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Neu aufl age Pädiatrische Allergologie I N K L I N I K Sonderheft NAHRUNGSMITTELALLERGIE Mit dem GPA-Manual Orale Nahrungsmittelprovokationen bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie im Säuglings- und Kindesalter U N D P R A X I S 2012 Inhalt 3Editorial Einführung 27 Vorgehen bei Verdacht auf Erdnussallergie im Kindesalter Eine Empfehlung der Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA 4 Nahrungsmittelallergien bei Kindern und Jugendlichen Ein Überblick über Klinik, Diagnostik und Therapie 8 Übersicht über die zehn wichtigsten allergieauslösenden Nahrungsmittel 30 Ernährungsberatung durch Ärzte bei kindlichen Nahrungsmittelallergien – Möglichkeiten und Grenzen Für eine Ernährungsberatung sind versierte Fachkräfte unerlässlich. Erfahrene Kinderärzte können dennoch einige Aspekte mit den betroffenen Familien beraten. Manual 34 Anaphylaxie bei Kindern und Jugendlichen 11 Orale Nahrungsmittelprovokationen bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie im Säuglings- und Kindesalter Service Eine Anleitung für die praktische Durchführung von Provokationstests bei Verdacht auf IgE-vermittelte Reaktionen Algorithmen Ursachen, Diagnose und Therapie anaphylaktischer Reaktionen im Kindesund Jugendalter 37 Weitere Informationen Internet, Leitlinien, Elternratgeber, Bücher 22 Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie Positionspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, der Ernährungskommission der DGKJ und der GPA IMPRESSUM Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, 15. Jg./Sonderheft Nahrungsmittelallergie, überarbeitete Neuauflage, April 2012 Herausgeber: Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V., Rathausstr. 10, 52072 Aachen, Tel.: 0241-9800-486, Fax: 0241-9800-259, E-Mail: gpa.ev@ t-online.de, Web: www.gpaev.de Verlag: WURMS & PARTNER Public Relations GmbH, Bernrieder Straße 4, 82327 Tutzing, Web: www.wurms-pr.de. Verlagsleitung: Holger Wurms. Schriftleitung: Prof. Dr. Carl Peter Bauer, Fachklinik Gaißach, Dorf 1, 83674 Gaißach, Fax 08041-798-222, E-Mail: [email protected]; Prof. Dr. Albrecht Bufe, Universitätsklinik Bergmannsheil, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum, Fax 0234-3024-682, E-Mail: [email protected]; Dr. Ernst Rietschel, Klinik für Kinder und Jugendliche der Universitätsklinik Köln, Kerpener Str. 62, 50924 Köln, Fax 0221-478-3330, E-Mail: [email protected]; PD Dr. Christian Vogelberg, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, E-Mail: [email protected] Ressortschriftleiter: Dr. P. J. Fischer, 73525 Schwäbisch Gmünd (Elternratgeber); Prof. Dr. J. Forster, St.-Josefskrankenhaus, 79104 Freiburg (Leitlinien); Dr. F. Friedrichs, 52072 Aachen (Berufspolitik); Prof. Dr. M. Kopp, UKSH Campus Lübeck, 23538 Lübeck (Fragen an den Allergologen); Dr. Th. Lob-Corzilius, Kinderhospital Osnabrück, 49082 Osnabrück (Umweltmedizin); PD Dr. H. Ott, Kathol. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, 22149 Hamburg (Pädiatrische Dermatologie); Prof. Dr. J. Seidenberg, ElisabethKinderkrankenhaus, 26133 Oldenburg (Pädiatrische Pneumologie); Prof. Dr. V. Wahn, Charité Campus Virchow, Klinik m. S. Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, 13353 Berlin (Pädiatrische Immunologie) Wissenschaftlicher Beirat: PD. Dr. T. Ankermann, Prof. Dr. J. Forster, PD Dr. G. Frey, Dr. A. Grübl, Dr. W. Lässig, Dr. W. Rebien, Dr. S. Scheewe, Dr. K. Schmidt, PD Dr. S. Schmidt, Prof. Dr. A. Schuster, Dr. Th. Spindler, Prof. Dr. V. Stephan. Redaktion: Ingeborg Wurms M.A., Dr. Albert Thurner, Bernrieder Straße 4, 82327 Tutzing, Tel. 08158-9967-0, Fax 08158-9967-29, E-Mail: [email protected] Bildnachweis: Allergopharma (1 o), cc (1 u, 8 Ei, 9, 10), privat (3), B. Niggemann (5, 14, 16, 17), W&P (8 Milch, 9 Erdnuss), Wikipedia (10 Soja), S. Scheewe (23), S. Koletzko/MoKi (28) Anzeigenleitung: Holger Wurms, Tel. 08158-9967-0, Fax 08158-9967-29. Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 14 vom 1.1.2012. Erscheinungsweise: Die Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis erscheint vierteljährlich jeweils am Beginn des Quartals. Bezugspreise: Einzelheft: 12,50 €, Jahresabonnement: 36,00 €, Jahresabonnement für Studenten (bei Vorlage einer Bescheinigung) 27,00 € (jeweils zuzügl. Versandkosten). Für Mitglieder der vier regionalen pädiatrisch-allergologischen Arbeitsgemeinschaften ist das Abonnement im Mitgliedsbeitrag enthalten. Druck: F&W Mediencenter GmbH, 83361 Kienberg Gedruckt auf Papier aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern ISSN: 1435-4233 und kontrollierten Quellen. www.pefc.de 2 Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Editorial Nahrungsmittelallergien – ein hochaktuelles Thema Liebe Kollegin, lieber Kollege, Unverträglichkeiten auf Nahrungsmittel beschäftigen die Menschheit seit Jahrhunderten. Die Zuordnung des Genusses bestimmter Nahrungsmittel zu vermuteten oder bewiesenen klinischen Symptomen ist dabei oft schwierig, weil man Nahrungsmittel mehrfach täglich und in großer Vielfalt zu sich nimmt. Hinzu kommt das häufige Bedürfnis von Patienten (und auch Ärzten), Nahrungsmittel und Symptome kausal statt nur zeitlich zu verknüpfen. Nahrungsmittelallergien sind daher immer ein hochaktuelles Thema. Insbesondere die Diagnostik von Nahrungsmittelreaktionen bereitet oft erhebliche Schwierigkeiten, da es keinen allein beweisenden Allergietest gibt, der eine Diät sicher indizieren oder ausschließen würde. Dies gilt natürlich insbesondere für die nicht IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Eine Vielzahl von „alternativen“, nicht bewiesenen oder ausschließlich kommerziellen Interessen dienenden diagnostischen Verfahren finden immer noch reichlich Kunden. Hierzu zählt unter anderem auch die IgG- und IgG4-Diagnostik. Kontrollierte orale Nahrungsmittelprovokationen sind der „Goldstandard“ der Diagnostik nahrungsmittel-abhängiger Symptome. Sie können offen, einfach-blind oder doppelblind und plazebo-kontrolliert durchgeführt werden. Angeregt durch das Ergebnis einer Umfrage unter Kinderkliniken in Deutschland, die gezeigt hat, dass orale Provokatio nen bei weitem keine Selbstverständlichkeit in den Kinderkli- Dr. Lars Lange niken darstellen, hat die Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA ein Manual zum standardisierten Vorgehen bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie erstellt, das in diesem Heft veröffentlicht wird. Ziel dieses Heftes war es darüber hinaus, Übersichtsartikel und die wesentlichen Publikationen zur Diagnostik und Therapie von Nahrungsmittelallergien zusammenzufassen, um es dem Leser leicht zu machen, einen orientierenden Überblick zu gewinnen oder ein kompaktes Nachschlagewerk zum intensiven Literaturstudium in die Hand zu nehmen. Hierzu gehören auch die von der GPA und ihrer Arbeitsgruppe entwickelten Flussschemata zum Vorgehen bei Verdacht auf Erdnuss- oder Kuhmilchallergie. Klinische Symptome von Nahrungsmittelallergien reichen von milder Hautrötung bis zum lebensbedrohlichen Schock. Da die Definition der Anaphylaxie und vor allem auch das Management schwerer systemischer allergischer Reaktionen bei vielen Kollegen noch Fragen aufwerfen, lag es nahe, einen Artikel über die Anaphylaxie im Kindes- und Jugendalter in dieses Heft zu integrieren. Aufgrund der großen Nachfrage der ersten Auflage hat sich die GPA entschieden, eine neue, aktualisierte Auflage des Heftes aufzulegen. Wir wünschen beim Durchschmökern der 2. Auflage des Heftes viel Vergnügen! Prof. Dr. Bodo Niggemann Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 3 Einführung Einführung Nahrungsmittelallergien bei Kindern und Jugendlichen Bodo Niggemann, DRK-Kliniken Berlin-Westend Einleitung Unerwünschte klinische Symptome auf Nahrungsmittel kommen im Kindesalter am ehesten als IgE-vermittelte allergische Reaktionen vor. Die Definition einer Nahrungsmittelallergie umfasst folgende Aspekte: nDie krankmachende Symptomatik ist überzeugend und reproduzierbar. n Eine Auslösung ist bereits durch kleine Mengen möglich. n Es handelt sich um eine spezifische immunologische Antwort. nDie immunologische Antwort unterscheidet von normalen Personen, die das Nahrungsmittel vertragen. Liste der Nahrungsmittel, die am häufigsten für Nahrungsmittelallergien im Kindesalter verantwortlich sind Kuhmilch Hühnerei Erdnüsse Baumnüsse (z.B. Haselnuss) Weizen Soja Fisch Schalentiere (z.B. Shrimps) Samen (z.B. Sesam) Tab. 1 4 Die Prävalenz von Nahrungsmittel allergien im Kindesalter liegt in der Literatur zwischen 2 und 6 Prozent [20]. Die Häufigkeit einer klinisch manifesten Nahrungsmittelallergie bei Kindern mit Atopischer Dermatitis wird in der Literatur mit 33 bis 50 Prozent angegeben [5, 29]. Andersherum weisen ca. 95 Prozent aller Kinder mit IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie ein Atopisches Ekzem als Grundkrankheit auf (zumindest in der Vergangenheit). Im Kindesalter verursachen nur wenige Nahrungsmittel über 90 Prozent der allergischen Reaktionen (Tab. 1) [2, 16]. Keine Rolle bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien spielen Farbund Konservierungsstoffe, Zucker und Zitrusfrüchte. Durch Nahrungsmittelallergien hervorgerufene Symptome An der Haut: Urtikaria, Exanthem, Flush Quincke-Ödem Pruritus Ekzemverschlechterung Am Gastrointestinal-Trakt: Übelkeit, Erbrechen Durchfall Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe Obstipation, Meteorismus An den Atemwegen: Klinik Nahrungsmittelallergien können in ihrem Schweregrad äußerst variabel verlaufen: von lokalen Symptomen über milde Allgemeinreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang [11, 25]. Die klinischen Symptome einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie äußern sich in erster Linie an der Haut, seltener am Gastrointestinaltrakt oder anderen Organen (Tab. 2). Eine bronchiale Obstruktion wird selten beobachtet und tritt vor allem bei Patienten mit gleichzeitig bestehendem Asthma bronchiale auf. Eine wichtige Rolle für das Auftreten von allergischen Reaktionen auf Nahrungsmittel spielen so genannte Augmentationsfaktoren. Darunter versteht man Umgebungsfaktoren, bei denen die Rhinokonjunktivitis Bronchiale Obstruktion (Asthma) Husten Larynxödem, Heiserkeit, Stridor Zyanose, Atemstillstand Kardio-vaskulär: Tachykardie Hypotonie Herz-Kreislauf-Stillstand Verschiedene: Müdigkeit, Abgeschlagenheit Unruhe, Ängstlichkeit, Irritabilität Tab. 2 Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Urtikarielle Reaktion bei oraler Provokation. Schwelle, allergisch zu reagieren, deutlich gesenkt wird. Der bekannteste Augmentationsfaktor ist körperliche Belastung, d. h. dass das entsprechende Nahrungsmittel ohne körperliche Belastung problemlos oder in größerer Dosis vertragen wird, während der Genuss desselben Nahrungsmittels meist 30 bis 60 Minuten gefolgt von körperlicher Belastung zu einer systemischen allergischen Reaktion führen kann. Andere wichtige Schwellen senkende Bedingungen sind Medikamente (z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika, Protonenpumpenhemmer), Alkohol und Infekte. Bei der Atopischen Dermatitis wird nach der Einnahme des allergenen Nahrungsmittels nicht nur eine Ekzemverschlechterung beobachtet [29]. Häufiger treten Soforttyp-Symptome wie Urtikaria, Quinckeödem, Erbrechen, Durchfall oder Atemwegsprobleme auf. Isolierte Früh reaktionen treten in mehr als der Hälfte der Provokationen auf; isolierte Spätreaktionen oder kombinierte Früh- und Spätreaktionen kommen weniger häufig vor [6]. Von diesen Reaktionen abzugrenzen sind allergische Symptome bei Kindern mit saisonalem Heuschnupfen im Sinne von pollenassoziierten (kreuzreagierenden) Nahrungsmittelallergien (z. B. als orales Allergie-Syndrom auf Kern- und Steinobst bei Allergie gegen Frühblüher). Diese IgE-vermittelten Reaktionen gewinnen vor allem ab dem Schulkindalter an Bedeutung. Diagnostik Bei der Diagnostik der Nahrungsmittelallergie ist ein stufenweises Vorgehen unter Berücksichtigung individueller Faktoren sinnvoll [12]. Die Anamnese stellt nach wie vor den ersten und wichtigsten Mosaikstein der Diagnostik bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie dar [3]. Die In-vitro-Diagnostik betrifft in ers ter Linie den Nachweis von spezifischem IgE im Serum. Aber auch der Nachweis von spezifischem IgE besagt lediglich, dass eine Sensibilisierung vorliegt, und ist keinesfalls mit dem Beweis einer klinischen Aktualität gleichzusetzen. In den letzten Jahren konnte durch eine Korrelation von oralen Provokationen und der Höhe des spezifischen IgE gezeigt werden, dass Kinder mit hühnerei- bzw. kuhmilchspezifischem IgE über einem gewissen Schwellenwert eine positive Reaktion auf Hühnerei bzw. Kuhmilch haben, z. B. mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit [6, 23]. Diese Schwellenwerte sind jedoch in verschiedenen Studienpopula tion sehr unterschiedlich und können daher nicht verallgemeinert werden. Für Weizen und Soja können keine Schwellenwerte genannt werden, da die Höhe des spezifischen IgE nicht mit dem Auftreten von klinischen Reaktionen zu korrelieren scheint [9]. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Bestimmung von spezifischem IgE gegen individuelle Allergene (z. B. Omega-5-Gliadin im Weizen) besser mit der klinischen Aktualität der Allergie korreliert [18]. Auf die Komponenten diagnostik wird im Artikel über die wichtigsten Allergene näher eingangen. Der Haut-Prick-Test sollte mit nativen Nahrungsmitteln durchgeführt werden [19]. Als Prick-zu-Prick-Test kann er auch bei festen Nahrungsmitteln wie Nüssen angewendet werden. Auch für den HautPrick-Test wurden „decision points“ errechnet [28]. Der Atopy-Patch-Test wurde von einigen Autoren in der Diagnostik von Nahrungsmittelallergien verwendet [21]. Vergleicht man jedoch den enormen Zeitaufwand und die Subjektivität der Beurteilung dieses Testes mit dem geringen zusätzlichen Informationsgehalt für die Entscheidung einer oralen Provokation, so kann der APT für die Routinediagnostik nicht generell empfohlen werden [10]. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Eine diagnostische Diät ist sinnvoll, um zu überprüfen ob eine Besserung oder ein Ausbleiben der Symptome unter Allergenkarenz eintritt. Bei spezifischem Verdacht eines bestimmten Nahrungsmittels wird eine Eliminationsdiät duchgeführt, d. h. dieses eine Nahrungsmittel wird aus dem Speiseplan des Kindes herausgenommen. Ohne einen spezifischen Hinweis wird das Kind vor der Provokation für ungefähr eine Woche auf eine oligoallergene Basisdiät gesetzt. Der „Goldstandard“ der Nahrungsmittelallergie-Diagnostik ist die doppel-blind plazebo-kontrolliert durchgeführte orale Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC) [15]. Generell verfolgen Nahrungsmittelprovokationen zwei Ziele: n Entdeckung verursachender Allergene und deren zukünftige Vermeidung, um klinische Symptome zu verhindern. nBeweis, dass Nahrungsmittel für die Symptome keine Rolle spielen, und damit Verhinderung von unsinnigen Indikationen für die stationäre Durchführung von oralen Provokationstestungen Bedrohliche Reaktionen in der Anamnese (z.B. Anaphylaxie) (wegen des Risikos von erneuten schweren Reaktionen) Klinische Reaktion nicht abschätzbar (z.B. Sensibilisierung, Nahrungsmittel bisher nicht bekommen) (wegen des Risikos von schweren Reaktionen) Subjektive Symptome (z.B. Bauch grummeln, Zungenbrennen, Herz klopfen) (wegen der besseren Objektivierbarkeit) Schwere Atopische Dermatitis (Schwierigkeit der Beurteilung) (wegen der objektiveren und externen Beurteilung) Tab. 3 5 Einführung Vorschlag zum Vorgehen bei Verdacht auf nahrungsmittel-abhängige Symptome Verdacht auf nahrungsmittel-abhängige Symptome spezifisches IgE und/oder SPT positiv und Soforttyp Symptome oberhalb „Decision point“ negativ unterhalb „Decision point“ orale Provokation positiv spezifische Elimination spezifische Elimination spezifische Elimination negativ keine Diät Abb. 1 oder gar gefährlichen diätetischen Einschränkungen. Verschiedene Standardisierungsvorschläge oraler Nahrungsmittelprovoka tionen für Kinder mit allergischen Frühreaktionen wurden beschrieben [4, 13]. Indikationen für eine primär stationäre Abklärung sind in Tab. 3 aufgeführt. Unkonventionelle diagnostische Maßnahmen können nichts zur Diagnostik der Nahrungsmittelallergie beitragen [14]. Abb. 1 zeigt ein Flussschema für ein mögliches diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie im Kindesalter. Therapie Für die Behandlung der Nahrungsmittelallergie gibt es bisher keine kausale Therapie. Die Durchführung einer Eliminationsdiät mit Vermeidung des entsprechenden Allergens ist nach wie vor die einzig Erfolg versprechende Therapie option. Diätempfehlungen für Elimina tionsdiäten sind im Kindesalter in der Regel nur für 12 (bis 24) Monate gültig – da- 6 nach muss die klinische Aktualität neu evaluiert werden. Ärztlich verordnete Diätempfehlungen sollten nur in Form einer ausführlichen Diätberatung durch geschulte Ernährungsfachkräfte umgesetzt werden. Insbesondere bei der Kuhmilchallergie muss für adäquaten Ersatz, z. B. eine extensiv hydrolysierte Formula (eHF) oder eine Aminosäuren-Formula (AAF), gesorgt werden. Neben der diätetischen Beratung sollte der Patient in der Behandlung eines potenziellen Notfalls geschult werden. Patienten, die frühere anaphylaktische Reaktionen hatten, unter Asthma bronchiale leiden oder allergisch gegen Erdnüsse, Nüsse, Fisch oder Schalentiere sind, haben ein erhöhtes Risiko, einen anaphylaktischen Schock zu bekommen. Diese Patienten sollten immer einen AdrenalinAutoinjektor mit sich führen und bei den ersten Anzeichen einer systemischen Reaktion einsetzen [24]. Eine weitere Option wäre die Behandlung von Nahrungsmittelallergikern mit humanisierten Anti-IgE-Antikörpern [9]. Sie konnten die Schwelle allergischer Reaktionen bei einer versehentlichen Aufnahme von Erdnüssen erhöhen. Allerdings waren in dieser Studie ein Viertel der Patienten „Non-Responder“. Ein Ansatz zur kausalen Therapie ist die spezifische orale Toleranzinduktion (SOTI) [17, 22, 26, 27]. Obwohl erste Berichte vielversprechend sind, müssen größere, prospektive Studien durchgeführt werden, um die Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate zu evaluieren. Risikoallergene wie Erdnüsse mögen dabei aufgrund von unabsehbaren und schweren Nebenwirkungen weniger geeignet sein als die klassischen frühkindlichen Nahrungsmittelallergene Kuhmilch oder Hühnerei. Prognose Die Prognose der Nahrungsmittelallergien scheint abhängig vom Nahrungsmittel und dem Manifestationszeitpunkt zu sein. Frühkindlich manifest gewordenen Nahrungsmittelallergien (z. B. gegen Milch und Ei) haben generell eine bessere Prognose: Die meisten Kinder werden innerhalb weniger Jahre klinisch tolerant, d. h. ungefähr 80 Prozent der Kinder mit einer Kuhmilchallergie bis zum Schulalter [1, 7]. Bei der Erdnussallergie sieht das dagegen anders aus. Hier haben die meisten Patienten eine lebenslange Allergie und nur ein kleiner Teil wird über die Zeit tolerant [8]. Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Bodo Niggemann DRK-Kliniken Berlin | Westend Hedwig-von-Rittberg-Zentrum Pädiatrische Allergologie und Pneumologie Spandauer Damm 130, 14050 Berlin E-Mail: [email protected] Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Verordnungsfähig Die sichere Lösung bei Kuhmilchallergie Neocate zur Ernährung bei Kuhmilcheiweißallergie ✔ Auf Basis non-allergener Aminosäuren Ganz ohne Kuhmilch hergestellt und damit frei von Restallergenität, anders als in eHF-Nahrungen ✔ Schnelle Besserung aller Symptome • nachgewiesene Effektivität in der Therapie1,2,3,4 • gute Wachstums- und Gewichtsentwicklung1,5 • umfassend klinisch dokumentiert in über 40 Veröffentlichungen ✔ Ohne Laktose Geeignet bei gastrointestinaler Symptomatik mit Risiko für eine sekundäre Laktoseintoleranz ✔ Guter Geschmack Literatur: 1 Isolauri E, Sütas Y, Mäkinen-Kiljunen S, Oja S, Isosomppi R, Turjanmaa K: Efficacy and safety of hydrolyzed cow milk and amino acid-derived formulas in infants with cow milk allergy. J Pediatr 1995; 127: 550-557. 2 Hill DJ, Murch SH, Rafferty K, Wallis P, Green CJ: The efficacy of amino acid-based formula in relieving the symptoms of cow’s milk allergy: a systematic review. Clinical and Experimental Allergy 2007; 37: 808-822. 3 De Boissieu D, Matarazzo P, Dupont C: Allergy to extensively hydrolyzed cow milk proteins in infants: Identification and treatment with an amino acid-based formula. J Pediatr 1997; 131 : 744-747. 4 Sicherer SH, Noone SA, Barnes Koerner C, Christie L, Burks AW, Sampson HA: Hypoallergenicity and efficacy of an amino acid-based formula in children with cow’s milk and multiple food hypersensitivities. J Pediatr 2001; 5: 688-693. 5 Niggemann B, Binder C, Dupont C, Hadji S, Arvola T, Isolauri E: Prospective, controlled, multi-center study on the effect of an amino-acid-based formula in infants with cow‘s milk allergy/intolerance and atopic dermatitis. Pediatr Allergy Immunol 2001; 12: 78-82. 6 Konsensuspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) (2009). Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie. Monatsschr Kinderheilk 2009; 157:687-691. chen diatris ä p n o V haften esellsc Fachg fohlen6 emp Die Neocate-Produkte sind als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät) geeignet zur diätetischen Behandlung von Säuglingen und Kindern mit Kuhmilchallergie, multiplen Nahrungsmittelallergien und anderen Erkrankungen, die eine Elementardiät auf Basis freier Aminosäuren erfordern. Wir beraten Sie gerne: Careline 0800 68874242 www.neocate.de Nutricia GmbH Postfach 2769 D-91015 Erlangen Telefon 09131 7782 0 Telefax 09131 7782 10 [email protected] Die zehn wichtigsten Nahrungsmittel, die Allergien auslösen können Eine Übersicht inklusive komponenten-basierter Allergiediagnostik Lars Lange, St.-Marien-Hospital Bonn Die Vielfalt der Nahrungsmittel heutzutage ist unüberschaubar. Gerade im Kleinkindesalter muss sich das Immunsystem ständig mit neuen Proteinen auseinandersetzen, die über den Gastrointestinaltrakt aufgenommen werden. Trotzdem ist die Liste der Nahrungsmittel, die häufig Allergien auslösen, übersichtlich. Diese Liste ist dabei abhängig von den örtlichen Ernährungsgewohnheiten. So ist zum Beispiel in Singapur Vogelnestersuppe das häufigste allergieauslösende Nahrungsmittel. In dieser kurzen Übersicht werden die zehn Nahrungsmittel und -gruppen vorgestellt, die für mitteleuropäische Kinder und Jugendliche relevant sind. Zusätzlich sollen die Allergenkomponenten, die für die Diagnostik der jeweiligen Nahrungsmittel bedeutsam sind, vorgestellt werden. Als Orientierung werden in einem Glossar zu diesem Artikel die für die Nahrungsmittelallergie wesentlichen Allergenfamilien kurz erläutert. 1. Kuhmilch Kuhmilch ist nach wie vor das am häufigsten zu Allergien führende Nahrungsmittel im Säuglingsund K leinkindalter. In der Regel ist es das erste Allergen, mit dem der Säugling in Form einer Kuhmilch-Formulanahrung in Kontakt 8 kommt. Die Sensibilisierungen entstehen unter anderem durch Übertragung von Proteinen über die Muttermilch oder die perorale Aufnahme, möglicherweise vor allem bei nur kurzfristiger oder intermittierender Gabe. Die Kuhmilchallergie spielt eine große Rolle bei Säuglingen mit Atopischem Ekzem. Sie stellt hierbei einerseits einen wesentlichen Aggravationsfaktor des Ekzems dar, kann andererseits aber auch Sofortreaktionen hervorrufen. Neben den IgE-vermittelten Reaktio nen kommen nicht-IgE-vermittelte gastrointestinale Reaktionen vor. Das vorherrschende Krankheitsbild hierbei ist die allergische Enterocolitis, die in erster Linie bei Säuglingen zu blutiger Diarrhoe und Dystrophie führen kann. Hauptallergene der Kuhmilch sind Kasein, Alpha-Lactalbumin und Beta-Lactoglobulin. Während die letzten beiden weitgehend hitzelabil sind, ist ersteres relativ hitzestabil. Bei einem relevanten Anteil der Patienten ist eine Verträglichkeit gekochter bzw. gebackener Milch gegeben. Eine sichere Vorhersage der Reak tion mit Hilfe der Bestimmung einzelner Allergenkomponenten ist nicht zuverlässig möglich. Es besteht eine hohe Rate an klinisch relevanten Kreuzreaktionen zu anderen Tiermilchen wie Schafs- oder Ziegenmilch. Die Prognose der Kuhmilchallergie ist gut. Bis zu 80 Prozent der Kinder haben bis zum fünften Lebensjahr eine Toleranz entwickelt. 2. Hühnereiweiß Hühnerei ist das zweithäufigste allergieauslösende Nahrungsmittel in den ersten Lebensjahren. Je nach untersuchtem Kollektiv sind bis zu 40 Prozent der Kinder mit einem Atopischen Ekzem sensibilisiert. Eine Sensibilisierung ist häufig vorhanden, ohne dass eine bewusste Exposition stattgefunden hat oder dass den Eltern klinische Reaktionen erinnerlich sind. Der Weg der Exposition bleibt somit meist unklar. Mögliche versteckte Kontakte finden über Muttermilch oder sogar den eihaltigen Küchenstaub statt. Klinische Reaktionen sind zumeist typische IgE-vermittelte Sofortreaktionen mit Urtikaria und Erbrechen. Auch eine Verstärkung eines vorhandenen Atopischen Ekzems ist nicht selten. Die Hauptallergene sind Ovalbumin und Ovomucoid. Letzteres ist hitzestabil, ersteres hitzelabil. Auch beim Hühnerei kann häufig eine selektive Verträglichkeit von gebackenem Ei vorliegen. Genau wie bei der Milch ist eine Vorhersage der Reaktionsart durch serologische Diagnostik nicht zuverlässig möglich. Relevante Kreuzreaktionen sind selten. Die Prognose der Hühnereiallergie ist gut. Eine Toleranzentwicklung bis zum Schuleintritt ist in rund 70 Prozent der Fälle zu erwarten. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 3. Erdnuss Erdnuss ist ein häufiges Allergen vom Säuglings- bis zum Jugendalter. Rund zehn Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen sind sensibilisiert. Zweijährige deutsche Kinder mit Atopischem Ekzem sind häufiger gegen Erdnuss als gegen Kuhmilch sensibilisiert. Sensibilisierungswege sind neben der Muttermilch auch die Expositionen über die Haut, besonders wenn deren Barriere gestört ist. So kommt es zu Reaktionen, bevor eine bewusste Exposition stattgefunden hat. Eine Erdnussallergie führt teilweise schon bei Exposition gegenüber kleinen Mengen zu lebensbedrohlichen allergischen Sofortreaktionen und stellt daher eine besondere Gefahr dar. Die meisten lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen auf Nahrungsmittel werden durch Erdnuss verursacht. Die Erdnuss ist eine Hülsenfrucht und daher keine Nuss im eigentlichen Sinne. Kreuzreaktionen treten zu anderen Hülsenfrüchten wie Soja und häufiger Lupine auf. Häufig werden Ko-Sensibilisierungen zu Baumnüssen beobachtet, in ca. 20 bis 30 Prozent der Fälle besteht eine Nussallergie. Klinisch oft irrelevante serologische Kreuzreaktionen treten sowohl bei Gräserpollen- als auch bei Birkenpollenallergien auf. Hauptallergene sind unter anderen die Speicherproteine Ara h 1–3 und das PR10-Protein Ara h 8. In den letzten Jahren konnte gut belegt werden, dass Sensibilisierungen gegen Ara h 2 mit großem prädiktiven Wert das Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen vorhersagen. Das Fehlen einer Sensibilisierung gegen Ara h 2 und Nachweis von IgE gegen Ara h 8 weist auf eine – in der Regel klinisch irrelevante – serologische Kreuzreaktion zur Birke hin. Die Erdnussproteine sind hitzestabil und ihre Allergenität wird durch Rösten noch gesteigert. Die Prognose der Erdnussallergie ist eher ungünstig. Nur rund 20 Prozent der Kinder entwickeln eine Toleranz. 4. Haselnuss und andere Schalenfrüchte Zu den deklara tionspflichtigen Schalenfrüchten zählen Haselnüsse, Walnüsse, Paranüsse, Pistazien, Cashewkerne, Macadamianüsse, Pekannüsse und Mandeln. In der Gruppe der Schalenfrüchte ist die Haselnuss in Deutschland das relevanteste Allergen. Allergien gegen Haselnüsse und andere Schalenfrüchte kommen sowohl als primäre als auch als sekundäre Nahrungsmittelallergien, also als Folge einer Kreuzreaktion zu einem Aeroallergen, vor. Dementsprechend reicht das Spektrum der klinischen Reaktionen von einem milden oralen Allergiesyndrom bis zum anaphylaktischen Schock, der auch Todesfälle mit einschließt. Relevante Allergenkomponenten der Haselnuss sind Cor a 1 und Cor a 8. Während Ersteres ein PR-10-Protein ist, gehört Letzteres zu den hitzestabilen Lipid-Transfer-Proteinen. Kreuzreaktionen zwischen den Baumnüssen sind serologisch die Regel und auch klinisch oft relevant. Sie beruhen auf den Speicherproteinen wie zum Beispiel Cor a 9 aus Haselnuss. Über die Prognose der Baumnussallergien ist wenig bekannt, sie scheint aber kaum güns tiger als die der Erdnussallergie zu sein. 5. Fisch Allergien gegen Fisch-Proteine können bereits im Säuglingsalter auftreten. Es sind sowohl klassische IgE-vermittelte Sofortreaktionen als auch Nicht-IgE-vermittelte gastrointestinale Reaktionen beschrieben. Die Reaktionen treten gelegentlich schon beim ersten Kontakt und bei Exposition gegenüber kleinen Mengen, zum Beispiel als Küchenaerosol auf. Damit ist das Anaphylaxie-Risiko eines Fischallergikers bei unbewusstem Kontakt hoch. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Das Hauptallergen ist Parvalbumin, ein Protein aus der weißen Muskulatur des Fisches. Es ist hitzestabil, wird aber durch Eindosen zerstört. Es ist in den meisten Fischsorten in relevanter Menge vorhanden. Klinisch relevante Kreuzreaktionen bestehen unter anderem häufig zwischen Fischen, die viel Parvalbumin enthalten wie Dorsch, Lachs, Seelachs, Hering und Scholle, hingegen nur selten zu Thunfisch oder Schwertfisch. Eine Bestimmung des IgE gegen Parvalbumin kann also den Grad der Kreuzreaktionen vorhersagen. Hierfür steht rGad c 1 als Parvalbumin aus Dorsch und Cyp c 1 aus Karpfen zur Verfügung. Monosensibilisierungen gegen andere Fischproteine und damit Speziesspezifische Allergien sind seltener. Eine Kreuzreaktion zu Schalentieren besteht nicht. Über die Prognose der Fischallergie ist wenig bekannt. 6. Weizen Weizensensibilisierungen werden häufig bei Säuglingen mit Atopischem Ekzem gefunden. In derartigen Fällen kann Weizen ein relevanter Triggerfaktor des Ekzems sein. IgE-vermittelte Soforttyp-Reaktionen sind seltener. Eine Weizenallergie kann bei Jugendlichen Auslöser einer „Exercise-Induced-Anaphylaxis“ sein; in diesen Fällen lässt sich häufig eine Sensibilisierung gegen Omega-5-Gliadin nachweisen, ein Protein des Weizens. Bei Gräserpollenallergie ist eine serologische Kreuzreaktion möglich, die in der Regel klinisch nicht relevant ist. Klinisch relevante Kreuzreaktionen zu Dinkel sind sicher nachgewiesen, zu anderen glutenhaltigen Getreidesorten möglich, aber im Einzelfall zu überprüfen. 7. Soja Soja spielt als klinisch relevantes Allergen in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Sowohl IgE- als auch nicht IgEvermittelte Reaktionen sind möglich. Etwa 15 Prozent der Kinder mit Kuhmilch 9 allergie entwickeln bei Umstellung auf Soja eine Sojaallergie. Da Soja eine Hülsenfrucht ist, ist oft eine klinisch irrelevante serologische Kreuzreaktion bei Erdnussallergie gegeben. In Soja findet sich aber auch ein PR-10-Protein, Gly m 4. Sensibilisierungen gegen Gly m 4 können bei Birkenpollenallergikern bei raschem Konsum hoher Allergenmengen zu anaphylaktischen Reaktionen führen. Hierbei ist relevant, dass Gly m 4, anders als andere PR-10-Proteine, weitgehend digestions stabil ist. Die Ernährung von Säuglingen mit sojabasierten Formulanahrungen wird – auch bei gesicherter Kuhmilch allergie – im ersten Lebensjahr nicht mehr empfohlen. 8. Apfel Allergien gegen Apfel treten mit zunehmendem Lebensalter häufiger auf. Ursache ist eine sekundäre Nahrungsmittelallergie bei Birkenpollenallergie. Dementsprechend ist die auftretende Symptomatik in der Regel ein orales Allergiesyndrom. Da die meisten pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergene hitzelabil sind, kann von diesen Patienten gekochter Apfel problemlos verzehrt werden. Da die unterschiedlichen Apfelsorten unterschiedliche Mengen des PR-10-Proteins Mal d 1 enthalten, werden sie unterschiedlich gut vertragen. Anaphylaktische Reaktionen auf Äpfel sind selten. Diese wurden gehäuft bei Patienten in den Mittelmeerländern beobachtet. Das relevante Allergen im Apfel ist in diesen Fällen ein hitze- und digestionsstabiles Lipid-Transfer-Protein, Mal d 3. 9. Karotte Auch die Karotte ist ein birkenpollen assoziiertes Nahrungsmittel und wird da- 10 mit erst nach Auftreten einer Birkenpollenallergie relevant. Die Reaktion ist meist ein mildes orales Al lergiesyndrom bei Genuss roher Karotten. Primäre Nahrungsmittelallergien gegen Karotte sind eine Rarität. Die Vermutung vieler Eltern, dass bei Säuglingen mit Atopischem Ekzem eine Karottenallergie besteht, ist diagnostisch in der Regel nicht nachvollziehbar. Säuglinge sollten daher weiterhin im Rahmen der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Mahlzeit früh Karotte erhalten. Glossar PR-10-Proteine PR-10 Proteine sind Eiweiße, die im Pflanzenreich weite Verbreitung finden. Allergien gegen diese Eiweiß-Familie beruhen hierzulande zumeist auf einer Allergie gegen Frühblüher-Pollen, allen voran gegen das Birkenpollenprotein Bet v 1. Die kreuzreaktiven NahrungsmittelAllergene sind zumeist labil gegen Erhitzen und Verdau und finden sich vor allem in Obst und Gemüse, aber auch in Nüssen und Hülsenfrüchten. Speicherproteine Speicherproteine sind Eiweiße, die vor allem in Saaten zu finden sind. Es gibt verschiedene Klassen von Speicherproteinen. Sie sind die relevanten Majorallergene in Hülsenfrüchten und Schalenfrüchten und für die meisten anaphylaktischen Reaktionen in unseren Breiten zuständig. Speicherproteine sind weitgehend stabil gegen Erhitzung und Verdau. 10. Schalentiere Eine Allergie gegen Schalentiere (Garnelen, Muscheln etc.) ist im Kindesalter selten und tritt erst ab dem Jugendlichenalter auf. Das relevante Allergen ist Tropomyosin, ein Allergen, das auch in Hausstaubmilben vorkommt. Klinisch relevante Reaktionen bei Hausstaubmilben-allergischen Kindern sind aber die Ausnahme. Das Wissen um die Eigenschaften der unterschiedlichen Nahrungsmittel und deren Allergene ist eine wichtige Hilfe bei der Erhebung einer differenzierten Anamnese. Diese ist immer die Basis der Diagnosestellung und hat das Ziel, einerseits Gefahren rechtzeitig zu erkennen und andererseits unnötige Diäten zu vermeiden. Lipid-Transfer-Proteine Lipid-Transfer-Proteine sind Eiweiße, die vor allem bei Menschen in Südeuropa als Majorallergene bei Nahrungsmittelallergenen zu finden sind. Da sie stabil gegen Erhitzung und Verdau sind, können sie für anaphylaktische Reaktionen verantwortlich sein, sofern eine Sensibilisierung vorliegt. Dr. med. Lars Lange St.-Marien-Hospital Bonn Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin Robert-Koch-Str. 1, 53115 Bonn E-Mail: [email protected] Literatur [1] Schlaud M, Atzpodien K, Thierfelder W: Allergische Erkrankungen. Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). www.kiggs.de [2] De Benedictis FM, Franceschini F, Hill D, Naspitz C, Simons FER, Wahn U, Warner JO: The allergic sensitization in infants with atopic eczema from different countries. Allergy 2009: 64: 295–303 [3] Mehl A, Wahn U, Niggemann B: Anaphylactic reactions in children – a questionnaire-based survey in Germany.Allergy 2005; 60 (11): 1440–5. [4] Fox AT, Sasieni P, Du Toit G, Syed H, Lack G: Household peanut consumption as a risk factor for peanut allergy. J Allergy Clin Immunol 2009; 123: 417–23. [5] Nowak-Wegrzyn A, Bloom KA, Sicherer SH, Shreffler G, Noone S, Wanich N, Sampson HA: Tolerance to extensively heated milk in children with cow’s milk allergy. J Allergy Clin Immunol 2008; 122: 342–7. [6] Matsuo H, Dahlstrom J, Tanaka A, Kohno K, Takahashi H, Furumura M, Morita E: Sensitivity and specificity of recombinant omega-5 gliadin-specific IgE measurement for the diagnosis of wheat-dependent exerciseinduced anaphylaxis Allergy 2008: 63: 233–236. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Manual Orale Nahrungsmittelprovokationen bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie im Säuglings- und Kindesalter AG Nahrungsmittelallergie der GPA 1. Vorwort: Dieses Manual zu oralen Nahrungsmittelprovokationen versteht sich als „Kochbuch“ und findet vor allem Anwendung bei Verdacht auf IgE-vermittelte Reaktio nen auf Nahrungsmittel. Nicht IgE-vermittelte Reaktionen (z. B. ausschließlich gastrointestinale Symptome) erfordern meist ein anderes diagnostisches Prozedere (wenngleich auch hier orale Nahrungsmittelprovokationen unerlässlich sind). Der stichwortartige Schreibstil soll ein rasches Nachschlagen erleichtern. 2. Ziele und Indikationen von oralen Provokationstestungen: Überprüfung der klinischen Relevanz zur Unterscheidung zwischen Sensibilisierung und klinisch aktueller Nahrungsmittelallergie. Besonders relevant ist diese Unterscheidung bei der Verordnung von Diäten und Spezialnahrungen, z. B. extensiv hydrolysierter Formula (eHF) oder Aminosäuren-Formula (AAF). Beurteilung der klinischen Relevanz einer gefundenen Sensibilisierung bei einem Nahrungsmittel, das wissentlich vorher noch nicht gegessen wurde. Ziel ist eine Ja- oder Nein-Antwort einer klinischen Reaktion auf ein Nahrungs- mittel, eine sichere Diagnosestellung bei bisher fehlender, insuffizienter oder widersprüchlicher allergologischer Dia gnostik sowie die Überprüfung oder die Widerlegung von fragwürdigen Befunden. Neben der Ja/Nein-Antwort ist für manche Nahrungsmittel eine grobe Schwellenwertabschätzung als Maß des vorhandenen Schweregrades, zur Risikoabschätzung eines anaphylaktischen Schocks oder zur Schwellenwertabschätzung als Grundlage eines differenzierten Notfallplans möglich. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass Augmentationsfaktoren im täglichen Leben trotzdem eine starke Reaktion hervorrufen können. Verhinderung von unnötigen oder gefährdenden Einschränkungen der Ernährung aufgrund von „Altbefunden“, einer nicht ausreichend detaillierten Allergiediagnostik oder ideologisch geprägten Diäten der Eltern. Verhinderung nichtadäquater Notfallmedikation bei fraglicher Befundlage. Bei gegebener Sensibilisierung vor einer möglichen Exposition eines bisher nicht verabreichten Nahrungsmittels (z. B. vor Beginn des Kindergartenbesuches). Überprüfung, ob nach einer Zeit der Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Allergenkarenz inzwischen eine Toleranz eingetreten ist. 3. Kontraindikationen: Sichere kürzliche Anaphylaxie auf das entsprechende Nahrungsmittel (unnötige, mögliche Gefährdung des Patienten). Die Vermeidung des Nahrungsmittels ist problemlos möglich. Provokation, aus der keine Konsequenzen gezogen werden (z. B. im Hinblick auf therapeutische Diät, NotfallSet, Schulung). In der Regel ist eine Indikation zur oralen Provokation zur Abklärung von Oralen Allergie-Symptomen (OAS) im Rahmen von pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien (PAN) nicht gegeben. 4. Anzahl der zu testenden Nahrungsmittel: Obwohl vor allem bei Kindern mit Ato- pischem Ekzem häufig multiple Sensibilisierungen vorliegen, ist die Zahl von klinisch relevanten Nahrungsmitteln gering (d. h. meist nur ein bis drei Nahrungsmittel bei einem Kind). Aus Praktikabilitätsgründen sollte ein Patient nicht mehr als eine Woche stationär verbringen, d. h. es werden in der 11 Manual Regel je nach Provokationsmodus ein bis vier Nahrungsmittel getestet. Sollten mehr Provokationen notwendig sein, kann ein zweiter Aufenthalt geplant werden. 5. Probleme von oralen Provokationstestungen: Bei anamnestisch dringendem Verdacht auf Vorliegen einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie und negativem Ergebnis in der oralen Provokation muss an sogenannte „Augmentationsfaktoren“ gedacht werden. Darunter versteht man Umgebungsfaktoren, die die Schwelle einer allergischen Reaktion (u. U. drastisch) senken können. Typische Augmenta tionsfaktoren sind z. B. körperliche Anstrengung, Infekte (V. a. gastro-intestinale Infekte), bestimmte Medikamente (wie nicht-steroidale Antiphlogistika), Stress, Alkohol sowie gleichzeitiger Verzehr anderer Nahrungsmittel mit dem vermuteten „krankmachenden“ Nahrungsmittel. Beim Atopischen Ekzem zeigen sich oft Schwierigkeiten bei der Diagnostik, da multiple Sensibilisierungen vorliegen können, der zeitliche Abstand zwischen Genuss des Nahrungsmittels und den klinischen Reaktionen groß sein kann und schließlich eine Ekzemverschlechterung schwieriger dem Nahrungsmittel zuzuordnen ist als eine klassische allergische Sofortreak tion. Trotz gegebener IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie kann eine orale Nahrungsmittelprovokation negativ verlaufen. Gründe für falsch negative Provokationen können sein: Antihistaminika wurden nicht abgesetzt, zu geringer Allergengehalt der Provokationsdosen bei erhöhtem Schwellenwert, Nichterfassen einer zeitlich spät einsetzenden Reaktion (Spätreaktion), Reaktionen treten erst bei längerfristi ger Verabreichung auf, möglicherweise auch das Induzieren einer Kurzzeittoleranz durch die verschiedenen rasch verabreichten Titrationsdosen. Selten können bei oralen Nahrungsmittelprovokationen auch falsch posi- 12 tive Ergebnisse auftreten. Gründe hierfür können sein: Fehlinterpretation von Begleitsymptomen oder Krankheitssymptomen als positive „Reaktion“ auf das gegebene Nahrungsmittel oder Auftreten von Augmentationsfaktoren während der Provokation. 6. Vordiagnostik: Die Anamnese kann Hinweise auf die möglicherweise zu provozierenden Nahrungsmittel ergeben. Während eine negative Anamnese meist eine gute Voraussagekraft besitzt, gilt dies umgekehrt nicht bei Verdacht der Eltern auf einen Zusammenhang zwischen Genuss bestimmter Nahrungsmittel und der Symptomatik. Ein Symptom-Nahrungsmittel-Tagebuch erlaubt manchmal die Zuordnung von bestimmten Nahrungsmitteln zu den Symptomen und erleichtert damit die Auswahl der zu provozierenden Nahrungsmittel. Die Bestimmung des Gesamt-IgE kann weder eine Allergie ausschließen noch beweisen. Sie kann lediglich dazu dienen, die Höhe der einzelnen spezifischen IgE-Konzentrationen besser einzuschätzen. Bei sehr hohem Gesamt-IgE sind auch spezifische IgEs – ohne klinische Relevanz – häufiger positiv. Die Bestimmung des spezifischen IgE im Serum macht nur in sehr seltenen Fällen eine Provokation überflüssig. Dies konnte z. B. in einer deutschen Studie nur für Hühnerei nachgewiesen werden, wobei ab einer Serumkonzentration von mindestens 12,6 kU/l bzw. 59,2 kU/l eine 95-prozentige bzw. 99-prozentige Wahrscheinlichkeit einer positiven oralen Provokation vorlag und damit eine Provokation nicht notwendig war. Obwohl der Haut-Prick-Test (SPT) mit frischen Nahrungsmitteln durchgeführt eine mindestens genauso gute Sensitivität und Spezifität besitzt wie das spezifische IgE im Serum, gilt auch hier, dass nur in seltenen Fällen eine orale Provokation allein durch den SPT überflüssig ist. In einer deutschen Studie konnte gezeigt werden, dass bei einem Quaddeldurchmesser von 13 mm bzw. 17,8 mm für Hühnerei und 12,5 mm bzw. 17,3 mm für Kuhmilch eine 95-prozentige bzw. 99-prozentige Wahrscheinlichkeit einer positiven oralen Provokation vorlag und damit eine Provokation nicht notwendig war. Der Atopy-Patch-Test (APT) ist ein Epikutantest, der mit Typ-1-Allergenen (z. B. Nahrungsmitteln) durchgeführt wird. Obwohl er als Einzeltest im Vergleich zum IgE und SPT die bes te Vorhersagekraft besitzt, ist er aufgrund der sehr aufwändigen Durchführung und der schwierigen Beurteilung – selbst in Kombination mit den IgE-Tests – nicht empfehlenswert, da auch hiermit nur bei einer sehr kleinen Zahl von Kindern eine orale Provoka tion überflüssig wird. Die Vordiagnostik sollte in kurzem Zeitabstand aktuell (z. B. innerhalb von drei Monaten) vor Durchführung der Provokationstestung erfolgen. Ungesicherte Verfahren wie Bioresonanz, Cytotoxologischer Lebensmitteltest, Kinesiologie, die Bestimmung des spezifischen IgG im Serum oder die Irisdiagnostik haben keinen Platz in der Diagnostik von vermuteten Reaktionen auf Nahrungsmittel. Das Überschreiten der Schwellenwerte sowohl bei spezifischen IgE als auch beim SPT beim individuellen Patienten ist per se noch kein eindeutiger Ausschluss einer sinnvollen oralen Nahrungsmittelprovokation. Für die Bewertung spielen u. a. auch Verlauf des sIgE und des Gesamt-IgE eine Rolle. Trotz aller Vordiagnostik gelingt es nur in einzelnen Fällen, auf eine orale Provokationstestung zu verzichten. 7. Diagnostische Diäten vor Provokationstestung: Eliminationsdiät = Weglassen eines einzelnen, verdächtigten Nahrungsmittels, wenn ein spezifischer Verdacht geäußert wird. Oligo-allergene Basisdiät = Reduktion der Ernährung auf wenige (als wenig allergen bekannte) Nahrungsmittel, wenn zwar Nahrung mit Symptomen Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Nahrungsmittelallergie Oligo-allergene Basisdiät 1. Getreide (Reis) 2. Fleisch (Lamm, Pute) 3. Gemüse (Blumenkohl, Broccoli, Gurke) 4. Obst (Birne, Banane) 5. Fett (Raffiniertes Rapsöl, milchfreie Margarine) 6. Getränke (Mineralwasser, eHF, AAF) 7. Gewürze (wenig Salz, Zucker) Tab. 1: Vorschlag für eine oligo-allergene Basisdiät. in Zusammenhang gebracht wird, aber kein spezifisches Nahrungsmittel genannt werden kann (Beispiel in Tab. 1). Die Auswahl der einzelnen Diätform vor einer Provokation richtet sich nach der ausführlichen Anamnese durch einen allergologisch versierten Arzt oder eine Ernährungsfachkraft. 8. Dauer der Eliminationsdiät vor Provokation: Bei allergischen Sofortreaktionen reicht eine ca. drei- bis fünftägige Elimina tionsdiät. Bei Atopischem Ekzem sollte eine mindestens ein- bis zweiwöchige Elimination vorausgehen. Bei rein gastrointestinalen Symptomen sollte eine zwei- bis vierwöchige Eliminationsdiät gewählt werden. 9. Ort der Durchführung einer Provokationstestung: Kontrollierte orale Nahrungsmittelprovokationen können (1.) ambulant in der Praxis oder Klinik und (2.) statio när durchgeführt werden – nicht jedoch zuhause. Ambulante Provokationen in der Praxis sind z. B. möglich, wenn das Kind das Nahrungsmittel bisher gegessen hat und (nach einer kurzen, z. B. einwöchigen Eliminationsdiät) die klinische Relevanz auf ein mildes Atopisches Ekzem geprüft werden soll. Indikationen für eine Provokation in der Klinik sind in Tab. 2 aufgeführt. 10. Zu erwartende klinische Reaktionen: Am häufigsten treten klinische Reaktio nen an der Haut auf (Urtikaria, Schwellungen, Erythem, Ekzemverschlechterung), gefolgt von gastro-intestinalen Symptomen (Erbrechen, Durchfall, Bauchkrämpfe), weniger häufig Reaktionen an den Atemwegen (Asthma, Stridor) und selten kardio-vaskuläre Reaktionen (Blutdruckabfall, Tachykar die, Schock). Während oraler Nahrungsmittelprovokationen können allergische Früh- und Spätreaktionen unterschieden werden. Frühreaktionen sind definiert als eine klinische Reaktion, die innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Verabreichung auftritt. Typische Beispiele sind Urtikaria, juckendes Erythem, Symptome der allergischen Rhinokonjunktivitis, Erbrechen oder obstruktive Atemwegssymptome. Spätreaktionen umfassen klinische Reaktionen, die zwischen zwei und 48 Stunden beobachtet werden. Dies kann z. B. eine deutliche Ekzemverschlechterung beinhalten. Die zu erwartende klinische Reaktion hat einen Einfluss auf die Planung und Dauer der Provokationstestung: Bei zu erwartenden Frühreaktionen kann alle 24 Stunden ein Allergen bzw. Plazebo verabreicht werden, bei zu erwartenden Spätreaktionen alle 48 Stunden. Bei ausgebliebenen Reaktionen am ersten Tag wird am Folgetag eine kumulative Dosis eingesetzt, die sich aus der Summe der Einzeldosen des ersten Tages zusammensetzt. 11. Medikation vor und während der Provokationstestung: Orale Antihistaminika sollten mindes tens 48 Stunden vor der Provokation abgesetzt werden, da sie mögliche allergische Reaktionen wirkungsvoll verhindern können. Antientzündliche Externa zur Lokaltherapie des Atopischen Ekzem sollten auf ein Minimum reduziert und dann wäh- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 rend der Provokation konstant gehalten werden (z. B. als Klasse-I-Steroid oder Pimecrolimus einmal täglich). 12. Blockweiser Ansatz der Provokationen: In der Regel können zwei Allergene und ein Plazebo zu einem Block zusammengefasst werden (Abb. 1). Optimal (aber meist nicht realistisch) ist ein Verhältnis von 1 Allergen : 1 Plazebo. Je subjektiver die Symptome sind (z. B. isolierte Bauchschmerzen), desto mehr Plazebo-Phasen müssen eingebaut werden (z. B. 2 Plazebos : 1 Allergen). 13. Provokationsmodus: Offene Provokationen dienen zur ver- gleichsweise schnellen Bestätigung oder zum Ausschluss einer Nahrungsmittelallergie. Bei negativem Ausgang und Berücksichtigung der Empfehlungen zur Zubereitung, Dosierung der Provokationsmahlzeit und Begleitmedikation kann eine klinisch relevante Reaktion weitgehend ausgeschlossen werden. Offene Provokationen sind indiziert bei: Vermuteter Soforttypreaktion (z. B. bei Verdacht auf Anaphylaxie) Nahrungsmittelallergie Indikationen für stationäre Provokationen 1. Anaphylaktische Reaktionen in der Anamnese (Risiko von erneuten schweren Reaktionen) 2. Klinische Reaktion nicht abschätzbar (Sensibilisierung, NM bisher nicht bekommen) 3. Schwere Atopische Dermatitis (Schwierigkeit der Beurteilung) 4. Subjektive Symptome (Bessere Objektivierbarkeit) Tab. 2: Indikationen für stationär durchzuführende Nahrungsmittelprovokationen. 13 Manual Doppel-blinde, plazebo-kontrollierte Provokationen (DBPCFC) sind indiziert bei: Unklarem Ausgang einer offenen Nahrungsmittelprovokation Vermuteter Spättypreaktion bei Atopischer Dermatitis Unspezifischen oder atypischen Beschwerden (Unruhe, Bauch- oder Kopfschmerzen etc.) Generell gilt: Je älter ein Patient ist und je größer die Unsicherheit bei Patient und Eltern ist, desto eher sind DBPCFC indiziert. 14. Provokationsdosierung: Die Verabreichung der Provokations- mahlzeiten sollte in aller Regel titriert erfolgen, um die Gefahr von schweren allergischen Reaktionen zu minimieren. Zum Ausschluss eines falsch negativen Provokationsergebnisses durch rasch aufeinander folgende titrierte Gaben, die eine schnelle orale Toleranzinduktion induzieren könnten, sollte am Folgetag oder vor der Entlassung aus dem stationären Aufenthalt eine Gabe der kumulativen Gesamtdosis als Einzeldosis erfolgen. Ausnahmen für eine Abweichung von dieser Empfehlung ergeben sich bei ausgeschlossener Soforttypreaktion (z. B. bei regelmäßigem Verzehr und Verdacht auf isolierte Spättypreaktion bei Ekzem nach kurzer Elimination oder bei rein subjektiven Beschwerden). 15. Titrationsstufen: In der Regel werden sieben Konzentrationsstufen in halb-logarithmischer Steigerung verabreicht. Für Kuhmilch, Hühnerei, Soja und Weizen-Gluten können z. B. 0,003 g – 0,01 g – 0,03 g – 0,1 g – 0,3 g – 1,0 g und 3,0 g Nahrungsmittelprotein verwendet werden. Das entspricht z. B. bei Kuhmilch 0,1 ml – 0,3 ml – 1,0 ml – 3,0 ml – 10 ml – 30 ml und 100 ml. Die Gesamtmenge entspricht damit fast 150 ml frischer unverdünnter Kuhmilch. Bei Nüssen und Erdnüssen kann mit Dosen von 5 mg, 10 mg, 50 mg, 100 mg, 500 mg, 1 g und 5 g gesteigert werden. Dies entspricht ca. 1/100 Erdnuss bis 10 Erdnüsse. Am nächsten (bzw. einem anderen) Tag sollte eine kumulative Dosis, d. h. die gesamte Menge der vorherigen Titrationsdosen, in einer Dosis verabreicht werden, um nicht falsch negative Provokationsergebnisse zu erzielen. 16. Dauer des Intervalls zwischen Titrationsstufen: 30 Minuten haben sich als ein guter DBPCFC Tag 1 Provo Tag 2 Tag 3 Tag 4 Tag 5 Tag 6 Repet. Provo Repet. Provo Repet. Provo Beob achtung Beob achtung Beob achtung z.B. Plazebo Provo z.B. Kuhmilch Provo z.B. Hühnerei Abb. 1: Beispiel einer blockweise durchgeführten doppel-blinden, plazebo-kontrollierten Nahrungsmittelprovokation. 14 Kompromiss zwischen einer ausreichenden Zeit für mögliche Reaktionen und dem Bedürfnis, die Provokationen in einem praktikablen Zeittraum bei teilweise nüchternem Kind abzuschließen, bewährt. Kürzere Intervalle als 20 Minuten sind zu vermeiden, da kumulative Effekte zu schweren Reaktionen führen könnten. Bei unklaren Situationen oder ana mnestischen Hinweisen auf spätere Reaktionen kann der Zeitraum von 30 Minuten hingegen problemlos auf z. B. 45 Minuten verlängert werden. 17. Praktische Durchführung: Die Verantwortung für die Planung und sichere Durchführung einer Nahrungsmittelprovokation liegt beim indizierenden bzw. durchführenden Arzt. Die Aufgaben der allergologisch versierten Ernährungsfachkraft umfassen: Vor der Provokation eine ausführliche Ernährungsanamnese (Nahrungsprotokoll), um auch evtl. versteckt gegebene Nahrungsmittel nicht zu übersehen, die ggf. eine Provokation überflüssig machen. Beratung hinsichtlich der ernähungsphysiologischen Relevanz der zu tes tenden Nahrungsmittel bei multiplen Nahrungsmittelallergien. Planung der Zubereitung im Hinblick auf Neigungen/Abneigungen des Kindes nach Absprache mit den Eltern (v. a. zur Verblindung der Nahrungsmittel). Zubereitung der Provokationsmahlzeiten („Blinden“, meist auch die Einteilung in die Provokationsstufen). Beratung der Patienten bei notwendiger Elimination hinsichtlich notwendiger Alternativen bzw. Nahrungsergänzungen. Verabreichung der Portionen an den Patienten. Die Aufgaben des Arztes umfassen: Anordnung einer geeigneten Notfallmedikation in einer körpergewichtsadaptierten Dosis. Indikationsstellung und Anlegen einer Venenverweilkanüle. Untersuchung des Patienten vor Beginn der Provokation auf Infektfrei- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Soja Weizen Ei Milch heit und Freiheit von aller gischen Symptomen. Mengenangaben einer titrierten oralen Provokationstestung Wiederholte Untersufür die vier häufigsten Nahrungsmittel chung des Patienten, insbesondere zur Freigabe NM Provokationsstufe12 34567 Gesamt der nächsten Provoka Volumen Milch (ml) 0.1 0.3 1.0 3.0 10.0 30.0 100.0 144.4 tionsdosis und bei Auftre Volumen BS (ml) 0.1 0.3 1.0 3.0 10.0 30.0 100.0 144.4 ten von (fraglichen) Sym Gesamtvolumen (ml) 0.2 0.6 2.0 6.0 20.0 60.0 200.0 288.8 ptomen. Protein 0.003 0.01 0.033 0.10.331.0 3.3 4.8 (g) Weitere Aufgaben (Nichtärztliche Überwachung Volumen Ei (ml) 0.04 0.11 0.38 1.14 3.8 11.4 38.0 54.9 während der Provokation, Volumen BS (ml) 0.160.49 1.624.8616.248.6162.0233.9 Verabreichung der Mahl Gesamtvolumen (ml) 0.2 0.6 2.0 6.0 20.0 60.0 200.0 288.8 zeiten) können durch an Protein (g) 0.005 0.0140.050.140.46 1.4 4.6 6.2 deres medizinisches Per Volumen Weizen (ml) 0.1 0.3 1.0 3.0 10.0 30.0 100.0 144.4 sonal erfolgen, sofern Volumen BS (ml) 0.1 0.3 1.0 3.0 10.0 30.0 100.0 144.4 dieses in der Erkennung Gesamtvolumen (ml) 0.2 0.6 1.2 6.0 20.0 60.0 200.0 288.8 allergischer Soforttypbe Protein (g) 0.003 0.008 0.028 0.083 0.28 0.83 2.8 4.0 schwerden ausreichend geschult ist. Volumen Soja (ml) 0.1 0.3 1.0 3.0 10.0 30.0 100.0 144.4 Volumen BS (ml) 0.1 0.3 1.0 3.0 10.0 30.0 100.0 144.4 Eine Überwachung des Gesamtvolumen (ml) 0.2 0.6 2.0 6.0 20.0 60.0 200.0 288.8 Kindes sowie die Gabe Protein 0.004 0.0110.040.110.36 1.1 3.6 5.2 (g) der Provokationsmahlzeit durch die Eltern sind zu Celik-Bilgili S, Clin Exp Allergy 2005; 35: 268–273 vermeiden (keine objektive Beurteilbarkeit gege- Tab. 3: Legende: Milch = Frische, pasteurisierte Kuhmilch, Ei = Pasteurisiertes Ei, Weizen = Weizenpulver (5 g/144.4 ml = ben, ggf. psychische Be 4 g Weizenprotein), Soja = Frische, pasteurisierte Sojamilch, BS = Basislösung (z.B. Aminosäuren-Formula) lastung bei schwerer Reak tion nach Verabreichung des Allergens wird (alternativ kann pasteurisiertes Ei se darauf, dass manche Kinder mit Kuhdurch die Eltern). verwendet werden). milchallergie stark erhitze Milch (Waf Die Gabe der Mahlzeiten sollte bei Ver- Einige Nahrungsmittel werden verarfeln, Muffins) vertragen können. weigerung der Einnahme mit Nachbeitet oder so, wie sie üblicherweise druck, aber ohne Anwendung von Gegegessen werden, verabreicht. Ein Bei- 19. Startdosis und Gesamtmenge walt bzw. Hilfsmitteln wie Magensonde spiel ist Kartoffel, die zwar beim Schä- des Allergens: erfolgen. Bei Bedarf ist eine Änderung len eine Kontakturtikaria auslösen Die Startdosis, z. B. 0,1 ml, ist abhänder Zubereitung oder eine verzögerte kann, aber nicht roh gegessen wird. gig vom Nahrungsmittel und vom Fortsetzung der Provokation möglich. Da z. B. verarbeitete Kuhmilch, wie in Schweregrad der zu erwartenden allerNotfalls muss die Provokation bei VerYoghurt oder Käse, bei einigen Kindern gischen Reaktion. weigerung abgebrochen werden. mit Kuhmilchallergie oder während des Bei zu befürchtenden starken Reaktio Wünschenswert ist das Vorliegen einer Prozesses der natürlichen Toleranzentnen muss die Startdosis niedriger geEinverständniserklärung über das Aufwicklung vertragen werden kann, sollte wählt werden, z. B. um eine Zehnerpoklärungsgespräch. mit Frischmilch provoziert werden, da tenz. die maximale Gefährdung evaluiert Als kumulative Gesamtdosis wird eine 18. Zubereitung des Allergens: werden sollte und die therapeutische durchschnittliche altersentsprechende Zur oralen Provokationstestung werdiätetische Empfehlung meistens ein tägliche Einnahmedosis angestrebt den in der Regel native Nahrungsmittel vollständiges Meiden beinhaltet. (z. B. 150 ml Kuhmilch, 1 Hühnerei, 1 verwendet. Individuelle Ernährungsge- Bei positiver Kuhmilch-Provokation Brötchen etc.). wohnheiten, die sich aus der Anamnekönnen im Anschluss optional nach Die Gesamtmenge muss die altersentse ergeben, sind für den Einzelfall zu Diskussion mit der Familie zur Erleichsprechende, maximal aufnehmbare beachten. terung der Diät verarbeitete MilchproFlüssigkeitsmenge pro Einzeldosis be Am häufigsten werden die Nahrungsdukte getestet werden. Eine Reihenfolrücksichtigen. mittel roh verabreicht. Dies gilt auch für ge könnte sein: (a) Butter (Sauerrahm), Die kumulative Dosis eines Tages beHühnerei, das z. B. in Mousse au choco(b) Käse (Hartkäse), (c) Sahne und (d) trägt ca. 5 g Protein des entsprechen lat, Softeis oder Rührei roh genossen Yoghurt. Neue Studien geben Hinweiden Nahrungsmittels (Beisp. in Tab. 3). Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 15 Manual 20. Basislösung: Für die Herstellung einer Provokations lösung sollte eine möglichst niedrig allergene Basislösung gewählt werden. Dies wird im Säuglings- und Kleinkindesalter mit einer Aminosäuren-Formula (AAF, z. B. Neocate®) oder einer extensiv hydrolysierten Formula (eHF, z. B. Althera®) gewährleistet. Für Schulkinder und Jugendliche kann Sinlac-Brei als Basislösung verwendet werden. Bei der Wahl der Basislösung (des Basisbreis) ist zu bedenken, dass ein sehr hoher Fettanteil die allergene Eigenschaft des zu provozierenden Proteins beeinflussen und somit falsch negative Provokationsergebnisse verursachen kann. Bei Hühnereiprovokation kann bei kuhmilch-toleranten Kindern natürlich auch Kuhmilch als Plazebo verwendet werden, wenn eine entsprechende Verblindung ohne den bitteren Geschmack des Hydrolysates gewährleistet werden kann. In der Regel beträgt der Anteil an Allergen und Plazebo 50 : 50, z. B. 10 ml AAF plus 10 ml Kuhmilch = 20 ml Provoka tionslösung (gilt nicht für alle Nahrungsmittel). 21. Blinden des Allergens, praktische Blindungs-Rezepte für einzelne Nahrungsmittel (z. B. Erdnuss): Optimalerweise sollten die Nahrungs- mittel so verblindet werden, dass sie in Bezug auf Geschmack, Farbe und Konsistenz vom Plazebo nicht unterscheidbar sind. Die Menge des Allergens kann altersabhängig sein (unterschiedliche Mengen für Kinder und Jugendliche, z. B. Kuhmilch). Die unterschiedlichen Konsistenzen (flüssig, fest) der Lebensmittel müssen bedacht werden, denn für die Zubereitung werden so homogene Lebensmittel wie möglich (z. B. gemörserte Erdnüsse) benötigt. Außerdem sollte für die weitere Verarbeitung (z. B. Pudding) die Hitzelabilität/Hitzestabilität der Allergene bekannt sein und beachtet werden. 16 Folgende Möglichkeiten können für das Verblinden von Allergenen eingesetzt werden: (a) Konsistenz: Flüssig = Aminosäuren-Formula (AAF) oder extensiv hydrolysierte Formula (eHF) Fest = Brei, Pudding (Sinlac, Reis schleim, Maisstärke) (b) Geschmack / Geruch: eHF, AAF (bitter) Künstliche Aromen (z. B. Orange) Natürliche Aromen (z. B. Banane, Kakao, Carob je nach Verträglichkeit) Süßen (z. B. Zucker) Gekühlt verabreichen (c) Farbe / Aussehen: β-Carotin z. B. Kakao, Karottensaft u. a. (je nach Verträglichkeit) 22. Tageszeit: Die Nahrungsmittel bzw. Plazebos sollten entweder nach einem die verdächtigten Allergene sicher nicht enthaltenden leichten Frühstück oder im Nüchtern-Zustand verabreicht werden. Der Beginn sollte möglichst früh sein, also am Morgen oder Vormittag – auch aus stations-pragmatischen Gründen (vier Stunden Dauer der Provokation plus mindestens zwei Stunden Nachbeobachtung während der Kerndienstzeit des verantwortlichen Arztes). 23. Umgebungsbedingungen: Die Provokation sollte in sicherer, ru- higer Umgebung durchgeführt werden. Eine laute, hektische, unübersichtliche Umgebung (Wartezimmer, Ambulanzflur) ist zu vermeiden. Eine zu „intensivmedizinische“ Atmosphäre (piepsende Monitore, Verkabelung mit mehreren Monitoren und aufgeregtes, zahlreiches Überwachungs personal) fördert die Angst insbesondere kleiner Kinder und damit eine mögliche Verweigerungshaltung. Eine Möglichkeit zum ruhigen Spielen ist vorteilhaft zum Zwecke der Ablenkung des Kindes und Beobachtung einsetzender Verhaltensänderungen. Starke körperliche Anstrengung ist zu vermeiden (Augmentationsfaktor). Begleitpersonen können zur Motiva tion eine vergleichbare Mahlzeit parallel zum Kind einnehmen. Das Begleitpersonal sollte das Kind und die Eltern ruhig, freundlich und kompetent begleiten. Während der Provokation bis mindes tens zwei Stunden nach Beendigung darf der Patient mit den Eltern die Station nicht verlassen bzw. muss immer in Ruf- und/oder Sichtweite zum Überwachungspersonal bleiben. Der verantwortliche Arzt sollte eine uneingeschränkte Erreichbarkeit und im Bedarfsfall rasche Anwesenheit gewährleisten. Praktisches Vorgehen während oraler Nahrungsmittelprovokationen Klare Klinische Reaktion Stopp Provokation Fragliche objektive Reaktion • Warte weitere 10 bis 20 min oder • Wiederhole gleiche Dosis Fragliche subjektive Reaktion Keine klinische Reaktion Gib eine Plazebo-Dosis Gib nächste Dosis Abb. 2 Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Beispiel für ein Nahrungsmittel-Provokationsprotokoll Essen des entsprechenden Nahrungsmittels oder (c) der Wiederholung der Provokation (Tab. 4). 28. Monitoring: Für jede orale Nahrungsmittelprovo- Abb. 3 24. Beobachtungszeit der klinischen Reaktion: Bei zu erwartenden allergischen Früh- reaktionen (z. B. Urtikaria, Atembeschwerden) reicht eine 24-stündige Beobachtungszeit. Bei zu erwartenden Spätreaktionen – also immer bei Kindern mit Atopischem Ekzem – sollte die Beobachtungszeit 48 Stunden betragen. 25. Kriterien zur Beendigung einer oralen Provokation: Bei Ausbleiben von klaren Reaktionen wird die nächste Dosis bis zur Maximaldosis verabreicht. Bei objektiven Reaktionen wird die Provokation für positiv erklärt und beendet. Bei unklaren oder fraglichen Reaktio nen kann entweder weitere zehn bis 20 Minuten beobachtet werden oder die gleiche Dosis (vorerst keine Steigerung) noch ein zweites Mal verabreicht werden (Abb. 2). Bei fraglichen, subjektiven Reaktionen kann eine zusätzliche Plazebo-Dosis eingeschoben werden. Bei Kindern mit Atopischem Ekzem sollte der Schweregrad (a) vor der Provokation und (b) nach einer Reaktion bestimmt werden, z. B. mit Hilfe des SCORAD. Der SCORAD sollte auch bei negativer Reaktion erhoben werden, um dies zu objektivieren und zu dokumentieren. Damit eine Ekzemverschlechterung als positiv zu werten ist, sollte sich der SCORAD um mindes tens 10–15 Punkte verschlechtern. Ideal ist, wenn derselbe Arzt die wiederholte Bestimmung des SCORAD durchführt. 26. Dokumentation der Provokationstestung: Jede Provokation muss mit Hilfe eines geeigneten standardisierten Dokumentationsbogens kontrolliert und festgehalten werden; ein Beispiel ist in Abb. 3 gezeigt. Wichtig ist die mit Unterschrift dokumentierte Beurteilung des verantwortlichen Arztes nach 24 (und 48) Stunden sowie für das Gesamtergebnis. 27. Vorgehen nach Entblindung: Nach Abschluss der einzelnen Provokationsteile und Entblinden einer DBPCFC wird das weitere Vorgehen festgelegt. Es gibt nur die Möglichkeit (a) eines positiven Ergebnisses mit einer spezifischen Eliminationsdiät für einen festgelegten Zeitraum, (b) eines negativen Ergebnisses mit dann regelmäßigem Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 kation muss ein Monitoring durch geschultes Personal und durch entsprechende technische Überwachungsgeräte gesichert werden. Eine kontinuierliche PulsoximeterÜberwachung ist bei jeder potenziellen Gefährdung eine Grundvoraussetzung – zumindest für die Zeit der Provoka tion und der ersten zwei Stunden der Beobachtungszeit. Jede nächste Provokations-Dosis muss vom verantwortlichen Arzt freigegeben werden. Dadurch wird gewährleistet, dass zumindest der Allgemeinzustand regelmäßig geprüft wird. Je nach zu erwartender Symptomatik wird darüber hinaus z. B. die Haut beurteilt oder die Lunge auskultiert. Bei Risiko-Provokationen ist zusätzlich eine regelmäßige RR-Messung zu fordern. Eine volle Monitorüberwachung auch über Nacht ist nur selten nötig, z. B. wenn ein Kind systemisch reagiert hat. 29. Sicherheitsmaßnahmen: Bei möglicher Gefährdung, aber auch bei nicht sicher auszuschließender Gefährdung des Kindes durch eine orale Nahrungsmittelprovokation sollte ein intravenöser Zugang gelegt werden. Durch regelmäßiges Durchspülen wird das sichere Funktionieren im Notfall gewährleistet. DBPCFC Verum Plazebo Prozedere + – Eliminationsdiät + + Testwiederholg. – – Keine Diät – + Keine Diät Tab. 4: Vorgehen nach Entblindung von doppelblind, plazebo-kontrolliert durchgeführten Nahrungsmittelprovokationen. 17 Manual Mögliche Komplikationen von lang lie- genden intravenösen Zugängen (z. B. vier bis sechs Tagen) sind z. B. bei Kindern mit Atopischem Ekzem eine lokale Infektion bis hin zu Sepsis. Das Kind darf während der Provokation und für die ersten zwei Stunden der Beobachtungszeit die Station nicht verlassen und muss sich in Sicht- und Rufweite aufhalten. Geeignete Notfallmedikamente müssen bereitstehen (siehe dort). 30. Notfalltherapie: Für jeden zu provozierenden Patienten muss eine individuelle Notfallmedikation bereit gestellt sein. Diese kann in einer Schale oder Wanne zusammengestellt werden. Die Möglichkeit einer Sauerstoffversorgung sollte im Überwachungsraum vorhanden sein. Eine Notfallmedikation besteht aus (1.) Adrenalin (z. B. Autoinjektor und/oder Suprarenin-Ampullen), (2.) Volumen (z. B. 1000 ml NaCl 0,9 %), (3.) intravenösem Antihistaminikum (z. B. Fenistil oder Tavegil Ampulle), und (4.) Glukokortikosteroid (z. B. Decortin Ampulle). Da die meisten Patienten, die bedrohlich allergisch auf Nahrungsmittel reagieren, Atemwegssymptome (Asthma oder Stridor) aufweisen, muss ein elektrischer Vernebler bereit stehen (z. B. 2 ml NaCl 0,9 % plus 10 Tropfen Salbutamol) oder ein Dosieraerosol mit Inhalierhilfe vorhanden sein. Zu jeder Notfallmedikation gehört ein individueller schriftlicher Plan mit körpergewichtsentsprechenden Dosierun gen. Bei potenziell bedrohlichen Provoka tionen (z. B. gefährlichen Nahrungsmitteln wie Nüssen und Erdnüssen oder stärkeren Reaktionen in der Vergangenheit) muss die Medikation (v. a. das Adrenalin) aufgezogen und benutzungsbereit sein (alternativ kann ein Adrenalin-Autoinjektor bereit liegen). Ansons ten reicht es, wenn alles zur sofortigen Zubereitung vorbereitet ist. Jeder provokations-verantwortliche Arzt muss bei einer klinischen Reak tion des Patienten eine Abwägung zwi- 18 schen dem Nutzen und der Notwendigkeit einer medikamentösen Interven tion zur Symptomerleichterung und der dadurch bedingten Beeinträchtigung der Beurteilbarkeit bzw. der Verzögerung einer folgenden Provokation vornehmen. Bei respiratorischen oder kardiovaskulären Reaktionen ist eine medikamentöse Therapie jedoch immer notwendig. 31. Abschlussgespräch: Bei positiver Provokation erfolgt eine entsprechende Beratung für eine Ernährungstherapie (Eliminationsdiät, Ersatznahrung) durch eine allergologisch erfahrene Ernährungsfachkraft. Bei Kuhmilchallergie muss eine ernährungsphysiologisch adäquate Ersatznahrung bestimmt und evtl. ge testet werden (z. B. eHF oder AAF, Sojamilch). Bei negativer Provokation und vorliegender Sensibilisierung sollte das Nahrungsmittel in der Folge regelmäßig gegessen werden (ungefähr zwei- bis dreimal pro Woche). Dies konnte zumindest für Erdnuss als sinnvolle Empfehlung gezeigt werden. Bei Meiden mehrerer Nahrungsmittel sollte von einer Ernährungsfachkraft durch ein fünftägiges Ernährungsprotokoll geprüft werden, ob die verbleibenden Nahrungsmittel adäquat sind oder ob eine Substitution (z. B. von Calcium) erfolgen muss. 32. Re-Provokationen: Therapeutische Eliminationsdiäten werden bei den typischen frühkindlichen Allergenen wie Kuhmilch, Hühnerei und Weizen im Säuglings- und Kleinkindesalter für mindestens zwölf bis 18 Monate ausgesprochen. Danach muss die klinische Aktualität neu überprüft werden (Re-Provoka tion), um nicht unnötig lange unter Umständen einschneidende Diäten einhalten zu müssen. Bei Nahrungsmitteln mit weniger güns tiger Prognose wie Baumnüssen und Erdnüssen kann der Zeitabstand zur Re-Provokation drei bis fünf Jahre betragen. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Bodo Niggemann DRK-Kliniken Berlin | Westend Hedwig-von-Rittberg-Zentrum Pädiatrische Allergologie und Pneumologie Spandauer Damm 130, 14050 Berlin E-Mail: b.niggemann@drk-kliniken-berlin. de Literatur [1] Celik-Bilgili S, Mehl A, Verstege A, Staden U, Nocon M, Beyer K, Niggemann B: The predictive value of specific immunglobulin E levels in serum for the outcome of oral food challenges. Clin Exp Allergy 2005; 35: 268–273. 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Mit einer Erholungsrate von ca. 85–90 % nach 3 Jahren ist die Verlaufsprognose für im Säuglingsalter auftretende KMPA gut. Dabei lässt sich feststellen: Je früher Diagnose und Therapiebeginn erfolgen, desto kürzer ist die Therapiedauer und umso eher wird Kuhmilch wieder toleriert. Eine verzögerte Diagnose und ein verzögerter Therapiebeginn können hingegen das Wachstum des Säuglings beeinträchtigen. Nahrungsmittelallergien äußern sich durch eine Vielzahl verschiedener Symptome: dermatologische Symptome wie Ekzeme, Urtikaria oder Hautausschlag, gastrointestinale Symptome wie Diarrhoe, Obstipation, Übelkeit, Erbrechen und/oder respiratorische Symptome wie Husten und asthmoide Atmung. Basis eines extensiven Hydrolysats (eHF) oder freier nonallergener Aminosäuren (AAF) bekommen. Bei der Entscheidung für eine Therapienahrung nehmen potentielle Restallergenität, Nährstoffzusammensetzung und Akzeptanz durch den Säugling Einfluss [1]. Spezialnahrungen Aus dem Hause Milupa gibt es sowohl eHF- als auch AAF-Spezialnahrungen: l zur Unterstützung einer verlässlichen Diagnose l zur diätetischen Behandlung von Nahrungsmittelintoleranzen und/oder Nahrungsmittelallergien wie z. B. der KMPA Aptamil Pepti ist eine extensive Hy- drolysatnahrung (eHF) für Säuglinge und Kleinkinder mit Nahrungsmittelallergien. Aptamil Pepti ist geeignet zur ausschließlichen Ernährung von Säuglingen im 1. Lebenshalbjahr und zur ergänzenden Ernährung von Säuglingen nach dem 6. Monat und Kleinkindern. Durch das stark hydrolysierte Molkenprotein ist Aptamil Pepti hypoallergen und leicht resorbierbar. Therapie In einer doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchung an KMPA-Säuglingen konnte gezeigt werden, dass 97 % der Säuglinge Aptamil Pepti sehr gut tolerieren. Eine weitere klinische Studie mit 46 KMPA-Säuglingen belegt eine reduzierte Prävalenz von Hautsymptomen wie Neurodermitis, nicht zu beruhigendem Schreien, Koliken und Erbrechen nach 10-wöchiger Intervention mit Aptamil Pepti (siehe Grafik) [2]. Aptamil Pepti ist lactosereduziert. Allergische Säuglinge und Kleinkinder verfügen in der Regel über normal funktionsfähige Verdauungs- und Absorptionsmechanismen. Daher ist es sinnvoll, Nahrungen einzusetzen, die, abgesehen vom modifizierten Eiweiß (Hydrolysat), den europäischen Richtlinien für Anfangs- und Folgenahrungen entsprechen. So nehmen auch gesunde Säuglinge im 1. Lebensjahr über die Muttermilch bzw. eine Säuglingsanfangsnahrung Lactose zu sich. Um potentielle lactosebedingte Verdauungsbeschwerden zu vermeiden, ist der Lactosegehalt in Aptamil Pepti reduziert. Dank der Erkenntnisse aus der Milupa Muttermilch-Forschung zeichnet sich Aptamil Pepti darüber hinaus durch den Zusatz von langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCP Milupan®), einer patentierten GOS/FOS-Mischung (prebiotische Ballaststoffe) und Nukleotiden aus. Säuglinge mit diagnostizierter KMPA sollen bis zum vollendeten 12. Lebensmonat eine therapeutische Nahrung auf Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 19 Anzeige 90 vor Intervention mit Aptamil Pepti (n=46) p < 0,05 80 nach Intervention mit Aptamil Pepti (n=46) p < 0,05 70 Prävalenz (%) 60 p < 0,05 50 lactooligosacchariden (GOS) und Fructooligosacchariden (FOS) (prebiotische Ballaststoffe) wird auch bei nicht gestillten Babys eine Darmflora ähnlich der von gestillten Babys erreicht [3]. Es wurde auch belegt, dass durch Ernährung mit einer Säuglingsanfangsnahrung mit GOS/FOS in der Darmflora das Verhältnis von Bifidusbakterien zu Clostridien in Richtung nicht allergischer Kinder verschoben wird. p < 0,05 40 Aptamil Pregomin AS ist eine Spe30 20 10 0 Neurodermitis Nicht zu beruhigendes Schreien Koliken Erbrechen zialnahrung auf Aminosäurebasis (AAF) für Säuglinge und Kleinkinder mit schwerer KMPA oder schweren multiplen Nahrungsmittelallergien. Aptamil Pregomin AS ist geeignet zur ausschließlichen Ernährung von Säuglingen im 1. Lebenshalbjahr und zur ergänzenden Ernährung von Säuglingen nach dem 6. Monat und Kleinkindern. Aptamil Pepti reduziert Symptome der Kuhmilchproteinallergie signifikant [2]. Bedeutung der Darmflora Neben der klassischen Allergenelimination beschäftigt sich die aktuelle Forschung damit, die Mechanismen der Immuntoleranz zu verstehen und so einen weiteren Ansatz zur Allergievermeidung zu entwickeln. Eine These ist, dass eine veränderte mikrobielle Exposition im Gastrointestinaltrakt dazu beitragen könnte, dass unter westlichen Lebensverhältnissen Allergien zunehmen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Darmflora von allergischen Kindern deutlich weniger mit Bifidusbakterien und mehr mit Clostridien besiedelt ist als die Darmflora von nicht allergischen Kindern. Gesunde Darmflora fördern Muttermilch enthält Oligosaccharide. Diese wirken prebiotisch, indem sie das Wachstum von Bifidusbakterien und Lactobazillen fördern. Diese beiden Spezies dominieren die Darmflora gestillter Säuglinge, während nicht gestillte Säuglinge eher eine Mischflora aufweisen. Durch die Anreicherung der Flaschennahrung mit einer patentierten Mischung aus Ga- 20 GOS/FOS – effektiv in Prävention und Therapie In einer klinischen Studie mit allergiegefährdeten Säuglingen wurde gezeigt, dass Säuglinge, die eine Nahrung mit hydrolysiertem Eiweiß (HA-Nahrung) und einer patentierten Prebiotics-Mischung (0,8 g/100 ml scGOS/lcFOS) erhielten, in einem Beobachtungszeitraum von bis zu 5 Jahren deutlich weniger unter atopischer Dermatitis litten als Kinder, die eine HA-Nahrung ohne GOS/ FOS-Mischung bekamen [4, 5, 6]. Die allergiepräventive Wirkung der GOS/ FOS-Mischung wurde durch eine weitere große, multizentrische Studie mit 1187 Kindern bestätigt. Auch in dieser Untersuchung hatten die Kinder, die in den ersten Lebensmonaten eine Nahrung mit prebiotischen Ballaststoffen erhielten, weniger Atopische Dermatitis als die Kontrollgruppe ohne diese [7]. Damit auch Babys, die an einer Kuhmilchproteinallergie leiden, gute Voraussetzungen haben, eine gesunde Darmflora zu entwickeln, enthält Aptamil Pepti die patentierte prebiotische GOS/FOS-Mischung. Aptamil Pregomin AS zeichnet sich durch reine, nonallergene Aminosäuren aus und enthält neben wertvollen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCP) auch Nukleotide. Aptamil Pregomin AS ist lactosefrei und somit auch bei Nahrungsmittelintoleranzen geeignet. Bei bestätigter Kuhmilchproteinallergie sind Aptamil Pepti und Aptamil Pregomin AS gemäß der Arzneimittelrichtlinie (AMR 2009) verordnungsund erstattungsfähig. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Anzeige Die Allergiekompetenz von Aptamil – von der Prävention bis zur Therapie Aptamil HA Pre 600 g Packung (Pulver) Art.-Nr.: 602178 PZN: 4917528 Trinkfertige Portionsfläschchen 24 x 90 ml Art.-Nr.: 602210 2 x 90 ml Art.-Nr.: 602212 Aptamil Pepti 400 g Packung (Pulver) Art.-Nr.: 309171 PZN: 7263607 UVP: 24,95 € Therapie Prävention Bei erhöhtem Allergierisiko Aptamil Pregomin AS 400 g Packung (Pulver) Art.-Nr.: 309229 PZN: 9480800 UVP: 45,99 € Erstattungsfähig (gem. AMR 2009) Bei Kuhmilcheiweißallergie Bei schwerer Kuhmilcheiweißallergie hypoallergen durch hydrolysiertes Eiweiß hypoallergen durch stark hydrolysiertes Eiweiß (eHF) non-allergen durch 100 % freie Aminosäuren nur Lactose als Kohlenhydrat enthalten reduzierter Lactosegehalt ohne Lactose entwickelt in der Muttermilch-Forschung: entwickelt in der Muttermilch-Forschung: verbesserte Rezeptur ab 03/2012: mit LCP - mit patentierten GOS/FOS* - mit patentierten GOS/FOS* - mit LCP Milupan ® - mit LCP Milupan ® Literatur: [1] Koletzko S et al. Monatsschr Kinderheilkd 2009; 157: 687–691. [2] Verwimp J et al. Eur J Clin Nutr. 1995; 49 (Suppl 1): S.39–48. [3] Moro G et al. J. Pediatr. Gastroenterol Nutr. 2002; 34: 291–5. [4] Moro G et al. Arch. Dis Child 2006; 91: 814–9. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 [5] Arslanoglu S et al. J Nutr 2008; 138: 1091–5. [6] Moro G et al. Poster presentation PO-N-0261/PD-N-0123. Presented at the ESPGHAN 2011, Sorrent, 25–28 May 2011. [7] Boehm G. Multi-centre Immuno Programming (MIP) Study Group. Poster presentation. 21 Algorithmen Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie Positionspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), vertreten durch Sibylle Koletzko (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), vertreten durch Bodo Niggemann (Hedwig-von-Rittberg-Zentrum, DRK-Kliniken Berlin | Westend) und Frank Friedrichs (Kinderarztpraxis Laurensberg), und der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch Berthold Koletzko (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München) Erstabdruck in Monatsschr Kinderheilkd 2009; 157: 687–691. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media. Einleitung Dieses Positionspapier gibt Empfehlungen für Diagnostik und Therapie bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie (KMPA) und ersetzt früher publizierte Stellungnahmen [20, 21]. Kinder mit KMPA sollen eine medizinisch erforderliche Diätnahrung erhalten, die ein normales Wachstum und Gedeihen ermöglicht. Es soll verhindert werden, dass nicht indizierte oder zu lange durchgeführte Diät die Lebensqualität betroffener Kinder und ihrer Familien beeinträchtigt und unnötig Kosten verursacht. Da diese Empfehlung im Wesentlichen auf Expertenkonsens beruht, ist die Evidenzstärke gemäß der Publikation von AWMF und ÄZQ von 2001 mit Grad 3 anzugeben. Seit dem 1. Oktober 2005 werden bei ärztlicher Verordnung die Kosten für „therapeutische Nahrungen“ bei nachgewiesener Kuhmilchproteinallergie oder Abkürzungen AAF: Aminosäuren-Formula eHF: extensiv hydrolysierte Formula KMP: Kuhmilchprotein KMPA: Kuhmilchproteinallergie 22 multiplen Nahrungsmittelallergien von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen. Im Sinne der Solidargemeinschaft der Versicherten ist es erforderlich, die Indikation für diese Nahrungen streng, nachvollziehbar und gut begründet zu stellen. Das im Folgenden beschriebene Vorgehen basiert auf wissenschaftlichen Daten unterschiedlichen Evidenzgrades. Das Ziel ist ein für die tägliche Praxis ausgerichteter praktischer Leitfaden, der auch Kosten-Nutzen-Überlegungen mit einbezieht. Als „therapeutische Nahrungen“ gelten Formelnahrungen mit extensiv hydrolysiertem Eiweißanteil (eHF, in Deutschland derzeit verfügbar: Alfaré®, Althera®, Aptamil Pepti® und Aptamil Pregomin®) sowie Aminosäuren-Formelnahrungen (AAF, in Deutschland derzeit verfügbar: Neocate® und Aptamil Pregomin AS®). Streng zu trennen von der Therapie der gesicherten Kuhmilchproteinallergie ist die primäre Allergieprävention durch die Wahl der Säuglingsernährung, die hier nicht behandelt werden soll. Epidemiologie Die Häufigkeit einer KMPA liegt im Säuglings- und Kleinkindesalter bei ca. 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung [11, 24, 26, 32]. Auch einige voll gestillte Säuglinge entwickeln eine klinisch relevante KMPA [12]. In Deutschland sind Kuhmilcheiweiß und Hühnereiweiß die wichtigsten Auslöser einer Nahrungsmittelallergie im Säuglingsalter. Klinik Die Manifestationen einer KMPA im Säuglingsalter sind in Art und Schweregrad äußerst variabel. Unterschieden werden frühe Reaktionen innerhalb von zwei Stunden nach Aufnahme des Allergens und spätere (verzögerte) Reaktionen, die sich noch bis zu 48 Stunden danach (selten bis zu einer Woche später) manifestieren können. Frühreaktionen sind häufiger IgE-vermittelt, während die Spätreaktio nen vorwiegend durch zelluläre Immunmechanismen ausgelöst werden. Kombinationen von Früh- und Spätreaktionen kommen vor. Manifestationen einer KMPA können an der Haut (z. B. Urtikaria, Erythem, Juckreiz, Ekzemverschlechterung), den Schleimhäuten des Respirationstraktes (z. B. bronchiale Obstruktion, Larynxödem, allergische Rhinokonjunktivitis), am MagenDarm-Trakt oder systemisch bis zum sel- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 tenen anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang [5, 27] auftreten. Symptome am Magen-Darm-Trakt umfassen ein breites Spektrum mit oraler und perioraler Schwellung, Durchfällen mit Zeichen einer Malabsorption bei Enteropathie oder blutig-schleimigen Stühlen als Hinweis auf eine allergische Kolitis, Nahrungsverweigerung, Gedeihstörung, Motilitätsstörungen mit Erbrechen, schweren Koliken oder hartnäckiger Obstipation mit perianalen Läsionen. Schwere systemische Reaktionen, z. B. beim „Food Protein Induced Enteropathy Syndrome“ (FPIES), das ein schockähnliches Bild hervorrufen kann, sind ebenfalls bei nicht IgE-vermittelten Kuhmilchprotein unverträglichkeiten möglich [23, 30]. Studien bei unselektierten Säuglingen mit KMPA zeigten, dass etwa die Hälfte der Kinder ein Atopisches Ekzem und 25 bis 50 Prozent Manifestationen am Gastrointestinaltrakt aufwiesen, die anderen Manifestationen waren seltener [10, 16]. Bei Sensibilisierung gegen Nahrungsmittelallergene über die Muttermilch werden vor allem eine Verschlechterung des Atopischen Ekzems und/oder eine allergische Kolitis beobachtet [6]. Diagnostisches Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie Anamnese, Untersuchungsbefund und Labordiagnostik Anaphylaxie oder klare Sofortreaktion Diagnostische Eliminationsdiät (mit eHF oder AAF) Spätreaktion (z.B. Atopisches Ekzem): 1 – 2 Wochen Gastrointestinale Symptome (z.B. Durchfall, Erbrechen): 2 – 4 Wochen Keine Besserung der klinischen Symptome Besserung der klinischen Symptome Spezifisches IgE negativ positiv Standardisierte orale Provokation negativ Keine Diät positiv Spezifische Elimination Abb. 1 sind oder je größer der Durchmesser der Quaddel im Haut-Prick-Test ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bei den oben beschriebenen Sympto KMPA vorliegt [4, 33]. men muss die KMPA in die differen Im Gegensatz zu amerikanischen Unzialdiagnostischen Überlegungen ein- tersuchungen [25] ließ sich für das spegeschlossen werden. Je stärker Anamne- zifische IgE im Serum in einer deutschen se und Befund auf eine KMPA hinweisen, Untersuchung mit großer Patientenzahl umso sinnvoller ist es, spezifisches IgE kein kritischer Schwellenwert festlegen gegen KMP zu messen oder einen Haut- [4]. Im Haut-Prick-Test mit nativer KuhPrick-Test durchzuführen (Abb. 1). milch war in einer deutschen Studie bei Kindern mit positiver Anamnese ein (A) Diagnostische Tests Quaddeldurchmesser von mindestens 13 mm mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit („positive predictive vaNachweis von spezifischem IgE lue“) mit einer positiven Reaktion bei gegen KMP und Haut-Prick-Test Der Nachweis von spezifischem IgE im der oralen Provokation assoziiert [33]. In Serum und der Haut-Prick-Test (SPT) mit diesen allerdings seltenen Fällen kann Kuhmilch oder Kuhmilchformula geben auf die orale Provokation verzichtet und Hinweise auf den immunologischen Me- mit der Gabe einer therapeutischen Nahchanismus, ermöglichen eine Abschät- rung begonnen werden. Bei erhöhtem zung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein IgE und/oder einem QuaddeldurchmesKind auf eine Allergenexposition positiv ser unter 13 mm ist die Spezifität gereagiert, und lassen ein Abschätzen der ring [4, 33], so dass eine orale ProvokaPrognose zu. Je höher die Antikörpertiter tion durchgeführt werden muss. Umge- Diagnostisches Vorgehen Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 kehrt schließt ein negativer Ausfall dieser Tests das Vorliegen einer KMPA nicht aus [16]. Atopy Patch Test (APT) und spezifische IgG-Antikörper Der Atopy Patch Test (APT) wird angesichts des großen Zeitaufwandes, der Subjektivität der Beurteilung sowie des geringen zusätzlichen Informationsgewinns nicht mehr empfohlen [17]. Der Nachweis von IgG-Antikörpern oder ihren Subklassen gegen Kuhmilchweiß ist unspezifisch und ohne Bedeutung [31]. Vorgehen bei klaren Sofortsymptomen und/oder schwerer Reaktion (Atemnot, Anaphylaxie) Besteht aufgrund von klaren Sofort symptomen an der Haut, am Gastrointestinal- oder Respirationstrakt oder bei schweren systemischen Reaktionen (Anaphylaxie) der hochgradige Verdacht auf eine KMPA, sollten sofort eine Allergen- 23 Algorithmen karenz erfolgen und das spezifische IgE auf KMP bestimmt oder ein Haut-PrickTest durchgeführt werden. Akute Reaktionen sind meistens IgE-vermittelt. Bei Nachweis von spezifischem IgE und klarer Zuordnung zur allergischen Sofortreaktion kann von einer KMPA ausgegangen und mit der therapeutischen Eliminationsdiät begonnen werden. Wenn bei klaren Sofortsymptomen Tests auf spezifisches IgE gegen KMP und/oder der Haut-PrickTest mit Kuhmilch negativ ausfallen, sollte eine Allergenprovokation unter sorgfältiger ärztlicher Beobachtung stationär erfolgen. Vorgehen bei Säuglingen ohne klare oder schwere Sofortreaktion Bei weniger klaren Reaktionen wie z. B. Neuauftreten oder Verschlechterung eines Atopischem Ekzems nach Kuhmilchproteinexposition ist ein SPT oder die Bestimmung des spezifischen IgE auf KMP ebenfalls sinnvoll. Da gerade Kinder mit Atopischem Ekzem IgE-Sensibilisierungen ohne klinische Relevanz aufweisen können, muss die Diagnose durch eine diagnostische Elimination und zeitnahe orale Provokation bewiesen werden. Ist der Allergietest negativ, kann eine nicht-IgEvermittelte Reaktion vorliegen. Dies ist besonders häufig bei gastrointestinaler Symptomatik der Fall, so dass immer eine diagnostische Allergenkarenz erfolgen sollte, ehe die Diagnose KMPA verworfen wird (Abb. 1). Bei sehr unspezifischen Symptomen oder bei hoher Wahrscheinlichkeit, dass eine KMPA nicht Ursache der Symptomatik ist, wie z. B. bei gehäuftem Spucken, Verstopfung oder blutigen Stühlen, sind Allergietests auf K MPA in der Primärdiagnostik nicht kosteneffektiv [1, 14, 15]. Fallen diagnostische Elimination und anschließende Belastung mit KMP jedoch positiv aus, sollte ein Allergietest durchgeführt werden, da sie eine Risikoabschätzung für den Verlauf zulassen. Säuglinge mit positivem spezifischen IgE haben ein höheres Risiko für eine länger persistierende KMPA oder andere Nahrungsmittelallergien als Kinder mit negativem Testergebnis [11]. 24 (B) Diagnostische Elimination von Kuhmilchprotein Bei begründetem Verdacht und relevanten Symptomen sollte unabhängig vom Ausfall eines Allergietests eine dia gnostische Eliminationsdiät erfolgen, d. h. dass Milchnahrungen und Beikost auf der Basis von Kuhmilchprotein, Sojaprotein und anderen tierischen Proteinen (z. B. Ziegenmilch) konsequent gemieden werden müssen [13]. Dies kann im Säuglings alter sinnvollerweise durch die Verabreichung einer extensiv hydrolysierten Formula (eHF) oder einer Aminosäuren-Formula (AAF) erreicht werden. Bei gestillten Kindern kann zunächst der Versuch einer Eliminationsdiät der Mutter (Weglassen von Milch und Milchprodukten, gegebenenfalls Ausschluss weiterer häufiger Allergene) versucht werden, wobei die mütterliche Eliminationsdiät bei Sofortreaktionen für einige wenige Tage, bei verzögerten Reaktionen für 10 bis 14 Tage eingehalten werden sollte. Bessert sich die Symptomatik nicht, sind andere Diagnosen als Ursache der Symptome wahrscheinlich und das Kind sollte entsprechend evaluiert werden. Bei schwerem Atopischem Ekzem oder allergischer Kolitis kompliziert durch Gedeihstörung, enteralem Eiweißverlust oder Anämie ist zu entscheiden, ob die Mutter für eine (bis zwei) Woche(n) ihre Milch abpumpen und eine therapeutische Nahrung füttern soll und welche weitere Dia gnostik zu erfolgen hat. Bei Besserung der Symptomatik sollte unbedingt eine Provokation mit Muttermilch nach Kuhmilchverzehr seitens der Mutter erfolgen. Bei positiver Provokation und fortgesetztem Stillen unter einer wirksamen Eliminationsdiät der Mutter muss eine qualifizierte Ernährungsberatung der stillenden Mutter durchgeführt werden, um eine adäquate Nährstoffzufuhr zu gewährleisten. Die Dauer der diagnostischen Elimination richtet sich nach der klinischen Symptomatik und sollte bei klinischen Sofortreaktionen (z. B. akute Urtikaria oder bronchiale Obstruktion innerhalb von zwei Stunden) drei bis fünf Tage, bei klinischen Spätreaktionen (z. B. Ekzemverschlechterung am nächsten Tag) ei- ne (bis zwei) Woche(n) betragen; bei einigen gastrointestinalen Reaktionen (z. B. chronischen Durchfällen) sollte eine Dauer von zwei bis vier Wochen gewählt werden. Tritt unter der diagnostischen Eliminationsdiät mit Gabe einer eHF oder AAF keine Besserung der klinischen Symptomatik auf, ist eine durch Kuhmilchprotein verursachte Nahrungsmittelallergie unwahrscheinlich. Eine Therapienahrung ist dann nicht indiziert. Eine Besonderheit stellen Kinder mit schwerer allergischer Erkrankung am Gastrointestinaltrakt dar. Wurde bei ihnen die diagnostische Eliminationsdiät mit einem extensiven Hydrolysat durchgeführt, sollte bei Nichtansprechen der Versuch einer ausschließlichen Fütterung einer AAF unternommen werden, da nur durch eine AAF eine vollständige Allergenelimination gewährleistet ist. (C) Orale Provokation mit Kuhmilchprotein (Allergenbelastung) Bessert oder verliert sich die klinische Symptomatik unter der diagnostischen Eliminationsdiät, muss mit einer ärztlich überwachten oralen Provokation die Diagnose einer KMPA bestätigt werden. Ausnahmen von dieser Regel sind Säuglinge mit einer klaren Sofortreaktion in der Anamnese und positivem Test auf spezifisches IgE (s. o.). Handelte es sich um eine schwere, lebensbedrohliche Manifes tation mit Luftnot oder Kreislaufreaktion (Anaphylaxie), sollte für mindestens ein Jahr streng KMP-frei ernährt werden und der Patient vor einer stationären oralen Provokation durch einen Spezialisten evaluiert werden. Für die übrigen Säuglinge gilt, dass sie zur Absicherung der Diagnose eine standardisierte orale Provokation erhalten sollten. Im ersten Lebensjahr wird diese mit einer Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis durchgeführt, nach dem ersten Lebensjahr kann frische pasteurisierte Kuhmilch verwendet werden. Folgende Voraussetzungen sind für die Durchführung von oralen Provokationen unabdingbar: Die Kinder werden ärztlich beobachtet. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Es besteht eine Bereitschaft, jederzeit auch Notfallsituationen zu beherrschen. Die Patienten werden mindestens zwei Stunden nach höchster Dosis ärztlich beobachtet (bzw. bei klinischen Reaktionen individuell länger). Orale Provokationen sollen titriert durchgeführt werden, d. h. dass eine Kuhmilch-Formula schrittweise mit jeweils 30-minütigem Abstand auf 100 ml gesteigert wird [18]. Bei Erwartung von ausgeprägten Symptomen muss mit kleinsten Mengen begonnen werden (z. B. schrittweise Gabe von 0,1 – 0,3 – 1,0 – 3,0 – 10,0 – 30,0 - 100 ml Kuhmilch-Formula). Nach einer negativen Provokation sollte die Kuhmilch-Formula zu Hause täglich weiter verabreicht werden (mindestens 250 ml/Tag). Die Kinder sollten ca. zwei bis drei Stunden nach der letzten Mahlzeit getestet werden, also nicht mit vollem Magen. Sie können aber auch nicht lange Zeit nüchtern bleiben, da sie zu unleidlich werden können, wenn sie mit den ersten Titrationsstufen nur kleine Mengen Milch erhalten. Orale Provokationen können ambulant oder stationär durchgeführt werden. Stationäre Provokationen sind unter folgenden Bedingungen indiziert: schwere allergische Reaktionen in der Vorgeschichte, unvorhersehbare Reaktion (das Kind weist eine IgE-Sensibilisierung auf, hat aber bisher nie oder lange Zeit keine Kuhmilch bekommen), ausgeprägtes Atopisches Ekzem (aufgrund der schwierigen Beurteilbarkeit). Bei Atopischem Ekzem sollte der Hautbefund vor und nach Belastung und erneut nach 24 und nach 48 Stunden durch einen Schweregrad-Score (z. B. SCORAD) [9] dokumentiert werden. Bei Unsicherheit in der Interpretation muss auch schon im Säuglingsalter eine plazebokontrollierte Provokation Klarheit schaffen. Bei Durchfall als klinischer Manifestation muss der Stuhl inspiziert und bei negativem Inspektionsbefund auf okkultes Blut getestet werden (z. B. nach zwei und sieben Tagen). Wenn bei der Belastung die angeschuldigten Symptome erneut auftreten, kann die Diagnose KMPA gestellt und eine Therapienahrung empfohlen werden. Lassen sich die Symptome nicht reproduzieren, sollte das Kind wieder die vorherige Nahrung (Kuhmilch-Formula, hypoallergene Formula) erhalten. Therapie Bis zum vollendeten 12. Lebensmonat: Säuglinge mit gesicherter KMPA sollten bis zum vollendeten 12. Lebensmonat eine therapeutische Nahrung in Form einer eHF oder AAF erhalten. Es konnte gezeigt werden, dass das Wachstum und Gedeihen von Säuglingen unter einer eHF und AAF ungestört verläuft [18, 19]. Von den auf dem deutschen Markt verfügbaren Produkten besteht der Fettkörper bei Alfaré und Aptamil Pregomin zu ca. 50 Prozent aus mittelkettigen Triglyzeriden (MCT), Althéra und Aptamil Pepti enthalten wie Säuglingsanfangsnahrungen Laktose. Alle vier Hydrolysate basieren auf extensiv hydrolysiertem Molkeeiweiß. Die AAF (Neocate, Aptamil Pregomin AS) haben eine etwas höhere Osmolarität. Bei der Auswahl der eingesetzten Produkte spielen mögliche Restallergenität, Nährstoffzusammensetzung, Kos ten und die Akzeptanz durch den Säugling eine Rolle. Die Gabe von Säuglingsnahrungen auf Sojabasis wird zur Therapie der K MPA nicht mehr generell empfohlen. Mineralstoffe und Spurenelemente werden aus Sojanahrungen aufgrund eines hohen Phytatgehaltes schlecht resorbiert [28]. Aufgrund ihres hohen Gehaltes an Isoflavonen mit östrogenartiger Wirkung führen Sojanahrungen bei Säuglingen zu sehr hohen Serumkonzentrationen dieser Isoflavone [28, 29]. Vergleichbare Serumkonzentrationen induzieren bei ovariektomierten Mäusen Thymusatrophie und immunologische Veränderungen [34]. Zusätzlich besteht ein leicht erhöhtes Risiko einer Neusensibilisierung gegen Soja. Die Ernährungskommissionen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) [7], der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung [8] und der Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Amerikanischen Akademie für Pädiatrie [2] und das Bundesinstitut für Risikobewertung [3] sprechen sich übereinstimmend gegen einen verbreiteten Einsatz von Sojanahrungen bei Säuglingen, vor allem im ersten Lebenshalbjahr, aus. Gegen Ende des ersten Lebensjahres und im Kleinkindalter kann jedoch die Verwendung von Sojaprotein als preisgünstige und geschmacklich teilweise besser akzeptierte Alternative zu extensiv hydrolysiertem Kuhmilchprotein oder AAF erwogen werden. Besteht bei einem Säugling gegen Ende des ersten Lebensjahres ein großer Teil der Energiezufuhr aus Beikost, kann die Gabe von Sojamilch, z. B. auch in Kombination mit einem KMP- und sojaproteinfreien Brei auf der Basis von Johannisbrotkernmehl als Kalziumquelle, erwogen werden, besonders bei älteren Säuglingen, wenn diese eine eHF oder eine AAF geschmacklich ablehnen. Nach dem vollendeten 12. Lebensmonat: Bei Kindern mit einer über das erste Lebensjahr hinaus bestehenden KMPA muss individuell entschieden werden, ob eine altersgerechte Versorgung an Nährstoffen und besonders von Kalzium erreicht werden kann. Auch und gerade in diesen Fällen ist eine Mitbetreuung durch eine erfahrene pädiatrisch ausgebildete Ernährungsfachkraft dringend anzuraten. Zur Therapie einer KMPA sollte als Ersatz für das Kuhmilchprotein in erster Linie eine eHF/AAF oder ein allergologisch nicht verwandtes Protein eingesetzt werden. Bei nicht ausreichender Menge muss an eine mögliche Kalzium-Supplementierung gedacht werden. Grundsätzlich ist somit eine Ernährung mit einer Säuglingsformula auf Sojaeiweißbasis möglich [16]. Bei Kindern mit multipler Nahrungsmittelallergie einschließlich Sojaeiweiß kann aus ernährungsphysiologischen Gründen jedoch meist auf eine Therapienahrung verzichtet werden. Re-Evaluation Nach ungefähr 6- bis 18-monatiger therapeutischer Diät sollte je nach Symptomatik eine Re-Provokation mit Kuh- 25 Algorithmen milcheiweiß durchgeführt werden, um nicht unnötig lange eine einschneidende Diät fortzuführen. Bei positiver Re-Provokation wird die Diät um weitere zwölf Monate verlängert, bei negativer Provokation wird Kuhmilch in die Ernährung des Kleinkindes eingeführt. Die Prognose der Kuhmilchallergie im Säuglings- und Kleinkindalter ist gut. Etwa 75 Prozent der betroffenen Kinder weisen mit zwei Jahren und 90 Prozent bis zum Schulalter eine Toleranzentwicklung auf [10]. An der Erstellung des Manuskriptes waren Sibylle Koletzko und Bodo Niggemann zu gleichen Teilen beteiligt. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Sibylle Koletzko Dr. von Haunersches Kinderspital Abt. Pädiatrische Gastroenterologie und Hepatologie Lindwurmstr. 4, 80337 München E-Mail: [email protected] Interessenkonflikt: Die korrespondierende Autorin weist auf folgende Beziehungen hin: Finanzielle Unterstützung für Forschungsprojekte oder klinische Studien: SK: Danone, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Danone, Nestlé. Honorar für eine von der Industrie gesponserte Präsentation, Vortragender: SK: Danone, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Danone, Nestlé; FF: Milupa, Nestlé. Literatur [1] Arvola T, Ruuska T, Keranen J, Hyoty H, Salminen S, Isolauri E: Rectal bleeding in infancy: clinical, allergological, and microbiological examination. Pediatrics 2006 Apr; 117 (4): e760–e768 [2] Bhatia J, Greer F; American Academy of Pediatrics Committee on Nutrition: Use of soy protein-based formulas in infant feeding. Pediatrics 2008 May; 121 (5): 1062–8. [3] Bundesinstitut für Risikobewertung: Stellungnahme Nr. 043/2007 vom 21.05.2007. 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Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Vorgehen bei Verdacht auf Erdnussallergie im Kindesalter Sibylle Scheewe, Peter Ahrens, Kirsten Beyer, Peter Eberle, Philippe Eigenmann, Frank Friedrichs, Armin Grübl, Isidor Huttegger, Lars Lange, Jochen Meister, Rüdiger Szczepanski, Bernhard Mischo, Bodo Niggemann (Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA) Die Angst vor anaphylaktischen Reak tionen bei Erdnussgenuss, die Angst vor dem möglichen Tod des Kindes und die Hilflosigkeit in diesen Situationen haben Eltern, Patienten und Ärzte auf das Thema Erdnussallergie fokussieren lassen. Warum gilt dies für die Erdnussallergie besonders? Die Erdnuss ist in immer größerem Umfang Bestandteil unserer Ernährung geworden. Heute gehört sie neben Milch, Ei und Weizen auf die Hitliste der potenziellen und häufigen Nahrungsaller gene [6]. Es sind schon Reaktionen ab einer Schwellendosis von unter 1 mg Erdnuss protein beobachtet worden [14] und damit bei Mengen, die im Bereich von Spuren liegen. Eine Erdnuss wiegt 500 bis 1.000 mg, davon sind ca. 50 Prozent Proteinanteil. 60 Prozent der Erdnuss allergiker reagieren bei der ersten Inges tion mit Symptomen, wenn auch meist nicht mit lebensbedrohlichen. Außerdem ist bekannt, dass die Erdnussallergie nicht wie andere Nahrungsmittelallergien mit der Zeit abnimmt, sondern bei 75 Prozent der Kinder bestehen bleibt [11,13]. In Bezug auf die Mortalität durch Anaphylaxie liegen keine exakten Daten für die Bundesrepublik Deutschland vor. Ein Anaphylaxieregister (www.anaphylaxie. net) ist erst im Aufbau. Aus einer Studie im Vereinigten Königreich geht hervor, dass bei 229 stationär behandelten Patienten mit gefährlichen Nahrungsmittelreaktionen die Erdnüsse mit 21 Prozent der häufigste Auslöser waren [2]. Von den genannten 21 Prozent Erdnussallergie-Reaktionen waren 13 Prozent schwer; drei Kinder starben, sechs waren lebensgefährlich bedroht. Von diesen neun Kindern hatten acht ein bekanntes Asthma bronchiale [4]. Dem gegenüber besteht jedoch die weit höhere Gefahr für ein Kind, im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken (150 Kinder pro Bundesland und Jahr [Statis tisches Bundesamt: Straßenverkehrsunfälle 2003]). Fragestellungen Angeregt durch die Anfrage eines Kollegen hat sich die Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA dem Thema mittels eines Flussschemas (Abb. S. 28) genähert, das dem Kinder- und Jugendarzt in Praxis und Klinik eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen bei Verdacht auf eine Erdnussallergie geben soll. Auf der oberen Ebene Fragestellung werden die vier Möglichkeiten, die Patienten und Eltern schildern oder die wir in der Testung diagnostizierten, dargestellt. (1.) Bei Verdacht auf Erdnussallergie berichtet der Patient beispielsweise über Jucken der Zunge und Mundschleimhaut sowie über Brennen und Kloßgefühle, Nesselausschlag, Kribbeln perioral, eventuell auch Niesen, Augenschwellung und Atembeschwerden, seltener über Bauchschmerzen und Durchfall bis hin zum Vollbild eines allergischen Schocks. (2.) Bei Verdacht auf pollen-assoziierte Erdnussallergie schildert der Patient mit Heuschnupfen v. a. in der Pollenzeit oben beschriebene Symptome. (3.) Die in Allergiker-Familien bereits etablierte Vorsicht beim Einführen neuer Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Nahrungsmittel kann dazu führen, dass ein Kind bislang Erdnuss nie gegessen hat und die Eltern und das Kind nicht wissen, was passieren würde, wenn das Kind zufällig oder bewusst mit diesem potenten Allergen konfrontiert wird. (4.) Beim Zufallsbefund einer Sensibilisierung liegt ein positiver spezifischer IgE-Wert vor; der Nachweis einer klinischen Relevanz der Sensibilisierung hat bislang aber nicht stattgefunden. Allegiediagnostik Der zweite Level des Flussschemas enthält die Suche nach der Entscheidung, wie relevant die aktuelle Sensibilisierung ist. Hier ergibt sich anhand einer Allergiedia gnostik mit Hilfe der Bestimmung des spezifischen IgE im Serum oder per HautPrick-Test eine positive oder negative Variante. Einer der beiden Tests ist ausreichend und aus Sicherheitsgründen sollte zunächst der Bluttest durchgeführt werden. Ist dieser negativ und es ergibt sich eine Diskrepanz zur Anamnese, kann – außer bei bereits stattgefundener allergischer Reaktion mit eindeutigen Symptomen – eine zusätzliche Hauttestung erfolgen. Informationen aus der Anamnese Auf der Ebene des Allergietest-Levels ergeben sich zur weiteren Klärung Informationen aus der Anamnese, die bei der Entscheidung zu weiterer Therapie und Diagnostik helfen können. (1) OAS/PAN. Der Patient hat periorale Symptome wie Kribbeln, Juckreiz, pel- 27 Algorithmen Jedweder Verdacht auf Erdnussallergie V.a. Erdnussallergie Fragestellung Allergietest (d.h. Vermutung von Erdnuss-bezogenen klinischen Symptomen) Erdnuss nie gegessen (d.h. bisher aus präventiven Gründen aktiv weggelassen) Spez. IgE < 0,35 kU/l und / oder Prick-Test < 3 mm Anamnese Vor kurzem exponiert mit mindestens ca. einer Erdnuss OAS/ PAN Empfehlung Keine Symptome: Weiterhin Erdnüsse essen OAS / PAN: Meiden nach Leidensdruck ziges Gefühl auf der Zunge, unabhängig von Prick- und Bluttest. (2) Vor kurzem exponiert mit mehreren Erdnüssen. Hierbei ist der Genuss von erdnusshaltigen Produkten (Studentenfutter, Snacks, Erdnussbutter etc.) innerhalb der letzten ca. vier Wochen zu erfragen. (3) Kein Verzehr erinnerlich. Diese Situation kommt im täglichen Leben vor, wenn entweder das Gedächtnis nicht reicht oder eine Deklaration übersehen wurde. (4) Lange Zeit nicht exponiert nach Ereignis in der Vergangenheit. Da bei längerer Karenz eine Toleranzentstehung ebenso wie der Verlust der Toleranz vorkommen können, ist bei Nachweis einer Sensibilisierung die tatsächliche Reaktion nur durch eine Provokation zu klären. (5) Kürzlich schwere allergische Reaktion (Anaphylaxie). Dies ist zusammen mit nachgewiesener Sensibilisierung in 28 V.a. OAS / PAN (d.h. Patient hat Heuschnupfen und gibt orale lokale Symptome bei Erdnuss an) Zufallsbefund einer Sensibilisierung (d.h. Positiver Allergietest, aber Erdnuss nie wissentl. gegessen) Spez. IgE > 0,35 kU/l und / oder Prick-Test ≥ 3 mm Kein Verzehr erinnerlich Lange Zeit nicht mehr exponiert, nach Ereignis in der Vergangenheit Titrierte orale Provokation, stationär der Regel so suggestiv, dass die Diagnose einer Anaphylaxie gestellt werden kann. Empfehlungen Die Empfehlung zum weiteren praktischen Vorgehen richtet sich nach der Schwere der körperlichen Symptome bzw. Gefährdung. Bei bereits bekannter Exposition, bei der keine Symptome auftraten, können Erdnüsse ohne Bedenken gegessen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass viele Patienten, die eine tödliche anaphylaktische Reaktion erlebten, zuvor so milde lokale Symptome hatten, dass sie keinen Autoinjektor verordnet bekommen hätten [9]. Bei bekannter Sensibilisierung, aber fehlenden klinischen Symptomen nach Verzehr von Erdnüssen sollten diese nach heutigem Wissensstand regelmäßig, d. h. ca. ein- bis zweimal pro Woche, gegessen Schwere allergische Reaktion (Anaphylaxie) Strikte Karenz! Notfall-Set! Evtl. Re-Provo nach 3–5 Jahren werden, um die Toleranz trotz Sensibilisierung zu erhalten und Re-Provokationen nach längerer Karenz zu vermeiden [7]. Wenn kein Verzehr erinnerlich war, sollte titriert eine orale Provokation unter ärztlicher Überwachung – am besten stationär – durchgeführt werden [1, 8]. Bei Reaktion auf die orale Provokation mit Erdnuss sollte eine strikte Karenz über mindestens drei Jahre erfolgen, ein Notfallset (Adrenalin-Autoinjektor, Beta2-Mimetikum, Antihistaminikum, Glukokortikosteroid) verordnet werden sowie Patient und Bezugspersonen im Notfallmanagement geschult werden [10, 12]. Notfallset bei Risikofaktoren Um dem Risiko von plötzlichen, unerwarteten Reaktionen zu begegnen, wird empfohlen, Kindern mit folgenden Risikofaktoren ein Notfallset inklusive eines Adrenalin-Autoinjektors zu verordnen [5]: Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 ■ Kann Leben retten – im Zweifel immer verabreichen!1 ■ Einfach und schnell in der Anwendung ■ Millionenfach verordnet 2 – Erfahrung seit über 20 Jahren er m Im i! e b a d Anaphylaxie Tritt unerwartet auf, ist lebensbedrohlich Fastjekt®/Fastjekt® Junior. Wirkstoff: Epinephrinhydrochlorid (Adrenalin). Zusammensetzung: Fastjekt®: Ein Autoinjektor mit 2,05 ml Injektionslösg. enth. 2,05 mg Epinephrin (Adrenalin). Fastjekt® Junior: Ein Autoinjektor mit 2 ml Injektionslösg. enth. 1 mg Epinephrin (Adrenalin). Sonst. Bestandteile: Natriumchlorid, Natriummetabisulfit, Wasser für Injektionszwecke. Fastjekt® u. Fastjekt® Junior geben als Autoinjektoren bei intramuskulärer Injektion jeweils eine Einmaldosis von 0,3 ml Injektionslösg. (entspr. 0,3 mg Epinephrin beim Fastjekt® u. 0,15 mg Epinephrin beim Fastjekt® Junior) automatisch ab. Anwendungsgebiete: Notfallbehandlung von akuten allergischen Reaktionen (Anaphylaxie) auf z. B. Insektenstiche od. -bisse, Nahrungsmittel, Medikamente od. andere Allergene. Fastjekt® ist zur Behandl. von Erwachsenen u. Kindern ab 30 kg Körpergewicht u. Fastjekt® Junior für Kinder mit einem Körpergewicht von 15 bis 30 kg bestimmt. Fastjekt® u. Fastjekt® Junior stellen eine Notfallmaßnahme dar u. sind nicht als Ersatz für eine anschließende ärztliche Versorgung gedacht. Gegenanzeigen: Es sind keine absoluten Gegenanzeigen bekannt bei Verwendung des Fastjekt®/Fastjekt® Junior während der allergischen Notfallbehandl. Fastjekt®/Fastjekt® Junior nicht einsetzen bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Epinephrin (Adrenalin), Natriummetabisulfit od. einem der sonst. Bestandteile; u. bei Bronchialasthmatikern mit Sulfitüberempfindlichkeit. Hinweis: Pat. mit Herzerkrankungen wird Epinephrin (Adrenalin) im Normalfall nur unter größter Vorsicht verabreicht. Gleiches gilt für Pat. mit Hypertonie, Diabetes, Hyperthyreodismus, Hyperkalzämie, Hypokaliämie od. für ältere Pat. Unbeabsichtigte Injektionen in Hände u. Füße rufen eine periphere Ischämie hervor. Fastjekt®: Pat. unter 30 kg Körpergewicht dürfen nicht mit Fastjekt® behandelt werden. Nebenwirkungen: Tachykardie, hoher Blutdruck, Hyperglykämie, Schwitzen, Nausea, Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerz, Schwäche, Tremor, Angstgefühle u. Herzrhythmusstörungen. Periphere Ischämien nach versehentlicher Injektion in Hände od. Füße sind möglich. Aufgrund des Gehaltes an Natriummetabisulfit kann es, insbesondere bei Bronchialasthmatikern, sehr selten zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen, die sich als Erbrechen, Durchfall, keuchende Atmung, akuter Asthmaanfall, Bewusstseinsstörung od. Schock äußern können. Weitere Einzelheiten und Hinweise: s. Fach- und Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig. Stand: Juni 2011. Pharmazeutischer Unternehmer: MEDA Pharma GmbH & Co. KG, Benzstraße 1, 61352 Bad Homburg, www.medapharma.de Literatur: 1. Niggemann B.; Pädiatrische Allergologie – Sonderheft Anaphylaxie 2011: 18-23 2. IMS Daten für Europa und USA, für Fastjekt®/Epipen®, identische Autoinjektoren mit unterschiedlichen Handelsnamen www.mein-fastjekt.de Z. n. anaphylaktischer Reaktion Anamnese einer Nahrungsmittelreak- tion mit Luftwegssymptomen Reaktionen auf Spuren des Nahrungs- mittels Erdnuss- oder Baumnuss-Allergie und Asthma mit Indikation zu regelmäßiger vorbeugender Medikation Literatur unter www.gpaev.de Die Zeitschrift „Pädia trische Allergologie in Klinik und Praxis“ 2009, Heft 2/2009 Korrespondenzadresse: Dr. med. Sibylle Scheewe Fachklinik Sylt Steinmannstr. 52–54 25980 Westerland/Sylt E-Mail: [email protected] Ernährungsberatung durch Ärzte bei kindlichen Nahrungsmittelallergien – Möglichkeiten und Grenzen Bodo Niggemann, Mandy Ziegert, Pädiatrische Allergologie und Pneumologie, DRK-Kliniken Berlin-Westend Einleitung Nahrungsmittelallergien sind ein häufiges Krankheitsbild im frühen Kindesalter und gehen meist mit einem Atopischen Ekzem einher. Die Diagnostik umfasst den Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung durch die Bestimmung des spezifischen IgE im Serum oder per Haut-PrickTest. In der Regel bringt aber erst eine orale Provokationstestung endgültige Klarheit [8]. Therapeutisch steht eine entsprechende Eliminationsdiät im Vordergrund, deren Empfehlung jedoch verantwortungsvoll ausgesprochen werden muss, um die Kinder nicht unnötig einzuschränken und Mangelzustände zu vermeiden (Tab. 1). Bei einigen Nahrungsmitteln (v. a. bei Kuhmilch) sind therapeutische Ersatzdiäten notwendig, die ebenfalls eine Reihe von Forderungen erfüllen sollten (Tab. 2). 30 Während die Indikation zu Eliminations- und Ersatzdiäten ärztlich gestellt wird, sind allergologisch versierte und erfahrene Ernährungsfachkräfte unerlässlich, diese unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien umzusetzen. Im Idealfall wird dies in enger Zusammenarbeit beider Fachgruppen erfolgen. Der allergologisch erfahrene und in Bezug auf Nahrungsmittelallergien engagierte Kinderarzt kann jedoch einige Aspekte mit den Familien erläutern. Ziel dieses Artikels soll es sein, im Folgenden die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen ärztlichen Beratung aufzuzeigen. Ernährungs-Empfehlungen Die Grundlage jeder Ernährungstherapie ist neben einer ausführlichen Ernährungsanamnese und einer eindeutigen Diagnostik die Ernährungs-Pyramide. Genauere Informationen zu Verzehrsmen- gen- und Altersempfehlungen werden sowohl vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) als auch der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) herausgegeben. Eine kompetente Ernährungsberaterin bespricht mit den Eltern eines von Nahrungsmittelallergie betroffenen Kindes individuell den aktuellen Ernährungsplan und die jeweiligen Vorlieben und Abneigungen als auch die Umsetzung in den Alltag mit der entsprechenden Koch- und Küchentechnik (alternative Rezepte und Lebensmittel). Wie häufig eine entsprechende Ernährungsberatung durchgeführt wird, hängt z. B. vom Umfang der Diät, von Änderungen im Essverhalten des Kindes oder auch der Erfahrung der Eltern ab. Alimentäre Allergieprävention In der aktuellen Leitlinie Allergieprä- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Risiken von Eliminations- oder Ersatzdiäten Forderungen an therapeutische Ersatzdiäten Ursache Folge Forderung Begründung Kalorisch nicht ausreichend Gedeihstörungen Effektiv Symptome beseitigen oder lindern Ernährungsphysiologisch nicht adäquat Mangelzustände (z.B. Kalzium) Sicher Ernährungsphysiologisch adäquat Überraschungsfrei Vermeidung von akzidentellen Kontakten Allergologisch potent Neue Sensibilisierungen / Allergien Praktikabel Alltagstauglichkeit, Zubereitung rasch und leicht Klinisch nicht indiziert Unnötige Einschränkungen Leicht zu befolgen Compliance gewährleistet Psychologisch beeinträchtigend Ängste So kurz wie möglich Dürfen nicht länger als die Allergie dauern Tab. 1 vention [7], die für Allergie-HochrisikoKinder [3] gilt, wird ein ausschließliches Stillen aus Allergie-Präventionsgründen bis zum vollendeten vierten Lebensmonat empfohlen. Da außer allergologischen Gründen auch andere Argumente für das Stillen ins Feld geführt werden können, kann sich die Mutter auch für ein längeres Stillen entscheiden. Nach dem Alter von vier bis sechs Monaten sollte ein bis dahin gesunder RisikoSäugling den normalen Ernährungsaufbauplan des ersten Lebensjahres übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt bereits einer Nahrungsmittelallergie verdächtigte Säuglinge werden einer entsprechenden allergologischen Diagnostik und gegebenenfalls einer Ernährungstherapie unterzogen. Neu in der Leitlinie ist, dass die Rolle einer frühen Fütterung von Fisch mit anderen Augen betrachtet wird. Dabei wird das mögliche Risiko einer Sensibilisierung und Allergisierung gegen Fisch durch die im Fisch enthaltenen „allergiepräventiven“ Fettsäuren abgewogen. Nach heutigem Wissen überwiegt dabei der Nutzen. Entgegen der Empfehlung einer völligen Freigabe aller Nahrungsmittel nach dem vollendeten vierten Lebensmonat sehen die Autoren für die hochpotenten Nahrungsmittel Erdnüsse und Baumnüsse noch so viele ungeklärte Aspekte, dass diese im ersten Lebensjahr nicht gefüttert werden sollten. Selbstverständlich sollte sein, dass Erdnüsse und Baumnüsse wegen der möglichen Aspirations Tab. 2 gefahr bis zu dritten Geburtstag nur als Mus oder Butter und nicht als ganze Nüsse oder Nussstückchen verabreicht werden sollten. Ernährungsaufbauplan im ersten Lebensjahr Solange keine Allergie gegen die einzelnen Nahrungsmittel besteht, wird Beikost nach dem vierten bis sechsten Lebensmonat schrittweise eingeführt, wobei mit Karotte begonnen wird. Der häufige Rat von Hebammen, Karotte durch Pastinake zu ersetzen, entbehrt jeder gesicherten Grundlage. Eine Woche später wird Kartoffel und eine weitere Woche später Fleisch addiert. Einen Monat nach Beginn der Einführung der Mittagsmahlzeit kann die Abendmahlzeit durch einen Milch-Getreide-Brei ersetzt werden. Einen weiteren Monat später kann nachmittags ein Obst-Getreide-Brei verabreicht werden. Wiederum einen Monat später wird die Morgenmahlzeit durch einen Milch-Getreide-Brei ersetzt. Im Anschluss erfolgt schrittweise die Erweiterung der Lebensmittelauswahl durch weitere Sorten von Gemüse, Fleisch, Obst und Getreide. Bei nahrungsmittelallergischen Kindern müssen Alltagssituationen im Hinblick auf eine Diät gemeinsam überlegt und besprochen werden. Dabei spielen neben allergischen und ernährungsphysiologischen Aspekten Fragen der Umsetzbarkeit eine Rolle. Was möglich ist und was nicht, wird im Rahmen einer Diät Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 beratung mit praktischen Beispielen individuell besprochen. Ernährungsempfehlungen für die stillende Mutter Die stillende Mutter eines Kindes mit Nahrungsmittelallergie sollte in Bezug auf die Gefahren eines Verzichtes von Nahrungsmitteln durch die Mutter (z. B. Kuhmilch) aufgeklärt werden. In seltenen Fällen mag es ratsam sein, ein baldiges Abstillen zu befürworten, um die Mutter (und nachfolgend auch das Kind) nicht durch eine zu einseitige Ernährung zu gefährden. Pauschale Diätempfehlungen darf es während des Stillens eines allergiekranken Kindes nicht geben; wenn eine Diätfrage ansteht, dann sollte die Aktualität für das gestillte Kind durch kurzzeitige Auslass- und Expositionsversuche der Mutter reproduzierbar getestet werden. Eine längere Diät der Mutter darf nur in Absprache mit dem erfahrenen Arzt und unter Anleitung einer Ernährungsfachkraft erfolgen. Die Rolle von Fleisch Im Gegensatz zu Erwachsenen sollte ein Kleinkind nicht vegetarisch oder gar vegan ernährt werden. Drei- bis vier Mal pro Woche sollte Fleisch (z. B. als Putenfleisch oder Rindfleisch) gefüttert werden, um dem wachsenden Kleinkind Eisen in ausreichender Menge zuzuführen. Fleisch stellt dabei den besten bioverfügbaren Eisenlieferanten dar. 31 Risikosituationen Typische Risikosituationen für Kinder mit Nahrungsmittelallergie stellen Besuche von Restaurants, Kindertagesstätten oder Kantinen sowie vorgefertigte Mahlzeiten oder abgepacktes Essen dar. In der Regel weiß nur der Koch selber über die Zutaten sicher Bescheid; Kellner neigen dazu, nicht gesicherte Behauptungen zu äußern. Daneben können Familienmitglieder eine Gefährdung bedeuten, wenn z. B. gedacht wird, „ein kleines bisschen kann doch nicht schaden“. Schließlich können Risikosituationen durch Großpackungen entstehen, bei denen auf den kleinen einzelnen Packungen eine Deklaration gesetzlich nicht erforderlich ist. Nahrungsmittelallergie versus irritative Nahrungsmittel Eltern von Kindern mit Symptomen auf Nahrungsmittel fällt es oft schwer, zwischen IgE-vermittelten Soforttyp-Reak tionen (z. B. Urtikaria oder Asthma im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Genuss von Kuhmilch, Hühnerei oder Erdnuss) und irritativen Nahrungsmitteln (z. B. Aufflammen von Ekzemarealen oder periorale Rötung nach Zitrusfrüchten, Tomate oder Paprika) zu unterscheiden [1]. Diese Differenzierung kann aber im Hinblick auf die Striktheit des Meidens oder Einordnung der möglichen Gefährdung wichtig sein. Eliminationskriterien Generell gesagt gibt es keinen Anhalt, dass die Elimination des entsprechenden Nahrungsmittels einen Einfluss auf die Prognose einer Nahrungsmittelallergie hat. Ein strenges Meiden scheint nicht besser zu sein oder zu einer verkürzten Dauer des natürlichen Verlaufes der Allergie zu führen als ein Essen der vertragenen Form des Nahrungsmittels (z. B. gekochte Karotte bei pollen-assoziierter Nahrungsmittelallergie auf früh blühende Baumpollen). Wenn man überlegt, ob Nahrungsmittel eliminiert werden sollen, spielen drei Aspekte eine Rolle: 32 1. die ernährungsphysiologische Bedeutung des Nahrungsmittels (z. B. Kuhmilch beim wachsenden Kleinkind), 2. die Wahrscheinlichkeit einer Exposition (z. B. Hühnerei, das in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten ist) und 3.die Gefährlichkeit des Nahrungsmittels (z. B. Erdnüsse oder Baumnüsse, die häufiger zu schweren Reaktionen führen können). Kuhmilch – wann, in welcher Form? Pasteurisierte Frischmilch darf bei Gesunden ab dem ersten Lebensjahr direkt als Getränk angeboten werden. Hingegen darf Frischmilch im Milch-Getreide-Brei in begrenzter Menge von 200 ml pro Tag schon ab ca. dem sechsten Lebensmonat gefüttert werden. Diese Mengenbegrenzung liegt im Wesentlichen an dem ansonsten zu hohen Proteingehalt (ca. zweibis dreimal so hoch wie der in der Frauenmilch oder Säuglingsmilch). Bei kuhmilchallergischen Kindern wird eine extensiv hydrolysierte Formula (eHF) auf Kuhmilchbasis oder eine Aminosäuren-Formula (AAF) gewählt. Eine partiell hydrolysierte Formula (pHF) ist – auch wenn manche der Kinder diese vertragen – nicht die erste Wahl. Ungünstig im Säuglings- und Kleinkindesalter sind H-Milch und Sterilmilch, weil durch das hohe Erhitzen die Vitamine nicht mehr vollständig erhalten sind. Bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres kommt bei nachgewiesener Kuhmilchallergie alternativ Soja als hochwertige pflanzliche Proteinquelle auch aufgrund des guten Geschmackes und des günstigen Preises in Betracht. Dabei ist zu bedenken, dass einige Kinder auch auf Soja reagieren oder sich neu sensibilisieren können [4]. Unterhalb des ersten Lebensjahres wird Soja aufgrund des Gehaltes von Phytosterolen nicht empfohlen. Falls Soja nicht vertragen wird, kann in diesem Alter auch auf Haferdrink oder Reisdrink plus Kalzium zurückgegriffen werden. In jedem Fall sollte auf eine Kalziumanreicherung geachtet werden. Die Gesamtmenge von Milch und Milchprodukten (Yoghurt, Käse usw.) sollte bei Kindern zwischen dem ersten Lebens- jahr und dem Schulalter ca. 300 bis 350 ml pro Tag betragen. Proteinquellen von anderen Tierspezies (z. B. Ziege oder Schaf) sind aufgrund ihrer hohen Kreuzreaktivität mit Kuhmilch oder aufgrund der ungünstigeren ernährungsphysiologischen Zusammensetzung (z. B. Pferd) nicht zu empfehlen. Kalzium als kritischer Nährstoff Ein wachsendes Kind benötigt eine ausreichende Menge an Kalzium, die sich an der Konzentration des Kalziums im Serum allein nicht ablesen lässt, da der Organismus die Kalziumkonzentration bei ungenügender Zufuhr zu Lasten des Knochens lange konstant hält. Möglichkeiten der Zufuhr ergeben sich durch die Verabreichung kalzium-angereicherter Milchen bzw. Drinks, durch die Wahl kalziumreicher Mineralwässer (sehr starke Unterschiede zwischen 30 mg/l und 500 mg/l) sowie durch eine direkte KalziumSubstitution in Brausetablettenform. Mit Hilfe eines über fünf bis sieben Tage geführten Ernährungsprotokolls kann die Ernährungsfachkraft eine Differenz zwischen den altersentsprechenden Erfordernissen und der bisher durchschnittlich verabreichten Menge berechnen und die zusätzlich benötigte Menge nennen. Dies spielt v. a. eine Rolle bei einem älteren Säugling, bei dem sich bis zum Kleinkindalter der Kalziumbedarf innerhalb eines Jahres von 200 auf 600 mg/Tag verdreifacht. Möglichkeiten der Geschmacksverbesserung Da die Kuhmilch-Ersatznahrungen eHF und AAF von älteren Säuglingen und Kleinkindern mit Kuhmilchallergie wegen des bitteren Geschmacks of abgelehnt werden, müssen Möglichkeiten der Geschmacksverbesserung gesucht werden. Dazu gehören z. B. das Zugeben von Banane oder Kakao in die Flasche oder das Untermischen in einen Brei. Weiterhin kann man durch einen langsamen Übergang mit schrittweisem Zumischen der neuen Nahrung die Akzeptanz erhö- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 hen. Eventuell kann die neue Nahrung zunächst in verdünnter Form begonnen und dann die Konzentration schrittweise gesteigert werden. Getreide Vielen Familien ist nicht klar, dass Dinkel die Urform des Weizens darstellt und eine nahezu 100-prozentige Kreuzreaktivität gegeben ist. Umgekehrt kann ein Kind, das Dinkel verträgt, höchstwahrscheinlich keine Weizenallergie besitzen. Bei nachgewiesener Weizenallergie können andere Getreide getestet werden, da diese nur sehr selten zu einer klinisch relevanten Allergie führen und nur eine geringe Kreuzreaktivität zu Weizen gegeben ist. Daher können oft Hafer und Roggen kontrolliert vorsichtig und titriert in die Ernährung eingeführt werden. Bei Reaktionen z. B. auf Körnerbrötchen, aber nicht auf andere weizenhaltige Produkte, sollte daran gedacht werden, dass eventuell Erdnüsse oder Sesam für eine Reaktion verantwortlich sein könnten. Kreuzallergien kurz gefasst Wie schon erwähnt, ist die Kreuzallergie zwischen Weizen und Dinkel extrem hoch (nahezu 100 %), ebenso zwischen der Milch von Kuh, Ziege und Schaf (ca. 80 %) [10]. Eine Kreuzallergie zwischen verschiedenen Fischen ist teilweise gegeben, leider nicht vorherzusagen und bedarf bei Wunsch des Genusses immer einer Provokationstestung. Erdnüsse und Baumnüsse weisen eine teilweise Kreuzallergie von etwa 25 % auf. Da die Kinder (aber z. B. auch Großeltern und Kita-Mitarbeiter) in einer Differenzierung verschiedener „Nüsse“ überfordert sein dürften und sie generell lernen sollen, alle „nussigen“ Nahrungsmittel zu erkennen und sofort wieder auszuspucken, ist es im täglichen Leben meist sinnvoll und angezeigt, eine prinzipielle baumnuss- und erdnussfreie Diät zu empfehlen – auch wenn z. B. Mandeln eigentlich vertragen werden. Keine nennenswerte oder nur selten klinisch relevante Kreuzallergie besteht zwischen Hühnerei und Hühnchenfleisch oder zwischen Kuhmilch und Rindfleisch. Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien Aufgrund ihrer hohen Hitzelabilität werden pollen-assoziierte Nahrungsmittel wie Apfel, Karotte oder Haselnüsse in verarbeiteter Form (z. B. gekocht oder in Kuchen) meist vertragen, während die rohe Form zu Symptomen führt. Erfreulicherweise treten Symptome meist als „Orales Allergiesyndrom“ im Mund, Rachen oder an den Lippen auf und im Kindesalter nur selten als systemische, generalisierte Form. Ein Meiden dieser Nahrungsmittel kann daher in der Regel nach individuellem Leidensdruck erfolgen und sollte keinesfalls automatisch nach entsprechenden Listen empfohlen werden. Ein Einfluss auf die Prognose ist durch ein Essen vertragener Nahrungsmittel nicht gegeben. Verarbeitete Nahrungsmittel Ähnliches wie bei den pollen-assoziierten Nahrungsmitteln gilt auch im Falle einer Kuhmilch- oder Hühnereiallergie: Werden diese Nahrungsmittel in gekochter oder gebackener Form vertragen, können sie in dieser Form auch verabreicht werden, was das Leben der Familien oft erleichtert [6, 9]; ein Einfluss auf die Prognose ist damit nicht verbunden. Das Vertragen eines Nahrungsmittels in verarbeiteter Form ist besonders häufig im Rahmen einer schrittweisen Toleranzentwicklung nach Nahrungsmittelallergie zu be obachten. Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass es bei gleichzeitigem Einfluss von Augmentationsfaktoren (z. B. Infektionen, Verabreichung von nicht-steroidalen Antiphlogistika oder körperlicher Belastung) zu Reaktionen kommen kann, die allein bei Genuss der Nahrungsmittel nicht beobachtet werden. Sensibilisierung ohne klinische Relevanz Säuglinge und Kinder, die provokations-negativ sind und das Nahrungsmit- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 tel vertragen, aber eine Sensibilisierung auf das entsprechende Nahrungsmittel aufweisen, sollten nach heutigem Wissen das Nahrungsmittel eher regelmäßig verzehren [2]. Dies mag insbesondere für potenziell gefährliche Nahrungsmittel (z. B. Erdnüsse, Baumnüsse oder Samen) wichtig sein. In welchen Abständen und mit welchen Mengen dies jedoch umgesetzt werden sollte, ist noch völlig unklar; möglicherweise ist eine zweimal wöchentliche Gabe einer durchschnittlichen Verzehrs portion sinnvoll. Getränke Die Zufuhr von Getränken in Form von Fruchtsäften kann irritative Effekte auf ein Atopisches Ekzem haben und ist zur Flüssigkeitsversorgung eher ungeeignet. Getränke sollten vorwiegend energiefrei bzw. energiearm sein, z. B. Wasser, ungesüßter Tee oder säurearme und stark verdünnte Fruchtschorlen [8]. Generell ist der Verzehr von Obst bezüglich der Wirkung auf die Sättigung und der Energiebilanz dem Verzehr von Fruchtsäften vorzuziehen. Deshalb gilt die Empfehlung, Fruchtsäfte auf eine ungefähre Tagesmenge von ca. 200 ml pro Tag zu begrenzen. Darüber hinaus dient eine solche Begrenzung auch dem Schutz der Zähne und der Vorbeugung von Karies. Grenzen der ärztlichen Beratung Generell sollte der Arzt die Einschätzung der ernährungsphysiologischen Ausgewogenheit einer therapeutischen Diät einer allergologisch erfahrenen Ernährungsfachkraft überlassen. Nur diese kann mit ihrer Expertise zum Beispiel unter Zuhilfenahme eines Fünf- bis Sieben-Tage-Ernährungsprotokolls die ernährungsphysiologische Ausgewogenheit altersentsprechend prüfen und gegebenenfalls korrigieren. In einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Ernährungsfachkraft kann ein Optimum an Ernährung gewählt werden, um einerseits das unbeeinträchtigte Gedeihen der Kinder zu 33 gewährleisten und anderseits unnötige Einschränkungen zu verhindern. Web-Adressen Arbeitskreis Diätetik in der Allergologie: www.ak-dida.de Deutscher Allergie- und Asthmabund: www.daab.de Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie: www.gpaev.de Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Bodo Niggemann Pädiatrische Allergologie und Pneumo logie, Hedwig-von-Rittberg-Zentrum, DRK-Kliniken Berlin-Westend Spandauer Damm 130, 14050 Berlin E-Mail: [email protected] Literatur [1] Brockow K, Hautmann C, Fötisch K, Rakoski J, Borelli S, Vieths S, Ring J: Orange-induced skin lesions in patients with atopic eczema: Evidence for a non-IgEmediated mechanism. Acta Derm Venereol 2003; 83: 44–48. Monatsschr Kinderheilkd 2008; 156: 484–487. [2] Fleischer DM, Conover-Walker MK, Christie L, Burks AW, Wood RA: Peanut allergy: Recurrence and its management. J Allergy Clin Immunol 2004; 114: 1195–1201. [7] Muche-Borowski C, Kopp M, Reese I, Sitter H, Werfel T, Schäfer T et al.: S3-Leitlinie Allergieprävention – Update 2009. Allergo J 2009; 18: 332–341. [6] Lemon-Mulé H, Sampson HA, Sicherer SH, Shreffler WG, Noone S, Nowak-Wegrzyn A: Immunologic changes in children with egg allergy ingesting extensively heated egg. J Allergy Clin Immunol 2008; 122: 977–983. [3] Høst A, Koletzko B, Dreborg S, Muraro A, Wahn U, Aggett P, Bresson JL, Hernell O, Lafeber H, Michaelsen KF, Micheli JL, Rigo J, Weaver L, Heymans H, Strobel S, Vandenplas Y: Dietary products used in infants for treatment and prevention of food allergy. Arch Dis Child 1999; 81: 80–84. [8] Niggemann B, Ahrens P, Beyer K, Eberle P, Eigen mann P, Friedrichs F, Grübl A, Huttegger I, Lange L, Meister J, Mischo B, Scheewe S, Seidenberg J, Szczepanski R: Orale Nahrungsmittelprovokationen bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie im Säuglingsund Kindesalter. Pädiatrische Allergologie 2009; 12 (Sonderheft): 1–8. [4] Klemola T, Vanto T, Juntunen-Backman K, Kalimo K, Korpela R, Varjonen E: Allergy to soy formula and to extensively hydrolysed whey formula in infants with cow’s milk allergy: a prospective, randomized study with followup to the age of 2 years. J Pediatr 2002; 140: 219–224. [9] Nowak-Wegrzyn A, Bloom KA, Sicherer SH, Shreffler WG, Noone S, Wanich, N Sampson HA: Tolerance to extensively heated milk in children with cow’s milk allergy. J Allergy Clin Immunol 2008; 122: 342–347. [5] Konsensuspapier „Empfehlungen zum Verzehr zuckerhaltiger Getränke durch Kinder und Jugendliche“. [10] Sicherer SH: Clinical implications of cross-reactive food allergens. J Allergy Clin Immunol 2001; 108: 881– 890. Anaphylaxie bei Kindern und Jugendlichen Ernst Rietschel, Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik Köln Definition Anaphylaxie ist eine – ernst zu nehmende – allergische Reaktion, die rasch beginnen und zum Tode führen kann [1]. Nicht durch IgE-Antikörper vermittelte anaphylaktische Reaktionen (so genannte anaphylaktoide Reaktionen) sind im Kindes- und Jugendalter selten. Anaphylaxien nehmen zu [2]. Allerdings liegen zur Häufigkeit von Anaphylaxien und zur Zahl der durch Anaphy- 34 laxie bedingten Todesfälle für das Kin des- und Jugendalter nur wenige Daten vor. In einer retrospektiven englischen Studie, die von 1990 bis 1998 durchgeführt und mit einer prospektiven Surveillance von 1998 bis 2000 kombiniert wurde, starben acht Kinder im Alter bis zum 15. Lebensjahr an einer durch Nahrungsmittel verursachten Anaphylaxie – das bedeutet ein Todesfall auf 16 Millionen Einwohner [3]. Deutsche Zahlen zur Inzidenz von To- desfällen liegen bisher nicht vor. Seit Januar 2006 wird ein deutsches Register geführt (www.anaphylaxie.net), in das auch Daten von Kindern und Jugendlichen einfließen. Ursachen In einer 2005 durchgeführten Fragebogen-Aktion bei deutschen Kinder- und Jugendärzten fanden sich bei 106 gemeldeten Ereignissen am häufigsten Nah- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 rungsmittel (57,3 %), gefolgt von Insektengiften (12,6 %) und spezifischen Immuntherapien (11,6 %) als Ursachen für eine anaphylaktische Reaktion [4]. Auch im Deutschen Anaphylaxieregister werden Nahrungsmittel als häufigste Auslöser einer anaphylaktischen Reaktion genannt [5]. Als Auslöser für tödliche anaphylaktische Reaktionen sind in den USA in 67 Prozent der Fälle Erdnüsse und in 33 Prozent Baumnüsse ermittelt worden [6]. Auch in Untersuchungen aus Großbritannien werden Erdnuss und Kuhmilch als häufigste Auslöser genannt [7]. Anaphylaktische Reaktionen treten überwiegend zuhause auf (58,3 %) und nur in 13,6 Prozent in Klinik und Praxis [4]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, entsprechend gefährdeten Patienten eine lebensrettende Notfallapotheke zu verordnen. Risikofaktoren Patienten mit einem Asthma bronchiale haben ein deutlich höheres Risiko, an Anaphylaxie ist hoch wahrscheinlich, wenn eines der folgenden drei Kriterien erfüllt ist: 1.Akuter Beginn (innerhalb von Minuten bis vielleicht Stunden) mit Beteiligung von Haut oder/und Schleimhaut und mindes tens einem der folgenden Symptome: Atemstörung Blutdruckabfall oder anderes Symptom (u.a. Kollaps, Synkope, Inkontinenz) 2.Zwei oder mehr der folgenden Symptome rasch nach Kontakt mit einem wahrscheinlichen Allergen Haut oder/und Schleimhaut (u.a. Urtika ria, Lippen- oder Zungenschwellung) Atemstörung Blutdruckabfall oder andere Symptome einer Endorganhypoperfusion Persistierende gastrointestinale Symptome 3.Blutdruckabfall rasch nach Kontakt mit einem bekannten Allergen (>30% Abfall) Tab. 1 einer anaphylaktischen Reaktion zu versterben [8]. Ist bereits einmal eine Anaphylaxie aufgetreten, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine weitere anaphylaktische Reaktion. Des Weiteren geht ein hoher Sensibilisierungsgrad mit stärkeren anaphylaktischen Reaktionen einher. Diagnose Die Diagnose „Anaphylaxie“ ergibt sich aus der Anamnese in Zusammenschau mit den Ergebnissen der Allergietests und den aufgetretenen Symptomen (Tab. 1). Vorschulkinder reagieren anfänglich häufig mit Unruhe oder plötzlicher Mattigkeit. Häufig ist eine Allergie gegenüber dem auslösenden Allergen bekannt. Hierfür sollten frühere anaphylaktische Reak tionen oder unerklärte Symptome nochmals genauestens anamnestisch aufgearbeitet werden. Spezifische Allergie-Antikörper müssen bestimmt und bei negativem Ergebnis muss die Bestimmung nach vier Wochen wiederholt werden. Ist eine Nahrungsmittel-, Bienen-Wespen- oder Medikamentenallergie bekannt, ist bei Auftreten der entsprechenden Symptomkonstellation eine Anaphylaxie anzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer anaphylaktischen Reaktion nach erneuter Exposition ist abhängig vom Allergen, wobei die Gefahr bei Erdnuss- und Baumnusssensibilisierung besonders groß ist. Im Zweifelsfall sollte immer eine orale Provokationstestung durchgeführt werden. Therapieoptionen In den vergangenen Jahren wurden zwei Leitlinien zur Therapie der Anaphylaxie veröffentlicht, die von den deutschen Fachgesellschaften (ÄDA, DAAU, DGAKI, GPA) gemeinsam erstellte S2Leitlinie [9] und das Positionspapier der „EAACI-Taskforce on Anaphylaxis in Children“ [10]. Alle Patienten mit einer Anaphylaxie müssen einen Notfallpass erhalten, in dem das auslösende Allergen und die dem Alter angepasste Notfallmedika Notfallset PatientengruppeNotfallset Kinder und 1. Intramuskulär zu verabreichendes Epinephrin, z.B. Anapen 300® Autoinjektor, JugendlicheFastjekt®Autoinjektor, Jext® 300 > 30 kg 2. Kurz wirksames β2-Sympathomimetikum wie Salbutamol, Dosieraerosol schwer 3.H1-Antihistaminikum, z.B. Cetirizin Tabletten 10 mg (6–18 Jahre) 4. Glukokortikosteroid, z.B. Decortin® Tabletten (2–5 mg/kg KG) oder Celestamine N 0,5 liquidum (N1-Flasche trinken, 30 ml) Kinder, 1. Intramuskulär zu verabreichendes Epinephrin, z.B. Anapen 150® Autoinjektor, 15–30 kg Fastjekt Junior®Autoinjektor, Jext® 150 schwer 2. Kurz wirksames β2-Sympathomimetikum wie Salbutamol, Dosieraerosol 3.H1-Antihistaminikum, z.B. Cetirizin Saft 5 ml (2–6 Jahre) Tabletten 5 mg (2–6 Jahre), 10 mg (>6 Jahre) 4. Kortikosteroid, z.B. Decortin® Tabletten (2–5 mg/kg KG), Celestamine® N 0,5 liquidum (mind. halbe N1-Flasche trinken, entspricht 15 von 30 ml), oder Kortikosteroid-Suppositorium, z.B. Infectocortikrupp® Zäpfchen Kinder, 1. > 12 kg KG intramuskulär zu verabreichendes Epinephrin, < 15 kg z.B. Anapen 150® Autoinjektor, Fastjekt Junior® Autoinjektor, Jext® 150 schwer < 12 kg KG Suprarenin 1:10.000 (0,1 ml/kg KG i.m.) 2. Kurz wirksames β2-Sympathomimetikum wie Salbutamol, Dosieraerosol 3.H1-Antihistaminikum, z.B. Cetirizin Saft 5 ml (1–6 Jahre) 4. Kortikosteroid, z.B. oder Celestamine® N 0,5 liquidum (Dosierung entspr. Gewicht) oder Kortikosteroid-Suppositorium, z.B. Infectocortikrupp® Zäpfchen Tab. 2 Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 35 tion hinterlegt sind. Ein zusätzlicher Notfallanhänger kann sinnvoll sein. Anaphylaxie-gefährdete Kinder und Jugendliche sollten immer ein Handy mit sich führen, auf dem die entsprechende Notarztnummer gespeichert ist. Bei Anaphylaxiegefährdung durch Nahrungsmittelallergene muss absolute Allergenkarenz empfohlen werden. Bei Säuglingen und Kleinkindern ist eine Allergenkarenz nach entsprechender Ernährungsberatung mit großer Sicherheit durchführbar. Sobald Kinder allerdings fremd betreut werden oder ab dem Schulalter selber die Verantwortung für die Allergenkarenz übernehmen müssen, wächst die Gefahr versehentlicher Exposition. Deshalb müssen alle Kinder und Jugendlichen, bei denen eine Allergenkarenz nicht sicher gewährleistet werden kann, mit einem Notfallset versorgt werden, das einen Adrenalin-Autoinjektor mit einschließt (Tab. 2). Notfallset Ein Notfallset enthält immer intramuskulär zu verabreichendes Adrenalin, ein inhalierbares β2-Sympathikomimetikum, ein Antihistaminikum und Kortison. Adrenalin (Epinephrin) Adrenalin sollte außerhalb von Praxen und Krankenhäusern immer intramuskulär verabreicht werden. Hierfür stehen Autoinjektoren in zwei verschiedenen Dosierungen zur Verfügung (Anapen 300 µg® , Fastjekt 300 µg® und Jext 300 µg® für Patienten über 30 kg KG und Anapen 150µg®, Fastjekt Jr. 150µg® und Jext 300 µg® für Patienten von 15–30 kg KG). Für Patienten unter 15 kg KG sind die Autoinjektoren nicht zugelassen. Aufgrund des geringen Nebenwirkungsrisikos bei gesunden Kleinkindern kann, nach Aufklärung der Eltern, ein Autoinjektor mit 150 µg ab einem Gewicht von 12 kg eingesetzt werden. Vorher sollte allerdings wegen möglicher kardialer Nebenwirkungen eine Untersuchung durch einen Kinderkardiologen erfolgen. Bei Kindern unter 12 kg KG bleibt nur die Möglichkeit, Suprarenin 1:1000 Am- 36 pullen zusammen mit 0,9 % NaCl zu verschreiben. Ein solches Vorgehen kann im Notfall nur funktionieren, wenn es mit den Eltern praktisch eingeübt wurde. In der Regel sollte aber in dieser Altersgruppe eine sichere Vermeidung möglich sein, so dass eine Adrenalin-Verordnung nicht notwendig wird. Für Kinder und Jugendliche mit einem Gewicht von > 45 kg oder Anaphylaxie episoden mit vermehrtem Epinephrinbedarf sollten zwei Autoinjektoren zum Notfallset gehören. Inhalierbares Epinephrin (InfectokruppInhal®) ist zur Behandlung der Anaphylaxie nicht zugelassen. Es bedarf außerdem mindestens 20 Hübe, um nachweisbare Blutspiegel zu erreichen. Zur Behandlung des Larynxödems stellt es allerdings eine Therapieoption dar. Hierzu können über einen Vernebler 2 ml einer fertigen Inhalationslösung (InfectoKrupp Inhal®, 4 mg/ ml) inhaliert werden. Auch die s.c.-Applikation ist auf Grund der langen Zeitdauer bis zum Erreichen von wirksamen Blutspiegeln nicht mehr zu empfehlen. Antihistaminika Auch wenn es keine Evidenz für die Anwendung von H1-Antihistaminika gibt, sollten aufgrund der Kenntnis der Pathophysiologie und der möglichen Letalität einer anaphylaktischen Reaktion H1-Antihistaminika in hoher Dosierung eingenommen werden. Antihistaminika der 2. Generation sind dabei denen der 1. Generation wegen der schnelleren Bioverfügbarkeit und dem günstigeren Nebenwirkungsprofil vorzuziehen. Sie sind jedoch für die Therapie der Anaphylaxie nicht zugelassen. Cetirizin ist für jedes Lebensalter in einer entsprechenden Applikationsform erhältlich. Kortison Die Wirksamkeit von Kortison zur Behandlung der Anaphylaxie ist nicht unumstritten, da auch hierfür keine randomisierten Studien vorliegen. Trotzdem ist Kortison unverändert Bestandteil eines Notfallsets. Wie Antihistaminika wird Kortison hoch dosiert (2–5 mg/kg KG). Aufgrund des bitteren Geschmacks ist bei kleinen Kindern die Gabe als Saft oder Zäpfchen eher praktikabel. Bronchialerweiternde Medikamente Zur Therapie einer bronchialen Obstruktion sollte in jedem Notfallset ein inhalierbares kurz wirksames β2-Sympa thomimetikum in jedem Notfallset vorhanden sein, da insbesondere Nahrungsmittelallergiker häufig mit einer bronchialen Obstruktion reagieren. Die Anwendung eines Dosieraerosols muss vorher geschult werden. Indikation für die Verordnung eines Notfallsets Patienten mit Nahrungsmittelallergie, bei denen das Nahrungsmittel nicht sicher gemieden werden kann und bei denen im Rahmen einer unabsichtlichen oder zur Diagnostik durchgeführten Provokation eine Anaphylaxie aufgetreten ist, müssen ein Notfallset erhalten. Sind die Patienten allergisch auf Erdnussoder Baumnussallergene, sollte ein Notfallset auch dann verschrieben werden, wenn nur eine Haut- oder Schleimhautbeteiligung nach Allergenkontakt aufgetreten ist. Indikation für den Einsatz des Notfallsets Wegen des schnellen Wirkungseintritts sollte in allen Situationen, die mit einer Anaphylaxie einhergehen, primär Adrenalin intramuskulär verabreicht werden. Besteht anamnestisch ein bekanntes Asthma bronchiale oder sind Zeichen von Luftnot vorhanden, sollten 2–4 Hub eines β2-Sympathikomimetikums inhaliert werden. Erst dann sollten, wenn der Bewusstseinszustand des Patienten es erlaubt, ein orales H1-Antihistaminikum und Kortison verabreicht werden. Patienten mit pulmonaler Obstruktion sollten eine atemerleichternde Stellung einnehmen und nicht flach gelagert werden. Nahrungsmittelallergiker, die in der Vergangenheit auf Erdnüsse oder Baumnüsse anaphylaktisch reagiert haben, sollten schon bei sicheren Zeichen einer lokalen Reaktion wie Schleimhautschwel- Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Service lung, Urtikaria oder Bauchschmerzen Adrenalin applizieren, da der weitere Verlauf einer anaphylaktischen Reaktion gerade für diese Allergene nicht vorhergesagt werden kann. Schulung Eltern von Säuglingen und Kleinkindern, Schulkinder und Jugendliche sowie deren Eltern müssen regelmäßig in der Handhabung des Notfallsets geschult werden. Neben Strategien zur Aller genvermeidung, die bei Nahrungsmittelallergikern vorzugsweise von einer Ernäh- rungsfachkraft vermittelt werden, muss der Umgang mit dem Autoinjektor bzw. den Suprarenin-Ampullen eingeübt werden. Sind Kinder im Kindergarten oder in der Schule, sollten Gespräche mit den Leitern dieser Einrichtungen geführt werden, damit Kinder ihr Anaphylaxie-Set jederzeit mitführen und anwenden dürfen. Aus den Arbeitsgruppen Anaphylaxie der DGAKI (Deutsche Gesellschaft für Allergie und klinische Immunologie) und der GPA heraus hat sich eine neue „Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie-Training und Edukation“ (AGATE) formiert, die ein Schulungsprogramm für Patienten mit Anaphylaxie ausgearbeitet hat. Die entsprechenden Kurse zur Trainerausbildung können auf der Website von AGATE (www.anaphylaxieschulung.de) eingesehen werden. Dr. med. Ernst Rietschel Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum der Universität zu Köln Kerpener Str. 62, 50924 Köln E-Mail: [email protected] Literatur [1] Sampson HA, Munoz-Furlong A, Campbell RL et al.: Second Symposium on the Definition and Management of Anaphylaxis: summary report-Second National Institute of Allergy and Infectious Disease/Food Allergy and Anaphylaxis Network symposium. J Allergy Clin Immunol 2006; 117 (2): 391–397 [2] Gupta R, Sheik A, Astrakhan DP, Anderson HR: Time trends in allergic disorders in the UK. Thorax 2007; 62: 91–96 [3] Macdougall CF, Cant AJ, Colver AF: How dangerous is food allergy in childhood? The incidence of severe fatal allergic reactions across the UK and Ireland. Arch Dis Child 2002; 86: 236–239 [4] Mehl A, Wahn U, Niggemann B: Anaphylactic re- actions in children – a questionnaire-based survey in Germany. 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Allergo J 2007; 16: 420–434 [10] Muraro A, Roberts G, Clark A, Eigenmann PA, Halken S, Lack G, Moneret-Vautrin A, Niggemann B, Rance F: EAACI Taskforce on Anaphylaxis in Children. Allergy 2007; 62: 857–871 Weitere Informationen Internet www.ak-dida.de Arbeitskreis Diätetik in der Allergologie e.V. www.kinderklinik-luebeck.de/pina/ Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie/Asthma e.V. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 www.daab.de Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. 37 Service Leitlinien Standardisierung von oralen Provokationstests bei Nahrungsmittelallergien Alle Leitlinien der GPA finden sich zum Download unter www.gpaev.de Pädiatrische Leitlinien In-vitro-Diagnostik und molekulare Grundlagen von IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien Keine Empfehlung für IgG- und IgG4Bestimmungen gegen Nahrungsmittel Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf eine pseudoallergische Reaktion durch Nahrungsmittelinhaltsstoffe Vorgehen bei vermuteter Nahrungsmittelallergie bei atopischer Dermatitis 1/2012 Fischallergie 4/2011 Getreideallergien 4/2010 Kuhmilchallergie 3/2010 Baumnussallergien 2/2009 Kreuzallergien zwischen Pollen und Lebensmitteln 1/2008 Erdnussallergie 2/2007 Hühnereiallergie 2/2005 Lebensmittelkennzeichnung: Steht drauf, was drin ist? Elternratgeber Alle Elternratgeber aus der Zeitschrift „Pädiatrische Aller gologie in Klinik und Praxis“ stehen unter www.gpaev.de Die Zeitschrift Elternratgeber zum Download bereit. 38 Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Bücher Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen Immunologie – Diagnostik – Therapie – Prophylaxe L. Jäger, B. Wüthrich, B. Ballmer-Weber, St. Vieths (Hrsg.) Diätetik in der Allergologie Diätvorschläge, Positionspapiere und Leitlinien zu Nahrungmittelallergie und anderen Unverträglichkeiten Th. Werfel, I. Reese (Hrsg.) Geb.; 328 S.; Urban & Fischer bei Elsevier, München, 3. Auflage 2008; ISBN 978-3-437-21362-5; € 69,95 Spiralbindung; 228 S.; Dustri Verlag Deisenhofen, 3. Auflage 2010, ISBN 9783871853975, € 35,00 Der vollständige Überblick über Entstehung, Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Prophylaxe von Nahrungsmittelallergien mit allen Nahrungsmittel allergenen von A–Z. Eine wertvolle Hilfe zur Orientierung in diesem komplexen Gebiet und jedem zu empfehlen, der sich mit Allergologie oder Ernährungsmedizin befasst. Das Buch präsentiert in übersichtlicher Darstellung Listen für eine Lebensmittelauswahl für diagnostische und therapeutische Diäten. Dabei werden die entsprechenden Allergene vorgestellt, ihre Verwendung und Alternativen erläutert. Ergänzend finden sich aktuelle Positionspapiere und Hinweise zum Vorgehen bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Diät bei Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen Ch. Behr-Völtzer, M. Hamm, D. Vieluf, J. Ring (Hrsg.) Broschiert; 168 S.; Urban & Vogel München, 4. Aufl. 2008; ISBN 9783899352528; € 24,95 Hauptziel des Buches ist die Ernährungsberatung anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Tabellen erleichtern die Lebensmittelauswahl und helfen den Betroffenen, sich gesund und vollwertig zu ernähren. Köstlich essen ohne Milch und Ei Praxisbuch Lebensmittelallergie A. Constien, I. Reese, Ch. Schäfer Paperback; 160 S.; Südwest Verlag München 2007; ISBN: 978-3-517-08286-8; € 16,95 In diesem Buch werden verschiedene Diagnosemöglichkeiten von Nahrungsmittelallergien vorgestellt und auf ihre Relevanz hin bewertet. Die Autorinnen beschreiben ausführlich die häufigsten Lebensmittelallergene mit ihren Merkmalen. Dabei berücksichtigen sie auch die Einflüsse von Verarbeitungsprozessen und aktuelle Präventionsempfehlungen. Richtig einkaufen bei Nahrungsmittel-Allergien Keine Probleme bei Allergie und Laktoseintoleranz Mehr Sicherheit beim Einkauf, im Restaurant und im Ausland B. Schmitt I. Reese, A. Constien, Ch. Schäfer Paperback; 174 S.; Trias Verlag Stuttgart 2005; ISBN: 978-3830433163; € 16,95 Broschiert; 127 S.; Trias Verlag Stuttgart 2007; ISBN: 978-3-8304-3351-4; € 9,95 Auch ohne Milch und Ei kann man genießen und schlemmen. Wie Pfannkuchen, Pudding und Co. super gelingen und köstlich schmecken, zeigt dieses Koch- und Backbuch. Beate Schmitt verrät alle Tricks und Kniffe einer allergenarmen Küche. Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012 Nach Allergenen sortiert werden Fertiggerichte, Restaurantessen und ausländische Speisekarten unter die Lupe genommen. So können Betroffene unbedenklich außer Haus essen und Reisen entspannt genießen ohne Angst vor einer allergischen Reaktion. 39 Aptamil Pepti Hypoallergen durch stark hydrolysiertes Eiweiß (eHF) + reduzierter Lactosegehalt + mit patentierten GOS/FOS* und LCP Milupan ® + Erstattungsfähig (gem. AMR 2009) * Galacto-/Fructooligosaccharide WICHTIGER HINWEIS: Stillen ist das Beste für Babys. Säuglingsanfangsnahrungen sollten nur auf Rat von Kinderärzten oder anderem medizinischen Fachpersonal verwendet werden. AUS DER MILCH-FO ER RS TT K LI NI TI ER T I PEPT G UN CH M U Aptamil Pepti ist ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten) und nur unter medizinischer Kontrolle zu verwenden. SCH DOKU ME N Aptamil Pepti – Spezialnahrung bei Kuhmilcheiweißallergie Aptamil. Stark ins Leben.