Hofabgabe

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Hofabgabe
Hofabgabe
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Sinn und Zweck
Die Vorstandsvorsitzenden der SVLFG:
Arnd Spahn
Martin Empl
Leo Blum
Die Hofabgabeverpflichtung („Hofabgabeklausel“) verknüpft den Bezug einer Altersrente in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) mit
der Abgabe des Unternehmens.
Sie bezweckt einen Anreiz, das Unternehmen im Rentenfalle abzugeben. Über diese agrarstrukturelle Funktion rechtfertigt sich der
erhebliche Einsatz von Bundesmitteln. Nutznießer einer rechtzeitigen und geordneten Hofübergabe sind in der Regel die Kinder und
das Unternehmen, oft auch andere Familienangehörige und Arbeitnehmer, denen eine Perspektive geboten wird. Denn die Übernehmer nutzen die Möglichkeit zur Modernisierung und Zukunftsorientierung besonders dann, wenn sie selbst noch Jahrzehnte des
selbstgestaltbaren Berufslebens vor sich haben.
Ohne die Hofübergabeklausel gäbe es einen Anreiz weniger, die Verhältnisse rechtzeitig zu ordnen. Potenzielle Hofnachfolger müssten
sich länger gedulden, wichtige Zukunftsentscheidungen würden aufgeschoben werden. Insofern hat die Hofabgabeklausel eine Erinnerungsfunktion für die älter werdenden Betriebsinhaber und dient den
Generationen zur Orientierung. Eine Verpflichtung zur Hofabgabe im
Sinne einer Zwangsenteignung stellt sie nicht dar. Das ist höchstrichterlich bestätigt worden.
Die gesetzliche Bestimmung wurde seit ihrem Bestehen von einem
breiten gesellschaftlichen Konsens getragen. Dieses Papier will Daten, Fakten und Hintergrundinformationen bereitstellen.
Kassel, im Januar 2015
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3
Worum geht es?
1. ?
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In Deutschland werden jährlich etwa 25.000 landwirtschaftliche
Betriebe erfolgreich an Hofnachfolger übergeben.
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EU-weit hat Deutschland im Durchschnitt mit die jüngsten Unternehmer. Nach dem EU-Strukturvergleich sind 6 Prozent der
Betriebsleiter der EU jünger als 35 Jahre; in Deutschland sind
es 7,7 Prozent. Auf die Gruppe der über 65-jährigen entfallen im
Durchschnitt aller EU-Mitgliedstaaten 34 Prozent; in Deutschland
sind nur 7,5 Prozent über 65 Jahre alt. Dies ist auch auf die Hofabgabeverpflichtung zurückzuführen.
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Aus der Alterssicherung der Landwirte erhält der ehemalige Unternehmer lediglich eine Teilsicherung, während der andere
Teil seiner Versorgung aus dem abgegebenen Hof, z. B. in Form
eines Altenteil- oder Pachtvertrages, abgesichert werden soll.
Angesichts von Renten, die deutlich unterhalb des allgemeinen
Rentenniveaus liegen, werden so Abgabeentscheidungen durch
die Hofabgabeklausel in den meisten Fällen nicht „erzwungen“,
sondern erleichtert.
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Es gibt Betriebsinhaber, die nicht ohne Weiteres einen passenden
Nachfolger finden oder für die die Betriebsübergabe aus anderen
Gründen (noch) nicht gelingt. Zum Beispiel über das Internetportal
hofgründer.de können sich Interessenten informieren, wie sie
eine außerfamiliäre Hofübergabe realisieren können oder aber
wie der Weg in die eigene landwirtschaftliche Selbständigkeit gestaltet werden kann. Auch Familien mit einer innerbetrieblichen
Nachfolge finden hier zahlreiche Hinweise. Die SVLFG ist in der
Lage, Betroffene zu sozialversicherungsrechtlichen Fragen der
Hofabgabe umfassend zu beraten. Zusammen mit den Berufsverbänden und weiteren Fachleuten könnte das Beratungsangebot
ausgebaut werden.
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Die SVLFG nimmt sich der Hofabgabe auch als Gesundheitsthema an, weil sie nach den Ergebnissen der Studie 55+ davon
ausgeht, dass es Landwirten mit geklärter Hofabgabe gesundheitlich besser geht als denen, die diese Frage vor sich her schieben. Eine geklärte Hofübergabe ist gelebte Prävention.
Konkrete Fragen, konkrete Antworten
Stichtag
Pflichtmitglieder über 65 Jahre
01.07.2005
9.902
01.07.2007
9.666
01.07.2009
8.871
01.07.2011
8.667
01.07.2013
10.332
01.12.2014
9.723
1. Wie viele Altlandwirte bewirtschaften ihren landwirtschaftlichen Betrieb
auf eigene Rechnung über
das Renteneintrittsalter
hinaus? Steigt diese Zahl
an?
Quelle: amtliche KM 6 Statistik
Es ist darauf hinzuweisen, dass aus den Mitgliederzahlen nicht
hervorgeht, welche Gründe den Landwirt im Einzelfall dazu veranlassen, den Betrieb weiter zu bewirtschaften. Es ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass in den Mitgliederzahlen auch Personen enthalten sind, die einen Rentenanspruch gegenüber der
landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) nicht verwirklichen können,
weil sie zum Beispiel die Wartezeit nicht erfüllt haben oder in der
Vergangenheit von der Versicherungspflicht zur LAK befreit wurden. Die Anzahl der „Altlandwirte“ ist nahezu konstant geblieben.
Altersgruppe
Pflichtmitglieder 01.12.2014
65 bis unter 70
5.935
70 bis unter 75
2.005
75 bis unter 80
1.283
80 bis unter 85
434
85 bis unter 90
146
Summe
2. Wie ist die altersmäßige
Verteilung der Altlandwirte,
die ihren landwirtschaftlichen Betrieb auf eigene
Rechnung über das Renteneintrittsalter hinaus
bewirtschaften?
9.723
Quelle: amtliche KM 6 Statistik
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Konkrete Fragen, konkrete Antworten
3. Wie hoch sind die durchschnittlichen Leistungsausgaben bei Aktiven
(landwirtschaftliche Unternehmer, mitarbeitende
Familienangehörige,
freiwillig Versicherte,
Sonstige) und Rentnern
(pflichtversicherte
Altenteiler) in der
landwirtschaftlichen
Krankenversicherung?
Zunächst ist der Hinweis erforderlich, dass die Darstellung der
Leistungsausgaben getrennt nach Personenkreisen nicht möglich ist.
Das heißt, eine Gegenüberstellung der Ausgaben für die aktiven landwirtschaftlichen Unternehmer und die Altenteiler ist nicht möglich. Es
kann lediglich ein Vergleich zwischen der Gruppe der Aktiven insgesamt und den Rentnern/Altenteilern erfolgen.
Unter Zugrundelegung der amtlichen Statistiken lassen sich bezogen
auf das Jahr 2012 folgende Aussagen treffen: 1
2012
Anzahl
Einnahmen Ausgaben
Mitglieder
in Mio. €
in Mio. €
Ausgaben
im Durchschnitt
pro Mitglied in €
Aktive
227.996
658,37
601,97
2.640,27
Altenteiler
323.070
267,75
1.585,01
4.906,09
Bundesmittel
1.227,76
In 2013 betrugen die durchschnittlichen Leistungsausgaben der
Aktiven 2.855,48 € und der Altenteiler 5.147,24 €.
1 Die ermittelten Durchschnittswerte pro Mitglied beinhalten jeweils auch die Leistungs ausgaben für die Familienversicherten.
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Durch die Hofabgabe reduziert sich die jährliche finanzielle Belastung
der übergebenden älteren Landwirte deutlich. Sie zahlen im Durchschnitt nach der Aufgabe der Unternehmerstellung einen um ca.
2.640 € (220 € x 12 Monate) verringerten Krankenversicherungsbeitrag. Als Rentner (Altenteiler) müssen sie aus einer durchschnittlichen
Rente von derzeit ca. 360 € einen Monatsbeitrag von nur 30 € zahlen.
4. Wie entwickelt sich die
Beitragsbelastung der
Landwirte in der Krankenversicherung und in der
Unfallversicherung mit und
ohne Hofabgabe?
Ältere Menschen werden häufiger krank und verursachen insbesondere im sehr hohen Alter und in den Monaten vor ihrem Ableben
deutlich überdurchschnittliche Krankheitskosten. Diese sind bei Unternehmern von der Gemeinschaft der Beitragszahler zu tragen, bei
Rentnern (Altenteilern) grundsätzlich vom Bund. Das bedeutet, dass
mit Steigerung der Zahl und des Lebensalters derjenigen Menschen,
die über die Regelaltersgrenze hinaus als landwirtschaftliche Unternehmer tätig sind, die Beiträge aller Unternehmer steigen.
Statistische Erhebungen zeigen darüber hinaus, dass besonders viele
Arbeitsunfälle Menschen im Rentenalter betreffen. Würden mehr Unternehmer über die Regelaltersgrenze hinaus ihr Unternehmen weiterbewirtschaften, wäre mit steigenden Unfallzahlen zu rechnen. Damit
würde menschliches Leid zunehmen, und es würden die Leistungsausgaben und damit die Beiträge steigen.
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Die Hofabgabeklausel „lebt“;
sie ist immer wieder aktualisiert worden
Die Anpassung der Hofabgabeklausel an sich ändernde Rahmenbedingungen und Umstände ist der Normalfall. Keine Vorschrift im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) wurde so oft an sich
ändernde Gegebenheiten angepasst wie die Regelung zur Abgabe
(§ 21 ALG); wichtigste Weichenstellungen waren folgende Änderungen:
1957
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Die mit der Schaffung des Gesetzes über die Altershilfe der Landwirte (GAL) im Jahr 1957 eingeführte Hofabgabeverpflichtung
sah damals ausschließlich die „Übergabe oder sonstige Entäußerung“ des Hofes als Voraussetzung für den Rentenbezug vor.
1961
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1961 Erweiterung der Möglichkeiten der Hofabgabe durch z. B.
Verpachtung, Rückgabe des Hofes an den Verpächter, Einräumung eines Nießbrauches oder eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses.
1972, 1973, 1976
••
In der Folgezeit (1972, 1973 und 1976) wurden weitere Abgabemöglichkeiten eröffnet wie beispielsweise Erstaufforstung,
Erteilung einer Ermächtigung zur Landveräußerung und Landverpachtung an eine nach Landesrecht zuständige Stelle und
Möglichkeiten einer Teilabgabe bzw. stufenweisen Abgabe und
eines Rückbehalts.
1995
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Mit dem Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung 1995
(ASRG 1995) wurde in einem breiten politischen Konsens entschieden, die Hofabgabeverpflichtung grundsätzlich beizubehalten, die Regelung wurde allerdings erneut modifiziert. Vor allem
wurde die Stilllegung von Flächen der Übergabe oder Verpachtung gleichgestellt.
nach 1995
••
Auch in den Jahren nach 1995 kam es immer wieder zu Änderungen der Abgabevorschriften mit dem Ziel einer Anpassung an
sich ändernde Rahmenbedingungen. So wurde beispielsweise
unter bestimmten Voraussetzungen die Abgabe unter Ehegatten
zugelassen.
2012
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Die letzten Erleichterungen beim Hofabgabeerfordernis sind mit
dem Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG) im April 2012 wirksam
geworden (u. a. Streichung der Einschränkung, dass auf Rückbehaltsflächen keine gewerbliche Tierhaltung betrieben werden
darf, Zulässigkeit einer Abgabe unter Ehegatten ohne Alters­
grenze).
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Möglichkeiten der Abgabe
Den Landwirten steht heute ein breites Spektrum an Möglichkeiten
zur Verfügung, dem Erfordernis der Hofabgabe gerecht zu werden:
Abgabe nach § 21 ALG
Abs. 2 ALG
Abs. 3 ALG
Abs. 4 ALG
Abs. 5 ALG
Abs. 6 ALG
Abs. 8 ALG
Abs. 9 ALG
Nr.1
Verpachtung
Abgabe
Binnenfischerei
durch Aufgabe
des Fischereiausübungsrechts
§§ 1 und 3
Flächenstilllegungs-VO
(FSV)
Besondere
Voraussetzungen
für Abgabe
durch
Erstaufforstung
Abgabe
durch
Ermächtigung
einer öffentlichen
Stelle zur
Landveräußerung
und
Landverpachtung
Abgabe
bei Unternehmensbeteiligung
Eine Abgabe an
den Ehegatten ist
ohne Altersbeschränkung
möglich, wenn
der abgebende
Landwirt die
Regelaltersgrenze
erreicht hat,
unabhängig von
der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert ist oder
die Voraussetzungen für den
Bezug einer
vorzeitigen Altersrente für langjährig Versicherte
erfüllt hat.
Nr. 2:
Nießbrauch
Nr. 3
Unmöglichmachen der
landw. Nutzung
Zeitraum muss
sich auf mind. 9
Jahre erstrecken
Abgabe
Imkerei und
Wanderschäferei
durch mind.
9-jährige
Nutzungsübertragung
Abgabe durch
Stillegung:
Landwirtschaftl.
Nutzung ruht
(nachhaltiges,
d. h.
mindestens
5-jähriges
Brachlegen)
Hinweis:
Während der
Weiterbewirtschaftung wird
die Rente
halbiert
Satz 1:
Grundsatz des
kompletten
Ausscheidens aus
dem Unternehmen
Satz 2:
Besondere
Möglichkeit eine
wirksame Abgabe
dadurch zu
erzielen, keine
Vertretungsmacht
mehr zu
besitzen und
nicht mehr an der
Unternehmensführung beteiligt
zu sein
Die Abgabe ist
nur wirksam, bis
der Ehegatte (an
den abgegeben
wurde) selbst die
Regelaltersgrenze erreicht
hat oder erwerbsgemindert ist.
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„Scheinabgaben“
Führt die Hofabgabeklausel massenhaft zu
Scheinabgaben?
Das von Kritikern vorgebrachte Argument, die Abgabe der unternehmerischen Verantwortung werde nur „auf dem Papier“ erklärt, um die
Voraussetzungen für den Rentenbezug glaubhaft zu machen, ist im
Ergebnis nicht stichhaltig. Denn unabhängig davon, ob der Unternehmensnachfolger die anfallenden Tätigkeiten eigenhändig erledigt oder
nicht, geht zum Zeitpunkt der Unternehmensabgabe das unternehmerische Risiko vollständig auf den Übernehmer über. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht liegt dann auf Basis der entsprechenden
Verträge allein beim Hofnachfolger.
Auch wenn unmittelbar nach Übertragung der unternehmerischen
Verantwortung die Wirkungen der Hofabgabeverpflichtung kaum zutage treten, dürften sie sich im weiteren Verlauf unter anderem aufgrund folgender Aspekte bemerkbar machen: Mit steigendem Alter
lässt die Leistungsfähigkeit des ehemaligen Landwirts nach und der
Hofnachfolger muss selbst tätig werden oder für jemanden sorgen, der
die Tätigkeiten im Unternehmen erledigt. Der Hofnachfolger ist auch
in der Zahlungspflicht für Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge. Bankgeschäfte für das Unternehmen können nur noch vom
Übernehmer getätigt werden; dies ist bei notwendigen betrieblichen
Investitionen ein äußerst wichtiger Aspekt, weil Banken mit Darlehen
an den früheren Betriebsleiter angesichts seines vorgerückten Alters
sehr zurückhaltend wären. Verträge mit Lieferanten und Abnehmern
können auch nur vom Übernehmer geschlossen werden.
Die in der Praxis auftretenden Problemlagen lassen sich in vielen Fällen mit einer kompetenten Beratung lösen.
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Die Folgen
••
würden Landwirte, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben, aber nach geltendem Recht wegen nicht erfolgter Hofabgabe
nicht leistungsberechtigt sind, eine Rente aus der AdL erhalten.
Die Mehrausgaben würden sich nach grober Einschätzung des
Thünen-Instituts auf rund 25 Mio. € belaufen. Wegen der Defizitdeckung in der AdL hätte diese der Bund zu tragen.
••
würde ein Orientierungsdatum für Übergeber und Übernehmer
sowie die im Unternehmen Beschäftigten fehlen. Zukunftsweisende Entscheidungen über die Unternehmensentwicklungen
einschließlich der Implementierung moderner Prävention würden
hinausgezögert.
••
ist damit zu rechnen, dass die Zahl der (schweren) Arbeitsunfälle zunehmen würde. Damit würden auch die Leistungsausgaben und die Verwaltungskosten steigen. Nach der Unfallstatistik
der SVLFG für das Jahr 2013 entfallen 29,3% der tödlichen Arbeitsunfälle auf Personen über 70 Jahre.
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könnte jeder heutige Rentner/Altenteiler wieder ein Unternehmen
übernehmen, ohne die Rente zu verlieren. In welchem Umfang
davon Gebrauch gemacht würde, ist nicht seriös zu prognostizieren. Mehrkosten würden dadurch in der AdL nicht entstehen,
denn im geltenden Recht wird der Betrieb dauerhaft abgegeben
und Rente bezogen.
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würden die Verwaltungskosten der Landwirtschaftlichen Alterskasse geringfügig sinken, weil die diesbezügliche Prüfung entfallen würde.
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würde der Landwirt wie nach geltendem Recht bei Erreichen der
Regelaltersgrenze in der AdL versicherungsfrei, auch wenn er
weiterhin Unternehmer ist.
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würde in der landwirtschaftlichen Unfall- und Krankenversicherung (LUV bzw. LKV) hingegen weiterhin Versicherungs- und Beitragspflicht bestehen bleiben.
Bei Abschaffung der
Hofabgabeverpflichtung...
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sicher & gesund
aus einer Hand
Herausgeber:
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
Weißensteinstraße 70 - 72
34131 Kassel
 0561 9359-0
Stand: Januar 2015
www.svlfg.de