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Pädiatrische Allergologie
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Sonderheft
NAHRUNGSMITTELALLERGIE
Mit dem GPA-Manual
Orale Nahrungsmittelprovokationen bei
Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie
im Säuglings- und Kindesalter
U
N
D
P
R
A
X
I
S
2012
Inhalt
3Editorial
Einführung
27 Vorgehen bei Verdacht auf Erdnussallergie im
Kindesalter
Eine Empfehlung der Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA
4 Nahrungsmittelallergien bei Kindern und Jugendlichen
Ein Überblick über Klinik, Diagnostik und Therapie
8 Übersicht über die zehn wichtigsten allergieauslösenden
Nahrungsmittel
30 Ernährungsberatung durch Ärzte bei kindlichen
Nahrungsmittelallergien – Möglichkeiten und Grenzen
Für eine Ernährungsberatung sind versierte Fachkräfte unerlässlich. Erfahrene
Kinderärzte können dennoch einige Aspekte mit den betroffenen Familien
beraten.
Manual
34 Anaphylaxie bei Kindern und Jugendlichen
11 Orale Nahrungsmittelprovokationen bei Verdacht
auf eine Nahrungsmittelallergie im Säuglings- und
Kindesalter
Service
Eine Anleitung für die praktische Durchführung von Provokationstests bei
Verdacht auf IgE-vermittelte Reaktionen
Algorithmen
Ursachen, Diagnose und Therapie anaphylaktischer Reaktionen im Kindesund Jugendalter
37 Weitere Informationen
Internet, Leitlinien, Elternratgeber, Bücher
22 Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie
Positionspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, der
Ernährungskommission der DGKJ und der GPA
IMPRESSUM
Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, 15. Jg./Sonderheft Nahrungsmittelallergie, überarbeitete Neuauflage, April 2012
Herausgeber: Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V., Rathausstr. 10, 52072 Aachen, Tel.: 0241-9800-486, Fax: 0241-9800-259, E-Mail: gpa.ev@
t-online.de, Web: www.gpaev.de
Verlag: WURMS & PARTNER Public Relations GmbH, Bernrieder Straße 4, 82327 Tutzing, Web: www.wurms-pr.de. Verlagsleitung: Holger Wurms.
Schriftleitung: Prof. Dr. Carl Peter Bauer, Fachklinik Gaißach, Dorf 1, 83674 Gaißach, Fax 08041-798-222, E-Mail: [email protected];
Prof. Dr. Albrecht Bufe, Universitätsklinik Bergmannsheil, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum, Fax 0234-3024-682, E-Mail: [email protected];
Dr. Ernst Rietschel, Klinik für Kinder und Jugendliche der Universitätsklinik Köln, Kerpener Str. 62, 50924 Köln, Fax 0221-478-3330, E-Mail: [email protected];
PD Dr. Christian Vogelberg, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, E-Mail: [email protected]
Ressortschriftleiter: Dr. P. J. Fischer, 73525 Schwäbisch Gmünd (Elternratgeber); Prof. Dr. J. Forster, St.-Josefskrankenhaus, 79104 Freiburg (Leitlinien); Dr. F. Friedrichs,
52072 Aachen (Berufspolitik); Prof. Dr. M. Kopp, UKSH Campus Lübeck, 23538 Lübeck (Fragen an den Allergologen); Dr. Th. Lob-Corzilius, Kinderhospital Osnabrück,
49082 Osnabrück (Umweltmedizin); PD Dr. H. Ott, Kathol. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, 22149 Hamburg (Pädiatrische Dermatologie); Prof. Dr. J. Seidenberg, ElisabethKinder­krankenhaus, 26133 Oldenburg (Pädiatrische Pneumologie); Prof. Dr. V. Wahn, Charité Campus Virchow, Klinik m. S. Pädiatrische Pneumologie und Immunologie,
13353 Berlin (Pädiatrische Immunologie)
Wissenschaftlicher Beirat: PD. Dr. T. Ankermann, Prof. Dr. J. Forster, PD Dr. G. Frey, Dr. A. Grübl, Dr. W. Lässig, Dr. W. Rebien, Dr. S. Scheewe, Dr. K. Schmidt,
PD Dr. S. Schmidt, Prof. Dr. A. Schuster, Dr. Th. Spindler, Prof. Dr. V. Stephan.
Redaktion: Ingeborg Wurms M.A., Dr. Albert Thurner, Bernrieder Straße 4, 82327 Tutzing, Tel. 08158-9967-0, Fax 08158-9967-29, E-Mail: [email protected]
Bildnachweis: Allergopharma (1 o), cc (1 u, 8 Ei, 9, 10), privat (3), B. Niggemann (5, 14, 16, 17), W&P (8 Milch, 9 Erdnuss), Wikipedia (10 Soja), S. Scheewe (23),
S. Koletzko/MoKi (28)
Anzeigenleitung: Holger Wurms, Tel. 08158-9967-0, Fax 08158-9967-29. Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 14 vom 1.1.2012.
Erscheinungsweise: Die Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis erscheint vierteljährlich jeweils am Beginn des Quartals.
Bezugspreise: Einzelheft: 12,50 €, Jahresabonnement: 36,00 €, Jahresabonnement für Studenten (bei Vorlage einer Bescheinigung) 27,00 € (jeweils zuzügl. Versandkosten).
Für Mitglieder der vier regionalen pädiatrisch-allergologischen Arbeitsgemeinschaften ist das Abonnement im Mitglieds­beitrag enthalten.
Druck: F&W Mediencenter GmbH, 83361 Kienberg Gedruckt auf Papier aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern
ISSN: 1435-4233 und kontrollierten Quellen. www.pefc.de
2
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Editorial
Nahrungsmittelallergien –
ein hochaktuelles Thema
Liebe Kollegin, lieber Kollege,
Unverträglichkeiten auf Nahrungsmittel beschäftigen die
Menschheit seit Jahrhunderten. Die Zuordnung des Genusses
bestimmter Nahrungsmittel zu vermuteten oder bewiesenen
klinischen Symptomen ist dabei oft schwierig, weil man Nahrungsmittel mehrfach täglich und in großer Vielfalt zu sich
nimmt. Hinzu kommt das häufige Bedürfnis von Patienten
(und auch Ärzten), Nahrungsmittel und Symptome kausal
statt nur zeitlich zu verknüpfen. Nahrungsmittelallergien sind
daher immer ein hochaktuelles Thema.
Insbesondere die Diagnostik von Nahrungsmittelreaktionen
bereitet oft erhebliche Schwierigkeiten, da es keinen allein beweisenden Allergietest gibt, der eine Diät sicher indizieren oder
ausschließen würde. Dies gilt natürlich insbesondere für die
nicht IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Eine Vielzahl
von „alternativen“, nicht bewiesenen oder ausschließlich kommerziellen Interessen dienenden diagnostischen Verfahren finden immer noch reichlich Kunden. Hierzu zählt unter anderem
auch die IgG- und IgG4-Diagnostik.
Kontrollierte orale Nahrungsmittelprovokationen sind der
„Goldstandard“ der Diagnostik nahrungsmittel-abhängiger
Symptome. Sie können offen, einfach-blind oder doppelblind
und plazebo-kontrolliert durchgeführt werden.
Angeregt durch das Ergebnis einer Umfrage unter Kinderkliniken in Deutschland, die gezeigt hat, dass orale Provoka­tio­
nen bei weitem keine Selbstverständlichkeit in den Kinderkli-
Dr. Lars Lange niken darstellen, hat die Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA ein Manual zum standardisierten Vorgehen bei
Verdacht auf Nahrungsmittelallergie erstellt, das in diesem
Heft veröffentlicht wird.
Ziel dieses Heftes war es darüber hinaus, Übersichtsartikel und
die wesentlichen Publikationen zur Diagnostik und Therapie
von Nahrungsmittelallergien zusammenzufassen, um es dem
Leser leicht zu machen, einen orientierenden Überblick zu gewinnen oder ein kompaktes Nachschlagewerk zum intensiven
Literaturstudium in die Hand zu nehmen. Hierzu gehören auch
die von der GPA und ihrer Arbeitsgruppe entwickelten Flussschemata zum Vorgehen bei Verdacht auf Erdnuss- oder Kuhmilchallergie.
Klinische Symptome von Nahrungsmittelallergien reichen von
milder Hautrötung bis zum lebensbedrohlichen Schock. Da die
Definition der Anaphylaxie und vor allem auch das Management schwerer systemischer allergischer Reaktionen bei vielen Kollegen noch Fragen aufwerfen, lag es nahe, einen Artikel über die Anaphylaxie im Kindes- und Jugendalter in dieses
Heft zu integrieren.
Aufgrund der großen Nachfrage der ersten Auflage hat sich
die GPA entschieden, eine neue, aktualisierte Auflage des
Heftes aufzulegen.
Wir wünschen beim Durchschmökern der 2. Auflage des Heftes
viel Vergnügen!
Prof. Dr. Bodo Niggemann
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
3
Einführung
Einführung
Nahrungsmittelallergien
bei Kindern und Jugendlichen
Bodo Niggemann, DRK-Kliniken Berlin-Westend
Einleitung
Unerwünschte klinische Symptome
auf Nahrungsmittel kommen im Kindesalter am ehesten als IgE-vermittelte allergische Reaktionen vor. Die Definition einer Nahrungsmittelallergie umfasst folgende Aspekte:
nDie krankmachende Symptomatik ist
überzeugend und reproduzierbar.
n Eine Auslösung ist bereits durch kleine
Mengen möglich.
n Es handelt sich um eine spezifische immunologische Antwort.
nDie immunologische Antwort unterscheidet von normalen Personen, die
das Nahrungsmittel vertragen.
Liste der Nahrungsmittel,
die am häufigsten
für Nahrungsmittelallergien
im Kindesalter verantwortlich sind
Kuhmilch
Hühnerei
Erdnüsse
 Baumnüsse (z.B. Haselnuss)
Weizen
Soja
Fisch
 Schalentiere (z.B. Shrimps)
 Samen (z.B. Sesam)
Tab. 1
4
Die Prävalenz von Nahrungsmittel­
aller­gien im Kindesalter liegt in der Literatur zwischen 2 und 6 Prozent [20]. Die
Häufigkeit einer klinisch manifesten Nahrungsmittelallergie bei Kindern mit Atopischer Dermatitis wird in der Literatur
mit 33 bis 50 Prozent angegeben [5, 29].
Andersherum weisen ca. 95 Prozent aller Kinder mit IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie ein Atopisches Ekzem als
Grundkrankheit auf (zumindest in der Vergangenheit).
Im Kindesalter verursachen nur wenige Nahrungsmittel über 90 Prozent
der allergischen Reaktionen (Tab. 1) [2,
16]. Keine Rolle bei IgE-vermittelten
Nahrungsmittel­aller­gien spielen Farbund Konservierungsstoffe, Zucker und
Zitrusfrüchte.
Durch Nahrungsmittelallergien
hervorgerufene Symptome
An der Haut:
 Urtikaria, Exanthem, Flush
Quincke-Ödem
Pruritus
Ekzemverschlechterung
Am Gastrointestinal-Trakt:
 Übelkeit, Erbrechen
Durchfall
 Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe
 Obstipation, Meteorismus
An den Atemwegen:
Klinik
Nahrungsmittelallergien können in ihrem Schweregrad äußerst variabel verlaufen: von lokalen Symptomen über milde
Allgemeinreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang
[11, 25]. Die klinischen Symptome einer
IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie
äußern sich in erster Linie an der Haut,
seltener am Gastrointestinaltrakt oder anderen Organen (Tab. 2). Eine bronchiale
Obstruktion wird selten beobachtet und
tritt vor allem bei Patienten mit gleichzeitig bestehendem Asthma bronchiale auf.
Eine wichtige Rolle für das Auftreten
von allergischen Reaktionen auf Nahrungsmittel spielen so genannte Augmentationsfaktoren. Darunter versteht
man Umgebungsfaktoren, bei denen die
Rhinokonjunktivitis
 Bronchiale Obstruktion (Asthma)
Husten
 Larynxödem, Heiserkeit, Stridor
 Zyanose, Atemstillstand
Kardio-vaskulär:
Tachykardie
Hypotonie
Herz-Kreislauf-Stillstand
Verschiedene:
 Müdigkeit, Abgeschlagenheit
 Unruhe, Ängstlichkeit, Irritabilität
Tab. 2
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Urtikarielle Reaktion bei oraler Provokation.
Schwelle, allergisch zu reagieren, deutlich
gesenkt wird. Der bekannteste Augmentationsfaktor ist körperliche Belastung,
d. h. dass das entsprechende Nahrungsmittel ohne körperliche Belastung problemlos oder in größerer Dosis vertragen wird, während der Genuss desselben
Nahrungsmittels meist 30 bis 60 Minuten
gefolgt von körperlicher Belastung zu einer systemischen allergischen Reak­tion
führen kann. Andere wichtige Schwellen senkende Bedingungen sind Medikamente (z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika, Protonenpumpenhemmer), Alkohol und Infekte.
Bei der Atopischen Dermatitis wird
nach der Einnahme des allergenen Nahrungsmittels nicht nur eine Ekzemverschlechterung beobachtet [29]. Häufiger
treten Soforttyp-Symptome wie Urtikaria,
Quinckeödem, Erbrechen, Durchfall oder
Atemwegsprobleme auf. Isolierte Früh­
reaktionen treten in mehr als der Hälfte der Provokationen auf; isolierte Spätreaktionen oder kombinierte Früh- und
Spätreaktionen kommen weniger häufig vor [6].
Von diesen Reaktionen abzugrenzen sind allergische Symptome bei Kindern mit saisonalem Heuschnupfen im
Sinne von pollenassoziierten (kreuzreagierenden) Nahrungsmittelallergien (z. B.
als orales Allergie-Syndrom auf Kern- und
Steinobst bei Allergie gegen Frühblüher).
Diese IgE-vermittelten Reaktionen gewinnen vor allem ab dem Schulkindalter an
Bedeutung.
Diagnostik
Bei der Diagnostik der Nahrungsmittelallergie ist ein stufenweises Vorgehen
unter Berücksichtigung individueller
Faktoren sinnvoll [12]. Die Anamnese
stellt nach wie vor den ersten und wichtigsten Mosaikstein der Diagnostik bei
Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie
dar [3].
Die In-vitro-Diagnostik betrifft in ers­
ter Linie den Nachweis von spezifischem
IgE im Serum. Aber auch der Nachweis
von spezifischem IgE besagt lediglich,
dass eine Sensibilisierung vorliegt, und
ist keinesfalls mit dem Beweis einer klinischen Aktualität gleichzusetzen. In den
letzten Jahren konnte durch eine Korrelation von oralen Provokationen und der
Höhe des spezifischen IgE gezeigt werden, dass Kinder mit hühnerei- bzw. kuhmilchspezifischem IgE über einem gewissen Schwellenwert eine positive Reak­tion
auf Hühnerei bzw. Kuhmilch haben, z. B.
mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit [6, 23]. Diese Schwellenwerte sind jedoch in verschiedenen Studienpopula­
tion sehr unterschiedlich und können
daher nicht verallgemeinert werden. Für
Weizen und Soja können keine Schwellenwerte genannt werden, da die Höhe
des spezifischen IgE nicht mit dem Auftreten von klinischen Reaktionen zu korrelieren scheint [9]. Es konnte jedoch gezeigt
werden, dass die Bestimmung von spezifischem IgE gegen individuelle Allergene
(z. B. Omega-5-Gliadin im Weizen) besser mit der klinischen Aktualität der Allergie korreliert [18]. Auf die Komponenten­
dia­gnostik wird im Artikel über die wichtigsten Allergene näher eingangen.
Der Haut-Prick-Test sollte mit nativen
Nahrungsmitteln durchgeführt werden
[19]. Als Prick-zu-Prick-Test kann er auch
bei festen Nahrungsmitteln wie Nüssen
angewendet werden. Auch für den HautPrick-Test wurden „decision points“ errechnet [28].
Der Atopy-Patch-Test wurde von einigen Autoren in der Diagnostik von Nahrungsmittelallergien verwendet [21]. Vergleicht man jedoch den enormen Zeitaufwand und die Subjektivität der Beurteilung dieses Testes mit dem geringen
zusätzlichen Informationsgehalt für die
Entscheidung einer oralen Provokation,
so kann der APT für die Routinediagnostik nicht generell empfohlen werden [10].
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Eine diagnostische Diät ist sinnvoll, um
zu überprüfen ob eine Besserung oder ein
Ausbleiben der Symptome unter Allergenkarenz eintritt. Bei spezifischem Verdacht eines bestimmten Nahrungsmittels
wird eine Eliminationsdiät duchgeführt,
d. h. dieses eine Nahrungsmittel wird aus
dem Speiseplan des Kindes herausgenommen. Ohne einen spezifischen Hinweis wird das Kind vor der Provoka­tion
für ungefähr eine Woche auf eine oligoallergene Basisdiät gesetzt.
Der „Goldstandard“ der Nahrungsmittelallergie-Diagnostik ist die doppel-blind
plazebo-kontrolliert durchgeführte orale Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC)
[15]. Generell verfolgen Nahrungsmittelprovokationen zwei Ziele:
n Entdeckung verursachender Allergene
und deren zukünftige Vermeidung, um
klinische Symptome zu verhindern.
nBeweis, dass Nahrungsmittel für die
Symptome keine Rolle spielen, und
damit Verhinderung von unsinnigen
Indikationen für die
stationäre Durchführung von
oralen Provokationstestungen
 Bedrohliche Reaktionen in der Anam­nese (z.B. Anaphylaxie)
(wegen des Risikos von erneuten
schweren Reaktionen)
 Klinische Reaktion nicht abschätzbar
(z.B. Sensibilisierung, Nahrungsmittel
bisher nicht bekommen)
(wegen des Risikos von schweren
­Reaktionen)
 Subjektive Symptome (z.B. Bauch­
grummeln, Zungenbrennen, Herz­
klopfen)
(wegen der besseren Objektivierbarkeit)
 Schwere Atopische Dermatitis
(Schwierigkeit der Beurteilung)
(wegen der objektiveren und externen Beurteilung)
Tab. 3
5
Einführung
Vorschlag zum Vorgehen bei Verdacht auf
nahrungsmittel-abhängige Symptome
Verdacht auf nahrungsmittel-abhängige Symptome
spezifisches IgE und/oder SPT
positiv und
Soforttyp
Symptome
oberhalb
„Decision point“
negativ
unterhalb
„Decision point“
orale Provokation
positiv
spezifische
Elimination
spezifische
Elimination
spezifische
Elimination
negativ
keine Diät
Abb. 1
oder gar gefährlichen diätetischen Einschränkungen.
Verschiedene Standardisierungsvorschläge oraler Nahrungsmittelprovoka­
tio­nen für Kinder mit allergischen Frühreaktionen wurden beschrieben [4, 13]. Indikationen für eine primär stationäre Abklärung sind in Tab. 3 aufgeführt. Unkonventionelle diagnostische Maßnahmen
können nichts zur Diagnostik der Nahrungsmittelallergie beitragen [14]. Abb.
1 zeigt ein Flussschema für ein mögliches
diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf
Nahrungsmittelallergie im Kindesalter.
Therapie
Für die Behandlung der Nahrungsmittelallergie gibt es bisher keine kausale
Therapie. Die Durchführung einer Eliminationsdiät mit Vermeidung des entsprechenden Allergens ist nach wie vor die
einzig Erfolg versprechende Therapie­
option. Diätempfehlungen für Elimina­
tionsdiäten sind im Kindesalter in der Regel nur für 12 (bis 24) Monate gültig – da-
6
nach muss die klinische Aktualität neu
evaluiert werden. Ärztlich verordnete Diätempfehlungen sollten nur in Form einer ausführlichen Diätberatung durch
geschulte Ernährungsfachkräfte umgesetzt werden. Insbesondere bei der Kuhmilchallergie muss für adäquaten Ersatz,
z. B. eine extensiv hydrolysierte Formula
(eHF) oder eine Aminosäuren-Formula
(AAF), gesorgt werden.
Neben der diätetischen Beratung sollte
der Patient in der Behandlung eines potenziellen Notfalls geschult werden. Patienten, die frühere anaphylaktische Reaktionen hatten, unter Asthma bronchiale leiden oder allergisch gegen Erdnüsse, Nüsse, Fisch oder Schalentiere sind,
haben ein erhöhtes Risiko, einen anaphylaktischen Schock zu bekommen. Diese
Patienten sollten immer einen AdrenalinAutoinjektor mit sich führen und bei den
ersten Anzeichen einer systemischen Reaktion einsetzen [24].
Eine weitere Option wäre die Behandlung von Nahrungsmittelallergikern mit
humanisierten Anti-IgE-Antikörpern [9].
Sie konnten die Schwelle allergischer
Reak­tio­nen bei einer versehentlichen
Aufnahme von Erdnüssen erhöhen. Allerdings waren in dieser Studie ein Viertel
der Patienten „Non-Responder“.
Ein Ansatz zur kausalen Therapie ist
die spezifische orale Toleranzinduk­tion
(SOTI) [17, 22, 26, 27]. Obwohl erste Berichte vielversprechend sind, müssen
größere, prospektive Studien durchgeführt werden, um die Wirksamkeit und
Nebenwirkungsrate zu evaluieren. Risikoallergene wie Erdnüsse mögen dabei aufgrund von unabsehbaren und schweren
Nebenwirkungen weniger geeignet sein
als die klassischen frühkindlichen Nahrungsmittelallergene Kuhmilch oder Hühnerei.
Prognose
Die Prognose der Nahrungsmittelallergien scheint abhängig vom Nahrungsmittel und dem Manifestationszeitpunkt zu
sein. Frühkindlich manifest gewordenen
Nahrungsmittelallergien (z. B. gegen
Milch und Ei) haben generell eine bessere Prognose: Die meisten Kinder werden innerhalb weniger Jahre klinisch tolerant, d. h. ungefähr 80 Prozent der Kinder mit einer Kuhmilchallergie bis zum
Schulalter [1, 7]. Bei der Erdnussallergie
sieht das dagegen anders aus. Hier haben
die meis­ten Patienten eine lebenslange
Allergie und nur ein kleiner Teil wird über
die Zeit tolerant [8].
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. med. Bodo Niggemann
DRK-Kliniken Berlin | Westend
Hedwig-von-Rittberg-Zentrum
Pädiatrische Allergologie und Pneumologie
Spandauer Damm 130, 14050 Berlin
E-Mail: [email protected]
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
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Literatur: 1 Isolauri E, Sütas Y, Mäkinen-Kiljunen S, Oja S, Isosomppi R, Turjanmaa K: Efficacy and safety of hydrolyzed cow
milk and amino acid-derived formulas in infants with cow milk allergy. J Pediatr 1995; 127: 550-557. 2 Hill DJ, Murch SH,
Rafferty K, Wallis P, Green CJ: The efficacy of amino acid-based formula in relieving the symptoms of cow’s milk allergy: a
systematic review. Clinical and Experimental Allergy 2007; 37: 808-822. 3 De Boissieu D, Matarazzo P, Dupont C: Allergy to
extensively hydrolyzed cow milk proteins in infants: Identification and treatment with an amino acid-based formula. J Pediatr
1997; 131 : 744-747. 4 Sicherer SH, Noone SA, Barnes Koerner C, Christie L, Burks AW, Sampson HA: Hypoallergenicity
and efficacy of an amino acid-based formula in children with cow’s milk and multiple food hypersensitivities. J Pediatr 2001;
5: 688-693. 5 Niggemann B, Binder C, Dupont C, Hadji S, Arvola T, Isolauri E: Prospective, controlled, multi-center study on
the effect of an amino-acid-based formula in infants with cow‘s milk allergy/intolerance and atopic dermatitis. Pediatr Allergy
Immunol 2001; 12: 78-82. 6 Konsensuspapier der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE),
der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und der Ernährungskommission der Deutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) (2009). Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie.
Monatsschr Kinderheilk 2009; 157:687-691.
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Die zehn wichtigsten Nahrungsmittel,
die Allergien auslösen können
Eine Übersicht inklusive komponenten-basierter Allergiediagnostik
Lars Lange, St.-Marien-Hospital Bonn
Die Vielfalt der Nahrungsmittel heutzutage ist unüberschaubar. Gerade im Kleinkindesalter muss sich das Immunsystem
ständig mit neuen Proteinen auseinandersetzen, die über den Gastrointestinaltrakt aufgenommen werden.
Trotzdem ist die Liste der Nahrungsmittel, die häufig Allergien auslösen,
übersichtlich. Die­se Liste ist dabei abhängig von den örtlichen Ernährungsgewohnheiten. So ist zum Beispiel in Singapur Vogelnestersuppe das häufigste allergieauslösende Nahrungsmittel.
In dieser kurzen Übersicht werden die
zehn Nahrungsmittel und -gruppen vorgestellt, die für mitteleuropäische Kinder und Jugendliche relevant sind. Zusätzlich sollen die Allergenkomponenten, die für die Diagnostik der jeweiligen
Nahrungsmittel bedeutsam sind, vorgestellt werden.
Als Orientierung werden in einem Glossar zu diesem Artikel die für die Nahrungsmittelallergie wesentlichen Allergenfamilien kurz erläutert.
1. Kuhmilch
Kuhmilch ist nach
wie vor das am häufigsten zu Allergien
führende Nahrungsmittel im Säuglingsund ­K leinkindalter.
In der Regel ist es
das erste Allergen,
mit dem der Säugling in Form einer
Kuhmilch-Formulanahrung in Kontakt
8
kommt. Die Sensibilisierungen entstehen unter anderem durch Übertragung
von Proteinen über die Muttermilch oder
die perorale Aufnahme, möglicherweise
vor allem bei nur kurzfristiger oder intermittierender Gabe.
Die Kuhmilchallergie spielt eine große
Rolle bei Säuglingen mit Atopischem Ekzem. Sie stellt hierbei einerseits einen wesentlichen Aggravationsfaktor des Ekzems dar, kann andererseits aber auch
Sofortreaktionen hervorrufen.
Neben den IgE-vermittelten Reaktio­
nen kommen nicht-IgE-vermittelte gastrointestinale Reaktionen vor. Das vorherrschende Krankheitsbild hierbei ist
die allergische Enterocolitis, die in erster
Linie bei Säuglingen zu blutiger Diarrhoe
und Dystrophie führen kann.
Hauptallergene der Kuhmilch sind Kasein, Alpha-Lactalbumin und Beta-Lactoglobulin. Während die letzten beiden
weitgehend hitzelabil sind, ist ersteres
relativ hitzestabil. Bei einem relevanten
Anteil der Patienten ist eine Verträglichkeit gekochter bzw. gebackener Milch gegeben.
Eine sichere Vorhersage der Reak­
tion mit Hilfe der Bestimmung einzelner
Aller­genkomponenten ist nicht zuverlässig möglich. Es besteht eine hohe Rate
an klinisch relevanten Kreuzreaktionen
zu anderen Tiermilchen wie Schafs- oder
Ziegenmilch.
Die Prognose der Kuhmilchallergie ist
gut. Bis zu 80 Prozent der Kinder haben
bis zum fünften Lebensjahr eine Toleranz
entwickelt.
2. Hühnereiweiß
Hühnerei ist das
zweithäufigste allergieauslösende Nahrungsmittel in den
ersten Lebensjahren.
Je nach untersuchtem
Kollektiv sind bis zu
40 Prozent der Kinder mit einem Atopischen Ekzem sensibilisiert.
Eine Sensibilisierung ist häufig vorhanden, ohne dass eine bewusste Exposi­tion
stattgefunden hat oder dass den Eltern
klinische Reaktionen erinnerlich sind. Der
Weg der Exposition bleibt somit meist unklar. Mögliche versteckte Kontakte finden
über Muttermilch oder sogar den eihaltigen Küchenstaub statt.
Klinische Reaktionen sind zumeist typische IgE-vermittelte Sofortreaktionen
mit Urtikaria und Erbrechen. Auch eine Verstärkung eines vorhandenen
Atopischen Ekzems ist nicht selten.
Die Hauptallergene sind Ovalbumin
und Ovomucoid. Letzteres ist hitzestabil, ersteres hitzelabil. Auch beim Hühnerei kann häufig eine selektive Verträglichkeit von gebackenem Ei vorliegen. Genau
wie bei der Milch ist eine Vorhersage der
Reaktionsart durch serologische Diagnostik nicht zuverlässig möglich. Relevante
Kreuzreaktionen sind selten.
Die Prognose der Hühnereiallergie ist
gut. Eine Toleranzentwicklung bis zum
Schuleintritt ist in rund 70 Prozent der Fälle zu erwarten.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
3. Erdnuss
Erdnuss ist ein häufiges Allergen vom
Säuglings- bis zum Jugendalter. Rund zehn
Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen sind sensibilisiert. Zweijährige
deutsche Kinder mit Atopischem Ekzem
sind häufiger gegen Erdnuss als gegen
Kuhmilch sensibilisiert. Sensibilisierungswege sind neben der Muttermilch auch
die Expositionen über die Haut, besonders wenn deren Barriere gestört ist. So
kommt es zu Reaktionen, bevor eine bewusste Exposition stattgefunden hat.
Eine Erdnussallergie führt teilweise
schon bei Exposition gegenüber kleinen
Mengen zu lebensbedrohlichen allergischen Sofortreaktionen und stellt daher
eine besondere Gefahr dar. Die meisten
lebensbedrohlichen anaphylaktischen
Reaktionen auf Nahrungsmittel werden
durch Erdnuss verursacht.
Die Erdnuss ist eine Hülsenfrucht und
daher keine Nuss im eigentlichen Sinne.
Kreuzreaktionen treten zu anderen Hülsenfrüchten wie Soja und häufiger Lupine auf. Häufig werden Ko-Sensibilisierungen zu Baumnüssen beobachtet, in
ca. 20 bis 30 Prozent der Fälle besteht eine Nuss­aller­gie. Klinisch oft irrelevante
serologische Kreuzreaktionen treten sowohl bei Gräserpollen- als auch bei Birkenpollenallergien auf.
Hauptallergene sind unter anderen die
Speicherproteine Ara h 1–3 und das PR10-Protein Ara h 8. In den letzten Jahren
konnte gut belegt werden, dass Sensibilisierungen gegen Ara h 2 mit großem prädiktiven Wert das Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen vorhersagen. Das
Fehlen einer Sensibilisierung gegen Ara
h 2 und Nachweis von IgE gegen Ara h 8
weist auf eine – in der Regel klinisch irrelevante – serologische Kreuzreaktion zur
Birke hin. Die Erdnussproteine sind hitzestabil und ihre Allergenität wird durch
Rösten noch gesteigert. Die Prognose der
Erdnussallergie ist eher ungünstig. Nur
rund 20 Prozent der Kinder entwickeln
eine Toleranz.
4. Haselnuss und
andere Schalenfrüchte
Zu den deklara­
tions­pflichtigen Schalenfrüchten zählen
Haselnüsse, Walnüsse,
Paranüsse, Pistazien,
Cashewkerne, Macadamianüsse, Pekannüsse und Mandeln.
In der Gruppe der Schalenfrüchte ist die
Haselnuss in Deutschland das relevanteste Allergen. Allergien gegen Haselnüsse
und andere Schalenfrüchte kommen sowohl als primäre als auch als sekundäre
Nahrungsmittelallergien, also als Folge
einer Kreuzreaktion zu einem Aeroallergen, vor. Dementsprechend reicht das
Spektrum der klinischen Reaktionen von
einem milden oralen Allergiesyndrom bis
zum anaphylaktischen Schock, der auch
Todesfälle mit einschließt.
Relevante Allergenkomponenten der
Haselnuss sind Cor a 1 und Cor a 8. Während Ersteres ein PR-10-Protein ist, gehört
Letzteres zu den hitzestabilen Lipid-Transfer-Proteinen. Kreuzreaktionen zwischen
den Baumnüssen sind serologisch die Regel und auch klinisch oft relevant. Sie beruhen auf den Speicherproteinen wie zum
Beispiel Cor a 9 aus Haselnuss. Über die
Prognose der Baumnussallergien ist wenig bekannt, sie scheint aber kaum güns­
tiger als die der Erdnussallergie zu sein.
5. Fisch
Allergien gegen
Fisch-Proteine können bereits im Säuglingsalter auftreten.
Es sind sowohl klassische IgE-vermittel­te
Sofortreak­tio­nen als
auch Nicht-IgE-ver­mittelte gastrointestinale Reak­tio­nen
beschrieben. Die Reaktionen treten gelegentlich schon beim ersten Kontakt und
bei Exposition gegenüber kleinen Mengen, zum Beispiel als Küchenaerosol auf.
Damit ist das Anaphylaxie-Risiko eines
Fischallergikers bei unbewusstem Kontakt hoch.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Das Hauptallergen ist Parvalbumin, ein
Protein aus der weißen Muskulatur des
Fisches. Es ist hitzestabil, wird aber durch
Eindosen zerstört. Es ist in den meisten
Fischsorten in relevanter Menge vorhanden. Klinisch relevante Kreuzreaktionen
bestehen unter anderem häufig zwischen
Fischen, die viel Parvalbumin enthalten
wie Dorsch, Lachs, Seelachs, Hering und
Scholle, hingegen nur selten zu Thunfisch
oder Schwertfisch. Eine Bestimmung des
IgE gegen Parvalbumin kann also den
Grad der Kreuzreaktionen vorhersagen.
Hierfür steht rGad c 1 als Parvalbumin aus
Dorsch und Cyp c 1 aus Karpfen zur Verfügung. Monosensibilisierungen gegen
andere Fischproteine und damit Speziesspezifische Allergien sind seltener. Eine
Kreuzreaktion zu Schalentieren besteht
nicht. Über die Prognose der Fischallergie ist wenig bekannt.
6. Weizen
Weizensensibilisierungen werden häufig bei Säuglingen mit
Atopischem Ekzem
gefunden. In derartigen Fällen kann Weizen ein relevanter
Triggerfaktor des Ekzems sein. IgE-vermittelte Soforttyp-Reaktionen sind seltener. Eine Weizenallergie kann bei Jugendlichen Auslöser einer
„Exercise-Induced-Anaphylaxis“ sein; in
diesen Fällen lässt sich häufig eine Sensibilisierung gegen Omega-5-Gliadin nachweisen, ein Protein des Weizens.
Bei Gräserpollenallergie ist eine serologische Kreuzreaktion möglich, die in der
Regel klinisch nicht relevant ist. Klinisch
relevante Kreuzreaktionen zu Dinkel sind
sicher nachgewiesen, zu anderen glutenhaltigen Getreidesorten möglich, aber im
Einzelfall zu überprüfen.
7. Soja
Soja spielt als klinisch relevantes Aller­­gen in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Sowohl IgE- als auch nicht IgEvermittelte Reaktionen sind möglich. Etwa 15 Prozent der Kinder mit Kuhmilch­
9
allergie entwickeln
bei Umstellung auf
Soja eine Sojaallergie.
Da Soja eine Hülsenfrucht ist, ist oft eine klinisch irrelevante
serologische Kreuzreaktion bei Erdnussallergie gegeben. In Soja findet sich aber
auch ein PR-10-Protein, Gly m 4. Sensibilisierungen gegen Gly m 4 können bei
Birkenpollenallergikern bei raschem Konsum hoher Allergenmengen zu anaphylaktischen Reaktionen führen. Hierbei ist
relevant, dass Gly m 4, anders als andere
PR-10-Proteine, weitgehend diges­tions­
stabil ist. Die Ernährung von Säuglingen
mit sojabasierten Formulanahrungen
wird – auch bei gesicherter Kuhmilch­
aller­gie – im ersten Lebensjahr nicht mehr
empfohlen.
8. Apfel
Allergien gegen
Apfel treten mit zunehmendem Lebensalter häufiger auf. Ursache ist eine sekundäre Nahrungsmittelallergie bei Birkenpollenallergie. Dementsprechend ist die auftretende Symptomatik in der Regel ein orales Allergiesyndrom. Da die meisten pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergene hitzelabil
sind, kann von diesen Patienten gekochter Apfel problemlos verzehrt werden.
Da die unterschiedlichen Apfelsorten unterschiedliche Mengen des PR-10-Proteins Mal d 1 enthalten, werden sie unterschiedlich gut vertragen.
Anaphylaktische Reaktionen auf Äpfel sind selten. Diese wurden gehäuft bei
Patienten in den Mittelmeerländern beobachtet. Das relevante Allergen im Apfel ist in diesen Fällen ein hitze- und digestionsstabiles Lipid-Transfer-Protein,
Mal d 3.
9. Karotte
Auch die Karotte ist ein birkenpollen­
assoziiertes Nahrungsmittel und wird da-
10
mit erst nach Auftreten einer Birkenpollenallergie relevant.
Die Reaktion ist meist
ein mildes orales Al­
ler­giesyndrom bei Genuss roher Karotten.
Primäre Nahrungsmittelallergien gegen Karotte sind eine
Rarität. Die Vermutung vieler Eltern, dass
bei Säuglingen mit Atopischem Ekzem eine Karottenallergie besteht, ist diagnostisch in der Regel nicht nachvollziehbar.
Säuglinge sollten daher weiterhin im Rahmen der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Mahlzeit früh Karotte erhalten.
Glossar
PR-10-Proteine
PR-10 Proteine sind Eiweiße, die im
Pflanzenreich weite Verbreitung finden.
Allergien gegen diese Eiweiß-Familie
beruhen hierzulande zumeist auf einer
Allergie gegen Frühblüher-Pollen, allen
voran gegen das Birkenpollenprotein Bet
v 1. Die kreuzreaktiven NahrungsmittelAllergene sind zumeist labil gegen Erhitzen und Verdau und finden sich vor
allem in Obst und Gemüse, aber auch in
Nüssen und Hülsenfrüchten.
Speicherproteine
Speicherproteine sind Eiweiße, die vor
allem in Saaten zu finden sind. Es gibt
verschiedene Klassen von Speicherproteinen. Sie sind die relevanten Majorallergene in Hülsenfrüchten und Schalenfrüchten und für die meisten anaphylaktischen
Reaktionen in unseren Breiten zuständig.
Speicherproteine sind weitgehend stabil
gegen Erhitzung und Verdau.
10. Schalentiere
Eine Allergie gegen
Schalentiere (Garnelen, Muscheln etc.) ist
im Kindesalter selten
und tritt erst ab dem
Jugendlichenalter auf.
Das relevante Allergen ist Tropomyosin,
ein Allergen, das auch in Hausstaubmilben vorkommt. Klinisch relevante Reaktionen bei Hausstaubmilben-allergischen
Kindern sind aber die Ausnahme.
Das Wissen um die Eigenschaften der
unterschiedlichen Nahrungsmittel und
deren Allergene ist eine wichtige Hilfe bei
der Erhebung einer differenzierten Anamnese. Diese ist immer die Basis der Diagnosestellung und hat das Ziel, einerseits
Gefahren rechtzeitig zu erkennen und
andererseits unnötige Diäten zu vermeiden.
Lipid-Transfer-Proteine
Lipid-Transfer-Proteine sind Eiweiße, die
vor allem bei Menschen in Südeuropa als
Majorallergene bei Nahrungsmittelallergenen zu finden sind. Da sie stabil gegen
Erhitzung und Verdau sind, können sie
für anaphylaktische Reaktionen verantwortlich sein, sofern eine Sensibilisierung
vorliegt.
Dr. med. Lars Lange
St.-Marien-Hospital Bonn
Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin
Robert-Koch-Str. 1, 53115 Bonn
E-Mail: [email protected]
Literatur
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Erkrankungen. Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). www.kiggs.de
[2] De Benedictis FM, Franceschini F, Hill D, Naspitz
C, Simons FER, Wahn U, Warner JO: The allergic
sensitization in infants with atopic eczema from different
countries. Allergy 2009: 64: 295–303
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Germany.Allergy 2005; 60 (11): 1440–5.
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Household peanut consumption as a risk factor for peanut allergy. J Allergy Clin Immunol 2009; 123: 417–23.
[5] Nowak-Wegrzyn A, Bloom KA, Sicherer SH, Shreffler
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J Allergy Clin Immunol 2008; 122: 342–7.
[6] Matsuo H, Dahlstrom J, Tanaka A, Kohno K, Takahashi H, Furumura M, Morita E: Sensitivity and specificity
of recombinant omega-5 gliadin-specific IgE measurement for the diagnosis of wheat-dependent exerciseinduced anaphylaxis Allergy 2008: 63: 233–236.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Manual
Orale Nahrungsmittelprovokationen
bei Verdacht auf eine
Nahrungsmittel­allergie
im Säuglings- und Kindesalter
AG Nahrungsmittelallergie der GPA
1. Vorwort:
Dieses Manual zu oralen Nahrungsmittelprovokationen versteht sich als „Kochbuch“ und findet vor allem Anwendung
bei Verdacht auf IgE-vermittelte Reak­tio­
nen auf Nahrungsmittel. Nicht IgE-vermittelte Reaktionen (z. B. ausschließlich
gastrointestinale Symptome) erfordern
meist ein anderes diagnostisches Prozedere (wenngleich auch hier orale Nahrungsmittelprovokationen unerlässlich
sind).
Der stichwortartige Schreibstil soll ein
rasches Nachschlagen erleichtern.
2. Ziele und Indikationen von
oralen Provokationstestungen:
 Überprüfung der klinischen Relevanz
zur Unterscheidung zwischen Sensibilisierung und klinisch aktueller Nahrungsmittelallergie. Besonders relevant
ist diese Unterscheidung bei der Verordnung von Diäten und Spezialnahrungen, z. B. extensiv hydrolysierter Formula (eHF) oder Aminosäuren-Formula
(AAF).
 Beurteilung der klinischen Relevanz einer gefundenen Sensibilisierung bei
einem Nahrungsmittel, das wissentlich
vorher noch nicht gegessen wurde.
 Ziel ist eine Ja- oder Nein-Antwort einer
klinischen Reaktion auf ein Nahrungs-
mittel, eine sichere Diagnosestellung
bei bisher fehlender, insuffizienter oder
widersprüchlicher allergologischer Dia­
gnostik sowie die Überprüfung oder
die Widerlegung von fragwürdigen Befunden.
Neben der Ja/Nein-Antwort ist für
manche Nahrungsmittel eine grobe
Schwellenwertabschätzung als Maß
des vorhandenen Schweregrades, zur
Risikoabschätzung eines anaphylaktischen Schocks oder zur Schwellenwertabschätzung als Grundlage eines
differenzierten Notfallplans möglich.
Dabei muss allerdings beachtet werden, dass Augmentationsfaktoren im
täglichen Leben trotzdem eine starke
Reaktion hervorrufen können.
 Verhinderung von unnötigen oder gefährdenden Einschränkungen der Ernährung aufgrund von „Altbefunden“,
einer nicht ausreichend detaillierten
Allergiediagnostik oder ideologisch geprägten Diäten der Eltern.
 Verhinderung nichtadäquater Notfallmedikation bei fraglicher Befundlage.
 Bei gegebener Sensibilisierung vor einer möglichen Exposition eines bisher
nicht verabreichten Nahrungsmittels
(z. B. vor Beginn des Kindergartenbesuches).
 Überprüfung, ob nach einer Zeit der
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Allergenkarenz inzwischen eine Toleranz eingetreten ist.
3. Kontraindikationen:
 Sichere kürzliche Anaphylaxie auf das
entsprechende Nahrungsmittel (unnötige, mögliche Gefährdung des Patienten).
 Die Vermeidung des Nahrungsmittels
ist problemlos möglich.
Provokation, aus der keine Konsequenzen gezogen werden (z. B. im Hinblick auf therapeutische Diät, NotfallSet, Schulung).
 In der Regel ist eine Indikation zur
oralen Provokation zur Abklärung von
Oralen Allergie-Symptomen (OAS) im
Rahmen von pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien (PAN) nicht gegeben.
4. Anzahl der zu testenden
­Nahrungsmittel:
 Obwohl vor allem bei Kindern mit Ato-
pischem Ekzem häufig multiple Sensibilisierungen vorliegen, ist die Zahl
von klinisch relevanten Nahrungsmitteln gering (d. h. meist nur ein bis drei
Nahrungsmittel bei einem Kind).
 Aus Praktikabilitätsgründen sollte ein
Patient nicht mehr als eine Woche stationär verbringen, d. h. es werden in der
11
Manual
Regel je nach Provokationsmodus ein
bis vier Nahrungsmittel getestet.
 Sollten mehr Provokationen notwendig sein, kann ein zweiter Aufenthalt
geplant werden.
5. Probleme von oralen
­Provoka­tions­testungen:
 Bei
anamnestisch dringendem Verdacht auf Vorliegen einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie und
negativem Ergebnis in der oralen Provokation muss an sogenannte „Augmentationsfaktoren“ gedacht werden. Darunter versteht man Umgebungsfaktoren, die die Schwelle einer
allergischen Reaktion (u. U. drastisch)
senken können. Typische Augmenta­
tions­faktoren sind z. B. körperliche Anstrengung, Infekte (V. a. gastro-intestinale Infekte), bestimmte Medikamente
(wie nicht-steroidale Antiphlogistika),
Stress, Alkohol sowie gleichzeitiger Verzehr anderer Nahrungsmittel mit dem
vermuteten „krankmachenden“ Nahrungsmittel.
 Beim Atopischen Ekzem zeigen sich
oft Schwierigkeiten bei der Diagnostik, da multiple Sensibilisierungen vorliegen können, der zeitliche Abstand
zwischen Genuss des Nahrungsmittels
und den klinischen Reaktionen groß
sein kann und schließlich eine Ekzemverschlechterung schwieriger dem
Nahrungsmittel zuzuordnen ist als eine klassische allergische Sofortreak­
tion.
 Trotz gegebener IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie kann eine orale
Nahrungsmittelprovokation negativ
verlaufen. Gründe für falsch negative
Provokationen können sein: Antihistaminika wurden nicht abgesetzt, zu
geringer Allergengehalt der Provokationsdosen bei erhöhtem Schwellenwert, Nichterfassen einer zeitlich spät
einsetzenden Reaktion (Spätreak­tion),
Reaktionen treten erst bei länger­fris­ti­
ger Verabreichung auf, möglicherweise
auch das Induzieren einer Kurzzeittoleranz durch die verschiedenen rasch
verabreichten Titrationsdosen.
 Selten können bei oralen Nahrungsmittelprovokationen auch falsch posi-
12
tive Ergebnisse auftreten. Gründe hierfür können sein: Fehlinterpreta­tion von
Begleitsymptomen oder Krankheitssymptomen als positive „Reaktion“ auf
das gegebene Nahrungsmittel oder
Auftreten von Augmentationsfaktoren
während der Provokation.
6. Vordiagnostik:
 Die Anamnese kann Hinweise auf die
möglicherweise zu provozierenden
Nahrungsmittel ergeben. Während eine negative Anamnese meist eine gute
Voraussagekraft besitzt, gilt dies umgekehrt nicht bei Verdacht der Eltern
auf einen Zusammenhang zwischen
Genuss bestimmter Nahrungsmittel
und der Symptomatik.
 Ein Symptom-Nahrungsmittel-Tagebuch erlaubt manchmal die Zuordnung von bestimmten Nahrungsmitteln zu den Symptomen und erleichtert damit die Auswahl der zu provozierenden Nahrungsmittel.
 Die Bestimmung des Gesamt-IgE kann
weder eine Allergie ausschließen noch
beweisen. Sie kann lediglich dazu dienen, die Höhe der einzelnen spezifischen IgE-Konzentrationen besser
einzuschätzen. Bei sehr hohem Gesamt-IgE sind auch spezifische IgEs –
ohne klinische Relevanz – häufiger positiv.
 Die Bestimmung des spezifischen IgE
im Serum macht nur in sehr seltenen
Fällen eine Provokation überflüssig.
Dies konnte z. B. in einer deutschen
Studie nur für Hühnerei nachgewiesen werden, wobei ab einer Serumkonzentration von mindestens 12,6 kU/l
bzw. 59,2 kU/l eine 95-prozentige bzw.
99-prozentige Wahrscheinlichkeit einer positiven oralen Provokation vorlag und damit eine Provokation nicht
notwendig war.
 Obwohl der Haut-Prick-Test (SPT) mit
frischen Nahrungsmitteln durchgeführt eine mindestens genauso gute Sensitivität und Spezifität besitzt
wie das spezifische IgE im Serum, gilt
auch hier, dass nur in seltenen Fällen
eine orale Provokation allein durch
den SPT überflüssig ist. In einer deutschen Studie konnte gezeigt werden,
dass bei einem Quaddeldurchmesser
von 13 mm bzw. 17,8 mm für Hühnerei und 12,5 mm bzw. 17,3 mm für Kuhmilch eine 95-prozentige bzw. 99-prozentige Wahrscheinlichkeit einer positiven oralen Provokation vorlag und
damit eine Provokation nicht notwendig war.
Der Atopy-Patch-Test (APT) ist ein
Epikutantest, der mit Typ-1-Allergenen (z. B. Nahrungsmitteln) durchgeführt wird. Obwohl er als Einzeltest
im Vergleich zum IgE und SPT die bes­
te Vorhersagekraft besitzt, ist er aufgrund der sehr aufwändigen Durchführung und der schwierigen Beurteilung – selbst in Kombination mit den
IgE-Tests – nicht empfehlenswert, da
auch hiermit nur bei einer sehr kleinen
Zahl von Kindern eine orale Provoka­
tion überflüssig wird.
 Die Vordiagnostik sollte in kurzem Zeitabstand aktuell (z. B. innerhalb von drei
Monaten) vor Durchführung der Provokationstestung erfolgen.
 Ungesicherte Verfahren wie Bioresonanz, Cytotoxologischer Lebensmitteltest, Kinesiologie, die Bestimmung
des spezifischen IgG im Serum oder
die Irisdiagnostik haben keinen Platz
in der Diagnostik von vermuteten Reaktionen auf Nahrungsmittel.
 Das Überschreiten der Schwellenwerte
sowohl bei spezifischen IgE als auch
beim SPT beim individuellen Patienten
ist per se noch kein eindeutiger Ausschluss einer sinnvollen oralen Nahrungsmittelprovokation. Für die Bewertung spielen u. a. auch Verlauf des
sIgE und des Gesamt-IgE eine Rolle.
 Trotz aller Vordiagnostik gelingt es nur
in einzelnen Fällen, auf eine orale Provokationstestung zu verzichten.
7. Diagnostische Diäten vor
­Provokationstestung:
 Eliminationsdiät
= Weglassen eines
einzelnen, verdächtigten Nahrungsmittels, wenn ein spezifischer Verdacht
geäußert wird.
 Oligo-allergene Basisdiät = Reduk­tion
der Ernährung auf wenige (als wenig
allergen bekannte) Nahrungsmittel,
wenn zwar Nahrung mit Symptomen
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Nahrungsmittelallergie
Oligo-allergene Basisdiät
1. Getreide (Reis)
2. Fleisch (Lamm, Pute)
3. Gemüse (Blumenkohl, Broccoli,
Gurke)
4. Obst (Birne, Banane)
5. Fett (Raffiniertes Rapsöl, milchfreie Margarine)
6. Getränke (Mineralwasser, eHF,
AAF)
7. Gewürze (wenig Salz, Zucker)
Tab. 1: Vorschlag für eine oligo-allergene Basisdiät.
in Zusammenhang gebracht wird, aber
kein spezifisches Nahrungsmittel genannt werden kann (Beispiel in Tab. 1).
 Die Auswahl der einzelnen Diätform vor
einer Provokation richtet sich nach der
ausführlichen Anamnese durch einen
aller­gologisch versierten Arzt oder eine Ernährungsfachkraft.
8. Dauer der Eliminationsdiät vor
Provokation:
 Bei allergischen Sofortreaktionen reicht
eine ca. drei- bis fünftägige Elimina­
tions­diät.
 Bei Atopischem Ekzem sollte eine mindestens ein- bis zweiwöchige Elimination vorausgehen.
 Bei rein gastrointestinalen Symptomen
sollte eine zwei- bis vierwöchige Eliminationsdiät gewählt werden.
9. Ort der Durchführung einer
Provokationstestung:
 Kontrollierte
orale Nahrungsmittelprovokationen können (1.) ambulant
in der Praxis oder Klinik und (2.) sta­tio­
när durchgeführt werden – nicht jedoch zuhause.
 Ambulante Provokationen in der Praxis sind z. B. möglich, wenn das Kind
das Nahrungsmittel bisher gegessen
hat und (nach einer kurzen, z. B. einwöchigen Eliminationsdiät) die klinische
Relevanz auf ein mildes Atopisches Ekzem geprüft werden soll.
 Indikationen für eine Provokation in der
Klinik sind in Tab. 2 aufgeführt.
10. Zu erwartende klinische
­Reaktionen:
 Am häufigsten treten klinische Reak­tio­
nen an der Haut auf (Urtikaria, Schwellungen, Erythem, Ekzemverschlechterung), gefolgt von gastro-intestinalen
Symptomen (Erbrechen, Durchfall,
Bauchkrämpfe), weniger häufig Reaktionen an den Atemwegen (Asthma,
Stridor) und selten kardio-vaskulä­re
­Reaktionen (Blutdruckabfall, Ta­chykar­
die, Schock).
 Während oraler Nahrungsmittelprovokationen können allergische Früh- und
Spätreaktionen unterschieden werden.
 Frühreaktionen sind definiert als eine klinische Reaktion, die innerhalb
der ersten zwei Stunden nach der
Verabreichung auftritt. Typische Beispiele sind Urtikaria, juckendes Erythem, Symptome der allergischen
Rhinokonjunktivitis, Erbrechen oder
obstruktive Atemwegssymptome.
 Spätreaktionen umfassen klinische
Reaktionen, die zwischen zwei und
48 Stunden beobachtet werden. Dies
kann z. B. eine deutliche Ekzemverschlechterung beinhalten.
 Die zu erwartende klinische Reaktion
hat einen Einfluss auf die Planung und
Dauer der Provokationstestung: Bei zu
erwartenden Frühreaktionen kann alle
24 Stunden ein Allergen bzw. Plazebo
verabreicht werden, bei zu erwartenden Spätreaktionen alle 48 Stunden. Bei ausgebliebenen Reaktionen
am ersten Tag wird am Folgetag eine
kumulative Dosis eingesetzt, die sich
aus der Summe der Einzeldosen des
ersten Tages zusammensetzt.
11. Medikation vor und während
der Provokationstestung:
 Orale Antihistaminika sollten min­des­
tens 48 Stunden vor der Provokation
abgesetzt werden, da sie mögliche
allergische Reaktionen wirkungsvoll
verhindern können.
 Antientzündliche Externa zur Lokaltherapie des Atopischen Ekzem sollten auf
ein Minimum reduziert und dann wäh-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
rend der Provokation konstant gehalten werden (z. B. als Klasse-I-Steroid
oder Pimecrolimus einmal täglich).
12. Blockweiser Ansatz der
­Provokationen:
 In
der Regel können zwei Allergene
und ein Plazebo zu einem Block zusammengefasst werden (Abb. 1).
 Optimal (aber meist nicht realistisch)
ist ein Verhältnis von 1 Allergen :
1 Plazebo.
 Je subjektiver die Symptome sind (z. B.
isolierte Bauchschmerzen), desto mehr
Plazebo-Phasen müssen eingebaut
werden (z. B. 2 Plazebos : 1 Allergen).
13. Provokationsmodus:
 Offene Provokationen dienen zur ver-
gleichsweise schnellen Bestätigung
oder zum Ausschluss einer Nahrungsmittelallergie. Bei negativem Ausgang
und Berücksichtigung der Empfehlungen zur Zubereitung, Dosierung der
Provokationsmahlzeit und Begleitmedikation kann eine klinisch relevante
Reaktion weitgehend ausgeschlossen
werden.
 Offene Provokationen sind indiziert
bei:
 Vermuteter Soforttypreaktion (z. B.
bei Verdacht auf Anaphylaxie)
Nahrungsmittelallergie
Indikationen für stationäre
Provokationen
1. Anaphylaktische Reaktionen
in der Anamnese
(Risiko von erneuten schweren
Reaktionen)
2. Klinische Reaktion nicht
abschätzbar
(Sensibilisierung, NM bisher
nicht bekommen)
3. Schwere Atopische Dermatitis
(Schwierigkeit der Beurteilung)
4. Subjektive Symptome
(Bessere Objektivierbarkeit)
Tab. 2: Indikationen für stationär durchzuführende
Nahrungsmittelprovokationen.
13
Manual
 Doppel-blinde, plazebo-kontrollierte
Provokationen (DBPCFC) sind indiziert
bei:
 Unklarem Ausgang einer offenen
Nahrungsmittelprovokation
 Vermuteter Spättypreaktion bei Atopischer Dermatitis
 Unspezifischen oder atypischen Beschwerden (Unruhe, Bauch- oder Kopfschmerzen etc.)
 Generell gilt: Je älter ein Patient ist und
je größer die Unsicherheit bei Patient
und Eltern ist, desto eher sind DBPCFC
indiziert.
14. Provokationsdosierung:
 Die Verabreichung der Provokations-
mahlzeiten sollte in aller Regel titriert
erfolgen, um die Gefahr von schweren
allergischen Reaktionen zu minimieren.
 Zum Ausschluss eines falsch negativen
Provokationsergebnisses durch rasch
aufeinander folgende titrierte Gaben,
die eine schnelle orale Toleranzinduktion induzieren könnten, sollte am Folgetag oder vor der Entlassung aus dem
stationären Aufenthalt eine Gabe der
kumulativen Gesamtdosis als Einzeldosis erfolgen.
 Ausnahmen für eine Abweichung von
dieser Empfehlung ergeben sich bei
ausgeschlossener Soforttypreaktion
(z. B. bei regelmäßigem Verzehr und
Verdacht auf isolierte Spättypreak­tion
bei Ekzem nach kurzer Elimina­tion oder
bei rein subjektiven Beschwerden).
15. Titrationsstufen:
 In
der Regel werden sieben Konzentrationsstufen in halb-logarithmischer
Steigerung verabreicht. Für Kuhmilch,
Hühnerei, Soja und Weizen-Gluten
­können z. B. 0,003 g – 0,01 g – 0,03 g
– 0,1 g – 0,3 g – 1,0 g und 3,0 g Nahrungsmittelprotein verwendet werden.
Das entspricht z. B. bei Kuhmilch 0,1 ml
– 0,3 ml – 1,0 ml – 3,0 ml – 10 ml –
30 ml und 100 ml. Die Gesamtmenge
entspricht damit fast 150 ml frischer
unverdünnter Kuhmilch.
 Bei Nüssen und Erdnüssen kann mit
Dosen von 5 mg, 10 mg, 50 mg, 100
mg, 500 mg, 1 g und 5 g gesteigert
werden. Dies entspricht ca. 1/100 Erdnuss bis 10 Erdnüsse.
 Am nächsten (bzw. einem anderen) Tag
sollte eine kumulative Dosis, d. h. die
gesamte Menge der vorherigen Titrationsdosen, in einer Dosis verabreicht
werden, um nicht falsch negative Provokationsergebnisse zu erzielen.
16. Dauer des Intervalls zwischen
Titrationsstufen:
 30
Minuten haben sich als ein guter
DBPCFC
Tag 1
Provo
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Repet.
Provo
Repet.
Provo
Repet.
Provo
Beob­
achtung
Beob­
achtung
Beob­
achtung
z.B. Plazebo
Provo
z.B. Kuhmilch
Provo
z.B. Hühnerei
Abb. 1: Beispiel einer blockweise durchgeführten doppel-blinden, plazebo-kontrollierten Nahrungsmittelprovokation.
14
Kompromiss zwischen einer ausreichenden Zeit für mögliche Reaktionen
und dem Bedürfnis, die Provokationen
in einem praktikablen Zeittraum bei
teilweise nüchternem Kind abzuschließen, bewährt.
 Kürzere Intervalle als 20 Minuten sind
zu vermeiden, da kumulative Effekte
zu schweren Reaktionen führen könnten.
 Bei unklaren Situationen oder ana­
mnes­­ti­schen Hinweisen auf spätere
Reaktionen kann der Zeitraum von 30
Minuten hingegen problemlos auf z. B.
45 Minuten verlängert werden.
17. Praktische Durchführung:
 Die Verantwortung für die Planung und
sichere Durchführung einer Nahrungsmittelprovokation liegt beim indizierenden bzw. durchführenden Arzt.
 Die Aufgaben der allergologisch versierten Ernährungsfachkraft umfassen:
 Vor der Provokation eine ausführli­che
Ernährungsanamnese (Nahrungsprotokoll), um auch evtl. versteckt gegebene
Nahrungsmittel nicht zu übersehen, die
ggf. eine Provokation überflüssig machen.
 Beratung hinsichtlich der ernähungsphysiologischen Relevanz der zu tes­
tenden Nahrungsmittel bei multiplen
Nahrungsmittelallergien.
 Planung der Zubereitung im Hinblick
auf Neigungen/Abneigungen des Kindes nach Absprache mit den Eltern (v. a.
zur Verblindung der Nahrungsmittel).
 Zubereitung der Provokationsmahlzeiten („Blinden“, meist auch die Einteilung in die Provokationsstufen).
 Beratung der Patienten bei notwendiger Elimination hinsichtlich notwendiger Alternativen bzw. Nahrungsergänzungen.
 Verabreichung der Portionen an den
Patienten.
 Die Aufgaben des Arztes umfassen:
 Anordnung einer geeigneten Notfallmedikation in einer körpergewichtsadaptierten Dosis.
 Indikationsstellung und Anlegen einer Venenverweilkanüle.
 Untersuchung des Patienten vor Beginn der Provokation auf Infektfrei-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Soja Weizen
Ei Milch
heit und Freiheit von aller­
gischen Symptomen.
Mengenangaben einer titrierten oralen Provokationstestung
 Wiederholte Untersufür die vier häufigsten Nahrungsmittel
chung des Patienten, insbesondere zur Freigabe
NM
Provokationsstufe12 34567
Gesamt
der nächsten Provoka­
Volumen Milch (ml)
0.1
0.3
1.0
3.0
10.0
30.0
100.0 144.4
tions­dosis und bei Auftre
Volumen
BS
(ml)
0.1
0.3
1.0
3.0
10.0
30.0
100.0 144.4
ten von (fraglichen) Sym
Gesamtvolumen
(ml)
0.2
0.6
2.0
6.0
20.0
60.0
200.0 288.8
ptomen.
Protein
0.003
0.01
0.033
0.10.331.0
3.3 4.8
(g)
 Weitere Aufgaben (Nichtärztliche Überwachung
Volumen Ei (ml)
0.04
0.11
0.38
1.14
3.8
11.4
38.0
54.9
während der Provokation,
Volumen BS (ml) 0.160.49 1.624.8616.248.6162.0233.9
Verabreichung der Mahl
Gesamtvolumen (ml)
0.2
0.6
2.0
6.0
20.0
60.0
200.0 288.8
zeiten) können durch an
Protein (g)
0.005
0.0140.050.140.46 1.4 4.6 6.2
deres medizinisches Per
Volumen Weizen (ml)
0.1
0.3
1.0
3.0
10.0
30.0
100.0 144.4
sonal erfolgen, sofern
Volumen BS (ml)
0.1
0.3
1.0
3.0
10.0
30.0
100.0 144.4
dieses in der Erkennung
Gesamtvolumen (ml)
0.2
0.6
1.2
6.0
20.0
60.0
200.0 288.8
aller­gischer Soforttypbe
Protein (g)
0.003 0.008 0.028 0.083
0.28
0.83
2.8
4.0
schwerden ausreichend
geschult ist.
Volumen Soja (ml)
0.1
0.3
1.0
3.0
10.0
30.0
100.0 144.4
Volumen BS (ml)
0.1
0.3
1.0
3.0
10.0
30.0
100.0 144.4
Eine Überwachung des
Gesamtvolumen
(ml)
0.2
0.6
2.0
6.0
20.0
60.0
200.0 288.8
Kindes sowie die Gabe
Protein
0.004
0.0110.040.110.36
1.1
3.6 5.2
(g)
der Provokationsmahlzeit
durch die Eltern sind zu
Celik-Bilgili S, Clin Exp Allergy 2005; 35: 268–273
vermeiden (keine objektive Beurteilbarkeit gege- Tab. 3: Legende: Milch = Frische, pasteurisierte Kuhmilch, Ei = Pasteurisiertes Ei, Weizen = Weizenpulver (5 g/144.4 ml =
ben, ggf. psychische Be­ 4 g Weizenprotein), Soja = Frische, pasteurisierte Sojamilch, BS = Basislösung (z.B. Aminosäuren-Formula)
las­tung bei schwerer Reak­
tion nach Verabreichung des Aller­gens
wird (alternativ kann pasteurisiertes Ei
se darauf, dass manche Kinder mit Kuhdurch die Eltern).
verwendet werden).
milchallergie stark erhitze Milch (Waf Die Gabe der Mahlzeiten sollte bei Ver-  Einige Nahrungsmittel werden verarfeln, Muffins) vertragen können.
weigerung der Einnahme mit Nachbeitet oder so, wie sie üblicherweise
druck, aber ohne Anwendung von Gegegessen werden, verabreicht. Ein Bei- 19. Startdosis und Gesamtmenge
walt bzw. Hilfsmitteln wie Magensonde
spiel ist Kartoffel, die zwar beim Schä- des Allergens:
erfolgen. Bei Bedarf ist eine Änderung
len eine Kontakturtikaria auslösen  Die Startdosis, z. B. 0,1 ml, ist abhänder Zubereitung oder eine verzögerte
kann, aber nicht roh gegessen wird.
gig vom Nahrungsmittel und vom
Fortsetzung der Provokation möglich.  Da z. B. verarbeitete Kuhmilch, wie in
Schweregrad der zu erwartenden allerNotfalls muss die Provokation bei VerYoghurt oder Käse, bei einigen Kindern
gischen Reaktion.
weigerung abgebrochen werden.
mit Kuhmilchallergie oder während des  Bei zu befürchtenden starken Reak­tio­
 Wünschenswert ist das Vorliegen einer
Prozesses der natürlichen Toleranzentnen muss die Startdosis niedriger geEinverständniserklärung über das Aufwicklung vertragen werden kann, sollte
wählt werden, z. B. um eine Zehnerpoklärungsgespräch.
mit Frischmilch provoziert werden, da
tenz.
die maximale Gefährdung evaluiert  Als kumulative Gesamtdosis wird eine
18. Zubereitung des Aller­gens:
werden sollte und die therapeutische
durchschnittliche altersentsprechende
 Zur oralen Provokationstestung werdiätetische Empfehlung meis­tens ein
tägliche Einnahmedosis angestrebt
den in der Regel native Nahrungsmittel
vollständiges Meiden beinhaltet.
(z. B. 150 ml Kuhmilch, 1 Hühnerei, 1
verwendet. Individuelle Ernährungsge-  Bei positiver Kuhmilch-Provokation
Brötchen etc.).
wohnheiten, die sich aus der Anamnekönnen im Anschluss optional nach  Die Gesamtmenge muss die altersentse ergeben, sind für den Einzelfall zu
Diskussion mit der Familie zur Erleichsprechende, maximal aufnehmbare
beachten.
terung der Diät verarbeitete MilchproFlüssigkeitsmenge pro Einzeldosis be Am häufigsten werden die Nahrungsdukte getestet werden. Eine Reihenfolrücksichtigen.
mittel roh verabreicht. Dies gilt auch für
ge könnte sein: (a) Butter (Sauerrahm),  Die kumulative Dosis eines Tages beHühnerei, das z. B. in Mousse au choco(b) Käse (Hartkäse), (c) Sahne und (d)
trägt ca. 5 g Protein des entsprechen­
lat, Softeis oder Rührei roh genossen
Yoghurt. Neue Studien geben Hinweiden Nahrungsmittels (Beisp. in Tab. 3).
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
15
Manual
20. Basislösung:
 Für die Herstellung einer Provoka­tions­
lösung sollte eine möglichst niedrig
allergene Basislösung gewählt werden.
Dies wird im Säuglings- und Kleinkindesalter mit einer Aminosäuren-Formula (AAF, z. B. Neocate®) oder einer
extensiv hydrolysierten Formula (eHF,
z. B. Althera®) gewährleistet.
 Für Schulkinder und Jugendliche kann
Sinlac-Brei als Basislösung verwendet
werden. Bei der Wahl der Basislösung
(des Basisbreis) ist zu bedenken, dass
ein sehr hoher Fettanteil die allergene Eigenschaft des zu provozierenden
Proteins beeinflussen und somit falsch
negative Provokationsergebnisse verursachen kann.
Bei Hühnereiprovokation kann bei
kuhmilch-toleranten Kindern natürlich auch Kuhmilch als Plazebo verwendet werden, wenn eine entsprechende Verblindung ohne den bitteren
Geschmack des Hydrolysates gewährleistet werden kann.
 In der Regel beträgt der Anteil an Allergen und Plazebo 50 : 50, z. B. 10 ml AAF
plus 10 ml Kuhmilch = 20 ml Provoka­
tions­lösung (gilt nicht für alle Nahrungsmittel).
21. Blinden des Allergens,
­praktische Blindungs-Rezepte
für einzelne Nahrungsmittel
(z. B. Erdnuss):
 Optimalerweise sollten die Nahrungs-
mittel so verblindet werden, dass sie in
Bezug auf Geschmack, Farbe und Konsistenz vom Plazebo nicht unterscheidbar sind.
 Die Menge des Allergens kann altersabhängig sein (unterschiedliche Mengen für Kinder und Jugendliche, z. B.
Kuhmilch).
 Die unterschiedlichen Konsistenzen
(flüssig, fest) der Lebensmittel müssen bedacht werden, denn für die Zubereitung werden so homogene Lebensmittel wie möglich (z. B. gemörserte Erdnüsse) benötigt.
 Außerdem sollte für die weitere Verarbeitung (z. B. Pudding) die Hitzelabilität/Hitzestabilität der Allergene bekannt sein und beachtet werden.
16
 Folgende
Möglichkeiten können für
das Verblinden von Allergenen eingesetzt werden:
(a) Konsistenz:
 Flüssig = Aminosäuren-Formula
(AAF) oder extensiv hydrolysierte
Formula (eHF)
 Fest = Brei, Pudding (Sinlac, Reis schleim, Maisstärke)
(b) Geschmack / Geruch:
 eHF, AAF (bitter)
 Künstliche Aromen (z. B. Orange)
 Natürliche Aromen (z. B. Banane,
Kakao, Carob je nach Verträglichkeit)
 Süßen (z. B. Zucker)
 Gekühlt verabreichen
(c) Farbe / Aussehen:
β-Carotin
 z. B. Kakao, Karottensaft u. a. (je
nach Verträglichkeit)
22. Tageszeit:
Die
Nahrungsmittel bzw. Plazebos
sollten entweder nach einem die verdächtigten Allergene sicher nicht enthaltenden leichten Frühstück oder im
Nüchtern-Zustand verabreicht werden.
 Der Beginn sollte möglichst früh sein,
also am Morgen oder Vormittag – auch
aus stations-pragmatischen Gründen
(vier Stunden Dauer der Provokation
plus mindestens zwei Stunden Nachbeobachtung während der Kerndienstzeit des verantwortlichen Arztes).
23. Umgebungs­bedingungen:
 Die Provokation sollte in sicherer, ru-
higer Umgebung durchgeführt werden.
 Eine laute, hektische, unübersichtliche
Umgebung (Wartezimmer, Ambulanzflur) ist zu vermeiden.
 Eine zu „intensivmedizinische“ Atmosphäre (piepsende Monitore, Verkabelung mit mehreren Monitoren und aufgeregtes, zahlreiches Überwachungs­
personal) fördert die Angst insbesondere kleiner Kinder und damit eine
mögliche Verweigerungshaltung.
 Eine Möglichkeit zum ruhigen Spielen ist vorteilhaft zum Zwecke der Ablenkung des Kindes und Beobachtung
einsetzender Verhaltensänderungen.
Starke körperliche Anstrengung ist zu
vermeiden (Augmentationsfaktor).
 Begleitpersonen können zur Motiva­
tion eine vergleichbare Mahlzeit parallel zum Kind einnehmen.
 Das Begleitpersonal sollte das Kind und
die Eltern ruhig, freundlich und kompetent begleiten.
 Während der Provokation bis mindes­
tens zwei Stunden nach Beendigung
darf der Patient mit den Eltern die Station nicht verlassen bzw. muss immer
in Ruf- und/oder Sichtweite zum Überwachungspersonal bleiben.
 Der verantwortliche Arzt sollte eine
uneingeschränkte Erreichbarkeit und
im Bedarfsfall rasche Anwesenheit gewährleisten.
Praktisches Vorgehen während oraler Nahrungsmittelprovokationen
Klare Klinische
Reaktion
Stopp
Provokation
Fragliche
objektive
Reaktion
• Warte weitere
10 bis 20 min
oder
• Wiederhole
gleiche Dosis
Fragliche
subjektive
Reaktion
Keine
klinische
Reaktion
Gib eine
Plazebo-Dosis
Gib nächste
Dosis
Abb. 2
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Beispiel für ein Nahrungsmittel-Provokationsprotokoll
Essen des entsprechenden Nahrungsmittels oder (c) der Wiederholung der
Provokation (Tab. 4).
28. Monitoring:
 Für jede orale Nahrungsmittelprovo-
Abb. 3
24. Beobachtungszeit der
­klinischen Reaktion:
 Bei zu erwartenden allergischen Früh-
reaktionen (z. B. Urtikaria, Atembeschwerden) reicht eine 24-stündige
Beobachtungszeit.
 Bei zu erwartenden Spätreaktionen –
also immer bei Kindern mit Atopischem
Ekzem – sollte die Beobachtungszeit 48
Stunden betragen.
25. Kriterien zur Beendigung
­einer oralen Provokation:
 Bei Ausbleiben von klaren Reaktionen
wird die nächste Dosis bis zur Maximaldosis verabreicht.
 Bei objektiven Reaktionen wird die Provokation für positiv erklärt und beendet.
 Bei unklaren oder fraglichen Reak­tio­
nen kann entweder weitere zehn bis
20 Minuten beobachtet werden oder
die gleiche Dosis (vorerst keine Steigerung) noch ein zweites Mal verabreicht
werden (Abb. 2).
 Bei fraglichen, subjektiven Reaktionen
kann eine zusätzliche Plazebo-Dosis
eingeschoben werden.
 Bei Kindern mit Atopischem Ekzem
sollte der Schweregrad (a) vor der Provokation und (b) nach einer Reaktion
bestimmt werden, z. B. mit Hilfe des
SCORAD. Der SCORAD sollte auch bei
negativer Reaktion erhoben werden,
um dies zu objektivieren und zu dokumentieren. Damit eine Ekzemverschlechterung als positiv zu werten
ist, sollte sich der SCORAD um mindes­
tens 10–15 Punkte verschlechtern. Ideal
ist, wenn derselbe Arzt die wiederholte
Bestimmung des SCORAD durchführt.
26. Dokumentation der
­Provokationstestung:
 Jede Provokation muss mit Hilfe eines
geeigneten standardisierten Dokumentationsbogens kontrolliert und festgehalten werden; ein Beispiel ist in Abb.
3 gezeigt.
 Wichtig ist die mit Unterschrift dokumentierte Beurteilung des verantwortlichen Arztes nach 24 (und 48) Stunden
sowie für das Gesamtergebnis.
27. Vorgehen nach Entblindung:
 Nach
Abschluss der einzelnen Provokationsteile und Entblinden einer
­DBPCFC wird das weitere Vorgehen
festgelegt.
 Es gibt nur die Möglichkeit (a) eines
positiven Ergebnisses mit einer spezifischen Eliminationsdiät für einen festgelegten Zeitraum, (b) eines negativen
Ergebnisses mit dann regelmäßigem
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
kation muss ein Monitoring durch geschultes Personal und durch entsprechende technische Überwachungsgeräte gesichert werden.
Eine kontinuierliche PulsoximeterÜberwachung ist bei jeder potenziellen
Gefährdung eine Grundvoraussetzung
– zumindest für die Zeit der Provoka­
tion und der ersten zwei Stunden der
Beobachtungszeit.
 Jede nächste Provokations-Dosis muss
vom verantwortlichen Arzt freigegeben
werden. Dadurch wird gewährleis­tet,
dass zumindest der Allgemeinzustand
regelmäßig geprüft wird. Je nach zu erwartender Symptomatik wird dar­über
hinaus z. B. die Haut beurteilt oder die
Lunge auskultiert.
 Bei Risiko-Provokationen ist zusätzlich
eine regelmäßige RR-Messung zu fordern.
 Eine volle Monitorüberwachung auch
über Nacht ist nur selten nötig, z. B.
wenn ein Kind systemisch reagiert hat.
29. Sicherheitsmaßnahmen:
 Bei möglicher Gefährdung, aber auch
bei nicht sicher auszuschließender Gefährdung des Kindes durch eine orale
Nahrungsmittelprovokation sollte ein
intravenöser Zugang gelegt werden.
 Durch regelmäßiges Durchspülen wird
das sichere Funktionieren im Notfall gewährleistet.
DBPCFC
Verum
Plazebo
Prozedere
+
–
Eliminationsdiät
+
+
Testwiederholg.
–
–
Keine Diät
–
+
Keine Diät
Tab. 4: Vorgehen nach Entblindung von doppelblind, plazebo-kontrolliert durchgeführten Nahrungsmittelprovokationen.
17
Manual
 Mögliche Komplikationen von lang lie-
genden intravenösen Zugängen (z. B.
vier bis sechs Tagen) sind z. B. bei Kindern mit Atopischem Ekzem eine lokale Infektion bis hin zu Sepsis.
 Das Kind darf während der Provoka­tion
und für die ersten zwei Stunden der Beobachtungszeit die Station nicht verlassen und muss sich in Sicht- und Rufweite aufhalten.
 Geeignete Notfallmedikamente müssen bereitstehen (siehe dort).
30. Notfalltherapie:
 Für jeden zu provozierenden Patienten
muss eine individuelle Notfallmedikation bereit gestellt sein. Diese kann in
einer Schale oder Wanne zusammengestellt werden.
 Die Möglichkeit einer Sauerstoffversorgung sollte im Überwachungsraum
vorhanden sein.
 Eine Notfallmedikation besteht aus (1.)
Adrenalin (z. B. Autoinjektor und/oder
Suprarenin-Ampullen), (2.) Volumen
(z. B. 1000 ml NaCl 0,9 %), (3.) intravenösem Antihistaminikum (z. B. Fenistil
oder Tavegil Ampulle), und (4.) Glukokortikosteroid (z. B. Decortin Ampulle).
 Da die meisten Patienten, die bedrohlich allergisch auf Nahrungsmittel reagieren, Atemwegssymptome (Asthma
oder Stridor) aufweisen, muss ein elektrischer Vernebler bereit stehen (z. B.
2 ml NaCl 0,9 % plus 10 Tropfen Salbutamol) oder ein Dosieraerosol mit Inhalierhilfe vorhanden sein.
 Zu jeder Notfallmedikation gehört ein
individueller schriftlicher Plan mit körpergewichtsentsprechenden Dosierun­
gen.
 Bei potenziell bedrohlichen Provoka­
tio­nen (z. B. gefährlichen Nahrungsmitteln wie Nüssen und Erdnüssen oder
stärkeren Reaktionen in der Vergangenheit) muss die Medikation (v. a. das Adrenalin) aufgezogen und benutzungsbereit sein (alternativ kann ein Adrenalin-Autoinjektor bereit liegen). Ansons­
ten reicht es, wenn alles zur sofortigen
Zubereitung vorbereitet ist.
 Jeder provokations-verantwortliche
Arzt muss bei einer klinischen Reak­
tion des Patienten eine Abwägung zwi-
18
schen dem Nutzen und der Notwendigkeit einer medikamentösen Interven­
tion zur Symptomerleichterung und der
dadurch bedingten Beeinträchtigung
der Beurteilbarkeit bzw. der Verzögerung einer folgenden Provokation vornehmen.
 Bei respiratorischen oder kardiovaskulären Reaktionen ist eine medikamentöse Therapie jedoch immer notwendig.
31. Abschlussgespräch:
 Bei positiver Provokation erfolgt eine
entsprechende Beratung für eine Ernährungstherapie (Eliminationsdiät, Ersatznahrung) durch eine allergologisch
erfahrene Ernährungsfachkraft.
 Bei Kuhmilchallergie muss eine ernährungsphysiologisch adäquate Ersatznahrung bestimmt und evtl. ge­
testet werden (z. B. eHF oder AAF, Sojamilch).
 Bei negativer Provokation und vorliegender Sensibilisierung sollte das Nahrungsmittel in der Folge regelmäßig
gegessen werden (ungefähr zwei- bis
dreimal pro Woche). Dies konnte zumindest für Erdnuss als sinnvolle Empfehlung gezeigt werden.
 Bei Meiden mehrerer Nahrungsmittel
sollte von einer Ernährungsfachkraft
durch ein fünftägiges Ernährungsprotokoll geprüft werden, ob die verbleibenden Nahrungsmittel adäquat sind
oder ob eine Substitution (z. B. von Calcium) erfolgen muss.
32. Re-Provokationen:
Therapeutische
Eliminationsdiäten
werden bei den typischen frühkindlichen Allergenen wie Kuhmilch, Hühnerei und Weizen im Säuglings- und
Kleinkindesalter für mindestens zwölf
bis 18 Monate ausgesprochen.
 Danach muss die klinische Aktualität
neu überprüft werden (Re-Provoka­
tion), um nicht unnötig lange unter
Umständen einschneidende Diäten
einhalten zu müssen.
 Bei Nahrungsmitteln mit weniger güns­
tiger Prognose wie Baumnüssen und
Erdnüssen kann der Zeitabstand zur
Re-Provokation drei bis fünf Jahre betragen.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Bodo Niggemann
DRK-Kliniken Berlin | Westend
Hedwig-von-Rittberg-Zentrum
Pädiatrische Allergologie und Pneumologie
Spandauer Damm 130, 14050 Berlin
E-Mail: b.niggemann@drk-kliniken-berlin.
de
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Staden U, Nocon M, Beyer K, Niggemann B: The
predictive value of the skin prick test wheal size for
the outcome of oral food challenges. Clin Exp Allergy
2005; 35: 1220–1226.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Anzeige
Was tun bei Kuhmilchproteinallergie
im Säuglings- und Kleinkindalter?
Nahrungsmittelallergien sind die häufigste Form der Allergien. Bis zu 7,5 % aller
Säuglinge leiden unter einer Nahrungsmittelallergie. Meist sind Kuhmilchproteine die ersten potentiellen Nahrungsmittelallergene, mit denen ein Säugling
konfrontiert wird. Demzufolge ist die
Kuhmilchproteinallergie (KMPA) eine der
frühsten allergischen Manifestationen.
Derzeit wird die Häufigkeit der KMPA im
Säuglings- und Kleinkindalter in Deutschland auf ca. 2 bis 3 % der Bevölkerung beziffert, wobei auch ca. 0,5 % aller voll gestillten Säuglinge eine klinisch relevante
KMPA entwickeln.
Mit einer Erholungsrate von ca. 85–90 %
nach 3 Jahren ist die Verlaufsprognose
für im Säuglingsalter auftretende KMPA
gut. Dabei lässt sich feststellen: Je früher
Diagnose und Therapiebeginn erfolgen,
desto kürzer ist die Therapiedauer und umso eher wird Kuhmilch wieder toleriert.
Eine verzögerte Diagnose und ein verzögerter Therapiebeginn können hingegen das Wachstum des Säuglings beeinträchtigen.
Nahrungsmittelallergien äußern sich
durch eine Vielzahl verschiedener Symptome: dermatologische Symptome
wie Ekzeme, Urtikaria oder Hautausschlag, gastrointestinale Symptome wie
Diarrhoe, Obstipation, Übelkeit, Erbrechen und/oder respiratorische Symptome wie Husten und asthmoide Atmung.
Basis eines extensiven Hydrolysats (eHF)
oder freier nonallergener Aminosäuren
(AAF) bekommen. Bei der Entscheidung
für eine Therapienahrung nehmen potentielle Restallergenität, Nährstoffzusammensetzung und Akzeptanz durch den
Säugling Einfluss [1].
Spezialnahrungen
Aus dem Hause Milupa gibt es sowohl
eHF- als auch AAF-Spezialnahrungen:
l zur Unterstützung einer verlässlichen
Diagnose
l zur diätetischen Behandlung von Nahrungsmittelintoleranzen und/oder
Nahrungsmittelallergien wie z. B. der
KMPA
Aptamil Pepti ist eine extensive Hy-
drolysatnahrung (eHF) für Säuglinge
und Kleinkinder mit Nahrungsmittelallergien. Aptamil Pepti ist geeignet zur
ausschließlichen Ernährung von Säuglingen im 1. Lebenshalbjahr und zur ergänzenden Ernährung von Säuglingen nach
dem 6. Monat und Kleinkindern. Durch
das stark hydrolysierte Molkenprotein ist
Aptamil Pepti hypoallergen und leicht
resorbierbar.
Therapie
In einer doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchung an KMPA-Säuglingen konnte gezeigt werden, dass 97 %
der Säuglinge Aptamil Pepti sehr gut
tolerieren. Eine weitere klinische Studie mit 46 KMPA-Säuglingen belegt
eine reduzierte Prävalenz von Hautsymptomen wie Neurodermitis, nicht zu
beruhigendem Schreien, Koliken und Erbrechen nach 10-wöchiger Intervention
mit Aptamil Pepti (siehe Grafik) [2].
Aptamil Pepti ist lactosereduziert. Allergische Säuglinge und Kleinkinder verfügen in der Regel über normal funktionsfähige Verdauungs- und Absorptionsmechanismen. Daher ist es sinnvoll, Nahrungen einzusetzen, die, abgesehen vom
modifizierten Eiweiß (Hydrolysat), den europäischen Richtlinien für Anfangs- und
Folgenahrungen entsprechen. So nehmen auch gesunde Säuglinge im 1. Lebensjahr über die Muttermilch bzw. eine Säuglingsanfangsnahrung Lactose zu
sich. Um potentielle lactosebedingte Verdauungsbeschwerden zu vermeiden, ist
der Lactosegehalt in Aptamil Pepti reduziert.
Dank der Erkenntnisse aus der Milupa
Muttermilch-Forschung zeichnet sich
Aptamil Pepti darüber hinaus durch den
Zusatz von langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCP Milupan®),
einer patentierten GOS/FOS-Mischung
(prebiotische Ballaststoffe) und Nukleotiden aus.
Säuglinge mit diagnostizierter KMPA sollen bis zum vollendeten 12. Lebensmonat eine therapeutische Nahrung auf
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
19
Anzeige
90
vor Intervention mit
Aptamil Pepti (n=46)
p < 0,05
80
nach Intervention mit
Aptamil Pepti (n=46)
p < 0,05
70
Prävalenz (%)
60
p < 0,05
50
lactooligosacchariden (GOS) und Fructooligosacchariden (FOS) (prebiotische Ballaststoffe) wird auch bei nicht gestillten
Babys eine Darmflora ähnlich der von gestillten Babys erreicht [3]. Es wurde auch
belegt, dass durch Ernährung mit einer
Säuglingsanfangsnahrung mit GOS/FOS
in der Darmflora das Verhältnis von Bifidusbakterien zu Clostridien in Richtung
nicht allergischer Kinder verschoben wird.
p < 0,05
40
Aptamil Pregomin AS ist eine Spe30
20
10
0
Neurodermitis
Nicht zu
beruhigendes
Schreien
Koliken
Erbrechen
zialnahrung auf Aminosäurebasis (AAF)
für Säuglinge und Kleinkinder mit schwerer KMPA oder schweren multiplen Nahrungsmittelallergien. Aptamil Pregomin
AS ist geeignet zur ausschließlichen Ernährung von Säuglingen im 1. Lebenshalbjahr und zur ergänzenden Ernährung
von Säuglingen nach dem 6. Monat und
Kleinkindern.
Aptamil Pepti reduziert Symptome der Kuhmilchproteinallergie signifikant [2].
Bedeutung der Darmflora
Neben der klassischen Allergenelimination beschäftigt sich die aktuelle Forschung damit, die Mechanismen der
Immuntoleranz zu verstehen und so einen weiteren Ansatz zur Allergievermeidung zu entwickeln. Eine These ist, dass
eine veränderte mikrobielle Exposition
im Gastrointestinaltrakt dazu beitragen
könnte, dass unter westlichen Lebensverhältnissen Allergien zunehmen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Darmflora von allergischen Kindern deutlich
weniger mit Bifidusbakterien und mehr
mit Clostridien besiedelt ist als die Darmflora von nicht allergischen Kindern.
Gesunde Darmflora fördern
Muttermilch enthält Oligosaccharide.
Diese wirken prebiotisch, indem sie das
Wachstum von Bifidusbakterien und Lactobazillen fördern. Diese beiden Spezies
dominieren die Darmflora gestillter Säuglinge, während nicht gestillte Säuglinge
eher eine Mischflora aufweisen. Durch
die Anreicherung der Flaschennahrung
mit einer patentierten Mischung aus Ga-
20
GOS/FOS – effektiv in Prävention
und Therapie
In einer klinischen Studie mit allergiegefährdeten Säuglingen wurde
gezeigt, dass Säuglinge, die eine
Nahrung mit hydrolysiertem Eiweiß
(HA-Nahrung) und einer patentierten
Prebiotics-Mischung (0,8 g/100 ml
scGOS/lcFOS) erhielten, in einem
Beobachtungszeitraum von bis zu
5 Jahren deutlich weniger unter
atopischer Dermatitis litten als Kinder,
die eine HA-Nahrung ohne GOS/
FOS-Mischung bekamen [4, 5, 6]. Die
allergiepräventive Wirkung der GOS/
FOS-Mischung wurde durch eine weitere große, multizentrische Studie mit
1187 Kindern bestätigt. Auch in dieser
Untersuchung hatten die Kinder, die
in den ersten Lebensmonaten eine
Nahrung mit prebiotischen Ballaststoffen erhielten, weniger Atopische
Dermatitis als die Kontrollgruppe ohne
diese [7].
Damit auch Babys, die an einer
Kuhmilchproteinallergie leiden, gute
Voraussetzungen haben, eine gesunde
Darmflora zu entwickeln, enthält
Aptamil Pepti die patentierte prebiotische GOS/FOS-Mischung.
Aptamil Pregomin AS zeichnet sich durch
reine, nonallergene Aminosäuren aus
und enthält neben wertvollen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCP) auch Nukleotide.
Aptamil Pregomin AS ist lactosefrei und
somit auch bei Nahrungsmittelintoleranzen geeignet.
Bei bestätigter Kuhmilchproteinallergie sind Aptamil Pepti und Aptamil
Pregomin AS gemäß der Arzneimittelrichtlinie (AMR 2009) verordnungsund erstattungsfähig.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
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Die Allergiekompetenz von Aptamil –
von der Prävention bis zur Therapie
Aptamil HA Pre
600 g Packung
(Pulver)
Art.-Nr.: 602178
PZN: 4917528
Trinkfertige
Portionsfläschchen
24 x 90 ml
Art.-Nr.: 602210
2 x 90 ml
Art.-Nr.: 602212
Aptamil Pepti
400 g Packung (Pulver)
Art.-Nr.: 309171
PZN: 7263607
UVP: 24,95 €
Therapie
Prävention
Bei erhöhtem
Allergierisiko
Aptamil Pregomin AS
400 g Packung (Pulver)
Art.-Nr.: 309229
PZN: 9480800
UVP: 45,99 €
Erstattungsfähig (gem. AMR 2009)
Bei Kuhmilcheiweißallergie
Bei schwerer Kuhmilcheiweißallergie
hypoallergen durch hydrolysiertes Eiweiß
hypoallergen durch
stark hydrolysiertes
Eiweiß (eHF)
non-allergen durch
100 % freie Aminosäuren
nur Lactose als Kohlenhydrat
enthalten
reduzierter
Lactosegehalt
ohne Lactose
entwickelt in der
Muttermilch-Forschung:
entwickelt in der
Muttermilch-Forschung:
verbesserte Rezeptur
ab 03/2012: mit LCP
- mit patentierten GOS/FOS*
- mit patentierten
GOS/FOS*
- mit LCP Milupan ®
- mit LCP Milupan ®
Literatur:
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Poster presentation.
21
Algorithmen
Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht
auf Kuhmilchproteinallergie
Positionspapier
 der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), vertreten durch Sibylle Koletzko
(Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München),
 der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), vertreten durch Bodo Niggemann
(Hedwig-von-Rittberg-Zentrum, DRK-Kliniken Berlin | Westend) und Frank Friedrichs (Kinderarztpraxis Laurensberg),
 und der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch
Berthold Koletzko (Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München)
Erstabdruck in Monatsschr Kinderheilkd 2009; 157: 687–691. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media.
Einleitung
Dieses Positionspapier gibt Empfehlungen für Diagnostik und Therapie bei
Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie (KMPA) und ersetzt früher publizierte Stellungnahmen [20, 21].
Kinder mit ­KMPA sollen eine medizinisch
erforderliche Diätnahrung erhalten, die
ein normales Wachstum und Gedeihen
ermög­licht. Es soll verhindert werden,
dass nicht indizierte oder zu lange durchgeführte Diät die Lebensqualität betroffener Kinder und ihrer Familien beeinträchtigt und unnötig Kosten verursacht.
Da diese Empfehlung im Wesentlichen auf
Expertenkonsens beruht, ist die Evidenzstärke gemäß der Publikation von AWMF
und ÄZQ von 2001 mit Grad 3 anzugeben.
Seit dem 1. Oktober 2005 werden bei
ärztlicher Verordnung die Kosten für „therapeutische Nahrungen“ bei nachgewiesener Kuhmilchproteinallergie oder
Abkürzungen
AAF: Aminosäuren-Formula
eHF: extensiv hydrolysierte Formula
KMP: Kuhmilchprotein
KMPA: Kuhmilchproteinallergie
22
multiplen Nahrungsmittelallergien von
der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) übernommen. Im Sinne der Solidargemeinschaft der Versicherten ist es
erforderlich, die Indikation für diese Nahrungen streng, nachvollziehbar und gut
begründet zu stellen. Das im Folgenden
beschriebene Vorgehen basiert auf wissenschaftlichen Daten unterschiedlichen
Evidenzgrades. Das Ziel ist ein für die tägliche Praxis ausgerichteter praktischer
Leitfaden, der auch Kosten-Nutzen-Überlegungen mit einbezieht.
Als „therapeutische Nahrungen“ gelten
Formelnahrungen mit extensiv hydrolysiertem Eiweißanteil (eHF, in Deutschland
derzeit verfügbar: Alfaré®, Althera®, Aptamil Pepti® und Aptamil Pregomin®) sowie Aminosäuren-Formelnahrungen (AAF,
in Deutschland derzeit verfügbar: Neocate® und Aptamil Pregomin AS®). Streng
zu trennen von der Therapie der gesicherten Kuhmilchproteinallergie ist die primäre Allergieprävention durch die Wahl
der Säuglingsernährung, die hier nicht
behandelt werden soll.
Epidemiologie
Die Häufigkeit einer KMPA liegt im
Säuglings- und Kleinkindesalter bei ca.
2 bis 3 Prozent der Bevölkerung [11, 24,
26, 32]. Auch einige voll gestillte Säuglinge entwickeln eine klinisch relevante
­KMPA [12]. In Deutschland sind Kuhmilcheiweiß und Hühnereiweiß die wichtigsten
Auslöser einer Nahrungsmittelallergie im
Säuglingsalter.
Klinik
Die Manifestationen einer KMPA im
Säuglingsalter sind in Art und Schweregrad äußerst variabel. Unterschieden werden frühe Reaktionen innerhalb von zwei
Stunden nach Aufnahme des Allergens
und spätere (verzögerte) Reaktionen, die
sich noch bis zu 48 Stunden danach (selten bis zu einer Woche später) manifestieren können. Frühreaktionen sind häufiger
IgE-vermittelt, während die Spätreak­tio­
nen vorwiegend durch zelluläre Immunmechanismen ausgelöst werden. Kombinationen von Früh- und Spätreaktionen
kommen vor.
Manifestationen einer KMPA können an
der Haut (z. B. Urtikaria, Erythem, Juckreiz,
Ekzemverschlechterung), den Schleimhäuten des Respirationstraktes (z. B. bronchiale Obstruktion, Larynx­ödem, allergische Rhinokonjunktivitis), am MagenDarm-Trakt oder systemisch bis zum sel-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
tenen anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang [5, 27] auftreten. Symptome am Magen-Darm-Trakt umfassen ein breites Spektrum mit oraler und
perioraler Schwellung, Durchfällen mit
Zeichen einer Malabsorption bei Enteropathie oder blutig-schleimigen Stühlen als Hinweis auf eine allergische Kolitis, Nahrungsverweigerung, Gedeihstörung, Motilitätsstörungen mit Erbrechen,
schweren Koliken oder hartnäckiger Obstipation mit perianalen Läsionen. Schwere systemische Reaktionen, z. B. beim
„Food Protein Induced Enteropathy Syndrome“ (FPIES), das ein schockähnliches
Bild hervorrufen kann, sind ebenfalls bei
nicht IgE-vermittelten Kuhmilchpro­tein­
unverträglichkeiten möglich [23, 30]. Studien bei unselektierten Säuglingen mit
KMPA zeigten, dass etwa die Hälfte der
Kinder ein Atopisches Ekzem und 25 bis
50 Prozent Manifestationen am Gastrointestinaltrakt aufwiesen, die anderen
Manifestationen waren seltener [10, 16].
Bei Sensibilisierung gegen Nahrungsmittelallergene über die Muttermilch werden vor allem eine Verschlechterung des
Atopischen Ekzems und/oder eine allergische Kolitis beobachtet [6].
Diagnostisches Vorgehen bei Säuglingen
mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie
Anamnese, Untersuchungsbefund und Labordiagnostik
Anaphylaxie oder
klare Sofortreaktion
Diagnostische Eliminationsdiät (mit eHF oder AAF)
Spätreaktion (z.B. Atopisches Ekzem): 1 – 2 Wochen
Gastrointestinale Symptome (z.B. Durchfall, Erbrechen): 2 – 4 Wochen
Keine Besserung der
klinischen Symptome
Besserung der
klinischen Symptome
Spezifisches IgE
negativ
positiv
Standardisierte orale Provokation
negativ
Keine Diät
positiv
Spezifische Elimination
Abb. 1
sind oder je größer der Durchmesser der
Quaddel im Haut-Prick-Test ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine
Bei den oben beschriebenen Sympto­ KMPA vorliegt [4, 33].
men muss die KMPA in die differen­
Im Gegensatz zu amerikanischen Unzialdiagnostischen Überlegungen ein- tersuchungen [25] ließ sich für das spegeschlossen werden. Je stärker Anamne- zifische IgE im Serum in einer deutschen
se und Befund auf eine KMPA hinweisen, Untersuchung mit gro­ßer Patientenzahl
umso sinnvoller ist es, spezifisches IgE kein kritischer Schwellenwert festlegen
gegen KMP zu messen oder einen Haut-­ [4]. Im Haut-­Prick-Test mit nativer KuhPrick-Test durchzuführen (Abb. 1).
milch war in einer deutschen Studie
bei Kindern mit positiver Anamnese ein
(A) Diagnostische Tests
Quaddeldurchmesser von mindes­tens
13 mm mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit („positive predictive vaNachweis von spezifischem IgE
lue“) mit einer positiven Re­ak­tion bei
gegen KMP und Haut-Prick-Test
Der Nachweis von spezifischem IgE im der oralen Provokation assoziiert [33]. In
Serum und der Haut-Prick-Test (SPT) mit diesen allerdings seltenen Fällen kann
Kuhmilch oder Kuhmilchformula geben auf die orale Provokation verzichtet und
Hinweise auf den immunologischen Me- mit der Gabe einer therapeutischen Nahchanismus, ermöglichen eine Abschät- rung begonnen werden. Bei erhöhtem
zung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein IgE und/oder einem QuaddeldurchmesKind auf eine Allergenexposition positiv ser unter 13 mm ist die Spezifität gereagiert, und lassen ein Abschätzen der ring [4, 33], so dass eine orale ProvokaPrognose zu. Je höher die Antikörpertiter tion durchgeführt werden muss. Umge-
Diagnostisches Vorgehen
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
kehrt schließt ein negativer Ausfall dieser
Tests das Vorliegen einer KMPA nicht aus
[16].
Atopy Patch Test (APT) und
spezifische IgG-Antikörper
Der Atopy Patch Test (APT) wird angesichts des großen Zeitaufwandes, der
Subjektivität der Beurteilung sowie des
geringen zusätzlichen Informationsgewinns nicht mehr empfohlen [17]. Der
Nachweis von IgG-Antikörpern oder ihren Subklassen gegen Kuhmilchweiß ist
unspezifisch und ohne Bedeutung [31].
Vorgehen bei klaren Sofortsymptomen
und/oder schwerer Reaktion
(Atemnot, Anaphylaxie)
Besteht aufgrund von klaren Sofort­
symptomen an der Haut, am Gastrointestinal- oder Respirationstrakt oder bei
schweren systemischen Reaktionen (Anaphylaxie) der hochgradige Verdacht auf
eine KMPA, sollten sofort eine Allergen-
23
Algorithmen
karenz erfolgen und das spezifische IgE
auf KMP bestimmt oder ein Haut-PrickTest durchgeführt werden. Akute Reaktionen sind meistens IgE-vermittelt. Bei
Nachweis von spezifischem IgE und klarer Zuordnung zur allergischen Sofortreaktion kann von einer KMPA ausgegangen
und mit der therapeutischen Eliminationsdiät begonnen werden. Wenn bei klaren
Sofortsymptomen Tests auf spezifisches
IgE gegen KMP und/oder der Haut-PrickTest mit Kuhmilch negativ ausfallen, sollte
eine Allergenprovokation unter sorgfältiger ärztlicher Beobachtung stationär erfolgen.
Vorgehen bei Säuglingen
ohne klare oder schwere
Sofortreaktion
Bei weniger klaren Reaktionen wie
z. B. Neuauftreten oder Verschlechterung
eines Atopischem Ekzems nach Kuhmilchproteinexposition ist ein SPT oder die Bestimmung des spezifischen IgE auf KMP
ebenfalls sinnvoll. Da gerade Kinder mit
Atopischem Ekzem IgE-Sensibilisierungen
ohne klinische Relevanz aufweisen können, muss die Diagnose durch eine diagnostische Elimination und zeitnahe orale Provokation bewiesen werden. Ist der
Allergietest negativ, kann eine nicht-IgEvermittelte Reaktion vorliegen. Dies ist
besonders häufig bei gastrointestinaler
Symptomatik der Fall, so dass immer eine diagnostische Allergenkarenz erfolgen sollte, ehe die Diagnose KMPA verworfen wird (Abb. 1). Bei sehr unspezifischen Symptomen oder bei hoher Wahrscheinlichkeit, dass eine KMPA nicht Ursache der Symptomatik ist, wie z. B. bei gehäuftem Spucken, Verstopfung oder blutigen Stühlen, sind Allergietests auf K
­ MPA
in der Primärdiagnostik nicht kosteneffektiv [1, 14, 15]. Fallen diagnostische Elimination und anschließende Belastung mit
KMP jedoch positiv aus, sollte ein Allergietest durchgeführt werden, da sie eine Risikoabschätzung für den Verlauf zulassen.
Säuglinge mit positivem spezifischen IgE
haben ein höheres Risiko für eine länger
persistierende KMPA oder andere Nahrungsmittelallergien als Kinder mit negativem Test­ergebnis [11].
24
(B) Diagnostische Elimination von
Kuhmilchprotein
Bei begründetem Verdacht und relevanten Symptomen sollte unabhängig
vom Ausfall eines Allergietests eine dia­
gnostische Eliminationsdiät erfolgen, d. h.
dass Milchnahrungen und Beikost auf der
Basis von Kuhmilchprotein, Sojaprotein
und anderen tierischen Proteinen (z. B.
Ziegenmilch) konsequent gemieden werden müssen [13]. Dies kann im Säuglings­
alter sinnvollerweise durch die Verabreichung einer extensiv hydrolysierten Formula (eHF) oder einer Aminosäuren-Formula (AAF) erreicht werden.
Bei gestillten Kindern kann zunächst
der Versuch einer Eliminationsdiät der
Mutter (Weglassen von Milch und Milchprodukten, gegebenenfalls Ausschluss
weiterer häufiger Allergene) versucht
werden, wobei die mütterliche Eliminationsdiät bei Sofortreaktionen für einige
wenige Tage, bei verzögerten Reak­tio­nen
für 10 bis 14 Tage eingehalten werden
sollte. Bessert sich die Symptomatik nicht,
sind andere Diagnosen als Ursache der
Symptome wahrscheinlich und das Kind
sollte entsprechend evaluiert werden. Bei
schwerem Atopischem Ekzem oder allergischer Kolitis kompliziert durch Gedeihstörung, enteralem Eiweißverlust oder
Anämie ist zu entscheiden, ob die Mutter für eine (bis zwei) Woche(n) ihre Milch
abpumpen und eine therapeutische Nahrung füttern soll und welche weitere Dia­
gnostik zu erfolgen hat. Bei Besserung
der Symptomatik sollte unbedingt eine
Provokation mit Muttermilch nach Kuhmilchverzehr seitens der Mutter erfolgen.
Bei positiver Provoka­tion und fortgesetztem Stillen unter einer wirksamen Eliminationsdiät der Mutter muss eine qualifizierte Ernährungsberatung der stillenden
Mutter durchgeführt werden, um eine adäquate Nährstoffzufuhr zu gewährleisten.
Die Dauer der diagnostischen Elimination richtet sich nach der klinischen
Symptomatik und sollte bei klinischen
Sofortreaktionen (z. B. akute Urtikaria
oder bronchiale Obstruktion innerhalb
von zwei Stunden) drei bis fünf Tage, bei
klinischen Spätreaktionen (z. B. Ekzemverschlechterung am nächsten Tag) ei-
ne (bis zwei) Woche(n) betragen; bei einigen gastrointestinalen Reaktionen (z. B.
chronischen Durchfällen) sollte eine Dauer von zwei bis vier Wochen gewählt werden.
Tritt unter der diagnostischen Eliminationsdiät mit Gabe einer eHF oder AAF
keine Besserung der klinischen Symptomatik auf, ist eine durch Kuhmilchprotein verursachte Nahrungsmittelallergie unwahrscheinlich. Eine Therapienahrung ist
dann nicht indiziert. Eine Besonderheit
stellen Kinder mit schwerer allergischer
Erkrankung am Gastrointestinaltrakt dar.
Wurde bei ihnen die diagnostische Eliminationsdiät mit einem extensiven Hydrolysat durchgeführt, sollte bei Nichtansprechen der Versuch einer ausschließlichen Fütterung einer AAF unternommen werden, da nur durch eine AAF eine vollständige Allergenelimination gewährleistet ist.
(C) Orale Provokation mit Kuhmilchprotein (Allergenbelastung)
Bessert oder verliert sich die klinische
Symptomatik unter der diagnostischen
Eliminationsdiät, muss mit einer ärztlich
überwachten oralen Provokation die Diagnose einer KMPA bestätigt werden. Ausnahmen von dieser Regel sind Säuglinge
mit einer klaren Sofortreaktion in der
Anamnese und positivem Test auf spezifisches IgE (s. o.). Handelte es sich um eine schwere, lebensbedrohliche Mani­fes­
ta­tion mit Luftnot oder Kreislaufreaktion
(Anaphylaxie), sollte für mindestens ein
Jahr streng KMP-frei ernährt werden und
der Patient vor einer stationären oralen
Provokation durch einen Spezialisten
evaluiert werden. Für die übrigen Säuglinge gilt, dass sie zur Absicherung der
Diagnose eine standardisierte orale Provokation erhalten sollten. Im ersten Lebensjahr wird diese mit einer Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis durchgeführt, nach dem ersten Lebensjahr kann
frische pasteurisierte Kuhmilch verwendet werden.
Folgende Voraussetzungen sind für die
Durchführung von oralen Provokationen
unabdingbar:
Die Kinder werden ärztlich beobachtet.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Es besteht eine Bereitschaft, jederzeit
auch Notfallsituationen zu beherrschen.
Die Patienten werden mindestens zwei
Stunden nach höchster Dosis ärztlich
beobachtet (bzw. bei klinischen Reaktionen individuell länger).
Orale Provokationen sollen titriert
durchgeführt werden, d. h. dass eine Kuhmilch-Formula schrittweise mit jeweils
30-minütigem Abstand auf 100 ml gesteigert wird [18]. Bei Erwartung von ausgeprägten Symptomen muss mit kleinsten
Mengen begonnen werden (z. B. schrittweise Gabe von 0,1 – 0,3 – 1,0 – 3,0 – 10,0
– 30,0 - 100 ml Kuhmilch-Formula). Nach
einer negativen Provokation sollte die
Kuhmilch-Formula zu Hause täglich weiter verabreicht werden (mindestens 250
ml/Tag). Die Kinder sollten ca. zwei bis
drei Stunden nach der letzten Mahlzeit
getestet werden, also nicht mit vollem
Magen. Sie können aber auch nicht lange Zeit nüchtern bleiben, da sie zu unleidlich werden können, wenn sie mit den
ers­ten Titrationsstufen nur kleine Mengen
Milch erhalten.
Orale Provokationen können ambulant oder stationär durchgeführt werden.
Stationäre Provokationen sind unter folgenden Bedingungen indiziert:
schwere allergische Reaktionen in der
Vorgeschichte,
unvorhersehbare Reaktion (das Kind
weist eine IgE-Sensibilisierung auf, hat
aber bisher nie oder lange Zeit keine
Kuhmilch bekommen),
ausgeprägtes Atopisches Ekzem (aufgrund der schwierigen Beurteilbarkeit).
Bei Atopischem Ekzem sollte der Hautbefund vor und nach Belastung und erneut nach 24 und nach 48 Stunden durch
einen Schweregrad-Score (z. B. SCORAD)
[9] dokumentiert werden. Bei Unsicherheit in der Interpretation muss auch
schon im Säuglingsalter eine plazebokontrollierte Provokation Klarheit schaffen. Bei Durchfall als klinischer Manifestation muss der Stuhl inspiziert und bei negativem Inspektionsbefund auf okkultes
Blut getestet werden (z. B. nach zwei und
sieben Tagen).
Wenn bei der Belastung die angeschuldigten Symptome erneut auftreten, kann
die Diagnose KMPA gestellt und eine Therapienahrung empfohlen werden. Lassen
sich die Symptome nicht reproduzieren,
sollte das Kind wieder die vorherige Nahrung (Kuhmilch-Formula, hypoallergene
Formula) erhalten.
Therapie
Bis zum vollendeten 12. Lebensmonat:
Säuglinge mit gesicherter KMPA sollten
bis zum vollendeten 12. Lebensmonat eine therapeutische Nahrung in Form einer
eHF oder AAF erhalten. Es konnte gezeigt
werden, dass das Wachstum und Gedeihen von Säuglingen unter einer eHF und
AAF ungestört verläuft [18, 19].
Von den auf dem deutschen Markt verfügbaren Produkten besteht der Fettkörper bei Alfaré und Aptamil Pregomin zu
ca. 50 Prozent aus mittelkettigen Triglyzeriden (MCT), Althéra und Aptamil Pepti enthalten wie Säuglingsanfangsnahrungen Laktose. Alle vier Hydrolysate basieren auf extensiv hydrolysiertem Molkeeiweiß. Die AAF (Neocate, Aptamil Pregomin AS) haben eine etwas höhere Osmolarität. Bei der Auswahl der eingesetzten
Produkte spielen mögliche Restallergenität, Nährstoffzusammensetzung, Kos­
ten und die Akzeptanz durch den Säugling eine Rolle.
Die Gabe von Säuglingsnahrungen
auf Sojabasis wird zur Therapie der K
­ MPA
nicht mehr generell empfohlen. Mineralstoffe und Spurenelemente werden aus
Sojanahrungen aufgrund eines hohen
Phytatgehaltes schlecht resorbiert [28].
Aufgrund ihres hohen Gehaltes an Isoflavonen mit östrogenartiger Wirkung führen Sojanahrungen bei Säuglingen zu
sehr hohen Serumkonzentrationen dieser
Isoflavone [28, 29]. Vergleichbare Serumkonzentrationen induzieren bei ovariektomierten Mäusen Thymusatrophie und
immunologische Veränderungen [34]. Zusätzlich besteht ein leicht erhöhtes Risiko
einer Neusensibilisierung gegen Soja. Die
Ernährungskommissionen der Deutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) [7], der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie,
Hepatologie und Ernährung [8] und der
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Amerikanischen Akademie für Pädiatrie
[2] und das Bundesinstitut für Risikobewertung [3] sprechen sich übereinstimmend gegen einen verbreiteten Einsatz
von Sojanahrungen bei Säuglingen, vor
allem im ersten Lebenshalbjahr, aus. Gegen Ende des ersten Lebensjahres und im
Kleinkindalter kann jedoch die Verwendung von Sojaprotein als preisgünstige
und geschmacklich teilweise besser akzeptierte Alternative zu extensiv hydrolysiertem Kuhmilchprotein oder AAF erwogen werden. Besteht bei einem Säugling
gegen Ende des ersten Lebensjahres ein
großer Teil der Energiezufuhr aus Beikost,
kann die Gabe von Sojamilch, z. B. auch
in Kombination mit einem KMP- und sojaproteinfreien Brei auf der Basis von Johannisbrotkernmehl als Kalziumquelle,
erwogen werden, besonders bei älteren
Säuglingen, wenn diese eine eHF oder eine AAF geschmacklich ablehnen.
Nach dem vollendeten
12. Lebensmonat:
Bei Kindern mit einer über das erste Lebensjahr hinaus bestehenden KMPA muss
individuell entschieden werden, ob eine
altersgerechte Versorgung an Nährstoffen
und besonders von Kalzium erreicht werden kann. Auch und gerade in diesen Fällen ist eine Mitbetreuung durch eine erfahrene pädiatrisch ausgebildete Ernährungsfachkraft dringend anzuraten.
Zur Therapie einer KMPA sollte als Ersatz für das Kuhmilchprotein in erster Linie eine eHF/AAF oder ein allergologisch
nicht verwandtes Protein eingesetzt werden. Bei nicht ausreichender Menge muss
an eine mögliche Kalzium-Supplementierung gedacht werden. Grundsätzlich ist
somit eine Ernährung mit einer Säuglingsformula auf Sojaeiweißbasis möglich [16].
Bei Kindern mit multipler Nahrungsmittelallergie einschließlich Sojaeiweiß kann
aus ernährungsphysiologischen Gründen
jedoch meist auf eine Thera­pie­nahrung
verzichtet werden.
Re-Evaluation
Nach ungefähr 6- bis 18-monatiger
therapeutischer Diät sollte je nach Symptomatik eine Re-Provokation mit Kuh-
25
Algorithmen
milcheiweiß durchgeführt werden, um
nicht unnötig lange eine einschneidende
Diät fortzuführen. Bei positiver Re-Provokation wird die Diät um weitere zwölf
Monate verlängert, bei negativer Provokation wird Kuhmilch in die Ernährung
des Kleinkindes eingeführt. Die Prognose
der Kuhmilchallergie im Säuglings- und
Kleinkindalter ist gut. Etwa 75 Prozent der
betroffenen Kinder weisen mit zwei Jahren und 90 Prozent bis zum Schulalter eine Toleranzentwicklung auf [10].
An der Erstellung des Manuskriptes waren
Sibylle Koletzko und Bodo Niggemann zu
gleichen Teilen beteiligt.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Sibylle Koletzko
Dr. von Haunersches Kinderspital
Abt. Pädiatrische Gastroenterologie und
Hepatologie
Lindwurmstr. 4, 80337 München
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt:
Die korrespondierende Autorin weist auf folgende
Beziehungen hin: Finanzielle Unterstützung für
Forschungsprojekte oder klinische Studien: SK:
Danone, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Danone, Nestlé. Honorar für eine von der Industrie
gesponserte Präsentation, Vortragender: SK: Danone, Nestlé; BK: Danone, Nestlé; BN: Danone,
Nestlé; FF: Milupa, Nestlé.
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Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Vorgehen bei Verdacht auf
Erdnussallergie im Kindesalter
Sibylle Scheewe, Peter Ahrens, Kirsten Beyer, Peter Eberle, Philippe Eigenmann, Frank Friedrichs, Armin Grübl, Isidor Huttegger, Lars Lange, Jochen Meister,
Rüdiger Szczepanski, Bernhard Mischo, Bodo Niggemann (Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA)
Die Angst vor anaphylaktischen Reak­
tio­nen bei Erdnussgenuss, die Angst vor
dem möglichen Tod des Kindes und die
Hilflosigkeit in diesen Situationen haben
Eltern, Patienten und Ärzte auf das Thema
Erdnussallergie fokussieren lassen.
Warum gilt dies für die Erdnussallergie
besonders? Die Erdnuss ist in immer größerem Umfang Bestandteil unserer Ernährung geworden. Heute gehört sie neben
Milch, Ei und Weizen auf die Hitliste der
potenziellen und häufigen Nahrungs­aller­
gene [6].
Es sind schon Reaktionen ab einer
Schwellendosis von unter 1 mg Erdnuss­
protein beobachtet worden [14] und
damit bei Mengen, die im Bereich von
Spuren liegen. Eine Erdnuss wiegt 500
bis 1.000 mg, davon sind ca. 50 Prozent
Proteinanteil. 60 Prozent der Erd­nuss­
allergiker reagieren bei der ersten Inges­
tion mit Symptomen, wenn auch meist
nicht mit lebensbedrohlichen. Außerdem
ist bekannt, dass die Erdnussallergie nicht
wie andere Nahrungsmittelallergien mit
der Zeit abnimmt, sondern bei 75 Prozent
der Kinder bestehen bleibt [11,13].
In Bezug auf die Mortalität durch Anaphylaxie liegen keine exakten Daten für
die Bundesrepublik Deutschland vor. Ein
Anaphylaxieregister (www.anaphylaxie.
net) ist erst im Aufbau. Aus einer Studie
im Vereinigten Königreich geht hervor,
dass bei 229 stationär behandelten Patienten mit gefährlichen Nahrungsmittelreaktionen die Erdnüsse mit 21 Prozent der
häufigste Auslöser waren [2]. Von den genannten 21 Prozent Erdnussallergie-Reaktionen waren 13 Prozent schwer; drei Kinder starben, sechs waren lebensgefährlich
bedroht. Von diesen neun Kindern hatten acht ein bekanntes Asthma bronchiale
[4]. Dem gegenüber besteht jedoch die
weit höhere Gefahr für ein Kind, im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken (150
Kinder pro Bundesland und Jahr [Statis­
tisches Bundesamt: Straßenverkehrsunfälle 2003]).
Fragestellungen
Angeregt durch die Anfrage eines Kollegen hat sich die Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der GPA dem Thema
mittels eines Flussschemas (Abb. S. 28)
genähert, das dem Kinder- und Jugendarzt in Praxis und Klinik eine Empfehlung
zum weiteren Vorgehen bei Verdacht auf
eine Erdnussallergie geben soll.
Auf der oberen Ebene Fragestellung
werden die vier Möglichkeiten, die Patienten und Eltern schildern oder die wir
in der Testung diagnostizierten, dargestellt.
(1.) Bei Verdacht auf Erdnussallergie berichtet der Patient beispielsweise über Jucken der Zunge und Mundschleimhaut sowie über Brennen und
Kloßgefühle, Nesselausschlag, Kribbeln
perioral, eventuell auch Niesen, Augenschwellung und Atembeschwerden, seltener über Bauchschmerzen und Durchfall bis hin zum Vollbild eines allergischen
Schocks.
(2.) Bei Verdacht auf pollen-assoziierte Erdnussallergie schildert der Patient
mit Heuschnupfen v. a. in der Pollenzeit
oben beschriebene Symptome.
(3.) Die in Allergiker-Familien bereits
etablierte Vorsicht beim Einführen neuer
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Nahrungsmittel kann dazu führen, dass
ein Kind bislang Erdnuss nie gegessen
hat und die Eltern und das Kind nicht
wissen, was passieren würde, wenn das
Kind zufällig oder bewusst mit diesem
potenten Allergen konfrontiert wird.
(4.) Beim Zufallsbefund einer Sensibilisierung liegt ein positiver spezifischer IgE-Wert vor; der Nachweis einer
klinischen Relevanz der Sensibilisierung
hat bislang aber nicht stattgefunden.
Allegiediagnostik
Der zweite Level des Flussschemas enthält die Suche nach der Entscheidung, wie
relevant die aktuelle Sensibilisierung ist.
Hier ergibt sich anhand einer Allergie­dia­
gnostik mit Hilfe der Bestimmung des
spezifischen IgE im Serum oder per HautPrick-Test eine positive oder negative Variante. Einer der beiden Tests ist ausreichend und aus Sicherheitsgründen sollte
zunächst der Bluttest durchgeführt werden. Ist dieser negativ und es ergibt sich
eine Diskrepanz zur Anamnese, kann –
außer bei bereits stattgefundener allergischer Reaktion mit eindeutigen Symptomen – eine zusätzliche Hauttestung
erfolgen.
Informationen aus der Anamnese
Auf der Ebene des Allergietest-Levels
ergeben sich zur weiteren Klärung Informationen aus der Anamnese, die bei der
Entscheidung zu weiterer Therapie und
Diagnostik helfen können.
(1) OAS/PAN. Der Patient hat periorale Symptome wie Kribbeln, Juckreiz, pel-
27
Algorithmen
Jedweder Verdacht auf Erdnussallergie
V.a. Erdnussallergie
Fragestellung
Allergietest
(d.h. Vermutung von
Erdnuss-bezogenen
klinischen Symptomen)
Erdnuss nie gegessen
(d.h. bisher aus
präventiven Gründen
aktiv weggelassen)
Spez. IgE < 0,35 kU/l
und / oder
Prick-Test < 3 mm
Anamnese
Vor kurzem
exponiert mit
mindestens ca.
einer Erdnuss
OAS/
PAN
Empfehlung
Keine
Symptome:
Weiterhin
Erdnüsse essen
OAS / PAN:
Meiden nach
Leidensdruck
ziges Gefühl auf der Zunge, unabhängig
von Prick- und Bluttest.
(2) Vor kurzem exponiert mit mehreren Erdnüssen. Hierbei ist der Genuss von
erdnusshaltigen Produkten (Studentenfutter, Snacks, Erdnussbutter etc.) innerhalb der letzten ca. vier Wochen zu erfragen.
(3) Kein Verzehr erinnerlich. Diese Situation kommt im täglichen Leben vor,
wenn entweder das Gedächtnis nicht
reicht oder eine Deklaration übersehen
wurde.
(4) Lange Zeit nicht exponiert nach Ereignis in der Vergangenheit. Da bei längerer Karenz eine Toleranzentstehung
ebenso wie der Verlust der Toleranz vorkommen können, ist bei Nachweis einer
Sensibilisierung die tatsächliche Reak­tion
nur durch eine Provokation zu klären.
(5) Kürzlich schwere allergische Reaktion (Anaphylaxie). Dies ist zusammen
mit nachgewiesener Sensibilisierung in
28
V.a. OAS / PAN
(d.h. Patient hat Heuschnupfen und gibt orale lokale
Symptome bei Erdnuss an)
Zufallsbefund einer
Sensibilisierung
(d.h. Positiver Allergietest, aber
Erdnuss nie wissentl. gegessen)
Spez. IgE > 0,35 kU/l
und / oder
Prick-Test ≥ 3 mm
Kein
Verzehr
erinnerlich
Lange Zeit nicht
mehr exponiert,
nach Ereignis in
der Vergangenheit
Titrierte
orale
Provokation,
stationär
der Regel so suggestiv, dass die Diagnose
einer Anaphylaxie gestellt werden kann.
Empfehlungen
Die Empfehlung zum weiteren praktischen Vorgehen richtet sich nach der
Schwere der körperlichen Symptome
bzw. Gefährdung.
Bei bereits bekannter Exposition, bei
der keine Symptome auftraten, können Erdnüsse ohne Bedenken gegessen
werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass viele Patienten, die eine tödliche
anaphylaktische Reaktion erlebten, zuvor so milde lokale Symptome hatten,
dass sie keinen Autoinjektor verordnet
bekommen hätten [9].
Bei bekannter Sensibilisierung, aber
fehlenden klinischen Symptomen nach
Verzehr von Erdnüssen sollten diese nach
heutigem Wissensstand regelmäßig, d. h.
ca. ein- bis zweimal pro Woche, gegessen
Schwere
allergische
Reaktion
(Anaphylaxie)
Strikte Karenz!
Notfall-Set!
Evtl. Re-Provo
nach 3–5 Jahren
werden, um die Toleranz trotz Sensibilisierung zu erhalten und Re-Provokationen
nach längerer Karenz zu vermeiden [7].
Wenn kein Verzehr erinnerlich war,
sollte titriert eine orale Provokation unter ärztlicher Überwachung – am besten
stationär – durchgeführt werden [1, 8].
Bei Reaktion auf die orale Provoka­tion
mit Erdnuss sollte eine strikte Karenz
über mindestens drei Jahre erfolgen, ein
Notfallset (Adrenalin-Autoinjektor, Beta2-Mimetikum, Antihistaminikum, Glukokortikosteroid) verordnet werden sowie
Patient und Bezugspersonen im Notfallmanagement geschult werden [10, 12].
Notfallset bei Risikofaktoren
Um dem Risiko von plötzlichen, unerwarteten Reaktionen zu begegnen, wird
empfohlen, Kindern mit folgenden Risikofaktoren ein Notfallset inklusive eines
­Adrenalin-Autoinjektors zu verordnen [5]:
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
■ Kann Leben retten –
im Zweifel immer
verabreichen!1
■ Einfach und schnell in
der Anwendung
■ Millionenfach
verordnet 2 – Erfahrung
seit über 20 Jahren
er
m
Im
i!
e
b
a
d
Anaphylaxie
Tritt unerwartet auf,
ist lebensbedrohlich
Fastjekt®/Fastjekt® Junior. Wirkstoff: Epinephrinhydrochlorid (Adrenalin). Zusammensetzung: Fastjekt®: Ein Autoinjektor mit 2,05 ml Injektionslösg. enth. 2,05 mg Epinephrin (Adrenalin).
Fastjekt® Junior: Ein Autoinjektor mit 2 ml Injektionslösg. enth. 1 mg Epinephrin (Adrenalin). Sonst. Bestandteile: Natriumchlorid, Natriummetabisulfit, Wasser für Injektionszwecke. Fastjekt® u.
Fastjekt® Junior geben als Autoinjektoren bei intramuskulärer Injektion jeweils eine Einmaldosis von 0,3 ml Injektionslösg. (entspr. 0,3 mg Epinephrin beim Fastjekt® u. 0,15 mg Epinephrin beim
Fastjekt® Junior) automatisch ab. Anwendungsgebiete: Notfallbehandlung von akuten allergischen Reaktionen (Anaphylaxie) auf z. B. Insektenstiche od. -bisse, Nahrungsmittel, Medikamente
od. andere Allergene. Fastjekt® ist zur Behandl. von Erwachsenen u. Kindern ab 30 kg Körpergewicht u. Fastjekt® Junior für Kinder mit einem Körpergewicht von 15 bis 30 kg bestimmt. Fastjekt®
u. Fastjekt® Junior stellen eine Notfallmaßnahme dar u. sind nicht als Ersatz für eine anschließende ärztliche Versorgung gedacht. Gegenanzeigen: Es sind keine absoluten Gegenanzeigen bekannt bei Verwendung des Fastjekt®/Fastjekt® Junior während der allergischen Notfallbehandl. Fastjekt®/Fastjekt® Junior nicht einsetzen bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Epinephrin
(Adrenalin), Natriummetabisulfit od. einem der sonst. Bestandteile; u. bei Bronchialasthmatikern mit Sulfitüberempfindlichkeit. Hinweis: Pat. mit Herzerkrankungen wird Epinephrin (Adrenalin) im
Normalfall nur unter größter Vorsicht verabreicht. Gleiches gilt für Pat. mit Hypertonie, Diabetes, Hyperthyreodismus, Hyperkalzämie, Hypokaliämie od. für ältere Pat. Unbeabsichtigte Injektionen
in Hände u. Füße rufen eine periphere Ischämie hervor. Fastjekt®: Pat. unter 30 kg Körpergewicht dürfen nicht mit Fastjekt® behandelt werden. Nebenwirkungen: Tachykardie, hoher Blutdruck,
Hyperglykämie, Schwitzen, Nausea, Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerz, Schwäche, Tremor, Angstgefühle u. Herzrhythmusstörungen. Periphere Ischämien nach versehentlicher Injektion in
Hände od. Füße sind möglich. Aufgrund des Gehaltes an Natriummetabisulfit kann es, insbesondere bei Bronchialasthmatikern, sehr selten zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen, die
sich als Erbrechen, Durchfall, keuchende Atmung, akuter Asthmaanfall, Bewusstseinsstörung od. Schock äußern können. Weitere Einzelheiten und Hinweise: s. Fach- und Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig. Stand: Juni 2011. Pharmazeutischer Unternehmer: MEDA Pharma GmbH & Co. KG, Benzstraße 1, 61352 Bad Homburg, www.medapharma.de
Literatur: 1. Niggemann B.; Pädiatrische Allergologie – Sonderheft Anaphylaxie 2011: 18-23 2. IMS Daten für Europa und USA, für Fastjekt®/Epipen®, identische Autoinjektoren mit unterschiedlichen Handelsnamen
www.mein-fastjekt.de
 Z. n. anaphylaktischer Reaktion
 Anamnese einer Nahrungsmittelreak-
tion mit Luftwegssymptomen
 Reaktionen auf Spuren des Nahrungs-
mittels
 Erdnuss- oder Baumnuss-Allergie und
Asthma mit Indikation zu regelmäßiger
vorbeugender Medikation
Literatur unter www.gpaev.de  Die Zeitschrift  „Pädia­
trische Allergologie in Klinik und Praxis“ 2009, Heft 2/2009
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Sibylle Scheewe
Fachklinik Sylt
Steinmannstr. 52–54
25980 Westerland/Sylt
E-Mail: [email protected]
Ernährungsberatung durch Ärzte bei
kindlichen Nahrungsmittelallergien –
Möglichkeiten und Grenzen
Bodo Niggemann, Mandy Ziegert, Pädiatrische Allergologie und Pneumologie, DRK-Kliniken Berlin-Westend
Einleitung
Nahrungsmittelallergien sind ein häufiges Krankheitsbild im frühen Kindesalter
und gehen meist mit einem Atopischen
Ekzem einher. Die Diagnostik umfasst den
Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung durch die Bestimmung des spezifischen IgE im Serum oder per Haut-­PrickTest. In der Regel bringt aber erst eine orale Provokationstestung endgültige Klarheit [8].
Therapeutisch steht eine entsprechende Eliminationsdiät im Vordergrund,
deren Empfehlung jedoch verantwortungsvoll ausgesprochen werden muss,
um die Kinder nicht unnötig einzuschränken und Mangelzustände zu vermeiden
(Tab. 1). Bei einigen Nahrungsmitteln (v. a.
bei Kuhmilch) sind therapeutische Ersatzdiäten notwendig, die ebenfalls eine
Reihe von Forderungen erfüllen sollten
(Tab. 2).
30
Während die Indikation zu Eliminations- und Ersatzdiäten ärztlich gestellt
wird, sind allergologisch versierte und erfahrene Ernährungsfachkräfte unerlässlich, diese unter Berücksichtigung der
oben genannten Kriterien umzusetzen.
Im Idealfall wird dies in enger Zusammenarbeit beider Fachgruppen erfolgen. Der
allergologisch erfahrene und in Bezug auf
Nahrungsmittelallergien engagierte Kinderarzt kann jedoch einige Aspekte mit
den Familien erläutern. Ziel dieses Artikels soll es sein, im Folgenden die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen ärztlichen Beratung aufzuzeigen.
Ernährungs-Empfehlungen
Die Grundlage jeder Ernährungstherapie ist neben einer ausführlichen Ernährungsanamnese und einer eindeutigen
Diagnostik die Ernährungs-Pyramide. Genauere Informationen zu Verzehrsmen-
gen- und Altersempfehlungen werden
sowohl vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) als auch
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
(DGE) herausgegeben.
Eine kompetente Ernährungsberaterin
bespricht mit den Eltern eines von Nahrungsmittelallergie betroffenen Kindes
individuell den aktuellen Ernährungsplan
und die jeweiligen Vorlieben und Abneigungen als auch die Umsetzung in den
Alltag mit der entsprechenden Koch- und
Küchentechnik (alternative Rezepte und
Lebensmittel). Wie häufig eine entsprechende Ernährungsberatung durchgeführt wird, hängt z. B. vom Umfang der
Diät, von Änderungen im Essverhalten
des Kindes oder auch der Erfahrung der
Eltern ab.
Alimentäre Allergieprävention
In der aktuellen Leitlinie Allergieprä-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Risiken von Eliminations- oder Ersatzdiäten
Forderungen an therapeutische Ersatzdiäten
Ursache
Folge
Forderung
Begründung
Kalorisch nicht ausreichend
Gedeihstörungen
Effektiv
Symptome beseitigen oder lindern
Ernährungsphysiologisch nicht
adäquat
Mangelzustände (z.B. Kalzium)
Sicher
Ernährungsphysiologisch adäquat
Überraschungsfrei
Vermeidung von akzidentellen Kontakten
Allergologisch potent
Neue Sensibilisierungen / Allergien
Praktikabel
Alltagstauglichkeit, Zubereitung rasch und leicht
Klinisch nicht indiziert
Unnötige Einschränkungen
Leicht zu befolgen
Compliance gewährleistet
Psychologisch beeinträchtigend
Ängste
So kurz wie möglich
Dürfen nicht länger als die Allergie dauern
Tab. 1
vention [7], die für Allergie-HochrisikoKinder [3] gilt, wird ein ausschließliches
Stillen aus Allergie-Präventionsgründen bis zum vollendeten vierten Lebensmonat empfohlen. Da außer allergologischen Gründen auch andere Argumente für das Stillen ins Feld geführt
werden können, kann sich die Mutter
auch für ein längeres Stillen entscheiden.
Nach dem Alter von vier bis sechs Monaten sollte ein bis dahin gesunder RisikoSäugling den normalen Ernährungsaufbauplan des ers­ten Lebensjahres übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt bereits einer Nahrungsmittelallergie verdächtigte
Säuglinge werden einer entsprechenden
allergologischen Diagnostik und gegebenenfalls einer Ernährungstherapie unterzogen.
Neu in der Leitlinie ist, dass die Rolle einer frühen Fütterung von Fisch mit
anderen Augen betrachtet wird. Dabei
wird das mögliche Risiko einer Sensibilisierung und Allergisierung gegen Fisch
durch die im Fisch enthaltenen „allergiepräventiven“ Fettsäuren abgewogen.
Nach heutigem Wissen überwiegt dabei
der Nutzen.
Entgegen der Empfehlung einer völligen Freigabe aller Nahrungsmittel nach
dem vollendeten vierten Lebensmonat
sehen die Autoren für die hochpotenten
Nahrungsmittel Erdnüsse und Baumnüsse noch so viele ungeklärte Aspekte, dass
diese im ersten Lebensjahr nicht gefüttert werden sollten. Selbstverständlich
sollte sein, dass Erdnüsse und Baumnüsse wegen der möglichen Aspira­tions­
Tab. 2
gefahr bis zu dritten Geburtstag nur als
Mus oder Butter und nicht als ganze Nüsse oder Nussstückchen verabreicht werden sollten.
Ernährungsaufbauplan
im ersten Lebensjahr
Solange keine Allergie gegen die einzelnen Nahrungsmittel besteht, wird Beikost nach dem vierten bis sechsten Lebensmonat schrittweise eingeführt, wobei mit Karotte begonnen wird. Der häufige Rat von Hebammen, Karotte durch
Pastinake zu ersetzen, entbehrt jeder gesicherten Grundlage.
Eine Woche später wird Kartoffel und
eine weitere Woche später Fleisch addiert. Einen Monat nach Beginn der Einführung der Mittagsmahlzeit kann die
Abendmahlzeit durch einen Milch-Getreide-Brei ersetzt werden. Einen weiteren Monat später kann nachmittags ein
Obst-Getreide-Brei verabreicht werden.
Wiederum einen Monat später wird die
Morgenmahlzeit durch einen Milch-Getreide-Brei ersetzt. Im Anschluss erfolgt
schrittweise die Erweiterung der Lebensmittelauswahl durch weitere Sorten von
Gemüse, Fleisch, Obst und Getreide.
Bei nahrungsmittelallergischen Kindern müssen Alltagssituationen im Hinblick auf eine Diät gemeinsam überlegt
und besprochen werden. Dabei spielen
neben allergischen und ernährungsphysiologischen Aspekten Fragen der Umsetzbarkeit eine Rolle. Was möglich ist und
was nicht, wird im Rahmen einer Diät­
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
bera­tung mit praktischen Beispielen individuell besprochen.
Ernährungsempfehlungen
für die stillende Mutter
Die stillende Mutter eines Kindes mit
Nahrungsmittelallergie sollte in Bezug auf
die Gefahren eines Verzichtes von Nahrungsmitteln durch die Mutter (z. B. Kuhmilch) aufgeklärt werden. In seltenen Fällen mag es ratsam sein, ein baldiges Abstillen zu befürworten, um die Mutter
(und nachfolgend auch das Kind) nicht
durch eine zu einseitige Ernährung zu gefährden. Pauschale Diätempfehlungen
darf es während des Stillens eines allergiekranken Kindes nicht geben; wenn eine Diätfrage ansteht, dann sollte die Aktualität für das gestillte Kind durch kurzzeitige Auslass- und Expositionsversuche der
Mutter reproduzierbar getestet werden.
Eine längere Diät der Mutter darf nur in
Absprache mit dem erfahrenen Arzt und
unter Anleitung einer Ernährungsfachkraft erfolgen.
Die Rolle von Fleisch
Im Gegensatz zu Erwachsenen sollte
ein Kleinkind nicht vegetarisch oder gar
vegan ernährt werden. Drei- bis vier Mal
pro Woche sollte Fleisch (z. B. als Putenfleisch oder Rindfleisch) gefüttert werden,
um dem wachsenden Kleinkind Eisen in
ausreichender Menge zuzuführen. Fleisch
stellt dabei den besten bioverfügbaren Eisenlieferanten dar.
31
Risikosituationen
Typische Risikosituationen für Kinder
mit Nahrungsmittelallergie stellen Besuche von Restaurants, Kindertagesstätten oder Kantinen sowie vorgefertigte
Mahlzeiten oder abgepacktes Essen dar.
In der Regel weiß nur der Koch selber über
die Zutaten sicher Bescheid; Kellner neigen dazu, nicht gesicherte Behauptungen
zu äußern. Daneben können Familienmitglieder eine Gefährdung bedeuten, wenn
z. B. gedacht wird, „ein kleines bisschen
kann doch nicht schaden“. Schließlich
können Risikosituationen durch Großpackungen entstehen, bei denen auf den
kleinen einzelnen Packungen eine Deklaration gesetzlich nicht erforderlich ist.
Nahrungsmittelallergie versus
irritative Nahrungsmittel
Eltern von Kindern mit Symptomen auf
Nahrungsmittel fällt es oft schwer, zwischen IgE-vermittelten Soforttyp-Reak­
tio­nen (z. B. Urtikaria oder Asthma im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem
Genuss von Kuhmilch, Hühnerei oder
Erdnuss) und irritativen Nahrungsmitteln (z. B. Aufflammen von Ekzemarealen
oder periorale Rötung nach Zitrusfrüchten, Tomate oder Paprika) zu unterscheiden [1]. Diese Differenzierung kann aber
im Hinblick auf die Striktheit des Meidens
oder Einordnung der möglichen Gefährdung wichtig sein.
Eliminationskriterien
Generell gesagt gibt es keinen Anhalt, dass die Elimination des entsprechenden Nahrungsmittels einen Einfluss
auf die Prognose einer Nahrungsmittelallergie hat. Ein strenges Meiden scheint
nicht besser zu sein oder zu einer verkürzten Dauer des natürlichen Verlaufes
der Aller­gie zu führen als ein Essen der
vertragenen Form des Nahrungsmittels
(z. B. gekochte Karotte bei pollen-assoziierter Nahrungsmittelallergie auf früh blühende Baumpollen).
Wenn man überlegt, ob Nahrungsmittel eliminiert werden sollen, spielen drei
Aspekte eine Rolle:
32
1. die ernährungsphysiologische Bedeutung des Nahrungsmittels (z. B. Kuhmilch beim wachsenden Kleinkind),
2. die Wahrscheinlichkeit einer Exposition
(z. B. Hühnerei, das in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten ist) und
3.die Gefährlichkeit des Nahrungsmittels (z. B. Erdnüsse oder Baumnüsse, die
häufiger zu schweren Reaktionen führen können).
Kuhmilch – wann, in welcher Form?
Pasteurisierte Frischmilch darf bei Gesunden ab dem ersten Lebensjahr direkt
als Getränk angeboten werden. Hingegen
darf Frischmilch im Milch-Getreide-Brei
in begrenzter Menge von 200 ml pro Tag
schon ab ca. dem sechsten Lebensmonat
gefüttert werden. Diese Mengenbegrenzung liegt im Wesentlichen an dem ansonsten zu hohen Proteingehalt (ca. zweibis dreimal so hoch wie der in der Frauenmilch oder Säuglingsmilch).
Bei kuhmilchallergischen Kindern wird
eine extensiv hydrolysierte Formula (eHF)
auf Kuhmilchbasis oder eine Aminosäuren-Formula (AAF) gewählt. Eine partiell hydrolysierte Formula (pHF) ist – auch
wenn manche der Kinder diese vertragen
– nicht die erste Wahl. Ungünstig im Säuglings- und Kleinkindesalter sind H-Milch
und Sterilmilch, weil durch das hohe Erhitzen die Vitamine nicht mehr vollständig erhalten sind.
Bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres kommt bei nachgewiesener Kuhmilchallergie alternativ Soja als hochwertige pflanzliche Proteinquelle auch aufgrund des guten Geschmackes und des
günstigen Preises in Betracht. Dabei ist zu
bedenken, dass einige Kinder auch auf Soja reagieren oder sich neu sensibilisieren
können [4]. Unterhalb des ersten Lebensjahres wird Soja aufgrund des Gehaltes
von Phytosterolen nicht empfohlen.
Falls Soja nicht vertragen wird, kann
in diesem Alter auch auf Haferdrink oder
Reisdrink plus Kalzium zurückgegriffen
werden. In jedem Fall sollte auf eine Kalziumanreicherung geachtet werden. Die
Gesamtmenge von Milch und Milchprodukten (Yoghurt, Käse usw.) sollte bei
Kindern zwischen dem ersten Lebens-
jahr und dem Schulalter ca. 300 bis 350
ml pro Tag betragen.
Proteinquellen von anderen Tierspezies (z. B. Ziege oder Schaf) sind aufgrund
ihrer hohen Kreuzreaktivität mit Kuhmilch oder aufgrund der ungünstigeren ernährungsphysiologischen Zusammensetzung (z. B. Pferd) nicht zu empfehlen.
Kalzium als kritischer Nährstoff
Ein wachsendes Kind benötigt eine
ausreichende Menge an Kalzium, die
sich an der Konzentration des Kalziums
im Serum allein nicht ablesen lässt, da
der Organismus die Kalziumkonzentration bei ungenügender Zufuhr zu Lasten
des Knochens lange konstant hält. Möglichkeiten der Zufuhr ergeben sich durch
die Verabreichung kalzium-angereicherter Milchen bzw. Drinks, durch die Wahl
kalziumreicher Mineralwässer (sehr starke
Unterschiede zwischen 30 mg/l und 500
mg/l) sowie durch eine direkte KalziumSubstitution in Brausetablettenform. Mit
Hilfe eines über fünf bis sieben Tage geführten Ernährungsprotokolls kann die
Ernährungsfachkraft eine Differenz zwischen den altersentsprechenden Erfordernissen und der bisher durchschnittlich verab­reich­ten Menge berechnen und
die zusätzlich benötigte Menge nennen.
Dies spielt v. a. eine Rolle bei einem älteren Säugling, bei dem sich bis zum
Kleinkindalter der Kalziumbedarf innerhalb eines Jahres von 200 auf 600 mg/Tag
verdreifacht.
Möglichkeiten der
Geschmacksverbesserung
Da die Kuhmilch-Ersatznahrungen eHF
und AAF von älteren Säuglingen und
Kleinkindern mit Kuhmilchallergie wegen des bitteren Geschmacks of abgelehnt werden, müssen Möglichkeiten der
Geschmacksverbesserung gesucht werden. Dazu gehören z. B. das Zugeben von
Banane oder Kakao in die Flasche oder
das Untermischen in einen Brei. Weiterhin kann man durch einen langsamen
Übergang mit schrittweisem Zumischen
der neuen Nahrung die Akzeptanz erhö-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
hen. Eventuell kann die neue Nahrung zunächst in verdünnter Form begonnen und
dann die Konzentration schrittweise gesteigert werden.
Getreide
Vielen Familien ist nicht klar, dass Dinkel die Urform des Weizens darstellt und
eine nahezu 100-prozentige Kreuzreaktivität gegeben ist. Umgekehrt kann ein
Kind, das Dinkel verträgt, höchstwahrscheinlich keine Weizenallergie besitzen.
Bei nachgewiesener Weizenallergie
können andere Getreide getestet werden, da diese nur sehr selten zu einer klinisch relevanten Allergie führen und nur
eine geringe Kreuzreaktivität zu Weizen
gegeben ist. Daher können oft Hafer und
Roggen kontrolliert vorsichtig und titriert
in die Ernährung eingeführt werden.
Bei Reaktionen z. B. auf Körnerbrötchen, aber nicht auf andere weizenhaltige Produkte, sollte daran gedacht werden, dass eventuell Erdnüsse oder Sesam für eine Reaktion verantwortlich sein
könnten.
Kreuzallergien kurz gefasst
Wie schon erwähnt, ist die Kreuzallergie zwischen Weizen und Dinkel extrem
hoch (nahezu 100 %), ebenso zwischen
der Milch von Kuh, Ziege und Schaf (ca.
80 %) [10]. Eine Kreuzallergie zwischen
verschiedenen Fischen ist teilweise gegeben, leider nicht vorherzusagen und
bedarf bei Wunsch des Genusses immer
einer Provokationstestung. Erdnüsse und
Baumnüsse weisen eine teilweise Kreuzallergie von etwa 25 % auf. Da die Kinder
(aber z. B. auch Großeltern und Kita-Mitarbeiter) in einer Differenzierung verschiedener „Nüsse“ überfordert sein dürften
und sie generell lernen sollen, alle „nussigen“ Nahrungsmittel zu erkennen und
sofort wieder auszuspucken, ist es im
täglichen Leben meist sinnvoll und angezeigt, eine prinzipielle baumnuss- und
erdnussfreie Diät zu empfehlen – auch
wenn z. B. Mandeln eigentlich vertragen
werden.
Keine nennenswerte oder nur selten
klinisch relevante Kreuzallergie besteht
zwischen Hühnerei und Hühnchenfleisch
oder zwischen Kuhmilch und Rindfleisch.
Pollen-assoziierte
Nahrungsmittelallergien
Aufgrund ihrer hohen Hitzelabilität
werden pollen-assoziierte Nahrungsmittel wie Apfel, Karotte oder Haselnüsse in
verarbeiteter Form (z. B. gekocht oder in
Kuchen) meist vertragen, während die
rohe Form zu Symptomen führt. Erfreulicherweise treten Symptome meist als
„Orales Allergiesyndrom“ im Mund, Rachen oder an den Lippen auf und im Kindesalter nur selten als systemische, generalisierte Form.
Ein Meiden dieser Nahrungsmittel kann
daher in der Regel nach individuellem Leidensdruck erfolgen und sollte keinesfalls
automatisch nach entsprechenden Listen
empfohlen werden. Ein Einfluss auf die
Prognose ist durch ein Essen vertragener
Nahrungsmittel nicht gegeben.
Verarbeitete Nahrungsmittel
Ähnliches wie bei den pollen-assoziierten Nahrungsmitteln gilt auch im Falle einer Kuhmilch- oder Hühnereiallergie:
Werden diese Nahrungsmittel in gekochter oder gebackener Form vertragen, können sie in dieser Form auch verabreicht
werden, was das Leben der Familien oft
erleichtert [6, 9]; ein Einfluss auf die Prognose ist damit nicht verbunden. Das Vertragen eines Nahrungsmittels in verarbeiteter Form ist besonders häufig im Rahmen einer schrittweisen Toleranzentwicklung nach Nahrungsmittelallergie zu be­
obachten. Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass es bei gleichzeitigem
Einfluss von Augmentationsfaktoren (z. B.
Infektionen, Verabreichung von nicht-steroidalen Antiphlogistika oder körperlicher
Belastung) zu Reaktionen kommen kann,
die allein bei Genuss der Nahrungsmittel
nicht beobachtet werden.
Sensibilisierung
ohne klinische Relevanz
Säuglinge und Kinder, die provokations-negativ sind und das Nahrungsmit-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
tel vertragen, aber eine Sensibilisierung
auf das entsprechende Nahrungsmittel
aufweisen, sollten nach heutigem Wissen
das Nahrungsmittel eher regelmäßig verzehren [2]. Dies mag insbesondere für potenziell gefährliche Nahrungsmittel (z. B.
Erdnüsse, Baumnüsse oder Samen) wichtig sein. In welchen Abständen und mit
welchen Mengen dies jedoch umgesetzt
werden sollte, ist noch völlig unklar; möglicherweise ist eine zweimal wöchentliche
Gabe einer durchschnittlichen Verzehrs­
portion sinnvoll.
Getränke
Die Zufuhr von Getränken in Form
von Fruchtsäften kann irritative Effekte
auf ein Atopisches Ekzem haben und
ist zur Flüssigkeitsversorgung eher ungeeignet. Getränke sollten vorwiegend
energiefrei bzw. energiearm sein, z. B.
Wasser, ungesüßter Tee oder säurearme und stark verdünnte Fruchtschorlen [8]. Generell ist der Verzehr von Obst
bezüglich der Wirkung auf die Sättigung
und der Energiebilanz dem Verzehr von
Fruchtsäften vorzuziehen. Deshalb gilt
die Empfehlung, Fruchtsäfte auf eine
ungefähre Tagesmenge von ca. 200 ml
pro Tag zu begrenzen. Darüber hinaus
dient eine solche Begrenzung auch dem
Schutz der Zähne und der Vorbeugung
von Karies.
Grenzen der
ärztlichen Beratung
Generell sollte der Arzt die Einschätzung der ernährungsphysiologischen
Ausgewogenheit einer therapeutischen
Diät einer allergologisch erfahrenen Ernährungsfachkraft überlassen. Nur diese kann mit ihrer Expertise zum Beispiel
unter Zuhilfenahme eines Fünf- bis Sieben-Tage-Ernährungsprotokolls die ernährungsphysiologische Ausgewogenheit altersentsprechend prüfen und gegebenenfalls korrigieren.
In einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Ernährungsfachkraft kann ein Optimum an Ernährung
gewählt werden, um einerseits das unbeeinträchtigte Gedeihen der Kinder zu
33
gewährleisten und anderseits unnötige
Einschränkungen zu verhindern.
Web-Adressen
Arbeitskreis Diätetik in der Allergologie:
www.ak-dida.de
Deutscher Allergie- und Asthmabund:
www.daab.de
Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie:
www.gpaev.de
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Bodo Niggemann
Pädiatrische Allergologie und Pneumo­
logie, Hedwig-von-Rittberg-Zentrum,
DRK-Kliniken Berlin-Westend
Spandauer Damm 130, 14050 Berlin
E-Mail: [email protected]
Literatur
[1] Brockow K, Hautmann C, Fötisch K, Rakoski J,
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[5] Konsensuspapier „Empfehlungen zum Verzehr
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[10] Sicherer SH: Clinical implications of cross-reactive
food allergens. J Allergy Clin Immunol 2001; 108: 881–
890.
Anaphylaxie bei Kindern
und Jugendlichen
Ernst Rietschel, Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik Köln
Definition
Anaphylaxie ist eine – ernst zu nehmende – allergische Reaktion, die rasch
beginnen und zum Tode führen kann [1].
Nicht durch IgE-Antikörper vermittelte
anaphylaktische Reaktionen (so genannte
anaphylaktoide Reaktionen) sind im Kindes- und Jugendalter selten.
Anaphylaxien nehmen zu [2]. Allerdings liegen zur Häufigkeit von Anaphylaxien und zur Zahl der durch Anaphy-
34
laxie bedingten Todesfälle für das Kin­
des- und Jugendalter nur wenige Daten
vor.
In einer retrospektiven englischen Studie, die von 1990 bis 1998 durchgeführt
und mit einer prospektiven Surveillance
von 1998 bis 2000 kombiniert wurde, starben acht Kinder im Alter bis zum 15. Lebensjahr an einer durch Nahrungsmittel
verursachten Anaphylaxie – das bedeutet
ein Todesfall auf 16 Millionen Einwohner
[3]. Deutsche Zahlen zur Inzidenz von To-
desfällen liegen bisher nicht vor. Seit Januar 2006 wird ein deutsches Register geführt (www.anaphylaxie.net), in das auch
Daten von Kindern und Jugendlichen einfließen.
Ursachen
In einer 2005 durchgeführten Fragebogen-Aktion bei deutschen Kinder- und
Jugendärzten fanden sich bei 106 gemeldeten Ereignissen am häufigsten Nah-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
rungsmittel (57,3 %), gefolgt von Insektengiften (12,6 %) und spezifischen Immuntherapien (11,6 %) als Ursachen für
eine anaphylaktische Reaktion [4]. Auch
im Deutschen Anaphylaxieregister werden Nahrungsmittel als häufigste Auslöser einer anaphylaktischen Reaktion genannt [5].
Als Auslöser für tödliche anaphylaktische Reaktionen sind in den USA in 67
Prozent der Fälle Erdnüsse und in 33 Prozent Baumnüsse ermittelt worden [6].
Auch in Untersuchungen aus Großbritannien werden Erdnuss und Kuhmilch als
häufigste Auslöser genannt [7]. Anaphylaktische Reaktionen treten überwiegend
zuhause auf (58,3 %) und nur in 13,6 Prozent in Klinik und Praxis [4]. Daraus ergibt
sich die Notwendigkeit, entsprechend gefährdeten Patienten eine lebensrettende
Notfallapotheke zu verordnen.
Risikofaktoren
Patienten mit einem Asthma bronchiale haben ein deutlich höheres Risiko, an
Anaphylaxie ist hoch wahrscheinlich,
wenn eines der folgenden drei
Kriterien erfüllt ist:
1.Akuter Beginn (innerhalb von Minuten
bis vielleicht Stunden) mit Beteiligung von
Haut oder/und Schleimhaut und mindes­
tens einem der folgenden Symptome:
Atemstörung
Blutdruckabfall oder
anderes Symptom (u.a. Kollaps,
Synkope, Inkontinenz)
2.Zwei oder mehr der folgenden Symptome rasch nach Kontakt mit einem wahrscheinlichen Allergen
Haut oder/und Schleimhaut (u.a. Urtika ria, Lippen- oder Zungenschwellung)
Atemstörung
Blutdruckabfall oder andere Symptome
einer Endorganhypoperfusion
Persistierende gastrointestinale Symptome
3.Blutdruckabfall rasch nach Kontakt mit
einem bekannten Allergen (>30% Abfall)
Tab. 1
einer anaphylaktischen Reaktion zu versterben [8]. Ist bereits einmal eine Anaphylaxie aufgetreten, besteht ein deutlich
erhöhtes Risiko für eine weitere anaphylaktische Reaktion. Des Weiteren geht ein
hoher Sensibilisierungsgrad mit stärkeren
anaphylaktischen Reaktionen einher.
Diagnose
Die Diagnose „Anaphylaxie“ ergibt sich
aus der Anamnese in Zusammenschau
mit den Ergebnissen der Allergietests und
den aufgetretenen Symptomen (Tab. 1).
Vorschulkinder reagieren anfänglich häufig mit Unruhe oder plötzlicher Mattigkeit. Häufig ist eine Allergie gegenüber
dem auslösenden Allergen bekannt. Hierfür sollten frühere anaphylaktische Reak­
tio­nen oder unerklärte Symptome nochmals genauestens anamnestisch aufgearbeitet werden. Spezifische Allergie-Antikörper müssen bestimmt und bei negativem Ergebnis muss die Bestimmung
nach vier Wochen wiederholt werden. Ist
eine Nahrungsmittel-, Bienen-Wespen-
oder Medikamentenallergie bekannt, ist
bei Auftreten der entsprechenden Symptomkonstellation eine Anaphylaxie anzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit des
Auftretens einer anaphylaktischen Reaktion nach erneuter Exposition ist abhängig vom Allergen, wobei die Gefahr bei
Erdnuss- und Baumnusssensibilisierung
besonders groß ist. Im Zweifelsfall sollte
immer eine orale Provokationstestung
durchgeführt werden.
Therapieoptionen
In den vergangenen Jahren wurden
zwei Leitlinien zur Therapie der Anaphylaxie veröffentlicht, die von den deutschen Fachgesellschaften (ÄDA, DAAU,
DGAKI, GPA) gemeinsam erstellte S2Leitlinie [9] und das Positionspapier der
„­EAACI-Taskforce on Anaphylaxis in Children“ [10].
Alle Patienten mit einer Anaphylaxie
müssen einen Notfallpass erhalten, in
dem das auslösende Allergen und die
dem Alter angepasste Notfallmedika­
Notfallset
PatientengruppeNotfallset
Kinder und 1. Intramuskulär zu verabreichendes Epinephrin, z.B. Anapen 300® Autoinjektor,
JugendlicheFastjekt®Autoinjektor, Jext® 300
> 30 kg
2. Kurz wirksames β2-Sympathomimetikum wie Salbutamol, Dosieraerosol
schwer
3.H1-Antihistaminikum, z.B. Cetirizin Tabletten 10 mg (6–18 Jahre)
4. Glukokortikosteroid, z.B. Decortin® Tabletten (2–5 mg/kg KG)
oder Celestamine N 0,5 liquidum (N1-Flasche trinken, 30 ml)
Kinder, 1. Intramuskulär zu verabreichendes Epinephrin, z.B. Anapen 150® Autoinjektor,
15–30 kg Fastjekt Junior®Autoinjektor, Jext® 150
schwer
2. Kurz wirksames β2-Sympathomimetikum wie Salbutamol, Dosieraerosol
3.H1-Antihistaminikum, z.B. Cetirizin Saft 5 ml (2–6 Jahre)
Tabletten 5 mg (2–6 Jahre), 10 mg (>6 Jahre)
4. Kortikosteroid, z.B. Decortin® Tabletten (2–5 mg/kg KG), Celestamine®
N 0,5 liquidum (mind. halbe N1-Flasche trinken, entspricht 15 von 30 ml),
oder Kortikosteroid-Suppositorium, z.B. Infectocortikrupp® Zäpfchen
Kinder, 1. > 12 kg KG intramuskulär zu verabreichendes Epinephrin,
< 15 kg z.B. Anapen 150® Autoinjektor, Fastjekt Junior® Autoinjektor, Jext® 150
schwer < 12 kg KG Suprarenin 1:10.000 (0,1 ml/kg KG i.m.)
2. Kurz wirksames β2-Sympathomimetikum wie Salbutamol, Dosieraerosol
3.H1-Antihistaminikum, z.B. Cetirizin Saft 5 ml (1–6 Jahre)
4. Kortikosteroid, z.B. oder Celestamine® N 0,5 liquidum (Dosierung entspr.
Gewicht) oder Kortikosteroid-Suppositorium, z.B. Infectocortikrupp® Zäpfchen
Tab. 2
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
35
tion hinterlegt sind. Ein zusätzlicher Notfallanhänger kann sinnvoll sein. Anaphylaxie-gefährdete Kinder und Jugendliche
sollten immer ein Handy mit sich führen,
auf dem die entsprechende Notarztnummer gespeichert ist.
Bei Anaphylaxiegefährdung durch
Nahrungsmittelallergene muss absolute Allergenkarenz empfohlen werden.
Bei Säuglingen und Kleinkindern ist eine Allergenkarenz nach entsprechender
Ernährungsberatung mit großer Sicherheit durchführbar. Sobald Kinder allerdings fremd betreut werden oder ab dem
Schulalter selber die Verantwortung für
die Allergenkarenz übernehmen müssen, wächst die Gefahr versehentlicher
Exposition.
Deshalb müssen alle Kinder und Jugendlichen, bei denen eine Allergenkarenz nicht sicher gewährleistet werden kann, mit einem Notfallset versorgt
werden, das einen Adrenalin-Autoinjektor
mit einschließt (Tab. 2).
Notfallset
Ein Notfallset enthält immer intramuskulär zu verabreichendes Adrenalin, ein
inhalierbares β2-Sym­pa­thi­ko­mimetikum,
ein Antihistaminikum und Kortison.
Adrenalin (Epinephrin)
Adrenalin sollte außerhalb von Praxen
und Krankenhäusern immer intramuskulär verabreicht werden. Hierfür stehen Autoinjektoren in zwei verschiedenen Dosierungen zur Verfügung (Anapen 300
µg® , Fastjekt 300 µg® und Jext 300 µg®
für Patienten über 30 kg KG und Anapen
150µg®, Fastjekt Jr. 150µg® und Jext 300
µg® für Patienten von 15–30 kg KG). Für
Patienten unter 15 kg KG sind die Autoinjektoren nicht zugelassen. Aufgrund des
geringen Nebenwirkungsrisikos bei gesunden Kleinkindern kann, nach Aufklärung der Eltern, ein Autoinjektor mit 150
µg ab einem Gewicht von 12 kg eingesetzt werden. Vorher sollte allerdings wegen möglicher kardialer Nebenwirkungen
eine Untersuchung durch einen Kinderkardiologen erfolgen.
Bei Kindern unter 12 kg KG bleibt nur
die Möglichkeit, Suprarenin 1:1000 Am-
36
pullen zusammen mit 0,9 % NaCl zu verschreiben. Ein solches Vorgehen kann im
Notfall nur funktionieren, wenn es mit den
Eltern praktisch eingeübt wurde. In der
Regel sollte aber in dieser Altersgruppe
eine sichere Vermeidung möglich sein,
so dass eine Adrenalin-Verordnung nicht
notwendig wird.
Für Kinder und Jugendliche mit einem
Gewicht von > 45 kg oder Anaphylaxie­
episoden mit vermehrtem Epinephrinbedarf sollten zwei Autoinjektoren zum
Notfallset gehören.
Inhalierbares Epinephrin (InfectokruppInhal®) ist zur Behandlung der Anaphylaxie nicht zuge­las­sen. Es bedarf außerdem
mindestens 20 Hübe, um nachweisbare
Blutspiegel zu erreichen. Zur Behandlung
des Larynx­ödems stellt es allerdings eine
Therapieoption dar. Hierzu können über
einen Vernebler 2 ml einer fertigen Inhalationslösung (InfectoKrupp Inhal®, 4 mg/
ml) inhaliert werden.
Auch die s.c.-Applikation ist auf Grund
der langen Zeitdauer bis zum Erreichen
von wirksamen Blutspiegeln nicht mehr
zu empfehlen.
Antihistaminika
Auch wenn es keine Evidenz für die Anwendung von H1-Antihistaminika gibt,
sollten aufgrund der Kenntnis der Pathophysiologie und der möglichen Letalität
einer anaphylaktischen Reaktion H1-Antihistaminika in hoher Dosierung eingenommen werden. Antihistaminika der 2.
Generation sind dabei denen der 1. Generation wegen der schnelleren Bioverfügbarkeit und dem günstigeren Nebenwirkungsprofil vorzuziehen. Sie sind jedoch
für die Therapie der Anaphylaxie nicht zugelassen. Cetirizin ist für jedes Lebensalter in einer entsprechenden Applikationsform erhältlich.
Kortison
Die Wirksamkeit von Kortison zur Behandlung der Anaphylaxie ist nicht unumstritten, da auch hierfür keine randomisierten Studien vorliegen. Trotzdem ist
Kortison unverändert Bestandteil eines
Notfallsets. Wie Antihistaminika wird Kortison hoch dosiert (2–5 mg/kg KG). Aufgrund des bitteren Geschmacks ist bei
kleinen Kindern die Gabe als Saft oder
Zäpfchen eher praktikabel.
Bronchialerweiternde
Medikamente
Zur Therapie einer bronchialen Obstruktion sollte in jedem Notfallset ein inhalierbares kurz wirksames β2-Sym­pa­
tho­mimetikum in jedem Notfallset vorhanden sein, da insbesondere Nahrungsmittelallergiker häufig mit einer bronchialen Obstruktion reagieren. Die Anwendung eines Dosieraerosols muss vorher
geschult werden.
Indikation für die Verordnung
eines Notfallsets
Patienten mit Nahrungsmittelallergie,
bei denen das Nahrungsmittel nicht sicher gemieden werden kann und bei denen im Rahmen einer unabsichtlichen
oder zur Diagnostik durchgeführten
Provoka­tion eine Anaphylaxie aufgetreten ist, müssen ein Notfallset erhalten.
Sind die Patienten allergisch auf Erdnussoder Baumnussallergene, sollte ein Notfallset auch dann verschrieben werden,
wenn nur eine Haut- oder Schleimhautbeteiligung nach Allergenkontakt aufgetreten ist.
Indikation für den Einsatz des
Notfallsets
Wegen des schnellen Wirkungseintritts sollte in allen Situationen, die mit
einer Anaphylaxie einhergehen, primär
Adrenalin intramuskulär verabreicht werden. Besteht anamnestisch ein bekanntes
Asthma bronchiale oder sind Zeichen von
Luftnot vorhanden, sollten 2–4 Hub eines
β2-Sympathikomimetikums inhaliert werden. Erst dann sollten, wenn der Bewusstseinszustand des Patienten es erlaubt, ein
orales H1-Antihistaminikum und Kortison
verabreicht werden.
Patienten mit pulmonaler Obstruk­tion
sollten eine atemerleichternde Stellung
einnehmen und nicht flach gelagert werden.
Nahrungsmittelallergiker, die in der
Vergangenheit auf Erdnüsse oder Baumnüsse anaphylaktisch reagiert haben,
sollten schon bei sicheren Zeichen einer
lokalen Reaktion wie Schleimhautschwel-
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Service
lung, Urtikaria oder Bauchschmerzen Adrenalin applizieren, da der weitere Verlauf
einer anaphylaktischen Reaktion gerade
für diese Allergene nicht vorhergesagt
werden kann.
Schulung
Eltern von Säuglingen und Kleinkindern, Schulkinder und Jugendliche sowie deren Eltern müssen regelmäßig
in der Handhabung des Notfallsets geschult werden. Neben Strategien zur Aller­
genvermeidung, die bei Nahrungsmittelallergikern vorzugsweise von einer Ernäh-
rungsfachkraft vermittelt werden, muss
der Umgang mit dem Autoinjektor bzw.
den Suprarenin-Ampullen eingeübt werden.
Sind Kinder im Kindergarten oder in
der Schule, sollten Gespräche mit den
Leitern dieser Einrichtungen geführt werden, damit Kinder ihr Anaphylaxie-Set jederzeit mitführen und anwenden dürfen.
Aus den Arbeitsgruppen Anaphylaxie der DGAKI (Deutsche Gesellschaft
für Allergie und klinische Immunologie)
und der GPA heraus hat sich eine neue
„Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie-Training und Edukation“ (AGATE) formiert,
die ein Schulungsprogramm für Patienten
mit Anaphylaxie ausgearbeitet hat. Die
entsprechenden Kurse zur Trainerausbildung können auf der Website von AGATE
(www.anaphylaxieschulung.de) eingesehen werden.
Dr. med. Ernst Rietschel
Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und
Jugendmedizin, Klinikum der Universität
zu Köln
Kerpener Str. 62, 50924 Köln
E-Mail: [email protected]
Literatur
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F: EAACI Taskforce on Anaphylaxis in Children. Allergy
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Weitere Informationen
Internet
www.ak-dida.de
Arbeitskreis Diätetik in der Allergologie e.V.
www.kinderklinik-luebeck.de/pina/
Präventions- und Informationsnetzwerk
Allergie/Asthma e.V.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
www.daab.de
Deutscher Allergie- und Asthmabund
e.V.
37
Service
Leitlinien
Standardisierung von
oralen Provokationstests bei Nahrungsmittelallergien
Alle Leitlinien der GPA finden sich zum Download unter www.gpaev.de  Pädiatrische Leitlinien
In-vitro-Diagnostik und
molekulare Grundlagen
von IgE-vermittelten
Nahrungsmittelallergien
Keine Empfehlung
für IgG- und IgG4Bestimmungen gegen
Nahrungsmittel
Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf
eine pseudoallergische
Reaktion durch Nahrungsmittelinhaltsstoffe
Vorgehen bei vermuteter Nahrungsmittelallergie bei atopischer
Dermatitis
1/2012
Fischallergie
4/2011
Getreideallergien
4/2010
Kuhmilchallergie
3/2010
Baumnussallergien
2/2009
Kreuzallergien
­zwischen Pollen und
Lebensmitteln
1/2008
Erdnussallergie
2/2007
Hühnereiallergie
2/2005
Lebensmittelkennzeichnung: Steht drauf,
was drin ist?
Elternratgeber
Alle Elternratgeber
aus der Zeitschrift
„Pädiatrische Aller­
gologie in Klinik und
Praxis“ stehen unter
www.gpaev.de 
Die Zeitschrift 
Elternratgeber zum
Download bereit.
38
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Bücher
Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen
Immunologie – Diagnostik – Therapie –
Prophylaxe
L. Jäger, B. Wüthrich, B. Ballmer-Weber,
St. Vieths (Hrsg.)
Diätetik in der Allergologie
Diätvorschläge, Positionspapiere und
Leitlinien zu Nahrungmittelallergie und
anderen Unverträglichkeiten
Th. Werfel, I. Reese (Hrsg.)
Geb.; 328 S.; Urban & Fischer bei Elsevier, München, 3. Auflage 2008; ISBN
978-3-437-21362-5; € 69,95
Spiralbindung; 228 S.; Dustri Verlag
Deisenhofen, 3. Auflage 2010, ISBN 9783871853975, € 35,00
Der vollständige Überblick über Entstehung, Epidemiologie, Diagnostik,
Therapie und Prophylaxe von Nahrungsmittelallergien mit allen Nahrungsmittel­
aller­genen von A–Z. Eine wertvolle Hilfe
zur Orientierung in diesem komplexen
Gebiet und jedem zu empfehlen, der sich
mit Allergologie oder Ernährungsmedizin
befasst.
Das Buch präsentiert in übersichtlicher
Darstellung Listen für eine Lebensmittelauswahl für diagnostische und
therapeutische Diäten. Dabei werden die
entsprechenden Allergene vorgestellt, ihre Verwendung und Alternativen erläutert.
Ergänzend finden sich aktuelle Positionspapiere und Hinweise zum Vorgehen bei
Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Diät bei Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen
Ch. Behr-Völtzer, M. Hamm, D. Vieluf,
J. Ring (Hrsg.)
Broschiert; 168 S.; Urban & Vogel
München, 4. Aufl. 2008; ISBN 9783899352528; € 24,95
Hauptziel des Buches ist die Ernährungsberatung anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Tabellen erleichtern
die Lebensmittelauswahl und helfen den
Betroffenen, sich gesund und vollwertig zu
ernähren.
Köstlich essen ohne Milch und Ei
Praxisbuch Lebensmittel­allergie
A. Constien, I. Reese, Ch. Schäfer
Paperback; 160 S.; Südwest Verlag München 2007; ISBN: 978-3-517-08286-8;
€ 16,95
In diesem Buch werden verschiedene
Diagnosemöglichkeiten von Nahrungsmittelallergien vorgestellt und auf ihre
Relevanz hin bewertet. Die Autorinnen
beschreiben ausführlich die häufigsten
Lebensmittelallergene mit ihren Merkmalen. Dabei berücksichtigen sie auch die
Einflüsse von Verarbeitungsprozessen
und aktuelle Präventionsempfehlungen.
Richtig einkaufen bei Nahrungsmittel-Allergien
Keine Probleme bei Allergie und
Laktoseintoleranz
Mehr Sicherheit beim Einkauf, im Restaurant und im Ausland
B. Schmitt
I. Reese, A. Constien, Ch. Schäfer
Paperback; 174 S.; Trias Verlag Stuttgart 2005; ISBN: 978-3830433163;
€ 16,95
Broschiert; 127 S.; Trias Verlag Stuttgart
2007; ISBN: 978-3-8304-3351-4; € 9,95
Auch ohne Milch und Ei kann man genießen und schlemmen. Wie Pfannkuchen, Pudding und Co. super gelingen
und köstlich schmecken, zeigt dieses
Koch- und Backbuch. Beate Schmitt
verrät alle Tricks und Kniffe einer allergenarmen Küche.
Pädiatrische Allergologie ∙ 15 ∙ Sonderheft Nahrungsmittelallergie 2012
Nach Allergenen sortiert werden Fertiggerichte, Restaurantessen und ausländische
Speisekarten unter die Lupe genommen. So
können Betroffene unbedenklich außer Haus
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39
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sollten nur auf Rat von Kinderärzten oder anderem medizinischen Fachpersonal verwendet
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(Bilanzierte Diäten) und nur
unter medizinischer Kontrolle
zu verwenden.
SCH
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Aptamil Pepti – Spezialnahrung
bei Kuhmilcheiweißallergie
Aptamil. Stark ins Leben.