des verwahrlosten Hauses, der jedoch durch die
Denkmalschutzbehörde verhindert werden
konnte. Es wurde als »Kulturdenkmal von
besonderer Bedeutung« ins Denkmalbuch
eingetragen. Ende 1985 kaufte das Land
Baden-Württemberg das Haus auf der Alb
und investierte knapp zwanzig Millionen DMark in seine Modernisierung.
Am 6. Februar 1992 wurde das Haus nach
dreijähriger Renovierung vom damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel als Tagungszentrum der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg eingeweiht. Seither finden hier jedes Jahr rund zweihundert
Veranstaltungen statt, zu denen nicht nur die
Landeszentrale für politische Bildung einlädt.
Auch andere Einrichtungen und Firmen können das modern ausgestattete Tagungszentrum nutzen.
Gastfreundliches Haus der
Demokratie und Begegnung
Zwei größere Seminarräume mit moderner
Tagungs- und Konferenztechnik befinden
sich im hellen, nach Süden und Osten gelegenen Mitteltrakt. Sie können zu einem Großraum für bis zu 120 Personen – je nach Bestuhlungsform – verbunden werden. Daneben liegt ein großzügiges Foyer, das ebenfalls
für Tagungszwecke und Aufführungen genutzt werden kann. Hier steht auch der histo-
Die Landeszentrale
für politische Bildung
Baden-Württemberg ...
... ist die zentrale überparteiliche staatliche Einrichtung für die politische Bildung
in Baden-Württemberg. Die LpB wendet
sich an alle Bürgerinnen und Bürger des
Landes Baden-Württemberg. Wegen ihrer
Mittlerrolle werden Multiplikatoren wie
Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen
besonders angesprochen. Eine weitere
wichtige Zielgruppe sind Lernende an
Schulen und Hochschulen. Etwa ein Viertel der Veranstaltungen findet im Tagungszentrum »Haus auf der Alb« statt.
Aktionen, Ausstellungen, Seminare und
Vorträge der LpB gibt es im ganzen Land.
Die Landeszentrale gibt zudem Bücher,
Zeitschriften, Lernmedien und Spiele zur
politischen Bildung heraus und unterhält
ein umfangreiches Internetangebot:
www.lpb-bw.de.
Fotos: LpB
Fachspezifisches Seminar
rische Flügel des Architekten Adolf Gustav
Schneck, der heute noch bei Konzerten zum
Einsatz kommt.
Darüber hinaus stehen zwei weitere Seminar- sowie auch Gruppenräume (6 bis 15 Personen) für kleinere Veranstaltungen zur Verfügung.
Vom Foyer öffnet sich ein direkter Zugang
auf die windgeschützte Terrasse, die zu einem
Sonnenbad in den Veranstaltungspausen einlädt. Von hier führt eine Treppe in den Park.
Die reizvolle Alblandschaft scheint fast ins Innere zu dringen, so transparent ist die Architektur durch die großen Fenster. Der sachliche und nüchterne Stil ist unverwechselbar;
er lenkt nicht ab und schafft ein heiteres
Ambiente.
Die Gäste sind in 50 Einzelzimmern und
fünf Doppelzimmern mit Dusche/WC, Telefon und WLAN untergebracht. Die Küche
bietet ihnen weitgehend regionale Gerichte.
Für die Freizeitgestaltung stehen eine Gaststube, eine Sauna, eine Kegelbahn und andere
Zerstreuungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Moderne Architektur
60
GEA-Wirtschaftsmagazin
Xing Wang
vermittelt
zwischen Welten
Sprachen sind die Brücken zum Verstehen,
heißt es beim Europa-Institut in Reutlingen. Das China Competence Center geht
noch einen Schritt weiter und bietet Unternehmen Dienstleistungen an.
Fotos: Trinkhaus
Von Konstanze Faßbinder
N
etzwerke aufbauen? Personal anwerben? Projekte betreuen – in
China? Kein Problem, zumindest nicht für Xing Wang. Der gebürtige Chinese leitet das China Competence Center am EUROPAInstItUt in Reutlingen. Das bietet neben verschiedenen studienausbildungen mit Fremdsprachen seit 2013 auch professionelle Hilfe
für deutsche Unternehmen, die in China Fuß fassen wollen. Das Ziel:
dort erfolgreich Geschäfte betreiben.
Als Absatzmarkt wird China immer wichtiger, »auch für die Kleinund Mittelständler der Region neckar-Alb«, weiß Wang. Durch die
Globalisierung machen auch sie immer mehr Geschäfte in Asien. »Im
Unterschied zu großen Konzernen wie Daimler fehlen ihnen jedoch
häufig Kontakte, Personal und Know-how vor Ort.« Und: Ihre Ressourcen seien oft eingeschränkt.
Hier setzt das China Competence Center an. Durch seine netzwerke
bietet es Hilfe, beispielsweise, wenn ein Unternehmen ein Zwischenlager in China aufbauen will, oder einen chinesischen Mitarbeiter sucht,
der die Qualität überprüft. Welche Behörden müssen kontaktiert werden? Welche Unterlagen werden benötigt? Wie müssen Verträge gestaltet sein? Je nach Bedarf bietet das China Competence Center auch
sprachkurse für Mitarbeiter, hilft bei Übersetzungen und vermittelt interkulturelle Kompetenz – für erfolgreiches Handeln unabdingbar. Es
reiche nicht, China-Kenner zu sein, sagt Wang. »Wir müssen auch
Deutsch-Kenner sein.« Er selbst studierte in seiner Heimatstadt Xi-An
Germanistik und BWL, ging vor zehn Jahren nach Deutschland und
setzte sein studium fort in tübingen. Wang kann zwischen den Welten vermitteln. Weil er beide kennt.
Erfolgreiche Wege
eingeschlagen
neben Kompetenz in sachen China bietet das EUROPA-InstItUt eine zweijährige studienausbildung zum Multilingual Management
Assistant
(MMA). Josefine
Josefine
Grano, 24, hat wähGrano
rend ihrer Ausbildung
neben spanisch und
Englisch zwei Jahre
Chinesisch gelernt.
»Die ersten zwei semester waren ziemlich
knackig«, sagt sie.
sechs bis sieben stunden Chinesisch die
Woche, außerdem
zwei stunden Landeskunde, eine völlig neue
schrift lernen. seit
2013 arbeitet sie bei
GEA-Wirtschaftsmagazin
der stadt Reutlingen im stadtmarketing. Vor allem ihre spezialisierung
auf Event- und tourismusmanagement kann sie dort gut gebrauchen.
Andere Absolventen arbeiten jetzt auch in China oder bei führenden
internationalen Firmen wie Porsche, Yves Rocher und der Boston Consulting Group. »Eine unserer Ehemaligen ist heute beim Auswärtigen
Amt in Berlin tätig«, erzählt Christiane Buxton. sie leitet das EUROPAInstItUt gemeinsam mit ihrem Mann Richard .
»Ich war von Anfang an überzeugt – und bin es die ganze Zeit über
geblieben«, sagt auch nina Lembcke aus Überlingen, 23 Jahre alt. noch
als schülerin war sie bei einer Bildungsmesse auf das EUROPA-InstItUt aufmerksam geworden. Im Frühjahr beendete sie ihre studienausbildung und arbeitet inzwischen als Webstore Assistant bei Marc
Cain in Bodelshausen. Dort ist sie für den Kundenservice in England,
Belgien, Frankreich oder spanien zuständig. Für nina Lembcke ein
traumjob. Und vor allem: »Ich kann wirklich alles eins zu eins anwenden, was ich gelernt habe, gerade was Handelskorrespondenz betrifft.
Der Wahnsinn, das hätte ich so nicht erwartet«, sagt sie.
»Ich würde es
wieder machen«
Doch was ihr am EUROPA-InstItUt am allerbesten gefallen hat,
ist die Art und Weise, sprachen zu lernen – nämlich von Muttersprachlern. »Man
merkt: Die haben eine
ganz andere sicht auf
sprache als jemand,
der sie studiert hat.«
Außerdem toll sei die
viele Praxis gewesen.
»Wir haben geübt
ohne Ende.« schließlich, sagt nina Lembcke, hatte sie sich bewusst dafür entschieden, eine sprache
sprechen zu lernen. sie
wollte nicht die WisNina
senschaft einer spraLembcke
che studieren. Auch
die gute Betreuung
durch das Institut und der rege Austausch mit Alumni gefiel ihr gut. »Ich
habe immer noch viel Kontakt zu meinen damaligen Dozenten.« Die
wollten ganz genau wissen, ob und wie sie das Erlernte praktisch anwenden könne.
Irgendwann möchte nina Lembcke noch einen top-Up-Bachelor
in Business und Management machen. Über das European College of
Business and Management (ecbm) geht das berufsbegleitend ganz aktuell auch in Reutlingen. Oder auf den Bachelor einen Master draufsetzen? Mal sehen, meint nina Lembcke. Jetzt will sie erst einmal das
Berufsleben kennen lernen. Aber sie freut sich über die vielen Möglichkeiten, die ihr offenstehen.
2016 muss nina Lembcke ihren studienkredit zurückzahlen, zu dem
sie sich nach ausführlicher Beratung durch das Institut entschlossen
hatte. Rentiert hat sich die Ausbildung jetzt schon. »Ich würd's jederzeit wieder machen«, sagt sie deshalb.
Kompetenzzentrum
Sprachen
neben studienausbildungen und China Competence Center bietet
das EUROPA-InstItUt sprachkurse für jeden Bedarf. Über zehn
sprachen wie Englisch, Französisch und
türkisch sind fest im
Repertoire. Auf Anfrage werden auch
weitere, zum Beispiel
»Orchideen-sprachen« wie Arabisch,
Koreanisch oder Japanisch, ins Programm
genommen. »Das ist
es, was uns auszeichDr. Gabriela
net«, sagt Gabriela
Biesiadecka
Biesiadecka: »Unsere
Flexibilität.« Dr. Gabriela Biesiadecka leitet das Kompetenzzentrum sprachen.
Jeden Wunsch zu erfüllen, das ist wichtiger teil des Konzepts. Auch
was Aufbau und Inhalt der Kurse betrifft. Individuell werden die Programme auf den einzelnen Kunden zugeschnitten. Was will er lernen?
Wie will er lernen? Wie intensiv? Wie will er die sprache anwenden?
Wann hat er Zeit? All diese Fragen werden in einem ausführlichen Beratungsgespräch geklärt und das sowohl bei der Gestaltung des Unterrichts als auch bei der Auswahl des richtigen Lehrers berücksichtigt, erklärt Gabriela Biesiadecka. »Wir bieten keine standardpakete.«
Die Kurse sind sehr praxisorientiert, egal, ob sie für eine Person oder
kleine Gruppen gehalten werden. Wichtig sei jedoch, dass nicht zu viele
teilnehmer in einem Kurs sitzen. Denn je kleiner, desto intensiver sei
das Lernen. Und desto mehr spaß mache es. »Wir fordern die teilnehmer sofort auf, zu kommunizieren«, betont
Gabriela Biesiadecka. Damit sie schnell das
Gefühl bekommen: Ich kann diese sprache anwenden.
Christiane und
Richard Buxton
leiten das
EUROPAINSTITUT
61
GEA-Wirtschaftsmagazin
Vom Einstieg
zum Aufstieg
Dr. Jan
Vetter
Jan Vetter, Geschäftsführer von Südwestmetall Reutlingen, über Bildung und Qualifizierung: »Wir müssen an vielen Stellschrauben
drehen, um den demografischen Wandel zu
bewältigen.«
Von Franz Pfluger
W
Foto: Trinkhaus
62
ir machen praktisch alles«, sagt
Dr. Jan Vetter, Geschäftsführer der
Südwestmetall-Bezirksgruppe Reutlingen, im
Gespräch über Bildung mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin. Für die Arbeitgeber im Südwesten ist Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik
ein sehr wichtiges und vor allem breit angelegtes Aufgabenfeld. »Wir müssen gleichzeitig an vielen Stellschrauben drehen, wenn wir
den demografischen Wandel erfolgreich bewältigen wollen.« Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Nachqualifizierung von
An- und Ungelernten, Zuwanderung und Integration von qualifizierten Fachkräften aus
dem Ausland, das Konzept der selbstständigen Schule nennt Jan Vetter in einem Atemzug.
Die Bildungsaufgabe beginnt schon im Kindergarten. Warum leuchten Katzenaugen im
Dunkeln? Wieso sinkt eine Knetkugel, aber
eine Knetschale nicht? Noch vielen anderen
Dingen werden die Kinder auf die Spur gehen.
Im Rahmen des Projekts »Technolino« sind
einige Kindergärten in Baden-Württemberg
mit Forscherecken ausgestattet. Gefördert
wird der spielerische Umgang mit Naturwissenschaft und Technik sowie das Interesse an
naturwissenschaftlich-technischen Phänomenen. Die Mitgliedsunternehmen von Südwestmetall unterstützen seit Jahren die Entwicklung von kindgerechten Lernstätten.
Dazu gehört auch die Qualifizierung von
Erzieherinnen und Erziehern. »Wir haben es
jetzt auch geschafft, das Wahlpflichtfach Technik an der Erzieherinnen-Akademie zu etablieren.« Frühpädagoginnen und -pädagogen
für naturwissenschaftliche und technische
Themen zu sensibilisieren, ist das wesentliche
Ziel der Technik-ErzieherInnen-Akademie
(TEA). Der Arbeitgeberverband der Metallund Elektroindustrie hat mit dem badenwürtttembergischen Kultusministerium vereinbart, dass »Forschen und Experimentieren«an allen 65 Fachschulen für Sozialpädagogik im Land als Wahlpflichtfach oder Wahlfach angeboten wird. Südwestmetall unterstützt das TEA-Projekt bis Ende 2015 mit insgesamt 1,25 Millionen Euro.
Kritisches Urteil erwünscht
Schule ist die nächste Station: Das Wahlpflichtfach »Natur und Technik« macht
Schüler vertraut mit Aufgaben und Tätigkeiten im gewerblich-technischen Bereich und
dient der beruflichen Orientierung. Jugendliche werden auf eine selbstbestimmte und
verantwortungsbewusste Gestaltung von Tätigkeiten in Handwerk, Industrie, Land- und
Forstwirtschaft vorbereitet. Ethisch reflektiertes Handeln und kritisches Urteil über ökologische und ökonomische Sachverhalte sind
erwünscht, beschreibt Jan Vetter eine weitere
Stufe im lebenslangen Lernprozess.
Die »Schüler-Ingenieur-Akademie« (SIA)
steht für ein Kooperationsmodell von Schule,
Hochschule und Wirtschaft. Bereits im Jahr
2000 am Max-Planck-Gymnasium Heidenheim gegründet, konnte die SIA in BadenWürttemberg mittlerweile flächendeckend
eingeführt und die Zahl der beteiligten Gymnasien deutlich erhöht werden. Die SIA fördert naturwissenschaftlich/technisch interessierte Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe. Nach diesem Vorbild wurde
2005 bundesweit die Junior-Ingenieur-
GEA-Wirtschaftsmagazin
brücken. Auch das werde ohne Flexibilisierungen nur schwer umzusetzen sein. »Da darf
man sich nicht wundern, wenn die Unternehmer einen dicken Hals bekommen.«
Akademie (JIA) gegründet. Sowohl bei SIA
als auch bei JIA repräsentieren viele Südwestmetall-Mitgliedsfirmen aus der Region die
Wirtschaftsseite. Das von der Deutsche Telekom Stiftung 2005 initiierte Projekt wird als
Wahlpflichtfach in der 8. und 9. beziehungsweise 10. Klasse an teilnehmenden Schulen
angeboten. Die Deutsche Telekom Stiftung
unterstützt bundesweit bislang 67 Akademien.
Für Realschulen hat Südwestmetall mit der
TecAcademy ein vergleichbares Angebot geschaffen.
Für Schulabgänger, die nicht die fachlichen
und persönlichen Voraussetzungen erfüllen,
um eine Berufsausbildung in der Metall- und
Elektroindustrie beginnen zu können, wurde
2012 der Tarifvertrag »Förderjahr« eingeführt. »Vom Einstieg zum Aufstieg«, heißt die
Sozialpartnerschaft. Aufgrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels bestehe eine
dringende Notwendigkeit , das Erwerbspersonenpotenzial so weit wie möglich auszuschöpfen, heißt es. Im Vordergrund steht die
gezielte Förderung der Fachkenntnisse sowie
des Arbeits-, Leistungs- und Sozialverhaltens
der noch nicht ausbildungsreifen jugendlichen
Schulabsolventen. Insbesondere wird die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, wie beispielsweise Verlässlichkeit, Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewusstsein
sowie der Aufbau der notwendigen Sprachund Rechenkenntnisse angestrebt.
Betriebe sind Sozialsysteme
Jan Vetter weiß, dass es etwas übertrieben
wirkt, zitiert aber dennoch eine Äußerung aus
dem Arbeitgeberlager: »Betriebe mit ihrer
Ausbildung sind noch das letzte funktionierende Sozialsystem in der Gesellschaft.«
Auch wenn der Topos »früher war alles besser«nicht überstrapaziert werden soll, gelte:
»Nach zehn Jahren Schule sollte es in der Bewerbung nicht von Rechtschreibfehlern wimmeln. Wichtig für Unternehmen ist auch das
Sozialverhalten. Ich würde mir mehr eine bes-
sere Kommunikation, ein besseres Auftreten,
eine gute Rhetorik und größere Fähigkeiten
zur Konfliktlösung wünschen. Einfach mehr
Persönlichkeit.«
Ein Stützpfeiler für die Wirtschaft ist die
staatliche Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Sie umfasst die rechtlich
unselbstständigen Studienakademien: Heidenheim, Karlsruhe, Lörrach, Mannheim,
Mosbach mit der Außenstelle Bad Mergentheim, Ravensburg mit der Außenstelle Friedrichshafen, Stuttgart mit der Außenstelle Horb
sowie Villingen-Schwenningen und den seit
2014 von Mosbach unabhängigen Standort
Heilbronn. Gemäß der Koalitionsvereinbarung vom 5. Mai 2006 waren die bestehenden
Berufsakademien in die Duale Hochschule
Baden-Württemberg umgewandelt worden.
Rund die Hälfte der dort Studierenden kommen aus der Metall- und Elektroindustrie. Die
Betriebe schätzen die Bindung der Studierenden an das Unternehmen und den Praxisbezug. »Ohne Frage ein Erfolgsmodell«, unterstreicht Vetter.
Familie und Beruf
»Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ist für uns ganz wichtig«, sagt der Arbeitgebervertreter. Kindertagesstätten und Ganztagsschulen seien eine Voraussetzung dazu.
»Sie bekommen die Mütter nicht in den Beruf
zurück, wenn die Betreuung der Kinder nicht
gewährleistet ist.« Das Land Baden-Württemberg habe hier noch einen großen Nachholbedarf. »In der Politik sollte man grundsätzlich mehr über Förderungen als über Forderungen nachdenken«, kritisiert Vetter. Er
nennt ein Beispiel: Der Bundesgesetzgeber
wolle das Recht auf vorübergehende Teilzeit
etablieren. Bisher gibt es für die Frau nach
Mutterschutz und Elternzeit den Rechtsanspruch auf Rückkehr in den Vollzeitjob. »Das
ist zwar nachvollziehbar«, meint der Geschäftsführer. Wenn die Gewerkschaften aber
auf der anderen Seite gegen befristete Jobs und
Zeitarbeit wettern, werde es schwierig. Da
seien kleine und mittlere Betriebe überfordert.
Ein anderes Beispiel: Das geplante Elterngeldplus-Gesetz sieht vor, Elternzeit auf bis zu
acht Jahre zu verteilen. Der Arbeitgeber soll
über den langen Zeitraum hinweg alles über-
Qualifizierung wichtig
Auch die Qualifizierung älterer Mitarbeiter
ist ein wichtiges Thema. Natürlich gibt es Arbeitnehmer, die 20 Jahre lang keine Weiterbildung erfahren haben und keine abgeschlossene Ausbildung haben. Behutsamkeit
sei jedoch gefragt: »Ich kann nicht einem 50Jährigen sagen, mach noch einmal drei Jahre
Ausbildung. Es gibt Qualifizierungsmodule,
die zwei bis drei Monate dauern. Wenn einer
sechs hintereinander macht, hat er einen Berufsabschluss – beispielsweise ist er Maschinen- und Anlagenführer«. Ein zweijähriger
Berufsabschluss sei möglich – »da muss ja
nicht gleich der Einwand der Gewerkschaft
kommen, eine solche Light-Ausbildung sei
schlecht.« Mit Sicherheit, da ist sich das
Arbeitgeberlager einig, sei der von der Landesregierung geplante Bildungsurlaub nicht
das geeignete Mittel, Qualifizierungsprobleme
im Unternehmen zu lösen. Im Gegenteil: Es
wirke sogar kontraproduktiv, wenn Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrer betrieblichen Qualifizierung noch einen Anspruch von fünf bezahlten Tagen für persönliche Weiterbildung
erhalten würden.
Natürlich schauen sich einige Unternehmen nach Fachkräften im Ausland um. »Qualifizierte Zuwanderung, keine in die Sozialsysteme«, hatte schon die Vorgängerregierung
im Südwesten gefordert. Eine erste Konsequenz aus dem von der Landesregierung in
Auftrag gegebenen Gutachten zu den wirtschaftlichen und technologischen Perspektiven der Landespolitik bis 2020 wurde gezogen. Die Unternehmensberatung McKinsey
und das Tübinger Institut für Angewandte
Wirtschaftsforschung messen darin einer gezielten, mehrgleisigen Politik zur nachhaltigen
Sicherung des Fachkräfteangebots maßgebliche Bedeutung zu. Ausdrücklich findet sich
darin auch der Vorschlag, die Zuwanderung
qualifizierter Menschen zu erleichtern. Nur
wenn es gelinge, im Land bis 2020 zusätzlich
bis zu 600 000 Stellen – je zur Hälfte Facharbeiter und Hochschulabsolventen, davon
etwa die Hälfte in technisch geprägten
»Wachstumskernen« – zu schaffen, könne
Baden-Württemberg seine gute Position unter
den Spitzenregionen halten, heißt es.
63
64
GEA-Wirtschaftsmagazin
Girlsday-Akademie –
Sprungbrett
für junge Frauen
Fotos: Trinkhaus
GEA-Wirtschaftsmagazin
Jan Vetter, Geschäftsführer von Südwestmetall
Reutlingen, kämpft gegen
den Facharbeitermangel
von morgen.
Von Judith Knappe
S
chmutzige Hände, dreckiger Blaumann,
körperliche Arbeit – so weit die Vorstellung von technischen Ausbildungen. Die Realität sieht anders aus. Hier zählt neben handwerklichem Geschick vor allem eins: Köpfchen. Die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,
Technik) sind
der
Schwerpunkt einer solchen Ausbildung
und bei Mädchen immer
noch nicht ganz
so
beliebt.
Genau dem will
Südwestmetall
entgegenwirken.
Aus
diesem
Dr. Jan Vetter
Grund wurde
2010, neben einer Vielzahl anderer Projekte
zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, bereits die Girlsday-Akademie ins Leben gerufen. »In der Hoffnung, auch die Mädchen für
unsere Branche zu begeistern«, sagt Südwestmetall-Geschäftsführer Dr. Jan Vetter.
In Kooperation mit der Agentur für Arbeit
soll dieses Projekt zur Berufsorientierung
Schülerinnen ein Schuljahr lang die Möglichkeit geben, einen realistischen Einblick in technische Berufe zu erhalten. Alle 14 Tage besuchen die Mädchen eine andere Mitgliedsfirma
von Südwestmetall in der Region, nehmen an
Seminaren und Teamtrainings teil. Das Projekt kommt an. Partner sind große Unternehmen der Region: die Elring-Klinger AG, Gustav Magenwirth (Magura), die nicht börsennotierte Wafios AG , das Institut Dr. Foerster,
die Baumann GmbH und Bosch in Reutlingen.
Und auch bei den Mädchen gewinnt die
Akademie immer mehr an Beliebtheit. »Ich
wusste nie wirklich, was ich beruflich machen
soll«, erzählt Vanessa Rohde. Sie ist mittler-
weile im dritten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur
Industriemechanikerin bei Magura. Zu der
Ausbildung kam
sie durch die
Girlsday-Akademie, auf die
sie ihre Mutter
aufmerksam
machte. »Ich
habe meinem
Papa immer
gern in der Garage geholfen«,
erinnert sich
Vanessa Rohde
Vanessa Rohde.
»Handwerkliches lag mir total.« Während
der Akademie lernt sie ihre heutige Chefin
kennen, ein erster Kontakt zum Unternehmen
entsteht. »Wenn man da ein gutes Gefühl hat,
klappt's nachher auch mit der Bewerbung besser«, unterstreicht Vetter einen großen Vorteil des Projekts.
»Wir kommen gut klar
mit den Jungs«
Bei Magura sind derzeit 18 Auszubildende,
darunter vier Frauen. »Wir werden gar nicht
anders behandelt als unsere Kollegen«, sagt
Vanessa Rohde. »Wir kommen gut klar mit
den Jungs.« Sie lächelt. Während ihrer Ausbildung hat sie verschiedene Abteilungen des
Unternehmens kennengelernt – doch eines
weiß sie sicher: »Ich muss auf jeden Fall in der
Werkstatt bleiben.« Dass sie von Magura
übernommen wird, steht schon fest. Und wie
reagieren ihre Freundinnen auf ihren Beruf?
»Am Anfang haben alle gefragt, ob das nicht
sehr anstrengend sei«, erinnert sich die
Auszubildende.
Dann habe sie
von ihrem täglichen Job erzählt
und mit ihrer Begeisterung angesteckt. Für eine
Freundin klang
es sogar so gut,
Kerstin Beck
dass sie jetzt die
gleiche Ausbildung absolviert wie Vanessa
Rohde.
»Mädchen wissen oft gar nicht, was hinter
technischen Berufen steckt«, bestätigt Kers-
tin Beck, Projektleiterin der Girlsday-Akademie. Gerade deshalb sei es wichtig, sich zu orientieren und eigene Stärken herauszufinden.
In Zusammenarbeit mit Reutlinger Realschulen soll das Projekt die Attraktivität einer
Ausbildung wieder steigern. »Wir wollen die
jungen Menschen dort hinbringen, wo es
Potenzial für Jobs gibt«, erläutert Vetter.
Thema Fachkräftemangel. »Im Moment
kann der Ausbildungsbedarf bei unseren Mitgliedsfirmen in der Regel noch gedeckt werden«, so Vetter. Im Hinblick auf Bewerbungsrückgang und schlechtere Qualifikationen soll mit Projekten wie der Girlsday-Akademie einer negativen Entwicklung vorgebeugt werden. Denn die Schülerzahlen sind
rückläufig, die geburtenstarken Jahrgänge
gehen bald in Rente. »Dann werden sich die
Probleme wirklich bemerkbar machen«, sagt
Vetter. Bei Facharbeitern sei das zum Teil jetzt
schon so: »Es gibt wirklich Fälle, in denen die
Firmen für bestimmte Arbeiten keine Leute
mehr kriegen.« Diese Stellen würden nach
vergeblicher Ausschreibung dann irgendwann
ganz gestrichen.
So weit will man es erst gar nicht kommen
lassen. »Die Bemühungen der Unternehmen,
schon in den Schulen präsent zu sein, steigt«,
erklärt Vetter das Engagement für eine Ausbildung. Und für die spreche noch einiges
mehr: »Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in unserer Industrie sind sehr gut.«
Im dritten Lehrjahr liege der Monatslohn bei
über 1 000 Euro, das durchschnittliche Jahreseinkommen danach bei rund 57 000 Euro.
Und trotz des Trends zur Akademisierung
bleibe eine klassische duale Ausbildung attraktiv. »Es geht ja nicht um weniger Bildung,
sondern auch darum, dass die Leute dort
arbeiten, wo es ihnen gefällt.«
Girlsday-Akademie
Das Projekt ist für Schülerinnen von der
siebten bis zur zehnten Klasse gedacht.
Die Girlsday-Akademie läuft während eines
Schuljahres und beinhaltet Workshops,
Seminare und Firmenbesuche. Naturwissenschaftliche und technische Inhalte
werden den Teilnehmerinnen in Zusammenarbeit mit den Unternehmen auf
praktische Weise vermittelt. Durch entstehende Kontakte soll ein Ausbildungseinstieg erleichtert werden.
www.girls-day-akademie.de
65
66
GEA-Wirtschaftsmagazin
»Kein junger Mensch
darf zurückbleiben«
Die IG Metall bringt sich auch bei der
Modernisierung und Schaffung von
Berufsbildern ein.
Von Andreas Fink
W
as haben Gewerkschaften mit beruflicher Aus- und Weiterbildung zu
tun? »Viele denken: gar nichts«, weiß Ernst
Blinzinger, Zweiter Bevollmächtigter der IG
Metall Reutlingen-Tübingen, »sie meinen,
dass sich ausschließlich die Betriebe um die
Ausbildung kümmern und die Gewerkschaften dann für Löhne und Arbeitszeiten zuständig sind.« Falsch, betont Blinzinger, »wir sind
von Anfang an dabei.«
Das fängt mit der Gestaltung von neuen Berufsbildern und der Modernisierung von vorhandenen an. Auf Bundesebene beim Bundesinstitut für berufliche Bildung im Wirtschaftsministerium ebenso wie auf regionaler
beim Berufsbildungsausschuss der IHK Reutlingen. Hier klopfen Gewerkschafter zusammen mit Arbeitgeber-Vertretern die regionale
Entwicklung der Berufsbildung fest. Auf die-
ser Ebene ist auch der Schlichtungsausschuss
angesiedelt, »den wir vor zwei, drei Jahren initiiert haben«, wie Blinzinger betont. Ziel ist es,
Streitigkeiten in Ausbildungsverhältnissen zu
klären – noch vor dem Arbeitsgericht. Im vergangenen Jahr wurden so 15 bis 20 Fälle geregelt, »meistens schaffen wir eine Einigung,
es werden aber auch verbindliche Entscheidungen gefällt.«
Kluft zwischen Anspruch
und Wirklichkeit
»Kein junger Mensch darf zurückbleiben
oder wertvolle Lebenszeit in Warteschleifen
verlieren«, steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Die Große Koalition will den
Ausbildungspakt, der jedem ausbildungswilligen Jugendlichen eine Lehrstelle verschaffen
will, zu einer »Allianz für Aus- und Weiterbil-
Gerald
Müller
Ernst
Blinzinger
Tanja
Silvana
Grzesch
Foto: Trinkhaus
dung« weiterentwickeln. Sperrten sich die Gewerkschaften noch dem Ausbildungspakt –
sie forderten eine Abgabe für Betriebe, die zu
wenig ausbildeten –, sind sie jetzt mit im Boot.
»Wir wollen bundesweit eine rechtliche Verankerung der Ausbildungsgarantie«, sagt
Gerald Müller, Gewerkschaftssekretär bei der
IG Metall Reutlingen-Tübingen.
Anspruch und Wirklichkeit liegen noch
weit auseinander, sagt Ernst Blinzinger: »Bundesweit bildet nur noch jeder fünfte Betrieb
aus.« Auch in der Region gebe es zahlreiche
Betriebe, die ihre Ausbildungszahlen nach
unten fahren, »das sind unsere Maschinenbauer, die in der Öffentlichkeit am lautesten
über den Fachkräftemangel reden – das passt
einfach nicht zusammen.«
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kann erst dann von einem ausgeglichenen Ausbildungsmarkt die Rede sein,
wenn auf 100 Bewerber 112,5 freie Plätze
kommen, damit die jungen Menschen von
dem im Grundgesetz garantierten Recht auf
freie Berufswahl Gebrauch machen können.
»Das ist bei uns weitgehend erfüllt«, sagt Gerald Müller, »in Reutlingen haben wir 1 622
gemeldete Bewerber und 1802 Ausbildungsstellen, in Tübingen kommen auf 947 Stellen
855 Bewerber.« Selbst, wenn's in manchen
Branchen genügend Ausbildungsplätze gibt:
Insgesamt passt es oft nicht (mehr) zu den Berufswünschen Jugendlicher. Das Handwerk
tut sich zudem immer schwerer, Nachwuchs
zu finden, »im kaufmännisch-industriellen Bereich gibt’s dagegen immer noch regen Zulauf
an Bewerbern. Für die Zukunft müssen sich
GEA-Wirtschaftsmagazin
Kompetenzprojekt bietet Betriebsräten von
haltes verzichtet, um das angesparte Geld in
aber auch diese Betriebe jetzt rüsten!«
kleineren und mittleren Unternehmen mit bis
der Freistellung ausbezahlt zu bekommen.
Für klassische Azubis gibt’s einen Tarifverzu 500 Mitarbeitern Unterstützung bei der be»Wir haben in der Region keinen einzigen
trag – für junge Menschen, die sich für ein
trieblichen Qualifizierung und Kompetenzgefunden, der das Modell der Blockteilzeit geDuales Studium entschieden haben, nicht.
förderung – in Form von Workshops, eines
macht hat«, sagt die Reutlinger Gewerk»Wir würden sofort mit den Arbeitgebern
Betriebsräte-Netzwerks
einen aushandeln, wir
und in Coachings. Das
haben in den TarifKooperationsprojekt
runden schon zwei
Bundesweite Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots 1992 bis 2013
läuft noch bis SeptemMal einen Anlauf ge750000
ber 2015 und wird
macht«, sagt Müller,
725000
durch das Finanz- und
»leider zeigt die an700000
Wirtschaftsministerium
dere Seite keinerlei
675000
Baden-Württemberg
Bereitschaft.« Warum
650000
gefördert. »Im Fokus ist
überhaupt ein Tarifdie
dringend notwenvertrag für die künfti625000
dige
betriebliche Qualigen Ingenieure? Sie
600000
fizierung von Un- und
werden oft nicht an575000
Angelernten sowie von
ders behandelt als
550000
Älteren«, sagt Tanja
»normale« Azubis,
525000
Silvana Grzesch, »dieaber auch innerhalb
ses Angebot sollten die
dieser Gruppe gibt’s
500000
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Unternehmen unbegroße Unterschiede.
dingt nutzen.«
Bei der ArbeitszeitverUnd dann wäre da noch das delikate
schaftssekretärin Tanja Silvana Grzesch, »aus
gütung (»zwischen 400 und 1 400 Euro«)
Thema Bildungsurlaub. Die grün-rote Laneinem einfachen Grund: Die Qualifizierungsebenso wie bei Urlaubsregelungen und weidesregierung hat im Koalitionsvertrag gereTeilzeit kann sich niemand leisten, dafür reicht
teren Vereinbarungen wie etwa Jobtickets.
gelt, dass sie eine bezahlte Bildungsfreistellung
ein normales Einkommen definitiv nicht aus,
»Da läge ein Tarifvertrag nahe«, sagt Müller,
von fünf Arbeitstagen im Jahr einführen will,
schon gar nicht, wenn man nebenher noch
»aus unserer Sicht wäre es das Einfachste,
unter anderem, um »die Rahmenbedinguneine Familie ernähren muss.« Ihr Kollege
wenn der Manteltarif der Azubis auch für die
gen für ehrenamtliches Engagement zu verErnst Blinzinger weist darauf hin, dass QualiDual Studierenden greift.« Das Thema wird
bessern«. Die Arbeitgeberverbände lehnen
fikation »vor allem bei den Arbeitnehmern
nicht vergessen und in der künftigen Tarifpodie Idee kategorisch ab, Arbeitgeberpräsident
läuft, die schon mit einer höheren Qualifikalitik weiterhin eine Rolle spielen, kündigt der
Rainer Dulger hat sie im Juli als »Verschwention eingestiegen sind – da ist genügend KaGewerkschafts-sekretär an.
dung von Zeit und Geld« bezeichnet. »Die
pital da«. Am anderen Ende stehen die Unhaben wohl Angst, dass wir die Leute in Seund
Angelernten.
»In
den
Betrieben
gibt
es
Tarifverträge
minaren politisch indoktrinieren«, sagt Blinrund zwanzig Prozent«, so Tanja Silvana
zur Qualifizierung
zinger und lacht.
Grzesch, »auch für sie gibt es QualifizieDie Erfahrungen der anderen Bundeslänrungsangebote.« Das WeGebAU-Programm
der – nur in Baden-Württemberg, Bayern und
(Weiterbildung geringqualifizierter und beHat ein Azubi den Schritt in ein unbefristeThüringen gibt’s noch kein Bildungsfreistelschäftigter älterer Arbeitnehmer in Untertes Arbeitsverhältnis geschafft, gilt das Prinzip
lungsgesetz – zeigten, dass die Arbeitskosten
nehmen) ist eine Weiterbildungsinitiative der
des lebenslangen Lernens – wenn's denn
nicht in dem Maß steigen, wie sie die ArbeitBundesagentur für Arbeit. (Siehe Seite 54/55)
möglich ist. Die IG Metall hat in den vergangeber schwarzmalten. »Dann müsste es wirkBlinzinger sieht nicht nur auf die Untergenen Jahren zahlreiche Tarifverträge zur
lich jeder in Anspruch nehmen. Das ist aber
nehmen ein großes Problem zukommen:
Qualifizierung abgeschlossen. Drei Modelle
nicht so, es machen es maximal ein Prozent
»Die Arbeitswelt, die Anforderungen an die
sind hier geregelt: Betrieblich notwendige
der Beschäftigten, und das nicht mal jedes
Beschäftigten werden sich in den nächsten
Qualifizierungen trägt der Chef komplett. Bei
Jahr.«
zehn Jahren noch gravierend ändern«, sagt
betrieblich zweckmäßigen Weiterbildungen,
Derzeit werde in Stuttgart darüber nachgeder Zweite Bevollmächtigte, »der Anteil der
etwa eine Aufstiegsweiterbildung zum Techdacht, das Angebot auf die rein berufliche BilArbeitsplätze für Un- und Angelernte wird abniker im Interesse der Firma, zahlt der Arbeitdung zu beschränken und die allgemein genehmen, die Menschen sind aber noch da.
geber die Kosten, trifft aber häufig eine Versellschaftspolitische außen vor zu lassen, weiß
Wenn wir die nicht qualifizieren, kriegen wir
einbarung über die Rückzahlung. Eine perein großes gesellschaftspolitisches Problem.«
Blinzinger. Mit ihm nicht zu machen, stellt der
sönliche Weiterbildung, etwa ein Studium mit
Im Januar 2014 lief das Projekt Q-Netz 2.0
IG-Metall-Mann klar, »das kann's nicht sein,
Rückkehrrecht, wird vom ambitionierten Aran – eine Kooperation zwischen dem IMU
die Sache ist für uns noch nicht gegessen, das
beitnehmer komplett selbst bezahlt. Hier gibt
Institut Stuttgart und der IG-Metallmuss noch in diesem Jahr auf den Weg gees auch die Möglichkeit Blockteilzeit, in der
Bezirksleitung Baden-Württemberg. Das
bracht werden.«
ein Arbeitnehmer zuerst auf Teile seines Ge-
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GEA-Wirtschaftsmagazin
Know-how-Schmiede für Sparkässler
Die neue Akademie der Sparkassen-Finanzgruppe
in Stuttgart ist die Fortbildungsstätte für Azubis
bis hin zu den Vorständen.
Von Stephan Schorn
ber 50 000 Menschen arbeiten in den
Sparkassen in Baden-Württemberg und
den mit ihnen verbunden Unternehmen, wie
der Landesbank, der Bausparkasse LBS oder
der Sparkassen-Versicherung. Damit sie alle
beruflich fit bleiben, gibt es eine zentrale Ausund Fortbildungsstelle: Die Sparkassenakademie Baden-Württemberg.
Fotos: Sparkassenakademie
Ü
Seit April 2014 hat sie einen neuen Standort: Nach vier Jahren Planungs- und Bauzeit
hat die Sparkassenakademie einen hochmodernen Neubau mitten in Stuttgart am Pariser Platz bezogen. Mit rund 85 Millionen Euro
ist die neue Akademie die größte Investition
in der Geschichte des Sparkassenverbands
Baden-Württemberg.
Das Stuttgarter Architekturbüro wma –
wöhr mieslinger architekten hat den Neubau
realisiert, der neben 25 Schulungsräumen
auch über 150 Appartements verfügt. Darüber hinaus gibt es eine eigene Kindertagesstätte, in der die Kinder der Kursteilnehmer
betreut werden können, und ein Kongresszentrum, das bereits wenige Wochen nach der
Eröffnung sehr gut ausgelastet ist.
Sparkassenpräsident Peter Schneider erläutert die Gründe für den Neubau: »Mit der
neuen Akademie im Zentrum von Stuttgart
zeigen die Sparkassen in Baden-Württemberg,
dass wir auch in Zukunft auf die Kompetenz
unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und
die persönliche Beratung setzen – ganz gleich
ob in der Filiale, am Telefon oder per Videoschaltung am PC.«
Die neue Akademie ist mit modernster
Technik ausgestattet und ermöglicht in vielfältiger Weise den Wechsel zwischen Selbstlernphasen am Computer zu Hause oder in
den Sparkassen sowie den Trainingsphasen
in der Akademie. Damit sich alle Lernenden
und Lehrenden wohlfühlen, wurde der Neubau auch künstlerisch hochwertig gestaltet.
Eine Wandmalerei mit einer Lichtinstallation
von Tobias Rehberger empfängt die Besucher.
Rehberger hat auch das Restaurant mit einer
Lampeninstallation gestaltet. Darüber hinaus
hat der Heilbronner Künstler Raphael Seitz
für die Fensterfront des großen Konferenzsaals
ein Glaskunstwerk geschaffen. Bis zu 600 Personen können hier tagen. Vier weitere Konferenzsäle ergänzen das Angebot.
Angebote auf
2 000 Seiten
Genauso facettenreich und vielseitig wie die
Mitarbeiter der Sparkassen und Verbundunternehmen ist auch das Leistungsangebot der
Sparkassenakademie Baden-Württemberg.
Der Veranstaltungskatalog umfasst auf nahezu
2 000 Seiten Angebote für alle Mitarbeiter –
GEA-Wirtschaftsmagazin
unabhängig davon, ob sie Auszubildende, Vertriebsmitarbeiter, Spezialisten, Führungskräfte
oder Vorstände sind. »Lebenslanges Lernen«
kennzeichnet dabei den Grundgedanken des
Gesamtangebots der Sparkassenakademie
Baden-Württemberg.
Das Fundament bilden generalistische
Grundausbildungen beginnend mit Angeboten für Auszubildende und berufsfremde neue
Mitarbeiter über die Weiterbildung zum/zur
»Bankfachwirt/-in (SBW)« und anschließend zum/zur »Bankbetriebswirt/-in
(SBW)«.
Für Abiturienten wird es ab September
2015 einen weiteren Qualifizierungsweg
geben. Durch ein duales Hochschulprogramm, welches die Sparkassenakademie
Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit
der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe
durchführt, können Abiturienten in drei Jahren die Abschlüsse »Bachelor of Science«
und »Bankbetriebswirt/-in (SBW)« erwerben.
Unabhängig von dem Weg, den ein Teilnehmer wählt, ist mit der generalistischen
Grundausbildung der erste Schritt gegangen.
Die Angebote der Sparkassenakademie
Baden-Württemberg begleiten die Mitarbeiter auch danach weiter auf ihren persönlichen
Entwicklungswegen. Es schließen sich systematische Personalentwicklungsmaßnahmen
in vielfältigen Spezialisierungsrichtungen an.
Zahlreiche Tagungen, Qualifizierungsprogramme, Fachseminare sowie Trainings- und
Coachingangebote stehen für die bedarfsgerechte Weiterbildung der Mitarbeiter zur Verfügung. Für potenzielle Führungskräfte oder
Mitarbeiter, die bereits eine Führungsaufgabe
übernommen haben, bietet das Leistungsangebot der Sparkassenakademie darüber hinaus
Qualifizierungen zur kompetenten Mitarbeiterführung und für Managementaufgaben.
80 Auszubildende
in Reutlingen
Auch die Kreissparkasse Reutlingen nutzt
die Angebote der Sparkassenakademie in vielfältiger Weise: So nehmen die unterschiedlichen Spezialisten des Hauses, zum Beispiel für
das Kreditgeschäft, das Anlagengeschäft oder
für das Marketing, die Angebote der Fachtagungen wahr. Ebenso besuchen viele Nachwuchskräfte nach ihrer Ausbildung die Qualifizierungskurse der Akademie. Aktuell bereiten sich in der Kreissparkasse rund 80 Auszubildende auf ihren künftigen Beruf als Bankkaufmann/-frau, Finanzassistent/-in, Kaufmann/-frau für Büromanagement sowie als
Bachelor of Arts vor. Damit ist die Kreissparkasse Reutlingen der größte kaufmännische
Ausbilder im Landkreis Reutlingen. »Die
Sparkassenakademie in Stuttgart ist für uns ein
wichtiger Partner bei der Aus- und Weiterbildung«, so der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Reutlingen, Michael Bläsius. »Wir
schätzen vor allem das vielfältige Angebot, so
dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt gefördert werden können.«
Die Sparkassenakademie bildet jedoch
nicht nur aus und weiter. Sie hilft auch dabei,
individuelle Entwicklungswege darzustellen.
Mit zahlreichen eignungsdiagnostischen
Sparkassenpräsident Peter Schneider
Instrumenten können Potenziale aufgezeigt
und Entscheidungen unterstützt werden. Die
Betrachtung der individuellen Entwicklung
eines jeden Mitarbeiters der Mitgliedsinstitute
ist dabei einer der zentralen Aspekte des Leistungsangebots der Sparkassenakademie.
In Zukunft wird neben der Personalentwicklung und Personalstrategie auch das Themenfeld Organisationsentwicklung verstärkt
zum Leistungsspektrum der Sparkassenakademie gehören. Präsident Schneider: »Auch
in Zukunft können sich die Sparkassen und
unsere Verbundunternehmen darauf verlassen, mit der Sparkassenakademie BadenWürttemberg bei allen Fragen der Personalund auch der Organisationsentwicklung einen
leistungsstarken und kompetenten Partner an
ihrer Seite zu haben.«
85 Millionen Euro wurden in die Akademie investiert
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Ernst Freiherr von
Feuchtersleben
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