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myStudy: Zur Konzeption einer internetbasierten Kommunikationsplattform zur Unterstützung der Präsenzlehre Magisterarbeit im Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften Studiengebiete Sprache und Kommunikation, Kulturinformatik Vorgelegt von Timo Leder Matrikelnummer: 999315 am 31.05.2003 Erstprüfer: Walter Uka Zweitprüfer: Dr. Rolf Großmann Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 3 2. myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre 7 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 Form und Grenze Grenzen und Anschlussfähigkeit Konstruktivismus und Form Konstruktivistische Lerntheorie e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien 3. Form und Technik 3.1 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls 3.2 Aspekte von Open Source-Technologien 3.3 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht 4. Form und Interfacedesign 4.1 Das Interface zwischen Artefakt und Anwender 4.2 Visualität und Information 4.3 Design als Verwendung von Zeichen 5. Zur Umsetzung von myStudy 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Verortung von myStudy im universitären Kontext Der Stundenplan als Interface Darstellung von myStudy Visuelle Gestaltung Verwendete Technologien Struktur der Datenbanken 7 14 18 21 23 28 31 31 38 44 47 48 51 55 62 62 63 65 75 78 86 6. Schlussbemerkungen 89 7. Quellenverzeichnis 92 7.1 Literatur 7.2 Internetquellen 92 96 1 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Alte Hexe und junges Mädchen 11 Abbildung 2: Ontologisches Designdiagramm (eigene Darstellung; nach Bonsiepe 1996, 20) 48 Das Interface in der Beziehung zwischen Anwender und Artefakt (eigene Darstellung) 50 Abbildung 4: Dimensionen der Semiose nach Morris (vgl. Nadin 1988, 271) 56 Abbildung 5: Zeichenklassifikation nach Peirce (vgl. Nadin 1988, 271) 58 Abbildung 6: Darstellung eines Hyperlinks mit Mauszeiger (Screenshot) 59 Abbildung 7: Ansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot) 66 Abbildung 8: Aufbau der Suchmaske in der Veranstaltungssuche und Anzeige der Suchergebnisse (Screenshot) 68 Druckansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot) 69 Abbildung 3: Abbildung 9: Abbildung 10: Stundenplanansicht mit Ausschnittvergrößerung einer eingetragenen Lehrveranstaltung (Screenshot, eigene Darstellung) 70 Abbildung 11: Interface des Informations- und Kommunikationspanels in der Ansicht für Studierende (Screenshot, Ausschnitt) 71 Abbildung 12: Differenzierung der Rechteverwaltung in der Anmeldung zur Nutzung von myStudy (Screenshot) 74 Abbildung 13: Verwaltungswerkzeug zur Administration der myStudy-Datenbestände (Screenshot) 75 2 Abbildung 14: Schematische Darstellung des Seitenlayouts (eigene Darstellung) 77 Abbildung 15: Client-Server-Architektur und Darstellung einer HTTP-Anfage mit PHP-Interpretation (eigene Darstellung) 82 Abbildung 16: Datenbankstruktur von myStudy (eigene Darstellung) 87 Abbildung 17: Reduzierte Darstellung der Datenbankstruktur (eigene Darstellung) 88 1. Einführung „I believe that the motion picture is destined to revolutionize our educational system and that in a few years it will supplant largely, if not entirely, the use of textbook.“ (Thomas Edison 1922)1 Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass multiund hypermediale Technologien ein großes Potential für die Anwendung im Rahmen der universitären Lehre haben. Zugleich hat die intensive technologische Durchdringung des Alltags dazu geführt, dass die Kompetenzen in der Nutzung dieser Medien einen besonders hohen Stellenwert im Ausbildungsprofil heutiger Hochschulabsolventen einnimmt. Heute ist diese Entwicklung an einem Punkt angekommen, an dem vielerorts darüber nachgedacht wird, das Modell der Präsenzlehre, wie es an den deutschen Universitäten praktiziert wird, neu zu überdenken und ganz oder teilweise durch die Verwendung von Internet- und Multimediatechnologien zu substituieren. Unter dem Schlagwort e-learning wurden daher in den letzten Jahren umfangreiche Anstrengungen zur Entwicklung virtueller, zumeist hypermedialer Lernangebote unternommen. In der Bildungspolitik ist die Entwicklung von e-learning-Plattformen vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil in der Bereitstellung von effizienten Angeboten für die Aus- und Weiterbildung ein erhebliches Marktpotential auf einem freien Bildungsmarkt erkannt wird. Auch im Rahmen betrieblicher Weiterbildung finden e-learning-Konzepte immer größere Beachtung. Für das Jahr 2004 werden europaweit betriebliche Investitionen in e-learning-Systeme in Höhe von etwa 4 Milliarden Euro erwartet.2 e-learning Mit Hilfe von e-learning-Plattformen soll Lernenden die Möglichkeit gegeben werden, sich Wissen in einer selbstbestimmten sowie raumzeitlich unabhängigen Art und Weise anzueignen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll jedoch gezeigt werden, dass diesen Strategien ein Verständnis von Wissen und Lernen zugrundeliegt, welches unter Berücksichtigung von unterscheidungstheoretischen Ansätzen in Frage gestellt werden muss. Die Effektivität von e-learning-Systemen muss infolgedessen problematisiert werden. Doch sollen die Folgerungen, die hieraus gezogen werden, keinesfalls in reaktionärer Manier den Einsatz von vernetzten Technologien im Rahmen der universitären Lehre verneinen. Vielmehr soll die organisatorische Unterstützung der universitären Präsenzlehre durch Internet- und Multimedia-Techno- 1 2 Ergänzung der Präsenzlehre Zitiert nach Oppenheimer 1997, 45. Diese Zahl geht aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert und Partner hervor (vgl. Mummert u. a. 2002 [online]). 3 Einführung logien vorgeschlagen werden, um auf diesem Wege einerseits die Medienkompetenz von Lernenden und Lehrenden zu fördern und darüberhinaus die Präsenzlehre von organisatorischen Aspekten zu entlasten und in dieser Hinsicht zu unterstützen. myStudy Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die internetbasierte Kommunikationsplattform myStudy vorgestellt, die bewusst auf die Unterstützung der Präsenzlehre ausgerichtet ist, statt eine Virtualisierung der Lehre zu verfolgen. myStudy ist ein Projekt der Abteilung Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken (.dok) des Rechen- und Medienzentrums der Universität Lüneburg. Den Studierenden und Lehrenden der Universität wird durch dieses Projekt eine Kommunikationsplattform zur Verfügung gestellt, die es erlaubt, anhand des Vorlesungsverzeichnisses einen persönlichen Stundenplan zu erstellen und passwortgeschützt abzuspeichern. Gleichzeitig dient myStudy als Schnittstelle zwischen Lehrenden und Studierenden zur organisatorischen Unterstützung der Lehre. Um das zentrale Element des Stundenplanes als Orientierungs- und Motivationspunkt gliedern sich verschiedene Informations-, Kommunikations- und Distributionsfunktionen, welche zur Unterstützung und Organisation der Präsenzlehre eingesetzt werden können. Lehrende haben durch einen privilegierten Zugang zu dem System die Möglichkeit, Informationen zu ihren Lehrveranstaltungen bereitzustellen und zu aktualisieren sowie Lehrmaterialien zum Download anzubieten. Einen Überblick über die verschiedenen Funktionsbereiche gibt die folgende Darstellung: Information - personalisierte Stundenpläne - detaillierte Informationen zu jeder einzelnen Veranstaltung - Bereitstellung von Seminarplänen - Verweise auf Webseiten von Veranstaltungen - Suche im Vorlesungsverzeichnis Kommunikation - veranstaltungsspezifische Blackboards - aktuelle Hinweise von Lehrenden an Studierende - seminarspezifische E-Mail-Listen - Anmeldung zu Seminaren Distribution - Up- und Download von Lehrmaterialien Tabelle 1: Funktionen der myStudy-Plattform 4 Während das ursprüngliche Ziel bei der Entwicklung von myStudy darin bestand, auf den Webseiten der Universität die Möglichkeit zu schaffen, einen persönlichen Stundenplan zu erstellen und auszudrucken, wurde relativ schnell deutlich, dass diese internetbasierten Stundenpläne eine Struktur bilden, die weitergehend für die Unterstützung der Präsenzlehre genutzt werden kann. Zielsetzung von myStudy Die Verwendung von myStudy bietet seinen Nutzern den Vorteil, eine Vielzahl von studienrelevanten Informationen zentral abrufen zu können. Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, welche zuvor dezentral an verschiedenen Instituten und Lehrstühlen angeboten wurden (z.B. durch Aushänge an schwarzen Brettern), werden auf diese Weise gebündelt und sind auch von auswärtigen Studierenden einfach über das Internet wahrzunehmen. Andersherum können Lehrende mit Hilfe von myStudy die Aktualisierung sämtlicher Informationen zu allen von ihnen angebotenen Lehrveranstaltungen zentral vornehmen. An der Schnittstelle zwischen Lehrenden und Studierenden entstehen so neue Kommunikationsräume, in denen ein studienbezogener Austausch stattfinden kann. myStudy ist im Internet unter der URL http://mystudy.uni-lueneburg.de zu finden. Der detaillierten Betrachtung von myStudy und seinem Potential zur Unterstützung der universitären Lehre sollen zunächst einige theoretische Ausführungen vorangestellt werden, welche die Begriffe Form und Grenze als zentrale Kriterien für die weiteren Betrachtungen vorschlagen. Unter Bezugnahme auf die Unterscheidungstheorie des Mathematikers George SpencerBrown werden diese und angrenzende Begriffe hergeleitet und für die Fundierung von konstruktivistischen Ansätzen in der Lerntheorie herangezogen. Aus dieser Perspektive soll die Problematik von e-learning und Präsenzlehre beleuchtet werden, um das Votum für eine Internetplattform zur Unterstützung der Präsenzlehre zu rechtfertigen und die Stellung von myStudy in diesem Spannungsfeld zu verorten. Gang der Untersuchung Diese Beobachtungen, die sich also mit der Zielsetzung von myStudy und ihren theoretischen Bezügen beschäftigen, liefern die Grundlage, auf der weitere konzeptionelle Entscheidungen reflektiert und getroffen werden müssen. Für die vorliegende Arbeit sind hierbei vor allem zwei Aspekte signifikant: zum einen die Auswahl der verwendeten Technologien und zum anderen die Gestaltung der Benutzerschnittstellen. Für die Entwicklung und den Betrieb von myStudy wurden fast ausnahmslos Open Source-Technologien und offene Standards verwendet. Aus diesem Grund ist es angebracht, die spezifischen Eigenarten dieser Technologien zu untersuchen, um ihre Bedeutung für die Konzeption von myStudy zu erfassen. Die gewählte Theoriegrundlage von Spencer-Brown wird sich auch in Open Source 5 Einführung dieser Hinsicht als hilfreich erweisen und die Begriffe liefern, mit denen sich die Vorteile von Open Source-Technologien für myStudy beschreiben lassen. Interfacedesign Während die technologischen Fragen ihre Relevanz stärker auf der Seite der Entwicklung und Administration von myStudy zeigen, spielt für die Nutzung einer Kommunikationsplattform die Gestaltung der Benutzerschnittstellen die zentrale Rolle. Daher muss im Rahmen der Konzeption von myStudy das Problem des Interfacedesigns beleuchtet werden, dessen Bewältigung einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg in Bezug auf die oben dargestellte Zielsetzung hat. Die Gestaltung einer Benutzerschnittstelle muss dabei als die Verwendung von Zeichen gedeutet werden. Infolgedessen ist die Berücksichtigung von zeichentheoretischen Modellen bei der Untersuchung von Gestaltungsaspekten unerlässlich und kann für die Betrachtung von Designentscheidungen wertvolle Hinweise liefern. Auf der Basis dieser theoretischen Reflexionen sollen die Feststellungen und Folgerungen anhand einer praxisorientierten Betrachtung von myStudy nachvollzogen und belegt werden. Im Zuge einer detaillierten Beschreibung des Systems, seiner Techologien und Oberfächen sollen die verschiedenen Aspekte daher wieder aufgenommen werden. Die Plattform myStudy soll damit als eine sinnvolle und effektive Lösung im Rahmen eines Ergänzungsmodells von Präsenzlehre und vernetzten Technologien beschrieben werden. Darüberhinaus sollen die praktischen Entscheidungen, die im Zuge der Entwicklung und Gestaltung von myStudy getroffen worden sind, theoretisch reflektiert werden, nicht zuletzt, um damit Hinweise für vergleichbare Projekte zu liefern. 6 Form und Grenze 2. myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre Mit der Entscheidung, eine Kommunikationsplattform für die Unterstützung der Präsenzlehre zu entwickeln, hat man sich an der Universität Lüneburg für ein Modell entschieden, das auf die Ergänzung herkömmlicher Methoden der Präsenzlehre durch vernetzte Technologien baut. Im Gegensatz hierzu stehen gegenwärtig e-learning-Systeme, die eher auf den Ersatz von Präsenzlehre durch multimediale und vernetzte Techniken abzielen, wesentlich stärker im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die Befürworter der Entwicklung von e-learning-Plattformen sehen in der Förderung dieses Substitutionsmodells die Bedingungen der Möglichkeit eines kostengünstigen, delokalisierten und zeitlich entgrenzten Lernens. Der qualitative Erfolg eines solchen Modells muss jedoch in Frage gestellt werden. Im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien soll hier die These verfolgt werden, dass die Vertreter eines Substitutionsmodells an den Vorraussetzungen für eine nachhaltig erfolgreiche universitäre Lehre vorbei denken. Den theoretischen Unterbau hierfür soll zunächst die von George Spencer-Brown vorgeschlagene Betrachtung der Begriffe Form und Grenze liefern, die für die Entwicklung einer systemtheoretischen und konstruktivistischen Anschauung der kommunikativen und kognitiven Prozesse des Lernens zentral sind. Darüber hinaus zeigen sich in der Herleitung dieser Begriffe wertvolle Grundlagen für das Selbstverständnis eines jeden Beobachters, die somit auch für die Beobachtungen der vorliegenden Arbeit ihre Gültigkeit bewahren. 2.1 Form und Grenze Der Begriff der Grenze ist in der Vielschichtigkeit seiner möglichen Verwendungen merkwürdig undefiniert. Zumeist wird die Grenze als Phänomen des Raumes erfahren, jedoch ist selbst im alltäglichsten Sprachgebrauch eine Vielzahl weiterer Verwendungsarten üblich. Die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, welche die Grenzen von Theorien, Sichtweisen oder Denkarten aufzeigen, scheint unüberschaubar, allerdings sind die theoretischen Auseinandersetzungen mit dem Begriff und seiner eigentlichen Idee deutlich seltener. Dabei sprechen bereits „die ersten [überlieferten; T.L.] Sätze der abendländischen Philosophie [...] von der Grenze als einem zentralen Begriff“ (Wokart 1995, 275). Der griechische Philosoph Anaximander aus Milet (611-546 v. Chr.) formulierte diese und versteht die Grenze als einen Begriff, „ohne den die Welt denkerisch nicht erschlossen werden könnte“ (Wokart 1995, 276). Es soll an dieser Stelle eine Betrachtung erfolgen, welche den Grenzbegriff nicht in Bezug auf einen bestimmten Diskurs im Sinne einer Grenze von etwas versteht, sondern vielmehr die Grenze als etwas thematisiert. Im Folgenden wird sich zeigen, dass eine solche Anschauung einen Rückbezug der 7 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre Idee Grenze auf sich selbst bedeutet und mit Baecker als ein „Wiedereintritt der Unterscheidung in den Bereich des von ihr Unterschiedenen“ (Baecker 1999, 24f) bzw. mit Spencer-Brown als „re-entry“ (Spencer-Brown 1977, 56ff) verstanden werden kann. Für die Problematik der vorliegenden Arbeit ist diese Betrachtung auch deshalb von Bedeutung, da es mit ihrer Hilfe möglich ist, zu Beobachtungen zu gelangen, welche die eigene Position und Perspektive nicht außer Acht lassen. Grenze von innen In der alltäglichen wie in der wissenschaftlichen Verwendung des Begriffes fällt eines sehr deutlich auf: Die Idee der Grenze wird meist von innen her gedacht. Wenn beispielsweise bei John R. Searle von den „Grenzen der künstlichen Intelligenz“ (Searle 1997) die Rede ist, dann nähert sich der Leser dem Problem der Grenze von innen, indem er nachvollzieht, wo die Fähigkeiten einer Computerintelligenz aufhören. Wenn von den Grenzen eines Nationalstaates gesprochen wird, so ist der inhaltliche Rückbezug stets der Nationalstaat und nicht der Rest der Welt, aus dem mit Hilfe der Grenze ein bestimmter Teil herausgeschnitten wird. Es scheint, als würde man mit dem Begriff der Grenze lediglich eine Definition dessen vornehmen können, was man gedanklich einschließen nicht aber ausschließen will. Die Grenze bekräftigt einen Unterschied, eine Differenz des Eingeschlossenen gegenüber dem Rest. Oder mit anderen Worten: Bei dem Wechsel von der einen Seite der Grenze zur anderen ergeben sich Veränderungen, welche durch den Begriff der Grenze angezeigt werden. Es wird damit ein Selektionskriterium geliefert, dessen Folge die Binarität von Zustimmung und Ablehnung, von Einschluss und Ausschluss bzw. von Diesseits und Jenseits der Grenze ist. Gesetze der Form Dass diese Anschauung zu kurz greift, zeigt George Spencer-Brown in seinem Kalkül „Gesetze der Form“ (Spencer-Brown 1999), mit dem er eine Theorie der Begriffe Form und Grenze liefert. Jahrelang wurde er für ein alter ego Luhmanns gehalten3, der die Gesetze der Form für die Konstruktion der System-Umwelt-Architektur in seinen systemtheoretischen Arbeiten herangezogen hat4. Mit dem Erscheinen der ersten deutschen Augabe 1997 ist er im hiesigen Sprachraum einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden. Spencer-Brown selbst beschreibt sein Werk als mathematisches Kalkül, welches an einem Punkt beginnt, welcher der Logik vorausgehend und „soweit degeneriert ist, dass wir herausfinden können, dass die Ideen von Beschreibung, Bezeichnung, Namen und Anweisungen auf dasselbe hinauslaufen können.“ (Spencer-Brown 1999, 70) 3 4 8 Rudolf Maresch gibt in seinem Telepolis-Artikel zum Erscheinen der deutschen Übersetzung der Laws of Form an, das Formenkalkül sei jahrelang für ein Hirngespinst Luhmanns gehalten worden (vgl. Maresch 1998 [online]). (Vgl. z.B. Luhmann 1996, 24ff.) Der Bezug zu Spencer-Brown taucht in einer Vielzahl von Luhmanns Schriften ab Mitte der achtziger Jahre auf. Form und Grenze Der Ort des Ursprungs seines Kalküls sei derart „primitiv“, dass Begriffe wie richtig und falsch, aktiv und passiv und andere Gegensatzpaare als ineinander kondensiert verstanden werden könnten (Spencer-Brown 1999, 72). Die Überlegungen auf diesem grundlegenden Niveau seien daher auch von jedem intelligenten sechsjährigen Kind zu verstehen (Spencer-Brown 1999, XV), während erwachsene Menschen von der allgegenwärtigen Anwendung einer zweiwertigen Booleschen Logik schon derart verdorben seien, dass ihnen das Verständnis der Gesetze der Form oftmals außerordentlich schwer falle. Spencer-Brown beginnt sein Kalkül mit der Anweisung: „Triff eine Unterscheidung“ (Spencer-Brown 1999, 3). Jede Unterscheidung, die ein Leser in Folge dieser Anweisung treffen mag, beruht auf der Teilung eines Raumes5 in zwei Seiten der Unterscheidung. Die Innenseite der Unterscheidung wird bezeichnet, während die andere Seite unbezeichnet bleiben muss. Die Unterscheidung schneidet mittels der Markierung des Bezeichneten einen bestimmten Teil aus dem Raum des unmarkiert bleibenden Restes heraus. Sie produziert somit eine Form, welche stets als „Zwei-Seiten-Form“ (Baecker 1993, 11) verstanden werden muss, da sie eine Innenseite und eine Außenseite impliziert, und installiert in der ehemals vollkommenen Symmetrie des ununterschiedenen Raumes die Asymmetrie eines Gefälles, in welchem die Innenseite in aller Regel höher bewertet wird als ihr Komplement. Für den Spencer-Brownschen Formbegriff ergeben sich damit im Ganzen drei Werte: die beiden Seiten der Unterscheidung sowie die dazwischenliegende Grenze. Allerdings liegt es in der Natur der Bezeichnung, dass sie nicht gleichzeitig darauf verweisen kann, dass sie anderes unbezeichnet lässt. Schließlich erkennt sie sich selbst nicht als Unterscheidung, Zwei-Seiten-Form „denn die Bezeichnung verdeckt sowohl die Unterscheidung wie den Umstand, dass sie getroffen und dass sie von mir getroffen wird. All das, die Außenseite der Unterscheidung, die Unterscheidung selbst und den Umstand, dass ein Beobachter sie trifft, kann man nur sehen, wenn man entsprechende [neue; T.L.] Bezeichnungen vornimmt.“ (Baecker 1999, 24) Auf der Basis dieser Formbildung werden drei Anschlussoperationen möglich. Zunächst stellt Spencer-Brown das Gesetz des Nennens vor: „Der Wert einer nochmaligen Nennung ist der Wert der Nennung“ (Spencer-Brown 1999, 2). Diese Operation kann im Sinne einer Bestätigung interpretiert werden, welche den Wert der Unterscheidung bekräftigt. Zweitens führt er das Gesetz des Kreuzens ein: „Der Wert eines nochmaligen Kreuzens ist nicht der Wert des Kreuzens“ (Spencer-Brown 1999, 2). Das Kreuzen der 5 Die Verwendung des Begriffes Raum ist ideell zu verstehen. Sie bezieht sich nicht auf einen physischen Raum. Der physisch-lokale Raum kann aber konsequenterweise als Spezialfall der hiesigen Betrachtung eingeschlossen werden. 9 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre Unterscheidung meint das Übertreten der Grenze, welche die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenseite installiert hat. Die Unterscheidung wird damit egalisiert, womit jede weitere Anschlussmöglichkeit des Nennens oder Kreuzens gelöscht wird.6 Mit Hilfe dieser beiden Denkfiguren ist es Spencer-Brown möglich, beliebig erweiterbare Arrangements von Unterscheidungen zu formulieren, welche sich stets wieder auf den markierten oder den unmarkierten Zustand zurückführen lassen. re-entry Erst die dritte Operation ist, wie es Baecker formuliert, „der eigentliche Skandal des Kalküls“ (Baecker 1999, 24). Es handelt sich um die Figur des „re-entry“, um den „Wiedereintritt in die Form“ (Spencer-Brown 1999, 60ff). Das Kalkül wird in dieser Anschlussoperation rückgekoppelt, indem die Form auf sich selbst rekurriert. Was aber geschieht hier mit der Unterscheidung? Die Unterscheidung lässt, bereits während sie getroffen wird, eine Paradoxie entstehen. Genau genommen muss sie als Anweisung eigentlich schon vorliegen, bevor sie getroffen werden kann. In Ermangelung einer Anweisung aber zieht sich die Unterscheidung paradoxerweise nach dem order-fromnoise-Prinzip7 am eigenen Schopf aus der Einheit des „unmarked state“ (Spencer-Brown 1977, 3).8 Sie wird vollzogen und wird gleichzeitig als Unterscheidung für sich selbst und andere beobachtbar. Das aber heißt nichts anderes, als dass die Unterscheidung selbst bezeichnet wird. Sie wird als Form auf der Innenseite der Unterscheidung unterschieden. Der Wiedereintritt ermöglicht damit ein Oszillieren zwischen Innenseite und Außenseite der Unterscheidung, welches nicht durch ein ständiges Kreuzen der Grenze, nicht im Sinne der Bestätigung oder Aufhebung der Grenze vor sich geht, sondern das durch die Existenz eines äußeren Beobachters evoziert wird. alte Hexe oder junge Frau? Dieser Sachverhalt soll an einer bekannten Beispiel aus der Wahrnehmungslehre verdeutlicht werden. Die Abbildung 1 zeigt zunächst eine Komposition aus schwarzen Linien und Flächen auf weißem Grund. 6 7 8 10 Niklas Luhmann misst der Operation des Kreuzens Kreativität bei, da sie im Gegensatz zur Nennung keine reine Wiederholung darstellt (vgl. Luhmann 1999a, 61). Dieses order-from-noise-Prinzip wurde erstmals von Heinz von Foerster vorgestellt. Foerster hat gezeigt, dass die Ordnung eines System zwar abhängig von dessen innerer Struktur ist, dass aber die Manifestation dieser Ordnung nur aus dem Chaos bzw. Rauschen (noise) heraus möglich ist. Rauschen ist mithin konstituierend für Ordnung. Die Unterschiede zwischen Spencer-Brown und Foerster sind rein begrifflicher Natur. Der Zustand des Chaos ist die perfekte Symmetrie, ein vollkommenes Kräftegleichgewicht. Die Foerstersche Ordnung bedeutet die Spencer-Brownsche Asymmetrie der Unterscheidung, welche die Einheit des Raumes aufbricht. (vgl. Foerster 2001, 199f; Luhmann 1994, 122f) Die Fähigkeit, Unterscheidungen trotz fehlender Anweisung zu treffen, könnte man in Bezug auf Luhmann ebenfalls als Kreativität bezeichnet (siehe Fußnote 5) Es zeigt sich hierin die Verwandtschaft der ersten Unterscheidung mit dem Kreuzen der Grenze. Form und Grenze Abbildung 1: Alte Hexe und junges Mädchen Hat das Auge erst einmal Formen und Strukturen unterschieden, so sehen verschiedene Beobachter entweder das Bild einer alten Hexe oder das einer jungen Frau. Zwar ist der Beobachter nach kurzer Übung durchaus in der Lage, die Wahrnehmung zwischen alter Hexe und junger Frau hin und her zu schalten, doch ist es unmöglich beide auf einmal zu sehen. Die Bezeichnung Alte Hexe verdeckt die Außenseite der Unterscheidung, zu der auch das Junge Mädchen gehört. Wer das Junge Mädchen bezeichnet, nimmt eine andere Unterscheidung vor und lässt folglich die Alte Hexe unbezeichnet. Beide Seiten der Unterscheidung auf einmal zu bezeichnen, ist dem Beobachter nicht möglich. Stattdessen passiert etwas Sonderbares: Die Paradoxie, welche uns beim Wechsel zwischen beiden Wahrnehmungen gegenwärtig wird, das Befremden über ein Bild, welches zugleich ein junges Mädchen und eine alte Hexe zeigt, lässt - wie hier in diesen Zeilen - die Wahrnehmung selbst zum Gegenstand der Beobachtung werden. Damit wird der Wiedereintritt der Wahrnehmung in die Wahrnehmung bzw. der Form in die Form vollzogen. Spencer-Brown gelangt mit seinen Überlegungen auf mathematisch formalem Wege zu der Denkfigur der Autoreferenz bzw. Rückkopplung, welche ebenfalls grundlegend für Norbert Wieners Kybernetik ist (vgl. Wiener 1969, 124ff). Wiener bleibt mit seinen Herleitungen allerdings im Bereich der Booleschen Algebra (vgl. Wiener 1969, 150), den Spencer-Brown mit den Gesetzen der Form zu überwinden sucht. Während die Boolesche Algebra lediglich zwei Werte kennt, nämlich richtig und falsch, und auf diese Weise zwei Anschlussoperationen erlaubt, nämlich Annahme oder Ablehnung, installiert Spencer-Brown die Unterscheidung selbst und so auch ihre eigene Rückkopplung als dritten Wert. Ein Beobachter hat nun die Möglichkeit, eine Aussage nicht nur anzunehmen oder abzulehnen, er kann sie im Spencer-Brownschen Sinne auch unentschieden zurückweisen, indem er die Unterscheidung, welche von der Aussage vorgenommen wird, nicht mitträgt9. Der Beobachter unterscheidet mithin die Unterscheidung selbst und Kybernetik und Form 11 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre kann auf diese Weise aus ihrer Innenseite heraus, aber auch wieder in sie hinein treten. Kybernetik zweiter Ordnung Mit dieser Interpretation des Kalküls ergeben sich große Ähnlichkeiten zwischen diesem und der Kybernetik zweiter Ordnung von Heinz von Foerster.10 Deren Konstrukt der Beobachtung zweiter Ordnung, welche Luhmann in die Systemtheorie übernommen hat, gleicht der Figur des re-entry. Den Unterschied von Kybernetik erster und zweiter Ordnung definiert Heinz von Foerster folgendermaßen: „Ich schlage vor, die Kybernetik von beobachteten Systemen als Kybernetik erster Ordnung zu betrachten; die Kybernetik zweiter Ordnung ist dagegen die Kybernetik von beobachtenden Systemen.“ (Foerster 2001, 73) Foerster erklärt damit die Beobachtung zweiter Ordnung programmatisch zum Leitbegriff seiner Kybernetik. Auf diese Weise will Foerster die blinden Flecken der Beobachtungen erster Ordnung sichtbar machen und zu Aussagen gelangen, welche unabhängig von Beobachterperspektiven sind, also unabhängig von der Art und Weise, wie Beobachter Unterscheidungen treffen. Am Beispiel des Bildes, das zum einen die Hexe und zum anderen die junge Frau zeigt, wäre die Beobachtung zweiter Ordnung also die Wahrnehmung der verschiedenen Wahrnehmungsmöglichkeiten und der begleitenden kognitiven Prozesse. Form von myStudy Die wichtigsten Aspekte des Formbegriffs sind nun dargestellt worden. Es ist daher an der Zeit, diese Erläuterungen in den Kontext der Problemstellung der vorliegenden Arbeit zu setzen. Ziel der obigen Ausführungen ist es, dem Leser mit dem Vokabular von Form, Grenze und Unterscheidung ein Werkzeug an die Hand zu geben, welches ihn in die Lage versetzt, myStudy und angrenzende Problembereiche sinnvoll zu betrachten und einzuordnen. Gleichzeitig ist der Formbegriff auch notwendig, um die eigene Beobachterposition des Verfassers zu reflektieren, die deshalb eine besondere ist, weil dieser auch zum Entwicklerteam von myStudy gehört. Dieser Umstand macht ihn auf der einen Seite zu einem Spezialisten in Bezug auf die Fragestellung, auf der anderen Seite zu einem Beobachter, der in besonderer Weise mit dem Problem der Unterscheidung befasst ist. Soll das Unternehmen dieser Arbeit gelingen, muss eben jener beschriebene Wiedereintritt ge9 10 12 Niklas Luhmann beschreibt dies anhand der Unterscheidungen von Code und Referenz. Eine Aussage kann nach einem Code angenommen oder abgelehnt werden (z.B. richtig/falsch), während sie unter Berücksichtigung der Unterscheidung Selbstreferenz/Fremdreferenz z.B. als nicht relevant zurückgewiesen werden kann (vgl. Luhmann 1992, 29ff). Heinz von Foerster war das Werk Spencer-Browns frühzeitig bekannt. Er schrieb im Jahre 1969 eine außerordentlich lobreiche Besprechung der englischen Erstausgabe der „Gesetze der Form“ für den Whole Earth Catalogue und machte das Kalkül damit in Kybernetikerkreisen bekannt. Form und Grenze leistet werden: Der Beobachter muss seine eigenen Beobachtungen beobachten. Nur so kann er von seinen getroffenen Unterscheidungen abstrahieren und zu Aussagen gelangen, die auch ’außerhalb’ von myStudy Gültigkeit besitzen. Auf der Grundlage des Formbegriffs ist es möglich, mit den einhergehenden Schwierigkeiten umzugehen, indem ein Beobachterstandpunkt zweiter Ordnung eingenommen und reflektiert wird. Wir gehen also davon aus, dass jede Beobachtung auf dem Umstand beruht, dass mit ihr anderes von der Beobachtung ausgeschlossen wird. Die Tatsache, dass beobachtet wird, sowie die Fragen danach, wie beobachtet wird, was und was nicht beobachtet wird, können nur durch eine Betrachtung der ‘Form’ von myStudy beleuchtet werden. Eine solche Betrachtung richtet sich nicht nur auf den Funktionsumfang von myStudy, sondern auch auf die Wahl der Technologien und die Gestaltung des Interfaces. Und selbst dies bliebe vordergründig, wenn man nicht dem Umstand Rechnung tragen würde, dass es sich um eine Plattform zur Kommunikation in der Präsenzlehre handelt. Es ist also die Frage zu stellen, wie sich eine Universität sieht, die ein System wie myStudy zur Unterstützung der Präsenzlehre entwickelt und anwendet, statt ihre Anstrengungen in das Angebot einer e-learning-Plattform zu investieren. Eben diese Frage soll in den folgenden Abschnitten behandelt werden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann eine Anwendung wie myStudy als eine ’geronnene’ Form der Unterscheidung verstanden werden.11 Sie stellt eine Ansammlung von Unterscheidungen dar, die durch ihre Programmierer und Gestalter in bestimmten Phasen der Entwicklung getroffen worden sind und die nun in der Funktion der Technik automatisiert sind. Solange die Technik funktioniert, werden die in Ihr geronnenen Unterscheidungen durch das Gesetz des Nennens bestätigt. Das Kreuzen der Grenze ist dagegen nicht möglich, solange man kein Programmierer ist, der Zugriff auf den Quellcode hat, um die Funktionen des Programms umzuschreiben, neue Funktionen hinzuzuprogrammieren oder vorhandene zu entfernen. Hier zeichnet sich ab, dass die Stellung von Open Source-Technologien eine besondere ist, da hier die Möglichkeit des Kreuzens, durch die Offenlegung des Quellcodes offener handhabbar ist als bei proprietären Angeboten.12 11 12 Gerinnung der Form Das Verständnis von Technik als geronnene Form von menschlichen Handlungen und Entscheidungen geht auf Max Weber zurück: „Eine leblose Maschine ist geronnener Geist“ (Weber 1988, 332). Unter dem Ausdruck proprietäre Software wird jene Software zusammengefasst, deren Quellcode durch die Urheberrechte des Eigentümers (englisch: proprietor) geschützt wird und daher nicht einsehbar ist. Die Freigabe des Quellcodes erlaubt es dagegen dem Benutzer, Änderungen an der Software vorzunehmen. Diese auf den Benutzer übertragene Freiheit macht Open Source-Strategien gegenüber Krisensituationen relativ unempfindlich. Die Stabilität des Linux-Betriebssystems dient hierfür als Hinweis. Diese und angrenzende Fragen werden im dritten Kapitel ausführlicher bearbeitet. 13 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre Die Beschreibung von myStudy als geronnene Form von Unterscheidungen darf nicht als Starrheit missverstanden werden. Es handelt sich vielmehr um ein dynamisches System, in welchem sich durch seine Nutzung Strukturen herausbilden, die wiederum als Unterscheidungen anzusehen sind. Sie impliziert, das ein Nutzer bei der Anwendung einer Unterscheidung ein Handlungsmotiv hat, ein Ziel, das er mit der Unterscheidung verfolgt, das aber mit ihr selbst nicht zu verwechseln ist. 2.2 Grenzen und Anschlussfähigkeit Wie erläutert wurde, markiert der Begriff der Grenze die Teilung eines Raumes in eine Innen- und eine Außenseite. Die landläufige Verwendung des Begriffs impliziert oft, dass eine Überwindung dieser Grenze wenn auch nicht unmöglich, so doch aber mit erheblichen Anstrengungen verbunden ist. Wer an seine Grenzen gelangt, kann meist nicht über diese hinausgehen, und wenn doch, so scheint dies die erwähnenswerte Ausnahme der Regel zu sein. Der Grenzbegriff, wie ihn Spencer-Brown beschreibt, unterscheidet sich von der üblichen Verwendung, denn wie schon im vorhergehenden Abschnitt angedeutet wurde, ist die Grenze Voraussetzung für verschiedene Anschlussmöglichkeiten. Die Operationen des Nennens und des Kreuzens sowie das re-entry werden erst auf der Grundlage der vorgängigen Unterscheidung möglich. Sie markiert somit nicht das Ende von etwas, sondern gerade den Anfang von vielen weiteren Unterscheidungen, die sich kaskadisch fortsetzen.13 Begrenzung und Entgrenzung können insofern als einander konstituierende Phänomene gedeutet werden. Offenheit und Geschlossenheit Dieser Zusammenhang kann in Anlehnung an Niklas Luhmann näher beschrieben werden. Zwar können hier nur einzelne Aspekte der Systemtheorie angeführt werden, jedoch ist festzuhalten, dass die Systemtheorie die „allgemeinen Eigenschaften der Zwei-Seiten-Form am Fall von System und Umwelt expliziert“ (Luhmann 1999a, 63). Die These von Begrenzung und Entgrenzung lässt sich für diese Explikation reformulieren: Alle Offenheit von Systemen beruht auf ihrer Abgeschlossenheit. „Etwas ausführlicher gesagt, heißt dies, daß nur operativ geschlossene Systeme eine hohe Eigenkomplexität aufbauen können, die dann dazu dienen kann, die Hinsichten zu spezifizieren, in denen das System auf Bedingungen seiner Umwelt reagiert, während es sich in allen übrigen Hinsichten dank seiner Autopoiesis Indifferenz leisten kann.“ (Luhmann 1999a, 68) 13 14 Metaphorisch kann der Sündenfall als die Ur-Unterscheidung der Welt gesehen werden (vgl. Luhmann 1999a, 62), denn er installiert die erste Asymmetrie zwischen Richtig und Falsch. Gleichzeitig stellt die Vorstellung vom Paradies die Rückkehr in den ununterschiedenen Zustand der Symmetrie in Aussicht. Grenzen und Anschlussfähigkeit Luhmann geht es bei diesem Gedanken noch nicht um die Beschreibung von Gesellschaftssystemen. Jeder Beobachter bietet vielmehr ein solches abgeschlossenes und autopoietisch operierendes System, welches nicht nur im psychischen Sinne, sondern auf einer abstrakten und entmaterialisierten Ebene zu begreifen ist, auf der Beobachtung nicht an spezifische oder gar organische Operationen gebunden ist, sondern nur an Unterscheidung und Bezeichnung. Der Erkenntnistheoretiker Gregory Bateson unterscheidet in seinem Vortrag „Double bind“ im Jahre 1969 (Bateson 1981, 353ff) zwischen den Erklärungswelten der Substanz und der Form. Der Welt der Substanz rechnet Bateson Kräfte und Einflüsse zu, während die Welt der Form durch Unterschiede und Ideen geprägt ist. Im Zuge seiner Überlegungen definiert Bateson den Begriff Information als einen „Unterschied, der einen Unterschied macht“ (Bateson 1981, 353). Die begriffliche Überschneidung zwischen Bateson und Spencer-Brown ist sehr auffällig14, und die Kenntnis des Unterscheidungstheorie kann helfen, Batesons Definition besser zu verstehen. Tatsächlich lässt sich der Begriff ’Information’ im Sinne Spencer-Browns wörtlich verstehen als ’In-Form-ation’, also als Substantiv für das In-FormBefindliche, im Gegensatz zum Formlosen. Wenn aber die Form für die beiden Seiten einer Unterscheidung sowie ihrer Grenze steht, ist die Information nichts als der Unterschied selbst. Jede Information stellt also einen Unterschied dar. Erst wenn der Unterschied aber einen weiteren Unterschied nach sich zieht, sieht Bateson die Bedingungen von Information erfüllt. Information ist demnach eine Unterscheidung, die anschlussfähig ist und die, wie Spencer-Brown zeigt, selbst Gegenstand von Unterscheidung werden kann. Information Eine zentrale Rolle für die Anschlussfähigkeit von kommunikativen Operationen spielt die Frage nach Sinn. Sinn ist im systemtheoretischen und konstruktivistischen Verständnis keine Entität an sich, sondern vielmehr ein Produkt von Unterscheidungsoperationen, das somit nur im Moment der Unterscheidung besteht, weder vorher noch nachher. „Alle Orientierung ist Konstruktion, ist von Moment zu Moment reaktualisierte Unterscheidung.“ (Luhmann 1999a, 45) Wie kommt es dann aber dazu, dass sich in der Selbstbeobachtung sinnkonstruierender Systeme die Illusion von stabilen Identitäten herausbildet? Sinn Beobachtende Systeme unterscheiden sich selbst mit Hilfe ihrer Beobachtungen von der Umwelt, sie unterscheiden Selbstreferenz und Fremdreferenz. Die Selbstreferenz ist somit die Innenseite einer Zwei-Seiten-Form, deren Außenseite die Fremdreferenz ist. Indem das System beobachtet, 14 Inwiefern Bateson und Spencer-Brown im Jahre 1969 voneinander Kenntnis genommen haben, ist allerdings unklar. Erst später bezieht sich Bateson explizit auf Spencer-Brown (vgl. Bateson 1987, 113). 15 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre produziert es jene Form, die wiederum auf ihrer Innenseite beobachtbar ist. Genau dies beschreibt die oben erläuterte Vokabel des re-entry. Das System oszilliert auf diese Weise zwischen Selbst- und Fremdreferenz und begreift den Eigenwert dieser steten Rückkopplung als Sinn.15 Die Produktion von Sinn ist folglich die stete Herausforderung beobachtender Systeme, die mit Hilfe ihrer Operationen aus ausgewählten Überraschungen und Irritationen sinnvolle Informationen gewinnen. Gleichzeitig ist die Produktion von Sinn also die Folge von rekursiven Unterscheidungen, aber auch die Bedingung, die den Anschluss weiterer Unterscheidung und damit die Fortführung weiterer Sinnproduktion erst erlaubt. „Im selbstkonstituierten Medium Sinn ist es unerläßlich, Operationen an Unterscheidungen zu orientieren. Nur so läßt sich die für Rekursionen erforderliche Selektivität erzeugen.“ (Luhmann 1999a, 48) Betrachtet man Kommunikationsprozesse, so bezeichnet Sinn das Kriterium der Selektivität, durch welche die Auswahl einer Anschlusskommunikation eingeschränkt wird. Hierdurch wird gewährleistet, dass eine beliebige Kommunikation nicht beliebig fortführbar ist. Die Unterscheidung, die durch eine Kommunikation vermittelt wird, transformiert die unbestimmte Kontingenz des beliebigen Anfangs in eine bestimmte Kontingenz des Anschlusses, dessen Selektion nur im Medium des Sinns erfolgen kann. Sinnlose Kommunikationen sind daher nicht anschlussfähig. Kommunikation Der Kommunikationsbegriff bedarf weiterer Erläuterungen, um in der Frage nach Anschlussfähigkeit und schließlich auch hinsichtlich einer konstruktivistischen Anschauung von Lernprozessen fruchtbar Anwendung zu finden. Luhmann beschreibt Kommunikation als eine Trias von Information, Mitteilung und Verstehen und versucht auf diese Weise, sich von einem Kommunikationsbegriff zu lösen, der sich an der „Metaphorik des Besitzens, Habens, Gebens und Erhaltens“ (Luhmann 1996, 193) orientiert. Der Kommunikationsakt zieht keine Übertragung von Informationen nach sich, er ist vielmehr zu sehen als ein Selektionsvorschlag, der aufgegriffen und prozessiert werden muss, damit Kommunikation zustande kommt. Information entsteht erst in der Bemühung des prozessierenden Systems, die Irritation des Selektionsvorschlags in Einklang mit den eigenen Vorstellungen und Sichtweisen zu bringen, mit anderen Worten, zu verstehen. Während Information und Mitteilung die Voraussetzung für das Verstehen bilden, kann eine Kommunikation nur als geglückt begriffen werden, wenn sie auch verstanden worden ist16, so dass aus ihr auf der Seite des Empfängers wiederum sinnvolle 15 16 16 Auf diese Weise kommt es im Zeitverlauf zu ständigen Verschiebungen dieses Eigenwertes und historisch gesehen zu einem Driften von Bedeutungen, welches Jaques Derrida für den Bereich der Sprache mit dem Stichwort différance expliziert (vgl. Derrida 1991, 76). Verstehen schließt in diesem Sinne auch Missverstehen ein. Grenzen und Anschlussfähigkeit Informationen gewonnen werden können. Dabei beruht das Verstehen wesentlich auf der erfolgreichen „Unterscheidung der Information von ihrer Mitteilung“ (Luhmann 1996, 195). Die Systemtheoretikerin Elena Esposito liefert hierfür ein Beispiel: „Für denjenigen, der die Kommunikation versteht, bleibt die Differenz zwischen einer durch die Wahrnehmung gewonnenen Information und einer kommunikativen Information fest [...]. Er verwechselt z.B. die Direktübertragung eines Feuers nicht mit dem Feuer in seiner Wohnung.“ (Esposito 1993, 343) Kommunikation beschreibt also das organisierte Zusammentreten von diesen drei Selektionen: Information als Unterscheidung dessen, was kommuniziert wird, von dem, was noch kommunizierbar wäre; Mitteilung als Selektion eines Verhaltens, das diese Information wahrnehmbar macht; und Verstehen als Unterscheidung von Information und Mitteilung. Allein das Verstehen bewirkt bei dem Adressaten von Kommunikationen eine Veränderung, unabhängig davon, ob dieser die Information, die er aus einer Mitteilung generiert hat, annimmt oder ablehnt: „Man liest: Tabak, Alkohol, Butter, Gefrierfleisch usw. gefährde die Gesundheit, und man ist (als jemand, der das hätte wissen und beachten können) ein anderer - ob man’s glaubt oder nicht!“ (Luhmann 1996, 203) Das heißt, dass für den Kommunikationsbegriff zunächst unerheblich ist, ob überhaupt eine weitere Reaktion nach außen, beispielsweise in Form einer Änderung von Konsumgewohnheiten, wahrnehmbar ist. Dies aber zeigt, dass jede Kommunikation die Freiheit evoziert, sich so zu ihr zu positionieren, wie man es für richtig hält. Als Selektion schafft sie zwar eine Einschränkung der Beliebigkeit des Kommunizierbaren in Form des Kommunizierten, gleichzeitig erzeugt sie aber auf der Seite ihres Anschlusses die Kontingenz von Annahme und Ablehnung. Auch in der Anwendung der Unterscheidungsfigur auf die Kommunikation zeigt sich in der gleichzeitigen Reduktion und Entfaltung von Komplexität die Ambivalenz von Begrenzung und Entgrenzung. Ein solches Verständnis von Kommunikation soll nun zunächst zusammengeführt werden mit einem konstruktivistischen Verständnis von Lernen und Wissen. Auf der Basis dieser Überlegungen kann dann für eine Ergänzungsstrategie von Präsenzlehre und vernetzter Technologie votiert werden, wie sie durch das Angebot und den Einsatz von myStudy verfolgt wird. 17 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre 2.3 Konstruktivismus und Form Ernst von Glasersfeld beschreibt den wesentlichen Unterschied des Konstruktivismus gegenüber den vielen anderen Denktraditionen in der Geschichte der westlichen Erkenntnislehre mit dem neuen Verhältnis zwischen Wissen und Wirklichkeit (vgl. Glasersfeld 1981, 16ff). Während die vorgängigen Denkarten stets darüber stritten, was wirklich existiert, zeigt der Konstruktivismus eine neue Qualität, weil er die Vorstellung von Wirklichkeit revolutioniert, und konstatiert, dass es eine Übereinstimmung von Wissen und Wirklichkeit nicht geben kann. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Überlegungen kann festgehalten werden, dass die Beobachtung einer Wirklichkeit wie jede Beobachtung auf der Basis von Unterscheidungsoperationen vor sich geht und daher mit den Begriffen von Spencer-Brown beschrieben werden kann. Bezüge Der radikale Konstruktivismus17 befindet sich in der Tradition der kantischen, subjektorientierten Philosophie, löst sich jedoch konsequent von dem Postulat einer subjektunabhängigen Realität. Die Frage, ob es eine objektive Realität der Außenwelt gibt oder nicht, ist im Konstruktivismus irrelevant für das Entstehen von Erkenntnis und Wissen. Eine sehr konkrete und bedeutende Rolle für die Entwicklung dieser Position haben die psychologischen Arbeiten von Jean Piaget gespielt (vgl. Glasersfeld 1981, 17), welche die Vorgänge des Erwerbs von Wissenstrukturen vor allem beim Kind beschrieben haben18. Bemerkenswert ist, dass Piaget bereits in den 40er Jahren zu Erkenntnissen gelangt, die sich weitgehend mit denen der Konstruktivisten der 80er Jahre decken. Die zentrale Schlußfolgerung seiner empirischen Arbeiten ist die Vorstellung, dass das Individuum seine kognitiven Konzepte selbst generiert und Wissen nur in der Rückkopplung mit der Umwelt erwirbt (vgl. Schlumeister 1997, 71f). Auf der Basis dieser Prozesse bildet das Individuum seine Kognitionsfähigkeiten ständig weiter aus. Die naturwissenschaftliche Grundlage der konstruktivistischen Idee bilden die Ergebnisse der modernen Biologie, wie sie hauptsächlich von Maturana und Varela formuliert worden sind. Ausgehend von der Beschaffenheit der Zelle als Ur-Einheit des Lebens liefern sie das Konzept des autopoietischen und selbstreferenziellen Systems (vgl. Maturana 1985, 180ff), welches vom Konstruktivismus übernommen wird. Sie begreifen Organismen als beobachtende Systeme, die autonom und rekursiv organisiert sowie informationell geschlossen sind.19 Solche Systeme können Informationen nicht als 17 18 18 Die Bezeichnungen ’radikaler Konstruktivismus’ und ’Konstruktivismus’ werden als gleichbedeutend verwendet, wie es dem Gebrauch in der Literatur weitgehend entspricht. Im Originaltitel ist das Werk benannt: „La construction du réel chez l’enfant“. Schon der Titel lässt Rückschlüsse auf Piagets Verständnis von Realität als Ergebnis einer Konstruktionsleistung des Beobachters zu (vgl. Piaget 1975). Konstruktivismus und Form objektive Gegebenheiten aufnehmen, sondern nur individuell interpretierend erkennen. Im Kontext der ausgeführten Theorie der Unterscheidung kann diese Annahme nicht überraschen. Schließlich werden Anschlussoperationen in individuellen Sinnzusammenhängen individuell selektiert und angenommen oder abgelehnt. Die traditionelle Vorstellung von Subjekt und Objekt, derer sich die ontologische Erkenntnistheorie stets bedient hat, basiert auf einem altgriechischen Naturbegriff, der aus konstruktivistischer Sicht mit wesentlichen Irrtümern behaftet ist (vgl. Luhmann 1987, 44), denn er geht davon aus, dass die Natur der Erkenntnis vorgelagert ist. Aufgabe der Erkenntnis war es daher, die Natur zu entdecken20 und mit Hilfe reduzierter Programme zu beschreiben. Eine Folge dieser Zielsetzung war schließlich die Erfindung des Subjekts. Der Beobachter nahm sich damit aus der Natur (=Objekt) heraus, ohne sich dabei dieser unzulässigen Verkürzung gewahr zu werden. In der konstruktivistischen Betrachtung wird diese Differenz zurückgenommen, weil das Objekt - mit Spencer-Brown gesprochen - in die Grenzen des Subjekts wieder eintritt. Was ehemals als ontische Subjekt-Objekt-Differenz empfunden und auch theoretisch begründet wurde, erweist sich nun als epistemologische Einheit, die nur scheinbar durch jede neue Beobachtung aufgebrochen wird, sich aber gerade darin erneut konstituiert. Subjekt - Objekt Der Konstruktivismus geht also davon aus, dass Erkennen vor allem ein selbstbezüglicher Prozess ist, der ohne die Entität des Objekts funktioniert. Betrachtet man Wissen und Erkennen als korrelative Begriffe, so lässt sich daraus ableiten, dass ein beobachtendes System nur dann über Wissen verfügt, wenn es dieses über seine eigenen kognitiven Operationen erzeugt. Wissen als Resultat eines Erkenntnisprozesses ist demnach nicht ein Abbild einer äußeren Wirklichkeit sondern ein Konstrukt, welches individuell erzeugt werden muss, um operativ verfügbar zu sein. Wissen Die Konstruktion von Wissen wird von beobachtenden Systemen vorgenommen, um den unstrukturierten Erlebnisraum in wiedererkennbare Einheiten zu gliedern, deren Beziehungen untereinander in einer sinnvollen Ordnung stehen. Da die Möglichkeiten der Konstruktion solcher Ordnungen stets durch vorhergehende Konstruktionen eingeschränkt sind, da also die möglichen Anschlüsse von Unterscheidungen an Unterscheidungen gebunden sind an Selektionsvorschläge wie z.B. Information, Mitteilung und Verstehen, kann auch ein Scheitern von Konstruktionen lediglich mit Hilfe eben jener 19 20 Die Begriffe von Beobachtung und Handlung sind in diesem Kontext nach Maturana/Varela als kongruent zu verstehen: „Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun.“ (Maturana/Varela 1987, 31) Der Verwechslung von Erfindung und Entdeckung widmet sich in anschaulicher Art und Weise auch der Metalog von Gregory Bateson „Was ist ein Instinkt?“ (Bateson 1981a). Demnach hat beispielsweise Sir Isaac Newton die Schwerkraft nicht entdeckt sondern erfunden. 19 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre Unterscheidungen beobachtet werden, die schon zu ihrem Aufbau verwendet worden sind. Glasersfeld bringt diesen Gedanken auf den Punkt, indem er den Grenzbegriff wieder aufnimmt: „Was immer wir als Bausteine wählen, [...] bestimmt Grenzen. Wir erfahren diese Grenzen aber sozusagen nur von ’innen’ [...]. Die Schranken der Welt an denen unsere Unternehmen scheitern, bekommen wir nie zu Gesicht. Was wir erleben und erfahren, erkennen und wissen, ist notwendigerweise mit unseren eigenen Bausteinen gebaut und lässt sich auch nur aufgrund unserer Bauart erklären.“ (Glasersfeld 1981, 35) Zwar können jene Unternehmen an den Schranken unserer Konstrukte scheitern, dennoch sind sie nur konstruierend möglich geworden. Wiederum erweist sich die Grenze als beiderlei: als Begrenzung wie auch als Entgrenzung, hier im Spannungsfeld von Scheitern und Fortführung von Konstruktionen. Paradigmenwechsel Die Konsequenz dieser Erkenntnisse ist durchaus nicht das Ende der Wissenschaft, vielmehr hat man es nun mit einer Verschiebung des erkenntnistheoretischen Paradigmas zu tun. Das Verhältnis von Wissen und Wirklichkeit wird nicht mehr als Problem der Korrespondenz betrachtet, sondern als Problem des ‘Passens’ in einem darwinistisch evolutionären Sinne (vgl. Glasersfeld 1981, 20f). So wie in der Evolution der Einfluss der Umwelt darin besteht, nichtpassende Varianten zu eliminieren, setzt die Erlebniswelt den Prüfstein für die kognitiven Strukturen beobachtender Systeme. Die erkenntnistheoretische Fragestellung lautet daher nicht mehr „Was ist Wissen?“ sondern „Wie erwerben wir Wissen?“ und schließlich diskurskritisch: „Wie und unter welchen Bedingungen wird Wissen als solches anerkannt?“ Siegfried J. Schmidt formuliert diesen Paradigmenwechsel folgendermaßen: „Es empfiehlt sich, von Was-Fragen auf Wie-Fragen umzustellen; denn wenn wir in einer Wirklichkeit leben, die durch unsere kognitiven und sozialen Aktivitäten bestimmt wird, ist es ratsam, von Operationen und deren Bedingungen auszugehen statt von Objekten [...].“ (Schmidt 1996, 15) Der Beantwortung dieser neuen Wie-Fragen widmet sich der Konstruktivismus also aus einer Richtung, die insbesondere durch die Erkenntnisse der Neurophysiologie motiviert und begründet ist. Sein Ziel ist die theoretische Ausgestaltung und die Positionierung der Erkenntnistheorie als Metawissenschaft. Das Problem der Vermittlung und Erzeugung von Wissen21 ist allerdings weitgehend auch ein pädagogisches, vor allem dann, wenn es um 21 20 Schon der Begriff der Wissensvermittlung ist im Rahmen konstruktivistischer Theorien äußerst problematisch. Zu sprechen wäre eigentlich besser von der Irritation wahrnehmender Systeme, um kognitive Prozesse anzuregen. Allerdings wird hier dem gängigen Sprachgebrauch der Vorzug gegeben. Konstruktivistische Lerntheorie konkrete Fragestellungen geht wie z.B. um den Einsatz vernetzter Technologien in der universitären Lehre oder um den Abgleich von Präsenzlehre und e-learning. Es liegt daher nahe, dass konstruktivistische Ideen nicht ohne Folgen für die Entwicklung von pädagogischen Konzepten in der Lerntheorie geblieben sind. 2.4 Konstruktivistische Lerntheorie Behavioristische Ansätze waren in der Lerntheorie über lange Zeit bis in die achtziger Jahre hinein bestimmend. Sie gehen davon aus, dass das Verhalten eines Individuums nicht durch innere Vorgänge gesteuert wird, sondern durch Konsequenzen, die auf sein Verhalten folgen.22 Situierte Ansätze, die sich auf konstruktivistische Erkenntnisse berufen, stehen diesen verhaltensorientierten Konzepten entgegen. Sie berufen sich auf die Feststellung der Konstruktivisten, dass Bedeutungen und Sinnzuschreibungen kommunikativ und situativ generiert werden, statt diese als gegeben anzunehmen. Die Einsicht, dass die Welt erst durch Erkenntnis hervorgebracht wird (vgl. Maturana/Varela 1987, 31), führt zu dem Schluss, dass Bedeutungen und Wissen nicht mit Hilfe vorhergehender Konstruktionsleistungen rekonstruiert werden, sondern dass jede Situation, jede Beobachtung neue Ordnungsstrukturen, also neues Wissen generiert. Wissen kann somit weder abgerufen noch vermittelt werden, es können nur die Bedingungen geschaffen werden, unter denen Lernende die Möglichkeit haben, eigenes Wissen situativ zu generieren. Spontaneität und Kreativität von Handlungen werden somit gefördert und müssen nicht mehr als Krisensituation in der Wissensvermittlung verstanden werden (vgl. Kerres 1998, 67). Der Lernprozess ist also zum einen an die Situation und an den Kontext gebunden, zum anderen sind aber die Elemente des Kontextes Teil des Wissens, das hier generiert wird. Es kann zum Beispiel die Aussage eines Sprechers meist nicht verstanden werden, ohne dass die Person des Sprechers berücksichigt wird. Im Verstehen des Hörers erfolgt aber nicht nur eine Erkenntnis in Bezug auf die Aussage sondern auch auf den Sprecher. situated cognition Man stelle sich eine Situation in der Schule vor. Es geht um die Frage nach der Entstehung der Welt. Im Physikunterricht wird dieses Problem vermutlich ganz anders besprochen als im christlichen Religionsunterricht. Während der Physiklehrer den Schülern von der Urknalltheorie berichtet, erläutert der Religionslehrer die Schöpfung der Welt in sieben Tagen. Zu verstehen ist dieser Widerspruch für den Schüler nur dann, wenn er kontextuell 22 Eines der bekanntesten behavioristischen Konzepte ist das Stimulus-ResponseModell, welches davon ausgeht, dass ein Individuum auf einen bestimmten Reiz stets eine bestimmte Reaktion liefert. 21 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre interpretiert wird, wenn nämlich die Figur des Sprechers berücksichtigt wird. Vermutlich lernt der Schüler schließlich mehr über die verschiedenen Weltsichten der Physik und der Religion als über die Entstehung der Welt.23 Dieses Beispiel verdeutlicht, wie im Lernprozess Erkenntnisgegenstand und Kontext ineinander verschmelzen und sogar die Rollen tauschen können. Pädagogische Konzepte, die diesen Umstand berücksichtigen, werden unter dem Begriff der situated cognition versammelt und versuchen, „die Autonomie des Individuums und seine idiosynkratischen Prozesse“ (Schulmeister 1997, 78) stärker zu respektieren. Ziel solcher Strategien ist es, Lernumwelten zu schaffen, in denen sich Lernende auf handelnde Art mit ihrer Umwelt und ihren Mitmenschen auseinandersetzen, so dass daraus unerwartete und fremde Situationen (Irritationen) entstehen, die den Lernenden zu neuen Konstruktionen herausfordern. Auf diese Weise haben Lernende die Möglichkeit, ihren eigenen Lernprozess den individuellen Bedingungen in Bezug auf Vorwissen, bevorzugte Lernstrategien und Zielvorstellungen anzupassen. Auf der Basis dieser grundlegenden Vorstellungen lassen sich verschiedene Strategien differenzieren, von denen hier nur zwei beispielhaft angesprochen werden sollen. cognitive apprenticeship Das Konzept des cognitve apprenticeship beruht auf dem Lernen innerhalb eines sozialen Verhältnisses zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden (vgl. Schulmeister 1997, 81). In Anbetracht des konstruktivistischen Verständnisses von Wissen erscheint das Lernen durch Beobachtung und Nachahmung besonders sinnvoll, da der Lernende hierbei seine eigenen kognitiven Konzepte in Abstimmung mit seinen individuellen Vorkenntnissen etc. entwickeln kann. Von hier aus kann dann eine weitere Anleitung durch den Lehrer erfolgen, die aber immer wieder in ein Verhältnis zu dieser Basis gesetzt werden kann. Je eigenständiger der Lernende in der Lage ist, seine kognitiven Konstrukte erfolgreich einzusetzen, desto stärker kann sich der Vermittler aus seiner Rolle lösen, um schließlich in einem kooperativen statt anleitenden Verhältnis zum Lernenden zu stehen. Die wechselseitige Beobachtung und Interaktion ist also von zentraler Bedeutung für diese Strategie. Schon in dieser verkürzten Betrachtung zeigt sich daher, dass die physische Präsenz der Teilnehmer von besonderer Wichtigkeit für das Konzept des cognitve apprenticeship ist, da eine gegenseitige Beobachtung, die auf mediale Vermittlung angewiesen ist, mit großen Einschränkungen verbunden wäre. 23 22 Dieses Beispiel findet sich in anderer Form bei Heinz von Foerster (vgl. Foerster 2001, 52). Foerster verdeutlich daran die Differenz von entscheidbaren und prinzipiell unentscheidbaren Fragen. Das Beispiel zeigt erneut, wie die Entstehung von Paradoxien den Beobachter in eine Perspektive zweiter Ordnung zwingt. Schließlich geht es nicht mehr um die Entstehung der Welt, sondern um die Art und Weise, wie verschiedene Wissenschaften die Welt beobachten. e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien Ein weiterer Ansatz im Rahmen der situated cognition ist das Lernen in Wissensgemeinschaften bzw. das kooperative oder interaktive Lernen (vgl. Schulmeister 1997, 82). Hierbei entwickeln und erproben die Lernenden kommunikativ und in Gemeinschaftsarbeit zielgerichtete kognitive Konzepte. Einzelne übernehmen dabei die Verantwortung für Teilergebnisse und damit für den Lernerfolg der ganze Gruppe, was die gegenseitige Motivation und die soziale Kontrolle der Teilnehmer fördert. Indem die Rollen von Lehrenden und Lernenden innerhalb einer Wissensgemeinschaft auf diese Weise temporär austauschbar werden, kommt es idealerweise zu einer großen Homogenität des Lernerfolges innerhalb der Gruppe. Wiederum zeigt sich, dass auch in diesem Konzept der Stellenwert von Kommunikation und Interaktion nicht zu unterschätzen ist, und wiederum soll hier die These bekräftigt werden, dass diese Erfordernisse im Rahmen einer Präsenzlehre besser zu erfüllen sind als auf der Basis computervermittelter Kommunikation. Wissensgemeinschaften Zwar ist die Bedeutung von virtuellen Wissengemeinschaften in jüngster Vergangenheit immens gestiegen, jedoch müsste hier eine genauere Betrachtung der Themenbereiche erfolgen, mit denen sich solche Gemeinschaften beschäftigen. Eine solche Untersuchung würde vermutlich zeigen, dass sich ein großer Teil der wissengenerierenden virtuellen Gemeinschaften mit Themen und Problemen der computervermittelten Kommunikation befassen, also mit Fragen, die ihr eigenes Medium betreffen.24 Dieser Umstand kann systemtheoretisch als Selbstreproduktion der internetbasierten Kommunikation und damit als Sonderfall verstanden werden, den jedes Kommunikationssystem mitführt. Es redet am liebsten über sich selbst und macht die eigene Struktur zum Gegestand seiner Kommunikation, oder im Sinne Luhmanns: Es unterscheidet Selbstreferenz von Fremdreferenz (vgl. Luhmann 1996, 15). 2.5 e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien Es zeigt sich also, dass jene Vermittlungsstrategien, die sich auf die theoretische Grundlage des Konstruktivismus beziehen, besonderen Wert auf die Kommunikation innerhalb eines Kontextes legen. Genau dies sind aber die Faktoren, deren Multidimensionalität durch die mediale Vermittlung durch 24 Das Web-Portal Yahoo! Groups (Deutschland) bietet Internet-Usern die Möglichkeit, eigene E-Mail-Foren zu gründen oder vorhandenen Foren beizutreten. Die Gesamtheit der E-Mail Foren wurde in 184 inhaltliche Themenblöcke erster Ordnung aufgeteilt. Bei einer Gesamtzahl von 52691 Foren insgesamt, ergeben sich durchschnittlich 286 Foren pro Themenbereich. Die Anzahl der Foren, die sich mit dem Thema „Internet und WWW“ beschäftigen, beläuft sich auf 3132 und ist damit höher als bei jedem anderen Themenblock und mehr als zehn mal größer als der Durchschnitt. Der Bereich „Internet und WWW“ stellt damit im Rahmen von Yahoo! Groups jene Gruppe von Themen dar, über die am intensivsten kommuniziert wird. (vgl. http:// de.groups.yahoo.com; abgerufen am 19.02.2003) 23 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre Computertechnologien in der Lehre stark reduziert wird. Dies macht den Einsatz von computervermittelter Kommunikation im Rahmen von elearning-Systemen im Bereich der universitären Lehre zu einer fragwürdigen Strategie. Zunächst aber erscheint eine nähere Erläuterung dessen angebracht, was im Rahmen dieser Ausführungen unter dem Begriff e-learning zu verstehen sei. Definition Unter e-learning versteht man die auf ein Lernziel gerichtete Kommunikation von Inhalten mit Hilfe von elektronischen Medien, insbesondere unter Verwendung digitaler, vernetzter Technologien (Inter-, Intra- und Extranet), Audio- und Video-Übertragungen sowie interaktiver Medien (CD-Rom, DVD) (vgl. Esser u.a. 2001, 3). Durch diesen Medieneinsatz unterscheidet sich e-learning von dem, was bislang in Fernstudienzentren mit Hilfe gedruckter, zumeist textbasierter Materialien (Studienbriefe) geleistet wurde. Diese recht weit gefasste Definition wird in verschiedenen Quellen stärker auf die Verwendung von Internettechnologien hin spezifiziert. So heißt es beispielsweise auf den Webseiten des Anbieters von e-learning-Modulen Cisco: „E-learning is Internet-enabled communication and training that allows quick, effective delivery at lower costs than traditional methods. Companies can use these solutions to provide an enhanced learning experience that is scalable, up-to-date, can be self-paced, and provides learners with anytime, anywhere access to knowledge.“ (Cisco Systems 2001 [online]) Im Marketing-Jargon dieser Beschreibung klingen bereits jene Erwartungen an, die an e-learning-Systeme gestellt werden. Es werden mit e-learningKonzepten strukturelle Vorteile gegenüber traditionellen Formen der Lehre verbunden, die mit den gängigen Entgrenzungs- und Egalisierungsthesen in Bezug auf digitale Netze und deren soziale Aspekte korrelieren. Gängige Entstrukturierungsthesen sollen im Folgenden kurz skizziert werden, um diese in Beziehung zu internetbasierten Lernsystemen zu setzen. Entstrukturierung Zentraler Aspekt der Entstrukturierungsannahmen ist die Vermutung, dass durch die Nutzung von computervermittelter Kommunikation nicht nur raumzeitliche Strukturen aufgelöst werden, sondern hierdurch auch soziale Strukturen verändern. Thesen dieser Art wurden besonders von den euphorischen Erfahrungsberichten der Internet-Nutzer früherer Stunden genährt, die mit ihren Schilderungen den Mythos einer elektronischen Agora begründeten. Howard Rheingold erklärt beispielsweise in seinem Buch über virtuelle Gemeinschaften: „Weil wir einander im Cyberspace nicht sehen können, sind Geschlecht, Alter, Nationalität und das Aussehen nicht bekannt [...]. Menschen [...] können feststellen, daß virtuelle Gemeinschaften sie so behandeln, wie sie sich das immer gewünscht 24 e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien haben: als Denker, als Übermittler von Ideen, als Wesen mit Gefühlen, nicht als bloße Körper mit einem bestimmten Aussehen und einer bestimmten Art zu gehen und zu sprechen.“ (Rheingold 1994, 41) Die technische Vermittlung von Kommunikation stellt im Vergleich zur Kommunikation unter Anwesenden eine besondere Qualität dar, welche seit der Digitalisierung der Kommunikationsmedien eine weitere Steigerung erfahren hat. Indem die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen von Kommunikation egalisiert werden (vgl. Luhmann 1998, 302), kommt es zu einer Delokalisierung von kommunikativen Beziehungen (vgl. Stegbauer 2001, 38ff). Diese räumlich und zeitlich entgrenzte Verfügbarkeit von Kommunikation, die auch auf telemediale e-learning-Systeme übertragen werden kann, verspricht die optimalen Rahmenbedingungen für selbstbestimmtes Lernen. Der Nutzer kann selbst entscheiden, wann, wie schnell und wo er lernt. Zwar ist es dem Lernenden, seinem individuellen Vorwissen und Lerntempo entsprechend, überlassen, wie er sich die Lerneinheiten einteilt und wann er auf diese zugreift, allerdings zeigt die Erfahrung von virtuellen Seminaren auch an der Universität Lüneburg, dass die technisch vermittelte Kommunikation ihren Kanalbeschränkungen einen größeren Aufwand an zeitlichen Ressourcen schuldet. Zeit wird damit um so stärker zu einem restriktiven Faktor für die kommunikative Erzeugung von Wissen auf der Basis von Internet-Technologien. Dass die These der räumlichen Delokalisierung zu kurz greift, tritt besonders beim Medienübergang zutage (vgl. Stegbauer 2001, 43). Solche Übergänge kommen dann zustande, wenn Informationen, die delokal verfügbar sind, nur in einem physisch-räumlichen Kontext angewendet und verstanden werden können, weil sie beispielsweise auf eine lokale Infrastruktur verweisen. Der Medienübergang verweist also auf die räumliche Verankerung von Kommunikationen, seien sie nun delokalisiert oder nicht. In den Entgrenzungsthesen steckt außerdem der Irrtum, dass Motivation und Freude am Lernen unabhängig sind von dem Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Kontakt und sozialer Integration in einem physisch-räumlichen Kontext.25 Man verspricht sich von e-learning eine Minimierung von finanziellen und zeitlichen Ressourcen bei größerer Effizienz der Lehre. Da der webbasierte Zugriff auf e-learning-Module prinzipiell nicht mit einer Begrenzung der Teilnehmerzahlen einhergeht, können große Mengen von Lernenden erreicht werden, während idealerweise aber deutlich weniger Kosten für die Bereitstellung von personellen Ressourcen, Klassenräumen, Präsentationstechno- 25 Effektivität Ganz besonders deutlich tritt dieser Umstand in der Sprachdidaktik zutage, in der Auslandsaufenthalten und der Anwendung und Verfeinerung von Sprachkenntnissen in dem betreffenden Land eine zentrale Rolle zugewiesen wird. Eine Sprache lernt man also am besten dort, wo sie gesprochen wird. 25 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre logien und sonstiger Infrastrukturen aufgewendet werden müssen. Vielmehr werden - vor allem auf der Seite der Lernenden - Strukturen genutzt, nämlich das Netz und die angeschlossene Hardware, die oft bereits vorhanden und der Zielgruppe weitgehend zugänglich sind. Die arbeits- und zeitintensive Planung und Durchführung von Prüfungen in mündlicher oder schriftlicher Form sowie die Erstellung und Verteilung von Leistungsnachweisen kann in solchen Systemen vollautomatisch und daher ebenso ressourcenschonend erfolgen. Die Orientierung an Effektivitätserwartungen hängt eng zusammen mit dem Trend zu einem Verständnis der Universität als Dienstleistungsunternehmen (vgl. Großmann 2001, 151). Kommunikation und Wissen werden hier als quantitative Entitäten begriffen, die in der Metaphorik des Besitzens und Habens verortet werden. Tatsächlich ist die Liste der Vorzüge, die das elearning zu bieten scheint, lang, jedoch muss das qualitative Potential von reinen e-learning-Strategien auf der Grundlage der vorangegangenen Abschnitte prinzipiell in Frage gestellt werden. Kanalbeschränkungen Eine internetbasierte e-learning-Plattform stellt durch ihre bildschirmgebundene Benutzeroberfläche den Kontext dar, in welchem der Lernende die dargestellten Inhalte wahrnimmt, verarbeitet und hieraus Informationen gewinnt. Diese Benutzeroberfläche ist durch die technischen Bedingungen, mit denen sich e-learning-Systeme konfrontiert sehen, auf bestimmte Kanäle reduziert. Während die Darstellung von Texten und Bildern zunächst unproblematisch erscheint, werden nach heutigem Stand der Technik die Möglichkeiten einer haptischen und olfaktorischen Wahrnehmung ausgeschlossen. Die Aufbereitung von Inhalten mit Hilfe von Audio- und Videotechniken ist zur Zeit zwar durch die mangelhafte Bandbreite der Datenübertragung eingeschränkt, prinzipiell aber möglich. Grundsätzlich werden sämtliche visuellen und auditiven Wahrnehmungen von multimedialen Inhalten ihres räumlichen, dreidimensionalen Kontextes beraubt. Aufgrund dieser Reduktionen werden sowohl die angebotenen Inhalte als auch implementierte Kommunikationen zwischen Lernenden und Lehrenden in kognitiver Hinsicht normiert. Zahlreiche Facetten von verbaler und nichtverbaler Kommunikation werden ausgeblendet, und mit ihr gehen wesentliche Grundlagen für den individuellen und situierten Prozess der Wissensgewinnung verloren. Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Übersicht können auf diese Art nicht erlernt werden (vgl. Großmann 2001, 151f), denn diesbezügliche Strategien und ihre Erfolge können weder situativ noch kontextuell erlebt und angewendet werden. Vielmehr werden diese Prozesse per Klick, Drag&Drop und Fehlermeldung simuliert. Clifford Stoll, einer der prominentesten Internetskeptiker, versucht, dies anhand des folgenden Beispieles zu illustrieren. 26 e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien „Der Amazonas-Regenwald in seiner Multimedia-Version verleiht die Illusion, den Regenwald erlebt zu haben. Aber ihn wirklich zu erfahren, heißt Mücken totschlagen und Malaria bekommen.“ (Stoll 1999, 304) Zwar ist Stolls Position aus einer konstruktivistischen Sicht nicht unproblematisch, wenn er die Illusion von Erfahrung gegen wirkliche Erfahrung abwägt, jedoch wird in den nachfolgenden Bemerkungen deutlich, worauf er hinaus will. Den das Internet, so führt Stoll weiter aus, bereitet dem Nutzer die Illusion, „dass mit dem Zugang zu Informationen automatisch das Verstehen der Dinge einhergeht.“ (Stoll 1999, 304) Das Vokabular dieser populärwissenschaftlichen Ausführungen korreliert in bemerkenswerter Weise mit dem Kommunikationsbegriff von Niklas Luhmann. In der Kommunikation mit der Maschine werden zwar die Aspekte von Information und Mitteilung bedient, ein gegenseitiges Verstehen von Computer und Lernendem in Bezug auf die vermittelten Inhalte kann aber lediglich simuliert werden.26 Durch die Zwischenschaltung technischer Medien sind Kommunikationen und Interaktionen, die nach konstruktivistischem Verständnis die wesentlichen Aspekte des Wissenserwerbs darstellen, den beschriebenen Kanalbeschränkungen unterworfen. Auf diese Weise werden die von Luhmann vorgeschlagenen Entitäten Mitteilung und Information voneinander entkoppelt. Die Kommunikation wird somit dekontextualisiert, das heißt, die Umstände der Mitteilung können lediglich einen kanalbedingt beschränkten Einfluss auf die Umstände des Verstehens haben. Viele der überhöhten Erwartungen an e-learning mussten in jüngster Vergangenheit bereits relativiert werden. Vor allem im Bereich der Hochschullehre wurden in den letzten Monaten einige der ambitionierten e-learning-Projekte verschiedener amerikanischer Universitäten wieder eingestellt, weil sie auf der einen Seite mit zu hohen Kosten für die Produktion der multimedialen Inhalte verbunden waren, auf der anderen Seite aber nicht genügend Studierende von ihrem Angebot überzeugen konnten (vgl. Himmelrath 2003 [online]). Auch in Wirtschaftsunternehmen herrscht in Bezug auf die Erwartungen, die man an e-learning gestellt hatte, vorerst Ernüchterung. Dort wird nach einer von KPMG Consulting in Auftrag gegebenen Studie bis heute nur ein Randbereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung mit Hilfe von elearning realisiert (vgl. KPMG 2001, 1 [online]). e-learning heute In der Folge dieser Erkenntnisse wurden e-learning-Strategien inzwischen teilweise geändert, um der Notwendigkeit von Kopräsenz zumindest in einzelnen Aspekten Rechnung zu tragen. Diese variierten Konzepte blended learning 26 Tatsächlich bieten e-learning-Systeme häufig simulierte Intelligenzen an, die den Lernenden durch verschiedene Lektionen führen, ihm Aufgaben stellen und schließlich seine Bewertung vornehmen - also Verstehen simulieren. 27 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre versammeln sich unter dem Schlagwort des blended learning und versuchen die Vorteile von e-learning und Präsenzlehre miteinander zu verbinden, indem sie virtuelle Phasen und solche der Kopräsenz kombinieren. Jedoch ist die Integration von virtuellen Komponenten im Rahmen der Präsenzlehre alles andere als neu und wurde vielfach bereits vollzogen, während an anderer Stelle noch der Glaube an ein Substitutionsmodells vorherrschte (vgl. Rinn/ Wedekind 2002, 2). Nachdem auch erste Pilotprojekte in der betrieblichen Weiterbildung erfolgreich durchgeführt wurden (vgl. Obermeier 2002 [online]), bleibt abzuwarten, ob sich blended learning als akzeptiertes Modell der Wissensvermittlung konsolidieren kann. Konzepte die auf die Ergänzung der Präsenzlehre durch virtuelle Komponenten abzielen, machen deutlich, dass hierbei eine genaue inhaltliche Differenzierung nach den zu behandelnden Themen erforderlich ist. Es wurde bereits ein Hinweis gegeben, welche Inhalte sich besonders erfolgreich mit Hilfe von vernetzten Technologien darstellen und vermitteln lassen, nämlich jene, die sich mit eben diesen Technologien sowie deren Anwendungen und Folgen befassen. Es ergibt sich hier die Ausnahme, dass der Kontext der Wahrnehmung und der Kontext der Anwendung des erworbenen Wissens deckungsgleich sind. Im Rahmen einer gesamtuniversitären Betrachtung muss allerdings festgestellt werden, dass dies nicht zu verallgemeinern ist und dass in einer Vielzahl der Fälle Wissen generiert wird, das in anderen Kontexten seine Verwendung findet. Es muss also vielmehr das Nebeneinander von verschiedenen Lernfeldern der universitären Ausbildung gesehen werden, die einerseits alle zu bedienen sind, unter denen der Medienkompetenz andererseits jedoch ein Sonderplatz eingeräumt werden muss (vgl. Gabriel 1997, 97f). Dem kann ein ergänzender und organisierender Einsatz von technischen Medien gerecht werden. 2.6 Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien Das Konzept des lebenslangen Lernens ist seit Beginn der achtziger Jahre zu einem wichtigen Thema der Hochschulpädagogik geworden. Es geht davon aus, dass Lernprozesse niemals abgeschlossen werden, sondern sich ständig fortsetzen. Diese Anschauung steht in einem engen Verhältnis zu einem konstruktivistischen Lernbegriff. Wenn Wissen nicht gespeichert und nach Belieben wieder abgerufen werden kann, um dann angewendet zu werden, macht es keinen Sinn, die zeitlichen Phasen des Lernens und der Anwendung des Erlernten zu differenzieren. Ziel der universitären Lehre muss daher in besonderem Maße sein, den Lernenden Methoden und Konzepte der Wissensgewinnung zur Erprobung und Nutzung bereitzustellen. Es geht mit anderen Worten darum, das Lernen zu lernen, und zwar auf lernende Art und Weise. 28 Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien Die Verfügbarkeit von Informationen ist für diesen Prozess von großer Bedeutung. Wenn auch, wie Stoll betont, der Zugang zu Informationen nicht mit dem Verstehen von Informationen verwechselt werden darf, so ist der Zugang doch eine Voraussetzung für das Verstehen. Für die Verfügbarkeit von Informationen spielen die technischen Medien eine Schlüsselrolle, insbesondere das Internet hat sich im Verlauf der letzten Jahre zu einem der wichtigsten Medien entwickelt, welches Informationen und Kommunikationen verschiedener Arten verfügbar macht. Mit Hilfe von Computertechnologien können Informationen zwar ohne zeitliche und räumliche Beschränkungen gespeichert werden, jedoch kommt daher den Fähigkeiten, diese Technologien zu nutzen, ein besonderes Gewicht zu. Medienkompetenz spielt aber nicht nur eine Schlüsselrolle für die Möglichkeiten des Informationszugangs, sondern meint gerade auch das Vermögen, jene Informationen, die auf diese Weise zugänglich gemacht werden, einzuordnen und für die Gewinnung von Wissen konstruktiv zu nutzen.27 Die Stärkung der Medienkompetenz muss demzufolge ein Ziel universitärer Lehre sein, das studienübergreifend und für verschiedene Fakultäten gleichermaßen gilt. Wenn die Ausführungen der letzten Abschnitte gezeigt haben, dass Lernen situativ und kontextuell erfolgt und dass daher in den meisten Fällen reale Lernumgebungen gegenüber einem virtuellen Ersatz zu bevorzugen seien, so muss dies für das Ziel der Vermittlung von Medienkompetenz relativiert, wenn nicht gar umgekehrt werden. Soll das Erlernen von Medienkompetenz situativ erfolgen, so kann dies folgerichtig nur mit Hilfe und unter Verwendung von Medien geschehen. Medienkompetenz Aus diesem Grunde bietet die Ergänzungsstrategie von Präsenzlehre und dem Einsatz vernetzter Technologien zur ihrer Organisation einen vielversprechenden Ansatz im Für und Wider der dargestellten Problematik. Hierzu bedarf es einer genauen Unterscheidung der Strukturen, die sinnvoll mit Hilfe von Internettechnologien abgebildet und umgesetzt werden können. Es liegt beispielsweise nahe, die Distribution von Texten und weiteren Materialien, die innerhalb von Seminaren oder Übungen behandelt werden, über das Internet zu realisieren. Ebenso bietet es sich an, auf computervermittelte Kommunikationskanäle zurückzugreifen, wenn es um die Bereitstellung von Informationen zur Organisation von Lehrveranstaltungen geht. Gemeint sind beispielsweise die Bekanntgabe von Terminen und Fristen oder deren Änderungen, die Bereitstellung von zu bearbeitenden Aufgaben sowie deren Bewertungen, die Abgabe von Aufgabenlösungen durch Studierende usw. Sinnvoll ist der Einsatz von vernetzten Technologien besonders dann, wenn Inhalte bereitgestellt und übermittelt werden, die nicht nach einer diskursiven und kontextuellen Behandlung verlangen. Man macht sich damit die ubiquitäre und permanente Verfügbarkeit des Netzes zunutze, ohne jedoch Ergänzungsstrategie 27 Natürlich stellen darüberhinaus die Fähigkeiten der Medienproduktion einen wesentlichen Aspekt der Medienkompetenz dar. 29 myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre die beschriebenen Nachteile und Gefahren für die Qualität der Lehre in Kauf nehmen zu müssen. Gleichzeitig wird die Medienkompetenz der Nutzer gefördert, denen darüberhinaus ein Mehrwert durch den erleichterten Zugang zu relevanten Informationen und Materialien geboten wird. myStudy 30 myStudy stellt eine Plattform dar, die genau dieses beschriebene Ziel verfolgt und die dargestellten Aufgaben zu erfüllen versucht. Durch den Einsatz von myStudy zur Unterstützung der Präsenzlehre wird jenen Konzepten, die einen Ersatz von Präsenzlehre durch e-learning vorsehen, eine Absage erteilt. Ihnen wird eine Strategie gegenübergestellt, welche die Vorzüge der Präsenzlehre auf der einen und des Einsatzes von Internettechnologien auf der anderen Seite zu kombinieren weiß. Mit dieser Strategie geht ein unausgesprochenes Selbstverständnis der Universität Lüneburg einher, das Präsenzlehre als Rahmen für die kommunikative Erzeugung von Wissen sieht. Die Hochschule wird nicht als Ort verstanden, an dem Wissen und Kompetenzen von Lehrenden auf Studierende übertragen werden, sondern (konstruktivistisch) als Kontext für die Erprobung von kognitiven Konstrukten, (systemtheoretisch) als institutioneller Rahmen für die kommunikative Erzeugung und Bewältigung von Irritationen und (unterscheidungstheoretisch) als Ort des rekursiven Anschlusses von Unterscheidungen an Unterscheidungen. Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls 3. Form und Technik Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, auf welcher theoretischen Grundlage sich die Entscheidung für eine Kommunikationsplattform zur Unterstützung der Präsenzlehre rechtfertigen lässt. Gerade in Anbetracht der aktuellen Diskussionen um die Etablierung von e-learning-Angeboten an deutschen Hochschulen schien diese ausführliche Betrachtung der zugrundeliegenden Prioritäten angebracht. Es wurde der Standpunkt vertreten und begründet, dass die Unterstützung der Präsenzlehre durch vernetzte Technologien eine vielversprechende Möglichkeit darstellt, den Erfordernissen einer zeitgemäßen universitären Ausbildung gerecht zu werden. Die Begriffe, derer sich diese Ausführungen bedient haben, sollen auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit Anwendung finden und einen Hintergrund liefern, vor dem die Entscheidungen, die in der Konzeption und Umsetzung von myStudy getroffen worden sind, gerechtfertigt werden können. In diesem dritten Kapitel wird nun die Begründung der Auswahl der verwendeten Technologien im Vordergrund stehen. Unter Einbeziehung der vorgestellten Unterscheidungstheorie und ihrer Grundbegriffe soll gezeigt werden, warum die Technologien, die bei der Verwaltung und dem Betrieb von myStudy zum Einsatz kommen, für diesen Zweck besonders geeignet sind. Hierfür soll nun zunächst eine techniktheoretische Interpretation des Formkalküls von Spencer-Brown vorgenommen werden. Später kann mit Hilfe dieser Überlegungen eine Anwendung auf die in myStudy verwendeten Technologien erfolgen. 3.1 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls Max Weber begreift Technik als ein Phänomen, das zwar aus dem lebendigen Geist hervorgeht, aber nun eine verfestigte Form gewinnt, die nicht mehr von geistiger Reflexion geprägt ist, sondern von reiner Funktion. Er fasst dies in die Worte: „Eine leblose Maschine ist geronnener Geist“ (Weber 1988, 332). Der Zustand des Geronnenen ist für ihn ein wesentlicher Aspekt der Macht des technischen und auch des bürokratischen Apparats, den formlosen menschlichen Geist in seinen Dienst zu zwingen (vgl. Weber 1988, 332ff). Weber bezieht also seine Interpretation des Technikbegriffs durchaus nicht nur auf technische Artefakte wie die „leblose Maschine“, sondern insbesondere auf die bürokratische Verwaltung und die ihr immanente Verfestigung von Entscheidungs- und Handlungsstrukturen. Zwar ist diese Metaphorik stark beeindruckt von den sozialen Umwälzungsprozessen in der industrialisierten Gesellschaft des neugeordneten Deutschland am Ende des ersten Weltkrieges, jedoch zeigen sich, abgesehen von der politisch motivierten Interpretation Webers, Parallelen zu einem Technikverständnis, welches geleitet wird von einer Spencer-Brownschen Unterscheidungstheorie, wie sie in Abschnitt 2.1 ausgeführt worden ist. 31 Form und Technik beobachtende Systeme Es ist das Privileg beobachtender Systeme, Unterscheidungen zu treffen. Was aber hat man unter einem beobachtenden System zu verstehen? Aus der Perspektive des biologischen Konstruktivismus stellt ein jeder Organismus, der in Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht, ein solches dar. Die Systemtheorie fasst dagegen den Systembegriff weiter und begreift auch funktional differenzierte Gesellschaftsysteme als Beobachter, die zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz, zwischen System und Umwelt unterscheiden. Technik kann in Anlehung an das Vokabular Max Webers als geronnene Form der Unterscheidungen solcher beobachtenden Systeme begriffen werden - zunächst unabhängig von den Systemgrenzen des Beobachters. Auch durch technische Apparaturen werden, wie es scheint, unentwegt Unterscheidungen getroffen: Sei es die Ampel, die rotes Licht zeigt und damit den Autofahrer an der Weiterfahrt hindert, oder der Computer, der komplizierteste Berechnungen anstellt und auf dieser Basis beispielsweise Börsenkurse ermittelt und darstellt. Dabei handelt es sich doch bei diesen Apparaten weder nach einer konstruktivistischen noch nach einer systemtheoretischen Position um beobachtende Systeme, deren Definition demzufolge zu überdenken wäre. Vielleicht ist aber auch die Feststellung, dass Technik Unterscheidungen treffe, das Ergebnis einer begrifflichen Unschärfe, die hier näher zu untersuchen ist. Wie im Abschnitt 2.1 erläutert worden ist, geht jede Beobachtung auf eine Unterscheidung zurück, die das Beobachtete von dem Nichtbeobachteten trennt. Die Markierung, welche die Innenseite der Unterscheidung kennzeichnet, erlaubt die Anschlussoperationen von Nennen (bzw. Wiederholung, Bestätigung) und Kreuzen (bzw. Widerspruch, Auflösung). Die Tatsache, dass überhaupt eine Unterscheidung getroffen worden ist und dass diese Unterscheidung nun wiederum beobachtbar und unterscheidbar ist, schafft die Bedingung der dritten Operation, die mit dem Begriff re-entry beschrieben worden ist. Jedes beobachtende System hat nun also die ’Freiheit’ der Wahl zwischen diesen drei Operationen. Um auf das obige Beispiel zurückzukommen: Die Selektion Alte Frau oder Junges Mädchen wird allein vom Beobachter vorgenommen, und auch der re-entry, die Wahrnehmung der Wahrnehmung, ist eine Leistung, die ausschließlich den Beobachter erfordert, sonst nichts. Nicht-triviale Maschinen 32 Aus diesem Grund bezeichnet Heinz von Foerster den Beobachter als Nichttriviale Maschine (vgl. Foerster 1993, 244ff). Während die Triviale Maschine definitionsgemäß auf einen bestimmten Input immer denselben Output liefert, ist die innere Struktur der Nicht-trivialen Maschine nicht bestimmbar und liefert Outputs, die nicht vorhersagbar sind. Sie ist vergangenheitsabhängig, da ihre Zustände immer auch von vorangegangenen Operationen - beispielsweise von Erfahrungen - geprägt sind. Der Beobachter ist genau deshalb eine Nicht-triviale Maschine, weil die Freiheit seiner Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls Entscheidung jede Voraussage über diese Entscheidung unmöglich macht. Gerade diese Freiheit verleiht ihm aber die besondere Fähigkeit, mit Problemen umzugehen, die nach Foersters Definition unentscheidbar sind. Alle entscheidbaren Fragen sind bereits entschieden worden, „indem ein theoretischer Rahmen bestimmt wurde, innerhalb dessen diese Fragen gestellt wurden, und indem die Regeln festgelegt wurden, nach denen jede Aussage innerhalb dieses Rahmens [...] mit jeder anderen Aussage [...] verknüpft werden kann.“ (Foerster 1993, 351f) Fragen, die unentscheidbar sind, können dagegen einzig und allein von einem Beobachter selbst entschieden werden. Hierin zeigt sich gleichermaßen die Macht des Beobachters wie auch seine Verpflichtung, und genau damit unterscheidet sich die Nicht-triviale Maschine von ihrem trivialen Pendant bzw. der Webersche Geist von seinem geronnenen Abdruck in Form der leblosen Maschine. Der Apparat, der nicht-triviale Züge zeigt (z.B. das Auto, das nicht mehr anspringt, oder der Betrieb, der keine Gewinne mehr erwirtschaftet), gilt als schadhaft und muss von einem „Trivialisierungsspezialisten“ (Foerster 1993, 252) (z.B. von einem Mechaniker oder einem Unternehmensberater) wiederhergestellt werden. Derjenige Beobachter dagegen, der lediglich triviale Entscheidungen zu treffen hat, kann problemlos durch die Maschine ersetzt werden. Technik kann demzufolge als Ergebnis einer Trivialisierung verstanden werden, und zwar in den verschiedenen Dimensionen des Begriffs, ob es nun um die ’Technik des wissenschaftlichen Arbeitens’ oder um die ’Technik des Otto-Motors’ geht. Immer ist das Ziel der ’Technisierung’ die Beseitigung der Freiheit, eine Unterscheidung so oder anders zu treffen. Ist dieses Ziel erreicht, so steht anstelle dieser Kontingenz allenfalls ein so oder gar nicht. Die Wandlung, die damit an der Unterscheidung vollzogen wird, soll hier mit dem Begriff der Gerinnung angezeigt werden. Als Ergebnis einer Trivialisierungsoperation (z.B. des Mechanikers oder des Unternehmensberaters) liegt die Unterscheidung in geronnener Form vor und muss, so wie sie ist, befolgt oder verweigert werden. Das Kreuzen der Unterscheidung ist dagegen nicht möglich, ohne die Technik selbst zu zerstören. Mit anderen Worten: Ihre Form erlaubt nur sehr spezifische Anschlussoperationen, während andere ausgeschlossen werden. Technisierung als Trivialisierung In dem Verhältnis von Mensch und Technik verknüpfen sich zwei Unterscheidungen miteinander. Die eine Unterscheidung wird, wie gezeigt wurde, von der Technik selbst geliefert. Sie ist nicht variabel, das heißt, sie kann nicht beliebig gekreuzt werden. Die zweite Unterscheidung tritt erst zutage, wenn Technik im Sinne eines Werkzeugs oder Mediums gebraucht wird, Nutzung von Technik 33 Form und Technik denn dies setzt voraus, dass ein Benutzer (Beobachter) ein Handlungsmotiv unterscheidet. Er wendet die Technik an, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und er geht davon aus, dass die gewählte Technik zur Erreichung dieses Ziels adäquat ist. Hammer Ein Beispiel kann diesen Sachverhalt verdeutlichen: Ein Hammer als technisches Artefakt ist vornehmlich konzipiert, um damit einen Nagel in die Wand zu schlagen - man könnte diese Anwendung als intendierte Nutzung des Hammers beschreiben. Allerdings lässt sich der Hammer noch für viele weitere Handlungsziele einsetzen: Der Hammer ist als Waffe zu benutzen, er kann als Briefbeschwerer dienen oder als Kunstobjekt in einem Museum ausgestellt werden. Sicher würde man eine lange Liste weiterer möglicher Verwendungsmöglichkeiten erstellen können, doch alle diese Möglichkeiten beziehen sich auf verschiedene Motive eines Anwenders. Die Unterscheidung, die ein Nutzer in Bezug auf sein Handlungsziel trifft, ist also stärker variabel, da sie sehr von seinen individuellen Absichten abhängt. Allerdings muss eine Betrachtung der ’Technik des Hammers’ auch den Umstand berücksichtigen, dass man mit einem Hammer nicht telefonieren oder kochen kann. Man kann ihn nicht zum Tennisspielen benutzen und zum Malen taugt er auch nicht, selbst wenn dies die Handlungsmotive eines Benutzers sein sollten. Genau hierin liegt die Unterscheidung, die von der Technik selbst geliefert wird und die nicht veränderbar ist. Schreibmaschineschreiben Sucht man nach einem Beispiel, das weniger im gegenständlichen Sinne technisch ist als im ideellen, so bleibt das Konzept nichtsdestotrotz tragfähig. Spricht man etwa von der ’Technik des Schreibmaschineschreibens’, so besteht das Technische eben darin, „den Zusammenhang von einzelnen Buchstaben und deren korrespondierenden Tasten so zu automatisieren, dass wir beim Schreiben unsere Aufmerksamkeit voll auf die richtige Wiedergabe [...] des Textes konzentrieren können.“ (Jokisch 2000 [online]) Die Entscheidung, welche Taste für einen bestimmten Buchstaben und welche Tastenkombination für ein bestimmtes Wort zu drücken sei, wird automatisiert und hiermit trivialisiert. Die Triviale Maschine ’Typist’, deren hervortretendstes Merkmal die ausgereifte ’Technik des Schreibmaschineschreibens’ ist, liefert auf einen spezifischen Input immer einen spezifischen Output. Es handelt sich beim Schreibmaschineschreiben im Umkehrschluss also um ein entscheidbares Problem im Foersterschen Sinne, ein Problem, das durch eine Triviale Maschine bearbeitet werden kann, das aber durch den Automatismus der Technik entschieden wird. Der Typist kann diese Entscheidung der Technik nur befolgen oder verweigern, keinesfalls aber wiederrufen (kreuzen), ohne den technischen Aspekt selbst zu zerstören. Wie im Falle des Hammers ist durch die Technik des Schreibmaschineschreibens 34 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls zunächst unentschieden, wofür sie angewendet wird. Es kommt beispielsweise vor, dass mit ihrer Hilfe Buchstaben, Wörter oder Texte nicht gedruckt, sondern gelöscht werden (wie etwa unter Verwendung von Korrektur-Streifen). Allerdings ist auch die Unterscheidung, die in der Nutzung einer Technik getroffen wird, an gewisse Voraussetzungen gebunden. Damit Technik überhaupt genutzt wird, müssen nämlich bestimmte Bedingungen erfüllt sein, die die Anschlussfähigkeit der Unterscheidung durch Nutzung an die Unterscheidung der Technik gewährleisten. Es sind hier vor allem zwei Aspekte zu nennen: Die Technik muss erstens verfügbar sein. Diese Verfügbarkeit ist nicht nur räumlichen und zeitlichen Limitationen unterworfen, sondern sie wird in einem Wirtschaftssystem zumeist mit pekuniären Zugangsbarrieren verbunden, das heißt, man muss in aller Regel Geld zahlen, um eine Technik nutzen zu können oder zu dürfen. Beschränkungen der Nutzung Zweitens müssen auf der Seite des Nutzers bestimmte Qualifikationen vorhanden sein, damit er in der Lage und berechtigt ist, die Technik in Anspruch zu nehmen. Beispielsweise ist der Führerschein erforderlich, um ein Auto fahren zu dürfen, und auch der Umgang mit den Neuen Medien ist an Vorraussetzungen wie etwa Medienkompetenz gebunden (vgl. Abschnitt 2.6). Es bleibt also festzuhalten, dass die Unterscheidungen, die auf dieser Ebene getroffen werden - also die Art und Weise der Anwendung einer Technik zwar durchaus Einschränkungen unterworfen sind, jedoch auch stark von persönlichen Handlungsabsichten geprägt sind, die individuell variieren. Die Differenz zwischen den beiden skizzierten Unterscheidungen taucht bereits in dem Technikverständnis von Max Weber auf: intendierte Nutzung „’Technik’ eines Handelns bedeutet uns den Inbegriff der verwendeten Mittel desselben im Gegensatz zu jenem Sinn oder Zweck, an dem es letztlich (in concreto) orientiert ist [...].“ (Weber 1980, 32) Hieran zeigt sich aber auch, dass es bei der Einführung von Techniken und Technologien durchaus zu Anwendungen kommen kann, die nicht dem „Sinn oder Zweck“ entsprechen, der von ihren Initiatoren, Entwicklern oder Erfindern angedacht war, oder diesem sogar widersprechen. Dies ist nicht nur eine theoretische Annahme, die aus der Differenzierung jener beiden Unterscheidungen erwächst, auch in der täglichen Praxis der Entwicklung technologischer Innovationen spielt dieser Effekt eine verunsichernde Rolle. Ein bekanntes Beispiel bietet die E-Mail-Technologie. Die von Staatsgeldern finanzierte Entwicklung des Arpanets und des E-Mail-Standards zu Beginn der 70er Jahre sollte eigentlich dem wissenschaftlichen Austausch innerhalb von Forschungsprojekten sowie der militärischen Kommunikation dienen. Stattdessen wurde ein beträchtlicher Teil der technischen und zeitlichen 35 Form und Technik Ressourcen für die private, persönliche Kommunikation aufgewendet. Das damalige Arpanet zeigte hiermit erstmals seine soziale Relevanz. In der ersten großen E-Mail-Liste namens SF-Lovers in den späten siebziger Jahren beschäftigten sich die Arpa-Forscher nicht mit wissenschaftlicher Forschung, sondern mit Science-Fiction-Literatur (vgl. Rheingold 1994, 101f). Zwar versuchte man daraufhin zunächst, Maßnahmen zu ergreifen, um die nichtintendierten Kommunikationen zu unterbinden, allerdings ohne große Hoffnung auf Erfolg.28 Nutzung als re-entry Gleichwohl hat die moderne Medientheorie gezeigt, dass beide Unterscheidungsebenen, jene der Technik wie auch die ihrer Nutzung, eng miteinander verbunden sind. Mit dieser Erkenntnis korreliert McLuhans These von dem Zusammenhang zwischen Medium und Botschaft (vgl. McLuhan 1970, 17ff). Wie lässt sich diese Art des Zusammenhangs beschreiben? Wenn auch eine Technik durch ihre Form nicht vorgibt, in welcher Weise sie genutzt werden muss, so trifft ihre Form doch - wie gezeigt wurde - eine Selektion, die bestimmte Anschlussmöglichkeiten nahelegt und andere unwahrscheinlich werden lässt. Getreu der Spencer-Brownschen Unterscheidungstheorie lässt sich die Nutzung von Technik als re-entry der Unterscheidung begreifen, die durch die Technik vorgeschlagen wird. Die Entscheidung eines Nutzers, eine spezielle Technik zur Erfüllung eines bestimmten Handlungszieles anzuwenden oder aber die Anwendung dieser Technik als nicht adäquat zu verweigern, stellt den klassischen Fall des re-entry dar. Natürlich ist das reentry auch selbst mit allen Konsequenzen wiederum als Unterscheidung zu verstehen, die sich aber definitionsgemäß nicht auf beliebiges bezieht, sondern in diesem Fall auf die Unterscheidung, welche durch die Beschaffenheit der Technik vorgegeben wird. Mit anderen Worten: Durch ihre Nutzung wird Technik als Unterscheidung abermals unterschieden. Obwohl sie auf verschiedenen Ebenen stattfinden, entstehen beide Unterscheidungen gleichzeitig in ein und demselben Moment. In der Entwicklung einer Technik wird diese immer auch schon angewendet, sei es rein gedanklich (in Form einer intendierten Nutzung), virtuell (heute häufig in Computersimulationen) oder tatsächlich (als Prototyp, Testversion o.ä.). Umgekehrt stellt die Nutzung von Technik stets eine Form von Evaluation dar, die wiederum beobachtbar ist. Der Anwender leistet somit bereits durch die Nutzung einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Technik, denn allein die Tatsache der Anwendung sowie ihrer Umstände stellen einen beträchtlichen Informationswert dar, der für eine Weiterentwicklung herangezogen werden kann.29 28 36 Die SF-Lovers-Liste existiert im Übrigen bis heute und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls Die hier vorgestellte Deutung von Technik läuft allerdings Gefahr, missverstanden zu werden. Es soll mit dem Begriff der Gerinnung nicht vermittelt werden, dass Technik ein versteinertes Gebilde darstellt, in welchem Unterscheidungen irreversibel erstarrt sind. So meint der Begriff der Gerinnung in seiner wörtlichen Bedeutung zumeist die Verfestigung zu einer gelatinösen, nicht einer starren Masse. Entgegen seiner eigenen Metapher spricht Max Weber auch von dem flüssigen Charakter der Technik, die ständig an neue Nutzungsbedürfnisse angepasst wird und sich daher in einem steten Wandel befindet (vgl. Weber 1980, 32f). Tatsächlich ist Technik, wie man auch täglich in der Werbung erfahren kann, veränderbar, sie modernisiert sich ständig. Doch ist die Veränderung ihrer Form durchaus mit einem Energieaufwand verbunden, der von ihrem Benutzer nicht zu erbringen ist. Die Wiederherstellung einer schadhaften Technik (Re-Trivialisierung) erfordert zumeist das Know-How eines Trivialisierungsspezialisten, und ihre Modifikationen werden oftmals mit weiteren Mitteln unterdrückt oder sogar sanktioniert. So drohen Hersteller von technischen Geräten normalerweise einen Verlust der Gewährleistungsgarantie für den Fall an, dass unautorisierte Personen in die Technik des Gerätes eingreifen. Das Kreuzen der Grenzen, die durch die technischen Unterscheidungen installiert wurden, ist also in aller Regel nur für den fachkundigen und autorisierten Beobachter durchführbar, und auch ihm ist dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die wiederum technischer aber - wie im Falle von Urheberrechtsbestimmungen - auch rechtlicher oder anderer Natur sein können. Modifikation von Technik Natürlich stellt ein Computerprogramm, eine Internetseite und auch eine Internetanwendung wie myStudy ein ebensolches technisches Gebilde dar wie eine Maschine oder ein Unternehmen. Mit jeder Funktion, die diesem Artefakt innewohnt, werden die Unterscheidungen, die von seinen Entwicklern (Trivilisateuren) getroffen worden sind und die sich nun in der technischen Form verdichtet haben, offenbar. In der Folge steht es nun für Anschlussoperationen zur Verfügung. Es lassen sich mit ihm bestimmte Aufgaben erfüllen oder Arbeitsabläufe vereinfachen, es ermöglicht Kommunikationen, die zuvor nicht möglich waren oder auf andere Weisen stattgefunden haben usw. Für die Konzeption einer Internetanwendung wie myStudy ist zunächst von Interesse, welche Technologien zu ihrer Erstellung und zu ihrem Betrieb herangezogen wurden und wie sich diese in dem vorgeschlagenen Verständnis von Technik charakterisieren lassen. Bemerkenswert ist, dass es sich im 29 Aus diesem Grund schreiben z.B. viele HTML-Editoren ein sog. Meta-Tag (tag: engl. Etikett, Kennzeichnung, Marke) in den Quelltext der mit ihnen erstellten HTML-Dateien, welches die Verwendung der Software im Internet identifizierbar macht (z.B. <meta name=’generator’ content=’Adobe GoLive’>). Der Hersteller des HTML-Editors kann auf diese Weise Informationen darüber gewinnen, wie häufig und wofür seine Software angewendet wird. Diese Informationen spielen bei der Weiterentwicklung des Produkts eine wesentliche Rolle. 37 Form und Technik Falle von myStudy fast ausschließlich um Open Source-Technologien handelt, die in Bezug auf die vorangegangenen Ausführungen eine besondere Stellung einnehmen. Die Besonderheiten, die diese Technologien auszeichnen, sollen daher im folgenden anhand ihrer Entstehung dargestellt und interpretiert werden. 3.2 Aspekte von Open Source-Technologien 1984 gründete Richard Stallman, damals Forscher im KI-Labor des Massachusetts Institute of Technology, ein Software-Entwicklungsprojekt namens GNU (Gnu is Not Unix). Im Rahmen dieses Projekts sollte das weitverbreitete Betriebssystem Unix nachprogrammiert werden, mit dem Ziel, eine freie Version des Systems und vor allem dessen Quellcode öffentlich zur Verfügung stellen zu können. Die Vorstellung von Stallman war, dass das Wissen, welches in dem Quellcode eines Computerprogramms offenbar und nachvollziebar wird, Eigentum der Allgemeinheit sei und nicht durch Urheberrechte einzelner Entwickler oder Unternehmer geschützt sein dürfe (vgl. DiBona u.a. 1999, 2ff). Vergleichbar mit der und zurückgehend auf die Tradition von Wissenschaft wurde hier die Programmierung von Software als Diskurs verstanden, in dem die Gedankengänge und Strategien anderer Entwickler verständlich nachvollziehbar sein müssen, um Erkenntnisse vergleichbar, nachprüfbar und reproduzierbar zu machen. copyleft Richard Stallman befürchtete, dass die Entwicklungen, die man im Rahmen des GNU-Projektes machte und die bis dahin public domain - also öffentliches Eigentum - waren, von anderen Entwicklern oder von Unternehmen, die sich auf dem Softwaremarkt betätigten, wiederum urheberrechtlich geschützt würden. Daher machte er sich Gedanken über die Distributionsbedingungen für GNU, die die freie Verwendbarkeit und Offenlegung des Codes und seiner Modifikationen rechtlich sicherstellen sollten. Die Strategie, die Stallman und seine Mitstreiter hierfür wählten, wurde unter dem Begriff copyleft bekannt: „The central idea of copyleft is that we give everyone permission to run the program, modify the program, and distribute modified versions - but not permission to add restrictions of their own.“ (Stallman 1999, 59) Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Weiterentwicklungen, die auf der Arbeit des GNU-Projektes basieren, wiederum für das Projekt selbst zugänglich sind. General Public License 38 Die juristische Ausformulierung des copyleft-Konzeptes fand schließlich mit der GNU General Public Licence (GNU GPL) statt.30 Die Veränderungen und Erweiterungen einer Software, die General-Public-lizensiert ist, dürfen also gemäß der copyleft-Idee wiederum nur unter der unveränderten Aspekte von Open Source-Technologien GPL vertrieben werden. Das heißt, dass zwar die Software selbst frei verfügbar und modifizierbar ist, deren Lizenztext allerdings unter einem strengen Urheberrecht steht, welches jede Modifikation desselben verbietet.31 Die Inhaberin dieses Urheberrechtes sollte eine unabhängige Dachorganisation sein, die schließlich 1985 unter dem Namen Free Software Foundation gegründet wurde und deren Präsident Richard Stallman bis heute ist. Das Lizenzmodell, das von der Free Software Foundation angeboten wird, ist so attraktiv, dass eine Reihe von weiteren Softwareentwicklungen von ihren Urhebern unter die GNU GPL gestellt worden sind. Denn die Hoffnung darauf, das eigene Wissen mit dem von vielen anderen Programmierern, die an ähnlichen oder gleichen Problemen arbeiten, ergänzen zu können, birgt die Chance, zu einer schnellen und qualitativ hochwertigen Lösung zu gelangen. Es zeigt sich hiermit, dass die Entscheidung, die einen Softwareentwickler dazu bringt, seine Ergebnisse unter der GNU GPL zu veröffentlichen, nicht kommerzieller sondern ideeller Natur ist, also eine ’hochwertige’ Software und deren hohe Verbreitung zum Ziel hat, nicht aber deren lukrativen Absatz. Trotzdem war die Verbreitung von Freier Software32 unter Anwendern bis dahin recht gering. Die Ursachen hierfür waren vielfältig. Zum einen gab es für die Distribution von Freier Software kein Marketing-Budget. Die Free Software Foundation finanziert sich bis heute ausschließlich über den niedrigpreisigen Verkauf von Programmen und Dokumentationen, die im Internet auch kostenfrei verfügbar sind, sowie über Spendengelder. Diese Mittel werden haupsächlich für die Weiterentwicklung des GNU-Projekts und zur Finanzierung anderer Free Software-Projekte investiert (vgl. Stallman 1999, 60f). Außerdem handelt es sich bei Freier Software zumeist um Programme, die von Programmierern für Programmierer geschrieben werden. Das hat zum einen zur Folge, dass die ’Free-Software-Gemeinde’ recht hermetisch abgeschlossen ist, zum anderen sind ihre Produkte in Fragen der Benutzerfreundlichkeit gegenüber proprietären Produkten nicht konkurrenzfähig.33 30 31 32 Freie Software Der vollständige Text der aktuellen zweiten Version der GNU General Public License findet sich im Internet auf der Webseite der Open Source Initiative (vgl. Open Source Initiative 2003 [online]). Auch in Bezug auf das vorliegende Problem zeigt sich hiermit abermals die Ambivalenz von Begrenzung und Entgrenzung. Die Entgrenzung der Zugangsund Modifikationsmöglichkeiten wird erst durch die Begrenzung der Lizenzierungsfreiheit geschaffen. Für Software, die unter der GNU GPL distribuiert wird (Free Software), hat sich diese Bezeichnung durchgesetzt und kann daher als Eigenname gelten. 39 Form und Technik GNU/Linux Die Entwicklung eines Kernels34 für das GNU-System, genannt GNU HURD, erweist sich als große Herausforderung, die bis heute noch nicht bewältigt wurde. Allerdings existiert ein anderer Unix- und somit GNU-kompatibler und GP-lizensierter Kernel, der seit 1991 von dem finnischen Studenten Linus Torvalds und einer diffusen Gruppe von freiwilligen Helfern entwickelt wurde und schließlich unter dem Namen Linux bekannt wurde. Seit der Implementierung des Linux-Kernels in die GNU-Umgebung steht damit das kostenfrei zu beziehende und lauffähige Betriebssystem GNU/ Linux zur Verfügung. Die Nachricht von der Entwicklung eines stabilen Kernels für das GNU-System und vor allem die Art seiner Entstehung stellte für die Fachwelt eine große Überraschung dar: „Encountering Linux was a shock.“(Raymond 1999a, 207) Es schien - insbesondere aufgrund der schlechten Erfahrungen im GNU HURD Projekt - bislang nicht vorstellbar, dass eine Aufgabe von derart hoher Komplexität ohne eine strenge und hierarchische Koordination der Aufgabenverteilung und Qualitätssicherung zu bewältigen sei. Außerdem galt für die Softwareentwicklung das sogenannte Brookssche Gesetz: Die Zahl der Programmierer, die an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, sei zwar proportional zur Produktivität der Gruppe, jedoch quadratisch proportional zur Fehleranfälligkeit des Produktes (Raymond 1999, 208)35. Linux aber widersprach diesem Gesetz, denn es wurde von einer großen Gruppe selbstorganisierter Programmierer geschrieben: „Quality was maintained not by rigid standards or autocracy but by the naively simple strategy of releasing every week and getting feedback from hundreds of users within days, creating a sort of rapid Darwinian selection on the mutations introduced by the developers.“ (Raymond 1999, 28) Gerade die große Zahl der Programmierer, die sich zugleich als Tester betätigen, sorgt für die Sicherung eines hohen qualitativen Niveaus und für die Kompatibilität mit verschiedensten Soft- und Hardwareumgebungen. 33 34 35 40 Systemtheoretisch betrachtet handelt es sich bei der Entwicklung von proprietärer Software auf der einen Seite und der Entwicklung von Freier Software auf der anderen um Operationen innerhalb von verschiedenen Systemen (Wirtschaft bzw. Wissenschaft), deren verschiedene Leitdifferenzen auch verschiedene Produkte zur Folge haben. Insofern kann der Autor von Freier Software immer mit einem gewissen Know-How und Interesse des Anwenders rechnen, während die kommerzielle Softwareindustrie meist von einem eher unerfahrenen Benutzer ausgehen muss (DAU). Aus diesem Grunde besteht bei der Entwicklung von Freier Software nicht die gleiche Notwendigkeit für Benutzerfreundlichkeit, wie sie bei proprietärer Software vorliegt. Der Kernel ist das Herz eines Betriebssystems. Er regelt die Zuweisung von Hardware-Ressourcen an die aktuellen Prozesse des Betriebssystems und der ausgeführten Programme. Das Brookssche Gesetz bezieht sich streng genommen auf die Entstehung von Komplexität der Kommunikationbeziehungen innnerhalb von Entwicklungsund Projektgruppen (vgl. Brooks 1982, 13ff). Aspekte von Open Source-Technologien Trotz allem steht man dem Free Software-Konzept vor allem in der Computer- und Software-Industrie äußerst skeptisch gegenüber. Die negative Grundhaltung hat nach Überzeugung von Eric S. Raymond, einem der Väter der Open Source-Idee, ihre hauptsächliche Ursache in der politisch motivierten Argumentation der Free Software Foundation, von der sich die Entscheider kommerzieller Wirtschaftunternehmen abgeschreckt fühlten. Skepsis gegenüber Freier Software Schon mit dem Begriff Free Software, den Stallman gerade wegen seiner Doppeldeutigkeit im Sinne von umsonst auf der einen und frei auf der anderen Seite ausgewählt hatte, seien zu viele antikommerzielle Konnotationen verbunden. Den Grund für die ablehnende Haltung von Wirtschaftsunternehmen gegenüber Freier Software formuliert Raymond folgendermaßen: „Most of it came from something worse - the strong association of the term ’free software’ with hostility to intellectual property rights, communism, and other ideas hardly likely to an MIS manager.“ (Raymond 1999, 212)36 Aus diesem Grunde sah Raymond die Notwendigkeit für eine Umbenennung und Neuorientierung des Konzeptes. Gemeinsam mit Bruce Perens, Tim O´Reilly37 und einigen weiteren Mitstreitern gründete er die Open Source Initiative (OSI) und veröffentlichte die sogenannte Open Source Definition (OSD), einen Katalog von Bedingungen, die eine Software-Lizenz vollständig erfüllen muss, um dem Open Source-Standard zu genügen38. Zwar entspricht auch die GNU GPL diesen Bedingungen, jedoch werden zusätzlich andere, weniger ’offene’ Lizenzen mit eingeschlossen. Open Source Die wichtigste Differenz der OSD gegenüber den strengen Lizenzbestimmungen, die für Freie Software gelten, liegt in der Aufhebung der copyleftIdee. Die OSD lässt es also zu, dass Modifikationen einer Software, die unter einer Open Source-Lizenz vertrieben wird, oder Entwicklungen, die auf Open Source-Technologie basieren, selbst unter eine proprietäre Lizenz gestellt werden. Im Übrigen werden durch die OSD die folgenden zentralen Aspekte in weitgehender Übereinstimmung mit der GNU GPL geregelt (vgl. Perens 1999, 176ff). 36 37 38 Die Abkürzung MIS steht für „Managemant Information System“. MIS Manager sind also jene Entscheider innerhalb von Unternehmen, die über wesentliche Investitionen in Produkte der Informationstechnologie befinden. Tim O’Reilly ist der Gründer und Geschäftsführer des weltweit bekanntesten Verlags für computerbezogene Hand- und Lehrbücher, Bruce Perens war bis 1997 Leiter des Debian-Projektes, das sich bis heute mit einer Open SourceDistribution des GNU/Linux-Systems beschäftigt. Die Open Source Definition ist also selbst keine Lizenz. 41 Form und Technik Freie Weitergabe Die Lizenz darf die freie und kostenlose Weitergabe des Programms nicht untersagen Offenlegung des Quellcodes Der Quellcode des Programmes muss in einer gängigen Form im Internet kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Verbot von Diskriminierung Es dürfen von der Lizenz weder bestimmte Benutzergruppen noch bestimmte Arten der Anwendung diskriminiert werden. Distribution und Gültigkeit der Lizenz Die Lizenz muss für das ganze Produkt ebenso gelten wie für seine Teile. Sie muss mit jeder Kopie des Produktes distribuiert werden. Tabelle 2: wichtige Aspekte der Open Source Definition Erfolge Die Veröffentlichung der OSD führte zu einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen ihren Vertretern auf der einen und den Verfechtern der FreeSoftware-Idee auf der anderen Seite. Der Erfolg gab den Autoren der Open Source Definition jedoch bereits nach kurzer Zeit recht: Nachdem zunächst Netscape 1998 den Quellcode seines Internet-Browsers und E-Mail-Clients veröffentlichte und auch Sun zwei Jahre später den Code des Software-Pakets StarOffice freigab, stieg die Akzeptanz von Open Source-Produkten sowohl bei den Benutzern als auch in der Softwareindustrie stark an. Die sogenannten Halloween-Dokumente39, interne Memos aus dem Hause Microsoft, die im Jahre 1998 auf ungeklärten Wegen an die Öffentlichkeit gelangten, bestätigten, dass man dort Konkurrenzprodukte der Marke „Open Source“ äußerst ernst nahm und für eine Bedrohung der eigenen Marktposition hielt. Der unbekannte Autor der Halloween-Dokumente sieht in dem freien Austausch von Ideen einen strategischen Vorteil, der von Microsoft nicht egalisiert werden kann (vgl. Grassmuck 2000 [online]). Diese Befürchtung der Microsoft-Unternehmensführung hat sich vermutlich bis heute weiter intensiviert, denn Open Source-Alternativen können seitdem steigende Anwenderzahlen verbuchen.40 War der Desktop PC bislang die unangefochtene Domäne des Microsoft Betriebssystems Windows, so drängen zur Zeit die Distributoren Suse und Red Hat mit entsprechenden 39 42 Eine von Raymond kommentierte Version der Halloween-Dokumente findet sich im Internet auf den Webseiten der Open Source Initiative (Open Source Initiative 2003a [online]). Aspekte von Open Source-Technologien Desktop-Editionen von GNU/Linux auf den Markt. Und auch in der Apple Macintosh Welt kommt das Open Source-Konzept neuerdings zum Tragen: Das aktuelle Mac-Betriebssystem OS X baut auf Darwin auf, einem UnixFundament, das als Open Source entwickelt wurde. Auch der neue Webbrowser Safari von Apple basiert auf einem Open Source-Kern. Auf der Webseite zu ihrem neuen Software-Produkt erklärt das Unternehmen Apple: „Die Rendering-Engine für Web-Seiten von Safari basiert auf Software des Konqueror Open Source-Projekts. [...] Und als Mitglied der Open Source-Gruppe wird Apple alle Verbesserungen der Konqueror Rendering-Engine selbstverständlich für die Open Source-Gemeinde zur Verfügung stellen.“41 Diese Aussage belegt, dass es auch für kommerzielle Software-Entwickler auf vielfältige Weise interessant geworden ist, sich mit Open Source auseinander zu setzen. Es wird so nicht nur möglich, Entwicklungsarbeit und damit Kosten zu sparen, auch in der werblichen Kommunikation gehört ein Engagement innerhalb der Open Source-Gemeinde inzwischen zum guten Ton. ‘Open Source’ ist auf diese Weise zu einem Schlagwort geworden, das momentan in Mode ist wie nie zuvor. Volker Grassmuck konstatiert, dass Freie Software vor allem „etwas über die Strukturprinzipien von Kooperation und Kommerz, von Offenheit und Schließung“ (Grassmuck 2000 [online]) lehren kann. Die Open Source-Idee erweitert dieses Programm demgemäß um die Verknüpfung von „Kooperation und Kommerz“, indem es eine Brücke zwischen beidem schlägt. Durch die Open Source Definition wird eine Offenheit gegenüber der Welt des Kommerzes propagiert, gegen die sich Richard Stallman und die Free Software Foundation lange abzugrenzen suchten. Erst diese Öffnung hat zu dem Erfolg geführt, den Open Source-Produkte heute haben, so dass es beispielsweise kaum noch Anwendungsprogramme auf dem Softwaremarkt gibt, die nicht für das Betriebssystem GNU/Linux angeboten werden. 40 41 Kooperation und Kommerz Die Schätzung der tatsächlichen Benutzerzahlen von Open Source-Software ist aufgrund ihrer hohen und unkontrollierten Verbreitung in Netz sehr schwierig. Es gibt also keine offiziellen Verkaufszahlen, die man zur Begründung solcher Schätzungen heranziehen könnte. Volker Grassmuck gibt an, dass es im Jahre 2000 etwa zehn Millionen installierte Linux-Systeme gegeben habe (vgl. Grassmuck 2000 [online]). Die Quelle dieser Angabe ist jedoch nicht genannt. Die Nutzung von Open Source-Software im Internet kann mit Hilfe von technologischen Lösungen in Erfahrung gebracht werden. Der „Netcraft Web Server Survey“ belegt auf diese Weise die positive Entwicklung der Verbreitung der HTTP-Server-Software Apache (vgl. http://news.netcraft.com/archives/ web_server_survey.html; abgerufen am 20.05.2003). Der „Internet Operating System Counter“ hat im Jahr 1998 über einen Zeitraum von drei Monaten die Verbreitung verschiedener Betriebssysteme auf Webservern erfasst (vgl. http:// leb.net/hzo/ioscount; abgerufen am 20.5.2003) und festgestellt, dass Linux das bevorzugte Betriebssystem auf Webservern ist, dessen Verbreitung darüberhinaus im betrachteten Zeitraum noch zugenommen hat. (Vgl. http://www.apple.com/chde/safari; abgerufen am 03.04.2003.) 43 Form und Technik Der Open Source-Gedanke ist seit seiner Institutionalisierung häufig auch in andere Bereiche übertragen worden, die mit Softwareentwicklung wenig oder überhaupt nichts zu tun haben. Längst wird Open Source als strategisches Konzept verstanden, das auf die verschiedensten Probleme angewendet wird. Das Oscar-Projekt42 bemüht sich etwa um die Entwicklung eines Automobils, welches innerhalb eines offenen Diskurses konstruiert werden soll. Und unter dem Namen Divercity43 sollen im Rahmen eines Open Source-Konzeptes neue Strategien zur Entwicklung des urbanen Raumes diskutiert werden. So verschieden die diversen Projekte, die sich unter dem Gedanken Open Source versammeln, auch sein mögen, auffällig ist, dass sie sich allesamt der Technologien des Internets bedienen, um die Komplexität entstehender Kommunikationen zu bewältigen. So scheint es im Umkehrschluss, als wäre die Entstehung des ihnen zugrunde liegenden Open Source-Konzeptes erst durch die Entwicklung des Internets möglich geworden. Jedoch kann dieser Gedanke hier nicht weiter ausgeführt werden, vielmehr sollen im Folgenden die Eigenheiten von Open Source-Techniken unter Berücksichtigung eines unterscheidungstheoretisch begründeten Technikverständnisses diskutiert werden. 3.3 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht Der oben vorgeschlagene Technikbegriff geht von zwei miteinander verbundenen Unterscheidungen aus: die eine, die von der Technik selbst getroffen wird und die andere, die aus ihrer Nutzung resultiert und als re-entry der ersten Unterscheidung verstanden werden kann. Bedient man sich dieser Betrachtung, so wird deutlich, dass beide Klassen von Unterscheidungen durch die Anwendung des Open Source-Konzeptes weitestgehend variabel gestaltet werden können. Kreuzen Durch die Offenlegung des Quellcodes einer Software ist es dem qualifizierten Programmierer möglich, die Unterscheidungen, die ein anderer bei der Entwicklung des Programmes getroffen hat, zu revidieren. Technische oder juristische Barrieren, welche bei einer proprietären Software den Zugriff auf den Code vereiteln, werden mit den Bedingungen der OSD beseitigt, da der Code allgemein zugänglich im Internet verfügbar ist und wunschgemäß weiterbearbeitet werden darf. Die Voraussetzungen zur Modifikation von Open Sorce Produkten liegen hiermit gänzlich auf der Seite des Entwicklers, nämlich in seiner fachlichen, technischen Qualifikation sowie in seinen individuellen Motiven. Diese Motive können sogar, wie es die Definition von Freier Software hingegen unterbunden hatte, kommerzieller Natur sein. Die 42 43 44 (Vgl. http://www.theoscarproject.org; abgerufen am 12.04.2003.) (Vgl. http://www.divercity.berlin.heimat.de; abgerufen am 12.04.2003.) Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht Unterscheidungen, die in der technischen Form der Software geronnen sind (s.o.), werden auf diese Weise nachprüfbar und wiederholbar, damit aber auch widerrufbar - mit anderen Worten kreuzbar - gemacht, ohne durch sonstige Beschränkungen reguliert zu werden. Sie bleiben zwar grundsätzlich in einem technischen Maß geronnen, aber in diesen Grenzen weitestgehend variabel. Auch auf der Ebene der Anwendung zeigen sich Differenzen zwischen Open Source und proprietärer Software. Die Entscheidung, eine proprietäre Software zur Erfüllung bestimmter Aufgaben zu verwenden, ist normalerweise mit erheblichen Anschaffungskosten verbunden. Eine solche Investition stellt stets ein Risiko dar, welches bei der Verwendung einer Open SourceLösung aufgrund ihrer freien Verfügbarkeit in dieser Form nicht existiert.44 Da die Bestimmungen der OSD die Diskriminierung von Benutzergruppen (z.B. Privatperson, Unternehmen oder Bildungseinrichtung) und Anwendungsarten (z.B. kommerzielle oder nichtkommerzielle Anwendung) untersagen, kann somit ein beliebiger Nutzer zu einem beliebigen Zwecke beliebig viele Kopien einer Open Source-Software nutzen, ohne dafür einen Geldbetrag entrichten zu müssen. Versteht man also die Frage nach der Nutzung einer Technik als re-entry der durch sie getroffenen Unterscheidung und das re-entry (neben dem Nennen und Kreuzen) als die dritte Anschlussmöglichkeit an eine Unterscheidung, so stellt man fest: Auch die Anschlussoperation des re-entry ist - wie schon die des Kreuzens - durch Open Source liberalisiert worden.45 re-entry Die Idee der Open Source Definition lässt sich somit konsequent als ein Konzept beschreiben, welches auf die Gewährleistung von Anschlussmöglichkeiten ausgerichtet ist. Verwendet man das Vokabular der Unterscheidungstheorie von George Spencer-Brown, so lässt sich diese Öffnung, wie gezeigt wurde, in den Anschlussoperationen des Kreuzens und des re-entry nachweisen. Dies für den Anschluss durch Nennung zu zeigen, wäre nicht sinnvoll, da es sich hierbei um die reine Funktion einer Technik bzw. einer Software handelt. Nennen heißt im Falle von Technik Funktionieren, und die zugehörigen Operationen, die mit Foerster als trivial zu bezeichnen sind, werden gänzlich von der trivialen, technischen Maschine übernommen. Solange die Technik also funktioniert, ist der Anschluss durch Nennung sichergestellt, 44 45 Nennen Viele Softwarehersteller bieten aus diesem Grunde Testversionen ihrer Produkte an, welche die Nutzung eines Programmes für eine begrenzte Dauer oder in einem begrenzten Funktionsumfang erlauben. Das Investitionsrisiko kann auf diese Weise zwar gemindert, aber nicht ausgeschaltet werden. Ein wesentlicher Aspekt der Anschlussfähigkeit im Sinne der Nutzung einer Software ist die Gestaltung ihrer Benutzerschnittstelle. Jedoch wird dieser Aspekt unten ausführlicher behandelt und findet daher hier vorerst keine Beachtung. 45 Form und Technik funktioniert sie nicht, verliert sie mit ihrer Anschlussfähigkeit auch ihren technischen Aspekt. Trotzdem spricht man im Alltag oft davon, dass ein konkretes Programm besser funktioniere als ein anderes. Die Überprüfung funktionaler Differenzen zwischen proprietärer Software und ihrer Open Source-Konkurrenz muss allerdings im Einzelfall anhand von speziellen Kriterien erfolgen und kann nicht verallgemeinernd auf die Anwendung von Open Source-Strategien zurückgeführt werden. Die Technologien, welche bei der (Weiter-)Entwicklung und beim Betrieb von myStudy zum Einsatz kommen, sind fast ausnahmslos Open SourceTechnologien, deren Charakteristika nun ausführlich dargelegt worden sind. Ihre Eigenschaften stellen zugleich die wichtigsten Gründe dar, die für ihre Verwendung im myStudy-Projekt angeführt werden können. Die Anschlussfähigkeit von Open Source-Technologien hat für ein Projekt wie myStudy einen besonderen Stellenwert, denn man hat es hier nicht mit einer technischen Lösung für eine klar definierte Aufgabe zu tun. Vielmehr ist myStudy eine Internetanwendung, deren Form sich im ständigen Wandel befindet und eine Dynamik besitzt, die zu stets neuen Erweiterungen und Veränderungen führt, die technologisch unterstützt werden müssen. myStudy versteht sich also als ’work in progress’, welche sich im Zyklus der wechselnden Semester zum einen an stets neue Gegebenheiten anpasst, zum anderen aber auch neue Potentiale aus sich selbst heraus entwickelt. Eine solche Offenheit in der Weiterentwicklung ist nur auf der Basis einer Technologie möglich, die einfach und unkompliziert an die sich wandelnden Bedürfnisse anpassbar ist. Ein bestimmter Aspekt ist allerdings bei diesen Überlegungen bisher stillschweigend ignoriert worden, nämlich das Problem der Benutzerfreundlichkeit einer Software und damit einhergehend die Gestaltung ihres Interfaces. Die Bedeutung, die dieser Bereich für die Konzeption und den Erfolg einer Internetplattform einnimmt, ist zwar, wie bereits angemerkt wurde, nicht ganz unabhängig von der Frage nach Open Source, aber zum anderen so zentral für die Problemstellung, dass ihm ein eigenes Kapitel gewidmet werden muss. Abermals sollen unterscheidungstheoretische Thesen als Grundlage dienen, um die Rolle des Interfacedesigns und die Frage nach Usability zu verorten und in den Blick zu nehmen. 46 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht 4. Form und Interfacedesign Der Problematik des Interface-Designs wird sich aus unterschiedlichsten Perspektiven genähert. Vor allem kann man eine große Distanz zwischen Theorie und Praxis beobachten. Die wenigen Ansätze, die sich mit dem Thema Design aus theoretischer Sicht befassen, sehen sich zumeist einer ausgesprochenen Rechtfertigungsnot ausgesetzt und finden bei den Praktikern so gut wie kein Gehör. Auf der anderen Seite ist die Vielzahl von praxisorientierten Aussagen über das Design von Benutzerschnittstellen fast unermesslich und dabei zwangsläufig redundant. Solche Betrachtungen kommen in aller Regel ohne eine Rechtfertigung ihrer selbst, vor allem aber ohne eine theoretische Begründung ihrer Argumentationsgrundlagen aus und lehnen diese teilweise sogar ausdrücklich ab. Dabei unterstellen die Theoretiker auch den praktischen Zugangsweisen zum Problem des Designs eine immanente theoretische Begründung: „Every professional practice takes place in front of a theortical background; that holds even for practice styles that vehemently deny any theoretical involvement.“ (Bonsiepe 1997, 26 [online]) Ein jedes Feld, welches Fortschritt aufweisen kann, zeigt damit, dass es auf Theorie aufbaut, da es offensichtlich eine ideelle Grundlage besitzt, die es im Zeitverlauf weiterentwickelt (vgl. Friedmann 2001 [online]). Und dennoch fällt es den Theoretikern schwer, die wissenschaftliche Disziplin Designtheorie zu etablieren. Viele der Beiträge zum designtheoretischen Diskurs widmen sich daher zumindest am Rande dem Verhältnis von Theorie und Praxis und damit der eigenen Rechtfertigung (vgl. Pylyshyn 1991, 39ff). Eine zusätzliche Schwierigkeit entsteht dadurch, dass der Designbegriff mit einer großen Unschärfe verwendet wird und auf alles bezogen wird, was ‘gestaltbar’ ist. In diesem Rahmen soll daher im Einvernehmen mit dem Designtheoretiker Gui Bonsiepe Design als Interfacedesign verstanden und eingegrenzt werden, nämlich als ein Bereich in dem Wechselwirkungen zwischen Nutzern und Artefakten sowie die sich hieraus ergebenden Erfahrungs- und Handlungsräume strukturiert werden (vgl. Bonsiepe 1997a, 2 [online]). Artefakte werden in dieser Hinsicht sowohl physisch als auch ideell begriffen, nämlich als Körper, die eine sinnlich erfahrbare Schnittstelle bieten, damit aber auch Träger von Zeichen sind, mit deren Hilfe sie auf eine Referenz verweisen, die durch die Abwesenheit des Referenzierten geprägt ist. 47 Form und Interfacedesign 4.1 Das Interface zwischen Artefakt und Anwender Die lateinische Herleitung des englischen Begriffes Interface sagt einiges über seine Bedeutung aus, was die deutsche Übersetzung Schnittstelle verschleiern würde. Der Wortteil inter (lat.: zwischen) deutet darauf hin, dass man es hierbei mit einem Phänomen der Grenze zu tun hat. Das Interface stellt einen Ort dar, der sich zwischen zwei Seiten einer Unterscheidung befindet, nämlich zwischen dem Nutzer und dem Artefakt. Der Wortteil face (engl. Gesicht, Gestalt) leitet sich, wie Etymologen vermuten, von dem lateinischen Verb facere (lat. machen, tun) ab46. Durch ihn wird angezeigt, dass an diesem Ort eine Form von (Inter-)Aktion zwischen beiden Seiten der Unterscheidung stattfindet. Es werden mit Hilfe des Interfaces Operationen zwischen Anwender und Artefakt vollzogen, welche ihrerseits stark durch die qualitative Beschaffenheit des Interface beeinflusst werden. Somit ermöglicht es den anwendungsbezogenen Zugang zum Artefakt und dessen Verwendung in Hinsicht auf die Erfüllung eines Zweckes.47 Designdiagramm In diesem (weiteren) Sinne kann z.B. der Griff eines Schraubenziehers, die Form und Ausprägung seiner Spitze, sein Material - mit anderen Worten die Summe seiner spezifischen Eigenheiten - als sein Interface begriffen werden. Durch dieses ist der Schraubenzieher in der Lage, dem Anwender die Bearbeitung einer Aufgabe zu ermöglichen. Gui Bonsiepe hat zur Visualisierung dieses Sachverhaltes ein ontologisches Designdiagramm vorgeschlagen, dessen Darstellung hier abstrahiert wiedergegeben wird. Abbildung 2: Ontologisches Designdiagramm (eigene Darstellung; nach Bonsiepe 1996, 20) 46 47 48 (vgl. http://www.hyperdictionary.com/dictionary/face; abgerufen am 15.05.2003) Diese Ausrichtung des Interfacebegriffs auf einen Nutzungszweck stellt eine Vereinfachung des Sachverhalts dar. Die Kunst bietet beispielsweise Artefakte, deren Interface die Erfüllung eines Zweckes gerade verweigert. In Hinblick auf die Fragestellung und die Anwendung auf myStudy kann dieser Einwand allerdings vernachlässigt werden. Das Interface zwischen Artefakt und Anwender Am Beispiel des Schraubenziehers zeigt sich eine Deckung des Interfaces mit dem Artefakt selbst. Beide Entitäten sind nicht voneinander zu trennen, die Physis des Schraubenziehers ist so gesehen nichts als Interface. Erst bei komplexeren Artefakten zeigt sich eine tiefergehende Grundlegung des Interfacebegriffs. Der Schraubenzieher kann zwar im Verhältnis zu seiner Außenwelt verschiedene Zustände annehmen - seine Spitze kann beispielsweise in den Kopf einer Schraube passen - jedoch ist sein innerer Zustand immer derselbe. Komplexere Systeme können dagegen verschiedene Zustände annehmen, deren Repräsentation extern („surface representation“), aber auch intern („internal representation“) erfolgen kann (Norman 1991, 25). Hierdurch entsteht die Notwendigkeit eines Interfaces, welches interne Repräsentationen externalisiert, also den inneren Zustand des Artefakts an seiner Oberfläche sinnlich erfahrbar macht. Ein einfaches Beispiel hierfür bietet eine Kontrolllampe an einem elektrischen Gerät, die signalisiert, ob das Gerät an- oder ausgeschaltet ist. Die Lampe erfüllt für die Funktionsweise des Gerätes keinen Zweck, sie dient ausschließlich der Mitteilung seines inneren Zustands. interne und externe Repräsentation Das Interface bietet nun wiederum die Möglichkeit, diesen Zustand zu manipulieren. Ein Schalter an besagtem elektrischen Gerät kann beispielsweise dazu dienen, die Stromversorgung des Geräts abzuschalten und damit den inneren Zustand des Gerätes zu verändern. Die Kontrolleuchte an dem Gerät wird in diesem Fall erlöschen.48 Es ergibt sich also mit Hilfe des Interfaces (im engeren Sinne) eine Rückkopplung von Manipulationen oder, anders gesagt, ein wechselseitiger Anschluss von Unterscheidungen, die durch den Nutzer und durch das technische Artefakt getroffen werden49. Nicht mehr einzelne Operationen des Anwenders bei der Bedienung eines Interfaces, sondern erst die Emergenz dieses kybernetischen Zirkels ist auf die Erfüllung einer Aufgabe gerichtet. Die Zwischenschaltung eines Interfaces bewirkt so gewissermaßen eine Abstraktion der Operationen des Anwenders gegenüber der Aufgabe, die mit ihnen verfolgt wird. Der Soziologe Bruno Latour bezeichnet diesen Komplex als einen Vorgang der „Übersetzung“ durch Technik (vgl. Latour 1998, 34). Mit der Bedienung des 48 49 Rückkopplung von Anwender und Artefakt Normalerweise ist hierbei die Rede von Eingabe- und Ausgabeschnittstellen eines Geräts. Diese Begriffe sollen aber in Anbetracht der Wechselseitigkeit von Manipulationen zwischen Anwender und Artefakt nicht verwendet werden. Sie würden eine feststehende Perspektive auf die Technik suggerieren. Streng genommen trifft das Artefakt keine Unterscheidungen. Wie der Abschnitt 3.1 gezeigt hat, sind in ihm aber Unterscheidungen geronnen, die durch das Funktionieren der Technik reproduziert werden. Das Artefakt kann daher nicht als autonomer Beobachter verstanden werden. Bonsiepe beschreibt die Wechselwirkung zwischen Anwender und Artefakt auch mit dem Begriff der „strukturellen Kopplung“ von Maturana und Varela (vgl. Bonsiepe 1996, 52). Diese Anschauung impliziert ein Verständnis des Artefakts als Beobachter und ist daher aus dem obigen Grunde abzulehnen. 49 Form und Interfacedesign Interfaces kommt es zu einer Verschiebung des „Handlungsprogramms“ (Latour 1998, 33), dass sich nun nicht mehr auf die unmittelbare, sondern nur mittelbare Verrichtung einer Aufgabe bezieht, nämlich auf die Bedienung des Interfaces. Abbildung 3 soll die Beziehung zwischen den verschiedenen Elementen in der Wechselwirkung zwischen Anwender und Artefakt verdeutlichen. Abbildung 3: Das Interface in der Beziehung zwischen Anwender und Artefakt (eigene Darstellung) Über das Interface wird also eine Rückkopplung von Unterscheidungsoperationen zwischen Anwender und Artefakt realisiert. Zieht man die techniktheoretischen Beobachtungen des dritten Kapitels zu dieser Erkenntnis hinzu, so wird deutlich, dass es sich wiederum um die kaskadisch positionierten Unterscheidungsebenen handelt, deren Architektur dort bereits eingehend beschrieben wurde. Das Interface sichert folglich die Anschlussfähigkeit der Unterscheidung, die durch die Nutzung von Technik konstituiert wird, an die geronnene Unterscheidung der Technik selbst. Kurz gesagt, die Qualität des Interfaces bestimmt die Nutzungsfähigkeit der Technik. Dies gilt insbesondere dadurch, dass sich das Artefakt aus Sicht des Anwenders ausschließlich durch das Interface darstellt (vgl. Simon 1990, 6). Das Interface stellt jene Entität dar, anhand derer sich Anwender ein mentales Modell von einem Artefakt erstellen. Nach der Theorie der mentalen Modellbildung, die auf den Psychologen Kenneth Craik zurückgeht, verwendet der Nutzer aus seiner subjektiven Perspektive nicht das Artefakt selbst, sondern sein mentales Modell, also eine (Re-)Konstruktion des Artefakts. „If the organism carries a ’small-scale model’ of external reality and of its own possible actions within its head, it is able to try out various alternatives, conclude which is the best of them, react to future situations before they arise, utilize the know50 Visualität und Information ledge of past events in dealing with the present and future, and in every way to react in a much fuller, safer, and more competent manner to the emergencies which face it.“ (Craik 1943, 51) Ziel des Interfacedesigns ist es daher, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Modelle, die von der Technik selbst und durch die Gestaltung des Interfaces gebildet werden, mit der mentalen Modellbildung des Nutzers in einer Art korrelieren, die eine zweckbestimmte Nutzung des Artefakts erlaubt. „In the ideal world, the system image will be consistent with the designer’s conceptualization, and the user’s mental model will thereby be consistent with both.“ (Norman 1983, 14) Die Kohärenz der verschiedenen „images“ reduziert somit Irritationen bei der Nutzung des Artefakts und gewährleistet auf eben diese Weise die Anschlussfähigkeit von Technik und ihrer Nutzung. Jedoch muss der Designbegriff weiter differenziert werden, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich bei einer Internetanwendung wie myStudy nicht nur um ein technisches Artefakt im eigentlichen Sinne, sondern um eine Schnittstelle handelt, welche Informationen bereitstellt und vor allem Kommunikationen ermöglicht. Insofern schafft das Interface nicht nur die Anschlussfähigkeit der Anwendung an die Technik, sondern auch die von Anwendern untereinander. Daher meint Interfacedesign im Gegensatz zum klassischen Verständnis des Produktdesigns nicht nur die audiovisuelle, haptische oder olfaktorische Gestaltung, sondern vor allem auch die Gliederung des Informations- und Kommunikationsraumes, der durch das Artefakt zugänglich gemacht wird. Aus diesem Grunde erscheint zunächst die Unterscheidung von audiovisuellem Design50 und Informationsdesign sinnvoll. Differenzierung des Designbegriffs 4.2 Visualität und Information Der Bereich des audiovisuellen Designs, der theoretisch bisher nur schwer zu erfassen ist und aus diesem Grund die Rechtfertigungsnot der Designtheorie evoziert, wird von Bonsiepe auch als visuell-verbale Rhetorik bezeichnet (vgl. Bonsiepe 1996, 85ff). Definitionsgemäß wird unter Rhetorik die effiziente Verwendung sprachlicher Mittel verstanden, „um bei anderen Menschen Einstellungen zu bilden und ihre Handlungen zu beeinflussen.“ (Bonsiepe 1996, 88) Das audiovisuelle Design verfolgt ein ähnliches Ziel und ist mit ähnlichen Problemen der Überforderung und Ablenkung des Rezipienten verbunden. Der Begriff der Rhetorik wird darüberhinaus auch als 50 visuelle Rhetorik Die Gestaltung von olfaktorischen und haptischen Sinneswahrnehmungen spielt zwar momentan eine geringe aber im Laufe weiterer technischer Entwicklungen sicher wachsende Rolle und ist daher immer mitgemeint. 51 Form und Interfacedesign die Kunst der sprachlichen Verschönerung verstanden und impliziert, dass der Mensch Freude habe an der Wahrnehmung von und am Umgang mit schönen Dingen. Jedoch gerät man mit der Frage nach dem Schönen in die Nähe des klassischen Diskurses um die philosophische Ästhetik, der hier nicht thematisiert werden soll und kann. Dieses Problem umgeht man, wenn man sich der Gestaltung des Artefakts aus der Perspektive des Nutzers und seinem Nutzungsinteresse nähert: „It is the focus on the user and her/his concerns from an integrative perspective that characterizes the design approach.“ (Bonsiepe 2000, 4 [online]) Usability Allerdings ist der Usability-Gedanke, der sich hieraus ergibt, stark besetzt von konservativen und sogar „designfeindlichen“ (Bonsiepe 2000, 6 [online]) Vertretern wie Jakob Nielsen, der beispielsweise in der New York Times auch als „guru of Web page usability“ (Richtel 1998 [online]) bezeichnet wurde. Nielsen, der sich selbst nicht als Designer, sondern als Usability-Ingenieur sieht (vgl. Nielsen 2000, 11), bezieht sich in seinen Studien zur Benutzerfreundlichkeit von Software und Internetanwendungen fast ausschließlich auf messbare Daten. Er zählt beispielsweise die Maus-Klicks und misst die Zeit, die ein User zur Bearbeitung einer spezifischen Aufgabe benötigt. Daher sind für Nielsen ausführliche Tests und die intensive Beobachtung des Nutzerverhaltens beim Umgang mit einer Software die wichtigsten Methoden zur Informationsgewinnung. Zwar kommt er auf diese Weise durchaus zu repräsentativen und operationalisierbaren Ergebnissen, doch muss sich ein solcher Ansatz von Benutzerfreundlichkeit den Vorwurf des aktiven Reaktionismus gefallen lassen, denn er kann nicht erklären, wie es im Designprozess zu Kreativität und Innovationen kommen kann (vgl. Bonsiepe 2000, 5 [online]). Zudem sind Geschwindigkeit und Effizienz bei der Suche nach Informationen oder der Ausführung bestimmter Operationen mit Hilfe einer Softwareanwendung sicher nicht als absolutes Ziel des Interfacedesigns zu sehen. Die Aufgabe von Design ist in zahlreichen Fällen viel eher, eine wirkungsvolle Kommunikation zwischen Anwendern zu ermöglichen, wie es sich auch am Beispiel von myStudy zeigt. Bonsiepe fordert daher eine Neudefinition des Usability-Konzeptes, die den Design-Aspekt stärker berücksichtigt. Aspekte des visuellen Designs 52 Diese Sichtweise auf das visuelle Design eines Interfaces hat eine Vielzahl von Berührungspunkten mit sehr verschiedenen Disziplinen. Sie muss neben den technischen Rahmenbedingungen, die das Medium - im Falle von myStudy das Internet51 - liefert, auch formale Kriterien beachten, die beispielsweise aus den Erkenntnissen der Farbtheorie, der Gestaltpsychologie und der Typographie erwachsen. Diese Grundlagen des visuellen Interfacedesigns im Einzelnen auszuführen, ist nicht das Ziel dieser Arbeit. Vielmehr Visualität und Information soll hier die Verortung des visuellen Paradigmas im Rahmen des Interfacedesigns verdeutlicht werden. Das Informationsdesign stellt das zweite wichtige Gebiet des Interfacedesigns dar. Dieses von Fragen der audiovisuellen Gestaltung losgelöst zu betrachten, würde jedoch eine verkürzte Sichtweise bedeuten. Um zu verstehen, welche Rolle Design bei der Darstellung und Vermittlung von Wissen spielen kann, sind gewisse Kenntnisse von dem Prozess nötig, in dem sich Wissen aus Informationen und Informationen aus Daten generieren. Selbstverständlich spielen hierfür die konstruktivistischen Annahmen zu dem Problem des Lernens und deren Herleitungen (vgl. Abschnitt 2.3) ebenfalls ein zentrale Rolle. Informationsdesign Der Technikanthropolge David Hakken hat ein Modell vorgeschlagen, welches die Entstehung von Informationen und Wissen als eine Verkettung von aufeinander aufbauenden Schritten beschreibt, und zwar: „from ‘mere data’ to ‘processed data’ (information) to ‘verified information’ (knowledge) to, perhaps, ‘existentially validated information’ (wisdom?).“ (Hakken 1999, 21)52 Die rohen Daten haben zunächst keinen Informationsgehalt. Sie stellen ein formloses Rauschen dar und bilden den Zustand der ununterschiedenen Symmetrie (vgl. Abschnitt 2.1). Erst die Verarbeitung dieser Daten durch ein beobachtendes System, das Unterscheidungen trifft und hiermit Ordnung in das symmetrische Rauschen bringt, schafft Informationen (In-Formationen!). Werden diese wiederum in einen Kontext gestellt, interpretiert und auf diese Weise mit einer Bedeutung gefüllt, so entsteht Wissen.53 Die Entstehung von Wissen ist somit auf Kommunikation angewiesen, in deren Verlauf die Form und Struktur der Repräsentation von zentraler Bedeutung ist: „Knowledge as accumulated experience needs to be communicated and shared beetween individuals. The process of communicating and sharing knowledge is linked to the presentation of knowledge - and the presentation of knowledge is - or could become - a central issue of design.“ (Bonsiepe 2000, 2f [online]) 51 52 53 Gemeint sind hier vor allem jene Gesichtspunkte, die Nielsen mit dem Paradigma des „usability-engineering“ (Nielsen 1994) anspricht, also zum Beispiel Ladezeiten und Datenübertragungsrate, Ausnutzung der Bildschirmfläche, nutzerseitige Hardwarekonfiguration etc. Das Vorstellung von Hakken basiert auf der sogenannten Wissenspyramide von Aamodt und Nygard (vgl. Aamodt/Nygard 1995, 191ff). Diese Pyramide stellt ein Schichtmodell mit den folgenden Ebenen dar: Zeichen/Ziffern, Worte/ Werte, Daten, Information, Wissen. Die Frage nach der Entstehung von Weisheit bleibt als philosophisches Problem hier unberührt. 53 Form und Interfacedesign Funktion des Informationsdesigns Unterscheidungstheoretisch ist in einem solchen Modell die Funktion, die das Informationsdesign in dem Prozess der Entstehung und Kommunikation von Wissen trägt, klar zu definieren: Es trifft jene Unterscheidungen, die für die Gewinnung von Informationen aus Daten sorgen, und schafft die Struktur, in der die rohen Daten als Informationen einer Interpretation durch den Beobachter zugänglich gemacht werden. Die Stringenz und die Konsequenz dieser Ordnung, vor allem aber ihre Nachvollziehbarkeit treffen daher eine Vorentscheidung über die Interpretierbarkeit der dargestellten Inhalte. Schließlich muss ein Nutzer zunächst die Bedienung des Interfaces, seine Strukturmerkmale sowie die Handlungsoptionen innerhalb dieser Struktur erfasst haben, um kontextuelle Beobachtungen vornehmen zu können. Das Interface und seine Struktur bieten also gerade jenen Kontext, der bereits als grundlegend für den Lernprozess beschrieben wurde. zweistufiger Lernprozess am Interface Dieser muss folglich auf zwei Ebenen ablaufen: erstens bezogen auf die Interaktion an der Schnittstelle und zweitens bezogen auf die angebotenen Inhalte der Kommunikation. Obwohl beide Aspekte logisch gesehen einer Hierarchie unterworfen sind, werden sie durch den Anwender parallel zueinander und nicht etwa zeitlich versetzt verarbeitet. Somit muss die Energie, die auf die Aneignung des Interfaces verwendet wird, in einem Verhältnis zu dem stehen, was durch seine Nutzung gewonnen werden soll. Dies charakterisiert die paradoxe Stellung des Interfaces im Wahrnehmungs- und Lernprozess: Als Werkzeug soll es einerseits möglichst unsichtbar sein, leicht zu erlernen und intuitiv zu bedienen, um den Zugriff auf die gewünschten Operationen so einfach wie möglich zu machen. Als Strukturmerkmal soll es andererseits im Vordergrund stehen und eine logische und visuelle Kohärenz schaffen, die über allem steht. Ziele des Nutzers Im Umkehrschluss zu diesen Überlegungen muss das Informationsdesign einer Benutzerschnittstelle daher auf das Erkenntnis- oder Handlungsziel des Anwenders abgestimmt sein. Nielsen stellt dementsprechend auf die ihm eigene dogmatische Weise fest: „The most important thing is to discover the three main reasons users come to your site and make these things extremely fast and obvious to do.“54 Aussagen wie diese von Nielsen sind zwar gut zu operationalisieren, allerdings begreifen sie den Nutzer offentlichtlich als eine Triviale Maschine, deren Verhaltensweisen und Absichten zu „entdecken“, in der Folge klar zu definieren und schließlich vorherzusagen sind. Die Berücksichtigung der Annahme, dass Nutzer aus individuell konstruierten Kontexten heraus ebenso individuelle Ziele verfolgen, lässt solche Konzepte jedoch 54 54 (vgl. http://www.webreference.com/new/nielsen.html, abgerufen am 24.04.2003) Design als Verwendung von Zeichen fragwürdig erscheinen. Insofern kann das Informationsdesign in vielen Fällen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein.55 4.3 Design als Verwendung von Zeichen Der Vergleich von Design und Rhetorik (vgl. Bonsiepe 1997, 7 [online]) legt bereits nahe, dass sich die Gestaltung eines Interfaces wie die wörtliche Rede im Medium der Sprache, oder besser im Medium der Zeichen verortet. Zum einen nutzt das Interface einer Kommunikationsplattform Sprache als Medium der Kommunikation. Zum anderen kommt es zur Verwendung von graphischen Symbolen und Icons sowie zum Einsatz von Metaphern, welche die Navigation und Orientierung im Informationsraum erleichtern sollen. Selbst die Auswahl von Farben, Formen und Schrifttypen etc. kann zeichentheoretisch gedeutet werden, denn sie erfolgt, genauso wie die Anwendung des Interfaces, in einem Kontext, der jeder Designentscheidung eine Bedeutung verleiht. Der Dualismus von Informationsdesign und visuellem Design löst sich auf diese Weise auf. Die Perspektive, die hiermit eingenommen wird, leitet den Blick in das Feld der Semiotik und kann das Verständnis für die Prozesse, die sich am Interface ereignen, vertiefen. Der Theoretiker Mihai Nadin, der sich vor allem mit dem Verhältnis von Semiotik und Interfacedesign beschäftigt hat, stellt dementsprechend fest: „Design principles are semiotic by nature. To design means to structure systems of signs in such a way as to make possible the achievement of human goals.“ (Nadin 1988, 269) Um Zeichentheorie gewinnbringend auf das Problem der Gestaltung von Benutzerschnittstellen anzuwenden, müssen also die Strukturen der semiotischen Mechanismen erkannt werden, um diese bei der Verwendung von Zeichen im Gestaltungsprozess zu unterstützen. Der Semiotiker Charles Sanders Peirce hat ein Modell vorgeschlagen, welches das Zeichen als etwas beschreibt, „das für jemanden in einer gewissen Hinsicht oder Fähigkeit für etwas steht“ (Peirce 1983, 36). Es verschränken sich damit drei Entitäten, welche die Einheit des Zeichens bilden: das sinnlich erfahrbare Repräsentamen (R; oder mit Saussure: der Signifikant), das Objekt der Bezeichnung (O; mit Saussure: das Signifikat) und der Interpretant (I), für den das Zeichen eine spezifische Bedeutung erlangt. Dabei ist der Interpretant sowohl als interpretierendes Zeichen aber auch als 55 das triadische Zeichen Um dennoch zu einer praktischen Anwendung zu gelangen, lässt sich die Gesamtheit der Nutzer nach Gruppen differenzieren, in denen zumindest ähnliche Zielsetzungen angenommen werden können. In solchen Fällen bietet sich die Gestaltung von unterschiedlichen Schnittstellen an, die auf das angenommene Nutzungsinteresse der verschiedenen Gruppe hin optimiert sind. myStudy demonstriert mit verschiedenen Schnittstellen für Studierende und Lehrende ein Beispiel einer solchen Strategie. 55 Form und Interfacedesign Bewusstsein vorstellbar. Im letzteren Fall ist der Zeichencharakter also davon abhängig, dass die Unterscheidung des Zeichens als Zeichen durch einen Beobachters erfolgt. Und schließlich wird so gesehen alles zum Zeichen, wenn es als solches interpretiert wird. Das Objekt der Bezeichnung ist also nach diesem Modell nicht in jeder Hinsicht dasselbe, sondern es gewinnt seine Bedeutung in der Verwendung mit anderen Zeichen und insbesondere in der Wechselwirkung mit dem Interpretanten, seinem kulturellen Hintergrund und den Konventionen seiner Gesellschaft. Dimensionen der Semiose In Anlehnung an Peirce hat Charles William Morris die Einteilung der Semiotik in die Gebiete Syntaktik, Semantik und Pragmatik entwickelt, die bis heute für die Linguistik fundamental ist.56 Die Syntaktik betrifft jene Aspekte, die für die Beziehung zwischen den Zeichen relevant sind, die Semantik befasst sich mit der Korrelation zwischen Repräsentamen und Objekt und die Pragmatik zielt schließlich auf das Verhältnis des Zeichens zu seinem Benutzer. So ist nach Morris ein Zeichensystem durch die Angabe seiner syntaktischen, semantischen und pragmatischen Regeln vollständig bestimmt. Abbildung 4: Dimensionen der Semiose nach Morris (vgl. Nadin 1988, 271) Dimensionen der Farbgestaltung Mit dieser Systematisierung ist auch eine klarere Verortung der verschiedenen Aspekte des Interfacedesigns möglich. Das Beispiel der farblichen Gestaltung einer Webseite kann dies verdeutlichen: Man hat es mit einem syntaktischen Problem zu tun, wenn es um Fragen der Farbharmonie geht, also um die Kombination von Farben, deren Verhältnis zueinander oder die Verwendung von Farbschemata. Dagegen ist etwa die farbliche Kodierung von inhaltlichen Bereichen des Informationsangebots und deren konsistente Umsetzung ein semantisches Problem. Auch die farblich konsistente Kennzeichnung einzelner Elemente mit gemeinsamen strukturellen und funktionalen Eigenschaften betrifft das Gebiet der Semantik. So werden zumeist 56 56 Zwar verwendet Morris hierzu ein eigenes Zeichenmodell, das jedoch in den wesentlichen Zügen mit dem von Pierce übereinstimmt. Design als Verwendung von Zeichen Hyperlinks in einer einheitlichen Farbe dargestellt. Die Berücksichtigung von benutzerspezifischen Eigenheiten und deren Folgen für die Zuschreibung von Bedeutungen zu Farbwahrnehmungen stellt den pragmatischen Aspekt dar. Gerade Farben werden häufig mit Assoziationen verbunden, die von einem schwer zu bestimmenden Gewirr aus Konventionen und Erfahrungen geprägt und daher stark subjektiver Natur sind. Die Farbe Rot steht beispielsweise für die Liebe ebenso wie für den Sozialismus, den Teufel oder das Blut.57 Es zeigt sich hier, wie stark der pragmatische Aspekt in den Bereich der Semantik hinein wirkt, und wie wichtig daher seine Berücksichtigung in einer Theorie der Zeichen ist, so problematisch er auch sein mag. Ebenso wäre zu argumentieren, dass die Regeln der Syntaktik mit jenen der Semantik und Pragmatik wechselwirken. Morris betont daher, dass eine isolierte Betrachtung der einzelnen Dimensionen der Semiose fehlschlägt. Emergenz „Jedes beliebige Zeichen darf aus jeder der drei Perspektiven untersucht werden, obwohl keine der Natur des Zeichenprozesses vollständig gerecht wird.“ (Morris 1972, 81) Erst aus den Wechselbeziehungen zwischen den Disziplinen ergibt sich als Emergenz die Möglichkeit, den „ganzheitlichen Charakter des Zeichenprozesses“ (Morris 1972, 80) zu beschreiben. Aus dem Objektbezug des Zeichens entwickelt Peirce eine Zeichenklassifikation, die drei verschiedene Zeichenarten unterscheidet: Indices, Symbole und Ikone. Indices werden dabei als hinweisende Zeichen definiert, die in einem direkten kausalen, logischen oder physischen Verhältnis zu dem Objekt der Repräsentation stehen (vgl. Lenke u.a. 1995, 45). So stellt eine Rauchsäule beispielsweise ein Zeichen dar, das unmittelbar auf Feuer hinweist. Die Repräsentation, die durch ein solches Zeichen vorgenommen wird, beruht weder auf Konventionen noch auf einer Ähnlichkeit zwischen Repräsentamen und Objekt, sondern auf einem direkten kausalen Verweis, der einem Interpretanten jedoch geläufig sein muss, damit von einem Zeichen die Rede sein kann. Wer also nicht weiss, was Feuer ist und dass Feuer Rauch produziert, kann eine Rauchsäule nicht als Zeichen interpretieren. Trotzdem spielt der Interpretant für die Konstitution des Index eine eher passive Rolle, denn er ist eher als reagierende, weniger als interpretierende oder reflektierende Instanz am Zeichenprozess beteiligt (vgl. Nöth 2000, 185). Zeichenklassifikationen Die Repräsentation durch ein Symbol beruht dagegen auf der reinen Gewohnheit des Zeichenverwenders oder der gesetzmäßigen Konvention. Die 57 Gerade bei einem Medium wie dem Internet, das aufgrund seiner technischen Verbreitung Menschen aus sehr verschiedenen Kulturkreisen anspricht, ist dieser Punkt problematisch. 57 Form und Interfacedesign näturliche Sprache besteht aus einer Vielzahl von Symbolen, deren Kenntnis die Vorraussetzung für ein gegenseitiges Verstehen ist. Da das Verhältnis zwischen Repräsentamen und Objekt nur durch Definition, Regel oder Konvention bestimmt ist, sind Symbole arbiträr, also nicht durch die Beschaffenheit des Objekts der Repräsentation beeinflusst, sondern (willkürlich) festgelegt (vgl. Nöth 2000, 179f). Die dritte Klasse von Zeichen, das Ikon, konstituiert sich aus einem Ähnlichkeitsbezug von Repräsentamen und Objekt. Diese Ähnlichkeit kann durch sinnliche Wahrnehmung erfahren werden - wie bei Bildern durch Merkmale von Form und Farbe - aber auch abstrakter und ideeler Natur sein, wie etwa bei Metaphern (vgl. Lenke u.a. 1995, 46). Peirce sieht aus diesem Grunde die Ähnlichkeit zwischen Objekt und Repräsentamen eher als sekundäres Kriterium. Von entscheidender Bedeutung ist dagegen, dass ein Ikon sich kraft der eigenen Merkmale auf ein Objekt bezieht (vgl. Nöth 2000, 193). Abbildung 5 visualisiert die Beziehungen zwischen Repräsentamen (R), Objekt (O) und Interpretant (I) für die verschiedenen Zeichenklassen: Abbildung 5: Zeichenklassifikation nach Peirce (vgl. Nadin 1988, 271) Die Differenzierung der Zeichenklassifikation Ikon/Index/Symbol steht gewissermaßen senkrecht auf der Unterscheidung der Morris’schen Dimensionen der Zeichenprozesse Syntaktik/Semantik/Pragmatik. Die Klassifikation von Peirce systematisiert das Zusammenwirken der verschiedenen Zeichenprozesse an den drei vorgeschlagenen Zeichentypen und macht diese dadurch einer genaueren Betrachtung zugänglich. Mit reinen Formen einer einzigen Klasse von Zeichen hat man es nur äußerst selten zu tun. Vielmehr überschneiden sich in vielen Fällen verschiedene Repräsentationsarten in einem einzigen Zeichen. Man kann dies an dem einfachen Beispiel des Hyperlinks auf einer Webseite nachvollziehen. Man nehme an, der Link habe die folgende Erscheinung 58 Design als Verwendung von Zeichen Abbildung 6: Darstellung eines Hyperlinks mit Mauszeiger (Screenshot) Zunächst handelt es sich bei einem Hyperlink selbst um einen Index, denn er verweist physisch auf ein bestimmtes Dokument. Der Objektbezug, also das Ziel des Hyperlinks, wird allerdings erst durch die Verwendung des Begriffs Home angezeigt, der selbst wiederum als Metapher für die Startseite einer Webpräsenz einen ikonischen Charakter hat. Die oben dargestellte Art der Gestaltung (blaue Farbe, Unterstreichung) hat sich in der Internetgemeinde als Konvention durchgesetzt, um die Vorhandenheit des Verweises auf eine weitere Datei anzuzeigen58. Dieser Objektbezug wird also auf symbolische Weise hergestellt. Darüberhinaus deutet auch die Veränderung des Mauszeigers, der sich bei der ’Berührung’ des Wortes als Hand darstellt, auf den Hyperlink hin. Mit dem Mauszeiger liegt damit ein Zeichen vor, welches auf allen drei Ebenen der Peirceschen Klassifikation wirkt: die Hand als Ikon, das physisch auf den Link zeigt (Index) und darüberhinaus als konventionalisiertes Symbol für einen Hyperlink erlernt wurde 59. Wie dieses Beispiel zeigt, bietet sich durch diese Klassifikation eine Systematik, deren Beachtung einem zweckdienlichen Zeichengebrauch Vorschub leisten kann. Welche konkreten Schlüsse sind also aus einer zeichentheoretischen Interpretation für das Interfacedesign abzuleiten? 58 59 Folgerungen Bonsiepe beschreibt die Aufgabe von Design in Anlehnung an Heideggers Terminologie von Vorhandenheit und Zuhandenheit daher wie folgt: „Design is the domain of transforming present-at-hand into ready-to-hand.“ (Bonsiepe 2000, 2 [online]) Die Vorhandenheit des Verweises wird durch seine Gestaltung in Zuhandenheit überführt. Bei Heidegger heißt es: „Im Umgang mit der besorgten Welt kann Unzuhandenes begegnen nicht nur im Sinne des Unverwendbaren oder des schlechthin Fehlenden, sondern als Unzuhandenes, das gerade nicht fehlt und nicht unverwendbar ist, das aber dem Besorgen ’im Wege liegt’.“ (Heidegger 1993, 99) Die Zuhandenheit tritt vor allem dann zutage, wenn das Hantieren mit einem Ding behindert wird. Es tritt dann negativ, aber explizit in Erscheinung und gerät dadurch zum Vorhandenen (vgl. Heidegger 1993, 98ff). Mit Heidegger ist damit die Forderung nach der Unsichtbarkeit des Interfaces (vgl. Abschnitt 4.2) zu unterstützen. Sämtliche Browser verwenden die Hand als Symbol für einen darhinterliegenden Hyperlink. Insofern kann von einer Konvention die Rede sein. 59 Form und Interfacedesign Die Konsistenz der Zeichenverwendung ist zunächst die wichtigste Erkenntnis, die aus diesen Betrachtungen zu gewinnen ist: „What should be pointed out is that the design of interface is a matter of semiotic consistency.“ (Nadin 1988, 280) In Anlehnung daran wird ersichtlich, dass eine Neudefinition von symbolischen Zeichen, deren Objektbezug durch gesellschaftliche oder habitualisierte Konventionen bereits erlernt wurde, einer schnellen Erlernbarkeit einer Benutzerschnittstelle nicht zuträglich ist. Abweichungen von solchen Konventionen müssen im Einzelfall sorgfältig abgewägt und dann konsistent umgesetzt werden60. Konsistenz der Zeichenverwendung meint allerdings nicht nur die einheitliche Gestaltung von Zeichen an verschiedenen Stellen oder in verschiedenen Zusammenhängen, sondern auch und vor allem die Kohärenz der Objektbezüge auf den unterschiedlichen Repräsentationsebenen. Design muss also sowohl in ikonischer wie auch in symbolischer und indexikalischer Hinsicht Sensibilität zeigen und sich dabei der verschiedenen Dimensionen der Zeichenprozesse gewahr sein. Diese Einsicht kann nun zu einer Vielfalt von praktischen Anweisungen für konkrete Designentscheidungen umgesetzt werden, die hier allerdings nur angedeutet werden kann. Umsetzung Nadin empfiehlt beispielsweise, bei der Auswahl und Gestaltung von mehreren Zeichen, deren semantischer Bezug sich auf eine ähnliche Klasse von Objekten richtet, die Mischung von verschiedenen Repräsentationsebenen zu vermeiden (vgl. Nadin 1988, 284f). Unter Beachtung dieses Hinweises sollten etwa die verwendeten Zeichen einer Navigations- oder Menüleiste alle dem selben Zeichentyp angehören. Denn die Mischung von Zeichenklassen führt sowohl in visueller wie auch semantischer Hinsicht zu Verwirrungen. Dagegen können allerdings Ergänzungen durch die Einbeziehung weiterer Repräsentationsebenen den Objektbezug eines Navigationselementes verdeutlichen. Nichts anderes wird in der Auszeichnungssprache HTML durch den title-Parameter des Anchor-Tags erreicht, mit dem Links auf Internetseiten erstellt werden, z.B.: <a href=“index.html“ title=“zur Startseite“>Home</a> Gängige Browser zeigen in diesem Beispiel bei der ’Berührung’ des Links „Home“ ein Fähnchen, auf dem die Worte „zur Startseite“ stehen. Diese Worte stellen gemäß der Peirce’schen Klassifikation eine normalsprachliche also symbolische Ergänzung der inkonischen Metapher „Home“ dar. 60 60 Eine Visualisierung von Hyperlinks durch eine kursive Typographie statt durch Unterstreichung ist also beispielsweise mit einer erheblichen Verletzung der Konvention verbunden. Design als Verwendung von Zeichen Aus der konsequenten Verortung von Designentscheidungen in der Semiotik können also, wie es hier an der Peirce’schen Zeichentheorie gezeigt wurde, durchaus praxisorientierte Anhaltpunkte für die Gestaltung von Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine gewonnen werden. Die Nutzung von Technik lässt sich, wie im dritten Kapitel dieser Untersuchung dargestellt worden ist, als Anschlussoperation deuten. Die Prozesse, die sich hierbei zwischen Anwender und Artefakt ereignen, sind nun genauer untersucht worden, und es hat sich gezeigt, dass sie sich am Interface des Artefakts abspielen. Ferner wurde deutlich, dass es sich dabei um Zeichenprozesse handelt, die sich, wenn man das Zeichenmodell von Peirce zugrunde legt, nach verschiedenen Klassen differenzieren lassen. Für die Betrachtung des Interfaces von myStudy steht nun eine Grundlage zur Verfügung, die ein angemessenes Vokabular sowie Argumentationsstrukturen bietet, um Designentscheidungen, die bei der Interfacegestaltung getroffen worden sind, kritisch zu hinterfragen. Hiermit sind nun drei der wichtigsten Grundfragen, die bei der Konzeption und Umsetzung von myStudy in das Blickfeld geraten, thematisiert worden. (1) Zunächst musste die Entscheidung für eine Plattform erläutert werden, die in Zeiten von e-learning und blended learning bewusst auf die organisatorische Unterstützung der universitären Präsenzlehre setzt. Damit verbunden ist, wie deutlich gemacht wurde, ein Selbstverständnis der Universität, das nicht auf Wissen als Ware sondern als dynamisches Ergebnis von kommunikativen Prozessen setzt. (2) Bevor im Anschluss an diese programmatische Entscheidung an eine konkrete Umsetzung zu denken ist, muss eine Reflexion der zu verwendenden Techniken erfolgen. Um Anschlussmöglichkeiten innerhalb und außerhalb eines solchen Projektes zu gewährleisten und um den sicheren Betrieb, die problemlose Betreuung und eine Offenheit für weitere Entwicklungen zu ermöglichen, müssen Techniken ausgewählt werden, die diese Ziele optimal unterstützen. Die vorgeschlagene Betrachtung hat den Fokus auf Open Source-Technologien gesetzt, welche im Rahmen von myStudy schwerpunktmäßig eingesetzt wurden. (3) Für das Gelingen eines solchen Projektes, also für die wirkungsvolle Unterstützung der Präsenzlehre spielt weiterhin - wie die Ausführungen dieses Kapitels gezeigt haben die Gestaltung des Interfaces eine entscheidende Rolle. Denn letztlich erfolgt der Anschluss der Nutzung an die technische Form von myStudy über das Interface, welches seinen Nutzern zur Verfügung gestellt wird. Anhand einer genaueren Betrachtung von myStudy, seiner Interfacegestaltung sowie seiner technischen Form, soll nun der Bezug zwischen theoretischen Überlegungen und praktischer Umsetzung deutlich werden. 61 Zur Umsetzung von myStudy 5. Zur Umsetzung von myStudy Wie bereits erwähnt wurde, ist das myStudy-Projekt einem ständigen Wandel unterworfen, denn an der Entwicklung neuer Funktionen, der Pflege der Inhalte und der Verbesserung des Interfaces wird innerhalb einer Projektgruppe stets weitergearbeitet. Insofern muss sich eine Beschreibung des IstZustandes von myStudy der schnellen Vergänglichkeit ihrer Feststellungen bewusst sein. Wo nicht anders angegeben, beziehen sich die Darstellungen, Beschreibungen und Screenshots auf die im Sommersemester 2003 aktuelle Version 4.1, die unter der URL http://mystudy.uni-lueneburg.de im Netz zu finden ist. Dagegen sind die Erkenntnisse, die sich aus den theoretischen Überlegungen und ihrem Übertrag auf die praktische Umsetzung von myStudy ergeben, durchaus von Dauer und jederzeit aktualisierbar. 5.1 Verortung von myStudy im universitären Kontext myStudy wird seit dem Wintersemester 2001/2002 von einer freien Projektgruppe innerhalb der Abteilung für „Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken .dok“ des Rechenzentrums der Universität Lüneburg betreut und weiterentwickelt. Das Projekt ist nicht in den Verwaltungsstrukturen der Universität verankert, sondern entspringt einem Bereich, der eine Schnittstelle zwischen universitärer Lehre und universitätsinterner Servicedienstleistung darstellt. myStudy ist daher als ein Angebot zu verstehen, dessen Nutzung weder für Lehrende noch für Studierende verpflichtend ist. Infolgedessen wird nicht das gesamte Lehrangebot mit organisatorischer Unterstützung von myStudy durchgeführt. Nutzung von myStudy Zur Zeit sind für etwa 35% der Lehrveranstaltungen an der Universität Lüneburg Dozentenzugänge vergeben.61 Auf Seiten der Studierenden ist die Nutzung von myStudy intensiver. Etwa die Hälfte der Studierenden der Universität Lüneburg nutzen myStudy.62 Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die Bereitschaft der Studierenden, sich Informationen über myStudy zu beschaffen, größer ist als die Bereitschaft der Dozentinnen und Dozenten, dort Informationen bereitzustellen.63 Obwohl myStudy also den Lehrbetrieb der Universität nicht vollständig abdeckt, können diese Zahlen als Erfolg gewertet werden, vor allem da im Verlauf der vier Semester, in denen myStudy betrieben wird, die Nutzungszahlen stetig zugenommen haben und damit eine steigende Akzeptanz unter Studierenden wie Lehrenden belegen. 61 62 62 Diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrunde liegen, hervor. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass nicht alle dieser Zugänge regelmäßig genutzt werden (Stand vom 20.05.2003). Auch diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrunde liegen, hervor (Stand vom 20.05.2003). Der Stundenplan als Interface Die Tatsache, dass die Nutzung von Studierenden wie Lehrenden freiwillig erfolgt, hat Folgen für die Qualität von myStudy. Denn auf diese Weise kann die Nutzung von myStudy auf ein benutzerfreundliches und konsistentes Interface, auf sinnvolle Funktionen und auf einen sicheren, stabilen Betrieb zurückgeführt werden, statt auf eine Dienstanweisung. Die Intensität der Nutzung stellt in diesem Sinne einen Gradmesser für die Qualität der Plattform dar und für ihr Vermögen, die Präsenzlehre sinnvoll zu unterstützen. Des Weiteren garantiert die Unabhängigkeit von Verwaltungsstrukturen die Freiheit, auf diesen Gradmesser in spontaner und angemessener Weise zu reagieren. Diese Unabhängigkeit spiegelt sich auch auf der technischen Ebene wider. myStudy wird nicht auf dem offiziellen Webserver der Universität Lüneburg betrieben, sondern auf einem Server, dessen Administration direkt der Abteilung für „Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken .dok“ unterliegt. Die Datenbanken des Vorlesungsverzeichnisses, auf denen myStudy basiert, sind ebenfalls abgekoppelt von den offiziellen Vorlesungsdatenbanken der Universität, die zwar als Exportquelle dienen aber ansonsten keine Verbindung zu myStudy haben. technische Unabhängigkeit Es lässt sich somit feststellen, dass die Unabhängigkeit von myStudy und die daraus resultierende Entwicklungsfähigkeit des Projektes auf einer starken Abgrenzung beruht - sowohl in technischer Hinsicht wie auch in Bezug auf die universitären Strukturen, in denen myStudy betrieben und entwickelt wird. Gerade diese Abgrenzung schafft in letzter Konsequenz ein Produkt, welches wiederum in besonderem Maße anschlussfähig an die Prozesse der universitären Präsenzlehre ist. Diese Feststellung befindet sich in Übereinstimmung mit den theoretischen Annahmen über Grenze und Anschlussfähigkeit, die in Abschnitt 2.2 entwickelt worden sind. 5.2 Der Stundenplan als Interface Die Situation, von der die Entwicklung einer Plattform zur Unterstützung der Präsenzlehre ausgeht, ist die Betrachtung der Prozesse, die im Zuge der universitären Lehre ablaufen. Die beteiligten Akteure sind hierbei im wesentlichen Studierende und Lehrende, die allerdings keine homogenen Gruppen darstellen, weil sie in individuellen Kontexten mit verschiedensten 63 Die Gründe hierfür können im Rahmen dieser Arbeit nur vermutet werden. Zu einem gewissen Teil lässt sich diese Differenz sicher aus der generationsspezifischen Intensität der Nutzung des Internets ableiten. Zum anderen liefern die Zugriffsstatistiken des Webservers, auf dem myStudy betrieben wird, den Hinweis, dass myStudy vor allem zu Beginn des Semesters für die Erstellung des Stundenplanes genutzt wird, während die Nutzung im Verlauf des Semesters abnimmt. Der Wert von myStudy für die Erstellung des Stundenplanes ist aber vermutlich für Studierende höher als für Lehrende. 63 Zur Umsetzung von myStudy Motivationen an den universitären Strukturen teilhaben. Als Schnittmenge der individuellen Ziele, die Teilnehmer an den Prozessen der Präsenzlehre verfolgen, lässt sich jedoch die Absicht zu einem Austausch von Kommunikationen über ausgewählte Themen annehmen. Nur an dieser Stelle kann also ein Konzept ansetzen, welches sich die Unterstützung der Präsenzlehre zur Aufgabe macht. Organisation von Präsenzlehre Die universitäre Präsenzlehre ist in einem Umfang organisiert, der große Freiheiten der individuellen Gestaltung durch Studierende und Lehrende zulässt. Jedoch erfordert der Austausch von wissensbildener Kommunikation, wie bereits gezeigt wurde, die Kopräsenz von Lehrenden und Studierenden. In aller Regel trifft man sich also einer zeitlichen und räumlichen Koordination folgend, um von Angesicht zu Angesicht miteinander zu kommunizieren und auf diesem Wege - in Übereinstimmung mit den Begrifflichkeiten konstruktivistischer Lerntheorien - Wissen zu erzeugen. Eine solche Koordination erfordert einen organisatorischen Aufwand, denn die Beteiligten müssen sich über die Festlegung von Ort und Zeit der Zusammenkunft verständigen. Zur Visualisierung dieser Koordination hat sich ein einfaches Mittel etabliert: der Stundenplan. Ein Stundenplan überführt die zeitliche Struktur, in der die universitäre Lehre stattfindet, in eine visuelle Struktur und dient so als visuell zugängliches Speichermedium. Desgleichen bildet ein Stundenplan die sozialen und kommunikativen Strukturen ab, in denen sich Studierende wie Lehrende durch die Teilnahme an der Präsenzlehre wiederfinden. Die Form der tabellarischen Darstellung ist von den Beteiligten über lange Zeit hinweg (in aller Regel seit der Schulzeit) erprobt und erlernt worden und ist daher einer intuitiven Nutzung zugänglich geworden. Die zentrale Rolle des Stundenplanes für die Interfacegestaltung von myStudy kann hieraus abgeleitet werden. Damit allein ist es jedoch nicht getan. Die Bereitstellung von weiteren Informationen, die Seminare oder Vorlesungen betreffen und die insbesondere aus der Institutionalisierung der Lehre erwachsen, muss geregelt werden. Gemeint sind beispielsweise die Einordnung von Lehrveranstaltungen in bestimmte Studiengänge, Fächer und Bereiche, die Gewichtung durch sogenannte Kreditpunkte, aber auch Informationen zu Leistungsnachweisen, Anmeldeverfahren und sonstigen organisatorischen Aspekten. Die Versorgung der Beteiligten mit organisationsbezogenen Informationen bietet also die Grundlage, auf der (insbesondere institutionalisierte) Präsenzlehre erst erfolgen kann. In der Vergangenheit wurden derartige Kommunikationen zwischen Lehrenden und Studierenden über eine Reihe von verschiedenen Kanälen vollzogen: persönlich unter Anwesenden, durch den Aushang von Informationen an schwarzen Brettern, mit Hilfe eines offiziellen gedruckten Vorlesungsverzeichnisses und nicht zuletzt durch ’Mund-zuMund-Propaganda’ unter Studierenden.64 64 Darstellung von myStudy Gerade in dieser Hinsicht können vernetzte Technologien sinnvoll zur organisatorischen Unterstützung eingesetzt werden. Sie erlauben eine räumlich und zeitlich entgrenzte Kommunikation, die ermöglicht, dass organisationsbezogene Informationen jederzeit und allerorts - soweit eine Internetanbindung vorhanden ist - zugänglich sind und nicht in Phasen der Kopräsenz (oft auf Kosten der eigentlichen Lehrinhalte) ausgetauscht werden müssen. Die Präsenzlehre wird auf diese Weise von organisatorischen Aufgaben entlastet und kann sich um so stärker ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Mit der Bündelung von Informationskanälen auf der Basis von Internettechnologien kann ein zentrales Studieninformationssystem geschaffen werden, welches Studierenden einen einheitlichen und umfassenden Zugang zu den studienrelevanten Informationen ermöglicht und zudem stets auch von zuhause oder anderenorts zugänglich ist.65 Unterstützung der Lehre Hierfür bietet sich der Stundenplan für die Gestaltung des Interfaces als Metapher an. Die Masse an Informationen, Kommunikationen und Handlungsmöglichkeiten, die sich in einem solchen System entfaltet, ist immens und muss einem Anwender im Rahmen des Informationsdesigns strukturiert angeboten werden, um zugänglich und nutzbar zu sein (vgl. Abschnitt 4.2). Dabei stellt der Stundenplan das zentrale Selektionskriterium dar, welches für den einzelnen Anwender relevante Kommunikationen und Informationen von nicht-relevanten trennt. Der Nutzer interessiert sich vor allem für jene Ausschnitte des Angebots, welche diejenigen Lehrveranstaltungen betreffen, die er in seinem eigenen Stundenplan verzeichnet hat. Auf diese Weise strukturiert der Stundenplan für den einzelnen Nutzer relevante Informationen nach einem lange erlernten und daher intuitiv zugänglichen Prinzip. Die Gesamtheit der Stundenpläne, die sich Lehrende und Studierende individuell aus der Fülle von Lehrveranstaltungen generieren, schafft darüberhinaus eine Struktur, welche für die organisationsbezogene Kommunikation genutzt werden kann. Die Adressaten dieser Kommunikation selektieren sich also anhand dieser individuellen Stundenpläne. 5.3 Darstellung von myStudy Jeder von momentan ca. 3800 individuellen Stundenplänen66, die von Studierenden und Lehrenden der Universität Lüneburg angelegt wurden, stellt 64 65 66 Auch weitere Formen der Kommunikation, die bereits vernetzte Technologien verwenden, haben sich in einzelnen Fällen etabliert. Im Studiengang Umweltwissenschaften an der Universität Lüneburg existiert beispielsweise eine EMail-Liste, die regelmäßig zur Organisation von Präsenzlehre genutzt wird. Besonders für auswärtige Studentinnen und Studenten kann so ein interessanter Mehrwert geschaffen werden. Diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrundeliegen, hervor (Stand vom 20.05.2003). 65 Zur Umsetzung von myStudy innerhalb des auf diese Weise entstehenden Netzes von Kommunikationsbeziehungen einen Knotenpunkt dar, der die Möglichkeit bietet, mit anderen Studierenden und Lehrenden in Kontakt zu treten oder sich mit organisatorisch relevanten Informationen zu versorgen. Abbildung 7 zeigt die Ansicht eines individuellen Stundenplanes, in den drei Lehrveranstaltungen aus dem Studiengang Kulturwissenschaften eingetragen wurden. Unmittelbar nach dem Login mit dem persönlichen Benutzernamen und dem richtigen Passwort bekommt der Nutzer also die folgende Ansicht: Abbildung 7: Ansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot) Globalnavigation Die Navigationsleiste am oberen Bildrand bietet den Zugang zu verschiedenen Bereichen von myStudy, die sich nicht unmittelbar auf eine bestimmte Lehrveranstaltung beziehen, sondern allgemeine Einstellungen und Angaben betreffen. Die Einbindung dieser Menüleiste als sogenannte Globalnavigation, die auf sämtlichen Seiten in identischer Form platziert ist, ermöglicht die schnelle und einfache Orientierung und Navigation. Der Bereich, in dem sich ein Benutzer aktuell befindet, ist durch eine hellere Farbgebung gekennzeichnet. Es handelt sich hierbei um ein einfaches und anschauliches Beispiel für die vorangegangenen Ausführungen zum Interfacebegriff. Hat der Nutzer erst gelernt mit der Navigationsleiste umzugehen, so wird er die hellere Farbgebung als Symbol zu deuten wissen. Ihm wird durch das sogenannte ’Highlighting’ der aktuellen Kategorie ein spezifischer Zustand des Systems vermittelt, jedoch begreift er diese Information nicht als systemischen Zustand oder „system image“ (vgl. Norman 1983, 14), sondern vielmehr als eigene Positionsbestimmung und insofern als Bei- 66 Darstellung von myStudy trag zum Aufbau eines mentalen Modells (vgl. Abschnitt 4.1). Das Interface vollbringt auf diese Weise die Übersetzungsleistung zwischen interner und externer Repräsentation und erlaubt so die Interaktion von Anwender und Artefakt in Hinsicht auf die Verrichtung einer Aufgabe. Mit Hilfe der Globalnavigation stehen die folgenden Bereiche zur Auswahl: Menüpunkt Inhalt / Ziel führt den Nutzer jederzeit wieder zur Ansicht des Stundenplanes zurück. ermöglicht die Suche im Veranstaltungsverzeichnis der Universität Lüneburg erlaubt das Ändern und Speichern von Benutzerdaten und personenspezifischen Angaben enthält Hinweise zur Nutzung von myStudy sowie Nutzungsbedingungen bietet dem Nutzer eine DinA4-Druckversion des Stundenplanes an zum Verlassen von myStudy Tabelle 3: Bereiche der Globalnavigation Die Veranstaltungssuche erlaubt die detaillierte Recherche im Gesamtverzeichnis der Lehrveranstaltungen an der Universität Lüneburg. Die Suchabfrage kann innerhalb eines Studienganges oder eines einzelnen Faches erfolgen und dabei die freie Eingabe des Dozentennamens oder einer beliebigen Anzahl von Suchbegriffen berücksichtigen. Veranstaltungssuche Abbildung 8 zeigt den Aufbau der Suchmaske mitsamt zweier Suchergebnisse. Wie der Screenshot zeigt, bleiben die Kriterien der Suchabfrage bei der Anzeige der Ergebnisse sichtbar. Dies erlaubt dem Anwender die Kontrolle der Interaktion und vermittelt die Gewissheit, dass Suchkriterien und Suchergebnis miteinander korrelieren. Darüber hinaus kann bei Unsicherheiten die Schreibweise von Begriffen oder Namen besser überprüft werden. Wurde eine passende Lehrveranstaltung gefunden, so kann diese per Mausklick in den individuellen Stundenplan übertragen werden. 67 Zur Umsetzung von myStudy Abbildung 8: Aufbau der Suchmaske in der Veranstaltungssuche und Anzeige der Suchergebnisse (Screenshot) Die Suche nach Veranstaltungen zu bestimmten Terminen im Zeitraster des Stundenplanes ist ebenso möglich und durch einen Mausklick in das entsprechende Feld im Raster des Stundenplanes erreichbar. Nutzerdaten In dem Bereich Nutzerdaten können Anwender ihr Login-Passwort für die Nutzung von myStudy ändern. Des Weiteren ist hier die Speicherung und Änderung von personenbezogenen Daten möglich (Name, Studiengang, Matrikelnummer, E-Mail-Adresse), die beispielsweise für die verbindliche Anmeldung zu teilnehmerbegrenzten Lehrveranstaltungen oder für den Eintrag in seminarbezogene E-Mail-Listen nötig sind. Die Angabe solcher Daten ist für Studierende grundsätzlich freiwillig, und die Benutzung von myStudy ist auch ohne diese Daten möglich. Lediglich einige Funktionen sind in diesem Fall nicht nutzbar. Für Dozenten bietet sich in den Nutzerdaten eine leicht variierte Ansicht, welche statt der Angabe des Studiengangs und der Matrikelnummer die Speicherung von Sprechstundenzeiten und der Hausrufnummer ermöglicht. Hinweise 68 Unter dem Navigationspunkt Hinweise sind allgemeine Hilfestellungen und Angaben zu myStudy zu finden. Dem Nutzer werden zunächst auf überschaubare Art die wichtigsten Funktionen in den verschiedenen Bereichen von myStudy dargestellt. Darüberhinaus werden hier Nutzungsbedingungen und Kontaktmöglichkeiten zum myStudy-Projektteam bekanntgegeben. Darstellung von myStudy Eine Druckansicht des myStudy-Stundenplanes ist aus verschiedenen Gründen erforderlich. Generell ist der Ausdruck von Internetseiten mit Hilfe des Browsers erfahrungsgemäß oft mit Schwierigkeiten verbunden. Da die Gestaltung einer Webseite für die Ausgabe auf dem Bildschirm optimiert ist, tritt beim Druck des Dokuments häufig eine problematische Farb- und Kontrastdarstellung auf. Nicht selten werden Text- oder Bildteile aufgrund der begrenzten Papierfläche abgeschnitten. Darüberhinaus sind oft Objekte auf der Webseite enthalten, die für den Ausdruck irrelevant sind (z.B. die Navigation). Drucken Die Druckversion des Stundenplanes wird daher dynamisch als sogenanntes Portable Document Format (PDF) generiert. PDF ist ein offenes aber proprietäres Dateiformat des Softwareherstellers Adobe, welches Schriftarten, Bilder, Grafiken und Layout eines Dokuments plattformunabhängig beibehält. Besonders für den Ausdruck von Dokumenten ist das PDF geeignet, da sämtliche Formatierungen so auf ein spezielles Papierformat hin optimiert werden können, ohne individuelle Einstellungen und Konfigurationen berücksichtigen zu müssen. Abbildung 9: Druckansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot) Das PDF des myStudy-Stundenplanes ist für den Ausdruck auf Din A4-Papier optimiert und für den Schwarz/Weiss-Druck kontraststark gestaltet. Es wurde auf einen sparsamen Verbrauch von Druckerschwärze Wert gelegt. Zur Ansicht einer PDF-Datei im Internet und deren Ausdruck benötigt der Benutzer das Browser Plug-In Adobe Acrobat Reader. Dieses ist zwar kostenfrei im Internet zu beziehen und unkompliziert zu installieren, jedoch ist der Einsatz von Plug-In-abhängigen Dateiformaten grundsätzlich kritisch zu beurteilen. Für Anwender, die über das erforderliche Plug-In nicht verfügen, stellt die Beschaffung desselben eine Hemmschwelle dar, die nur selten überwunden wird. Die hohe Verbreitung des Acrobat Readers, insbesondere im universitären und wissenschaftlichen Kontext, führt jedoch zu dem Ur- 69 Zur Umsetzung von myStudy teil, dass die Verwendung von PDF als Format für die myStudy-Druckansicht mehr Vor- als Nachteile birgt. Sogar Jakob Nielsen als erklärter Feind von Plug-In-Technologien empfielt: „Use PDF for documents that users are likely to print“ (Nielsen 2001 [online]). Logout Über die Schaltfläche Logout verläßt der Benutzer myStudy. Zwar kann der Nutzer myStudy auch durch die Eingabe einer neuen URL in die Adresszeile des Browsers oder das Schließen des Fensters verlassen, jedoch bietet der korrekte Logout über die Navigationsleiste sowohl unter Aspekten der Benutzerfreundlichkeit als auch in technischer Hinsicht Vorteile. Zum einen vermittelt das Beenden einer Sitzung mit dem Logout das sichere Gefühl, ’die Tür hinter sich zu schließen’ und damit persönliche Daten, die in myStudy gespeichert sind, vor fremdem Zugriff zu schützen. Tatsächlich trifft dieser Gedanke auch in technischer Hinsicht zu. Denn zum anderen wird durch den Logout serverseitig eine temporäre Datei gelöscht, in der erforderliche Variablen für die Dauer des Besuches von myStudy gespeichert werden. Wiederum bringt das Interface somit das mentale Modell des Nutzers und das interne, technische Modell von myStudy zur Deckung. Stundenplaneinträge Die einzelnen Menüpunkte der Globalnavigation haben, wie sich zeigt, keine direkte Funktion im Hinblick auf einzelne Lehrveranstaltungen. Diese Funktionen sind nicht über die Globalnavigation zu erreichen, sondern unmittelbar über die Stundenplaneinträge. Insofern ist der Stundenplan nicht nur ideelles Strukturmerkmal für die Kommunikationen der Präsenzlehre, sondern bekommt durch die hypertextuelle Verknüpfung als Navigationsstruktur einen performativen Charakter. Die Konsistenz der StundenplanMetapher wird hierdurch weiter gestützt. Abbildung 10: Stundenplanansicht mit Ausschnittvergrößerung einer eingetragenen Lehrveranstaltung (Screenshot, eigene Darstellung) 70 Darstellung von myStudy Abbildung 10 zeigt eine vergrößerte Ansicht eines Stundenplaneintrags, an der sich die weiterführenden Navigationsmöglichkeiten aufzeigen lassen. In der Kopfzeile des Eintrags befindet sich auf der rechten Seite das Symbol zum Löschen des Stundenplaneintrags. Sowohl die Form als auch die Position des Symbols wird in gleicher Weise in verschiedensten Betriebssystemen mit fensterbasierten graphischen Userinterfaces (z.B. Windows, Mac OS, Linux) eingesetzt. Seine Bedeutung kann daher als Konvention aufgefasst werden. Auf der linken Seite dient das Zeichen als Verknüpfung zu der Webseite der betreffenden Lehrveranstaltung. Die Bedeutung dieses Zeichens muss, wenn es auch in einem gewissen Maße intuitiv zugänglich ist, vom Benutzer erlernt werden. Ein Mausklick auf den Namen des Dozenten (in obigem Beispiel Siegert) gibt Auskunft über dessen Sprechzeiten, Telefonnummer und E-MailAdresse. Das Ausrufungszeichen informiert den Nutzer darüber, dass eine aktuelle Nachricht des Lehrenden an die Besucher des Seminars vorliegt. Der Klick auf den Namen der Veranstaltung (in obigem Beispiel Webpublishing für Einsteiger) öffnet schließlich das veranstaltungsspezifische Informations- und Kommunikationspanel, mit dem sich all diejenigen Funktionen an den Stundenplan anschließen, die sich explizit auf die jeweilige Lehrveranstaltung beziehen. Die Ansicht dieses Panels und die Funktionen, die das Interface hier bereitstellt, hängen vom Status des Nutzers ab, also von der Frage, ob es sich um einen Lehrenden oder einen Studierenden handelt. Inhaltlich gliedert sich das Panel in die Bereiche Informationen, Seminarplan, Material, Mitteilungen, Blackboard und Anmeldung, die in Form von Karteikarten dargestellt werden. Die Navigation zwischen den Bereichen erfolgt also durch die Wahl des jeweiligen Reiters mit der entsprechenden Benennung. Abbildung 11: Interface des Informations- und Kommunikationspanels in der Ansicht für Studierende (Screenshot, Ausschnitt) 71 Zur Umsetzung von myStudy Informationen Auf der Karteikarte Informationen können Lehrende umfangreiche Angaben zur Lehrveranstaltung bearbeiten (z.B. Inhalt, Literaturhinweise, Raumangabe usw.). Von der Bearbeitung ausgeschlossen sind jene Daten, zu deren Änderung ein Beschluss des Fachbereichsrates erforderlich ist (z.B. Zuordnung zu Fächern und Studiengängen).67 Bei der Änderung von Tag und Uhrzeit der Veranstaltung erfolgt dementsprechend die Anzeige der Veranstaltung im Raster des Stundenplanes am neuen Ort. Neben den Zuordnungen zu Fächern und Studiengängen ist für den Dozenten auf der Karteikarte Informationen ersichtlich, in wieviele Stundenpläne die Veranstaltung eingetragen wurde. Studierende haben ihrerseits Einsicht in sämtliche Angaben, die der Lehrende vornimmt. Seminarplan Im Bereich Seminarplan kann der Lehrende eine detaillierte Darstellung sämtlicher Sitzungen des Semesters vornehmen. Die einzelne Sitzung wird durch die Angabe eines Datums, eines Themas und mit Hilfe weiterer Bemerkungen beschrieben. Studierende können sich somit eine genauere Vorstellung von den Inhalten der einzelnen Termine machen und sich besser auf diese einstellen und vorbereiten. Während es sonst vielfach üblich war, in der ersten Sitzung eines Seminars oder einer Vorlesung Kopien des Semesterplanes zu verteilen, bleibt der myStudy-Seminarplan variabel und kann im Verlauf des Semesters immer wieder angepasst, aktualisiert und ausgedruckt werden. Material Die Karteikarte Material bietet Lehrenden die Möglichkeit, verschiedene Lehrmaterialien (Handouts, Literaturlisten, Texte etc.) in Form von Dateien bereit zu stellen. Die Materialien stehen Studierenden so zum Download und damit zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Zwar kann diese Form der Distribution von Lehrmaterialien den Einsatz und die Verteilung von Drucksachen innerhalb einer Veranstaltung nicht ersetzen, aber auf vielfältige Weise entzerren und somit Lehrende und Studierende entlasten. Studierende können beispielsweise fehlende Materialien (etwa aufgrund einer versäumten Sitzung) problemlos nachträglich beschaffen. Insbesondere sei darauf hingewiesen, dass nicht nur Texte sondern sämtliche Arten von Dateien bereitgestellt werden können. Daher ist eine Nutzung dieser Funktion für verschiedenste digitale Inhalte möglich. Mitteilungen Der Menüpunkt Mitteilungen ist für aktuelle Hinweise des Lehrenden an die Studierenden vorgesehen. Dozenten können hier eine Textmitteilung an alle myStudy-Nutzer hinterlassen, die die betreffende Lehrveranstaltung in ihrem Stundenplan eingetragen haben. Wenn eine aktuelle Mitteilung vorliegt, erscheint im Stundenplan ein Hinweis in Form eines Ausrufungszeichens . Darüber hinaus können Studierende, die ihre E-Mail-Adresse in myStudy 67 72 Hieran zeigt sich, dass der Betrieb einer Plattform wie myStudy im Rahmen institutionalisierter Präsenzlehre genau an die Erfordernisse der gegebenen Strukturen angepasst werden muss. Darstellung von myStudy gespeichert haben, eine E-Mail-Liste zur Veranstaltung abonnieren. Sie bekommen aktuelle Mitteilungen dann auch per E-Mail zugesandt, sofern dies vom Dozenten gewünscht ist. Das Blackboard ermöglicht die offene Kommunikation unter Nutzern von myStudy in Bezug auf die Organisation spezifischer Veranstaltungen. Unabhängig vom Status des Nutzers können hier Textmitteilungen geschrieben und gespeichert werden, die für alle anderen Anwender von myStudy einsehbar sind. Das Ziel ist, ein Kommunikationsforum zu schaffen, in dem unbestimmte Aspekte offen diskutiert werden können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich hier tatsächlich sehr verschiedene Formen der Interaktion entfalten und dass nicht nur organisatorische, sondern auch inhaltliche Fragen im Blackboard erörtert werden. So werden hier Internet-Links weiterempfohlen, Literaturhinweise gegeben, Dozenten kritisiert usw. Blackboard Lehrende können Studierenden auf der Karteikarte Anmeldung die Möglichkeit geben, sich verbindlich zur Teilnahme an der Lehrveranstaltung anzumelden. Hierbei können verschiedene Variablen vorgegeben werden, nach denen die Anmeldeprozedur durchgeführt wird (z.B. die maximale Anzahl der Teilnehmer oder der Zeitpunkt der Anmeldungseröffnung). Wird die maximale Anzahl der Einträge erreicht, so schaltet die Anmeldung automatisch ab. Insbesondere bei einer großen Nachfrage nach wenigen Seminarplätzen kann so die Anmeldung fair und unkompliziert vollzogen werden. Gerade im Vergleich zu dem gängigen Verfahren des Listenaushangs bieten sich hiermit große Vorteile. Trotzdem ist kritisch anzumerken, dass ein Internetzugang sowie die Fertigkeiten der Internetnutzung somit zur Voraussetzung für die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen werden. Gerade im Zuge der Forderung nach Medienkompetenz in der Hochschulausbildung wird dieses Argument jedoch relativiert. Anmeldung Den Lehrenden steht nach abgeschlossener Anmeldung eine Exportfunktion zur Verfügung, mit der eine Text-Datei in sogenannter Tab/Return-Struktur erzeugt wird. Dieses Dateiformat eignet sich bestens zur weiteren Bearbeitung in verschiedensten Anwendungsprogrammen wie Microsoft Word oder Microsoft Excel. Die verschiedenen Interfaces für Studierende und Lehrende machen ein zweistufiges Rechteverwaltungssystem notwendig. Der Zugang für Studierende ist grundsätzlich offen und steht unmittelbar nach der Anmeldung mit einem selbst zu wählenden Benutzernamen und Passwort zur Verfügung. Der privilegierte myStudy-Zugang für Dozenten, der, wie beschrieben wurde, umfangreiche Möglichkeiten der Bearbeitung von veranstaltungsbezogenen Daten bietet, muss allerdings reglementiert werden, um einen Missbrauch zu vermeiden. Eine solche Zugangsbeschränkung stellt auf der einen Seite eine Hürde für nichtautorisierte Benutzer dar - das ist ihr Zweck. Rechteverwaltung 73 Zur Umsetzung von myStudy Auf der anderen Seite bedeutet sie allerdings auch eine Hemmschwelle für die intendierte Nutzung durch die Lehrenden, deren Engagement doch eine wesentliche Grundlage für den Erfolg von myStudy bildet. Ein System wie myStudy macht schließlich nur dann Sinn, wenn es insbesondere von Dozenten und Dozentinnen zur Organisation der Lehre genutzt wird. Daher ist der barrierefreien Gestaltung der Anmeldeprozeduren und der Rechtedifferenzierung eine besondere Bedeutung zuzumessen. Es tritt damit die bereits geschilderte Forderung nach der ‘Unsichtbarkeit’ des Interfaces stark in den Vordergrund. Die Differenz Lehrender/Studierender findet aus diesem Grund nur ein einziges Mal offensichtliche Beachtung, nämlich bei der ersten Anmeldung bei myStudy (Abbildung 12). Die weitere Anmeldeprozedur sowie der Funktionsumfang, den myStudy dem Nutzer im Anschluss bietet, gestaltet sich ausschließlich gemäß dieser Differenzierung, die jedoch nicht mehr ausdrücklich zutage tritt. Sie stellt nach einem theoretischen Verständnis die erste, initiale Unterscheidung dar, mit deren Hilfe sich weitere Räume für Anschlussoperationen erschließen (vgl. Abschnitt 2.2). Abbildung 12: Differenzierung der Rechteverwaltung in der Anmeldung zur Nutzung von myStudy (Screenshot) Im Zuge der Neuanmeldung wählt ein Lehrender seine Person aus dem Mitarbeiterverzeichnis der Universität aus, und beantragt damit die privilegierte Nutzung für diejenigen Veranstaltungen, die er im aktuellen Vorlesungsverzeichnis anbietet. Diese ’Dozentenzugänge’ werden nach Prüfung der Daten und gegebenenfalls nach Rücksprache freigeschaltet, wodurch die Nutzung durch den Lehrenden in vollem Umfang ermöglicht wird. 74 Visuelle Gestaltung Für die Administration dieses Rechtesystems im Speziellen, aber auch für weitere Aufgaben der Datenbankverwaltung wurde ein eigenes internetbasiertes Werkzeug entwickelt, welches dem Projektteam die unkomplizierte und zeitsparende Pflege der Datenbestände erlaubt. Administration Abbildung 13: Verwaltungswerkzeug zur Administration der myStudyDatenbestände (Screenshot) Die wichtigsten Funktionen von myStudy und ihre Differenzierungen nach dem Status des Nutzers sind hiermit ausreichend beschrieben worden, so dass nun ein recht detailliertes Bild von myStudy und seiner Einsetzbarkeit in der Präsenzlehre vermittelt worden ist. Wie erläutert wurde, spielt der Stundenplan als zentrales Strukturmerkmal eine bedeutende Rolle für die Interaktion zwischen Anwendern und Artefakt und für die Zielrichtung dieser Wechselwirkung auf die Unterstützung von Präsenzlehre. 5.4 Visuelle Gestaltung Darüberhinaus kommt der weiteren visuellen Ausgestaltung des Interfaces dem kohärenten Einsatz von Formen, Farben und weiteren Gestaltungsmerkmalen - eine wichtige Bedeutung für die ‘Zuhandenheit’ von myStudy zu. Wie der Abschnitt 4.3 gezeigt hat, kann die Gestaltung eines Interfaces als semiotischer Prozess verstanden werden, welcher auf der Interpretation von Zeichen beruht und der wiederum Interpretationen evoziert. Zwar wäre es ganz und gar unergiebig, diese Prozesse in jedem Einzelfall zu beschreiben, um schließlich semantische Zuschreibungen für die Zeichenverwendung vorzunehmen. Zu belegen ist allerdings die Konsistenz der Anwendung von Gestaltungsmerkmalen (vgl. Abschnitt 4.3). In der Praxis des Interfacedesigns werden zu diesem Zweck sogenannte style books angelegt, „in denen die allgemeinen Prinzipien, die Definitionen der Bausteine, das visuelle Design der Elemente, die auditiven Signale, die Handlungsregeln und die Anordnung/Verteilung der Bausteine festgelegt sind.“ (Bonsiepe 1996, 53) 75 Zur Umsetzung von myStudy Auch wenn ein detailliertes und vollständiges style book zu myStudy hier nicht abgebildet werden kann, sollen doch einige wesentliche Elemente beispielhaft dargestellt werden. Typographie Es wird grundsätzlich die serifenlose Schrift Verdana verwendet. Sie ist im Hinblick auf die gute Lesbarkeit am Bildschirm optimiert. Hyperlinks werden bei der Berührung mit dem Mauszeiger mit einer Unterstreichung versehen (roll-over). Nur in der Druckversion wird die Schrift Times New Roman verwendet, die aufgrund ihrer Serifen für gedruckte Texte Vorteile bietet. Farbverwendung Die farbliche Gestaltung von myStudy beschränkt sich auf die Verwendung von sechs Farben, die unter Berücksichtigung der Farbharmonie, des Kontrastes und der Originalität ausgewählt wurden. Tabelle 3 gibt das Farbkonzept von myStudy wieder, welches konsequent auf sämtlichen Seiten - mit Ausnahme der Druckansicht - durchgehalten wird. Farbe Verwendung Seitenhintergrund sämtlicher Dokumente Highlighting der Globalnavigation Tabellenrahmen und Trennlinien, Schrift, Formularfelder Hintergrund von Tabellenzellen Hintergrund von abgesetzten Tabellenzellen Zellenhintergrund von Kopf- und Fußzeilen, Schrift Tabelle 4: Farbverwendung der myStudy-Plattform Der Wiedererkennungswert von myStudy ist sehr stark durch die Farbe Orange geprägt. Auf semantischer Ebene wird dies durch die Einbindung der Orangenfrucht in das Logo unterstützt.68 Layout Ein konsistentes Seitenlayout ist für die Orientierung des Blicks überaus wichtig. Die räumliche Platzierung von graphischen Elementen sollte daher soweit wie möglich einheitlich bleiben. Auf sämtlichen Seiten69 ist daher in 68 69 76 Die Bedeutung des Zeichens Orange (als Farbe) wird also durch die Zeichenwahl im Logo genauer definiert. Zeichen können in diesem Sinne, wie Peirce es in seinem Zeichenmodell ausgeführt hat, als Interpretanten fungieren, die den Objektbezug eines Repräsentamens spezifizieren. Ausgenommen sind die Karteikarten des Informations- und Kommunikationspanels, die einem eigenen (aber ebenso konsistenten) Layout folgen. Visuelle Gestaltung der oberen linken Ecke das Logo von myStudy angebracht, während sich am oberen rechten Bildrand die Globalnavigation befindet. Auf der Seitenmitte zentriert werden die Inhalte auf einer ’Karte’ dargestellt, die einen Schatten auf den orangen Seitenhintergrund wirft. Am unteren Rand der Seite befindet sich eine Fußzeile, die unter anderem die aktuelle Versionsnummer von myStudy angibt. Der Aufbau der Seite ist damit auf allen Seiten prinzipiell einheitlich. Abbildung 14 zeigt das Schema des Seitenlayouts. Abbildung 14: Schematische Darstellung des Seitenlayouts (eigene Darstellung) Die Nutzung einer internetbasierten Anwendung basiert in besonderem Maße auf der Interaktion zwischen Anwender und Artefakt. Daher sollten gerade jene Elemente, die ein ’Manipulationspotential’ aufweisen, durch eine kohärente visuelle Gestaltung kenntlich gemacht werden. Elemente der Interaktion (Formularbuttons, graphische Links) werden daher einheitlich durch den Umriss mit einer blauen Haarlinie und durch einen grauen Hintergrund kenntlich gemacht70. Tabelle 4 fasst die verwendeten Elemente zusammen. 70 Interaktionselemente Die Gestaltung der Globalnavigation nimmt hier eine besondere Stellung ein und folgt daher eigenen Richtlinien. 77 Zur Umsetzung von myStudy Element Funktion Formularbutton Eintrag in den Stundenplan Anzeige der aktuellen Mitteilung Bearbeiten Löschen einem externen Link folgen Tabelle 5: Visuelle Elemente der Interaktion und ihre Funktion visuelle Kohärenz Mit Hilfe dieser und weiterer Gestaltungsmerkmale und ihrer konsistenten Verwendung wird eine visuelle Kohärenz erzielt, die für eine schnelle Erlernbarkeit des Interfaces sorgt und sicherstellt, dass die Reaktionen des Interfaces den Erwartungen des Nutzers entsprechen. Irritationen werden hiermit nach Möglichkeit vermieden, so dass eine effektive Interaktion zwischen Anwender und Artefakt ermöglicht wird. Die Gestaltung der Benutzeroberfläche von myStudy bemüht sich somit auf inhaltlicher wie auf visueller Ebene um eine klare und nachvollziehbare Struktur. Natürlich spielen auch ästhetische Aspekte der Gestaltung eine wichtige Rolle. Die Wahl der Farben und Formen sowie ihre Komposition sollen vom Nutzer möglichst als angenehm empfunden werden. Eine formalästhetische Betrachtung müsste jedoch weiter ausholen und Aspekte der visuellen Topologie, der Wahrnehmungstheorie und Gestaltpsychologie berücksichtigen (vgl. Bonsiepe 1996, 197). 5.5 Verwendete Technologien Die visuelle Gestaltung der Benutzerschnittstellen sowie die Strukturierung des Informationsangebots baut selbstverständlich auf der Voraussetzung einer inneren technischen Struktur auf. Die Betrachtung der Benutzerschnittstellen und ihrer formalen Gestaltung nähert sich dem Artefakt aus Sicht des Anwenders von außen. Natürlich hat aber die technische Form auf der ‘anderen Seite’ des Interfaces ebenso einen erheblichen Einfluss auf die Anwendbarkeit des Artefakts. Die Erkenntnis, dass es sich hierbei um zwei Perspektiven auf dasselbe Objekt handelt, verbietet die isolierte Betrachtung nur einer Seite. 78 Verwendete Technologien Die Technologien, die für die Entwicklung und den Betrieb von myStudy relevant sind, sollen daher auf den folgenden Seiten genauer beschrieben werden. Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich hierbei im wesentlichen um Open Source-Technologien, die bestimmte Merkmale aufweisen, die im dritten Kapitel aus einer unterscheidungstheoretischen Sicht charakterisiert worden sind. Diese Eigenschaften sind für die Verwendung im myStudy-Projekt von großer Bedeutung. Das dargestellte Interface sowie die implementierten Funktionen lassen sich auf der Basis von dynamischen Internet- und Datenbanktechnologien realisieren. Zur Gestaltung der Webseiten kommen die Auszeichnungssprachen HTML (Hypertext Markup Language) und CSS (Cascading Stylesheets) zum Einsatz, zur Programmierung der Funktionalitäten des Interfaces werden die Skriptsprachen JavaScript und PHP (PHP: Hypertext Preprocessor) verwendet. Als Datenbanksystem wurde MySQL gewählt, das mit der Datenbanksprache SQL (Structured Query Language) abgefragt wird. Der Betrieb von myStudy wird durch einen Apache HTTP-Server mit PHP Interpreter gewährleistet, der auf der Basis eines Windows Betriebssystems läuft. Diese Technologien und deren Zusammenwirken sollen hier zunächst eingehender erläutert werden, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen.71 Wie der Name Hypertext Markup Language besagt, gehört HTML zur Familie der Textauszeichnungssprachen. Diese sind dafür konzipiert, Informationen zu enthalten, die Aussagen treffen über die Darstellung der Texte, über deren Relevanz oder deren logische Struktur. Während Auszeichnungssprachen ursprünglich für die Verwendung im Printbereich geschaffen wurden, wurde 1985 erstmals ein Standard namens SGML (Standard Generalized Markup Language) für die Auszeichnung von digitalen Dokumenten festgelegt (ISO 8879). HTML Auf SGML basierend, stellt HTML eine Auszeichnungssprache dar, welche für die Erstellung wissenschaftlicher Publikationen im WWW optimiert wurde. Dabei beziehen sich die Auszeichnungen, die mit Hilfe von HTML vorgenommen werden können, auf die strukturellen Elemente, die in wissenschaftlichen Texten gängig sind: Überschriften, Textabsätze, Bilder, Aufzählungen etc. Hinzu tritt die neuartige Möglichkeit der Verknüpfung von Elementen durch den Hyperlink. HTML ist also nicht für die visuelle Gestaltung von Internetseiten konzipiert worden. Vielmehr sollte die graphische Darstellung von Webseiten auf der Basis der strukturellen Auszeichnung durch den Webbrowser und dessen benutzerdefinierten Konfiguration geregelt werden. Trotzdem wurde HTML 71 Die detaillierten Anwendungen der verschiedenen Techniken können in einschlägigen Handbüchern und Dokumentationen vertieft werden. 79 Zur Umsetzung von myStudy im Zuge der weiten Verbreitung und Kommerzialisierung, die das WWW im Laufe der 90er Jahre erlebte, immer stärker für das Graphikdesign von Webseiten ‘missbraucht’. Cascading Stylesheets Um HTML von dieser Zweckentfremdung zu entlasten, wurde 1996 mit der Veröffentlichung des ersten Sprachstandards für Cascading Stylesheets der Grundstein für eine Auszeichnung des Layouts gelegt. Mit Hilfe von Stylesheets lässt sich das Problem der visuellen Gestaltung aus dem HTML-Code auslagern und in einer externen und zentralen Stylesheet-Datei lösen. In dieser werden den einzelnen HTML-Tags (z.B. für Überschriften oder Absätze) durch die Definition von sogenannten Styles graphische Eigenschaften zugeordnet. Leider ist die Verwendung von Cascading Stylesheets aufgrund von mangelhaften Implementationen in die gängigen Webbrowser bisher nicht unproblematisch, das heißt, verschiedene Browser stellen einzelne Style-Definitionen nicht wie gewünscht dar. Um trotzdem zu einer browserübergreifenden Konsistenz der Interfacegestaltung zu kommen, müssen in der Praxis die verschiedenen Möglichkeiten der visuellen Gestaltung von Webseiten ausgenutzt werden. Dies schließt leider oftmals die zweckentfremdete Verwendung von HTML mit ein. Daher sind auch in den Quelltexten von myStudy vielfach HTML-Parameter zur visuellen Gestaltung genutzt worden. Die Sprachen HTML und CSS werden unter dem Dach des World Wide Web Consortiums entwickelt und stellen öffentliche Standards dar, für deren Nutzung keine Lizenzgebühren gezahlt werden müssen. Insofern sind sie der Open Source-Idee verwandt. JavaScript JavaScript ist eine von Netscape lizensierte, objektorientierte und plattformunabhängige Skriptsprache, die direkt in den HTML-Code einer Webseite eingebunden werden kann. Mit Hilfe von JavaScript lassen sich auf Webseiten Programmfunktionalitäten realisieren, die userseitig in einem JavaScript-kompatiblen Internetbrowser ausgeführt werden können. Der Quellcode eines auf einer Webseite implementierten JavaScripts wird also über das Internet geladen und dann - ohne kompiliert werden zu müssen vom Browser interpretiert. Dabei sind eine Reihe von Browser- und Systemeigenschaften bereits als fest definierte Objekte verfügbar. Dies macht die Umsetzung einfacher Funktionen besonders bequem. Die JavaScript-Interpretersoftware eines Webbrowsers kann vom Nutzer in den Browsereinstellungen deaktiviert werden. Die Ausführung von JavaScripts wird damit verhindert. Für diesen Nutzer besteht bei einem extensiven Einsatz von JavaScript daher keine Anschlussfähigkeit zwischen Technik und Nutzung. Insofern stellt jeder Einsatz von JavaScript einen Unsicherheitsfaktor für die Zuhandenheit des Artefakts dar und muss daher im Einzelfall abgewogen werden. Allerdings ist der Anteil der Nutzer mit 80 Verwendete Technologien deaktiviertem JavaScript mit 0,1% 72 äußerst gering und sollte nicht überbewertet werden. Im Rahmen von myStudy fand JavaScript für die Prüfung von Formularinhalten Verwendung, insbesondere dort, wo fehlende oder ungültige Einträge Fehlfunktionen verursachen würden (z.B. ungültige E-MailAdressen). Des Weiteren öffnet sich das Informations- und Kommunikationspanel mit Hilfe eines JavaScript-Befehls. Die weiteren Funktionalitäten, die myStudy seinen Usern anbietet, wurden mit PHP realisiert. PHP ist eine weit verbreitete Open Source-Skriptsprache, die speziell für die Webprogrammierung entwickelt wurde.73 Auch PHPSkripte können direkt in den Quellcode einer HTML-Datei eingebettet werden, sie werden allerdings - anders als JavaScript - serverseitig interpretiert, bevor der http-Server antwortet. PHP Aus den PHP-Skripten wird auf diese Weise ein reiner HTML-Quellcode erzeugt, der dann über das Internet übertragen und vom Webbrowser des Anwenders angezeigt wird. Die Skripte bleiben somit für den Anwender unsichtbar und gewährleisten auf diese Art eine hohe Sicherheit, da ihre Funktionsweisen aus Nutzersicht nicht nachvollzogen werden können. Auf diese Weise ist die Funktionalität der Internetanwendung des Weiteren unabhängig von der individuellen Konfiguration der benutzereigenen Hard- und Softwareumgebung. Mit PHP können dynamische Webseiten erzeugt werden, deren Inhalte in Abhängigkeit von den Aktionen des Anwenders generiert werden und so eine Interaktion zwischen Anwender und Artefakt ermöglichen, wie sie in Abschnitt 4.1 geschildert worden ist. Voraussetzung für die serverseitige Interpretation von PHP ist die Installation eines PHP-Moduls auf dem Serverrechner und dessen Einbindung in die Konfiguration des WWW-Servers. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich eine Architektur, die in Abbildung 15 dargestellt wird. 72 73 Der Anbieter von Internet-Zugriffsstatistiken Webhits.de wertet monatlich etwa 30 Millionen Zugriffe auf etwa 9800 Webseiten aus und speichert dabei die Hardware- und Software-Konfigurationen der Anwender, unter anderem die JavaScript-Kompatibilität des Webbrowsers. Der obige Wert wurde von Webhits.de am 16.05.2003 aktualisiert (vgl. http://www.webhits.de/deutsch/webstats.html; abgerufen am 17.05.2003). (vgl. http://www.php.net; abgerufen am 20.05.2003) 81 Zur Umsetzung von myStudy Abbildung 15: Client-Server-Architektur und Darstellung einer HTTPAnfage mit PHP-Interpretation (eigene Darstellung) Des Weiteren erlaubt PHP die Anbindung von Datenbanken, deren Inhalte zur dynamischen Erzeugung von Webseiten herangezogen werden können. Auf diese Weise wird der webbasierte Zugriff auf große Datenmengen möglich, deren statische Aufbereitung auf der Basis von HTML nicht zu bewältigen wäre. Im Zusammenwirken mit einer Skriptsprache wie PHP können dagegen komplexe und interaktive Funktionalitäten unter Verwendung eines umfangreichen, aber bequem administrierbaren Datenbestandes mit geringem Aufwand realisiert werden. MySQL PHP liefert die umfangreiche Unterstützung für eine Reihe von verschiedenen Datenbanken. Ein Datenbankmanagementsystem (DBMS), welches sehr häufig in Verbindung mit PHP eingesetzt wird, ist MySQL74. Die Gründe hierfür sind vor allem die umfangreiche Implementierung von MySQLFunktionen im PHP-Funktionsumfang sowie die gemeinsame Open SourceTradition beider Technologien. MySQL basiert auf einem relationalen Datenbankmodell.75 Während hierarchische Datenbanken als Bäume mit Ästen und Verzweigungen darstellbar sind, ist das relationale Datenbankmodell am besten mit den Prinzipien der Mengenlehre zu verstehen. Die Beziehungen zwischen den Daten werden dabei mit Hilfe von Relationen abgebildet76, die mit den Operationen der Mengenlehre (Vereinigung, Schnittmenge, Selektion etc.) abzufragen und zu 74 75 76 82 (Vgl. http://www.mysql.de; abgerufen am 20.05.2003.) Das relationale Datenbankmodell geht im wesentlichen auf die Arbeiten von Edward F. Codd zurück, der in einem umfangreichen Regelwerk die Anforderungen an relationale Datenbanksysteme formuliert hat (vgl. Codd 1970). Die möglichen Relationen sind dabei 1:1- oder 1:n-Beziehungen. Mit Hilfe von Hilfskonstruktionen (n:1 / 1:1 / 1:m) sind auch n:m-Beziehungen abbildbar. Verwendete Technologien bearbeiten sind. Ein relationales Datenbankmodell nutzt somit die logische und nicht die hierarchische Struktur von Datenbeständen für ihre Organisation. Die Daten werden dabei in Form von Tabellen dargestellt. Die Abfrage von MySQL-Datenbanken erfolgt mit der Datenbanksprache SQL (Structured Query Language), die bereits in den 70er Jahren bei IBM speziell für relationale Datenbanken entwickelt wurde. Seit 1987 ist SQL nach einer ISO-Norm standardisiert und wird von allen relationalen Datenbanken - auch von MySQL - unterstützt. SQL Sämtliche Daten, auf deren Grundlage myStudy betrieben wird, sind also in einer relationalen Datenbank organisiert: Lehrveranstaltungen, Stundenpläne, Nutzer etc. Diese Datenbank wird mit der Datenbanksprache SQL abgefragt und liefert Ergebnisse, die mit Hilfe von PHP in einen HTML-Code überführt werden. Jener HTML-Code muss schließlich über das Internet an den Nutzer versendet werden, der diese Kettenreaktion durch einen einzigen Klick auf einen Hyperlink oder eine Schaltfläche in seinem Browser ausgelöst hat. Ebendies wird durch einen HTTP-Server geleistet, der die Anfragen, die auf der Basis des Hypertext Transfer Protocols (HTTP) erfolgen, registriert und bearbeitet. Im Falle von myStudy handelt es sich hierbei mit dem Apache HTTP-Server wiederum um eine Open Source-Lösung. Apache Der Apache Webserver kann mit einem Marktanteil von 63%77 zweifellos als eines der erfolgreichsten Open Source-Produkte gelten. Er dominiert bereits seit 1996 den Bereich der HTTP-Server und wird seit 1999 von der Apache Software Foundation78 distribuiert, die auch an der Entwicklung der Skriptsprache PHP und weiteren Open Source-Projekten beteiligt ist. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die enge Verbindung zwischen Apache und PHP, die sich technisch gesehen durch die hervorragende Kompatibilität beider Technologien äußert. Die Erzeugung von datenbankbasierten Internetseiten auf der Grundlage von HTML, CSS, JavaScript, PHP und MySQL ist deshalb so einfach, weil diese Technologien so miteinander harmonieren, dass eine Programmierung sämtlicher Quellcodes der verschiedenen Sprachen in einem einzigen Dateiformat erfolgen kann. Durch den Einsatz von Interpretersoftware (PHP und MySQL) müssen die Quelltexte vor dem Einsatz nicht kompiliert werden, das heißt, die Übersetzung in den binären Code, der maschinell prozessiert werden kann, wird durch den entsprechenden Interpreter übernommen, sobald ein Skript ausgeführt werden soll. 77 78 (Vgl. http://news.netcraft.com/archives/web_server_survey.html; abgerufen am 20.05.2003.) (Vgl. http://www.apache.org; abgerufen am 20.05.2003.) 83 Zur Umsetzung von myStudy Kompatibilität der Technologien Die Herstellung der Quelltexte sämtlicher Sprachen kann aufgrund der hervorragenden Kompatibilität der Technologien über ein gemeinsames Interface erfolgen, das der Wahl des Programmierers obliegt. So sind die Quellcodes, die myStudy zugrunde liegen, mit einem einfachen Texteditor zu erstellen und zu bearbeiten, ohne dass hierzu weitere Entwicklungswerkzeuge notwendig wären.79 Um das Ineinandergreifen der verschiedenen Technologien zu demonstrieren, zeigt das folgende Beispiel einen Quellcode, in dem die verschiedenen Sprachen farblich gekennzeichnet sind: HTML (schwarz), JavaScript (grün), CSS (blau), PHP (rot) und SQL (orange). Kommentare wurden grau gefärbt. <html> <head> <title>myStudy</title> <script language="JavaScript"> <!-Neufenster = window.open("popup.html", "Popup","width=350,height=260"); // Öffnet beim Laden der Datei ein Popup-Fenster //--> </script> <style type="text/css"> <!-p { font-family: sans-serif; font-size: 12pt; text-align: left; color: #FF0000; } /* Style-Definition für das Absatz-Tag "<p>" */ --> </style> </head> <body> <?PHP $db = mysql_connect('localhost', 'root', 'pass'); # Verbindet mit dem Datenbankserver mysql_select_db("mystudy4",$db); # Wählt die Datenbank aus $result = mysql_query("SELECT * FROM user, studierende WHERE user.id = studierende.userid AND studierende.nname = 'Leder'",$db); # Setzt eine SQL-Datenbankabfrage ab while ($row = mysql_fetch_array($result, MYSQL_BOTH)) {echo "<p>".$row['id']." ".$row['nname']".</p>";} # Gibt absatzweise das Abfrageergebnis aus ?> </body> </html> 79 84 Nichtsdestotrotz ist eine große Vielfalt von verschiedenen Entwicklungstools verfügbar. Für die Entwicklung von myStudy wurden vor allem die FreewareEditoren Proton und Phase 5 verwendet (vgl. http://www.meybohm.de; abgerufen am 20.5.2003). Verwendete Technologien Die besondere Kompatibilität und die daraus resultierenden Vorteile für die Entwicklung von myStudy gehen wesentlich auf die Eigenschaften zurück, die für Open Source-Technologien bereits ausführlich dargelegt wurden. Dabei wurde festgestellt, dass die Nutzung einer Technik als re-entry der Unterscheidung gedeutet werden kann, die durch die Technik selbst installiert wird. Das Open Source-Konzept beruht durch die Sicherstellung der freien und unentgeltlichen Verfügbarkeit einer Software auf dem konsequenten Abbau von Barrieren, welche diese Anschlussmöglichkeit durch Nutzung behindern könnten. Durch die Offenlegung des Quellcodes wird darüberhinaus der Anschluss durch das Kreuzen der technischen Unterscheidung realisierbar, der dagegen bei Closed Source-Software auf technischen Wegen sowie durch den Erlass von entsprechenden Lizenzbedingungen unterbunden wird (vgl. Abschnitt 3.3). Open Source Die Anschlussfähigkeit für die Operation des Kreuzens gewinnt für die Frage nach Kompatibilität eine besondere Relevanz. Denn in dem Maße, in dem in der Open Source-Entwicklergemeinde der Bedarf an Kompatibilität zu anderen Technologien entsteht, ist man in der Lage, diese herzustellen, ohne dass dies durch proprietäre Lizenzbedingungen und den fehlenden Zugriff auf den Quellcode behindert wird. Es gibt darüber hinaus keine produktpolitischen und kommerziellen Interessen, deren Verfolgung die Kompatibilität zwischen bestimmten Technologien fördern oder behindern würde.80 Die Entwicklung von myStudy stellt, wie in diesem Abschnitt beschrieben wurde, eine Anwendung von Open Source-Technologien dar und ist infolgedessen als re-entry der technischen Unterscheidung zu bewerten. Dank der Open Source-gerechten Lizenzierung von PHP, MySQL und Apache sowie durch die offene Standardisierung von HTML, CSS und SQL ist es möglich, ein Projekt wie myStudy zu realisieren, ohne zunächst in kostspielige Servertechnologien investieren zu müssen. Darüberhinaus ist die Möglichkeit gegeben, sich schnell und unkompliziert mit Aktualisierungen und Erweiterungen der verwendeten Programme zu versorgen. Die relative Unabhängigkeit des Projekts von den universitären Verwaltungsstrukturen (respektive Finanzstrukturen) ist insbesondere durch die freie Verfügbarkeit von Open Source-Lösungen überhaupt nur möglich. Noch ein weiterer Aspekt von Open Source-Technologien ist für die Entwicklungsarbeit von großem Wert. In der Regel kann bei der Verwendung 80 Produktpolitische Erwägungen und deren Folgen für die Kompatibilität zwischen Softwareprodukten zeigen sich z.B. deutlich in der Microsoft Office-Produktfamilie. Die wechselseitige Kompatibilität innerhalb der Produktfamilie wird hier besonders gestärkt, wobei gegenüber fremden Produkten eine starke Abgrenzung erfolgt. Am Beispiel der Open Source-Lösung Open Office wird dagegen demonstriert, wie sehr Open Source-Produkte auf die Anschlussfähigkeit nach außen ausgelegt sind. 85 Zur Umsetzung von myStudy von Open Source-Lösungen auf eine umfangreiche Dokumentation zurückgegriffen werden. Die Suche nach Hilfestellungen und Problemlösungen bei der Entwicklung von PHP- und MySQL-basierten Webseiten führt in unzähligen Internet-Diskussionsforen oder auf entsprechenden Webseiten meist sehr schnell zum Erfolg. Die Ideologie, die seit Richard Stallman mit der Entwicklung von Freier Software verbunden ist, setzt sich also in der Anwendung dieser Software fort und veranlasst PHP-Entwickler auf der ganzen Welt dazu, ihr Wissen mit anderen zu teilen. 5.6 Struktur der Datenbanken Donald Norman geht davon aus, dass das Interface die Übersetzung einer internen, technischen Struktur in eine sinnlich erfahrbare Form leistet, die wiederum als Vorlage für die mentale Modellbildung eines Nutzers dienen kann (vgl. Abschnitt 4.1). Diese interne Struktur wird zum einen durch die verwendeten Techologien (vgl. Abschnitt 5.5) und zum anderen durch die Organisation der zugrundeliegenden Daten beschrieben. Beide Faktoren hängen eng miteinander zusammen, denn natürlich bestimmt die Verwendung eines relationalen Datenbanksystems wie MySQL wesentlich die Ordnung, in der diese Daten gespeichert werden. Abstraktion Jedoch entstehen innerhalb des Rahmens, der durch das Datenbankmodell vorgegeben wird, Strukturen, welche die grundlegendste Abstraktionsebene dessen darstellen, was durch myStudy abgebildet wird. In der Datenbankstruktur ist bereits vollständig angelegt, welche Operationen auf ihrer Basis möglich sind. Und doch wäre eine Nutzung dieser reinen technischen Form ohne die Bereitstellung des beschriebenen Interfaces aufgrund des hohen Abstraktionsgrades unmöglich. Der Aufbau der Datenbank liefert neben der Auswahl der Technologien die wesentliche Grundlage der technischen Form von myStudy. Durch sie wird die Grenze einer Unterscheidung installiert, die bestimmte Funktionen und Interaktionen auf ihrer Innenseite einschließt und alle anderen auf ihrer Außenseite ausschließt. Das Kreuzen der Grenze, z.B. die Implementation einer neuen Funktion, ist daher in der Regel mit einer Veränderung der zugrundeliegenden Datenbankstruktur verbunden. Der Anschluss durch die Nutzung der Technik (re-entry) ist ebenfalls stark von dieser ersten Unterscheidung bestimmt, denn durch sie werden die Grenzen des Möglichkeitsraumes festgelegt, in denen sich die Nutzung abspielen kann. Datenbankstruktur 86 Abbildung 16 zeigt die Datenbankstruktur von myStudy in einer Ansicht, wie sie für relationale Datenbanken gängig ist. Wie die Abbildung zeigt, besteht die myStudy-Datenbank aus zwöf Tabellen, deren Relationen durch Pfeile gekennzeichnet sind. Struktur der Datenbanken Abbildung 16: Datenbankstruktur von myStudy (eigene Darstellung) Die Tabellen vvz, vvzfaecher, faecher und studiengang dienen im wesentlichen der Darstellung des Vorlesungsverzeichnisses der Universität Lüneburg. Die Tabellen user, studierende und lehrende bilden die Benutzerverwaltung. Die Tabelle stundenplan vollzieht die Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen, denn in ihr wird gespeichert, welcher Benutzer welche Veranstaltungen für welches Fach belegt. Eine weitere Verbindung ergibt sich aus der Relationstabelle vvzlehrende, die angibt, welcher Dozent welche Veranstaltungen anbietet. Die Tabellen material, seminarplaene und chat dienen der Speicherung funktionsspezifischer Daten. 87 Zur Umsetzung von myStudy Reduktion Reduziert man die Struktur der Datenbank auf ihre wichtigsten Einheiten (vgl. Abbildung 17), so stellt sich der Stundenplan als Schnittstelle zwischen dem Anwender, der Datenbasis des Vorlesungsverzeichnisses und den bereitgestellten Funktionen dar und beweist damit wiederum - nun auf der technischen Ebene - seine primäre Bedeutung für myStudy. Für die Konsistenz von „system image“, Design-Konzept und dem mentalen Modell des Anwenders (vgl. Norman 1983, 14) ist die zentrale Stellung des Stundenplanes von höchster Relevanz. Abbildung 17: Reduzierte Darstellung der Datenbankstruktur (eigene Darstellung) Die Grundzüge der Organisation von Präsenzlehre lassen sich damit bis in die abstrakte Ebene der Datenbankstruktur verfolgen. Der Stundenplan, der sich hier in technisch-struktureller Hinsicht als zentrales Element präsentiert, schlägt damit den weiten Bogen hin zu einem Verständnis von Lernen und Wissen, welches auf Kommunikation unter Anwesenden basiert. Denn die Aufgabe des Stundenplanes in der Präsenzlehre besteht gerade in der strukturierenden raumzeitlichen Organisation der Kopräsenz. Hierauf aufbauend entfaltet myStudy das Potential des Stundenplanes für die weitere organisatorische Unterstützung der Präsenzlehre. Wesentliche Aspekte der Konzeption einer internetbasierten Plattform zur Unterstützung der Präsenzlehre wurden damit auch aus der technischen Perspektive beleuchtet. Zwar ließe sich ein Projekt wie myStudy auch auf der Basis anderer und sogar proprietärer Technologien aufbauen, jedoch nicht ohne signifikante Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Diese würden sich vor allem in den verschiedenen dargestellten Dimensionen der Anschlussfähigkeit des Projektes äußern und daher der Zielsetzung von myStudy entgegenstehen. 88 6. Schlussbemerkungen Die Betrachtung der Konzeption der Internetplattform myStudy geht damit ihrem Ende zu. Daher soll an dieser Stelle zunächst ein Resümee der Argumentationsstränge erfolgen, die in dieser Arbeit vollzogen worden sind. In einer Phase, in der bildungspolitische Schwerpunkte auf die (partielle) Virtualisierung der universitären Ausbildung gesetzt werden, schlägt myStudy die Ergänzung der Präsenzlehre durch den organisationsbezogenen Einsatz und die flexible Integration von Internettechnologien vor, um damit im wesentlichen zwei Ziele zu erreichen. Zum einen soll auf diese Weise die Qualität der wissenschaftlichen Ausbildung nicht durch den kurzsichtigen Einsatz von technisch determinierten Vermittlungsstrategien gefährdet werden, die - entgegen den weitgehend akzeptierten Erkenntnissen der konstruktivistischen Pädagogik - einen Wissensbegriff implizieren, der sich an der „Metaphorik des Besitzens, Habens, Gebens und Erhaltens“ (Luhmann 1996, 193) orientiert. Zum anderen steht in Anbetracht des wachsenden Einflusses, den digitale und vernetzte Technologien auf das Alltagsleben nehmen, die Vermittlung von Medienkompetenz im Zentrum der pädagogischen Bemühungen der Hochschullehre und soll daher durch den Einsatz von myStudy gefördert werden. e-learning und Präsenzlehre Das Votum für die Unterstützung der Präsenzlehre beruht auf der Vorstellung, dass Wissen durch kommunikative Prozesse unter Anwesenden individuell und subjektiv erzeugt wird. Wie gezeigt worden ist, spielen sich diese Prozesse in Form von wechselseitigen und sinnvollen Anschlüssen von Unterscheidungsoperationen ab, die mit Hilfe der Spencer-Brownschen Gesetze der Form beschrieben werden können. Dabei wurden drei Arten von Anschlussoperationen spezifiziert - das Nennen, das Kreuzen und das re-entry die in der Folge für eine techniktheoretische Betrachtung von Open SourceTechnologien wieder herangezogen werden konnten. Technik wurde dabei als die geronnene Form einer Unterscheidung verstanden, die durch ihr reines Funktionieren die Anschlussoperation des Nennens automatisiert. Dagegen wird das Kreuzen der Unterscheidung, also die Veränderung der Technik und ihrer Funktionsweisen (von ihrer Destruktion abgesehen) durch die Gerinnung der Form weitgehend unterbunden. Die Nutzung der Technik kann schließlich als re-entry der technischen Unterscheidung gewertet werden, als eine Unterscheidung also, welche die Technik zu ihrem Gegenstand macht und ihre Anwendung im Hinblick auf ein spezifisches Handlungsziel erwägt. In einer solchen Betrachtung lässt sich das Open Source-Konzept als konsequente Strategie zur Erweiterung von Anschlussmöglichkeiten der verschiedenen Arten verstehen. Open SourceTechnologien zeichnen sich dementsprechend durch ihre zuverlässige Funktion, ihre schnelle und freie technologische ‘Evolution’ sowie durch geringe Technik und Form 89 Schlussbemerkungen Nutzungsbarrieren aus. Wie gezeigt wurde sind diese Aspekte für die Verwendung von Open Source-Technologien bei der Entwicklung und dem Betrieb von myStudy von besonderer Relevanz. Form und Interfacedesign Im Lichte dieser techniktheoretischen Feststellungen muss natürlich auch myStudy selbst als technisches Artefakt verstanden werden und ist insofern den ausgeführten Beobachtungen unterworfen. Die Anschlussfähigkeit zwischen Technik und Nutzung wird dabei durch das Interface von myStudy sichergestellt, dessen Gestaltung daher ausführlich thematisiert wurde. Die Praxis des Interfacedesigns hat dabei zweierlei Aufgaben zu bewältigen: einerseits die kohärente Verwendung von visuellen Gestaltungsmerkmalen, wie sie am Beispiel von myStudy demonstriert wurde, und zum anderen die konsistente und nachvollziehbare Strukturierung des Informations- und Kommunikationsangebots, die mit Hilfe der zentralen Metapher des Stundenplanes geleistet wird. Dabei hat sich gezeigt, dass das Interfacedesign eine Disziplin darstellt, die im Medium der Zeichen operiert und daher mit Modellen der Zeichentheorie näher analysiert werden kann, wie es im Rahmen dieser Arbeit in Grundzügen erfolgt ist. Anhand der detaillierten Darstellung von myStudy und unter Bezugnahme auf die zugundeliegenden theoretischen Ausführungen konnte das Potential für die Unterstützung der Präsenzlehre an der Universität Lüneburg gezeigt werden. Die Anschlussfähigkeiten von myStudy auf den verschiedenen Ebenen (Technik, Nutzung und Struktur) sind des Weiteren ausführlich dargelegt worden. zukünftige Entwicklung 90 Darüberhinaus zeigt sich, dass myStudy auch im Hinblick auf die eigene Weiterentwicklung anschlussfähig ist. Innerhalb der Projektgruppe entstehen ständig neue Ideen für Veränderungen und Erweiterungen von myStudy. Während momentan die Öffnung der Plattform für Inhalte diskutiert wird, die zwar universitäts-, aber nicht unmittelbar studienbezogen sind (z.B. die Einbindung von Terminen studentischer Organisationen und Initiativen), ist mittelfristig die Anbindung von myStudy an ein zentrales Accounting im Gespräch, das in Zukunft weitere Leistungen des universitären Rechenzentrums (wie etwa den Internetaccess) zugänglich machen soll. Bei solchen Überlegungen ist zu berücksichtigen, dass die strenge Abgrenzung von myStudy gegenüber zentralisierten und hierarchischen Strukturen den erheblichen Freiheitsgrad des Projekts und damit, wie erläutert wurde, sein hohes Potential zur Unterstützung der Lehre sichert. Die intensivere Einbindung in zentrale Strukturen verspricht zwar einerseits Synergieeffekte und Emergenzen, birgt andererseits aber Risiken für die Eigenständigkeit und Entwicklungsfreiheit von myStudy. Der Anschluss an weitere universitäre Strukturen ist daher mit großer Sensibilität abzuwägen. Struktur der Datenbanken Den Betrachtungen der vorliegenden Arbeit wurde eine Theorie der Unterscheidung zugrundegelegt, die feststellt, dass jede Beobachtung als Unterscheidungsoperation zu bewerten ist, die zwangsläufig über eine Innenseite und eine Außenseite verfügt. Auf ihrer Innenseite bezeichnet sie den Gegenstand der Beobachtung, während auf ihrer Außenseite alles andere unbezeichnet bleibt. Auch die vorliegende Arbeit muss sich demzufolge als eine solche Unterscheidung begreifen, die eine Selektion dessen vornimmt, was sie zu bezeichnen sucht. Infolgedessen bleiben an dieser Stelle viele Aspekten unberücksichtigt, die nichtsdestotrotz eine nähere Betrachtung verdient hätten. Vor allem soll hier festgehalten werden, dass eine Kommunikationsplattform wie myStudy wesentliche Einschnitte in die Kommunikationsprozesse innerhalb der Universität nach sich zieht. Solche Veränderungen äußern sich in einzelnen Fällen sehr konkret und können daher hier abschließend an einem Beispiel illustriert werden. Unterscheidung dieser Arbeit Bevor den Studierenden und Lehrenden der Universität Lüneburg myStudy als Werkzeug zur Erstellung des Stundenplanes angeboten wurde, erfolgte dies stattdessen ‘per Hand’ und unter Verwendung des Vorlesungsverzeichnisses in gedruckter Form. Dieses stellt die Lehrveranstaltungen hierarchisch nach Studiengängen und Fächern geordnet dar, und muss daher dieser Hierarchie folgend sequentiell verarbeitet werden. Die Veranstaltungssuche mit Hilfe von myStudy erlaubt dagegen die gezielte Auswahl von Lehrveranstaltungen, die zu bestimmten Themen, von bestimmten Dozenten oder zu bestimmten Zeiten angeboten werden. Diese andere Form der Selektion hat dazu geführt, dass sich häufig fachfremde aber interessierte Studierende einfinden, um eine Lehrveranstaltung zu besuchen, obwohl sie diese nicht für ihr Studium geltend machen können. Wie diese Veränderungen zu bewerten sind, soll hier nicht erörtert werden, festzustellen ist allerdings, dass hierdurch ein interdisziplinärer Austausch gefördert wird. Der Einsatz von myStudy hat, wie dieses Beispiel zeigt, nicht nur jene Folgen, dererwegen die Plattform konzipiert wurde. Vielmehr haben veränderte Kommunikationsstrukturen auch Konsequenzen auf der sozialen Ebene, die mit Sproull/Kiesler als „second-level effects“ (Sproull/Kiesler 1991, 15) bezeichnet werden können. Es handelt sich also um Auswirkungen zweiter Ordnung, die erst längerfristig zu beobachten und schwer vorherzusagen sind, nichtsdestotrotz aber essentielle Folgen für die universitäre Lehre haben. Insbesondere ist dabei zu beachten, dass jene Kommunikationen, die myStudy ermöglicht, den dargestellten Kanalbeschränkungen und technischen Normierungen unterworfen sind. Daher darf das Nutzungsziel von myStudy nicht die Bündelung sämtlicher organisationsbezogener Kommunikationen sein, sondern muss in erforderlichen Fällen Freiräume für die persönliche Interaktion lassen, deren Stellung nicht geschwächt, sondern gestärkt werden soll. second-level effects 91 Quellenverzeichnis 7. Quellenverzeichnis 7.1 Literatur Aamodt, Agnar; Nygard, Mads (1995): Different roles and mutual dependencies of Data, information and knowledge. In: Data & Knowledge Engineering 16/1995, 191-222. Baecker, Dirk (1993; Hrsg.): Probleme der Form. Erste Auflage, Frankfurt am Main. Baecker, Dirk (1999): Die Form des Unternehmens. Erste Auflage, Frankfurt am Main. Bateson, Gregory (1981): Double bind. In: ders.: Ökologie des Geistes: anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. Erste Auflage, Frankfurt am Main, 353-361. Vortrag von 1969. Bateson, Gregory (1981a): Metalog: Was ist ein Instinkt? 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