apache agora online

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apache agora online
myStudy: Zur Konzeption einer
internetbasierten Kommunikationsplattform
zur Unterstützung der Präsenzlehre
Magisterarbeit
im Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften
Studiengebiete Sprache und Kommunikation, Kulturinformatik
Vorgelegt von Timo Leder
Matrikelnummer: 999315
am 31.05.2003
Erstprüfer: Walter Uka
Zweitprüfer: Dr. Rolf Großmann
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
3
2. myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
7
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
Form und Grenze
Grenzen und Anschlussfähigkeit
Konstruktivismus und Form
Konstruktivistische Lerntheorie
e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien
Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien
3. Form und Technik
3.1 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls
3.2 Aspekte von Open Source-Technologien
3.3 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht
4. Form und Interfacedesign
4.1 Das Interface zwischen Artefakt und Anwender
4.2 Visualität und Information
4.3 Design als Verwendung von Zeichen
5. Zur Umsetzung von myStudy
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
Verortung von myStudy im universitären Kontext
Der Stundenplan als Interface
Darstellung von myStudy
Visuelle Gestaltung
Verwendete Technologien
Struktur der Datenbanken
7
14
18
21
23
28
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31
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55
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62
63
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6. Schlussbemerkungen
89
7. Quellenverzeichnis
92
7.1 Literatur
7.2 Internetquellen
92
96
1
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Alte Hexe und junges Mädchen
11
Abbildung 2:
Ontologisches Designdiagramm (eigene Darstellung; nach
Bonsiepe 1996, 20)
48
Das Interface in der Beziehung zwischen Anwender und Artefakt
(eigene Darstellung)
50
Abbildung 4:
Dimensionen der Semiose nach Morris (vgl. Nadin 1988, 271)
56
Abbildung 5:
Zeichenklassifikation nach Peirce (vgl. Nadin 1988, 271)
58
Abbildung 6:
Darstellung eines Hyperlinks mit Mauszeiger (Screenshot)
59
Abbildung 7:
Ansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot)
66
Abbildung 8:
Aufbau der Suchmaske in der Veranstaltungssuche und Anzeige
der Suchergebnisse (Screenshot)
68
Druckansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot)
69
Abbildung 3:
Abbildung 9:
Abbildung 10: Stundenplanansicht mit Ausschnittvergrößerung einer eingetragenen
Lehrveranstaltung (Screenshot, eigene Darstellung)
70
Abbildung 11: Interface des Informations- und Kommunikationspanels in der
Ansicht für Studierende (Screenshot, Ausschnitt)
71
Abbildung 12: Differenzierung der Rechteverwaltung in der Anmeldung zur Nutzung
von myStudy (Screenshot)
74
Abbildung 13: Verwaltungswerkzeug zur Administration der myStudy-Datenbestände
(Screenshot)
75
2
Abbildung 14: Schematische Darstellung des Seitenlayouts (eigene Darstellung)
77
Abbildung 15: Client-Server-Architektur und Darstellung einer HTTP-Anfage mit
PHP-Interpretation (eigene Darstellung)
82
Abbildung 16: Datenbankstruktur von myStudy (eigene Darstellung)
87
Abbildung 17: Reduzierte Darstellung der Datenbankstruktur (eigene Darstellung)
88
1. Einführung
„I believe that the motion picture is destined to revolutionize our educational system and that in a few years it
will supplant largely, if not entirely, the use of textbook.“
(Thomas Edison 1922)1
Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass multiund hypermediale Technologien ein großes Potential für die Anwendung im
Rahmen der universitären Lehre haben. Zugleich hat die intensive technologische Durchdringung des Alltags dazu geführt, dass die Kompetenzen in
der Nutzung dieser Medien einen besonders hohen Stellenwert im Ausbildungsprofil heutiger Hochschulabsolventen einnimmt. Heute ist diese Entwicklung an einem Punkt angekommen, an dem vielerorts darüber nachgedacht wird, das Modell der Präsenzlehre, wie es an den deutschen Universitäten praktiziert wird, neu zu überdenken und ganz oder teilweise durch die
Verwendung von Internet- und Multimediatechnologien zu substituieren.
Unter dem Schlagwort e-learning wurden daher in den letzten Jahren umfangreiche Anstrengungen zur Entwicklung virtueller, zumeist hypermedialer Lernangebote unternommen.
In der Bildungspolitik ist die Entwicklung von e-learning-Plattformen vor
allem deshalb von großer Bedeutung, weil in der Bereitstellung von effizienten Angeboten für die Aus- und Weiterbildung ein erhebliches Marktpotential auf einem freien Bildungsmarkt erkannt wird. Auch im Rahmen betrieblicher Weiterbildung finden e-learning-Konzepte immer größere Beachtung.
Für das Jahr 2004 werden europaweit betriebliche Investitionen in
e-learning-Systeme in Höhe von etwa 4 Milliarden Euro erwartet.2
e-learning
Mit Hilfe von e-learning-Plattformen soll Lernenden die Möglichkeit gegeben werden, sich Wissen in einer selbstbestimmten sowie raumzeitlich unabhängigen Art und Weise anzueignen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit
soll jedoch gezeigt werden, dass diesen Strategien ein Verständnis von Wissen und Lernen zugrundeliegt, welches unter Berücksichtigung von unterscheidungstheoretischen Ansätzen in Frage gestellt werden muss. Die Effektivität von e-learning-Systemen muss infolgedessen problematisiert werden.
Doch sollen die Folgerungen, die hieraus gezogen werden, keinesfalls in reaktionärer Manier den Einsatz von vernetzten Technologien im Rahmen der
universitären Lehre verneinen. Vielmehr soll die organisatorische Unterstützung der universitären Präsenzlehre durch Internet- und Multimedia-Techno-
1
2
Ergänzung der
Präsenzlehre
Zitiert nach Oppenheimer 1997, 45.
Diese Zahl geht aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert
und Partner hervor (vgl. Mummert u. a. 2002 [online]).
3
Einführung
logien vorgeschlagen werden, um auf diesem Wege einerseits die Medienkompetenz von Lernenden und Lehrenden zu fördern und darüberhinaus die
Präsenzlehre von organisatorischen Aspekten zu entlasten und in dieser Hinsicht zu unterstützen.
myStudy
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die internetbasierte Kommunikationsplattform myStudy vorgestellt, die bewusst auf die Unterstützung der Präsenzlehre ausgerichtet ist, statt eine Virtualisierung der Lehre zu verfolgen.
myStudy ist ein Projekt der Abteilung Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken (.dok) des Rechen- und Medienzentrums der Universität
Lüneburg. Den Studierenden und Lehrenden der Universität wird durch dieses Projekt eine Kommunikationsplattform zur Verfügung gestellt, die es erlaubt, anhand des Vorlesungsverzeichnisses einen persönlichen Stundenplan
zu erstellen und passwortgeschützt abzuspeichern. Gleichzeitig dient myStudy als Schnittstelle zwischen Lehrenden und Studierenden zur organisatorischen Unterstützung der Lehre.
Um das zentrale Element des Stundenplanes als Orientierungs- und Motivationspunkt gliedern sich verschiedene Informations-, Kommunikations- und
Distributionsfunktionen, welche zur Unterstützung und Organisation der
Präsenzlehre eingesetzt werden können. Lehrende haben durch einen privilegierten Zugang zu dem System die Möglichkeit, Informationen zu ihren
Lehrveranstaltungen bereitzustellen und zu aktualisieren sowie Lehrmaterialien zum Download anzubieten. Einen Überblick über die verschiedenen
Funktionsbereiche gibt die folgende Darstellung:
Information
- personalisierte Stundenpläne
- detaillierte Informationen zu jeder einzelnen Veranstaltung
- Bereitstellung von Seminarplänen
- Verweise auf Webseiten von Veranstaltungen
- Suche im Vorlesungsverzeichnis
Kommunikation
- veranstaltungsspezifische Blackboards
- aktuelle Hinweise von Lehrenden an Studierende
- seminarspezifische E-Mail-Listen
- Anmeldung zu Seminaren
Distribution
- Up- und Download von Lehrmaterialien
Tabelle 1: Funktionen der myStudy-Plattform
4
Während das ursprüngliche Ziel bei der Entwicklung von myStudy darin bestand, auf den Webseiten der Universität die Möglichkeit zu schaffen, einen
persönlichen Stundenplan zu erstellen und auszudrucken, wurde relativ
schnell deutlich, dass diese internetbasierten Stundenpläne eine Struktur bilden, die weitergehend für die Unterstützung der Präsenzlehre genutzt werden kann.
Zielsetzung von
myStudy
Die Verwendung von myStudy bietet seinen Nutzern den Vorteil, eine Vielzahl von studienrelevanten Informationen zentral abrufen zu können. Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, welche zuvor dezentral an
verschiedenen Instituten und Lehrstühlen angeboten wurden (z.B. durch
Aushänge an schwarzen Brettern), werden auf diese Weise gebündelt und
sind auch von auswärtigen Studierenden einfach über das Internet wahrzunehmen. Andersherum können Lehrende mit Hilfe von myStudy die Aktualisierung sämtlicher Informationen zu allen von ihnen angebotenen Lehrveranstaltungen zentral vornehmen. An der Schnittstelle zwischen Lehrenden
und Studierenden entstehen so neue Kommunikationsräume, in denen ein
studienbezogener Austausch stattfinden kann.
myStudy ist im Internet unter der URL http://mystudy.uni-lueneburg.de zu
finden.
Der detaillierten Betrachtung von myStudy und seinem Potential zur Unterstützung der universitären Lehre sollen zunächst einige theoretische Ausführungen vorangestellt werden, welche die Begriffe Form und Grenze als zentrale Kriterien für die weiteren Betrachtungen vorschlagen. Unter Bezugnahme auf die Unterscheidungstheorie des Mathematikers George SpencerBrown werden diese und angrenzende Begriffe hergeleitet und für die Fundierung von konstruktivistischen Ansätzen in der Lerntheorie herangezogen.
Aus dieser Perspektive soll die Problematik von e-learning und Präsenzlehre
beleuchtet werden, um das Votum für eine Internetplattform zur Unterstützung der Präsenzlehre zu rechtfertigen und die Stellung von myStudy in diesem Spannungsfeld zu verorten.
Gang der
Untersuchung
Diese Beobachtungen, die sich also mit der Zielsetzung von myStudy und ihren theoretischen Bezügen beschäftigen, liefern die Grundlage, auf der weitere konzeptionelle Entscheidungen reflektiert und getroffen werden müssen. Für die vorliegende Arbeit sind hierbei vor allem zwei Aspekte signifikant: zum einen die Auswahl der verwendeten Technologien und zum
anderen die Gestaltung der Benutzerschnittstellen.
Für die Entwicklung und den Betrieb von myStudy wurden fast ausnahmslos
Open Source-Technologien und offene Standards verwendet. Aus diesem
Grund ist es angebracht, die spezifischen Eigenarten dieser Technologien zu
untersuchen, um ihre Bedeutung für die Konzeption von myStudy zu erfassen. Die gewählte Theoriegrundlage von Spencer-Brown wird sich auch in
Open Source
5
Einführung
dieser Hinsicht als hilfreich erweisen und die Begriffe liefern, mit denen sich
die Vorteile von Open Source-Technologien für myStudy beschreiben lassen.
Interfacedesign
Während die technologischen Fragen ihre Relevanz stärker auf der Seite der
Entwicklung und Administration von myStudy zeigen, spielt für die Nutzung
einer Kommunikationsplattform die Gestaltung der Benutzerschnittstellen
die zentrale Rolle. Daher muss im Rahmen der Konzeption von myStudy das
Problem des Interfacedesigns beleuchtet werden, dessen Bewältigung einen
wesentlichen Einfluss auf den Erfolg in Bezug auf die oben dargestellte Zielsetzung hat. Die Gestaltung einer Benutzerschnittstelle muss dabei als die
Verwendung von Zeichen gedeutet werden. Infolgedessen ist die Berücksichtigung von zeichentheoretischen Modellen bei der Untersuchung von
Gestaltungsaspekten unerlässlich und kann für die Betrachtung von Designentscheidungen wertvolle Hinweise liefern.
Auf der Basis dieser theoretischen Reflexionen sollen die Feststellungen und
Folgerungen anhand einer praxisorientierten Betrachtung von myStudy nachvollzogen und belegt werden. Im Zuge einer detaillierten Beschreibung des
Systems, seiner Techologien und Oberfächen sollen die verschiedenen
Aspekte daher wieder aufgenommen werden.
Die Plattform myStudy soll damit als eine sinnvolle und effektive Lösung im
Rahmen eines Ergänzungsmodells von Präsenzlehre und vernetzten Technologien beschrieben werden. Darüberhinaus sollen die praktischen Entscheidungen, die im Zuge der Entwicklung und Gestaltung von myStudy getroffen
worden sind, theoretisch reflektiert werden, nicht zuletzt, um damit Hinweise für vergleichbare Projekte zu liefern.
6
Form und Grenze
2. myStudy im Spannungsfeld zwischen
e-learning und Präsenzlehre
Mit der Entscheidung, eine Kommunikationsplattform für die Unterstützung
der Präsenzlehre zu entwickeln, hat man sich an der Universität Lüneburg
für ein Modell entschieden, das auf die Ergänzung herkömmlicher Methoden
der Präsenzlehre durch vernetzte Technologien baut. Im Gegensatz hierzu
stehen gegenwärtig e-learning-Systeme, die eher auf den Ersatz von Präsenzlehre durch multimediale und vernetzte Techniken abzielen, wesentlich
stärker im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die Befürworter der Entwicklung von e-learning-Plattformen sehen in der Förderung dieses Substitutionsmodells die Bedingungen der Möglichkeit eines kostengünstigen, delokalisierten und zeitlich entgrenzten Lernens. Der qualitative Erfolg eines
solchen Modells muss jedoch in Frage gestellt werden. Im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien soll hier die These verfolgt werden, dass die Vertreter eines Substitutionsmodells an den Vorraussetzungen für eine nachhaltig
erfolgreiche universitäre Lehre vorbei denken. Den theoretischen Unterbau
hierfür soll zunächst die von George Spencer-Brown vorgeschlagene Betrachtung der Begriffe Form und Grenze liefern, die für die Entwicklung einer systemtheoretischen und konstruktivistischen Anschauung der kommunikativen und kognitiven Prozesse des Lernens zentral sind. Darüber hinaus
zeigen sich in der Herleitung dieser Begriffe wertvolle Grundlagen für das
Selbstverständnis eines jeden Beobachters, die somit auch für die Beobachtungen der vorliegenden Arbeit ihre Gültigkeit bewahren.
2.1 Form und Grenze
Der Begriff der Grenze ist in der Vielschichtigkeit seiner möglichen Verwendungen merkwürdig undefiniert. Zumeist wird die Grenze als Phänomen des
Raumes erfahren, jedoch ist selbst im alltäglichsten Sprachgebrauch eine
Vielzahl weiterer Verwendungsarten üblich. Die Anzahl wissenschaftlicher
Publikationen, welche die Grenzen von Theorien, Sichtweisen oder Denkarten aufzeigen, scheint unüberschaubar, allerdings sind die theoretischen
Auseinandersetzungen mit dem Begriff und seiner eigentlichen Idee deutlich
seltener. Dabei sprechen bereits „die ersten [überlieferten; T.L.] Sätze der
abendländischen Philosophie [...] von der Grenze als einem zentralen Begriff“ (Wokart 1995, 275). Der griechische Philosoph Anaximander aus Milet (611-546 v. Chr.) formulierte diese und versteht die Grenze als einen Begriff, „ohne den die Welt denkerisch nicht erschlossen werden könnte“ (Wokart 1995, 276).
Es soll an dieser Stelle eine Betrachtung erfolgen, welche den Grenzbegriff
nicht in Bezug auf einen bestimmten Diskurs im Sinne einer Grenze von etwas versteht, sondern vielmehr die Grenze als etwas thematisiert. Im Folgenden wird sich zeigen, dass eine solche Anschauung einen Rückbezug der
7
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
Idee Grenze auf sich selbst bedeutet und mit Baecker als ein „Wiedereintritt
der Unterscheidung in den Bereich des von ihr Unterschiedenen“ (Baecker
1999, 24f) bzw. mit Spencer-Brown als „re-entry“ (Spencer-Brown 1977,
56ff) verstanden werden kann. Für die Problematik der vorliegenden Arbeit
ist diese Betrachtung auch deshalb von Bedeutung, da es mit ihrer Hilfe
möglich ist, zu Beobachtungen zu gelangen, welche die eigene Position und
Perspektive nicht außer Acht lassen.
Grenze von innen
In der alltäglichen wie in der wissenschaftlichen Verwendung des Begriffes
fällt eines sehr deutlich auf: Die Idee der Grenze wird meist von innen her
gedacht. Wenn beispielsweise bei John R. Searle von den „Grenzen der
künstlichen Intelligenz“ (Searle 1997) die Rede ist, dann nähert sich der Leser dem Problem der Grenze von innen, indem er nachvollzieht, wo die Fähigkeiten einer Computerintelligenz aufhören. Wenn von den Grenzen eines
Nationalstaates gesprochen wird, so ist der inhaltliche Rückbezug stets der
Nationalstaat und nicht der Rest der Welt, aus dem mit Hilfe der Grenze ein
bestimmter Teil herausgeschnitten wird. Es scheint, als würde man mit dem
Begriff der Grenze lediglich eine Definition dessen vornehmen können, was
man gedanklich einschließen nicht aber ausschließen will. Die Grenze bekräftigt einen Unterschied, eine Differenz des Eingeschlossenen gegenüber
dem Rest. Oder mit anderen Worten: Bei dem Wechsel von der einen Seite
der Grenze zur anderen ergeben sich Veränderungen, welche durch den Begriff der Grenze angezeigt werden. Es wird damit ein Selektionskriterium
geliefert, dessen Folge die Binarität von Zustimmung und Ablehnung, von
Einschluss und Ausschluss bzw. von Diesseits und Jenseits der Grenze ist.
Gesetze der Form
Dass diese Anschauung zu kurz greift, zeigt George Spencer-Brown in seinem Kalkül „Gesetze der Form“ (Spencer-Brown 1999), mit dem er eine
Theorie der Begriffe Form und Grenze liefert. Jahrelang wurde er für ein alter ego Luhmanns gehalten3, der die Gesetze der Form für die Konstruktion
der System-Umwelt-Architektur in seinen systemtheoretischen Arbeiten
herangezogen hat4. Mit dem Erscheinen der ersten deutschen Augabe 1997
ist er im hiesigen Sprachraum einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden. Spencer-Brown selbst beschreibt sein Werk als mathematisches Kalkül, welches an einem Punkt beginnt, welcher der Logik vorausgehend und
„soweit degeneriert ist, dass wir herausfinden können, dass die
Ideen von Beschreibung, Bezeichnung, Namen und Anweisungen auf dasselbe hinauslaufen können.“ (Spencer-Brown 1999,
70)
3
4
8
Rudolf Maresch gibt in seinem Telepolis-Artikel zum Erscheinen der deutschen Übersetzung der Laws of Form an, das Formenkalkül sei jahrelang für
ein Hirngespinst Luhmanns gehalten worden (vgl. Maresch 1998 [online]).
(Vgl. z.B. Luhmann 1996, 24ff.) Der Bezug zu Spencer-Brown taucht in einer
Vielzahl von Luhmanns Schriften ab Mitte der achtziger Jahre auf.
Form und Grenze
Der Ort des Ursprungs seines Kalküls sei derart „primitiv“, dass Begriffe
wie richtig und falsch, aktiv und passiv und andere Gegensatzpaare als ineinander kondensiert verstanden werden könnten (Spencer-Brown 1999, 72).
Die Überlegungen auf diesem grundlegenden Niveau seien daher auch von
jedem intelligenten sechsjährigen Kind zu verstehen (Spencer-Brown 1999,
XV), während erwachsene Menschen von der allgegenwärtigen Anwendung
einer zweiwertigen Booleschen Logik schon derart verdorben seien, dass ihnen das Verständnis der Gesetze der Form oftmals außerordentlich schwer
falle.
Spencer-Brown beginnt sein Kalkül mit der Anweisung: „Triff eine Unterscheidung“ (Spencer-Brown 1999, 3). Jede Unterscheidung, die ein Leser in
Folge dieser Anweisung treffen mag, beruht auf der Teilung eines Raumes5
in zwei Seiten der Unterscheidung. Die Innenseite der Unterscheidung wird
bezeichnet, während die andere Seite unbezeichnet bleiben muss. Die Unterscheidung schneidet mittels der Markierung des Bezeichneten einen bestimmten Teil aus dem Raum des unmarkiert bleibenden Restes heraus. Sie
produziert somit eine Form, welche stets als „Zwei-Seiten-Form“ (Baecker
1993, 11) verstanden werden muss, da sie eine Innenseite und eine Außenseite impliziert, und installiert in der ehemals vollkommenen Symmetrie des
ununterschiedenen Raumes die Asymmetrie eines Gefälles, in welchem die
Innenseite in aller Regel höher bewertet wird als ihr Komplement. Für den
Spencer-Brownschen Formbegriff ergeben sich damit im Ganzen drei Werte:
die beiden Seiten der Unterscheidung sowie die dazwischenliegende Grenze.
Allerdings liegt es in der Natur der Bezeichnung, dass sie nicht gleichzeitig
darauf verweisen kann, dass sie anderes unbezeichnet lässt. Schließlich erkennt sie sich selbst nicht als Unterscheidung,
Zwei-Seiten-Form
„denn die Bezeichnung verdeckt sowohl die Unterscheidung
wie den Umstand, dass sie getroffen und dass sie von mir
getroffen wird. All das, die Außenseite der Unterscheidung, die
Unterscheidung selbst und den Umstand, dass ein Beobachter
sie trifft, kann man nur sehen, wenn man entsprechende [neue;
T.L.] Bezeichnungen vornimmt.“ (Baecker 1999, 24)
Auf der Basis dieser Formbildung werden drei Anschlussoperationen möglich. Zunächst stellt Spencer-Brown das Gesetz des Nennens vor: „Der Wert
einer nochmaligen Nennung ist der Wert der Nennung“ (Spencer-Brown
1999, 2). Diese Operation kann im Sinne einer Bestätigung interpretiert werden, welche den Wert der Unterscheidung bekräftigt. Zweitens führt er das
Gesetz des Kreuzens ein: „Der Wert eines nochmaligen Kreuzens ist nicht
der Wert des Kreuzens“ (Spencer-Brown 1999, 2). Das Kreuzen der
5
Die Verwendung des Begriffes Raum ist ideell zu verstehen. Sie bezieht sich
nicht auf einen physischen Raum. Der physisch-lokale Raum kann aber konsequenterweise als Spezialfall der hiesigen Betrachtung eingeschlossen werden.
9
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
Unterscheidung meint das Übertreten der Grenze, welche die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenseite installiert hat. Die Unterscheidung
wird damit egalisiert, womit jede weitere Anschlussmöglichkeit des Nennens oder Kreuzens gelöscht wird.6 Mit Hilfe dieser beiden Denkfiguren ist
es Spencer-Brown möglich, beliebig erweiterbare Arrangements von Unterscheidungen zu formulieren, welche sich stets wieder auf den markierten
oder den unmarkierten Zustand zurückführen lassen.
re-entry
Erst die dritte Operation ist, wie es Baecker formuliert, „der eigentliche
Skandal des Kalküls“ (Baecker 1999, 24). Es handelt sich um die Figur des
„re-entry“, um den „Wiedereintritt in die Form“ (Spencer-Brown 1999,
60ff). Das Kalkül wird in dieser Anschlussoperation rückgekoppelt, indem
die Form auf sich selbst rekurriert. Was aber geschieht hier mit der Unterscheidung?
Die Unterscheidung lässt, bereits während sie getroffen wird, eine Paradoxie
entstehen. Genau genommen muss sie als Anweisung eigentlich schon vorliegen, bevor sie getroffen werden kann. In Ermangelung einer Anweisung
aber zieht sich die Unterscheidung paradoxerweise nach dem order-fromnoise-Prinzip7 am eigenen Schopf aus der Einheit des „unmarked state“
(Spencer-Brown 1977, 3).8 Sie wird vollzogen und wird gleichzeitig als Unterscheidung für sich selbst und andere beobachtbar. Das aber heißt nichts
anderes, als dass die Unterscheidung selbst bezeichnet wird. Sie wird als
Form auf der Innenseite der Unterscheidung unterschieden. Der Wiedereintritt ermöglicht damit ein Oszillieren zwischen Innenseite und Außenseite
der Unterscheidung, welches nicht durch ein ständiges Kreuzen der Grenze,
nicht im Sinne der Bestätigung oder Aufhebung der Grenze vor sich geht,
sondern das durch die Existenz eines äußeren Beobachters evoziert wird.
alte Hexe oder
junge Frau?
Dieser Sachverhalt soll an einer bekannten Beispiel aus der Wahrnehmungslehre verdeutlicht werden. Die Abbildung 1 zeigt zunächst eine Komposition
aus schwarzen Linien und Flächen auf weißem Grund.
6
7
8
10
Niklas Luhmann misst der Operation des Kreuzens Kreativität bei, da sie im
Gegensatz zur Nennung keine reine Wiederholung darstellt (vgl. Luhmann
1999a, 61).
Dieses order-from-noise-Prinzip wurde erstmals von Heinz von Foerster vorgestellt. Foerster hat gezeigt, dass die Ordnung eines System zwar abhängig von
dessen innerer Struktur ist, dass aber die Manifestation dieser Ordnung nur aus
dem Chaos bzw. Rauschen (noise) heraus möglich ist. Rauschen ist mithin konstituierend für Ordnung. Die Unterschiede zwischen Spencer-Brown und Foerster sind rein begrifflicher Natur. Der Zustand des Chaos ist die perfekte
Symmetrie, ein vollkommenes Kräftegleichgewicht. Die Foerstersche Ordnung
bedeutet die Spencer-Brownsche Asymmetrie der Unterscheidung, welche die
Einheit des Raumes aufbricht. (vgl. Foerster 2001, 199f; Luhmann 1994, 122f)
Die Fähigkeit, Unterscheidungen trotz fehlender Anweisung zu treffen, könnte
man in Bezug auf Luhmann ebenfalls als Kreativität bezeichnet (siehe Fußnote
5) Es zeigt sich hierin die Verwandtschaft der ersten Unterscheidung mit dem
Kreuzen der Grenze.
Form und Grenze
Abbildung 1: Alte Hexe und junges Mädchen
Hat das Auge erst einmal Formen und Strukturen unterschieden, so sehen
verschiedene Beobachter entweder das Bild einer alten Hexe oder das einer
jungen Frau. Zwar ist der Beobachter nach kurzer Übung durchaus in der
Lage, die Wahrnehmung zwischen alter Hexe und junger Frau hin und her zu
schalten, doch ist es unmöglich beide auf einmal zu sehen. Die Bezeichnung
Alte Hexe verdeckt die Außenseite der Unterscheidung, zu der auch das
Junge Mädchen gehört. Wer das Junge Mädchen bezeichnet, nimmt eine andere Unterscheidung vor und lässt folglich die Alte Hexe unbezeichnet.
Beide Seiten der Unterscheidung auf einmal zu bezeichnen, ist dem Beobachter nicht möglich. Stattdessen passiert etwas Sonderbares: Die Paradoxie,
welche uns beim Wechsel zwischen beiden Wahrnehmungen gegenwärtig
wird, das Befremden über ein Bild, welches zugleich ein junges Mädchen
und eine alte Hexe zeigt, lässt - wie hier in diesen Zeilen - die Wahrnehmung
selbst zum Gegenstand der Beobachtung werden. Damit wird der Wiedereintritt der Wahrnehmung in die Wahrnehmung bzw. der Form in die Form vollzogen.
Spencer-Brown gelangt mit seinen Überlegungen auf mathematisch formalem Wege zu der Denkfigur der Autoreferenz bzw. Rückkopplung, welche
ebenfalls grundlegend für Norbert Wieners Kybernetik ist (vgl. Wiener
1969, 124ff). Wiener bleibt mit seinen Herleitungen allerdings im Bereich
der Booleschen Algebra (vgl. Wiener 1969, 150), den Spencer-Brown mit
den Gesetzen der Form zu überwinden sucht. Während die Boolesche Algebra lediglich zwei Werte kennt, nämlich richtig und falsch, und auf diese
Weise zwei Anschlussoperationen erlaubt, nämlich Annahme oder Ablehnung, installiert Spencer-Brown die Unterscheidung selbst und so auch ihre
eigene Rückkopplung als dritten Wert. Ein Beobachter hat nun die Möglichkeit, eine Aussage nicht nur anzunehmen oder abzulehnen, er kann sie im
Spencer-Brownschen Sinne auch unentschieden zurückweisen, indem er die
Unterscheidung, welche von der Aussage vorgenommen wird, nicht mitträgt9. Der Beobachter unterscheidet mithin die Unterscheidung selbst und
Kybernetik und
Form
11
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
kann auf diese Weise aus ihrer Innenseite heraus, aber auch wieder in sie
hinein treten.
Kybernetik zweiter
Ordnung
Mit dieser Interpretation des Kalküls ergeben sich große Ähnlichkeiten zwischen diesem und der Kybernetik zweiter Ordnung von Heinz von Foerster.10 Deren Konstrukt der Beobachtung zweiter Ordnung, welche Luhmann in die Systemtheorie übernommen hat, gleicht der Figur des re-entry.
Den Unterschied von Kybernetik erster und zweiter Ordnung definiert Heinz
von Foerster folgendermaßen:
„Ich schlage vor, die Kybernetik von beobachteten Systemen
als Kybernetik erster Ordnung zu betrachten; die Kybernetik
zweiter Ordnung ist dagegen die Kybernetik von beobachtenden Systemen.“ (Foerster 2001, 73)
Foerster erklärt damit die Beobachtung zweiter Ordnung programmatisch
zum Leitbegriff seiner Kybernetik. Auf diese Weise will Foerster die blinden
Flecken der Beobachtungen erster Ordnung sichtbar machen und zu Aussagen gelangen, welche unabhängig von Beobachterperspektiven sind, also
unabhängig von der Art und Weise, wie Beobachter Unterscheidungen treffen. Am Beispiel des Bildes, das zum einen die Hexe und zum anderen die
junge Frau zeigt, wäre die Beobachtung zweiter Ordnung also die Wahrnehmung der verschiedenen Wahrnehmungsmöglichkeiten und der begleitenden
kognitiven Prozesse.
Form von myStudy
Die wichtigsten Aspekte des Formbegriffs sind nun dargestellt worden. Es
ist daher an der Zeit, diese Erläuterungen in den Kontext der Problemstellung der vorliegenden Arbeit zu setzen. Ziel der obigen Ausführungen ist es,
dem Leser mit dem Vokabular von Form, Grenze und Unterscheidung ein
Werkzeug an die Hand zu geben, welches ihn in die Lage versetzt, myStudy
und angrenzende Problembereiche sinnvoll zu betrachten und einzuordnen.
Gleichzeitig ist der Formbegriff auch notwendig, um die eigene Beobachterposition des Verfassers zu reflektieren, die deshalb eine besondere ist, weil
dieser auch zum Entwicklerteam von myStudy gehört. Dieser Umstand
macht ihn auf der einen Seite zu einem Spezialisten in Bezug auf die Fragestellung, auf der anderen Seite zu einem Beobachter, der in besonderer
Weise mit dem Problem der Unterscheidung befasst ist. Soll das Unternehmen dieser Arbeit gelingen, muss eben jener beschriebene Wiedereintritt ge9
10
12
Niklas Luhmann beschreibt dies anhand der Unterscheidungen von Code und
Referenz. Eine Aussage kann nach einem Code angenommen oder abgelehnt
werden (z.B. richtig/falsch), während sie unter Berücksichtigung der Unterscheidung Selbstreferenz/Fremdreferenz z.B. als nicht relevant zurückgewiesen werden kann (vgl. Luhmann 1992, 29ff).
Heinz von Foerster war das Werk Spencer-Browns frühzeitig bekannt. Er
schrieb im Jahre 1969 eine außerordentlich lobreiche Besprechung der englischen Erstausgabe der „Gesetze der Form“ für den Whole Earth Catalogue und
machte das Kalkül damit in Kybernetikerkreisen bekannt.
Form und Grenze
leistet werden: Der Beobachter muss seine eigenen Beobachtungen beobachten. Nur so kann er von seinen getroffenen Unterscheidungen abstrahieren
und zu Aussagen gelangen, die auch ’außerhalb’ von myStudy Gültigkeit besitzen. Auf der Grundlage des Formbegriffs ist es möglich, mit den einhergehenden Schwierigkeiten umzugehen, indem ein Beobachterstandpunkt zweiter Ordnung eingenommen und reflektiert wird.
Wir gehen also davon aus, dass jede Beobachtung auf dem Umstand beruht,
dass mit ihr anderes von der Beobachtung ausgeschlossen wird. Die Tatsache, dass beobachtet wird, sowie die Fragen danach, wie beobachtet wird,
was und was nicht beobachtet wird, können nur durch eine Betrachtung der
‘Form’ von myStudy beleuchtet werden. Eine solche Betrachtung richtet sich
nicht nur auf den Funktionsumfang von myStudy, sondern auch auf die Wahl
der Technologien und die Gestaltung des Interfaces. Und selbst dies bliebe
vordergründig, wenn man nicht dem Umstand Rechnung tragen würde, dass
es sich um eine Plattform zur Kommunikation in der Präsenzlehre handelt.
Es ist also die Frage zu stellen, wie sich eine Universität sieht, die ein System wie myStudy zur Unterstützung der Präsenzlehre entwickelt und anwendet, statt ihre Anstrengungen in das Angebot einer e-learning-Plattform
zu investieren. Eben diese Frage soll in den folgenden Abschnitten behandelt
werden.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann eine Anwendung wie
myStudy als eine ’geronnene’ Form der Unterscheidung verstanden werden.11 Sie stellt eine Ansammlung von Unterscheidungen dar, die durch ihre
Programmierer und Gestalter in bestimmten Phasen der Entwicklung getroffen worden sind und die nun in der Funktion der Technik automatisiert sind.
Solange die Technik funktioniert, werden die in Ihr geronnenen Unterscheidungen durch das Gesetz des Nennens bestätigt. Das Kreuzen der Grenze ist
dagegen nicht möglich, solange man kein Programmierer ist, der Zugriff auf
den Quellcode hat, um die Funktionen des Programms umzuschreiben, neue
Funktionen hinzuzuprogrammieren oder vorhandene zu entfernen. Hier
zeichnet sich ab, dass die Stellung von Open Source-Technologien eine besondere ist, da hier die Möglichkeit des Kreuzens, durch die Offenlegung
des Quellcodes offener handhabbar ist als bei proprietären Angeboten.12
11
12
Gerinnung der
Form
Das Verständnis von Technik als geronnene Form von menschlichen Handlungen und Entscheidungen geht auf Max Weber zurück: „Eine leblose Maschine
ist geronnener Geist“ (Weber 1988, 332).
Unter dem Ausdruck proprietäre Software wird jene Software zusammengefasst, deren Quellcode durch die Urheberrechte des Eigentümers (englisch: proprietor) geschützt wird und daher nicht einsehbar ist. Die Freigabe des
Quellcodes erlaubt es dagegen dem Benutzer, Änderungen an der Software
vorzunehmen. Diese auf den Benutzer übertragene Freiheit macht Open
Source-Strategien gegenüber Krisensituationen relativ unempfindlich. Die Stabilität des Linux-Betriebssystems dient hierfür als Hinweis. Diese und angrenzende Fragen werden im dritten Kapitel ausführlicher bearbeitet.
13
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
Die Beschreibung von myStudy als geronnene Form von Unterscheidungen
darf nicht als Starrheit missverstanden werden. Es handelt sich vielmehr um
ein dynamisches System, in welchem sich durch seine Nutzung Strukturen
herausbilden, die wiederum als Unterscheidungen anzusehen sind. Sie impliziert, das ein Nutzer bei der Anwendung einer Unterscheidung ein Handlungsmotiv hat, ein Ziel, das er mit der Unterscheidung verfolgt, das aber mit
ihr selbst nicht zu verwechseln ist.
2.2 Grenzen und Anschlussfähigkeit
Wie erläutert wurde, markiert der Begriff der Grenze die Teilung eines Raumes in eine Innen- und eine Außenseite. Die landläufige Verwendung des
Begriffs impliziert oft, dass eine Überwindung dieser Grenze wenn auch
nicht unmöglich, so doch aber mit erheblichen Anstrengungen verbunden
ist. Wer an seine Grenzen gelangt, kann meist nicht über diese hinausgehen,
und wenn doch, so scheint dies die erwähnenswerte Ausnahme der Regel zu
sein. Der Grenzbegriff, wie ihn Spencer-Brown beschreibt, unterscheidet
sich von der üblichen Verwendung, denn wie schon im vorhergehenden Abschnitt angedeutet wurde, ist die Grenze Voraussetzung für verschiedene Anschlussmöglichkeiten. Die Operationen des Nennens und des Kreuzens sowie das re-entry werden erst auf der Grundlage der vorgängigen Unterscheidung möglich. Sie markiert somit nicht das Ende von etwas, sondern gerade
den Anfang von vielen weiteren Unterscheidungen, die sich kaskadisch fortsetzen.13 Begrenzung und Entgrenzung können insofern als einander konstituierende Phänomene gedeutet werden.
Offenheit und
Geschlossenheit
Dieser Zusammenhang kann in Anlehnung an Niklas Luhmann näher beschrieben werden. Zwar können hier nur einzelne Aspekte der Systemtheorie
angeführt werden, jedoch ist festzuhalten, dass die Systemtheorie die „allgemeinen Eigenschaften der Zwei-Seiten-Form am Fall von System und Umwelt expliziert“ (Luhmann 1999a, 63). Die These von Begrenzung und Entgrenzung lässt sich für diese Explikation reformulieren: Alle Offenheit von
Systemen beruht auf ihrer Abgeschlossenheit.
„Etwas ausführlicher gesagt, heißt dies, daß nur operativ
geschlossene Systeme eine hohe Eigenkomplexität aufbauen
können, die dann dazu dienen kann, die Hinsichten zu spezifizieren, in denen das System auf Bedingungen seiner Umwelt
reagiert, während es sich in allen übrigen Hinsichten dank seiner Autopoiesis Indifferenz leisten kann.“ (Luhmann 1999a,
68)
13
14
Metaphorisch kann der Sündenfall als die Ur-Unterscheidung der Welt gesehen
werden (vgl. Luhmann 1999a, 62), denn er installiert die erste Asymmetrie
zwischen Richtig und Falsch. Gleichzeitig stellt die Vorstellung vom Paradies
die Rückkehr in den ununterschiedenen Zustand der Symmetrie in Aussicht.
Grenzen und Anschlussfähigkeit
Luhmann geht es bei diesem Gedanken noch nicht um die Beschreibung von
Gesellschaftssystemen. Jeder Beobachter bietet vielmehr ein solches abgeschlossenes und autopoietisch operierendes System, welches nicht nur im
psychischen Sinne, sondern auf einer abstrakten und entmaterialisierten
Ebene zu begreifen ist, auf der Beobachtung nicht an spezifische oder gar organische Operationen gebunden ist, sondern nur an Unterscheidung und Bezeichnung.
Der Erkenntnistheoretiker Gregory Bateson unterscheidet in seinem Vortrag
„Double bind“ im Jahre 1969 (Bateson 1981, 353ff) zwischen den Erklärungswelten der Substanz und der Form. Der Welt der Substanz rechnet Bateson Kräfte und Einflüsse zu, während die Welt der Form durch Unterschiede und Ideen geprägt ist. Im Zuge seiner Überlegungen definiert Bateson den Begriff Information als einen „Unterschied, der einen Unterschied
macht“ (Bateson 1981, 353). Die begriffliche Überschneidung zwischen Bateson und Spencer-Brown ist sehr auffällig14, und die Kenntnis des Unterscheidungstheorie kann helfen, Batesons Definition besser zu verstehen. Tatsächlich lässt sich der Begriff ’Information’ im Sinne Spencer-Browns wörtlich verstehen als ’In-Form-ation’, also als Substantiv für das In-FormBefindliche, im Gegensatz zum Formlosen. Wenn aber die Form für die beiden Seiten einer Unterscheidung sowie ihrer Grenze steht, ist die Information nichts als der Unterschied selbst. Jede Information stellt also einen Unterschied dar. Erst wenn der Unterschied aber einen weiteren Unterschied
nach sich zieht, sieht Bateson die Bedingungen von Information erfüllt. Information ist demnach eine Unterscheidung, die anschlussfähig ist und die,
wie Spencer-Brown zeigt, selbst Gegenstand von Unterscheidung werden
kann.
Information
Eine zentrale Rolle für die Anschlussfähigkeit von kommunikativen Operationen spielt die Frage nach Sinn. Sinn ist im systemtheoretischen und konstruktivistischen Verständnis keine Entität an sich, sondern vielmehr ein Produkt von Unterscheidungsoperationen, das somit nur im Moment der Unterscheidung besteht, weder vorher noch nachher. „Alle Orientierung ist
Konstruktion, ist von Moment zu Moment reaktualisierte Unterscheidung.“
(Luhmann 1999a, 45) Wie kommt es dann aber dazu, dass sich in der Selbstbeobachtung sinnkonstruierender Systeme die Illusion von stabilen Identitäten herausbildet?
Sinn
Beobachtende Systeme unterscheiden sich selbst mit Hilfe ihrer Beobachtungen von der Umwelt, sie unterscheiden Selbstreferenz und Fremdreferenz. Die Selbstreferenz ist somit die Innenseite einer Zwei-Seiten-Form, deren Außenseite die Fremdreferenz ist. Indem das System beobachtet,
14
Inwiefern Bateson und Spencer-Brown im Jahre 1969 voneinander Kenntnis
genommen haben, ist allerdings unklar. Erst später bezieht sich Bateson explizit auf Spencer-Brown (vgl. Bateson 1987, 113).
15
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
produziert es jene Form, die wiederum auf ihrer Innenseite beobachtbar ist.
Genau dies beschreibt die oben erläuterte Vokabel des re-entry. Das System
oszilliert auf diese Weise zwischen Selbst- und Fremdreferenz und begreift
den Eigenwert dieser steten Rückkopplung als Sinn.15 Die Produktion von
Sinn ist folglich die stete Herausforderung beobachtender Systeme, die mit
Hilfe ihrer Operationen aus ausgewählten Überraschungen und Irritationen
sinnvolle Informationen gewinnen. Gleichzeitig ist die Produktion von Sinn
also die Folge von rekursiven Unterscheidungen, aber auch die Bedingung,
die den Anschluss weiterer Unterscheidung und damit die Fortführung weiterer Sinnproduktion erst erlaubt.
„Im selbstkonstituierten Medium Sinn ist es unerläßlich, Operationen an Unterscheidungen zu orientieren. Nur so läßt sich die
für Rekursionen erforderliche Selektivität erzeugen.“ (Luhmann 1999a, 48)
Betrachtet man Kommunikationsprozesse, so bezeichnet Sinn das Kriterium
der Selektivität, durch welche die Auswahl einer Anschlusskommunikation
eingeschränkt wird. Hierdurch wird gewährleistet, dass eine beliebige Kommunikation nicht beliebig fortführbar ist. Die Unterscheidung, die durch eine
Kommunikation vermittelt wird, transformiert die unbestimmte Kontingenz
des beliebigen Anfangs in eine bestimmte Kontingenz des Anschlusses, dessen Selektion nur im Medium des Sinns erfolgen kann. Sinnlose Kommunikationen sind daher nicht anschlussfähig.
Kommunikation
Der Kommunikationsbegriff bedarf weiterer Erläuterungen, um in der Frage
nach Anschlussfähigkeit und schließlich auch hinsichtlich einer konstruktivistischen Anschauung von Lernprozessen fruchtbar Anwendung zu finden.
Luhmann beschreibt Kommunikation als eine Trias von Information, Mitteilung und Verstehen und versucht auf diese Weise, sich von einem Kommunikationsbegriff zu lösen, der sich an der „Metaphorik des Besitzens, Habens,
Gebens und Erhaltens“ (Luhmann 1996, 193) orientiert. Der Kommunikationsakt zieht keine Übertragung von Informationen nach sich, er ist vielmehr
zu sehen als ein Selektionsvorschlag, der aufgegriffen und prozessiert werden muss, damit Kommunikation zustande kommt. Information entsteht erst
in der Bemühung des prozessierenden Systems, die Irritation des Selektionsvorschlags in Einklang mit den eigenen Vorstellungen und Sichtweisen zu
bringen, mit anderen Worten, zu verstehen. Während Information und Mitteilung die Voraussetzung für das Verstehen bilden, kann eine Kommunikation nur als geglückt begriffen werden, wenn sie auch verstanden worden
ist16, so dass aus ihr auf der Seite des Empfängers wiederum sinnvolle
15
16
16
Auf diese Weise kommt es im Zeitverlauf zu ständigen Verschiebungen dieses
Eigenwertes und historisch gesehen zu einem Driften von Bedeutungen, welches Jaques Derrida für den Bereich der Sprache mit dem Stichwort différance
expliziert (vgl. Derrida 1991, 76).
Verstehen schließt in diesem Sinne auch Missverstehen ein.
Grenzen und Anschlussfähigkeit
Informationen gewonnen werden können. Dabei beruht das Verstehen wesentlich auf der erfolgreichen „Unterscheidung der Information von ihrer
Mitteilung“ (Luhmann 1996, 195). Die Systemtheoretikerin Elena Esposito
liefert hierfür ein Beispiel:
„Für denjenigen, der die Kommunikation versteht, bleibt die
Differenz zwischen einer durch die Wahrnehmung gewonnenen
Information und einer kommunikativen Information fest [...].
Er verwechselt z.B. die Direktübertragung eines Feuers nicht
mit dem Feuer in seiner Wohnung.“ (Esposito 1993, 343)
Kommunikation beschreibt also das organisierte Zusammentreten von diesen drei Selektionen: Information als Unterscheidung dessen, was kommuniziert wird, von dem, was noch kommunizierbar wäre; Mitteilung als Selektion eines Verhaltens, das diese Information wahrnehmbar macht; und Verstehen als Unterscheidung von Information und Mitteilung.
Allein das Verstehen bewirkt bei dem Adressaten von Kommunikationen
eine Veränderung, unabhängig davon, ob dieser die Information, die er aus
einer Mitteilung generiert hat, annimmt oder ablehnt:
„Man liest: Tabak, Alkohol, Butter, Gefrierfleisch usw.
gefährde die Gesundheit, und man ist (als jemand, der das hätte
wissen und beachten können) ein anderer - ob man’s glaubt
oder nicht!“ (Luhmann 1996, 203)
Das heißt, dass für den Kommunikationsbegriff zunächst unerheblich ist, ob
überhaupt eine weitere Reaktion nach außen, beispielsweise in Form einer
Änderung von Konsumgewohnheiten, wahrnehmbar ist. Dies aber zeigt,
dass jede Kommunikation die Freiheit evoziert, sich so zu ihr zu positionieren, wie man es für richtig hält. Als Selektion schafft sie zwar eine Einschränkung der Beliebigkeit des Kommunizierbaren in Form des Kommunizierten, gleichzeitig erzeugt sie aber auf der Seite ihres Anschlusses die Kontingenz von Annahme und Ablehnung. Auch in der Anwendung der
Unterscheidungsfigur auf die Kommunikation zeigt sich in der gleichzeitigen Reduktion und Entfaltung von Komplexität die Ambivalenz von Begrenzung und Entgrenzung.
Ein solches Verständnis von Kommunikation soll nun zunächst zusammengeführt werden mit einem konstruktivistischen Verständnis von Lernen und
Wissen. Auf der Basis dieser Überlegungen kann dann für eine Ergänzungsstrategie von Präsenzlehre und vernetzter Technologie votiert werden, wie
sie durch das Angebot und den Einsatz von myStudy verfolgt wird.
17
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
2.3 Konstruktivismus und Form
Ernst von Glasersfeld beschreibt den wesentlichen Unterschied des Konstruktivismus gegenüber den vielen anderen Denktraditionen in der Geschichte der westlichen Erkenntnislehre mit dem neuen Verhältnis zwischen
Wissen und Wirklichkeit (vgl. Glasersfeld 1981, 16ff). Während die vorgängigen Denkarten stets darüber stritten, was wirklich existiert, zeigt der Konstruktivismus eine neue Qualität, weil er die Vorstellung von Wirklichkeit revolutioniert, und konstatiert, dass es eine Übereinstimmung von Wissen und
Wirklichkeit nicht geben kann. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Überlegungen kann festgehalten werden, dass die Beobachtung einer
Wirklichkeit wie jede Beobachtung auf der Basis von Unterscheidungsoperationen vor sich geht und daher mit den Begriffen von Spencer-Brown beschrieben werden kann.
Bezüge
Der radikale Konstruktivismus17 befindet sich in der Tradition der kantischen, subjektorientierten Philosophie, löst sich jedoch konsequent von dem
Postulat einer subjektunabhängigen Realität. Die Frage, ob es eine objektive
Realität der Außenwelt gibt oder nicht, ist im Konstruktivismus irrelevant
für das Entstehen von Erkenntnis und Wissen. Eine sehr konkrete und bedeutende Rolle für die Entwicklung dieser Position haben die psychologischen Arbeiten von Jean Piaget gespielt (vgl. Glasersfeld 1981, 17), welche
die Vorgänge des Erwerbs von Wissenstrukturen vor allem beim Kind beschrieben haben18. Bemerkenswert ist, dass Piaget bereits in den 40er Jahren
zu Erkenntnissen gelangt, die sich weitgehend mit denen der Konstruktivisten der 80er Jahre decken. Die zentrale Schlußfolgerung seiner empirischen
Arbeiten ist die Vorstellung, dass das Individuum seine kognitiven Konzepte
selbst generiert und Wissen nur in der Rückkopplung mit der Umwelt erwirbt (vgl. Schlumeister 1997, 71f). Auf der Basis dieser Prozesse bildet das
Individuum seine Kognitionsfähigkeiten ständig weiter aus.
Die naturwissenschaftliche Grundlage der konstruktivistischen Idee bilden
die Ergebnisse der modernen Biologie, wie sie hauptsächlich von Maturana
und Varela formuliert worden sind. Ausgehend von der Beschaffenheit der
Zelle als Ur-Einheit des Lebens liefern sie das Konzept des autopoietischen
und selbstreferenziellen Systems (vgl. Maturana 1985, 180ff), welches vom
Konstruktivismus übernommen wird. Sie begreifen Organismen als beobachtende Systeme, die autonom und rekursiv organisiert sowie informationell geschlossen sind.19 Solche Systeme können Informationen nicht als
17
18
18
Die Bezeichnungen ’radikaler Konstruktivismus’ und ’Konstruktivismus’ werden als gleichbedeutend verwendet, wie es dem Gebrauch in der Literatur weitgehend entspricht.
Im Originaltitel ist das Werk benannt: „La construction du réel chez l’enfant“.
Schon der Titel lässt Rückschlüsse auf Piagets Verständnis von Realität als
Ergebnis einer Konstruktionsleistung des Beobachters zu (vgl. Piaget 1975).
Konstruktivismus und Form
objektive Gegebenheiten aufnehmen, sondern nur individuell interpretierend
erkennen. Im Kontext der ausgeführten Theorie der Unterscheidung kann
diese Annahme nicht überraschen. Schließlich werden Anschlussoperationen in individuellen Sinnzusammenhängen individuell selektiert und angenommen oder abgelehnt.
Die traditionelle Vorstellung von Subjekt und Objekt, derer sich die ontologische Erkenntnistheorie stets bedient hat, basiert auf einem altgriechischen
Naturbegriff, der aus konstruktivistischer Sicht mit wesentlichen Irrtümern
behaftet ist (vgl. Luhmann 1987, 44), denn er geht davon aus, dass die Natur
der Erkenntnis vorgelagert ist. Aufgabe der Erkenntnis war es daher, die Natur zu entdecken20 und mit Hilfe reduzierter Programme zu beschreiben.
Eine Folge dieser Zielsetzung war schließlich die Erfindung des Subjekts.
Der Beobachter nahm sich damit aus der Natur (=Objekt) heraus, ohne sich
dabei dieser unzulässigen Verkürzung gewahr zu werden. In der konstruktivistischen Betrachtung wird diese Differenz zurückgenommen, weil das Objekt - mit Spencer-Brown gesprochen - in die Grenzen des Subjekts wieder
eintritt. Was ehemals als ontische Subjekt-Objekt-Differenz empfunden und
auch theoretisch begründet wurde, erweist sich nun als epistemologische
Einheit, die nur scheinbar durch jede neue Beobachtung aufgebrochen wird,
sich aber gerade darin erneut konstituiert.
Subjekt - Objekt
Der Konstruktivismus geht also davon aus, dass Erkennen vor allem ein
selbstbezüglicher Prozess ist, der ohne die Entität des Objekts funktioniert.
Betrachtet man Wissen und Erkennen als korrelative Begriffe, so lässt sich
daraus ableiten, dass ein beobachtendes System nur dann über Wissen verfügt, wenn es dieses über seine eigenen kognitiven Operationen erzeugt.
Wissen als Resultat eines Erkenntnisprozesses ist demnach nicht ein Abbild
einer äußeren Wirklichkeit sondern ein Konstrukt, welches individuell erzeugt werden muss, um operativ verfügbar zu sein.
Wissen
Die Konstruktion von Wissen wird von beobachtenden Systemen vorgenommen, um den unstrukturierten Erlebnisraum in wiedererkennbare Einheiten
zu gliedern, deren Beziehungen untereinander in einer sinnvollen Ordnung
stehen. Da die Möglichkeiten der Konstruktion solcher Ordnungen stets
durch vorhergehende Konstruktionen eingeschränkt sind, da also die möglichen Anschlüsse von Unterscheidungen an Unterscheidungen gebunden sind
an Selektionsvorschläge wie z.B. Information, Mitteilung und Verstehen,
kann auch ein Scheitern von Konstruktionen lediglich mit Hilfe eben jener
19
20
Die Begriffe von Beobachtung und Handlung sind in diesem Kontext nach
Maturana/Varela als kongruent zu verstehen: „Jedes Tun ist Erkennen, und
jedes Erkennen ist Tun.“ (Maturana/Varela 1987, 31)
Der Verwechslung von Erfindung und Entdeckung widmet sich in anschaulicher Art und Weise auch der Metalog von Gregory Bateson „Was ist ein
Instinkt?“ (Bateson 1981a). Demnach hat beispielsweise Sir Isaac Newton die
Schwerkraft nicht entdeckt sondern erfunden.
19
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
Unterscheidungen beobachtet werden, die schon zu ihrem Aufbau verwendet
worden sind. Glasersfeld bringt diesen Gedanken auf den Punkt, indem er
den Grenzbegriff wieder aufnimmt:
„Was immer wir als Bausteine wählen, [...] bestimmt Grenzen.
Wir erfahren diese Grenzen aber sozusagen nur von ’innen’
[...]. Die Schranken der Welt an denen unsere Unternehmen
scheitern, bekommen wir nie zu Gesicht. Was wir erleben und
erfahren, erkennen und wissen, ist notwendigerweise mit unseren eigenen Bausteinen gebaut und lässt sich auch nur aufgrund
unserer Bauart erklären.“ (Glasersfeld 1981, 35)
Zwar können jene Unternehmen an den Schranken unserer Konstrukte scheitern, dennoch sind sie nur konstruierend möglich geworden. Wiederum erweist sich die Grenze als beiderlei: als Begrenzung wie auch als Entgrenzung, hier im Spannungsfeld von Scheitern und Fortführung von Konstruktionen.
Paradigmenwechsel
Die Konsequenz dieser Erkenntnisse ist durchaus nicht das Ende der Wissenschaft, vielmehr hat man es nun mit einer Verschiebung des erkenntnistheoretischen Paradigmas zu tun. Das Verhältnis von Wissen und Wirklichkeit wird nicht mehr als Problem der Korrespondenz betrachtet, sondern als
Problem des ‘Passens’ in einem darwinistisch evolutionären Sinne (vgl. Glasersfeld 1981, 20f). So wie in der Evolution der Einfluss der Umwelt darin
besteht, nichtpassende Varianten zu eliminieren, setzt die Erlebniswelt den
Prüfstein für die kognitiven Strukturen beobachtender Systeme. Die erkenntnistheoretische Fragestellung lautet daher nicht mehr „Was ist Wissen?“ sondern „Wie erwerben wir Wissen?“ und schließlich diskurskritisch: „Wie und
unter welchen Bedingungen wird Wissen als solches anerkannt?“ Siegfried
J. Schmidt formuliert diesen Paradigmenwechsel folgendermaßen:
„Es empfiehlt sich, von Was-Fragen auf Wie-Fragen umzustellen; denn wenn wir in einer Wirklichkeit leben, die durch
unsere kognitiven und sozialen Aktivitäten bestimmt wird, ist
es ratsam, von Operationen und deren Bedingungen auszugehen statt von Objekten [...].“ (Schmidt 1996, 15)
Der Beantwortung dieser neuen Wie-Fragen widmet sich der Konstruktivismus also aus einer Richtung, die insbesondere durch die Erkenntnisse der
Neurophysiologie motiviert und begründet ist. Sein Ziel ist die theoretische
Ausgestaltung und die Positionierung der Erkenntnistheorie als Metawissenschaft. Das Problem der Vermittlung und Erzeugung von Wissen21 ist allerdings weitgehend auch ein pädagogisches, vor allem dann, wenn es um
21
20
Schon der Begriff der Wissensvermittlung ist im Rahmen konstruktivistischer
Theorien äußerst problematisch. Zu sprechen wäre eigentlich besser von der
Irritation wahrnehmender Systeme, um kognitive Prozesse anzuregen. Allerdings wird hier dem gängigen Sprachgebrauch der Vorzug gegeben.
Konstruktivistische Lerntheorie
konkrete Fragestellungen geht wie z.B. um den Einsatz vernetzter Technologien in der universitären Lehre oder um den Abgleich von Präsenzlehre und
e-learning. Es liegt daher nahe, dass konstruktivistische Ideen nicht ohne
Folgen für die Entwicklung von pädagogischen Konzepten in der Lerntheorie geblieben sind.
2.4 Konstruktivistische Lerntheorie
Behavioristische Ansätze waren in der Lerntheorie über lange Zeit bis in die
achtziger Jahre hinein bestimmend. Sie gehen davon aus, dass das Verhalten
eines Individuums nicht durch innere Vorgänge gesteuert wird, sondern
durch Konsequenzen, die auf sein Verhalten folgen.22 Situierte Ansätze, die
sich auf konstruktivistische Erkenntnisse berufen, stehen diesen verhaltensorientierten Konzepten entgegen.
Sie berufen sich auf die Feststellung der Konstruktivisten, dass Bedeutungen
und Sinnzuschreibungen kommunikativ und situativ generiert werden, statt
diese als gegeben anzunehmen. Die Einsicht, dass die Welt erst durch Erkenntnis hervorgebracht wird (vgl. Maturana/Varela 1987, 31), führt zu dem
Schluss, dass Bedeutungen und Wissen nicht mit Hilfe vorhergehender Konstruktionsleistungen rekonstruiert werden, sondern dass jede Situation, jede
Beobachtung neue Ordnungsstrukturen, also neues Wissen generiert. Wissen
kann somit weder abgerufen noch vermittelt werden, es können nur die Bedingungen geschaffen werden, unter denen Lernende die Möglichkeit haben,
eigenes Wissen situativ zu generieren. Spontaneität und Kreativität von
Handlungen werden somit gefördert und müssen nicht mehr als Krisensituation in der Wissensvermittlung verstanden werden (vgl. Kerres 1998, 67).
Der Lernprozess ist also zum einen an die Situation und an den Kontext gebunden, zum anderen sind aber die Elemente des Kontextes Teil des Wissens, das hier generiert wird. Es kann zum Beispiel die Aussage eines Sprechers meist nicht verstanden werden, ohne dass die Person des Sprechers berücksichigt wird. Im Verstehen des Hörers erfolgt aber nicht nur eine
Erkenntnis in Bezug auf die Aussage sondern auch auf den Sprecher.
situated cognition
Man stelle sich eine Situation in der Schule vor. Es geht um die Frage nach
der Entstehung der Welt. Im Physikunterricht wird dieses Problem vermutlich ganz anders besprochen als im christlichen Religionsunterricht. Während der Physiklehrer den Schülern von der Urknalltheorie berichtet, erläutert der Religionslehrer die Schöpfung der Welt in sieben Tagen. Zu verstehen ist dieser Widerspruch für den Schüler nur dann, wenn er kontextuell
22
Eines der bekanntesten behavioristischen Konzepte ist das Stimulus-ResponseModell, welches davon ausgeht, dass ein Individuum auf einen bestimmten
Reiz stets eine bestimmte Reaktion liefert.
21
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
interpretiert wird, wenn nämlich die Figur des Sprechers berücksichtigt
wird. Vermutlich lernt der Schüler schließlich mehr über die verschiedenen
Weltsichten der Physik und der Religion als über die Entstehung der Welt.23
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie im Lernprozess Erkenntnisgegenstand und
Kontext ineinander verschmelzen und sogar die Rollen tauschen können.
Pädagogische Konzepte, die diesen Umstand berücksichtigen, werden unter
dem Begriff der situated cognition versammelt und versuchen, „die Autonomie des Individuums und seine idiosynkratischen Prozesse“ (Schulmeister
1997, 78) stärker zu respektieren. Ziel solcher Strategien ist es, Lernumwelten zu schaffen, in denen sich Lernende auf handelnde Art mit ihrer Umwelt
und ihren Mitmenschen auseinandersetzen, so dass daraus unerwartete und
fremde Situationen (Irritationen) entstehen, die den Lernenden zu neuen
Konstruktionen herausfordern. Auf diese Weise haben Lernende die Möglichkeit, ihren eigenen Lernprozess den individuellen Bedingungen in Bezug
auf Vorwissen, bevorzugte Lernstrategien und Zielvorstellungen anzupassen.
Auf der Basis dieser grundlegenden Vorstellungen lassen sich verschiedene
Strategien differenzieren, von denen hier nur zwei beispielhaft angesprochen
werden sollen.
cognitive
apprenticeship
Das Konzept des cognitve apprenticeship beruht auf dem Lernen innerhalb
eines sozialen Verhältnisses zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden
(vgl. Schulmeister 1997, 81). In Anbetracht des konstruktivistischen Verständnisses von Wissen erscheint das Lernen durch Beobachtung und Nachahmung besonders sinnvoll, da der Lernende hierbei seine eigenen kognitiven Konzepte in Abstimmung mit seinen individuellen Vorkenntnissen etc.
entwickeln kann. Von hier aus kann dann eine weitere Anleitung durch den
Lehrer erfolgen, die aber immer wieder in ein Verhältnis zu dieser Basis gesetzt werden kann. Je eigenständiger der Lernende in der Lage ist, seine kognitiven Konstrukte erfolgreich einzusetzen, desto stärker kann sich der Vermittler aus seiner Rolle lösen, um schließlich in einem kooperativen statt anleitenden Verhältnis zum Lernenden zu stehen. Die wechselseitige
Beobachtung und Interaktion ist also von zentraler Bedeutung für diese Strategie. Schon in dieser verkürzten Betrachtung zeigt sich daher, dass die physische Präsenz der Teilnehmer von besonderer Wichtigkeit für das Konzept
des cognitve apprenticeship ist, da eine gegenseitige Beobachtung, die auf
mediale Vermittlung angewiesen ist, mit großen Einschränkungen verbunden wäre.
23
22
Dieses Beispiel findet sich in anderer Form bei Heinz von Foerster (vgl. Foerster 2001, 52). Foerster verdeutlich daran die Differenz von entscheidbaren und
prinzipiell unentscheidbaren Fragen. Das Beispiel zeigt erneut, wie die Entstehung von Paradoxien den Beobachter in eine Perspektive zweiter Ordnung
zwingt. Schließlich geht es nicht mehr um die Entstehung der Welt, sondern um
die Art und Weise, wie verschiedene Wissenschaften die Welt beobachten.
e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien
Ein weiterer Ansatz im Rahmen der situated cognition ist das Lernen in Wissensgemeinschaften bzw. das kooperative oder interaktive Lernen (vgl.
Schulmeister 1997, 82). Hierbei entwickeln und erproben die Lernenden
kommunikativ und in Gemeinschaftsarbeit zielgerichtete kognitive Konzepte. Einzelne übernehmen dabei die Verantwortung für Teilergebnisse und
damit für den Lernerfolg der ganze Gruppe, was die gegenseitige Motivation
und die soziale Kontrolle der Teilnehmer fördert. Indem die Rollen von Lehrenden und Lernenden innerhalb einer Wissensgemeinschaft auf diese Weise
temporär austauschbar werden, kommt es idealerweise zu einer großen Homogenität des Lernerfolges innerhalb der Gruppe. Wiederum zeigt sich, dass
auch in diesem Konzept der Stellenwert von Kommunikation und Interaktion nicht zu unterschätzen ist, und wiederum soll hier die These bekräftigt
werden, dass diese Erfordernisse im Rahmen einer Präsenzlehre besser zu
erfüllen sind als auf der Basis computervermittelter Kommunikation.
Wissensgemeinschaften
Zwar ist die Bedeutung von virtuellen Wissengemeinschaften in jüngster
Vergangenheit immens gestiegen, jedoch müsste hier eine genauere Betrachtung der Themenbereiche erfolgen, mit denen sich solche Gemeinschaften
beschäftigen. Eine solche Untersuchung würde vermutlich zeigen, dass sich
ein großer Teil der wissengenerierenden virtuellen Gemeinschaften mit Themen und Problemen der computervermittelten Kommunikation befassen,
also mit Fragen, die ihr eigenes Medium betreffen.24 Dieser Umstand kann
systemtheoretisch als Selbstreproduktion der internetbasierten Kommunikation und damit als Sonderfall verstanden werden, den jedes Kommunikationssystem mitführt. Es redet am liebsten über sich selbst und macht die eigene Struktur zum Gegestand seiner Kommunikation, oder im Sinne Luhmanns: Es unterscheidet Selbstreferenz von Fremdreferenz (vgl. Luhmann
1996, 15).
2.5 e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien
Es zeigt sich also, dass jene Vermittlungsstrategien, die sich auf die theoretische Grundlage des Konstruktivismus beziehen, besonderen Wert auf die
Kommunikation innerhalb eines Kontextes legen. Genau dies sind aber die
Faktoren, deren Multidimensionalität durch die mediale Vermittlung durch
24
Das Web-Portal Yahoo! Groups (Deutschland) bietet Internet-Usern die Möglichkeit, eigene E-Mail-Foren zu gründen oder vorhandenen Foren beizutreten.
Die Gesamtheit der E-Mail Foren wurde in 184 inhaltliche Themenblöcke
erster Ordnung aufgeteilt. Bei einer Gesamtzahl von 52691 Foren insgesamt,
ergeben sich durchschnittlich 286 Foren pro Themenbereich. Die Anzahl der
Foren, die sich mit dem Thema „Internet und WWW“ beschäftigen, beläuft
sich auf 3132 und ist damit höher als bei jedem anderen Themenblock und
mehr als zehn mal größer als der Durchschnitt. Der Bereich „Internet und
WWW“ stellt damit im Rahmen von Yahoo! Groups jene Gruppe von Themen
dar, über die am intensivsten kommuniziert wird. (vgl. http://
de.groups.yahoo.com; abgerufen am 19.02.2003)
23
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
Computertechnologien in der Lehre stark reduziert wird. Dies macht den
Einsatz von computervermittelter Kommunikation im Rahmen von elearning-Systemen im Bereich der universitären Lehre zu einer fragwürdigen Strategie. Zunächst aber erscheint eine nähere Erläuterung dessen angebracht, was im Rahmen dieser Ausführungen unter dem Begriff e-learning
zu verstehen sei.
Definition
Unter e-learning versteht man die auf ein Lernziel gerichtete Kommunikation von Inhalten mit Hilfe von elektronischen Medien, insbesondere unter
Verwendung digitaler, vernetzter Technologien (Inter-, Intra- und Extranet),
Audio- und Video-Übertragungen sowie interaktiver Medien (CD-Rom,
DVD) (vgl. Esser u.a. 2001, 3). Durch diesen Medieneinsatz unterscheidet
sich e-learning von dem, was bislang in Fernstudienzentren mit Hilfe gedruckter, zumeist textbasierter Materialien (Studienbriefe) geleistet wurde.
Diese recht weit gefasste Definition wird in verschiedenen Quellen stärker
auf die Verwendung von Internettechnologien hin spezifiziert. So heißt es
beispielsweise auf den Webseiten des Anbieters von e-learning-Modulen
Cisco:
„E-learning is Internet-enabled communication and training
that allows quick, effective delivery at lower costs than traditional methods. Companies can use these solutions to provide an
enhanced learning experience that is scalable, up-to-date, can
be self-paced, and provides learners with anytime, anywhere
access to knowledge.“ (Cisco Systems 2001 [online])
Im Marketing-Jargon dieser Beschreibung klingen bereits jene Erwartungen
an, die an e-learning-Systeme gestellt werden. Es werden mit e-learningKonzepten strukturelle Vorteile gegenüber traditionellen Formen der Lehre
verbunden, die mit den gängigen Entgrenzungs- und Egalisierungsthesen in
Bezug auf digitale Netze und deren soziale Aspekte korrelieren. Gängige
Entstrukturierungsthesen sollen im Folgenden kurz skizziert werden, um
diese in Beziehung zu internetbasierten Lernsystemen zu setzen.
Entstrukturierung
Zentraler Aspekt der Entstrukturierungsannahmen ist die Vermutung, dass
durch die Nutzung von computervermittelter Kommunikation nicht nur
raumzeitliche Strukturen aufgelöst werden, sondern hierdurch auch soziale
Strukturen verändern. Thesen dieser Art wurden besonders von den euphorischen Erfahrungsberichten der Internet-Nutzer früherer Stunden genährt, die
mit ihren Schilderungen den Mythos einer elektronischen Agora begründeten. Howard Rheingold erklärt beispielsweise in seinem Buch über virtuelle
Gemeinschaften:
„Weil wir einander im Cyberspace nicht sehen können, sind
Geschlecht, Alter, Nationalität und das Aussehen nicht bekannt
[...]. Menschen [...] können feststellen, daß virtuelle Gemeinschaften sie so behandeln, wie sie sich das immer gewünscht
24
e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien
haben: als Denker, als Übermittler von Ideen, als Wesen mit
Gefühlen, nicht als bloße Körper mit einem bestimmten Aussehen und einer bestimmten Art zu gehen und zu sprechen.“
(Rheingold 1994, 41)
Die technische Vermittlung von Kommunikation stellt im Vergleich zur
Kommunikation unter Anwesenden eine besondere Qualität dar, welche seit
der Digitalisierung der Kommunikationsmedien eine weitere Steigerung erfahren hat. Indem die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen von Kommunikation egalisiert werden (vgl. Luhmann 1998, 302), kommt es zu einer
Delokalisierung von kommunikativen Beziehungen (vgl. Stegbauer 2001,
38ff). Diese räumlich und zeitlich entgrenzte Verfügbarkeit von Kommunikation, die auch auf telemediale e-learning-Systeme übertragen werden
kann, verspricht die optimalen Rahmenbedingungen für selbstbestimmtes
Lernen. Der Nutzer kann selbst entscheiden, wann, wie schnell und wo er
lernt. Zwar ist es dem Lernenden, seinem individuellen Vorwissen und Lerntempo entsprechend, überlassen, wie er sich die Lerneinheiten einteilt und
wann er auf diese zugreift, allerdings zeigt die Erfahrung von virtuellen Seminaren auch an der Universität Lüneburg, dass die technisch vermittelte
Kommunikation ihren Kanalbeschränkungen einen größeren Aufwand an
zeitlichen Ressourcen schuldet. Zeit wird damit um so stärker zu einem restriktiven Faktor für die kommunikative Erzeugung von Wissen auf der Basis von Internet-Technologien.
Dass die These der räumlichen Delokalisierung zu kurz greift, tritt besonders
beim Medienübergang zutage (vgl. Stegbauer 2001, 43). Solche Übergänge
kommen dann zustande, wenn Informationen, die delokal verfügbar sind,
nur in einem physisch-räumlichen Kontext angewendet und verstanden werden können, weil sie beispielsweise auf eine lokale Infrastruktur verweisen.
Der Medienübergang verweist also auf die räumliche Verankerung von
Kommunikationen, seien sie nun delokalisiert oder nicht. In den Entgrenzungsthesen steckt außerdem der Irrtum, dass Motivation und Freude am
Lernen unabhängig sind von dem Bedürfnis nach zwischenmenschlichem
Kontakt und sozialer Integration in einem physisch-räumlichen Kontext.25
Man verspricht sich von e-learning eine Minimierung von finanziellen und
zeitlichen Ressourcen bei größerer Effizienz der Lehre. Da der webbasierte
Zugriff auf e-learning-Module prinzipiell nicht mit einer Begrenzung der
Teilnehmerzahlen einhergeht, können große Mengen von Lernenden erreicht
werden, während idealerweise aber deutlich weniger Kosten für die Bereitstellung von personellen Ressourcen, Klassenräumen, Präsentationstechno-
25
Effektivität
Ganz besonders deutlich tritt dieser Umstand in der Sprachdidaktik zutage, in
der Auslandsaufenthalten und der Anwendung und Verfeinerung von Sprachkenntnissen in dem betreffenden Land eine zentrale Rolle zugewiesen wird.
Eine Sprache lernt man also am besten dort, wo sie gesprochen wird.
25
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
logien und sonstiger Infrastrukturen aufgewendet werden müssen. Vielmehr
werden - vor allem auf der Seite der Lernenden - Strukturen genutzt, nämlich
das Netz und die angeschlossene Hardware, die oft bereits vorhanden und
der Zielgruppe weitgehend zugänglich sind. Die arbeits- und zeitintensive
Planung und Durchführung von Prüfungen in mündlicher oder schriftlicher
Form sowie die Erstellung und Verteilung von Leistungsnachweisen kann in
solchen Systemen vollautomatisch und daher ebenso ressourcenschonend erfolgen.
Die Orientierung an Effektivitätserwartungen hängt eng zusammen mit dem
Trend zu einem Verständnis der Universität als Dienstleistungsunternehmen
(vgl. Großmann 2001, 151). Kommunikation und Wissen werden hier als
quantitative Entitäten begriffen, die in der Metaphorik des Besitzens und Habens verortet werden. Tatsächlich ist die Liste der Vorzüge, die das elearning zu bieten scheint, lang, jedoch muss das qualitative Potential von
reinen e-learning-Strategien auf der Grundlage der vorangegangenen Abschnitte prinzipiell in Frage gestellt werden.
Kanalbeschränkungen
Eine internetbasierte e-learning-Plattform stellt durch ihre bildschirmgebundene Benutzeroberfläche den Kontext dar, in welchem der Lernende die dargestellten Inhalte wahrnimmt, verarbeitet und hieraus Informationen gewinnt. Diese Benutzeroberfläche ist durch die technischen Bedingungen, mit
denen sich e-learning-Systeme konfrontiert sehen, auf bestimmte Kanäle reduziert. Während die Darstellung von Texten und Bildern zunächst unproblematisch erscheint, werden nach heutigem Stand der Technik die Möglichkeiten einer haptischen und olfaktorischen Wahrnehmung ausgeschlossen.
Die Aufbereitung von Inhalten mit Hilfe von Audio- und Videotechniken ist
zur Zeit zwar durch die mangelhafte Bandbreite der Datenübertragung eingeschränkt, prinzipiell aber möglich.
Grundsätzlich werden sämtliche visuellen und auditiven Wahrnehmungen
von multimedialen Inhalten ihres räumlichen, dreidimensionalen Kontextes
beraubt. Aufgrund dieser Reduktionen werden sowohl die angebotenen Inhalte als auch implementierte Kommunikationen zwischen Lernenden und
Lehrenden in kognitiver Hinsicht normiert. Zahlreiche Facetten von verbaler
und nichtverbaler Kommunikation werden ausgeblendet, und mit ihr gehen
wesentliche Grundlagen für den individuellen und situierten Prozess der
Wissensgewinnung verloren. Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Übersicht können auf diese Art nicht erlernt werden (vgl.
Großmann 2001, 151f), denn diesbezügliche Strategien und ihre Erfolge
können weder situativ noch kontextuell erlebt und angewendet werden. Vielmehr werden diese Prozesse per Klick, Drag&Drop und Fehlermeldung simuliert. Clifford Stoll, einer der prominentesten Internetskeptiker, versucht,
dies anhand des folgenden Beispieles zu illustrieren.
26
e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien
„Der Amazonas-Regenwald in seiner Multimedia-Version verleiht die Illusion, den Regenwald erlebt zu haben. Aber ihn
wirklich zu erfahren, heißt Mücken totschlagen und Malaria
bekommen.“ (Stoll 1999, 304)
Zwar ist Stolls Position aus einer konstruktivistischen Sicht nicht unproblematisch, wenn er die Illusion von Erfahrung gegen wirkliche Erfahrung abwägt, jedoch wird in den nachfolgenden Bemerkungen deutlich, worauf er
hinaus will. Den das Internet, so führt Stoll weiter aus, bereitet dem Nutzer
die Illusion, „dass mit dem Zugang zu Informationen automatisch das Verstehen der Dinge einhergeht.“ (Stoll 1999, 304)
Das Vokabular dieser populärwissenschaftlichen Ausführungen korreliert in
bemerkenswerter Weise mit dem Kommunikationsbegriff von Niklas Luhmann. In der Kommunikation mit der Maschine werden zwar die Aspekte
von Information und Mitteilung bedient, ein gegenseitiges Verstehen von
Computer und Lernendem in Bezug auf die vermittelten Inhalte kann aber
lediglich simuliert werden.26 Durch die Zwischenschaltung technischer Medien sind Kommunikationen und Interaktionen, die nach konstruktivistischem Verständnis die wesentlichen Aspekte des Wissenserwerbs darstellen,
den beschriebenen Kanalbeschränkungen unterworfen. Auf diese Weise
werden die von Luhmann vorgeschlagenen Entitäten Mitteilung und Information voneinander entkoppelt. Die Kommunikation wird somit dekontextualisiert, das heißt, die Umstände der Mitteilung können lediglich einen kanalbedingt beschränkten Einfluss auf die Umstände des Verstehens haben.
Viele der überhöhten Erwartungen an e-learning mussten in jüngster Vergangenheit bereits relativiert werden. Vor allem im Bereich der Hochschullehre
wurden in den letzten Monaten einige der ambitionierten e-learning-Projekte
verschiedener amerikanischer Universitäten wieder eingestellt, weil sie auf
der einen Seite mit zu hohen Kosten für die Produktion der multimedialen
Inhalte verbunden waren, auf der anderen Seite aber nicht genügend Studierende von ihrem Angebot überzeugen konnten (vgl. Himmelrath 2003
[online]). Auch in Wirtschaftsunternehmen herrscht in Bezug auf die Erwartungen, die man an e-learning gestellt hatte, vorerst Ernüchterung. Dort wird
nach einer von KPMG Consulting in Auftrag gegebenen Studie bis heute nur
ein Randbereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung mit Hilfe von elearning realisiert (vgl. KPMG 2001, 1 [online]).
e-learning heute
In der Folge dieser Erkenntnisse wurden e-learning-Strategien inzwischen
teilweise geändert, um der Notwendigkeit von Kopräsenz zumindest in einzelnen Aspekten Rechnung zu tragen. Diese variierten Konzepte
blended learning
26
Tatsächlich bieten e-learning-Systeme häufig simulierte Intelligenzen an, die
den Lernenden durch verschiedene Lektionen führen, ihm Aufgaben stellen
und schließlich seine Bewertung vornehmen - also Verstehen simulieren.
27
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
versammeln sich unter dem Schlagwort des blended learning und versuchen
die Vorteile von e-learning und Präsenzlehre miteinander zu verbinden, indem sie virtuelle Phasen und solche der Kopräsenz kombinieren. Jedoch ist
die Integration von virtuellen Komponenten im Rahmen der Präsenzlehre alles andere als neu und wurde vielfach bereits vollzogen, während an anderer
Stelle noch der Glaube an ein Substitutionsmodells vorherrschte (vgl. Rinn/
Wedekind 2002, 2). Nachdem auch erste Pilotprojekte in der betrieblichen
Weiterbildung erfolgreich durchgeführt wurden (vgl. Obermeier 2002 [online]), bleibt abzuwarten, ob sich blended learning als akzeptiertes Modell
der Wissensvermittlung konsolidieren kann.
Konzepte die auf die Ergänzung der Präsenzlehre durch virtuelle Komponenten abzielen, machen deutlich, dass hierbei eine genaue inhaltliche Differenzierung nach den zu behandelnden Themen erforderlich ist. Es wurde bereits ein Hinweis gegeben, welche Inhalte sich besonders erfolgreich mit
Hilfe von vernetzten Technologien darstellen und vermitteln lassen, nämlich
jene, die sich mit eben diesen Technologien sowie deren Anwendungen und
Folgen befassen. Es ergibt sich hier die Ausnahme, dass der Kontext der
Wahrnehmung und der Kontext der Anwendung des erworbenen Wissens
deckungsgleich sind. Im Rahmen einer gesamtuniversitären Betrachtung
muss allerdings festgestellt werden, dass dies nicht zu verallgemeinern ist
und dass in einer Vielzahl der Fälle Wissen generiert wird, das in anderen
Kontexten seine Verwendung findet. Es muss also vielmehr das Nebeneinander von verschiedenen Lernfeldern der universitären Ausbildung gesehen
werden, die einerseits alle zu bedienen sind, unter denen der Medienkompetenz andererseits jedoch ein Sonderplatz eingeräumt werden muss (vgl. Gabriel 1997, 97f). Dem kann ein ergänzender und organisierender Einsatz von
technischen Medien gerecht werden.
2.6 Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien
Das Konzept des lebenslangen Lernens ist seit Beginn der achtziger Jahre zu
einem wichtigen Thema der Hochschulpädagogik geworden. Es geht davon
aus, dass Lernprozesse niemals abgeschlossen werden, sondern sich ständig
fortsetzen. Diese Anschauung steht in einem engen Verhältnis zu einem konstruktivistischen Lernbegriff. Wenn Wissen nicht gespeichert und nach Belieben wieder abgerufen werden kann, um dann angewendet zu werden,
macht es keinen Sinn, die zeitlichen Phasen des Lernens und der Anwendung des Erlernten zu differenzieren. Ziel der universitären Lehre muss daher in besonderem Maße sein, den Lernenden Methoden und Konzepte der
Wissensgewinnung zur Erprobung und Nutzung bereitzustellen. Es geht mit
anderen Worten darum, das Lernen zu lernen, und zwar auf lernende Art und
Weise.
28
Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien
Die Verfügbarkeit von Informationen ist für diesen Prozess von großer Bedeutung. Wenn auch, wie Stoll betont, der Zugang zu Informationen nicht
mit dem Verstehen von Informationen verwechselt werden darf, so ist der
Zugang doch eine Voraussetzung für das Verstehen. Für die Verfügbarkeit
von Informationen spielen die technischen Medien eine Schlüsselrolle, insbesondere das Internet hat sich im Verlauf der letzten Jahre zu einem der
wichtigsten Medien entwickelt, welches Informationen und Kommunikationen verschiedener Arten verfügbar macht. Mit Hilfe von Computertechnologien können Informationen zwar ohne zeitliche und räumliche Beschränkungen gespeichert werden, jedoch kommt daher den Fähigkeiten, diese Technologien zu nutzen, ein besonderes Gewicht zu. Medienkompetenz spielt
aber nicht nur eine Schlüsselrolle für die Möglichkeiten des Informationszugangs, sondern meint gerade auch das Vermögen, jene Informationen, die
auf diese Weise zugänglich gemacht werden, einzuordnen und für die Gewinnung von Wissen konstruktiv zu nutzen.27 Die Stärkung der Medienkompetenz muss demzufolge ein Ziel universitärer Lehre sein, das studienübergreifend und für verschiedene Fakultäten gleichermaßen gilt. Wenn die
Ausführungen der letzten Abschnitte gezeigt haben, dass Lernen situativ und
kontextuell erfolgt und dass daher in den meisten Fällen reale Lernumgebungen gegenüber einem virtuellen Ersatz zu bevorzugen seien, so muss dies für
das Ziel der Vermittlung von Medienkompetenz relativiert, wenn nicht gar
umgekehrt werden. Soll das Erlernen von Medienkompetenz situativ erfolgen, so kann dies folgerichtig nur mit Hilfe und unter Verwendung von Medien geschehen.
Medienkompetenz
Aus diesem Grunde bietet die Ergänzungsstrategie von Präsenzlehre und
dem Einsatz vernetzter Technologien zur ihrer Organisation einen vielversprechenden Ansatz im Für und Wider der dargestellten Problematik. Hierzu
bedarf es einer genauen Unterscheidung der Strukturen, die sinnvoll mit
Hilfe von Internettechnologien abgebildet und umgesetzt werden können. Es
liegt beispielsweise nahe, die Distribution von Texten und weiteren Materialien, die innerhalb von Seminaren oder Übungen behandelt werden, über das
Internet zu realisieren. Ebenso bietet es sich an, auf computervermittelte
Kommunikationskanäle zurückzugreifen, wenn es um die Bereitstellung von
Informationen zur Organisation von Lehrveranstaltungen geht. Gemeint sind
beispielsweise die Bekanntgabe von Terminen und Fristen oder deren Änderungen, die Bereitstellung von zu bearbeitenden Aufgaben sowie deren Bewertungen, die Abgabe von Aufgabenlösungen durch Studierende usw.
Sinnvoll ist der Einsatz von vernetzten Technologien besonders dann, wenn
Inhalte bereitgestellt und übermittelt werden, die nicht nach einer diskursiven und kontextuellen Behandlung verlangen. Man macht sich damit die
ubiquitäre und permanente Verfügbarkeit des Netzes zunutze, ohne jedoch
Ergänzungsstrategie
27
Natürlich stellen darüberhinaus die Fähigkeiten der Medienproduktion einen
wesentlichen Aspekt der Medienkompetenz dar.
29
myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre
die beschriebenen Nachteile und Gefahren für die Qualität der Lehre in Kauf
nehmen zu müssen. Gleichzeitig wird die Medienkompetenz der Nutzer gefördert, denen darüberhinaus ein Mehrwert durch den erleichterten Zugang
zu relevanten Informationen und Materialien geboten wird.
myStudy
30
myStudy stellt eine Plattform dar, die genau dieses beschriebene Ziel verfolgt
und die dargestellten Aufgaben zu erfüllen versucht. Durch den Einsatz von
myStudy zur Unterstützung der Präsenzlehre wird jenen Konzepten, die einen Ersatz von Präsenzlehre durch e-learning vorsehen, eine Absage erteilt.
Ihnen wird eine Strategie gegenübergestellt, welche die Vorzüge der Präsenzlehre auf der einen und des Einsatzes von Internettechnologien auf der
anderen Seite zu kombinieren weiß. Mit dieser Strategie geht ein unausgesprochenes Selbstverständnis der Universität Lüneburg einher, das Präsenzlehre als Rahmen für die kommunikative Erzeugung von Wissen sieht. Die
Hochschule wird nicht als Ort verstanden, an dem Wissen und Kompetenzen
von Lehrenden auf Studierende übertragen werden, sondern (konstruktivistisch) als Kontext für die Erprobung von kognitiven Konstrukten, (systemtheoretisch) als institutioneller Rahmen für die kommunikative Erzeugung
und Bewältigung von Irritationen und (unterscheidungstheoretisch) als Ort
des rekursiven Anschlusses von Unterscheidungen an Unterscheidungen.
Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls
3. Form und Technik
Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, auf welcher theoretischen Grundlage sich die Entscheidung für eine Kommunikationsplattform zur Unterstützung der Präsenzlehre rechtfertigen lässt. Gerade in Anbetracht der aktuellen
Diskussionen um die Etablierung von e-learning-Angeboten an deutschen
Hochschulen schien diese ausführliche Betrachtung der zugrundeliegenden
Prioritäten angebracht. Es wurde der Standpunkt vertreten und begründet,
dass die Unterstützung der Präsenzlehre durch vernetzte Technologien eine
vielversprechende Möglichkeit darstellt, den Erfordernissen einer zeitgemäßen universitären Ausbildung gerecht zu werden. Die Begriffe, derer sich
diese Ausführungen bedient haben, sollen auch im weiteren Verlauf dieser
Arbeit Anwendung finden und einen Hintergrund liefern, vor dem die Entscheidungen, die in der Konzeption und Umsetzung von myStudy getroffen
worden sind, gerechtfertigt werden können. In diesem dritten Kapitel wird
nun die Begründung der Auswahl der verwendeten Technologien im Vordergrund stehen. Unter Einbeziehung der vorgestellten Unterscheidungstheorie
und ihrer Grundbegriffe soll gezeigt werden, warum die Technologien, die
bei der Verwaltung und dem Betrieb von myStudy zum Einsatz kommen, für
diesen Zweck besonders geeignet sind. Hierfür soll nun zunächst eine techniktheoretische Interpretation des Formkalküls von Spencer-Brown vorgenommen werden. Später kann mit Hilfe dieser Überlegungen eine Anwendung auf die in myStudy verwendeten Technologien erfolgen.
3.1 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls
Max Weber begreift Technik als ein Phänomen, das zwar aus dem lebendigen Geist hervorgeht, aber nun eine verfestigte Form gewinnt, die nicht
mehr von geistiger Reflexion geprägt ist, sondern von reiner Funktion. Er
fasst dies in die Worte: „Eine leblose Maschine ist geronnener Geist“ (Weber 1988, 332). Der Zustand des Geronnenen ist für ihn ein wesentlicher
Aspekt der Macht des technischen und auch des bürokratischen Apparats,
den formlosen menschlichen Geist in seinen Dienst zu zwingen (vgl. Weber
1988, 332ff). Weber bezieht also seine Interpretation des Technikbegriffs
durchaus nicht nur auf technische Artefakte wie die „leblose Maschine“,
sondern insbesondere auf die bürokratische Verwaltung und die ihr immanente Verfestigung von Entscheidungs- und Handlungsstrukturen. Zwar ist
diese Metaphorik stark beeindruckt von den sozialen Umwälzungsprozessen
in der industrialisierten Gesellschaft des neugeordneten Deutschland am
Ende des ersten Weltkrieges, jedoch zeigen sich, abgesehen von der politisch
motivierten Interpretation Webers, Parallelen zu einem Technikverständnis,
welches geleitet wird von einer Spencer-Brownschen Unterscheidungstheorie, wie sie in Abschnitt 2.1 ausgeführt worden ist.
31
Form und Technik
beobachtende
Systeme
Es ist das Privileg beobachtender Systeme, Unterscheidungen zu treffen.
Was aber hat man unter einem beobachtenden System zu verstehen? Aus der
Perspektive des biologischen Konstruktivismus stellt ein jeder Organismus,
der in Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht, ein solches dar. Die Systemtheorie fasst dagegen den Systembegriff weiter und begreift auch funktional differenzierte Gesellschaftsysteme als Beobachter, die zwischen
Selbstreferenz und Fremdreferenz, zwischen System und Umwelt unterscheiden. Technik kann in Anlehung an das Vokabular Max Webers als geronnene Form der Unterscheidungen solcher beobachtenden Systeme begriffen werden - zunächst unabhängig von den Systemgrenzen des Beobachters.
Auch durch technische Apparaturen werden, wie es scheint, unentwegt Unterscheidungen getroffen: Sei es die Ampel, die rotes Licht zeigt und damit
den Autofahrer an der Weiterfahrt hindert, oder der Computer, der komplizierteste Berechnungen anstellt und auf dieser Basis beispielsweise Börsenkurse ermittelt und darstellt. Dabei handelt es sich doch bei diesen Apparaten weder nach einer konstruktivistischen noch nach einer systemtheoretischen Position um beobachtende Systeme, deren Definition demzufolge zu
überdenken wäre. Vielleicht ist aber auch die Feststellung, dass Technik Unterscheidungen treffe, das Ergebnis einer begrifflichen Unschärfe, die hier
näher zu untersuchen ist.
Wie im Abschnitt 2.1 erläutert worden ist, geht jede Beobachtung auf eine
Unterscheidung zurück, die das Beobachtete von dem Nichtbeobachteten
trennt. Die Markierung, welche die Innenseite der Unterscheidung kennzeichnet, erlaubt die Anschlussoperationen von Nennen (bzw. Wiederholung, Bestätigung) und Kreuzen (bzw. Widerspruch, Auflösung). Die Tatsache, dass überhaupt eine Unterscheidung getroffen worden ist und dass diese
Unterscheidung nun wiederum beobachtbar und unterscheidbar ist, schafft
die Bedingung der dritten Operation, die mit dem Begriff re-entry beschrieben worden ist. Jedes beobachtende System hat nun also die ’Freiheit’ der
Wahl zwischen diesen drei Operationen. Um auf das obige Beispiel zurückzukommen: Die Selektion Alte Frau oder Junges Mädchen wird allein vom
Beobachter vorgenommen, und auch der re-entry, die Wahrnehmung der
Wahrnehmung, ist eine Leistung, die ausschließlich den Beobachter erfordert, sonst nichts.
Nicht-triviale
Maschinen
32
Aus diesem Grund bezeichnet Heinz von Foerster den Beobachter als Nichttriviale Maschine (vgl. Foerster 1993, 244ff). Während die Triviale Maschine definitionsgemäß auf einen bestimmten Input immer denselben Output liefert, ist die innere Struktur der Nicht-trivialen Maschine nicht bestimmbar und liefert Outputs, die nicht vorhersagbar sind. Sie ist vergangenheitsabhängig, da ihre Zustände immer auch von vorangegangenen
Operationen - beispielsweise von Erfahrungen - geprägt sind. Der Beobachter ist genau deshalb eine Nicht-triviale Maschine, weil die Freiheit seiner
Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls
Entscheidung jede Voraussage über diese Entscheidung unmöglich macht.
Gerade diese Freiheit verleiht ihm aber die besondere Fähigkeit, mit Problemen umzugehen, die nach Foersters Definition unentscheidbar sind. Alle
entscheidbaren Fragen sind bereits entschieden worden,
„indem ein theoretischer Rahmen bestimmt wurde, innerhalb
dessen diese Fragen gestellt wurden, und indem die Regeln
festgelegt wurden, nach denen jede Aussage innerhalb dieses
Rahmens [...] mit jeder anderen Aussage [...] verknüpft werden
kann.“ (Foerster 1993, 351f)
Fragen, die unentscheidbar sind, können dagegen einzig und allein von einem Beobachter selbst entschieden werden. Hierin zeigt sich gleichermaßen
die Macht des Beobachters wie auch seine Verpflichtung, und genau damit
unterscheidet sich die Nicht-triviale Maschine von ihrem trivialen Pendant
bzw. der Webersche Geist von seinem geronnenen Abdruck in Form der leblosen Maschine.
Der Apparat, der nicht-triviale Züge zeigt (z.B. das Auto, das nicht mehr anspringt, oder der Betrieb, der keine Gewinne mehr erwirtschaftet), gilt als
schadhaft und muss von einem „Trivialisierungsspezialisten“ (Foerster
1993, 252) (z.B. von einem Mechaniker oder einem Unternehmensberater)
wiederhergestellt werden. Derjenige Beobachter dagegen, der lediglich triviale Entscheidungen zu treffen hat, kann problemlos durch die Maschine ersetzt werden.
Technik kann demzufolge als Ergebnis einer Trivialisierung verstanden werden, und zwar in den verschiedenen Dimensionen des Begriffs, ob es nun um
die ’Technik des wissenschaftlichen Arbeitens’ oder um die ’Technik des
Otto-Motors’ geht. Immer ist das Ziel der ’Technisierung’ die Beseitigung
der Freiheit, eine Unterscheidung so oder anders zu treffen. Ist dieses Ziel
erreicht, so steht anstelle dieser Kontingenz allenfalls ein so oder gar nicht.
Die Wandlung, die damit an der Unterscheidung vollzogen wird, soll hier
mit dem Begriff der Gerinnung angezeigt werden. Als Ergebnis einer Trivialisierungsoperation (z.B. des Mechanikers oder des Unternehmensberaters)
liegt die Unterscheidung in geronnener Form vor und muss, so wie sie ist,
befolgt oder verweigert werden. Das Kreuzen der Unterscheidung ist dagegen nicht möglich, ohne die Technik selbst zu zerstören. Mit anderen Worten: Ihre Form erlaubt nur sehr spezifische Anschlussoperationen, während
andere ausgeschlossen werden.
Technisierung als
Trivialisierung
In dem Verhältnis von Mensch und Technik verknüpfen sich zwei Unterscheidungen miteinander. Die eine Unterscheidung wird, wie gezeigt wurde,
von der Technik selbst geliefert. Sie ist nicht variabel, das heißt, sie kann
nicht beliebig gekreuzt werden. Die zweite Unterscheidung tritt erst zutage,
wenn Technik im Sinne eines Werkzeugs oder Mediums gebraucht wird,
Nutzung von
Technik
33
Form und Technik
denn dies setzt voraus, dass ein Benutzer (Beobachter) ein Handlungsmotiv
unterscheidet. Er wendet die Technik an, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und er geht davon aus, dass die gewählte Technik zur Erreichung dieses Ziels adäquat ist.
Hammer
Ein Beispiel kann diesen Sachverhalt verdeutlichen: Ein Hammer als technisches Artefakt ist vornehmlich konzipiert, um damit einen Nagel in die
Wand zu schlagen - man könnte diese Anwendung als intendierte Nutzung
des Hammers beschreiben. Allerdings lässt sich der Hammer noch für viele
weitere Handlungsziele einsetzen: Der Hammer ist als Waffe zu benutzen, er
kann als Briefbeschwerer dienen oder als Kunstobjekt in einem Museum
ausgestellt werden. Sicher würde man eine lange Liste weiterer möglicher
Verwendungsmöglichkeiten erstellen können, doch alle diese Möglichkeiten
beziehen sich auf verschiedene Motive eines Anwenders. Die Unterscheidung, die ein Nutzer in Bezug auf sein Handlungsziel trifft, ist also stärker
variabel, da sie sehr von seinen individuellen Absichten abhängt. Allerdings
muss eine Betrachtung der ’Technik des Hammers’ auch den Umstand berücksichtigen, dass man mit einem Hammer nicht telefonieren oder kochen
kann. Man kann ihn nicht zum Tennisspielen benutzen und zum Malen taugt
er auch nicht, selbst wenn dies die Handlungsmotive eines Benutzers sein
sollten. Genau hierin liegt die Unterscheidung, die von der Technik selbst
geliefert wird und die nicht veränderbar ist.
Schreibmaschineschreiben
Sucht man nach einem Beispiel, das weniger im gegenständlichen Sinne
technisch ist als im ideellen, so bleibt das Konzept nichtsdestotrotz tragfähig. Spricht man etwa von der ’Technik des Schreibmaschineschreibens’, so
besteht das Technische eben darin,
„den Zusammenhang von einzelnen Buchstaben und deren korrespondierenden Tasten so zu automatisieren, dass wir beim
Schreiben unsere Aufmerksamkeit voll auf die richtige Wiedergabe [...] des Textes konzentrieren können.“ (Jokisch 2000
[online])
Die Entscheidung, welche Taste für einen bestimmten Buchstaben und welche Tastenkombination für ein bestimmtes Wort zu drücken sei, wird automatisiert und hiermit trivialisiert. Die Triviale Maschine ’Typist’, deren hervortretendstes Merkmal die ausgereifte ’Technik des Schreibmaschineschreibens’ ist, liefert auf einen spezifischen Input immer einen spezifischen
Output. Es handelt sich beim Schreibmaschineschreiben im Umkehrschluss
also um ein entscheidbares Problem im Foersterschen Sinne, ein Problem,
das durch eine Triviale Maschine bearbeitet werden kann, das aber durch
den Automatismus der Technik entschieden wird. Der Typist kann diese Entscheidung der Technik nur befolgen oder verweigern, keinesfalls aber wiederrufen (kreuzen), ohne den technischen Aspekt selbst zu zerstören. Wie im
Falle des Hammers ist durch die Technik des Schreibmaschineschreibens
34
Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls
zunächst unentschieden, wofür sie angewendet wird. Es kommt beispielsweise vor, dass mit ihrer Hilfe Buchstaben, Wörter oder Texte nicht gedruckt, sondern gelöscht werden (wie etwa unter Verwendung von Korrektur-Streifen).
Allerdings ist auch die Unterscheidung, die in der Nutzung einer Technik getroffen wird, an gewisse Voraussetzungen gebunden. Damit Technik überhaupt genutzt wird, müssen nämlich bestimmte Bedingungen erfüllt sein, die
die Anschlussfähigkeit der Unterscheidung durch Nutzung an die Unterscheidung der Technik gewährleisten. Es sind hier vor allem zwei Aspekte
zu nennen: Die Technik muss erstens verfügbar sein. Diese Verfügbarkeit ist
nicht nur räumlichen und zeitlichen Limitationen unterworfen, sondern sie
wird in einem Wirtschaftssystem zumeist mit pekuniären Zugangsbarrieren
verbunden, das heißt, man muss in aller Regel Geld zahlen, um eine Technik
nutzen zu können oder zu dürfen.
Beschränkungen
der Nutzung
Zweitens müssen auf der Seite des Nutzers bestimmte Qualifikationen vorhanden sein, damit er in der Lage und berechtigt ist, die Technik in Anspruch
zu nehmen. Beispielsweise ist der Führerschein erforderlich, um ein Auto
fahren zu dürfen, und auch der Umgang mit den Neuen Medien ist an Vorraussetzungen wie etwa Medienkompetenz gebunden (vgl. Abschnitt 2.6).
Es bleibt also festzuhalten, dass die Unterscheidungen, die auf dieser Ebene
getroffen werden - also die Art und Weise der Anwendung einer Technik zwar durchaus Einschränkungen unterworfen sind, jedoch auch stark von
persönlichen Handlungsabsichten geprägt sind, die individuell variieren.
Die Differenz zwischen den beiden skizzierten Unterscheidungen taucht bereits in dem Technikverständnis von Max Weber auf:
intendierte
Nutzung
„’Technik’ eines Handelns bedeutet uns den Inbegriff der verwendeten Mittel desselben im Gegensatz zu jenem Sinn oder
Zweck, an dem es letztlich (in concreto) orientiert ist [...].“
(Weber 1980, 32)
Hieran zeigt sich aber auch, dass es bei der Einführung von Techniken und
Technologien durchaus zu Anwendungen kommen kann, die nicht dem
„Sinn oder Zweck“ entsprechen, der von ihren Initiatoren, Entwicklern oder
Erfindern angedacht war, oder diesem sogar widersprechen. Dies ist nicht
nur eine theoretische Annahme, die aus der Differenzierung jener beiden
Unterscheidungen erwächst, auch in der täglichen Praxis der Entwicklung
technologischer Innovationen spielt dieser Effekt eine verunsichernde Rolle.
Ein bekanntes Beispiel bietet die E-Mail-Technologie. Die von Staatsgeldern
finanzierte Entwicklung des Arpanets und des E-Mail-Standards zu Beginn
der 70er Jahre sollte eigentlich dem wissenschaftlichen Austausch innerhalb
von Forschungsprojekten sowie der militärischen Kommunikation dienen.
Stattdessen wurde ein beträchtlicher Teil der technischen und zeitlichen
35
Form und Technik
Ressourcen für die private, persönliche Kommunikation aufgewendet. Das
damalige Arpanet zeigte hiermit erstmals seine soziale Relevanz. In der ersten großen E-Mail-Liste namens SF-Lovers in den späten siebziger Jahren
beschäftigten sich die Arpa-Forscher nicht mit wissenschaftlicher Forschung, sondern mit Science-Fiction-Literatur (vgl. Rheingold 1994, 101f).
Zwar versuchte man daraufhin zunächst, Maßnahmen zu ergreifen, um die
nichtintendierten Kommunikationen zu unterbinden, allerdings ohne große
Hoffnung auf Erfolg.28
Nutzung als
re-entry
Gleichwohl hat die moderne Medientheorie gezeigt, dass beide Unterscheidungsebenen, jene der Technik wie auch die ihrer Nutzung, eng miteinander
verbunden sind. Mit dieser Erkenntnis korreliert McLuhans These von dem
Zusammenhang zwischen Medium und Botschaft (vgl. McLuhan 1970,
17ff). Wie lässt sich diese Art des Zusammenhangs beschreiben? Wenn auch
eine Technik durch ihre Form nicht vorgibt, in welcher Weise sie genutzt
werden muss, so trifft ihre Form doch - wie gezeigt wurde - eine Selektion,
die bestimmte Anschlussmöglichkeiten nahelegt und andere unwahrscheinlich werden lässt. Getreu der Spencer-Brownschen Unterscheidungstheorie
lässt sich die Nutzung von Technik als re-entry der Unterscheidung begreifen, die durch die Technik vorgeschlagen wird. Die Entscheidung eines Nutzers, eine spezielle Technik zur Erfüllung eines bestimmten Handlungszieles
anzuwenden oder aber die Anwendung dieser Technik als nicht adäquat zu
verweigern, stellt den klassischen Fall des re-entry dar. Natürlich ist das reentry auch selbst mit allen Konsequenzen wiederum als Unterscheidung zu
verstehen, die sich aber definitionsgemäß nicht auf beliebiges bezieht, sondern in diesem Fall auf die Unterscheidung, welche durch die Beschaffenheit
der Technik vorgegeben wird. Mit anderen Worten: Durch ihre Nutzung wird
Technik als Unterscheidung abermals unterschieden.
Obwohl sie auf verschiedenen Ebenen stattfinden, entstehen beide Unterscheidungen gleichzeitig in ein und demselben Moment. In der Entwicklung
einer Technik wird diese immer auch schon angewendet, sei es rein gedanklich (in Form einer intendierten Nutzung), virtuell (heute häufig in Computersimulationen) oder tatsächlich (als Prototyp, Testversion o.ä.). Umgekehrt
stellt die Nutzung von Technik stets eine Form von Evaluation dar, die wiederum beobachtbar ist. Der Anwender leistet somit bereits durch die Nutzung einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Technik, denn allein die Tatsache der Anwendung sowie ihrer Umstände stellen einen beträchtlichen Informationswert dar, der für eine Weiterentwicklung herangezogen werden
kann.29
28
36
Die SF-Lovers-Liste existiert im Übrigen bis heute und erfreut sich nach wie
vor großer Beliebtheit.
Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls
Die hier vorgestellte Deutung von Technik läuft allerdings Gefahr, missverstanden zu werden. Es soll mit dem Begriff der Gerinnung nicht vermittelt
werden, dass Technik ein versteinertes Gebilde darstellt, in welchem Unterscheidungen irreversibel erstarrt sind. So meint der Begriff der Gerinnung in
seiner wörtlichen Bedeutung zumeist die Verfestigung zu einer gelatinösen,
nicht einer starren Masse. Entgegen seiner eigenen Metapher spricht Max
Weber auch von dem flüssigen Charakter der Technik, die ständig an neue
Nutzungsbedürfnisse angepasst wird und sich daher in einem steten Wandel
befindet (vgl. Weber 1980, 32f). Tatsächlich ist Technik, wie man auch täglich in der Werbung erfahren kann, veränderbar, sie modernisiert sich ständig. Doch ist die Veränderung ihrer Form durchaus mit einem Energieaufwand verbunden, der von ihrem Benutzer nicht zu erbringen ist. Die Wiederherstellung einer schadhaften Technik (Re-Trivialisierung) erfordert zumeist
das Know-How eines Trivialisierungsspezialisten, und ihre Modifikationen
werden oftmals mit weiteren Mitteln unterdrückt oder sogar sanktioniert. So
drohen Hersteller von technischen Geräten normalerweise einen Verlust der
Gewährleistungsgarantie für den Fall an, dass unautorisierte Personen in die
Technik des Gerätes eingreifen. Das Kreuzen der Grenzen, die durch die
technischen Unterscheidungen installiert wurden, ist also in aller Regel nur
für den fachkundigen und autorisierten Beobachter durchführbar, und auch
ihm ist dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die wiederum
technischer aber - wie im Falle von Urheberrechtsbestimmungen - auch
rechtlicher oder anderer Natur sein können.
Modifikation von
Technik
Natürlich stellt ein Computerprogramm, eine Internetseite und auch eine Internetanwendung wie myStudy ein ebensolches technisches Gebilde dar wie
eine Maschine oder ein Unternehmen. Mit jeder Funktion, die diesem Artefakt innewohnt, werden die Unterscheidungen, die von seinen Entwicklern
(Trivilisateuren) getroffen worden sind und die sich nun in der technischen
Form verdichtet haben, offenbar. In der Folge steht es nun für Anschlussoperationen zur Verfügung. Es lassen sich mit ihm bestimmte Aufgaben erfüllen
oder Arbeitsabläufe vereinfachen, es ermöglicht Kommunikationen, die zuvor nicht möglich waren oder auf andere Weisen stattgefunden haben usw.
Für die Konzeption einer Internetanwendung wie myStudy ist zunächst von
Interesse, welche Technologien zu ihrer Erstellung und zu ihrem Betrieb herangezogen wurden und wie sich diese in dem vorgeschlagenen Verständnis
von Technik charakterisieren lassen. Bemerkenswert ist, dass es sich im
29
Aus diesem Grund schreiben z.B. viele HTML-Editoren ein sog. Meta-Tag
(tag: engl. Etikett, Kennzeichnung, Marke) in den Quelltext der mit ihnen
erstellten HTML-Dateien, welches die Verwendung der Software im Internet
identifizierbar macht (z.B. <meta name=’generator’ content=’Adobe
GoLive’>). Der Hersteller des HTML-Editors kann auf diese Weise Informationen darüber gewinnen, wie häufig und wofür seine Software angewendet
wird. Diese Informationen spielen bei der Weiterentwicklung des Produkts eine
wesentliche Rolle.
37
Form und Technik
Falle von myStudy fast ausschließlich um Open Source-Technologien handelt, die in Bezug auf die vorangegangenen Ausführungen eine besondere
Stellung einnehmen. Die Besonderheiten, die diese Technologien auszeichnen, sollen daher im folgenden anhand ihrer Entstehung dargestellt und interpretiert werden.
3.2 Aspekte von Open Source-Technologien
1984 gründete Richard Stallman, damals Forscher im KI-Labor des Massachusetts Institute of Technology, ein Software-Entwicklungsprojekt namens
GNU (Gnu is Not Unix). Im Rahmen dieses Projekts sollte das weitverbreitete Betriebssystem Unix nachprogrammiert werden, mit dem Ziel, eine freie
Version des Systems und vor allem dessen Quellcode öffentlich zur Verfügung stellen zu können. Die Vorstellung von Stallman war, dass das Wissen,
welches in dem Quellcode eines Computerprogramms offenbar und nachvollziebar wird, Eigentum der Allgemeinheit sei und nicht durch Urheberrechte einzelner Entwickler oder Unternehmer geschützt sein dürfe (vgl.
DiBona u.a. 1999, 2ff). Vergleichbar mit der und zurückgehend auf die Tradition von Wissenschaft wurde hier die Programmierung von Software als
Diskurs verstanden, in dem die Gedankengänge und Strategien anderer Entwickler verständlich nachvollziehbar sein müssen, um Erkenntnisse vergleichbar, nachprüfbar und reproduzierbar zu machen.
copyleft
Richard Stallman befürchtete, dass die Entwicklungen, die man im Rahmen
des GNU-Projektes machte und die bis dahin public domain - also öffentliches Eigentum - waren, von anderen Entwicklern oder von Unternehmen,
die sich auf dem Softwaremarkt betätigten, wiederum urheberrechtlich geschützt würden. Daher machte er sich Gedanken über die Distributionsbedingungen für GNU, die die freie Verwendbarkeit und Offenlegung des Codes und seiner Modifikationen rechtlich sicherstellen sollten. Die Strategie,
die Stallman und seine Mitstreiter hierfür wählten, wurde unter dem Begriff
copyleft bekannt:
„The central idea of copyleft is that we give everyone permission to run the program, modify the program, and distribute
modified versions - but not permission to add restrictions of
their own.“ (Stallman 1999, 59)
Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Weiterentwicklungen, die
auf der Arbeit des GNU-Projektes basieren, wiederum für das Projekt selbst
zugänglich sind.
General Public
License
38
Die juristische Ausformulierung des copyleft-Konzeptes fand schließlich
mit der GNU General Public Licence (GNU GPL) statt.30 Die Veränderungen und Erweiterungen einer Software, die General-Public-lizensiert ist,
dürfen also gemäß der copyleft-Idee wiederum nur unter der unveränderten
Aspekte von Open Source-Technologien
GPL vertrieben werden. Das heißt, dass zwar die Software selbst frei verfügbar und modifizierbar ist, deren Lizenztext allerdings unter einem strengen
Urheberrecht steht, welches jede Modifikation desselben verbietet.31 Die Inhaberin dieses Urheberrechtes sollte eine unabhängige Dachorganisation
sein, die schließlich 1985 unter dem Namen Free Software Foundation gegründet wurde und deren Präsident Richard Stallman bis heute ist.
Das Lizenzmodell, das von der Free Software Foundation angeboten wird,
ist so attraktiv, dass eine Reihe von weiteren Softwareentwicklungen von ihren Urhebern unter die GNU GPL gestellt worden sind. Denn die Hoffnung
darauf, das eigene Wissen mit dem von vielen anderen Programmierern, die
an ähnlichen oder gleichen Problemen arbeiten, ergänzen zu können, birgt
die Chance, zu einer schnellen und qualitativ hochwertigen Lösung zu gelangen. Es zeigt sich hiermit, dass die Entscheidung, die einen Softwareentwickler dazu bringt, seine Ergebnisse unter der GNU GPL zu veröffentlichen, nicht kommerzieller sondern ideeller Natur ist, also eine ’hochwertige’
Software und deren hohe Verbreitung zum Ziel hat, nicht aber deren lukrativen Absatz.
Trotzdem war die Verbreitung von Freier Software32 unter Anwendern bis
dahin recht gering. Die Ursachen hierfür waren vielfältig. Zum einen gab es
für die Distribution von Freier Software kein Marketing-Budget. Die Free
Software Foundation finanziert sich bis heute ausschließlich über den niedrigpreisigen Verkauf von Programmen und Dokumentationen, die im Internet auch kostenfrei verfügbar sind, sowie über Spendengelder. Diese Mittel
werden haupsächlich für die Weiterentwicklung des GNU-Projekts und zur
Finanzierung anderer Free Software-Projekte investiert (vgl. Stallman 1999,
60f). Außerdem handelt es sich bei Freier Software zumeist um Programme,
die von Programmierern für Programmierer geschrieben werden. Das hat
zum einen zur Folge, dass die ’Free-Software-Gemeinde’ recht hermetisch
abgeschlossen ist, zum anderen sind ihre Produkte in Fragen der Benutzerfreundlichkeit gegenüber proprietären Produkten nicht konkurrenzfähig.33
30
31
32
Freie Software
Der vollständige Text der aktuellen zweiten Version der GNU General Public
License findet sich im Internet auf der Webseite der Open Source Initiative
(vgl. Open Source Initiative 2003 [online]).
Auch in Bezug auf das vorliegende Problem zeigt sich hiermit abermals die
Ambivalenz von Begrenzung und Entgrenzung. Die Entgrenzung der Zugangsund Modifikationsmöglichkeiten wird erst durch die Begrenzung der Lizenzierungsfreiheit geschaffen.
Für Software, die unter der GNU GPL distribuiert wird (Free Software), hat
sich diese Bezeichnung durchgesetzt und kann daher als Eigenname gelten.
39
Form und Technik
GNU/Linux
Die Entwicklung eines Kernels34 für das GNU-System, genannt GNU
HURD, erweist sich als große Herausforderung, die bis heute noch nicht bewältigt wurde. Allerdings existiert ein anderer Unix- und somit GNU-kompatibler und GP-lizensierter Kernel, der seit 1991 von dem finnischen Studenten Linus Torvalds und einer diffusen Gruppe von freiwilligen Helfern
entwickelt wurde und schließlich unter dem Namen Linux bekannt wurde.
Seit der Implementierung des Linux-Kernels in die GNU-Umgebung steht
damit das kostenfrei zu beziehende und lauffähige Betriebssystem GNU/
Linux zur Verfügung.
Die Nachricht von der Entwicklung eines stabilen Kernels für das GNU-System und vor allem die Art seiner Entstehung stellte für die Fachwelt eine
große Überraschung dar: „Encountering Linux was a shock.“(Raymond
1999a, 207) Es schien - insbesondere aufgrund der schlechten Erfahrungen
im GNU HURD Projekt - bislang nicht vorstellbar, dass eine Aufgabe von
derart hoher Komplexität ohne eine strenge und hierarchische Koordination
der Aufgabenverteilung und Qualitätssicherung zu bewältigen sei. Außerdem galt für die Softwareentwicklung das sogenannte Brookssche Gesetz:
Die Zahl der Programmierer, die an einem gemeinsamen Projekt arbeiten,
sei zwar proportional zur Produktivität der Gruppe, jedoch quadratisch proportional zur Fehleranfälligkeit des Produktes (Raymond 1999, 208)35.
Linux aber widersprach diesem Gesetz, denn es wurde von einer großen
Gruppe selbstorganisierter Programmierer geschrieben:
„Quality was maintained not by rigid standards or autocracy but
by the naively simple strategy of releasing every week and getting feedback from hundreds of users within days, creating a
sort of rapid Darwinian selection on the mutations introduced
by the developers.“ (Raymond 1999, 28)
Gerade die große Zahl der Programmierer, die sich zugleich als Tester betätigen, sorgt für die Sicherung eines hohen qualitativen Niveaus und für die
Kompatibilität mit verschiedensten Soft- und Hardwareumgebungen.
33
34
35
40
Systemtheoretisch betrachtet handelt es sich bei der Entwicklung von proprietärer Software auf der einen Seite und der Entwicklung von Freier Software auf
der anderen um Operationen innerhalb von verschiedenen Systemen (Wirtschaft bzw. Wissenschaft), deren verschiedene Leitdifferenzen auch verschiedene Produkte zur Folge haben. Insofern kann der Autor von Freier Software
immer mit einem gewissen Know-How und Interesse des Anwenders rechnen,
während die kommerzielle Softwareindustrie meist von einem eher unerfahrenen Benutzer ausgehen muss (DAU). Aus diesem Grunde besteht bei der Entwicklung von Freier Software nicht die gleiche Notwendigkeit für
Benutzerfreundlichkeit, wie sie bei proprietärer Software vorliegt.
Der Kernel ist das Herz eines Betriebssystems. Er regelt die Zuweisung von
Hardware-Ressourcen an die aktuellen Prozesse des Betriebssystems und der
ausgeführten Programme.
Das Brookssche Gesetz bezieht sich streng genommen auf die Entstehung von
Komplexität der Kommunikationbeziehungen innnerhalb von Entwicklungsund Projektgruppen (vgl. Brooks 1982, 13ff).
Aspekte von Open Source-Technologien
Trotz allem steht man dem Free Software-Konzept vor allem in der Computer- und Software-Industrie äußerst skeptisch gegenüber. Die negative
Grundhaltung hat nach Überzeugung von Eric S. Raymond, einem der Väter
der Open Source-Idee, ihre hauptsächliche Ursache in der politisch motivierten Argumentation der Free Software Foundation, von der sich die Entscheider kommerzieller Wirtschaftunternehmen abgeschreckt fühlten.
Skepsis gegenüber
Freier Software
Schon mit dem Begriff Free Software, den Stallman gerade wegen seiner
Doppeldeutigkeit im Sinne von umsonst auf der einen und frei auf der anderen Seite ausgewählt hatte, seien zu viele antikommerzielle Konnotationen
verbunden. Den Grund für die ablehnende Haltung von Wirtschaftsunternehmen gegenüber Freier Software formuliert Raymond folgendermaßen:
„Most of it came from something worse - the strong association
of the term ’free software’ with hostility to intellectual property
rights, communism, and other ideas hardly likely to an MIS
manager.“ (Raymond 1999, 212)36
Aus diesem Grunde sah Raymond die Notwendigkeit für eine Umbenennung
und Neuorientierung des Konzeptes. Gemeinsam mit Bruce Perens, Tim
O´Reilly37 und einigen weiteren Mitstreitern gründete er die Open Source
Initiative (OSI) und veröffentlichte die sogenannte Open Source Definition
(OSD), einen Katalog von Bedingungen, die eine Software-Lizenz vollständig erfüllen muss, um dem Open Source-Standard zu genügen38. Zwar entspricht auch die GNU GPL diesen Bedingungen, jedoch werden zusätzlich
andere, weniger ’offene’ Lizenzen mit eingeschlossen.
Open Source
Die wichtigste Differenz der OSD gegenüber den strengen Lizenzbestimmungen, die für Freie Software gelten, liegt in der Aufhebung der copyleftIdee. Die OSD lässt es also zu, dass Modifikationen einer Software, die unter
einer Open Source-Lizenz vertrieben wird, oder Entwicklungen, die auf
Open Source-Technologie basieren, selbst unter eine proprietäre Lizenz gestellt werden. Im Übrigen werden durch die OSD die folgenden zentralen
Aspekte in weitgehender Übereinstimmung mit der GNU GPL geregelt (vgl.
Perens 1999, 176ff).
36
37
38
Die Abkürzung MIS steht für „Managemant Information System“. MIS Manager sind also jene Entscheider innerhalb von Unternehmen, die über wesentliche Investitionen in Produkte der Informationstechnologie befinden.
Tim O’Reilly ist der Gründer und Geschäftsführer des weltweit bekanntesten
Verlags für computerbezogene Hand- und Lehrbücher, Bruce Perens war bis
1997 Leiter des Debian-Projektes, das sich bis heute mit einer Open SourceDistribution des GNU/Linux-Systems beschäftigt.
Die Open Source Definition ist also selbst keine Lizenz.
41
Form und Technik
Freie Weitergabe
Die Lizenz darf die freie und kostenlose Weitergabe des Programms
nicht untersagen
Offenlegung des Quellcodes
Der Quellcode des Programmes muss in einer gängigen Form im
Internet kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Verbot von Diskriminierung
Es dürfen von der Lizenz weder bestimmte Benutzergruppen noch
bestimmte Arten der Anwendung diskriminiert werden.
Distribution und Gültigkeit der Lizenz
Die Lizenz muss für das ganze Produkt ebenso gelten wie für seine
Teile. Sie muss mit jeder Kopie des Produktes distribuiert werden.
Tabelle 2: wichtige Aspekte der Open Source Definition
Erfolge
Die Veröffentlichung der OSD führte zu einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen ihren Vertretern auf der einen und den Verfechtern der FreeSoftware-Idee auf der anderen Seite. Der Erfolg gab den Autoren der Open
Source Definition jedoch bereits nach kurzer Zeit recht: Nachdem zunächst
Netscape 1998 den Quellcode seines Internet-Browsers und E-Mail-Clients
veröffentlichte und auch Sun zwei Jahre später den Code des Software-Pakets StarOffice freigab, stieg die Akzeptanz von Open Source-Produkten sowohl bei den Benutzern als auch in der Softwareindustrie stark an. Die sogenannten Halloween-Dokumente39, interne Memos aus dem Hause Microsoft,
die im Jahre 1998 auf ungeklärten Wegen an die Öffentlichkeit gelangten,
bestätigten, dass man dort Konkurrenzprodukte der Marke „Open Source“
äußerst ernst nahm und für eine Bedrohung der eigenen Marktposition hielt.
Der unbekannte Autor der Halloween-Dokumente sieht in dem freien Austausch von Ideen einen strategischen Vorteil, der von Microsoft nicht egalisiert werden kann (vgl. Grassmuck 2000 [online]).
Diese Befürchtung der Microsoft-Unternehmensführung hat sich vermutlich
bis heute weiter intensiviert, denn Open Source-Alternativen können seitdem steigende Anwenderzahlen verbuchen.40 War der Desktop PC bislang
die unangefochtene Domäne des Microsoft Betriebssystems Windows, so
drängen zur Zeit die Distributoren Suse und Red Hat mit entsprechenden
39
42
Eine von Raymond kommentierte Version der Halloween-Dokumente findet
sich im Internet auf den Webseiten der Open Source Initiative (Open Source
Initiative 2003a [online]).
Aspekte von Open Source-Technologien
Desktop-Editionen von GNU/Linux auf den Markt. Und auch in der Apple
Macintosh Welt kommt das Open Source-Konzept neuerdings zum Tragen:
Das aktuelle Mac-Betriebssystem OS X baut auf Darwin auf, einem UnixFundament, das als Open Source entwickelt wurde. Auch der neue Webbrowser Safari von Apple basiert auf einem Open Source-Kern. Auf der
Webseite zu ihrem neuen Software-Produkt erklärt das Unternehmen Apple:
„Die Rendering-Engine für Web-Seiten von Safari basiert auf
Software des Konqueror Open Source-Projekts. [...] Und als
Mitglied der Open Source-Gruppe wird Apple alle Verbesserungen der Konqueror Rendering-Engine selbstverständlich für
die Open Source-Gemeinde zur Verfügung stellen.“41
Diese Aussage belegt, dass es auch für kommerzielle Software-Entwickler
auf vielfältige Weise interessant geworden ist, sich mit Open Source auseinander zu setzen. Es wird so nicht nur möglich, Entwicklungsarbeit und damit
Kosten zu sparen, auch in der werblichen Kommunikation gehört ein Engagement innerhalb der Open Source-Gemeinde inzwischen zum guten Ton.
‘Open Source’ ist auf diese Weise zu einem Schlagwort geworden, das momentan in Mode ist wie nie zuvor.
Volker Grassmuck konstatiert, dass Freie Software vor allem „etwas über
die Strukturprinzipien von Kooperation und Kommerz, von Offenheit und
Schließung“ (Grassmuck 2000 [online]) lehren kann. Die Open Source-Idee
erweitert dieses Programm demgemäß um die Verknüpfung von „Kooperation und Kommerz“, indem es eine Brücke zwischen beidem schlägt. Durch
die Open Source Definition wird eine Offenheit gegenüber der Welt des
Kommerzes propagiert, gegen die sich Richard Stallman und die Free Software Foundation lange abzugrenzen suchten. Erst diese Öffnung hat zu dem
Erfolg geführt, den Open Source-Produkte heute haben, so dass es beispielsweise kaum noch Anwendungsprogramme auf dem Softwaremarkt gibt, die
nicht für das Betriebssystem GNU/Linux angeboten werden.
40
41
Kooperation und
Kommerz
Die Schätzung der tatsächlichen Benutzerzahlen von Open Source-Software ist
aufgrund ihrer hohen und unkontrollierten Verbreitung in Netz sehr schwierig.
Es gibt also keine offiziellen Verkaufszahlen, die man zur Begründung solcher
Schätzungen heranziehen könnte. Volker Grassmuck gibt an, dass es im Jahre
2000 etwa zehn Millionen installierte Linux-Systeme gegeben habe (vgl.
Grassmuck 2000 [online]). Die Quelle dieser Angabe ist jedoch nicht genannt.
Die Nutzung von Open Source-Software im Internet kann mit Hilfe von technologischen Lösungen in Erfahrung gebracht werden. Der „Netcraft Web Server Survey“ belegt auf diese Weise die positive Entwicklung der Verbreitung
der HTTP-Server-Software Apache (vgl. http://news.netcraft.com/archives/
web_server_survey.html; abgerufen am 20.05.2003). Der „Internet Operating
System Counter“ hat im Jahr 1998 über einen Zeitraum von drei Monaten die
Verbreitung verschiedener Betriebssysteme auf Webservern erfasst (vgl. http://
leb.net/hzo/ioscount; abgerufen am 20.5.2003) und festgestellt, dass Linux das
bevorzugte Betriebssystem auf Webservern ist, dessen Verbreitung darüberhinaus im betrachteten Zeitraum noch zugenommen hat.
(Vgl. http://www.apple.com/chde/safari; abgerufen am 03.04.2003.)
43
Form und Technik
Der Open Source-Gedanke ist seit seiner Institutionalisierung häufig auch in
andere Bereiche übertragen worden, die mit Softwareentwicklung wenig
oder überhaupt nichts zu tun haben. Längst wird Open Source als strategisches Konzept verstanden, das auf die verschiedensten Probleme angewendet wird. Das Oscar-Projekt42 bemüht sich etwa um die Entwicklung eines
Automobils, welches innerhalb eines offenen Diskurses konstruiert werden
soll. Und unter dem Namen Divercity43 sollen im Rahmen eines Open
Source-Konzeptes neue Strategien zur Entwicklung des urbanen Raumes
diskutiert werden.
So verschieden die diversen Projekte, die sich unter dem Gedanken Open
Source versammeln, auch sein mögen, auffällig ist, dass sie sich allesamt der
Technologien des Internets bedienen, um die Komplexität entstehender
Kommunikationen zu bewältigen. So scheint es im Umkehrschluss, als wäre
die Entstehung des ihnen zugrunde liegenden Open Source-Konzeptes erst
durch die Entwicklung des Internets möglich geworden. Jedoch kann dieser
Gedanke hier nicht weiter ausgeführt werden, vielmehr sollen im Folgenden
die Eigenheiten von Open Source-Techniken unter Berücksichtigung eines
unterscheidungstheoretisch begründeten Technikverständnisses diskutiert
werden.
3.3 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht
Der oben vorgeschlagene Technikbegriff geht von zwei miteinander verbundenen Unterscheidungen aus: die eine, die von der Technik selbst getroffen
wird und die andere, die aus ihrer Nutzung resultiert und als re-entry der ersten Unterscheidung verstanden werden kann. Bedient man sich dieser Betrachtung, so wird deutlich, dass beide Klassen von Unterscheidungen durch
die Anwendung des Open Source-Konzeptes weitestgehend variabel gestaltet werden können.
Kreuzen
Durch die Offenlegung des Quellcodes einer Software ist es dem qualifizierten Programmierer möglich, die Unterscheidungen, die ein anderer bei der
Entwicklung des Programmes getroffen hat, zu revidieren. Technische oder
juristische Barrieren, welche bei einer proprietären Software den Zugriff auf
den Code vereiteln, werden mit den Bedingungen der OSD beseitigt, da der
Code allgemein zugänglich im Internet verfügbar ist und wunschgemäß weiterbearbeitet werden darf. Die Voraussetzungen zur Modifikation von Open
Sorce Produkten liegen hiermit gänzlich auf der Seite des Entwicklers, nämlich in seiner fachlichen, technischen Qualifikation sowie in seinen individuellen Motiven. Diese Motive können sogar, wie es die Definition von Freier
Software hingegen unterbunden hatte, kommerzieller Natur sein. Die
42
43
44
(Vgl. http://www.theoscarproject.org; abgerufen am 12.04.2003.)
(Vgl. http://www.divercity.berlin.heimat.de; abgerufen am 12.04.2003.)
Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht
Unterscheidungen, die in der technischen Form der Software geronnen sind
(s.o.), werden auf diese Weise nachprüfbar und wiederholbar, damit aber
auch widerrufbar - mit anderen Worten kreuzbar - gemacht, ohne durch sonstige Beschränkungen reguliert zu werden. Sie bleiben zwar grundsätzlich in
einem technischen Maß geronnen, aber in diesen Grenzen weitestgehend variabel.
Auch auf der Ebene der Anwendung zeigen sich Differenzen zwischen Open
Source und proprietärer Software. Die Entscheidung, eine proprietäre Software zur Erfüllung bestimmter Aufgaben zu verwenden, ist normalerweise
mit erheblichen Anschaffungskosten verbunden. Eine solche Investition
stellt stets ein Risiko dar, welches bei der Verwendung einer Open SourceLösung aufgrund ihrer freien Verfügbarkeit in dieser Form nicht existiert.44
Da die Bestimmungen der OSD die Diskriminierung von Benutzergruppen
(z.B. Privatperson, Unternehmen oder Bildungseinrichtung) und Anwendungsarten (z.B. kommerzielle oder nichtkommerzielle Anwendung) untersagen, kann somit ein beliebiger Nutzer zu einem beliebigen Zwecke beliebig viele Kopien einer Open Source-Software nutzen, ohne dafür einen
Geldbetrag entrichten zu müssen. Versteht man also die Frage nach der Nutzung einer Technik als re-entry der durch sie getroffenen Unterscheidung
und das re-entry (neben dem Nennen und Kreuzen) als die dritte Anschlussmöglichkeit an eine Unterscheidung, so stellt man fest: Auch die Anschlussoperation des re-entry ist - wie schon die des Kreuzens - durch Open Source
liberalisiert worden.45
re-entry
Die Idee der Open Source Definition lässt sich somit konsequent als ein
Konzept beschreiben, welches auf die Gewährleistung von Anschlussmöglichkeiten ausgerichtet ist. Verwendet man das Vokabular der Unterscheidungstheorie von George Spencer-Brown, so lässt sich diese Öffnung, wie
gezeigt wurde, in den Anschlussoperationen des Kreuzens und des re-entry
nachweisen.
Dies für den Anschluss durch Nennung zu zeigen, wäre nicht sinnvoll, da es
sich hierbei um die reine Funktion einer Technik bzw. einer Software handelt. Nennen heißt im Falle von Technik Funktionieren, und die zugehörigen
Operationen, die mit Foerster als trivial zu bezeichnen sind, werden gänzlich
von der trivialen, technischen Maschine übernommen. Solange die Technik
also funktioniert, ist der Anschluss durch Nennung sichergestellt,
44
45
Nennen
Viele Softwarehersteller bieten aus diesem Grunde Testversionen ihrer Produkte an, welche die Nutzung eines Programmes für eine begrenzte Dauer oder
in einem begrenzten Funktionsumfang erlauben. Das Investitionsrisiko kann
auf diese Weise zwar gemindert, aber nicht ausgeschaltet werden.
Ein wesentlicher Aspekt der Anschlussfähigkeit im Sinne der Nutzung einer
Software ist die Gestaltung ihrer Benutzerschnittstelle. Jedoch wird dieser
Aspekt unten ausführlicher behandelt und findet daher hier vorerst keine
Beachtung.
45
Form und Technik
funktioniert sie nicht, verliert sie mit ihrer Anschlussfähigkeit auch ihren
technischen Aspekt.
Trotzdem spricht man im Alltag oft davon, dass ein konkretes Programm
besser funktioniere als ein anderes. Die Überprüfung funktionaler Differenzen zwischen proprietärer Software und ihrer Open Source-Konkurrenz
muss allerdings im Einzelfall anhand von speziellen Kriterien erfolgen und
kann nicht verallgemeinernd auf die Anwendung von Open Source-Strategien zurückgeführt werden.
Die Technologien, welche bei der (Weiter-)Entwicklung und beim Betrieb
von myStudy zum Einsatz kommen, sind fast ausnahmslos Open SourceTechnologien, deren Charakteristika nun ausführlich dargelegt worden sind.
Ihre Eigenschaften stellen zugleich die wichtigsten Gründe dar, die für ihre
Verwendung im myStudy-Projekt angeführt werden können. Die Anschlussfähigkeit von Open Source-Technologien hat für ein Projekt wie
myStudy einen besonderen Stellenwert, denn man hat es hier nicht mit einer
technischen Lösung für eine klar definierte Aufgabe zu tun. Vielmehr ist myStudy eine Internetanwendung, deren Form sich im ständigen Wandel befindet und eine Dynamik besitzt, die zu stets neuen Erweiterungen und Veränderungen führt, die technologisch unterstützt werden müssen. myStudy versteht sich also als ’work in progress’, welche sich im Zyklus der
wechselnden Semester zum einen an stets neue Gegebenheiten anpasst, zum
anderen aber auch neue Potentiale aus sich selbst heraus entwickelt. Eine
solche Offenheit in der Weiterentwicklung ist nur auf der Basis einer Technologie möglich, die einfach und unkompliziert an die sich wandelnden Bedürfnisse anpassbar ist.
Ein bestimmter Aspekt ist allerdings bei diesen Überlegungen bisher stillschweigend ignoriert worden, nämlich das Problem der Benutzerfreundlichkeit einer Software und damit einhergehend die Gestaltung ihres Interfaces.
Die Bedeutung, die dieser Bereich für die Konzeption und den Erfolg einer
Internetplattform einnimmt, ist zwar, wie bereits angemerkt wurde, nicht
ganz unabhängig von der Frage nach Open Source, aber zum anderen so zentral für die Problemstellung, dass ihm ein eigenes Kapitel gewidmet werden
muss. Abermals sollen unterscheidungstheoretische Thesen als Grundlage
dienen, um die Rolle des Interfacedesigns und die Frage nach Usability zu
verorten und in den Blick zu nehmen.
46
Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht
4. Form und Interfacedesign
Der Problematik des Interface-Designs wird sich aus unterschiedlichsten
Perspektiven genähert. Vor allem kann man eine große Distanz zwischen
Theorie und Praxis beobachten. Die wenigen Ansätze, die sich mit dem
Thema Design aus theoretischer Sicht befassen, sehen sich zumeist einer
ausgesprochenen Rechtfertigungsnot ausgesetzt und finden bei den Praktikern so gut wie kein Gehör. Auf der anderen Seite ist die Vielzahl von praxisorientierten Aussagen über das Design von Benutzerschnittstellen fast unermesslich und dabei zwangsläufig redundant. Solche Betrachtungen kommen in aller Regel ohne eine Rechtfertigung ihrer selbst, vor allem aber ohne
eine theoretische Begründung ihrer Argumentationsgrundlagen aus und lehnen diese teilweise sogar ausdrücklich ab. Dabei unterstellen die Theoretiker
auch den praktischen Zugangsweisen zum Problem des Designs eine immanente theoretische Begründung:
„Every professional practice takes place in front of a theortical
background; that holds even for practice styles that vehemently
deny any theoretical involvement.“ (Bonsiepe 1997, 26
[online])
Ein jedes Feld, welches Fortschritt aufweisen kann, zeigt damit, dass es auf
Theorie aufbaut, da es offensichtlich eine ideelle Grundlage besitzt, die es
im Zeitverlauf weiterentwickelt (vgl. Friedmann 2001 [online]). Und dennoch fällt es den Theoretikern schwer, die wissenschaftliche Disziplin Designtheorie zu etablieren. Viele der Beiträge zum designtheoretischen Diskurs
widmen sich daher zumindest am Rande dem Verhältnis von Theorie und
Praxis und damit der eigenen Rechtfertigung (vgl. Pylyshyn 1991, 39ff).
Eine zusätzliche Schwierigkeit entsteht dadurch, dass der Designbegriff mit
einer großen Unschärfe verwendet wird und auf alles bezogen wird, was ‘gestaltbar’ ist. In diesem Rahmen soll daher im Einvernehmen mit dem
Designtheoretiker Gui Bonsiepe Design als Interfacedesign verstanden und
eingegrenzt werden, nämlich als ein Bereich in dem Wechselwirkungen zwischen Nutzern und Artefakten sowie die sich hieraus ergebenden Erfahrungs- und Handlungsräume strukturiert werden (vgl. Bonsiepe 1997a, 2
[online]). Artefakte werden in dieser Hinsicht sowohl physisch als auch ideell begriffen, nämlich als Körper, die eine sinnlich erfahrbare Schnittstelle
bieten, damit aber auch Träger von Zeichen sind, mit deren Hilfe sie auf eine
Referenz verweisen, die durch die Abwesenheit des Referenzierten geprägt
ist.
47
Form und Interfacedesign
4.1 Das Interface zwischen Artefakt und Anwender
Die lateinische Herleitung des englischen Begriffes Interface sagt einiges
über seine Bedeutung aus, was die deutsche Übersetzung Schnittstelle verschleiern würde. Der Wortteil inter (lat.: zwischen) deutet darauf hin, dass
man es hierbei mit einem Phänomen der Grenze zu tun hat. Das Interface
stellt einen Ort dar, der sich zwischen zwei Seiten einer Unterscheidung befindet, nämlich zwischen dem Nutzer und dem Artefakt. Der Wortteil face
(engl. Gesicht, Gestalt) leitet sich, wie Etymologen vermuten, von dem lateinischen Verb facere (lat. machen, tun) ab46. Durch ihn wird angezeigt, dass
an diesem Ort eine Form von (Inter-)Aktion zwischen beiden Seiten der Unterscheidung stattfindet. Es werden mit Hilfe des Interfaces Operationen
zwischen Anwender und Artefakt vollzogen, welche ihrerseits stark durch
die qualitative Beschaffenheit des Interface beeinflusst werden. Somit ermöglicht es den anwendungsbezogenen Zugang zum Artefakt und dessen
Verwendung in Hinsicht auf die Erfüllung eines Zweckes.47
Designdiagramm
In diesem (weiteren) Sinne kann z.B. der Griff eines Schraubenziehers, die
Form und Ausprägung seiner Spitze, sein Material - mit anderen Worten die
Summe seiner spezifischen Eigenheiten - als sein Interface begriffen werden. Durch dieses ist der Schraubenzieher in der Lage, dem Anwender die
Bearbeitung einer Aufgabe zu ermöglichen. Gui Bonsiepe hat zur Visualisierung dieses Sachverhaltes ein ontologisches Designdiagramm vorgeschlagen, dessen Darstellung hier abstrahiert wiedergegeben wird.
Abbildung 2: Ontologisches Designdiagramm (eigene Darstellung; nach
Bonsiepe 1996, 20)
46
47
48
(vgl. http://www.hyperdictionary.com/dictionary/face; abgerufen am
15.05.2003)
Diese Ausrichtung des Interfacebegriffs auf einen Nutzungszweck stellt eine
Vereinfachung des Sachverhalts dar. Die Kunst bietet beispielsweise Artefakte,
deren Interface die Erfüllung eines Zweckes gerade verweigert. In Hinblick auf
die Fragestellung und die Anwendung auf myStudy kann dieser Einwand allerdings vernachlässigt werden.
Das Interface zwischen Artefakt und Anwender
Am Beispiel des Schraubenziehers zeigt sich eine Deckung des Interfaces
mit dem Artefakt selbst. Beide Entitäten sind nicht voneinander zu trennen,
die Physis des Schraubenziehers ist so gesehen nichts als Interface. Erst bei
komplexeren Artefakten zeigt sich eine tiefergehende Grundlegung des Interfacebegriffs.
Der Schraubenzieher kann zwar im Verhältnis zu seiner Außenwelt verschiedene Zustände annehmen - seine Spitze kann beispielsweise in den Kopf einer Schraube passen - jedoch ist sein innerer Zustand immer derselbe. Komplexere Systeme können dagegen verschiedene Zustände annehmen, deren
Repräsentation extern („surface representation“), aber auch intern („internal representation“) erfolgen kann (Norman 1991, 25). Hierdurch entsteht
die Notwendigkeit eines Interfaces, welches interne Repräsentationen externalisiert, also den inneren Zustand des Artefakts an seiner Oberfläche sinnlich erfahrbar macht. Ein einfaches Beispiel hierfür bietet eine Kontrolllampe an einem elektrischen Gerät, die signalisiert, ob das Gerät an- oder
ausgeschaltet ist. Die Lampe erfüllt für die Funktionsweise des Gerätes keinen Zweck, sie dient ausschließlich der Mitteilung seines inneren Zustands.
interne und externe
Repräsentation
Das Interface bietet nun wiederum die Möglichkeit, diesen Zustand zu manipulieren. Ein Schalter an besagtem elektrischen Gerät kann beispielsweise
dazu dienen, die Stromversorgung des Geräts abzuschalten und damit den
inneren Zustand des Gerätes zu verändern. Die Kontrolleuchte an dem Gerät
wird in diesem Fall erlöschen.48 Es ergibt sich also mit Hilfe des Interfaces
(im engeren Sinne) eine Rückkopplung von Manipulationen oder, anders gesagt, ein wechselseitiger Anschluss von Unterscheidungen, die durch den
Nutzer und durch das technische Artefakt getroffen werden49.
Nicht mehr einzelne Operationen des Anwenders bei der Bedienung eines
Interfaces, sondern erst die Emergenz dieses kybernetischen Zirkels ist auf
die Erfüllung einer Aufgabe gerichtet. Die Zwischenschaltung eines Interfaces bewirkt so gewissermaßen eine Abstraktion der Operationen des Anwenders gegenüber der Aufgabe, die mit ihnen verfolgt wird. Der Soziologe
Bruno Latour bezeichnet diesen Komplex als einen Vorgang der „Übersetzung“ durch Technik (vgl. Latour 1998, 34). Mit der Bedienung des
48
49
Rückkopplung von
Anwender und
Artefakt
Normalerweise ist hierbei die Rede von Eingabe- und Ausgabeschnittstellen
eines Geräts. Diese Begriffe sollen aber in Anbetracht der Wechselseitigkeit
von Manipulationen zwischen Anwender und Artefakt nicht verwendet werden. Sie würden eine feststehende Perspektive auf die Technik suggerieren.
Streng genommen trifft das Artefakt keine Unterscheidungen. Wie der
Abschnitt 3.1 gezeigt hat, sind in ihm aber Unterscheidungen geronnen, die
durch das Funktionieren der Technik reproduziert werden. Das Artefakt kann
daher nicht als autonomer Beobachter verstanden werden.
Bonsiepe beschreibt die Wechselwirkung zwischen Anwender und Artefakt
auch mit dem Begriff der „strukturellen Kopplung“ von Maturana und Varela
(vgl. Bonsiepe 1996, 52). Diese Anschauung impliziert ein Verständnis des
Artefakts als Beobachter und ist daher aus dem obigen Grunde abzulehnen.
49
Form und Interfacedesign
Interfaces kommt es zu einer Verschiebung des „Handlungsprogramms“
(Latour 1998, 33), dass sich nun nicht mehr auf die unmittelbare, sondern
nur mittelbare Verrichtung einer Aufgabe bezieht, nämlich auf die Bedienung des Interfaces. Abbildung 3 soll die Beziehung zwischen den verschiedenen Elementen in der Wechselwirkung zwischen Anwender und Artefakt
verdeutlichen.
Abbildung 3: Das Interface in der Beziehung zwischen Anwender und
Artefakt (eigene Darstellung)
Über das Interface wird also eine Rückkopplung von Unterscheidungsoperationen zwischen Anwender und Artefakt realisiert. Zieht man die techniktheoretischen Beobachtungen des dritten Kapitels zu dieser Erkenntnis
hinzu, so wird deutlich, dass es sich wiederum um die kaskadisch positionierten Unterscheidungsebenen handelt, deren Architektur dort bereits eingehend beschrieben wurde.
Das Interface sichert folglich die Anschlussfähigkeit der Unterscheidung,
die durch die Nutzung von Technik konstituiert wird, an die geronnene Unterscheidung der Technik selbst. Kurz gesagt, die Qualität des Interfaces bestimmt die Nutzungsfähigkeit der Technik. Dies gilt insbesondere dadurch,
dass sich das Artefakt aus Sicht des Anwenders ausschließlich durch das Interface darstellt (vgl. Simon 1990, 6).
Das Interface stellt jene Entität dar, anhand derer sich Anwender ein mentales Modell von einem Artefakt erstellen. Nach der Theorie der mentalen Modellbildung, die auf den Psychologen Kenneth Craik zurückgeht, verwendet
der Nutzer aus seiner subjektiven Perspektive nicht das Artefakt selbst, sondern sein mentales Modell, also eine (Re-)Konstruktion des Artefakts.
„If the organism carries a ’small-scale model’ of external reality
and of its own possible actions within its head, it is able to try
out various alternatives, conclude which is the best of them,
react to future situations before they arise, utilize the know50
Visualität und Information
ledge of past events in dealing with the present and future, and
in every way to react in a much fuller, safer, and more competent manner to the emergencies which face it.“ (Craik 1943, 51)
Ziel des Interfacedesigns ist es daher, die Voraussetzungen dafür zu schaffen,
dass die Modelle, die von der Technik selbst und durch die Gestaltung des
Interfaces gebildet werden, mit der mentalen Modellbildung des Nutzers in
einer Art korrelieren, die eine zweckbestimmte Nutzung des Artefakts erlaubt.
„In the ideal world, the system image will be consistent with the
designer’s conceptualization, and the user’s mental model will
thereby be consistent with both.“ (Norman 1983, 14)
Die Kohärenz der verschiedenen „images“ reduziert somit Irritationen bei
der Nutzung des Artefakts und gewährleistet auf eben diese Weise die Anschlussfähigkeit von Technik und ihrer Nutzung.
Jedoch muss der Designbegriff weiter differenziert werden, um der Tatsache
Rechnung zu tragen, dass es sich bei einer Internetanwendung wie myStudy
nicht nur um ein technisches Artefakt im eigentlichen Sinne, sondern um
eine Schnittstelle handelt, welche Informationen bereitstellt und vor allem
Kommunikationen ermöglicht. Insofern schafft das Interface nicht nur die
Anschlussfähigkeit der Anwendung an die Technik, sondern auch die von
Anwendern untereinander. Daher meint Interfacedesign im Gegensatz zum
klassischen Verständnis des Produktdesigns nicht nur die audiovisuelle, haptische oder olfaktorische Gestaltung, sondern vor allem auch die Gliederung
des Informations- und Kommunikationsraumes, der durch das Artefakt zugänglich gemacht wird. Aus diesem Grunde erscheint zunächst die Unterscheidung von audiovisuellem Design50 und Informationsdesign sinnvoll.
Differenzierung
des Designbegriffs
4.2 Visualität und Information
Der Bereich des audiovisuellen Designs, der theoretisch bisher nur schwer
zu erfassen ist und aus diesem Grund die Rechtfertigungsnot der Designtheorie evoziert, wird von Bonsiepe auch als visuell-verbale Rhetorik bezeichnet (vgl. Bonsiepe 1996, 85ff). Definitionsgemäß wird unter Rhetorik
die effiziente Verwendung sprachlicher Mittel verstanden, „um bei anderen
Menschen Einstellungen zu bilden und ihre Handlungen zu beeinflussen.“
(Bonsiepe 1996, 88) Das audiovisuelle Design verfolgt ein ähnliches Ziel
und ist mit ähnlichen Problemen der Überforderung und Ablenkung des Rezipienten verbunden. Der Begriff der Rhetorik wird darüberhinaus auch als
50
visuelle Rhetorik
Die Gestaltung von olfaktorischen und haptischen Sinneswahrnehmungen
spielt zwar momentan eine geringe aber im Laufe weiterer technischer Entwicklungen sicher wachsende Rolle und ist daher immer mitgemeint.
51
Form und Interfacedesign
die Kunst der sprachlichen Verschönerung verstanden und impliziert, dass
der Mensch Freude habe an der Wahrnehmung von und am Umgang mit
schönen Dingen. Jedoch gerät man mit der Frage nach dem Schönen in die
Nähe des klassischen Diskurses um die philosophische Ästhetik, der hier
nicht thematisiert werden soll und kann.
Dieses Problem umgeht man, wenn man sich der Gestaltung des Artefakts
aus der Perspektive des Nutzers und seinem Nutzungsinteresse nähert:
„It is the focus on the user and her/his concerns from an integrative perspective that characterizes the design approach.“
(Bonsiepe 2000, 4 [online])
Usability
Allerdings ist der Usability-Gedanke, der sich hieraus ergibt, stark besetzt
von konservativen und sogar „designfeindlichen“ (Bonsiepe 2000, 6 [online]) Vertretern wie Jakob Nielsen, der beispielsweise in der New York
Times auch als „guru of Web page usability“ (Richtel 1998 [online]) bezeichnet wurde. Nielsen, der sich selbst nicht als Designer, sondern als Usability-Ingenieur sieht (vgl. Nielsen 2000, 11), bezieht sich in seinen Studien
zur Benutzerfreundlichkeit von Software und Internetanwendungen fast ausschließlich auf messbare Daten. Er zählt beispielsweise die Maus-Klicks und
misst die Zeit, die ein User zur Bearbeitung einer spezifischen Aufgabe benötigt. Daher sind für Nielsen ausführliche Tests und die intensive Beobachtung des Nutzerverhaltens beim Umgang mit einer Software die wichtigsten
Methoden zur Informationsgewinnung. Zwar kommt er auf diese Weise
durchaus zu repräsentativen und operationalisierbaren Ergebnissen, doch
muss sich ein solcher Ansatz von Benutzerfreundlichkeit den Vorwurf des
aktiven Reaktionismus gefallen lassen, denn er kann nicht erklären, wie es
im Designprozess zu Kreativität und Innovationen kommen kann (vgl. Bonsiepe 2000, 5 [online]).
Zudem sind Geschwindigkeit und Effizienz bei der Suche nach Informationen oder der Ausführung bestimmter Operationen mit Hilfe einer Softwareanwendung sicher nicht als absolutes Ziel des Interfacedesigns zu sehen. Die
Aufgabe von Design ist in zahlreichen Fällen viel eher, eine wirkungsvolle
Kommunikation zwischen Anwendern zu ermöglichen, wie es sich auch am
Beispiel von myStudy zeigt. Bonsiepe fordert daher eine Neudefinition des
Usability-Konzeptes, die den Design-Aspekt stärker berücksichtigt.
Aspekte des
visuellen Designs
52
Diese Sichtweise auf das visuelle Design eines Interfaces hat eine Vielzahl
von Berührungspunkten mit sehr verschiedenen Disziplinen. Sie muss neben
den technischen Rahmenbedingungen, die das Medium - im Falle von
myStudy das Internet51 - liefert, auch formale Kriterien beachten, die beispielsweise aus den Erkenntnissen der Farbtheorie, der Gestaltpsychologie
und der Typographie erwachsen. Diese Grundlagen des visuellen Interfacedesigns im Einzelnen auszuführen, ist nicht das Ziel dieser Arbeit. Vielmehr
Visualität und Information
soll hier die Verortung des visuellen Paradigmas im Rahmen des Interfacedesigns verdeutlicht werden.
Das Informationsdesign stellt das zweite wichtige Gebiet des Interfacedesigns dar. Dieses von Fragen der audiovisuellen Gestaltung losgelöst zu betrachten, würde jedoch eine verkürzte Sichtweise bedeuten. Um zu verstehen, welche Rolle Design bei der Darstellung und Vermittlung von Wissen
spielen kann, sind gewisse Kenntnisse von dem Prozess nötig, in dem sich
Wissen aus Informationen und Informationen aus Daten generieren. Selbstverständlich spielen hierfür die konstruktivistischen Annahmen zu dem Problem des Lernens und deren Herleitungen (vgl. Abschnitt 2.3) ebenfalls ein
zentrale Rolle.
Informationsdesign
Der Technikanthropolge David Hakken hat ein Modell vorgeschlagen, welches die Entstehung von Informationen und Wissen als eine Verkettung von
aufeinander aufbauenden Schritten beschreibt, und zwar:
„from ‘mere data’ to ‘processed data’ (information) to ‘verified
information’ (knowledge) to, perhaps, ‘existentially validated
information’ (wisdom?).“ (Hakken 1999, 21)52
Die rohen Daten haben zunächst keinen Informationsgehalt. Sie stellen ein
formloses Rauschen dar und bilden den Zustand der ununterschiedenen
Symmetrie (vgl. Abschnitt 2.1). Erst die Verarbeitung dieser Daten durch ein
beobachtendes System, das Unterscheidungen trifft und hiermit Ordnung in
das symmetrische Rauschen bringt, schafft Informationen (In-Formationen!). Werden diese wiederum in einen Kontext gestellt, interpretiert und
auf diese Weise mit einer Bedeutung gefüllt, so entsteht Wissen.53 Die Entstehung von Wissen ist somit auf Kommunikation angewiesen, in deren Verlauf die Form und Struktur der Repräsentation von zentraler Bedeutung ist:
„Knowledge as accumulated experience needs to be communicated and shared beetween individuals. The process of communicating and sharing knowledge is linked to the presentation of
knowledge - and the presentation of knowledge is - or could
become - a central issue of design.“ (Bonsiepe 2000, 2f
[online])
51
52
53
Gemeint sind hier vor allem jene Gesichtspunkte, die Nielsen mit dem Paradigma des „usability-engineering“ (Nielsen 1994) anspricht, also zum Beispiel
Ladezeiten und Datenübertragungsrate, Ausnutzung der Bildschirmfläche, nutzerseitige Hardwarekonfiguration etc.
Das Vorstellung von Hakken basiert auf der sogenannten Wissenspyramide von
Aamodt und Nygard (vgl. Aamodt/Nygard 1995, 191ff). Diese Pyramide stellt
ein Schichtmodell mit den folgenden Ebenen dar: Zeichen/Ziffern, Worte/
Werte, Daten, Information, Wissen.
Die Frage nach der Entstehung von Weisheit bleibt als philosophisches Problem hier unberührt.
53
Form und Interfacedesign
Funktion des Informationsdesigns
Unterscheidungstheoretisch ist in einem solchen Modell die Funktion, die
das Informationsdesign in dem Prozess der Entstehung und Kommunikation
von Wissen trägt, klar zu definieren: Es trifft jene Unterscheidungen, die für
die Gewinnung von Informationen aus Daten sorgen, und schafft die Struktur, in der die rohen Daten als Informationen einer Interpretation durch den
Beobachter zugänglich gemacht werden. Die Stringenz und die Konsequenz
dieser Ordnung, vor allem aber ihre Nachvollziehbarkeit treffen daher eine
Vorentscheidung über die Interpretierbarkeit der dargestellten Inhalte.
Schließlich muss ein Nutzer zunächst die Bedienung des Interfaces, seine
Strukturmerkmale sowie die Handlungsoptionen innerhalb dieser Struktur
erfasst haben, um kontextuelle Beobachtungen vornehmen zu können. Das
Interface und seine Struktur bieten also gerade jenen Kontext, der bereits als
grundlegend für den Lernprozess beschrieben wurde.
zweistufiger Lernprozess am
Interface
Dieser muss folglich auf zwei Ebenen ablaufen: erstens bezogen auf die Interaktion an der Schnittstelle und zweitens bezogen auf die angebotenen Inhalte der Kommunikation. Obwohl beide Aspekte logisch gesehen einer
Hierarchie unterworfen sind, werden sie durch den Anwender parallel zueinander und nicht etwa zeitlich versetzt verarbeitet. Somit muss die Energie,
die auf die Aneignung des Interfaces verwendet wird, in einem Verhältnis zu
dem stehen, was durch seine Nutzung gewonnen werden soll. Dies charakterisiert die paradoxe Stellung des Interfaces im Wahrnehmungs- und Lernprozess: Als Werkzeug soll es einerseits möglichst unsichtbar sein, leicht zu erlernen und intuitiv zu bedienen, um den Zugriff auf die gewünschten Operationen so einfach wie möglich zu machen. Als Strukturmerkmal soll es
andererseits im Vordergrund stehen und eine logische und visuelle Kohärenz
schaffen, die über allem steht.
Ziele des Nutzers
Im Umkehrschluss zu diesen Überlegungen muss das Informationsdesign einer Benutzerschnittstelle daher auf das Erkenntnis- oder Handlungsziel des
Anwenders abgestimmt sein. Nielsen stellt dementsprechend auf die ihm eigene dogmatische Weise fest:
„The most important thing is to discover the three main reasons
users come to your site and make these things extremely fast
and obvious to do.“54
Aussagen wie diese von Nielsen sind zwar gut zu operationalisieren, allerdings begreifen sie den Nutzer offentlichtlich als eine Triviale Maschine, deren Verhaltensweisen und Absichten zu „entdecken“, in der Folge klar zu
definieren und schließlich vorherzusagen sind. Die Berücksichtigung der
Annahme, dass Nutzer aus individuell konstruierten Kontexten heraus
ebenso individuelle Ziele verfolgen, lässt solche Konzepte jedoch
54
54
(vgl. http://www.webreference.com/new/nielsen.html, abgerufen am
24.04.2003)
Design als Verwendung von Zeichen
fragwürdig erscheinen. Insofern kann das Informationsdesign in vielen Fällen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein.55
4.3 Design als Verwendung von Zeichen
Der Vergleich von Design und Rhetorik (vgl. Bonsiepe 1997, 7 [online]) legt
bereits nahe, dass sich die Gestaltung eines Interfaces wie die wörtliche
Rede im Medium der Sprache, oder besser im Medium der Zeichen verortet.
Zum einen nutzt das Interface einer Kommunikationsplattform Sprache als
Medium der Kommunikation. Zum anderen kommt es zur Verwendung von
graphischen Symbolen und Icons sowie zum Einsatz von Metaphern, welche
die Navigation und Orientierung im Informationsraum erleichtern sollen.
Selbst die Auswahl von Farben, Formen und Schrifttypen etc. kann zeichentheoretisch gedeutet werden, denn sie erfolgt, genauso wie die Anwendung
des Interfaces, in einem Kontext, der jeder Designentscheidung eine Bedeutung verleiht. Der Dualismus von Informationsdesign und visuellem Design
löst sich auf diese Weise auf. Die Perspektive, die hiermit eingenommen
wird, leitet den Blick in das Feld der Semiotik und kann das Verständnis für
die Prozesse, die sich am Interface ereignen, vertiefen. Der Theoretiker Mihai Nadin, der sich vor allem mit dem Verhältnis von Semiotik und Interfacedesign beschäftigt hat, stellt dementsprechend fest:
„Design principles are semiotic by nature. To design means to
structure systems of signs in such a way as to make possible the
achievement of human goals.“ (Nadin 1988, 269)
Um Zeichentheorie gewinnbringend auf das Problem der Gestaltung von Benutzerschnittstellen anzuwenden, müssen also die Strukturen der semiotischen Mechanismen erkannt werden, um diese bei der Verwendung von Zeichen im Gestaltungsprozess zu unterstützen.
Der Semiotiker Charles Sanders Peirce hat ein Modell vorgeschlagen, welches das Zeichen als etwas beschreibt, „das für jemanden in einer gewissen
Hinsicht oder Fähigkeit für etwas steht“ (Peirce 1983, 36). Es verschränken
sich damit drei Entitäten, welche die Einheit des Zeichens bilden: das sinnlich erfahrbare Repräsentamen (R; oder mit Saussure: der Signifikant), das
Objekt der Bezeichnung (O; mit Saussure: das Signifikat) und der Interpretant (I), für den das Zeichen eine spezifische Bedeutung erlangt. Dabei ist
der Interpretant sowohl als interpretierendes Zeichen aber auch als
55
das triadische
Zeichen
Um dennoch zu einer praktischen Anwendung zu gelangen, lässt sich die
Gesamtheit der Nutzer nach Gruppen differenzieren, in denen zumindest ähnliche Zielsetzungen angenommen werden können. In solchen Fällen bietet sich
die Gestaltung von unterschiedlichen Schnittstellen an, die auf das angenommene Nutzungsinteresse der verschiedenen Gruppe hin optimiert sind. myStudy
demonstriert mit verschiedenen Schnittstellen für Studierende und Lehrende
ein Beispiel einer solchen Strategie.
55
Form und Interfacedesign
Bewusstsein vorstellbar. Im letzteren Fall ist der Zeichencharakter also davon abhängig, dass die Unterscheidung des Zeichens als Zeichen durch einen Beobachters erfolgt. Und schließlich wird so gesehen alles zum Zeichen,
wenn es als solches interpretiert wird. Das Objekt der Bezeichnung ist also
nach diesem Modell nicht in jeder Hinsicht dasselbe, sondern es gewinnt
seine Bedeutung in der Verwendung mit anderen Zeichen und insbesondere
in der Wechselwirkung mit dem Interpretanten, seinem kulturellen Hintergrund und den Konventionen seiner Gesellschaft.
Dimensionen der
Semiose
In Anlehnung an Peirce hat Charles William Morris die Einteilung der Semiotik in die Gebiete Syntaktik, Semantik und Pragmatik entwickelt, die bis
heute für die Linguistik fundamental ist.56 Die Syntaktik betrifft jene
Aspekte, die für die Beziehung zwischen den Zeichen relevant sind, die Semantik befasst sich mit der Korrelation zwischen Repräsentamen und Objekt
und die Pragmatik zielt schließlich auf das Verhältnis des Zeichens zu seinem Benutzer. So ist nach Morris ein Zeichensystem durch die Angabe seiner syntaktischen, semantischen und pragmatischen Regeln vollständig bestimmt.
Abbildung 4: Dimensionen der Semiose nach Morris (vgl. Nadin 1988, 271)
Dimensionen der
Farbgestaltung
Mit dieser Systematisierung ist auch eine klarere Verortung der verschiedenen Aspekte des Interfacedesigns möglich. Das Beispiel der farblichen Gestaltung einer Webseite kann dies verdeutlichen: Man hat es mit einem syntaktischen Problem zu tun, wenn es um Fragen der Farbharmonie geht, also
um die Kombination von Farben, deren Verhältnis zueinander oder die Verwendung von Farbschemata. Dagegen ist etwa die farbliche Kodierung von
inhaltlichen Bereichen des Informationsangebots und deren konsistente Umsetzung ein semantisches Problem. Auch die farblich konsistente Kennzeichnung einzelner Elemente mit gemeinsamen strukturellen und funktionalen
Eigenschaften betrifft das Gebiet der Semantik. So werden zumeist
56
56
Zwar verwendet Morris hierzu ein eigenes Zeichenmodell, das jedoch in den
wesentlichen Zügen mit dem von Pierce übereinstimmt.
Design als Verwendung von Zeichen
Hyperlinks in einer einheitlichen Farbe dargestellt. Die Berücksichtigung
von benutzerspezifischen Eigenheiten und deren Folgen für die Zuschreibung von Bedeutungen zu Farbwahrnehmungen stellt den pragmatischen
Aspekt dar. Gerade Farben werden häufig mit Assoziationen verbunden, die
von einem schwer zu bestimmenden Gewirr aus Konventionen und Erfahrungen geprägt und daher stark subjektiver Natur sind. Die Farbe Rot steht
beispielsweise für die Liebe ebenso wie für den Sozialismus, den Teufel oder
das Blut.57
Es zeigt sich hier, wie stark der pragmatische Aspekt in den Bereich der Semantik hinein wirkt, und wie wichtig daher seine Berücksichtigung in einer
Theorie der Zeichen ist, so problematisch er auch sein mag. Ebenso wäre zu
argumentieren, dass die Regeln der Syntaktik mit jenen der Semantik und
Pragmatik wechselwirken. Morris betont daher, dass eine isolierte Betrachtung der einzelnen Dimensionen der Semiose fehlschlägt.
Emergenz
„Jedes beliebige Zeichen darf aus jeder der drei Perspektiven
untersucht werden, obwohl keine der Natur des Zeichenprozesses vollständig gerecht wird.“ (Morris 1972, 81)
Erst aus den Wechselbeziehungen zwischen den Disziplinen ergibt sich als
Emergenz die Möglichkeit, den „ganzheitlichen Charakter des Zeichenprozesses“ (Morris 1972, 80) zu beschreiben.
Aus dem Objektbezug des Zeichens entwickelt Peirce eine Zeichenklassifikation, die drei verschiedene Zeichenarten unterscheidet: Indices, Symbole
und Ikone. Indices werden dabei als hinweisende Zeichen definiert, die in einem direkten kausalen, logischen oder physischen Verhältnis zu dem Objekt
der Repräsentation stehen (vgl. Lenke u.a. 1995, 45). So stellt eine Rauchsäule beispielsweise ein Zeichen dar, das unmittelbar auf Feuer hinweist. Die
Repräsentation, die durch ein solches Zeichen vorgenommen wird, beruht
weder auf Konventionen noch auf einer Ähnlichkeit zwischen Repräsentamen und Objekt, sondern auf einem direkten kausalen Verweis, der einem
Interpretanten jedoch geläufig sein muss, damit von einem Zeichen die Rede
sein kann. Wer also nicht weiss, was Feuer ist und dass Feuer Rauch produziert, kann eine Rauchsäule nicht als Zeichen interpretieren. Trotzdem spielt
der Interpretant für die Konstitution des Index eine eher passive Rolle, denn
er ist eher als reagierende, weniger als interpretierende oder reflektierende
Instanz am Zeichenprozess beteiligt (vgl. Nöth 2000, 185).
Zeichenklassifikationen
Die Repräsentation durch ein Symbol beruht dagegen auf der reinen Gewohnheit des Zeichenverwenders oder der gesetzmäßigen Konvention. Die
57
Gerade bei einem Medium wie dem Internet, das aufgrund seiner technischen
Verbreitung Menschen aus sehr verschiedenen Kulturkreisen anspricht, ist dieser Punkt problematisch.
57
Form und Interfacedesign
näturliche Sprache besteht aus einer Vielzahl von Symbolen, deren Kenntnis
die Vorraussetzung für ein gegenseitiges Verstehen ist. Da das Verhältnis
zwischen Repräsentamen und Objekt nur durch Definition, Regel oder Konvention bestimmt ist, sind Symbole arbiträr, also nicht durch die Beschaffenheit des Objekts der Repräsentation beeinflusst, sondern (willkürlich) festgelegt (vgl. Nöth 2000, 179f).
Die dritte Klasse von Zeichen, das Ikon, konstituiert sich aus einem Ähnlichkeitsbezug von Repräsentamen und Objekt. Diese Ähnlichkeit kann durch
sinnliche Wahrnehmung erfahren werden - wie bei Bildern durch Merkmale
von Form und Farbe - aber auch abstrakter und ideeler Natur sein, wie etwa
bei Metaphern (vgl. Lenke u.a. 1995, 46). Peirce sieht aus diesem Grunde
die Ähnlichkeit zwischen Objekt und Repräsentamen eher als sekundäres
Kriterium. Von entscheidender Bedeutung ist dagegen, dass ein Ikon sich
kraft der eigenen Merkmale auf ein Objekt bezieht (vgl. Nöth 2000, 193).
Abbildung 5 visualisiert die Beziehungen zwischen Repräsentamen (R), Objekt (O) und Interpretant (I) für die verschiedenen Zeichenklassen:
Abbildung 5: Zeichenklassifikation nach Peirce (vgl. Nadin 1988, 271)
Die Differenzierung der Zeichenklassifikation Ikon/Index/Symbol steht gewissermaßen senkrecht auf der Unterscheidung der Morris’schen Dimensionen der Zeichenprozesse Syntaktik/Semantik/Pragmatik. Die Klassifikation
von Peirce systematisiert das Zusammenwirken der verschiedenen Zeichenprozesse an den drei vorgeschlagenen Zeichentypen und macht diese dadurch einer genaueren Betrachtung zugänglich.
Mit reinen Formen einer einzigen Klasse von Zeichen hat man es nur äußerst
selten zu tun. Vielmehr überschneiden sich in vielen Fällen verschiedene Repräsentationsarten in einem einzigen Zeichen. Man kann dies an dem einfachen Beispiel des Hyperlinks auf einer Webseite nachvollziehen. Man
nehme an, der Link habe die folgende Erscheinung
58
Design als Verwendung von Zeichen
Abbildung 6: Darstellung eines Hyperlinks mit Mauszeiger (Screenshot)
Zunächst handelt es sich bei einem Hyperlink selbst um einen Index, denn er
verweist physisch auf ein bestimmtes Dokument. Der Objektbezug, also das
Ziel des Hyperlinks, wird allerdings erst durch die Verwendung des Begriffs
Home angezeigt, der selbst wiederum als Metapher für die Startseite einer
Webpräsenz einen ikonischen Charakter hat.
Die oben dargestellte Art der Gestaltung (blaue Farbe, Unterstreichung) hat
sich in der Internetgemeinde als Konvention durchgesetzt, um die Vorhandenheit des Verweises auf eine weitere Datei anzuzeigen58. Dieser Objektbezug wird also auf symbolische Weise hergestellt.
Darüberhinaus deutet auch die Veränderung des Mauszeigers, der sich bei
der ’Berührung’ des Wortes als Hand darstellt, auf den Hyperlink hin. Mit
dem Mauszeiger liegt damit ein Zeichen vor, welches auf allen drei Ebenen
der Peirceschen Klassifikation wirkt: die Hand als Ikon, das physisch auf
den Link zeigt (Index) und darüberhinaus als konventionalisiertes Symbol
für einen Hyperlink erlernt wurde 59.
Wie dieses Beispiel zeigt, bietet sich durch diese Klassifikation eine Systematik, deren Beachtung einem zweckdienlichen Zeichengebrauch Vorschub
leisten kann. Welche konkreten Schlüsse sind also aus einer zeichentheoretischen Interpretation für das Interfacedesign abzuleiten?
58
59
Folgerungen
Bonsiepe beschreibt die Aufgabe von Design in Anlehnung an Heideggers Terminologie von Vorhandenheit und Zuhandenheit daher wie folgt: „Design is
the domain of transforming present-at-hand into ready-to-hand.“ (Bonsiepe
2000, 2 [online]) Die Vorhandenheit des Verweises wird durch seine Gestaltung
in Zuhandenheit überführt.
Bei Heidegger heißt es: „Im Umgang mit der besorgten Welt kann Unzuhandenes begegnen nicht nur im Sinne des Unverwendbaren oder des schlechthin
Fehlenden, sondern als Unzuhandenes, das gerade nicht fehlt und nicht unverwendbar ist, das aber dem Besorgen ’im Wege liegt’.“ (Heidegger 1993, 99)
Die Zuhandenheit tritt vor allem dann zutage, wenn das Hantieren mit einem
Ding behindert wird. Es tritt dann negativ, aber explizit in Erscheinung und
gerät dadurch zum Vorhandenen (vgl. Heidegger 1993, 98ff). Mit Heidegger ist
damit die Forderung nach der Unsichtbarkeit des Interfaces (vgl. Abschnitt 4.2)
zu unterstützen.
Sämtliche Browser verwenden die Hand als Symbol für einen darhinterliegenden Hyperlink. Insofern kann von einer Konvention die Rede sein.
59
Form und Interfacedesign
Die Konsistenz der Zeichenverwendung ist zunächst die wichtigste Erkenntnis, die aus diesen Betrachtungen zu gewinnen ist: „What should be pointed
out is that the design of interface is a matter of semiotic consistency.“ (Nadin 1988, 280) In Anlehnung daran wird ersichtlich, dass eine Neudefinition
von symbolischen Zeichen, deren Objektbezug durch gesellschaftliche oder
habitualisierte Konventionen bereits erlernt wurde, einer schnellen Erlernbarkeit einer Benutzerschnittstelle nicht zuträglich ist. Abweichungen von
solchen Konventionen müssen im Einzelfall sorgfältig abgewägt und dann
konsistent umgesetzt werden60.
Konsistenz der Zeichenverwendung meint allerdings nicht nur die einheitliche Gestaltung von Zeichen an verschiedenen Stellen oder in verschiedenen
Zusammenhängen, sondern auch und vor allem die Kohärenz der Objektbezüge auf den unterschiedlichen Repräsentationsebenen. Design muss also
sowohl in ikonischer wie auch in symbolischer und indexikalischer Hinsicht
Sensibilität zeigen und sich dabei der verschiedenen Dimensionen der Zeichenprozesse gewahr sein. Diese Einsicht kann nun zu einer Vielfalt von
praktischen Anweisungen für konkrete Designentscheidungen umgesetzt
werden, die hier allerdings nur angedeutet werden kann.
Umsetzung
Nadin empfiehlt beispielsweise, bei der Auswahl und Gestaltung von mehreren Zeichen, deren semantischer Bezug sich auf eine ähnliche Klasse von
Objekten richtet, die Mischung von verschiedenen Repräsentationsebenen
zu vermeiden (vgl. Nadin 1988, 284f). Unter Beachtung dieses Hinweises
sollten etwa die verwendeten Zeichen einer Navigations- oder Menüleiste
alle dem selben Zeichentyp angehören. Denn die Mischung von Zeichenklassen führt sowohl in visueller wie auch semantischer Hinsicht zu Verwirrungen.
Dagegen können allerdings Ergänzungen durch die Einbeziehung weiterer
Repräsentationsebenen den Objektbezug eines Navigationselementes verdeutlichen. Nichts anderes wird in der Auszeichnungssprache HTML durch
den title-Parameter des Anchor-Tags erreicht, mit dem Links auf Internetseiten erstellt werden, z.B.:
<a href=“index.html“ title=“zur Startseite“>Home</a>
Gängige Browser zeigen in diesem Beispiel bei der ’Berührung’ des Links
„Home“ ein Fähnchen, auf dem die Worte „zur Startseite“ stehen. Diese
Worte stellen gemäß der Peirce’schen Klassifikation eine normalsprachliche
also symbolische Ergänzung der inkonischen Metapher „Home“ dar.
60
60
Eine Visualisierung von Hyperlinks durch eine kursive Typographie statt durch
Unterstreichung ist also beispielsweise mit einer erheblichen Verletzung der
Konvention verbunden.
Design als Verwendung von Zeichen
Aus der konsequenten Verortung von Designentscheidungen in der Semiotik
können also, wie es hier an der Peirce’schen Zeichentheorie gezeigt wurde,
durchaus praxisorientierte Anhaltpunkte für die Gestaltung von Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine gewonnen werden.
Die Nutzung von Technik lässt sich, wie im dritten Kapitel dieser Untersuchung dargestellt worden ist, als Anschlussoperation deuten. Die Prozesse,
die sich hierbei zwischen Anwender und Artefakt ereignen, sind nun genauer
untersucht worden, und es hat sich gezeigt, dass sie sich am Interface des Artefakts abspielen. Ferner wurde deutlich, dass es sich dabei um Zeichenprozesse handelt, die sich, wenn man das Zeichenmodell von Peirce zugrunde
legt, nach verschiedenen Klassen differenzieren lassen. Für die Betrachtung
des Interfaces von myStudy steht nun eine Grundlage zur Verfügung, die ein
angemessenes Vokabular sowie Argumentationsstrukturen bietet, um Designentscheidungen, die bei der Interfacegestaltung getroffen worden sind,
kritisch zu hinterfragen.
Hiermit sind nun drei der wichtigsten Grundfragen, die bei der Konzeption
und Umsetzung von myStudy in das Blickfeld geraten, thematisiert worden.
(1) Zunächst musste die Entscheidung für eine Plattform erläutert werden,
die in Zeiten von e-learning und blended learning bewusst auf die organisatorische Unterstützung der universitären Präsenzlehre setzt. Damit verbunden ist, wie deutlich gemacht wurde, ein Selbstverständnis der Universität,
das nicht auf Wissen als Ware sondern als dynamisches Ergebnis von kommunikativen Prozessen setzt. (2) Bevor im Anschluss an diese programmatische Entscheidung an eine konkrete Umsetzung zu denken ist, muss eine Reflexion der zu verwendenden Techniken erfolgen. Um Anschlussmöglichkeiten innerhalb und außerhalb eines solchen Projektes zu gewährleisten und
um den sicheren Betrieb, die problemlose Betreuung und eine Offenheit für
weitere Entwicklungen zu ermöglichen, müssen Techniken ausgewählt werden, die diese Ziele optimal unterstützen. Die vorgeschlagene Betrachtung
hat den Fokus auf Open Source-Technologien gesetzt, welche im Rahmen
von myStudy schwerpunktmäßig eingesetzt wurden. (3) Für das Gelingen eines solchen Projektes, also für die wirkungsvolle Unterstützung der Präsenzlehre spielt weiterhin - wie die Ausführungen dieses Kapitels gezeigt haben die Gestaltung des Interfaces eine entscheidende Rolle. Denn letztlich erfolgt der Anschluss der Nutzung an die technische Form von myStudy über
das Interface, welches seinen Nutzern zur Verfügung gestellt wird.
Anhand einer genaueren Betrachtung von myStudy, seiner Interfacegestaltung sowie seiner technischen Form, soll nun der Bezug zwischen theoretischen Überlegungen und praktischer Umsetzung deutlich werden.
61
Zur Umsetzung von myStudy
5. Zur Umsetzung von myStudy
Wie bereits erwähnt wurde, ist das myStudy-Projekt einem ständigen Wandel
unterworfen, denn an der Entwicklung neuer Funktionen, der Pflege der Inhalte und der Verbesserung des Interfaces wird innerhalb einer Projektgruppe stets weitergearbeitet. Insofern muss sich eine Beschreibung des IstZustandes von myStudy der schnellen Vergänglichkeit ihrer Feststellungen
bewusst sein. Wo nicht anders angegeben, beziehen sich die Darstellungen,
Beschreibungen und Screenshots auf die im Sommersemester 2003 aktuelle
Version 4.1, die unter der URL http://mystudy.uni-lueneburg.de im Netz zu
finden ist. Dagegen sind die Erkenntnisse, die sich aus den theoretischen
Überlegungen und ihrem Übertrag auf die praktische Umsetzung von myStudy ergeben, durchaus von Dauer und jederzeit aktualisierbar.
5.1 Verortung von myStudy im universitären Kontext
myStudy wird seit dem Wintersemester 2001/2002 von einer freien Projektgruppe innerhalb der Abteilung für „Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken .dok“ des Rechenzentrums der Universität Lüneburg betreut und weiterentwickelt. Das Projekt ist nicht in den Verwaltungsstrukturen der Universität verankert, sondern entspringt einem Bereich, der eine
Schnittstelle zwischen universitärer Lehre und universitätsinterner Servicedienstleistung darstellt. myStudy ist daher als ein Angebot zu verstehen, dessen Nutzung weder für Lehrende noch für Studierende verpflichtend ist. Infolgedessen wird nicht das gesamte Lehrangebot mit organisatorischer Unterstützung von myStudy durchgeführt.
Nutzung von
myStudy
Zur Zeit sind für etwa 35% der Lehrveranstaltungen an der Universität Lüneburg Dozentenzugänge vergeben.61 Auf Seiten der Studierenden ist die
Nutzung von myStudy intensiver. Etwa die Hälfte der Studierenden der Universität Lüneburg nutzen myStudy.62 Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die
Bereitschaft der Studierenden, sich Informationen über myStudy zu beschaffen, größer ist als die Bereitschaft der Dozentinnen und Dozenten, dort Informationen bereitzustellen.63 Obwohl myStudy also den Lehrbetrieb der
Universität nicht vollständig abdeckt, können diese Zahlen als Erfolg gewertet werden, vor allem da im Verlauf der vier Semester, in denen myStudy betrieben wird, die Nutzungszahlen stetig zugenommen haben und damit eine
steigende Akzeptanz unter Studierenden wie Lehrenden belegen.
61
62
62
Diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrunde
liegen, hervor. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass nicht alle dieser
Zugänge regelmäßig genutzt werden (Stand vom 20.05.2003).
Auch diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy
zugrunde liegen, hervor (Stand vom 20.05.2003).
Der Stundenplan als Interface
Die Tatsache, dass die Nutzung von Studierenden wie Lehrenden freiwillig
erfolgt, hat Folgen für die Qualität von myStudy. Denn auf diese Weise kann
die Nutzung von myStudy auf ein benutzerfreundliches und konsistentes Interface, auf sinnvolle Funktionen und auf einen sicheren, stabilen Betrieb zurückgeführt werden, statt auf eine Dienstanweisung. Die Intensität der Nutzung stellt in diesem Sinne einen Gradmesser für die Qualität der Plattform
dar und für ihr Vermögen, die Präsenzlehre sinnvoll zu unterstützen. Des
Weiteren garantiert die Unabhängigkeit von Verwaltungsstrukturen die Freiheit, auf diesen Gradmesser in spontaner und angemessener Weise zu reagieren.
Diese Unabhängigkeit spiegelt sich auch auf der technischen Ebene wider.
myStudy wird nicht auf dem offiziellen Webserver der Universität Lüneburg
betrieben, sondern auf einem Server, dessen Administration direkt der Abteilung für „Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken .dok“ unterliegt. Die Datenbanken des Vorlesungsverzeichnisses, auf denen myStudy
basiert, sind ebenfalls abgekoppelt von den offiziellen Vorlesungsdatenbanken der Universität, die zwar als Exportquelle dienen aber ansonsten keine
Verbindung zu myStudy haben.
technische
Unabhängigkeit
Es lässt sich somit feststellen, dass die Unabhängigkeit von myStudy und die
daraus resultierende Entwicklungsfähigkeit des Projektes auf einer starken
Abgrenzung beruht - sowohl in technischer Hinsicht wie auch in Bezug auf
die universitären Strukturen, in denen myStudy betrieben und entwickelt
wird. Gerade diese Abgrenzung schafft in letzter Konsequenz ein Produkt,
welches wiederum in besonderem Maße anschlussfähig an die Prozesse der
universitären Präsenzlehre ist. Diese Feststellung befindet sich in Übereinstimmung mit den theoretischen Annahmen über Grenze und Anschlussfähigkeit, die in Abschnitt 2.2 entwickelt worden sind.
5.2 Der Stundenplan als Interface
Die Situation, von der die Entwicklung einer Plattform zur Unterstützung
der Präsenzlehre ausgeht, ist die Betrachtung der Prozesse, die im Zuge der
universitären Lehre ablaufen. Die beteiligten Akteure sind hierbei im wesentlichen Studierende und Lehrende, die allerdings keine homogenen Gruppen darstellen, weil sie in individuellen Kontexten mit verschiedensten
63
Die Gründe hierfür können im Rahmen dieser Arbeit nur vermutet werden. Zu
einem gewissen Teil lässt sich diese Differenz sicher aus der generationsspezifischen Intensität der Nutzung des Internets ableiten. Zum anderen liefern die
Zugriffsstatistiken des Webservers, auf dem myStudy betrieben wird, den Hinweis, dass myStudy vor allem zu Beginn des Semesters für die Erstellung des
Stundenplanes genutzt wird, während die Nutzung im Verlauf des Semesters
abnimmt. Der Wert von myStudy für die Erstellung des Stundenplanes ist aber
vermutlich für Studierende höher als für Lehrende.
63
Zur Umsetzung von myStudy
Motivationen an den universitären Strukturen teilhaben. Als Schnittmenge
der individuellen Ziele, die Teilnehmer an den Prozessen der Präsenzlehre
verfolgen, lässt sich jedoch die Absicht zu einem Austausch von Kommunikationen über ausgewählte Themen annehmen. Nur an dieser Stelle kann
also ein Konzept ansetzen, welches sich die Unterstützung der Präsenzlehre
zur Aufgabe macht.
Organisation von
Präsenzlehre
Die universitäre Präsenzlehre ist in einem Umfang organisiert, der große
Freiheiten der individuellen Gestaltung durch Studierende und Lehrende zulässt. Jedoch erfordert der Austausch von wissensbildener Kommunikation,
wie bereits gezeigt wurde, die Kopräsenz von Lehrenden und Studierenden.
In aller Regel trifft man sich also einer zeitlichen und räumlichen Koordination folgend, um von Angesicht zu Angesicht miteinander zu kommunizieren und auf diesem Wege - in Übereinstimmung mit den Begrifflichkeiten
konstruktivistischer Lerntheorien - Wissen zu erzeugen. Eine solche Koordination erfordert einen organisatorischen Aufwand, denn die Beteiligten müssen sich über die Festlegung von Ort und Zeit der Zusammenkunft verständigen. Zur Visualisierung dieser Koordination hat sich ein einfaches Mittel
etabliert: der Stundenplan. Ein Stundenplan überführt die zeitliche Struktur,
in der die universitäre Lehre stattfindet, in eine visuelle Struktur und dient so
als visuell zugängliches Speichermedium. Desgleichen bildet ein Stundenplan die sozialen und kommunikativen Strukturen ab, in denen sich Studierende wie Lehrende durch die Teilnahme an der Präsenzlehre wiederfinden.
Die Form der tabellarischen Darstellung ist von den Beteiligten über lange
Zeit hinweg (in aller Regel seit der Schulzeit) erprobt und erlernt worden
und ist daher einer intuitiven Nutzung zugänglich geworden. Die zentrale
Rolle des Stundenplanes für die Interfacegestaltung von myStudy kann hieraus abgeleitet werden.
Damit allein ist es jedoch nicht getan. Die Bereitstellung von weiteren Informationen, die Seminare oder Vorlesungen betreffen und die insbesondere
aus der Institutionalisierung der Lehre erwachsen, muss geregelt werden.
Gemeint sind beispielsweise die Einordnung von Lehrveranstaltungen in bestimmte Studiengänge, Fächer und Bereiche, die Gewichtung durch sogenannte Kreditpunkte, aber auch Informationen zu Leistungsnachweisen, Anmeldeverfahren und sonstigen organisatorischen Aspekten.
Die Versorgung der Beteiligten mit organisationsbezogenen Informationen
bietet also die Grundlage, auf der (insbesondere institutionalisierte) Präsenzlehre erst erfolgen kann. In der Vergangenheit wurden derartige Kommunikationen zwischen Lehrenden und Studierenden über eine Reihe von verschiedenen Kanälen vollzogen: persönlich unter Anwesenden, durch den
Aushang von Informationen an schwarzen Brettern, mit Hilfe eines offiziellen gedruckten Vorlesungsverzeichnisses und nicht zuletzt durch ’Mund-zuMund-Propaganda’ unter Studierenden.64
64
Darstellung von myStudy
Gerade in dieser Hinsicht können vernetzte Technologien sinnvoll zur organisatorischen Unterstützung eingesetzt werden. Sie erlauben eine räumlich
und zeitlich entgrenzte Kommunikation, die ermöglicht, dass organisationsbezogene Informationen jederzeit und allerorts - soweit eine Internetanbindung vorhanden ist - zugänglich sind und nicht in Phasen der Kopräsenz (oft
auf Kosten der eigentlichen Lehrinhalte) ausgetauscht werden müssen. Die
Präsenzlehre wird auf diese Weise von organisatorischen Aufgaben entlastet
und kann sich um so stärker ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Mit der
Bündelung von Informationskanälen auf der Basis von Internettechnologien
kann ein zentrales Studieninformationssystem geschaffen werden, welches
Studierenden einen einheitlichen und umfassenden Zugang zu den studienrelevanten Informationen ermöglicht und zudem stets auch von zuhause oder
anderenorts zugänglich ist.65
Unterstützung der
Lehre
Hierfür bietet sich der Stundenplan für die Gestaltung des Interfaces als Metapher an. Die Masse an Informationen, Kommunikationen und Handlungsmöglichkeiten, die sich in einem solchen System entfaltet, ist immens und
muss einem Anwender im Rahmen des Informationsdesigns strukturiert angeboten werden, um zugänglich und nutzbar zu sein (vgl. Abschnitt 4.2).
Dabei stellt der Stundenplan das zentrale Selektionskriterium dar, welches
für den einzelnen Anwender relevante Kommunikationen und Informationen
von nicht-relevanten trennt. Der Nutzer interessiert sich vor allem für jene
Ausschnitte des Angebots, welche diejenigen Lehrveranstaltungen betreffen,
die er in seinem eigenen Stundenplan verzeichnet hat.
Auf diese Weise strukturiert der Stundenplan für den einzelnen Nutzer relevante Informationen nach einem lange erlernten und daher intuitiv zugänglichen Prinzip. Die Gesamtheit der Stundenpläne, die sich Lehrende und Studierende individuell aus der Fülle von Lehrveranstaltungen generieren,
schafft darüberhinaus eine Struktur, welche für die organisationsbezogene
Kommunikation genutzt werden kann. Die Adressaten dieser Kommunikation selektieren sich also anhand dieser individuellen Stundenpläne.
5.3 Darstellung von myStudy
Jeder von momentan ca. 3800 individuellen Stundenplänen66, die von Studierenden und Lehrenden der Universität Lüneburg angelegt wurden, stellt
64
65
66
Auch weitere Formen der Kommunikation, die bereits vernetzte Technologien
verwenden, haben sich in einzelnen Fällen etabliert. Im Studiengang Umweltwissenschaften an der Universität Lüneburg existiert beispielsweise eine EMail-Liste, die regelmäßig zur Organisation von Präsenzlehre genutzt wird.
Besonders für auswärtige Studentinnen und Studenten kann so ein interessanter
Mehrwert geschaffen werden.
Diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrundeliegen, hervor (Stand vom 20.05.2003).
65
Zur Umsetzung von myStudy
innerhalb des auf diese Weise entstehenden Netzes von Kommunikationsbeziehungen einen Knotenpunkt dar, der die Möglichkeit bietet, mit anderen
Studierenden und Lehrenden in Kontakt zu treten oder sich mit organisatorisch relevanten Informationen zu versorgen.
Abbildung 7 zeigt die Ansicht eines individuellen Stundenplanes, in den drei
Lehrveranstaltungen aus dem Studiengang Kulturwissenschaften eingetragen wurden. Unmittelbar nach dem Login mit dem persönlichen Benutzernamen und dem richtigen Passwort bekommt der Nutzer also die folgende Ansicht:
Abbildung 7: Ansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot)
Globalnavigation
Die Navigationsleiste am oberen Bildrand bietet den Zugang zu verschiedenen Bereichen von myStudy, die sich nicht unmittelbar auf eine bestimmte
Lehrveranstaltung beziehen, sondern allgemeine Einstellungen und Angaben
betreffen. Die Einbindung dieser Menüleiste als sogenannte Globalnavigation, die auf sämtlichen Seiten in identischer Form platziert ist, ermöglicht
die schnelle und einfache Orientierung und Navigation.
Der Bereich, in dem sich ein Benutzer aktuell befindet, ist durch eine hellere
Farbgebung gekennzeichnet. Es handelt sich hierbei um ein einfaches und
anschauliches Beispiel für die vorangegangenen Ausführungen zum Interfacebegriff. Hat der Nutzer erst gelernt mit der Navigationsleiste umzugehen, so wird er die hellere Farbgebung als Symbol zu deuten wissen. Ihm
wird durch das sogenannte ’Highlighting’ der aktuellen Kategorie ein spezifischer Zustand des Systems vermittelt, jedoch begreift er diese Information
nicht als systemischen Zustand oder „system image“ (vgl. Norman 1983,
14), sondern vielmehr als eigene Positionsbestimmung und insofern als Bei-
66
Darstellung von myStudy
trag zum Aufbau eines mentalen Modells (vgl. Abschnitt 4.1). Das Interface
vollbringt auf diese Weise die Übersetzungsleistung zwischen interner und
externer Repräsentation und erlaubt so die Interaktion von Anwender und
Artefakt in Hinsicht auf die Verrichtung einer Aufgabe.
Mit Hilfe der Globalnavigation stehen die folgenden Bereiche zur Auswahl:
Menüpunkt
Inhalt / Ziel
führt den Nutzer jederzeit wieder zur Ansicht
des Stundenplanes zurück.
ermöglicht die Suche im Veranstaltungsverzeichnis der Universität Lüneburg
erlaubt das Ändern und Speichern von Benutzerdaten und personenspezifischen Angaben
enthält Hinweise zur Nutzung von myStudy
sowie Nutzungsbedingungen
bietet dem Nutzer eine DinA4-Druckversion
des Stundenplanes an
zum Verlassen von myStudy
Tabelle 3: Bereiche der Globalnavigation
Die Veranstaltungssuche erlaubt die detaillierte Recherche im Gesamtverzeichnis der Lehrveranstaltungen an der Universität Lüneburg. Die Suchabfrage kann innerhalb eines Studienganges oder eines einzelnen Faches erfolgen und dabei die freie Eingabe des Dozentennamens oder einer beliebigen
Anzahl von Suchbegriffen berücksichtigen.
Veranstaltungssuche
Abbildung 8 zeigt den Aufbau der Suchmaske mitsamt zweier Suchergebnisse. Wie der Screenshot zeigt, bleiben die Kriterien der Suchabfrage bei
der Anzeige der Ergebnisse sichtbar. Dies erlaubt dem Anwender die Kontrolle der Interaktion und vermittelt die Gewissheit, dass Suchkriterien und
Suchergebnis miteinander korrelieren. Darüber hinaus kann bei Unsicherheiten die Schreibweise von Begriffen oder Namen besser überprüft werden.
Wurde eine passende Lehrveranstaltung gefunden, so kann diese per Mausklick in den individuellen Stundenplan übertragen werden.
67
Zur Umsetzung von myStudy
Abbildung 8: Aufbau der Suchmaske in der Veranstaltungssuche und
Anzeige der Suchergebnisse (Screenshot)
Die Suche nach Veranstaltungen zu bestimmten Terminen im Zeitraster des
Stundenplanes ist ebenso möglich und durch einen Mausklick in das entsprechende Feld im Raster des Stundenplanes erreichbar.
Nutzerdaten
In dem Bereich Nutzerdaten können Anwender ihr Login-Passwort für die
Nutzung von myStudy ändern. Des Weiteren ist hier die Speicherung und
Änderung von personenbezogenen Daten möglich (Name, Studiengang, Matrikelnummer, E-Mail-Adresse), die beispielsweise für die verbindliche Anmeldung zu teilnehmerbegrenzten Lehrveranstaltungen oder für den Eintrag
in seminarbezogene E-Mail-Listen nötig sind. Die Angabe solcher Daten ist
für Studierende grundsätzlich freiwillig, und die Benutzung von myStudy ist
auch ohne diese Daten möglich. Lediglich einige Funktionen sind in diesem
Fall nicht nutzbar.
Für Dozenten bietet sich in den Nutzerdaten eine leicht variierte Ansicht,
welche statt der Angabe des Studiengangs und der Matrikelnummer die
Speicherung von Sprechstundenzeiten und der Hausrufnummer ermöglicht.
Hinweise
68
Unter dem Navigationspunkt Hinweise sind allgemeine Hilfestellungen und
Angaben zu myStudy zu finden. Dem Nutzer werden zunächst auf überschaubare Art die wichtigsten Funktionen in den verschiedenen Bereichen
von myStudy dargestellt. Darüberhinaus werden hier Nutzungsbedingungen
und Kontaktmöglichkeiten zum myStudy-Projektteam bekanntgegeben.
Darstellung von myStudy
Eine Druckansicht des myStudy-Stundenplanes ist aus verschiedenen Gründen erforderlich. Generell ist der Ausdruck von Internetseiten mit Hilfe des
Browsers erfahrungsgemäß oft mit Schwierigkeiten verbunden. Da die Gestaltung einer Webseite für die Ausgabe auf dem Bildschirm optimiert ist,
tritt beim Druck des Dokuments häufig eine problematische Farb- und Kontrastdarstellung auf. Nicht selten werden Text- oder Bildteile aufgrund der
begrenzten Papierfläche abgeschnitten. Darüberhinaus sind oft Objekte auf
der Webseite enthalten, die für den Ausdruck irrelevant sind (z.B. die Navigation).
Drucken
Die Druckversion des Stundenplanes wird daher dynamisch als sogenanntes
Portable Document Format (PDF) generiert. PDF ist ein offenes aber proprietäres Dateiformat des Softwareherstellers Adobe, welches Schriftarten,
Bilder, Grafiken und Layout eines Dokuments plattformunabhängig beibehält. Besonders für den Ausdruck von Dokumenten ist das PDF geeignet, da
sämtliche Formatierungen so auf ein spezielles Papierformat hin optimiert
werden können, ohne individuelle Einstellungen und Konfigurationen berücksichtigen zu müssen.
Abbildung 9: Druckansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot)
Das PDF des myStudy-Stundenplanes ist für den Ausdruck auf Din A4-Papier optimiert und für den Schwarz/Weiss-Druck kontraststark gestaltet. Es
wurde auf einen sparsamen Verbrauch von Druckerschwärze Wert gelegt.
Zur Ansicht einer PDF-Datei im Internet und deren Ausdruck benötigt der
Benutzer das Browser Plug-In Adobe Acrobat Reader. Dieses ist zwar kostenfrei im Internet zu beziehen und unkompliziert zu installieren, jedoch ist
der Einsatz von Plug-In-abhängigen Dateiformaten grundsätzlich kritisch zu
beurteilen. Für Anwender, die über das erforderliche Plug-In nicht verfügen,
stellt die Beschaffung desselben eine Hemmschwelle dar, die nur selten
überwunden wird. Die hohe Verbreitung des Acrobat Readers, insbesondere
im universitären und wissenschaftlichen Kontext, führt jedoch zu dem Ur-
69
Zur Umsetzung von myStudy
teil, dass die Verwendung von PDF als Format für die myStudy-Druckansicht
mehr Vor- als Nachteile birgt. Sogar Jakob Nielsen als erklärter Feind von
Plug-In-Technologien empfielt: „Use PDF for documents that users are likely to print“ (Nielsen 2001 [online]).
Logout
Über die Schaltfläche Logout verläßt der Benutzer myStudy. Zwar kann der
Nutzer myStudy auch durch die Eingabe einer neuen URL in die Adresszeile
des Browsers oder das Schließen des Fensters verlassen, jedoch bietet der
korrekte Logout über die Navigationsleiste sowohl unter Aspekten der Benutzerfreundlichkeit als auch in technischer Hinsicht Vorteile. Zum einen
vermittelt das Beenden einer Sitzung mit dem Logout das sichere Gefühl,
’die Tür hinter sich zu schließen’ und damit persönliche Daten, die in
myStudy gespeichert sind, vor fremdem Zugriff zu schützen. Tatsächlich
trifft dieser Gedanke auch in technischer Hinsicht zu. Denn zum anderen
wird durch den Logout serverseitig eine temporäre Datei gelöscht, in der erforderliche Variablen für die Dauer des Besuches von myStudy gespeichert
werden. Wiederum bringt das Interface somit das mentale Modell des Nutzers und das interne, technische Modell von myStudy zur Deckung.
Stundenplaneinträge
Die einzelnen Menüpunkte der Globalnavigation haben, wie sich zeigt,
keine direkte Funktion im Hinblick auf einzelne Lehrveranstaltungen. Diese
Funktionen sind nicht über die Globalnavigation zu erreichen, sondern unmittelbar über die Stundenplaneinträge. Insofern ist der Stundenplan nicht
nur ideelles Strukturmerkmal für die Kommunikationen der Präsenzlehre,
sondern bekommt durch die hypertextuelle Verknüpfung als Navigationsstruktur einen performativen Charakter. Die Konsistenz der StundenplanMetapher wird hierdurch weiter gestützt.
Abbildung 10: Stundenplanansicht mit Ausschnittvergrößerung einer
eingetragenen Lehrveranstaltung (Screenshot, eigene Darstellung)
70
Darstellung von myStudy
Abbildung 10 zeigt eine vergrößerte Ansicht eines Stundenplaneintrags, an
der sich die weiterführenden Navigationsmöglichkeiten aufzeigen lassen. In
der Kopfzeile des Eintrags befindet sich auf der rechten Seite das Symbol
zum Löschen des Stundenplaneintrags. Sowohl die Form als auch die Position des Symbols wird in gleicher Weise in verschiedensten Betriebssystemen mit fensterbasierten graphischen Userinterfaces (z.B. Windows, Mac
OS, Linux) eingesetzt. Seine Bedeutung kann daher als Konvention aufgefasst werden. Auf der linken Seite dient das Zeichen als Verknüpfung zu
der Webseite der betreffenden Lehrveranstaltung. Die Bedeutung dieses Zeichens muss, wenn es auch in einem gewissen Maße intuitiv zugänglich ist,
vom Benutzer erlernt werden.
Ein Mausklick auf den Namen des Dozenten (in obigem Beispiel Siegert)
gibt Auskunft über dessen Sprechzeiten, Telefonnummer und E-MailAdresse. Das Ausrufungszeichen informiert den Nutzer darüber, dass eine
aktuelle Nachricht des Lehrenden an die Besucher des Seminars vorliegt.
Der Klick auf den Namen der Veranstaltung (in obigem Beispiel Webpublishing für Einsteiger) öffnet schließlich das veranstaltungsspezifische Informations- und Kommunikationspanel, mit dem sich all diejenigen Funktionen
an den Stundenplan anschließen, die sich explizit auf die jeweilige Lehrveranstaltung beziehen. Die Ansicht dieses Panels und die Funktionen, die das
Interface hier bereitstellt, hängen vom Status des Nutzers ab, also von der
Frage, ob es sich um einen Lehrenden oder einen Studierenden handelt.
Inhaltlich gliedert sich das Panel in die Bereiche Informationen, Seminarplan, Material, Mitteilungen, Blackboard und Anmeldung, die in Form von
Karteikarten dargestellt werden. Die Navigation zwischen den Bereichen erfolgt also durch die Wahl des jeweiligen Reiters mit der entsprechenden Benennung.
Abbildung 11: Interface des Informations- und Kommunikationspanels in
der Ansicht für Studierende (Screenshot, Ausschnitt)
71
Zur Umsetzung von myStudy
Informationen
Auf der Karteikarte Informationen können Lehrende umfangreiche Angaben
zur Lehrveranstaltung bearbeiten (z.B. Inhalt, Literaturhinweise, Raumangabe usw.). Von der Bearbeitung ausgeschlossen sind jene Daten, zu deren
Änderung ein Beschluss des Fachbereichsrates erforderlich ist (z.B. Zuordnung zu Fächern und Studiengängen).67 Bei der Änderung von Tag und Uhrzeit der Veranstaltung erfolgt dementsprechend die Anzeige der Veranstaltung im Raster des Stundenplanes am neuen Ort. Neben den Zuordnungen zu
Fächern und Studiengängen ist für den Dozenten auf der Karteikarte Informationen ersichtlich, in wieviele Stundenpläne die Veranstaltung eingetragen wurde. Studierende haben ihrerseits Einsicht in sämtliche Angaben, die
der Lehrende vornimmt.
Seminarplan
Im Bereich Seminarplan kann der Lehrende eine detaillierte Darstellung
sämtlicher Sitzungen des Semesters vornehmen. Die einzelne Sitzung wird
durch die Angabe eines Datums, eines Themas und mit Hilfe weiterer Bemerkungen beschrieben. Studierende können sich somit eine genauere Vorstellung von den Inhalten der einzelnen Termine machen und sich besser auf
diese einstellen und vorbereiten. Während es sonst vielfach üblich war, in
der ersten Sitzung eines Seminars oder einer Vorlesung Kopien des Semesterplanes zu verteilen, bleibt der myStudy-Seminarplan variabel und kann
im Verlauf des Semesters immer wieder angepasst, aktualisiert und ausgedruckt werden.
Material
Die Karteikarte Material bietet Lehrenden die Möglichkeit, verschiedene
Lehrmaterialien (Handouts, Literaturlisten, Texte etc.) in Form von Dateien
bereit zu stellen. Die Materialien stehen Studierenden so zum Download und
damit zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Zwar kann diese Form der
Distribution von Lehrmaterialien den Einsatz und die Verteilung von Drucksachen innerhalb einer Veranstaltung nicht ersetzen, aber auf vielfältige
Weise entzerren und somit Lehrende und Studierende entlasten. Studierende
können beispielsweise fehlende Materialien (etwa aufgrund einer versäumten Sitzung) problemlos nachträglich beschaffen. Insbesondere sei darauf
hingewiesen, dass nicht nur Texte sondern sämtliche Arten von Dateien bereitgestellt werden können. Daher ist eine Nutzung dieser Funktion für verschiedenste digitale Inhalte möglich.
Mitteilungen
Der Menüpunkt Mitteilungen ist für aktuelle Hinweise des Lehrenden an die
Studierenden vorgesehen. Dozenten können hier eine Textmitteilung an alle
myStudy-Nutzer hinterlassen, die die betreffende Lehrveranstaltung in ihrem
Stundenplan eingetragen haben. Wenn eine aktuelle Mitteilung vorliegt, erscheint im Stundenplan ein Hinweis in Form eines Ausrufungszeichens .
Darüber hinaus können Studierende, die ihre E-Mail-Adresse in myStudy
67
72
Hieran zeigt sich, dass der Betrieb einer Plattform wie myStudy im Rahmen
institutionalisierter Präsenzlehre genau an die Erfordernisse der gegebenen
Strukturen angepasst werden muss.
Darstellung von myStudy
gespeichert haben, eine E-Mail-Liste zur Veranstaltung abonnieren. Sie bekommen aktuelle Mitteilungen dann auch per E-Mail zugesandt, sofern dies
vom Dozenten gewünscht ist.
Das Blackboard ermöglicht die offene Kommunikation unter Nutzern von
myStudy in Bezug auf die Organisation spezifischer Veranstaltungen. Unabhängig vom Status des Nutzers können hier Textmitteilungen geschrieben
und gespeichert werden, die für alle anderen Anwender von myStudy einsehbar sind. Das Ziel ist, ein Kommunikationsforum zu schaffen, in dem unbestimmte Aspekte offen diskutiert werden können. Die Erfahrung hat gezeigt,
dass sich hier tatsächlich sehr verschiedene Formen der Interaktion entfalten
und dass nicht nur organisatorische, sondern auch inhaltliche Fragen im
Blackboard erörtert werden. So werden hier Internet-Links weiterempfohlen, Literaturhinweise gegeben, Dozenten kritisiert usw.
Blackboard
Lehrende können Studierenden auf der Karteikarte Anmeldung die Möglichkeit geben, sich verbindlich zur Teilnahme an der Lehrveranstaltung anzumelden. Hierbei können verschiedene Variablen vorgegeben werden, nach
denen die Anmeldeprozedur durchgeführt wird (z.B. die maximale Anzahl
der Teilnehmer oder der Zeitpunkt der Anmeldungseröffnung). Wird die maximale Anzahl der Einträge erreicht, so schaltet die Anmeldung automatisch
ab. Insbesondere bei einer großen Nachfrage nach wenigen Seminarplätzen
kann so die Anmeldung fair und unkompliziert vollzogen werden. Gerade im
Vergleich zu dem gängigen Verfahren des Listenaushangs bieten sich hiermit
große Vorteile. Trotzdem ist kritisch anzumerken, dass ein Internetzugang
sowie die Fertigkeiten der Internetnutzung somit zur Voraussetzung für die
Anmeldung zu Lehrveranstaltungen werden. Gerade im Zuge der Forderung
nach Medienkompetenz in der Hochschulausbildung wird dieses Argument
jedoch relativiert.
Anmeldung
Den Lehrenden steht nach abgeschlossener Anmeldung eine Exportfunktion
zur Verfügung, mit der eine Text-Datei in sogenannter Tab/Return-Struktur
erzeugt wird. Dieses Dateiformat eignet sich bestens zur weiteren Bearbeitung in verschiedensten Anwendungsprogrammen wie Microsoft Word oder
Microsoft Excel.
Die verschiedenen Interfaces für Studierende und Lehrende machen ein
zweistufiges Rechteverwaltungssystem notwendig. Der Zugang für Studierende ist grundsätzlich offen und steht unmittelbar nach der Anmeldung mit
einem selbst zu wählenden Benutzernamen und Passwort zur Verfügung.
Der privilegierte myStudy-Zugang für Dozenten, der, wie beschrieben
wurde, umfangreiche Möglichkeiten der Bearbeitung von veranstaltungsbezogenen Daten bietet, muss allerdings reglementiert werden, um einen
Missbrauch zu vermeiden. Eine solche Zugangsbeschränkung stellt auf der
einen Seite eine Hürde für nichtautorisierte Benutzer dar - das ist ihr Zweck.
Rechteverwaltung
73
Zur Umsetzung von myStudy
Auf der anderen Seite bedeutet sie allerdings auch eine Hemmschwelle für
die intendierte Nutzung durch die Lehrenden, deren Engagement doch eine
wesentliche Grundlage für den Erfolg von myStudy bildet. Ein System wie
myStudy macht schließlich nur dann Sinn, wenn es insbesondere von Dozenten und Dozentinnen zur Organisation der Lehre genutzt wird. Daher ist der
barrierefreien Gestaltung der Anmeldeprozeduren und der Rechtedifferenzierung eine besondere Bedeutung zuzumessen. Es tritt damit die bereits geschilderte Forderung nach der ‘Unsichtbarkeit’ des Interfaces stark in den
Vordergrund.
Die Differenz Lehrender/Studierender findet aus diesem Grund nur ein einziges Mal offensichtliche Beachtung, nämlich bei der ersten Anmeldung bei
myStudy (Abbildung 12). Die weitere Anmeldeprozedur sowie der Funktionsumfang, den myStudy dem Nutzer im Anschluss bietet, gestaltet sich ausschließlich gemäß dieser Differenzierung, die jedoch nicht mehr ausdrücklich zutage tritt. Sie stellt nach einem theoretischen Verständnis die erste, initiale Unterscheidung dar, mit deren Hilfe sich weitere Räume für
Anschlussoperationen erschließen (vgl. Abschnitt 2.2).
Abbildung 12: Differenzierung der Rechteverwaltung in der Anmeldung zur
Nutzung von myStudy (Screenshot)
Im Zuge der Neuanmeldung wählt ein Lehrender seine Person aus dem Mitarbeiterverzeichnis der Universität aus, und beantragt damit die privilegierte
Nutzung für diejenigen Veranstaltungen, die er im aktuellen Vorlesungsverzeichnis anbietet. Diese ’Dozentenzugänge’ werden nach Prüfung der Daten
und gegebenenfalls nach Rücksprache freigeschaltet, wodurch die Nutzung
durch den Lehrenden in vollem Umfang ermöglicht wird.
74
Visuelle Gestaltung
Für die Administration dieses Rechtesystems im Speziellen, aber auch für
weitere Aufgaben der Datenbankverwaltung wurde ein eigenes internetbasiertes Werkzeug entwickelt, welches dem Projektteam die unkomplizierte
und zeitsparende Pflege der Datenbestände erlaubt.
Administration
Abbildung 13: Verwaltungswerkzeug zur Administration der myStudyDatenbestände (Screenshot)
Die wichtigsten Funktionen von myStudy und ihre Differenzierungen nach
dem Status des Nutzers sind hiermit ausreichend beschrieben worden, so
dass nun ein recht detailliertes Bild von myStudy und seiner Einsetzbarkeit in
der Präsenzlehre vermittelt worden ist. Wie erläutert wurde, spielt der Stundenplan als zentrales Strukturmerkmal eine bedeutende Rolle für die Interaktion zwischen Anwendern und Artefakt und für die Zielrichtung dieser
Wechselwirkung auf die Unterstützung von Präsenzlehre.
5.4 Visuelle Gestaltung
Darüberhinaus kommt der weiteren visuellen Ausgestaltung des Interfaces dem kohärenten Einsatz von Formen, Farben und weiteren Gestaltungsmerkmalen - eine wichtige Bedeutung für die ‘Zuhandenheit’ von myStudy zu.
Wie der Abschnitt 4.3 gezeigt hat, kann die Gestaltung eines Interfaces als
semiotischer Prozess verstanden werden, welcher auf der Interpretation von
Zeichen beruht und der wiederum Interpretationen evoziert. Zwar wäre es
ganz und gar unergiebig, diese Prozesse in jedem Einzelfall zu beschreiben,
um schließlich semantische Zuschreibungen für die Zeichenverwendung
vorzunehmen. Zu belegen ist allerdings die Konsistenz der Anwendung von
Gestaltungsmerkmalen (vgl. Abschnitt 4.3). In der Praxis des Interfacedesigns werden zu diesem Zweck sogenannte style books angelegt,
„in denen die allgemeinen Prinzipien, die Definitionen der Bausteine, das visuelle Design der Elemente, die auditiven Signale,
die Handlungsregeln und die Anordnung/Verteilung der Bausteine festgelegt sind.“ (Bonsiepe 1996, 53)
75
Zur Umsetzung von myStudy
Auch wenn ein detailliertes und vollständiges style book zu myStudy hier
nicht abgebildet werden kann, sollen doch einige wesentliche Elemente beispielhaft dargestellt werden.
Typographie
Es wird grundsätzlich die serifenlose Schrift Verdana verwendet. Sie ist im
Hinblick auf die gute Lesbarkeit am Bildschirm optimiert. Hyperlinks werden bei der Berührung mit dem Mauszeiger mit einer Unterstreichung versehen (roll-over). Nur in der Druckversion wird die Schrift Times New Roman
verwendet, die aufgrund ihrer Serifen für gedruckte Texte Vorteile bietet.
Farbverwendung
Die farbliche Gestaltung von myStudy beschränkt sich auf die Verwendung
von sechs Farben, die unter Berücksichtigung der Farbharmonie, des Kontrastes und der Originalität ausgewählt wurden. Tabelle 3 gibt das Farbkonzept von myStudy wieder, welches konsequent auf sämtlichen Seiten - mit
Ausnahme der Druckansicht - durchgehalten wird.
Farbe
Verwendung
Seitenhintergrund sämtlicher Dokumente
Highlighting der Globalnavigation
Tabellenrahmen und Trennlinien, Schrift, Formularfelder
Hintergrund von Tabellenzellen
Hintergrund von abgesetzten Tabellenzellen
Zellenhintergrund von Kopf- und Fußzeilen, Schrift
Tabelle 4: Farbverwendung der myStudy-Plattform
Der Wiedererkennungswert von myStudy ist sehr stark durch die Farbe
Orange geprägt. Auf semantischer Ebene wird dies durch die Einbindung
der Orangenfrucht in das Logo unterstützt.68
Layout
Ein konsistentes Seitenlayout ist für die Orientierung des Blicks überaus
wichtig. Die räumliche Platzierung von graphischen Elementen sollte daher
soweit wie möglich einheitlich bleiben. Auf sämtlichen Seiten69 ist daher in
68
69
76
Die Bedeutung des Zeichens Orange (als Farbe) wird also durch die Zeichenwahl im Logo genauer definiert. Zeichen können in diesem Sinne, wie Peirce
es in seinem Zeichenmodell ausgeführt hat, als Interpretanten fungieren, die
den Objektbezug eines Repräsentamens spezifizieren.
Ausgenommen sind die Karteikarten des Informations- und Kommunikationspanels, die einem eigenen (aber ebenso konsistenten) Layout folgen.
Visuelle Gestaltung
der oberen linken Ecke das Logo von myStudy angebracht, während sich am
oberen rechten Bildrand die Globalnavigation befindet. Auf der Seitenmitte
zentriert werden die Inhalte auf einer ’Karte’ dargestellt, die einen Schatten
auf den orangen Seitenhintergrund wirft. Am unteren Rand der Seite befindet sich eine Fußzeile, die unter anderem die aktuelle Versionsnummer von
myStudy angibt. Der Aufbau der Seite ist damit auf allen Seiten prinzipiell
einheitlich. Abbildung 14 zeigt das Schema des Seitenlayouts.
Abbildung 14: Schematische Darstellung des Seitenlayouts (eigene
Darstellung)
Die Nutzung einer internetbasierten Anwendung basiert in besonderem
Maße auf der Interaktion zwischen Anwender und Artefakt. Daher sollten
gerade jene Elemente, die ein ’Manipulationspotential’ aufweisen, durch
eine kohärente visuelle Gestaltung kenntlich gemacht werden. Elemente der
Interaktion (Formularbuttons, graphische Links) werden daher einheitlich
durch den Umriss mit einer blauen Haarlinie und durch einen grauen Hintergrund kenntlich gemacht70. Tabelle 4 fasst die verwendeten Elemente zusammen.
70
Interaktionselemente
Die Gestaltung der Globalnavigation nimmt hier eine besondere Stellung ein
und folgt daher eigenen Richtlinien.
77
Zur Umsetzung von myStudy
Element
Funktion
Formularbutton
Eintrag in den Stundenplan
Anzeige der aktuellen Mitteilung
Bearbeiten
Löschen
einem externen Link folgen
Tabelle 5: Visuelle Elemente der Interaktion und ihre Funktion
visuelle Kohärenz
Mit Hilfe dieser und weiterer Gestaltungsmerkmale und ihrer konsistenten
Verwendung wird eine visuelle Kohärenz erzielt, die für eine schnelle Erlernbarkeit des Interfaces sorgt und sicherstellt, dass die Reaktionen des Interfaces den Erwartungen des Nutzers entsprechen. Irritationen werden hiermit nach Möglichkeit vermieden, so dass eine effektive Interaktion zwischen
Anwender und Artefakt ermöglicht wird. Die Gestaltung der Benutzeroberfläche von myStudy bemüht sich somit auf inhaltlicher wie auf visueller
Ebene um eine klare und nachvollziehbare Struktur.
Natürlich spielen auch ästhetische Aspekte der Gestaltung eine wichtige
Rolle. Die Wahl der Farben und Formen sowie ihre Komposition sollen vom
Nutzer möglichst als angenehm empfunden werden. Eine formalästhetische
Betrachtung müsste jedoch weiter ausholen und Aspekte der visuellen Topologie, der Wahrnehmungstheorie und Gestaltpsychologie berücksichtigen
(vgl. Bonsiepe 1996, 197).
5.5 Verwendete Technologien
Die visuelle Gestaltung der Benutzerschnittstellen sowie die Strukturierung
des Informationsangebots baut selbstverständlich auf der Voraussetzung einer inneren technischen Struktur auf. Die Betrachtung der Benutzerschnittstellen und ihrer formalen Gestaltung nähert sich dem Artefakt aus Sicht des
Anwenders von außen. Natürlich hat aber die technische Form auf der ‘anderen Seite’ des Interfaces ebenso einen erheblichen Einfluss auf die Anwendbarkeit des Artefakts. Die Erkenntnis, dass es sich hierbei um zwei Perspektiven auf dasselbe Objekt handelt, verbietet die isolierte Betrachtung nur einer Seite.
78
Verwendete Technologien
Die Technologien, die für die Entwicklung und den Betrieb von myStudy relevant sind, sollen daher auf den folgenden Seiten genauer beschrieben werden. Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich hierbei im wesentlichen
um Open Source-Technologien, die bestimmte Merkmale aufweisen, die im
dritten Kapitel aus einer unterscheidungstheoretischen Sicht charakterisiert
worden sind. Diese Eigenschaften sind für die Verwendung im myStudy-Projekt von großer Bedeutung.
Das dargestellte Interface sowie die implementierten Funktionen lassen sich
auf der Basis von dynamischen Internet- und Datenbanktechnologien realisieren. Zur Gestaltung der Webseiten kommen die Auszeichnungssprachen
HTML (Hypertext Markup Language) und CSS (Cascading Stylesheets) zum
Einsatz, zur Programmierung der Funktionalitäten des Interfaces werden die
Skriptsprachen JavaScript und PHP (PHP: Hypertext Preprocessor) verwendet. Als Datenbanksystem wurde MySQL gewählt, das mit der Datenbanksprache SQL (Structured Query Language) abgefragt wird. Der Betrieb von
myStudy wird durch einen Apache HTTP-Server mit PHP Interpreter gewährleistet, der auf der Basis eines Windows Betriebssystems läuft. Diese
Technologien und deren Zusammenwirken sollen hier zunächst eingehender
erläutert werden, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen.71
Wie der Name Hypertext Markup Language besagt, gehört HTML zur Familie der Textauszeichnungssprachen. Diese sind dafür konzipiert, Informationen zu enthalten, die Aussagen treffen über die Darstellung der Texte, über
deren Relevanz oder deren logische Struktur. Während Auszeichnungssprachen ursprünglich für die Verwendung im Printbereich geschaffen wurden,
wurde 1985 erstmals ein Standard namens SGML (Standard Generalized
Markup Language) für die Auszeichnung von digitalen Dokumenten festgelegt (ISO 8879).
HTML
Auf SGML basierend, stellt HTML eine Auszeichnungssprache dar, welche
für die Erstellung wissenschaftlicher Publikationen im WWW optimiert
wurde. Dabei beziehen sich die Auszeichnungen, die mit Hilfe von HTML
vorgenommen werden können, auf die strukturellen Elemente, die in wissenschaftlichen Texten gängig sind: Überschriften, Textabsätze, Bilder, Aufzählungen etc. Hinzu tritt die neuartige Möglichkeit der Verknüpfung von Elementen durch den Hyperlink.
HTML ist also nicht für die visuelle Gestaltung von Internetseiten konzipiert
worden. Vielmehr sollte die graphische Darstellung von Webseiten auf der
Basis der strukturellen Auszeichnung durch den Webbrowser und dessen benutzerdefinierten Konfiguration geregelt werden. Trotzdem wurde HTML
71
Die detaillierten Anwendungen der verschiedenen Techniken können in einschlägigen Handbüchern und Dokumentationen vertieft werden.
79
Zur Umsetzung von myStudy
im Zuge der weiten Verbreitung und Kommerzialisierung, die das WWW im
Laufe der 90er Jahre erlebte, immer stärker für das Graphikdesign von Webseiten ‘missbraucht’.
Cascading
Stylesheets
Um HTML von dieser Zweckentfremdung zu entlasten, wurde 1996 mit der
Veröffentlichung des ersten Sprachstandards für Cascading Stylesheets der
Grundstein für eine Auszeichnung des Layouts gelegt. Mit Hilfe von Stylesheets lässt sich das Problem der visuellen Gestaltung aus dem HTML-Code
auslagern und in einer externen und zentralen Stylesheet-Datei lösen. In dieser werden den einzelnen HTML-Tags (z.B. für Überschriften oder Absätze)
durch die Definition von sogenannten Styles graphische Eigenschaften zugeordnet.
Leider ist die Verwendung von Cascading Stylesheets aufgrund von mangelhaften Implementationen in die gängigen Webbrowser bisher nicht unproblematisch, das heißt, verschiedene Browser stellen einzelne Style-Definitionen
nicht wie gewünscht dar. Um trotzdem zu einer browserübergreifenden Konsistenz der Interfacegestaltung zu kommen, müssen in der Praxis die verschiedenen Möglichkeiten der visuellen Gestaltung von Webseiten ausgenutzt werden. Dies schließt leider oftmals die zweckentfremdete Verwendung von HTML mit ein. Daher sind auch in den Quelltexten von myStudy
vielfach HTML-Parameter zur visuellen Gestaltung genutzt worden.
Die Sprachen HTML und CSS werden unter dem Dach des World Wide Web
Consortiums entwickelt und stellen öffentliche Standards dar, für deren Nutzung keine Lizenzgebühren gezahlt werden müssen. Insofern sind sie der
Open Source-Idee verwandt.
JavaScript
JavaScript ist eine von Netscape lizensierte, objektorientierte und
plattformunabhängige Skriptsprache, die direkt in den HTML-Code einer
Webseite eingebunden werden kann. Mit Hilfe von JavaScript lassen sich
auf Webseiten Programmfunktionalitäten realisieren, die userseitig in einem
JavaScript-kompatiblen Internetbrowser ausgeführt werden können. Der
Quellcode eines auf einer Webseite implementierten JavaScripts wird also
über das Internet geladen und dann - ohne kompiliert werden zu müssen vom Browser interpretiert. Dabei sind eine Reihe von Browser- und Systemeigenschaften bereits als fest definierte Objekte verfügbar. Dies macht die
Umsetzung einfacher Funktionen besonders bequem.
Die JavaScript-Interpretersoftware eines Webbrowsers kann vom Nutzer in
den Browsereinstellungen deaktiviert werden. Die Ausführung von
JavaScripts wird damit verhindert. Für diesen Nutzer besteht bei einem extensiven Einsatz von JavaScript daher keine Anschlussfähigkeit zwischen
Technik und Nutzung. Insofern stellt jeder Einsatz von JavaScript einen Unsicherheitsfaktor für die Zuhandenheit des Artefakts dar und muss daher im
Einzelfall abgewogen werden. Allerdings ist der Anteil der Nutzer mit
80
Verwendete Technologien
deaktiviertem JavaScript mit 0,1% 72 äußerst gering und sollte nicht überbewertet werden. Im Rahmen von myStudy fand JavaScript für die Prüfung von
Formularinhalten Verwendung, insbesondere dort, wo fehlende oder ungültige Einträge Fehlfunktionen verursachen würden (z.B. ungültige E-MailAdressen). Des Weiteren öffnet sich das Informations- und Kommunikationspanel mit Hilfe eines JavaScript-Befehls.
Die weiteren Funktionalitäten, die myStudy seinen Usern anbietet, wurden
mit PHP realisiert. PHP ist eine weit verbreitete Open Source-Skriptsprache,
die speziell für die Webprogrammierung entwickelt wurde.73 Auch PHPSkripte können direkt in den Quellcode einer HTML-Datei eingebettet werden, sie werden allerdings - anders als JavaScript - serverseitig interpretiert,
bevor der http-Server antwortet.
PHP
Aus den PHP-Skripten wird auf diese Weise ein reiner HTML-Quellcode erzeugt, der dann über das Internet übertragen und vom Webbrowser des Anwenders angezeigt wird. Die Skripte bleiben somit für den Anwender unsichtbar und gewährleisten auf diese Art eine hohe Sicherheit, da ihre Funktionsweisen aus Nutzersicht nicht nachvollzogen werden können. Auf diese
Weise ist die Funktionalität der Internetanwendung des Weiteren unabhängig
von der individuellen Konfiguration der benutzereigenen Hard- und Softwareumgebung.
Mit PHP können dynamische Webseiten erzeugt werden, deren Inhalte in
Abhängigkeit von den Aktionen des Anwenders generiert werden und so
eine Interaktion zwischen Anwender und Artefakt ermöglichen, wie sie in
Abschnitt 4.1 geschildert worden ist. Voraussetzung für die serverseitige Interpretation von PHP ist die Installation eines PHP-Moduls auf dem Serverrechner und dessen Einbindung in die Konfiguration des WWW-Servers.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich eine Architektur, die in Abbildung 15 dargestellt wird.
72
73
Der Anbieter von Internet-Zugriffsstatistiken Webhits.de wertet monatlich etwa
30 Millionen Zugriffe auf etwa 9800 Webseiten aus und speichert dabei die
Hardware- und Software-Konfigurationen der Anwender, unter anderem die
JavaScript-Kompatibilität des Webbrowsers. Der obige Wert wurde von Webhits.de am 16.05.2003 aktualisiert (vgl. http://www.webhits.de/deutsch/webstats.html; abgerufen am 17.05.2003).
(vgl. http://www.php.net; abgerufen am 20.05.2003)
81
Zur Umsetzung von myStudy
Abbildung 15: Client-Server-Architektur und Darstellung einer HTTPAnfage mit PHP-Interpretation (eigene Darstellung)
Des Weiteren erlaubt PHP die Anbindung von Datenbanken, deren Inhalte
zur dynamischen Erzeugung von Webseiten herangezogen werden können.
Auf diese Weise wird der webbasierte Zugriff auf große Datenmengen möglich, deren statische Aufbereitung auf der Basis von HTML nicht zu bewältigen wäre. Im Zusammenwirken mit einer Skriptsprache wie PHP können dagegen komplexe und interaktive Funktionalitäten unter Verwendung eines
umfangreichen, aber bequem administrierbaren Datenbestandes mit geringem Aufwand realisiert werden.
MySQL
PHP liefert die umfangreiche Unterstützung für eine Reihe von verschiedenen Datenbanken. Ein Datenbankmanagementsystem (DBMS), welches sehr
häufig in Verbindung mit PHP eingesetzt wird, ist MySQL74. Die Gründe
hierfür sind vor allem die umfangreiche Implementierung von MySQLFunktionen im PHP-Funktionsumfang sowie die gemeinsame Open SourceTradition beider Technologien.
MySQL basiert auf einem relationalen Datenbankmodell.75 Während hierarchische Datenbanken als Bäume mit Ästen und Verzweigungen darstellbar
sind, ist das relationale Datenbankmodell am besten mit den Prinzipien der
Mengenlehre zu verstehen. Die Beziehungen zwischen den Daten werden
dabei mit Hilfe von Relationen abgebildet76, die mit den Operationen der
Mengenlehre (Vereinigung, Schnittmenge, Selektion etc.) abzufragen und zu
74
75
76
82
(Vgl. http://www.mysql.de; abgerufen am 20.05.2003.)
Das relationale Datenbankmodell geht im wesentlichen auf die Arbeiten von
Edward F. Codd zurück, der in einem umfangreichen Regelwerk die Anforderungen an relationale Datenbanksysteme formuliert hat (vgl. Codd 1970).
Die möglichen Relationen sind dabei 1:1- oder 1:n-Beziehungen. Mit Hilfe von
Hilfskonstruktionen (n:1 / 1:1 / 1:m) sind auch n:m-Beziehungen abbildbar.
Verwendete Technologien
bearbeiten sind. Ein relationales Datenbankmodell nutzt somit die logische
und nicht die hierarchische Struktur von Datenbeständen für ihre Organisation. Die Daten werden dabei in Form von Tabellen dargestellt.
Die Abfrage von MySQL-Datenbanken erfolgt mit der Datenbanksprache
SQL (Structured Query Language), die bereits in den 70er Jahren bei IBM
speziell für relationale Datenbanken entwickelt wurde. Seit 1987 ist SQL
nach einer ISO-Norm standardisiert und wird von allen relationalen Datenbanken - auch von MySQL - unterstützt.
SQL
Sämtliche Daten, auf deren Grundlage myStudy betrieben wird, sind also in
einer relationalen Datenbank organisiert: Lehrveranstaltungen, Stundenpläne, Nutzer etc. Diese Datenbank wird mit der Datenbanksprache SQL abgefragt und liefert Ergebnisse, die mit Hilfe von PHP in einen HTML-Code
überführt werden. Jener HTML-Code muss schließlich über das Internet an
den Nutzer versendet werden, der diese Kettenreaktion durch einen einzigen
Klick auf einen Hyperlink oder eine Schaltfläche in seinem Browser ausgelöst hat. Ebendies wird durch einen HTTP-Server geleistet, der die Anfragen, die auf der Basis des Hypertext Transfer Protocols (HTTP) erfolgen, registriert und bearbeitet. Im Falle von myStudy handelt es sich hierbei mit
dem Apache HTTP-Server wiederum um eine Open Source-Lösung.
Apache
Der Apache Webserver kann mit einem Marktanteil von 63%77 zweifellos
als eines der erfolgreichsten Open Source-Produkte gelten. Er dominiert bereits seit 1996 den Bereich der HTTP-Server und wird seit 1999 von der
Apache Software Foundation78 distribuiert, die auch an der Entwicklung der
Skriptsprache PHP und weiteren Open Source-Projekten beteiligt ist. Vor
diesem Hintergrund erklärt sich die enge Verbindung zwischen Apache und
PHP, die sich technisch gesehen durch die hervorragende Kompatibilität beider Technologien äußert.
Die Erzeugung von datenbankbasierten Internetseiten auf der Grundlage von
HTML, CSS, JavaScript, PHP und MySQL ist deshalb so einfach, weil diese
Technologien so miteinander harmonieren, dass eine Programmierung sämtlicher Quellcodes der verschiedenen Sprachen in einem einzigen Dateiformat erfolgen kann. Durch den Einsatz von Interpretersoftware (PHP und
MySQL) müssen die Quelltexte vor dem Einsatz nicht kompiliert werden,
das heißt, die Übersetzung in den binären Code, der maschinell prozessiert
werden kann, wird durch den entsprechenden Interpreter übernommen, sobald ein Skript ausgeführt werden soll.
77
78
(Vgl. http://news.netcraft.com/archives/web_server_survey.html; abgerufen am
20.05.2003.)
(Vgl. http://www.apache.org; abgerufen am 20.05.2003.)
83
Zur Umsetzung von myStudy
Kompatibilität der
Technologien
Die Herstellung der Quelltexte sämtlicher Sprachen kann aufgrund der hervorragenden Kompatibilität der Technologien über ein gemeinsames Interface erfolgen, das der Wahl des Programmierers obliegt. So sind die Quellcodes, die myStudy zugrunde liegen, mit einem einfachen Texteditor zu erstellen und zu bearbeiten, ohne dass hierzu weitere Entwicklungswerkzeuge
notwendig wären.79
Um das Ineinandergreifen der verschiedenen Technologien zu demonstrieren, zeigt das folgende Beispiel einen Quellcode, in dem die verschiedenen
Sprachen farblich gekennzeichnet sind: HTML (schwarz), JavaScript (grün),
CSS (blau), PHP (rot) und SQL (orange). Kommentare wurden grau gefärbt.
<html>
<head>
<title>myStudy</title>
<script language="JavaScript">
<!-Neufenster = window.open("popup.html",
"Popup","width=350,height=260");
// Öffnet beim Laden der Datei ein Popup-Fenster
//-->
</script>
<style type="text/css">
<!-p {
font-family: sans-serif;
font-size: 12pt;
text-align: left;
color: #FF0000; }
/* Style-Definition für das Absatz-Tag "<p>" */
-->
</style>
</head>
<body>
<?PHP
$db = mysql_connect('localhost', 'root', 'pass');
# Verbindet mit dem Datenbankserver
mysql_select_db("mystudy4",$db);
# Wählt die Datenbank aus
$result = mysql_query("SELECT * FROM user, studierende
WHERE user.id = studierende.userid AND
studierende.nname = 'Leder'",$db);
# Setzt eine SQL-Datenbankabfrage ab
while ($row = mysql_fetch_array($result, MYSQL_BOTH))
{echo "<p>".$row['id']." ".$row['nname']".</p>";}
# Gibt absatzweise das Abfrageergebnis aus
?>
</body>
</html>
79
84
Nichtsdestotrotz ist eine große Vielfalt von verschiedenen Entwicklungstools
verfügbar. Für die Entwicklung von myStudy wurden vor allem die FreewareEditoren Proton und Phase 5 verwendet (vgl. http://www.meybohm.de; abgerufen am 20.5.2003).
Verwendete Technologien
Die besondere Kompatibilität und die daraus resultierenden Vorteile für die
Entwicklung von myStudy gehen wesentlich auf die Eigenschaften zurück,
die für Open Source-Technologien bereits ausführlich dargelegt wurden. Dabei wurde festgestellt, dass die Nutzung einer Technik als re-entry der Unterscheidung gedeutet werden kann, die durch die Technik selbst installiert
wird. Das Open Source-Konzept beruht durch die Sicherstellung der freien
und unentgeltlichen Verfügbarkeit einer Software auf dem konsequenten
Abbau von Barrieren, welche diese Anschlussmöglichkeit durch Nutzung
behindern könnten. Durch die Offenlegung des Quellcodes wird darüberhinaus der Anschluss durch das Kreuzen der technischen Unterscheidung realisierbar, der dagegen bei Closed Source-Software auf technischen Wegen sowie durch den Erlass von entsprechenden Lizenzbedingungen unterbunden
wird (vgl. Abschnitt 3.3).
Open Source
Die Anschlussfähigkeit für die Operation des Kreuzens gewinnt für die
Frage nach Kompatibilität eine besondere Relevanz. Denn in dem Maße, in
dem in der Open Source-Entwicklergemeinde der Bedarf an Kompatibilität
zu anderen Technologien entsteht, ist man in der Lage, diese herzustellen,
ohne dass dies durch proprietäre Lizenzbedingungen und den fehlenden Zugriff auf den Quellcode behindert wird. Es gibt darüber hinaus keine produktpolitischen und kommerziellen Interessen, deren Verfolgung die Kompatibilität zwischen bestimmten Technologien fördern oder behindern
würde.80
Die Entwicklung von myStudy stellt, wie in diesem Abschnitt beschrieben
wurde, eine Anwendung von Open Source-Technologien dar und ist infolgedessen als re-entry der technischen Unterscheidung zu bewerten. Dank der
Open Source-gerechten Lizenzierung von PHP, MySQL und Apache sowie
durch die offene Standardisierung von HTML, CSS und SQL ist es möglich,
ein Projekt wie myStudy zu realisieren, ohne zunächst in kostspielige Servertechnologien investieren zu müssen. Darüberhinaus ist die Möglichkeit gegeben, sich schnell und unkompliziert mit Aktualisierungen und Erweiterungen der verwendeten Programme zu versorgen. Die relative Unabhängigkeit
des Projekts von den universitären Verwaltungsstrukturen (respektive Finanzstrukturen) ist insbesondere durch die freie Verfügbarkeit von Open
Source-Lösungen überhaupt nur möglich.
Noch ein weiterer Aspekt von Open Source-Technologien ist für die Entwicklungsarbeit von großem Wert. In der Regel kann bei der Verwendung
80
Produktpolitische Erwägungen und deren Folgen für die Kompatibilität zwischen Softwareprodukten zeigen sich z.B. deutlich in der Microsoft Office-Produktfamilie. Die wechselseitige Kompatibilität innerhalb der Produktfamilie
wird hier besonders gestärkt, wobei gegenüber fremden Produkten eine starke
Abgrenzung erfolgt. Am Beispiel der Open Source-Lösung Open Office wird
dagegen demonstriert, wie sehr Open Source-Produkte auf die Anschlussfähigkeit nach außen ausgelegt sind.
85
Zur Umsetzung von myStudy
von Open Source-Lösungen auf eine umfangreiche Dokumentation zurückgegriffen werden. Die Suche nach Hilfestellungen und Problemlösungen bei
der Entwicklung von PHP- und MySQL-basierten Webseiten führt in unzähligen Internet-Diskussionsforen oder auf entsprechenden Webseiten meist
sehr schnell zum Erfolg. Die Ideologie, die seit Richard Stallman mit der
Entwicklung von Freier Software verbunden ist, setzt sich also in der Anwendung dieser Software fort und veranlasst PHP-Entwickler auf der ganzen
Welt dazu, ihr Wissen mit anderen zu teilen.
5.6 Struktur der Datenbanken
Donald Norman geht davon aus, dass das Interface die Übersetzung einer internen, technischen Struktur in eine sinnlich erfahrbare Form leistet, die wiederum als Vorlage für die mentale Modellbildung eines Nutzers dienen kann
(vgl. Abschnitt 4.1). Diese interne Struktur wird zum einen durch die verwendeten Techologien (vgl. Abschnitt 5.5) und zum anderen durch die Organisation der zugrundeliegenden Daten beschrieben. Beide Faktoren hängen
eng miteinander zusammen, denn natürlich bestimmt die Verwendung eines
relationalen Datenbanksystems wie MySQL wesentlich die Ordnung, in der
diese Daten gespeichert werden.
Abstraktion
Jedoch entstehen innerhalb des Rahmens, der durch das Datenbankmodell
vorgegeben wird, Strukturen, welche die grundlegendste Abstraktionsebene
dessen darstellen, was durch myStudy abgebildet wird. In der Datenbankstruktur ist bereits vollständig angelegt, welche Operationen auf ihrer Basis
möglich sind. Und doch wäre eine Nutzung dieser reinen technischen Form
ohne die Bereitstellung des beschriebenen Interfaces aufgrund des hohen
Abstraktionsgrades unmöglich.
Der Aufbau der Datenbank liefert neben der Auswahl der Technologien die
wesentliche Grundlage der technischen Form von myStudy. Durch sie wird
die Grenze einer Unterscheidung installiert, die bestimmte Funktionen und
Interaktionen auf ihrer Innenseite einschließt und alle anderen auf ihrer Außenseite ausschließt. Das Kreuzen der Grenze, z.B. die Implementation einer
neuen Funktion, ist daher in der Regel mit einer Veränderung der zugrundeliegenden Datenbankstruktur verbunden. Der Anschluss durch die Nutzung
der Technik (re-entry) ist ebenfalls stark von dieser ersten Unterscheidung
bestimmt, denn durch sie werden die Grenzen des Möglichkeitsraumes festgelegt, in denen sich die Nutzung abspielen kann.
Datenbankstruktur
86
Abbildung 16 zeigt die Datenbankstruktur von myStudy in einer Ansicht, wie
sie für relationale Datenbanken gängig ist. Wie die Abbildung zeigt, besteht
die myStudy-Datenbank aus zwöf Tabellen, deren Relationen durch Pfeile
gekennzeichnet sind.
Struktur der Datenbanken
Abbildung 16: Datenbankstruktur von myStudy (eigene Darstellung)
Die Tabellen vvz, vvzfaecher, faecher und studiengang dienen im wesentlichen der Darstellung des Vorlesungsverzeichnisses der Universität Lüneburg. Die Tabellen user, studierende und lehrende bilden die Benutzerverwaltung. Die Tabelle stundenplan vollzieht die Verbindung zwischen diesen
beiden Bereichen, denn in ihr wird gespeichert, welcher Benutzer welche
Veranstaltungen für welches Fach belegt. Eine weitere Verbindung ergibt
sich aus der Relationstabelle vvzlehrende, die angibt, welcher Dozent welche
Veranstaltungen anbietet. Die Tabellen material, seminarplaene und chat
dienen der Speicherung funktionsspezifischer Daten.
87
Zur Umsetzung von myStudy
Reduktion
Reduziert man die Struktur der Datenbank auf ihre wichtigsten Einheiten
(vgl. Abbildung 17), so stellt sich der Stundenplan als Schnittstelle zwischen
dem Anwender, der Datenbasis des Vorlesungsverzeichnisses und den bereitgestellten Funktionen dar und beweist damit wiederum - nun auf der
technischen Ebene - seine primäre Bedeutung für myStudy. Für die Konsistenz von „system image“, Design-Konzept und dem mentalen Modell des
Anwenders (vgl. Norman 1983, 14) ist die zentrale Stellung des Stundenplanes von höchster Relevanz.
Abbildung 17: Reduzierte Darstellung der Datenbankstruktur (eigene
Darstellung)
Die Grundzüge der Organisation von Präsenzlehre lassen sich damit bis in
die abstrakte Ebene der Datenbankstruktur verfolgen. Der Stundenplan, der
sich hier in technisch-struktureller Hinsicht als zentrales Element präsentiert,
schlägt damit den weiten Bogen hin zu einem Verständnis von Lernen und
Wissen, welches auf Kommunikation unter Anwesenden basiert. Denn die
Aufgabe des Stundenplanes in der Präsenzlehre besteht gerade in der strukturierenden raumzeitlichen Organisation der Kopräsenz. Hierauf aufbauend
entfaltet myStudy das Potential des Stundenplanes für die weitere organisatorische Unterstützung der Präsenzlehre.
Wesentliche Aspekte der Konzeption einer internetbasierten Plattform zur
Unterstützung der Präsenzlehre wurden damit auch aus der technischen Perspektive beleuchtet. Zwar ließe sich ein Projekt wie myStudy auch auf der
Basis anderer und sogar proprietärer Technologien aufbauen, jedoch nicht
ohne signifikante Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Diese würden
sich vor allem in den verschiedenen dargestellten Dimensionen der Anschlussfähigkeit des Projektes äußern und daher der Zielsetzung von
myStudy entgegenstehen.
88
6. Schlussbemerkungen
Die Betrachtung der Konzeption der Internetplattform myStudy geht damit
ihrem Ende zu. Daher soll an dieser Stelle zunächst ein Resümee der Argumentationsstränge erfolgen, die in dieser Arbeit vollzogen worden sind.
In einer Phase, in der bildungspolitische Schwerpunkte auf die (partielle)
Virtualisierung der universitären Ausbildung gesetzt werden, schlägt
myStudy die Ergänzung der Präsenzlehre durch den organisationsbezogenen
Einsatz und die flexible Integration von Internettechnologien vor, um damit
im wesentlichen zwei Ziele zu erreichen. Zum einen soll auf diese Weise die
Qualität der wissenschaftlichen Ausbildung nicht durch den kurzsichtigen
Einsatz von technisch determinierten Vermittlungsstrategien gefährdet werden, die - entgegen den weitgehend akzeptierten Erkenntnissen der konstruktivistischen Pädagogik - einen Wissensbegriff implizieren, der sich an der
„Metaphorik des Besitzens, Habens, Gebens und Erhaltens“ (Luhmann
1996, 193) orientiert. Zum anderen steht in Anbetracht des wachsenden Einflusses, den digitale und vernetzte Technologien auf das Alltagsleben nehmen, die Vermittlung von Medienkompetenz im Zentrum der pädagogischen
Bemühungen der Hochschullehre und soll daher durch den Einsatz von myStudy gefördert werden.
e-learning und
Präsenzlehre
Das Votum für die Unterstützung der Präsenzlehre beruht auf der Vorstellung, dass Wissen durch kommunikative Prozesse unter Anwesenden individuell und subjektiv erzeugt wird. Wie gezeigt worden ist, spielen sich diese
Prozesse in Form von wechselseitigen und sinnvollen Anschlüssen von Unterscheidungsoperationen ab, die mit Hilfe der Spencer-Brownschen Gesetze
der Form beschrieben werden können. Dabei wurden drei Arten von Anschlussoperationen spezifiziert - das Nennen, das Kreuzen und das re-entry die in der Folge für eine techniktheoretische Betrachtung von Open SourceTechnologien wieder herangezogen werden konnten.
Technik wurde dabei als die geronnene Form einer Unterscheidung verstanden, die durch ihr reines Funktionieren die Anschlussoperation des Nennens
automatisiert. Dagegen wird das Kreuzen der Unterscheidung, also die Veränderung der Technik und ihrer Funktionsweisen (von ihrer Destruktion abgesehen) durch die Gerinnung der Form weitgehend unterbunden. Die Nutzung der Technik kann schließlich als re-entry der technischen Unterscheidung gewertet werden, als eine Unterscheidung also, welche die Technik zu
ihrem Gegenstand macht und ihre Anwendung im Hinblick auf ein spezifisches Handlungsziel erwägt. In einer solchen Betrachtung lässt sich das
Open Source-Konzept als konsequente Strategie zur Erweiterung von Anschlussmöglichkeiten der verschiedenen Arten verstehen. Open SourceTechnologien zeichnen sich dementsprechend durch ihre zuverlässige Funktion, ihre schnelle und freie technologische ‘Evolution’ sowie durch geringe
Technik und Form
89
Schlussbemerkungen
Nutzungsbarrieren aus. Wie gezeigt wurde sind diese Aspekte für die Verwendung von Open Source-Technologien bei der Entwicklung und dem Betrieb von myStudy von besonderer Relevanz.
Form und
Interfacedesign
Im Lichte dieser techniktheoretischen Feststellungen muss natürlich auch
myStudy selbst als technisches Artefakt verstanden werden und ist insofern
den ausgeführten Beobachtungen unterworfen. Die Anschlussfähigkeit zwischen Technik und Nutzung wird dabei durch das Interface von myStudy sichergestellt, dessen Gestaltung daher ausführlich thematisiert wurde. Die
Praxis des Interfacedesigns hat dabei zweierlei Aufgaben zu bewältigen: einerseits die kohärente Verwendung von visuellen Gestaltungsmerkmalen,
wie sie am Beispiel von myStudy demonstriert wurde, und zum anderen die
konsistente und nachvollziehbare Strukturierung des Informations- und
Kommunikationsangebots, die mit Hilfe der zentralen Metapher des Stundenplanes geleistet wird. Dabei hat sich gezeigt, dass das Interfacedesign
eine Disziplin darstellt, die im Medium der Zeichen operiert und daher mit
Modellen der Zeichentheorie näher analysiert werden kann, wie es im Rahmen dieser Arbeit in Grundzügen erfolgt ist.
Anhand der detaillierten Darstellung von myStudy und unter Bezugnahme
auf die zugundeliegenden theoretischen Ausführungen konnte das Potential
für die Unterstützung der Präsenzlehre an der Universität Lüneburg gezeigt
werden. Die Anschlussfähigkeiten von myStudy auf den verschiedenen Ebenen (Technik, Nutzung und Struktur) sind des Weiteren ausführlich dargelegt
worden.
zukünftige
Entwicklung
90
Darüberhinaus zeigt sich, dass myStudy auch im Hinblick auf die eigene
Weiterentwicklung anschlussfähig ist. Innerhalb der Projektgruppe entstehen
ständig neue Ideen für Veränderungen und Erweiterungen von myStudy.
Während momentan die Öffnung der Plattform für Inhalte diskutiert wird,
die zwar universitäts-, aber nicht unmittelbar studienbezogen sind (z.B. die
Einbindung von Terminen studentischer Organisationen und Initiativen), ist
mittelfristig die Anbindung von myStudy an ein zentrales Accounting im Gespräch, das in Zukunft weitere Leistungen des universitären Rechenzentrums
(wie etwa den Internetaccess) zugänglich machen soll. Bei solchen Überlegungen ist zu berücksichtigen, dass die strenge Abgrenzung von myStudy gegenüber zentralisierten und hierarchischen Strukturen den erheblichen Freiheitsgrad des Projekts und damit, wie erläutert wurde, sein hohes Potential
zur Unterstützung der Lehre sichert. Die intensivere Einbindung in zentrale
Strukturen verspricht zwar einerseits Synergieeffekte und Emergenzen, birgt
andererseits aber Risiken für die Eigenständigkeit und Entwicklungsfreiheit
von myStudy. Der Anschluss an weitere universitäre Strukturen ist daher mit
großer Sensibilität abzuwägen.
Struktur der Datenbanken
Den Betrachtungen der vorliegenden Arbeit wurde eine Theorie der Unterscheidung zugrundegelegt, die feststellt, dass jede Beobachtung als Unterscheidungsoperation zu bewerten ist, die zwangsläufig über eine Innenseite
und eine Außenseite verfügt. Auf ihrer Innenseite bezeichnet sie den Gegenstand der Beobachtung, während auf ihrer Außenseite alles andere unbezeichnet bleibt. Auch die vorliegende Arbeit muss sich demzufolge als eine
solche Unterscheidung begreifen, die eine Selektion dessen vornimmt, was
sie zu bezeichnen sucht. Infolgedessen bleiben an dieser Stelle viele Aspekten unberücksichtigt, die nichtsdestotrotz eine nähere Betrachtung verdient
hätten. Vor allem soll hier festgehalten werden, dass eine Kommunikationsplattform wie myStudy wesentliche Einschnitte in die Kommunikationsprozesse innerhalb der Universität nach sich zieht. Solche Veränderungen äußern sich in einzelnen Fällen sehr konkret und können daher hier abschließend an einem Beispiel illustriert werden.
Unterscheidung
dieser Arbeit
Bevor den Studierenden und Lehrenden der Universität Lüneburg myStudy
als Werkzeug zur Erstellung des Stundenplanes angeboten wurde, erfolgte
dies stattdessen ‘per Hand’ und unter Verwendung des Vorlesungsverzeichnisses in gedruckter Form. Dieses stellt die Lehrveranstaltungen hierarchisch
nach Studiengängen und Fächern geordnet dar, und muss daher dieser Hierarchie folgend sequentiell verarbeitet werden. Die Veranstaltungssuche mit
Hilfe von myStudy erlaubt dagegen die gezielte Auswahl von Lehrveranstaltungen, die zu bestimmten Themen, von bestimmten Dozenten oder zu bestimmten Zeiten angeboten werden. Diese andere Form der Selektion hat
dazu geführt, dass sich häufig fachfremde aber interessierte Studierende einfinden, um eine Lehrveranstaltung zu besuchen, obwohl sie diese nicht für
ihr Studium geltend machen können. Wie diese Veränderungen zu bewerten
sind, soll hier nicht erörtert werden, festzustellen ist allerdings, dass hierdurch ein interdisziplinärer Austausch gefördert wird.
Der Einsatz von myStudy hat, wie dieses Beispiel zeigt, nicht nur jene Folgen, dererwegen die Plattform konzipiert wurde. Vielmehr haben veränderte
Kommunikationsstrukturen auch Konsequenzen auf der sozialen Ebene, die
mit Sproull/Kiesler als „second-level effects“ (Sproull/Kiesler 1991, 15) bezeichnet werden können. Es handelt sich also um Auswirkungen zweiter
Ordnung, die erst längerfristig zu beobachten und schwer vorherzusagen
sind, nichtsdestotrotz aber essentielle Folgen für die universitäre Lehre haben. Insbesondere ist dabei zu beachten, dass jene Kommunikationen, die
myStudy ermöglicht, den dargestellten Kanalbeschränkungen und technischen Normierungen unterworfen sind. Daher darf das Nutzungsziel von
myStudy nicht die Bündelung sämtlicher organisationsbezogener Kommunikationen sein, sondern muss in erforderlichen Fällen Freiräume für die persönliche Interaktion lassen, deren Stellung nicht geschwächt, sondern gestärkt werden soll.
second-level
effects
91
Quellenverzeichnis
7. Quellenverzeichnis
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97
Selbständigkeitserklärung
Selbständigkeitserklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Magisterarbeit selbständig
verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel und Quellen verwendet habe.
Timo Leder
Hamburg, 30.05.2003