Russland, Mai 2016
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Bau- und Baustoffmaschinen Russland Konjunkturbericht Bauindustrie Mai 2016 Der Bericht wurde von der gtai mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt – der VDMA übernimmt für Inhalt und Richtigkeit keine Haftung. www.gtai.de Marktbericht Bauwirtschaft - Russland Von Ullrich Umann, Germany Trade & Invest, Moskau Moskau (GTAI) - Russlands Bauwirtschaft befindet sich in einer tiefen Finanzierungskrise. Besonders hohe Einbrüche sind im Tiefbau zu beklagen. Der Hochbau kann zumindest bei der Errichtung bezahlbaren Wohnraums 2016 das Vorjahresniveau annähernd halten. Die Krise bekommen auch die Hersteller von Baumaterial und Baustoffen zu spüren. Deutsche Anbieter können sich nur in technologisch anspruchsvollen Nischen neue Geschäfte ausrechnen. 1. Gesamtwirtschaftliches Umfeld und Strukturdaten zum Bausektor Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts Russlands Wirtschaftsleistung schrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach 2015 um 3,7% ein, so der föderale Statistikdienst Rosstat. Die Prognosen für 2016 geben keinen Anlass zum Optimismus, die negative Dynamik dürfte sich lediglich verlangsamen. Während Weltbank und Internationaler Währungsfonds für 2016 einen BIPRückgang um -0,8% vorhersagen, rechnet Zentralbankchefin Elwira Nabiullina mit 1,5%. Die Ratingagentur Moody´s sieht gar -2,5% als wahrscheinlich an. „Die Möglichkeiten zur Stärkung des Wirtschaftswachstums bleiben sowohl seitens der Geld- als auch der Fiskalpolitik beschränkt“, so die Agentur. Wachstumsimpulse sind 2016 nicht zu erwarten. Weder die Investitionen noch die Kreditvergabe werden zulegen. Schwach bleibt auch der private Konsum. Staat und Großunternehmen können in der gegenwärtigen Konstellation kein Wachstum erzeugen, sind sie doch über Gebühr auf Exporteinnahmen angewiesen - und diese sind gesunken. Die Weltmarktpreise der wichtigsten Ausfuhrgüter Erdöl, Erdgas, Kohle, Metall, Dünger und Getreide befinden sich auf einem Tiefststand. Obendrein brechen in Krisenzeiten die Steuereinnahmen weg. Ein Nachtragshaushalt ist in Vorbereitung und ein Anti-Krisenplan wurde verabschiedet, basierte doch der ursprüngliche Budgetansatz auf einem Ölpreis von 50 US$ pro Fass. Im 1. Quartal 2016 wurde Rohöl der Sorte Urals aber teilweise um die 30 US$ herum gehandelt. Auch die proklamierte Teilprivatisierung großer Staatskonzerne würde - selbst bei einem erfolgreichen Voranschreiten - kein schnelles Geld bringen. 2 Entsprechende Privatisierungsausschreibungen wurden noch nicht einmal auf den Weg gebracht. Obendrein vollzieht sich die Umsetzung von Privatisierungen aus juristischen Gründen in der Regel schleppend. Die Erlöse werden aber jetzt benötigt. Nicht einmal das Antikrisenprogramm der Regierung, das strategisch wichtigen Unternehmen aus der Bredouille helfen soll, ist durchfinanziert; es fehlen mehrere Milliarden Rubel. Drei Themen scheinen in der Präsidialverwaltung, der Föderalregierung, der Zentralbank und der Staatsduma aber tabu zu sein: das Finanzieren von Konjunkturprogrammen über einen drastischen Anstieg der Staatsverschuldung, das Fluten der Finanzmärkte mit frischem Geld per Druckerpresse sowie ein zu schnelles Abschmelzen der Devisenreserven. Offenbar haftet der Staatsdefault aus dem 1998 immer noch stark im kollektiven Gedächtnis. 3 Investitionen Die Investitionskraft von Banken und Unternehmen lässt inzwischen das dritte Jahr in Folge nach. Die Bedienung alter Auslandsverbindlichkeiten zehrt an der finanziellen Substanz der Marktteilnehmer. Institutionelle und gewerbliche Schuldner können sich seit Verhängung der westlichen Finanzmarktsanktionen 2014 auf ausländischen Kapitalmärkten nicht mehr refinanzieren. Gewinne fließen zu großen Teilen in die Schuldentilgung. Im Gegenzug stehen weniger Mittel für Investitionen bereit. Die unsicheren Zukunftsaussichten für Investoren, die hohe Volatilität des Rubels gegenüber den Leitwährungen (Euro, US-Dollar) und die angespannte geopolitische Lage hält in- und ausländische Unternehmen von größeren Engagements, darunter in der Bauindustrie, ab. Anteil der Bauwirtschaft an den gesamten Bruttoanlageinvestitionen (in %) 2010 3,7 2011 3,1 2012 2,8 2013 3,3 2014 3,4 2015 3,1 Quelle: Föderaler Statistikdienst (Rosstat), 2016 Statt zu investieren, müssen Projektentwickler, Immobilienverwalter, Planer, Architekten und Bauunternehmer zusehen, das Krisenjahr 2016 finanziell überstehen zu können. Die Zahl der Konkurse nimmt zu. Keine Bank möchte eine Kreditierung der Bauwirtschaft in der gegenwärtigen Konjunkturlage ohne erhöhten Risikoaufschlag mittragen. Ausnahmen bilden Banken im Staatseigentum, die teilweise im Auftrag der öffentlichen Verwaltung handeln. Entwicklung der Investitionen in die Bauwirtschaft und Baustoffindustrie auf Quartalsbasis im Vergleich zum Vorquartal (Veränderung in %) 1. Quartal 2015 -11,2 2. Quartal 2015 -26,8 3. Quartal 2015 -37,4 4. Quartal 2015 -28,7 Quelle: Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Moskau, 2016 Wenn in der Bauwirtschaft investiert wird, dann in der Mehrheit nur, um laufende Projekte zum Abschluss zu bringen. Zudem fließt Geld in unbedingt notwendige Reparatur- und Wartungsarbeiten. Doch werden kaum noch komplett neue Vorhaben angepackt. 4 Einkommensentwicklung, Kaufkraft und Konsum Die Realeinkommen sinken. Damit fällt der Konsum als jahrelang bewährter Wachstumsträger aus. Eine Trendumkehr ist 2016 nicht in Sicht. Für den Handel, den Tourismus, den Dienstleistungssektor, für Hersteller von lang- und kurzlebigen Verbrauchsgütern und für Bauunternehmer sind das schlechte Vorzeichen. Einzig die Personalrekrutierung wird leichter. 5 Strukturdaten zur Bauwirtschaft Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in Russland Kennziffer 2014 Wert der Bauinvestitionen insgesamt (Mrd. Rubel), davon: .Wohnbau (Mio. qm) ..öffentlich ..privat .Nichtwohnbau (Mio. qm) Fertigstellungen (Anzahl der Wohnungen in 1.000) Bestand (Mrd. qm, Stand Ende 2014) 2015 Veränderung 2015/2014 (%) 6.125,2 5.945,5 -2,9 84,2 83,8 45,8 48,8 35,2 34,3 30,0 29,4 1.080,3 1.169,4 3,6 -0,5 6,6 -2,6 -2,0 8,2 k. A. *) gewünschte Angaben sofern verfügbar; Wohnungsbau: bei vergleichbaren Indikatoren bitte geeignete Auswahl treffen Quelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat, Moskau, 2016 2. Hochbau Marktlage und Marktentwicklung Im Gebäudebau sind 2015 kleinere Trendänderungen zu beobachten. Es wurden 298.100 Gebäude fertiggestellt, was ein Minus von 2,1% gegenüber 2014 bedeutete. Zuvor hatte es mehrere Jahre keinen quantitativen Rückgang mehr gegeben. Mit anderen Worten: Das Mengenwachstum in der Bauindustrie fand 2015 sein vorläufiges Ende. Der Wohnungsbau hatte 2015 mit 94% den größten Anteil an allen Fertigstellungen. Die in Russland typische Fertigung und Nutzung von Panelwänden und Fertigteilen bleibt kurz- bis mittelfristig die am häufigsten angewandte Bautechnologie. Anders als die Zahl der Wohngebäude ist die fertiggestellte Wohnfläche 2015 gestiegen - von 104,4 Mio. qm (2014) auf 107,6 Mio. qm (2015). Somit wurden weniger, dafür aber größere Wohnhäuser gebaut. Dies ist ebenfalls ein neuer Trend. 6 Subventionierung der Hypothekenzinsen Von den sinkenden Realeinkommen und vom weitgehend ausgetrockneten Kapitalmarkt geht akute Ansteckungsgefahr für den Wohnungsmarkt aus. Deshalb begann die Föderalregierung am 1.3.2015 mit der Gewährung staatlicher Zuschüsse in einer Gesamthöhe von 20 Mrd. Rubel zur Subventionierung von Hypothekenzinsen. Ohne diese Maßnahme wäre der Bau von billigem Wohnraum in einigen Regionen komplett zusammengebrochen, denn bis zu 80% der Bauprojekte sind hypothekenfinanziert. Landesweit wurde 2015 der Bau von 48 Mio. qm Wohnfläche über zinssubventionierte Hypothekenkredite gefördert. Aktuell steht eine Verlängerung der Zinssubventionierung um ein weiteres Jahr unter Finanzierungsvorbehalt. Sollte der Staat keine Mittel dafür ausschütten, könnte der daraus entstehende Schaden am Ende sehr groß ausfallen. Es kämen Anschlusskosten von mehr als 1 Billion Rubel auf die öffentliche Hand auf allen Verwaltungsebenen zu, wie Fachleute ausgerechnet haben. Andernfalls würde das Land mit brachliegenden Baustellen regelrecht überzogen. Das wichtigste regionale Zentrum für den Wohnungsbau - gemessen am Bauvolumen - ist das Moskauer Gebiet mit einem Anteil von etwa 10%. Gegenwärtig befinden sich in Moskau 2.500 Objekte mit einer Gesamtfläche von über 25 Mio. qm in verschiedenen Stadien des Baus, sagte der Leiter der Abteilung für Städtebaupolitik, Sergej Levkin, am 30. März 2016. Es folgen die Region Krasnodar mit knapp 6% und die Stadt Moskau mit etwa 5%. In Krasnodar scheint es im Wohnungsbau schon Überkapazitäten zu geben, da die kaufkräftige Nachfrage nach Wohnungen nachgelassen hat. Die höchste Wachstumsdynamik haben 2015 Regionen mit einer relativ geringen Einwohnerzahl hingelegt, darunter das fernöstliche Gebiet Magadan und die Republik Komi. Auch die Zahl der übergebenen Nicht-Wohngebäude ist 2015 gesunken - von 21.200 (2014) auf 18.100 (2015). Die gebaute Nutzfläche ging gleichfalls zurück - von 34,2 Mio. qm (2014) auf 29,4 Mio. qm (2015). Einmal mehr wird hierdurch deutlich, dass laufende Projekte zwar zu Ende gebracht, neue Vorhaben aber in die Zukunft verschoben werden. 7 Entwicklung bei der fertiggestellten Gebäudefläche (in Mio. qm) Gebäudetyp NichtWohngebäude Wohngebäude 4. Quartal 2009 12,7 4. Quartal 2010 11,7 4. Quartal 2011 11,6 4. Quartal 2012 15,9 4. Quartal 2013 15,1 4. Quartal 2014 16,9 4. Quartal 2015 12,0 30,3 29,9 35,6 39,1 39,1 44,4 41,1 Quelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat, Moskau, 2016 Private Investoren gehen übervorsichtig vor Private Investoren sind nicht nur wegen der ungewissen Konjunkturaussichten irritiert, sondern sehen sich auch mit fehlenden oder exorbitant teuren Langzeitfinanzierungen konfrontiert. Developer reagierten 2015 aus beiden Gründen mit einem abrupten Stopp von Neuvorhaben. Eindeutigen Vorrang hat der Abbau der in der jüngsten Vergangenheit aufgestauten Überkapazitäten bei Gewerbeflächen, etwa durch Nachlässe bei Miet- und Verkaufspreisen. Wenn gewerbliche Kunden in der gegenwärtigen Lage überhaupt Büros suchen, dann meist nach Flächen von unter 150 qm. Etwa 95% der Neuverträge entfielen 2015 auf diese Kategorie - ein Trend, der 2016 anhält. In den letzten zwei Jahren war zudem ein Wegzug von Büromietern aus den teuren Innenstadtlagen an die preiswerteren Stadtränder zu beobachten. Im Fall Moskaus zogen Büromieter in das Moskauer Gebiet außerhalb des Autobahnrings MKAD. Für den Moskauer Büromarkt bedeutete diese Absetzbewegung Mietausfälle von 30%. Bei Verkaufsflächen treten Überkapazitäten in den teuren Geschäftsvierteln immer offener zu Tage. In Malls wird nicht vermietete Fläche hinter großflächigen Reklametafeln oder Sichtblenden verborgen. Gegenwärtig gilt, dass sich ein Shopping-Center erst nach 12 bis 15 Jahren amortisiert und nicht im Laufe von 5 bis 7 Jahren, wie noch vor der Krise. Bei komplett neu zu planenden Projekten könnte die Investition unter den heutigen Finanzierungsbedingungen sogar erst nach 20 Jahre als amortisiert gelten. Aktuelle Baukrise wird sich hinziehen Im Unterschied zur Subprimekrise des Jahres 2008, die praktisch über Nacht hereinplatzte und die Akteure auf dem russischen Immobilienmarkt unvorbereitet traf, hat sich die aktuelle Baukrise über einen längeren Zeitraum hinweg angekündigt. Die aktuelle Krise wird auch länger dauern als 2008/09. Wichtige Akteure können dieses Mal lediglich von ihren damals gemachten Erfahrungen profitieren. 8 Developer und Immobilienverwaltungen versuchen gegenwärtig - wenn überhaupt nur Rubel-Kredite aufzunehmen. Die Rückzahlung in Landeswährung ist einfacher als in Fremdwährung wegen der starken Abwertung des Rubels und der hohen Volatilität des Wechselkurses. Noch 2008/2009 waren Kredite in Devisen bevorzugt worden. Auch gestaltet sich das Verhältnis zwischen der Bau- und Immobilienwirtschaft einerseits und den Banken andererseits besser als 2008/09. In der aktuellen Krise vermeiden es die Finanzinstitute beispielsweise, auf krisenbedingte Risikovergrößerungen sofort mit drastischen Zinserhöhungen zu reagieren. Vielmehr sehen sich Banken und Kreditnehmer im Fall drohender Zahlungsschwierigkeiten einvernehmlicher als 2008/09 nach einer Lösung um. Denn Banken haben damals schnell feststellen müssen, dass sie nach dem Ziehen ihrer Sicherheiten Besitzer unfertiger Bauvorhaben wurden. Letzte ließen sich aber nur mit hohen Abschlägen weiterveräußern, wenn überhaupt. Banken kommen Schuldnern entgegen Aktuell versuchen Banken, sich mit den Bauherren gütlich zu einigen, um Totalausfälle zu vermeiden. Dazu gehören gestreckte Zahlungsziele oder Zwischenfinanzierungen. Developer und Immobilienverwaltungen achten auch stärker als früher auf die Senkung ihrer operativen Kosten. Neben Einschränkungen beim Personal gehört dazu die Kürzung des Fuhr- und Baumaschinenparks. Um Einnahmeausfälle wenigstens teilweise zu kompensieren, werden zusätzliche Geschäftsfelder erschlossen. Beispielsweise bieten Architekturbüros Planungen für die Gestaltung der Innenarchitektur, einschließlich Kauf der Einrichtungen auf Rechnung des Endkunden, an. Bislang wurden Objekte nur von außen entworfen und nach Fertigstellung als Rohbau an die Nutzer übergeben. Im Fall von Logistikzentren und Lagerflächen, bei denen noch vor wenigen Jahren hohe Knappheitsverhältnisse herrschten, ist der Leerstand inzwischen auf 12% angestiegen. Da 2016 weitere Objekte auf den Markt kommen, zeichnet sich bis Jahresende ein Leerstand von sogar 25% ab. Mehr kleine Unternehmen suchen Lagerflächen Die Nachfrage nach Lagerfläche wandelt sich mit der Kundenstruktur. Der Anteil großer und mittelgroßer Unternehmen unter den Nachfragern nach Lagerfläche nimmt ab. Dagegen nimmt der Anteil kleiner Unternehmen und Start-ups mit Mietinteresse zu. Dies führen Developer unter anderem auf die Politik der 9 Importsubstitution zurück, weshalb mehr kleine Unternehmen die Nähe zu den wichtigsten Märkten suchen. Auch verabreden sich verstärkt kleine Unternehmen untereinander und mieten Lagerfläche gemeinsam, um so Ausgaben zu optimieren. Auf die Änderung dieser Nachfragestruktur können die Developer in breiter Front nicht unmittelbar reagieren. Im Angebot sind vorrangig noch großflächige Lager in urbaner Randlage. Kleine Lager, die näher an den Stadtzentren liegen, müssen in ausreichender Zahl und Fläche erst noch geschaffen werden. Am besten kann diesem Problem wohl noch in Moskau begegnet werden, wo durch Umwidmung stillgelegter Industrieanlagen die gesuchten Lagerflächen relativ rasch aufbereitet werden können. Konkrete Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen Auf dem russischen Baumarkt sind deutsche Produkte und Dienstleistungen nur noch punktuell absetzbar. Das liegt einerseits an den sinkenden Investitionen und damit schrumpfenden Marktvolumina, andererseits am gestiegenen Kostenbewusstsein der Kunden, denen das Geld nicht mehr so locker in der Tasche sitzt, wie noch vor wenigen Jahren. Exklusive Vorhaben für zahlungskräftige Bauherren sind rar geworden. Das große Marktsegment des sozialen Wohnungsbaus ist unter rein russischen Planern und Baufirmen aufgeteilt. Da diese regionalen und lokalen Bauherren die besten Beziehungen zu den Entscheidungsträgern in den Kommunalverwaltungen pflegen, kommen ausländische Baufirmen an so gut wie keine Aufträge heran. Aufgrund der Politik der Importsubstitution trifft das jetzt noch stärker zu. Selbst im Segment hochwertiger Bürogebäude, Einkaufsmalls, Mehrzweck-, Kulturund Sporteinrichtungen oder beim (Um-)Bau und der Sanierung von Flughäfen kommen immer weniger westliche Planer, Architekten und Baufirmen zum Zuge. Zudem haben rein russische Wettbewerber in den letzten 25 Jahren an Kompetenz aufgeholt und arbeiten aufgrund ihrer Lohnstruktur fast unschlagbar kostengünstig. Der in den letzten zwei Jahren um 40% gesunkene Außenwert des Rubels hat dieser Entwicklung noch einmal eine zusätzliche Dynamik verliehen. Chancen für Deutsche bei der Urbanistik und Stadtbegrünung Chancen für deutsche Planer bestehen aber in den Bereichen Urbanistik (Umgestaltung von Innenstadtbereichen, etwa in Moskau), bei der reinen Landschaftsarchitektur und bei der Stadtbegrünung. Erstens haben deutsche Büros in dieser Hinsicht immer noch einen Wissensvorsprung vor ihren russischen Wettbewerbern. Zweitens verfügen sie über die besseren Referenzen und 10 Vorzeigeprojekte, auf die sich russische Stadtarchitekten bei ihrer Auftragsverteilung explizit beziehen. So wurden repräsentative Straßen in Moskau nach dem Vorbild von Amsterdam umgestaltet. Bei Außen- und Grünflächen wurde der Großraum Mailand als Benchmark etabliert. Daher operiert ein deutscher, in Mailand niedergelassener Landschaftsarchitekt inzwischen erfolgreich in der russischen Hauptstadt. Ausgewählte Großprojekte im Wohnungs- und Wirtschaftsbau (sortiert nach Investitionssumme) Vorhaben / Region Bau eines Ammoniakwerks / Gebiet Tula Investitionssu Projektstand mme 1,15 Mrd. Projektierung, Euro Investorensuche , Baustart: 2018 Ausbau des Flughafens Scheremetjewo / Stadt Moskau 572,7 Realisierung: Mio. Euro 2016 bis 2018 (630 Mio. US$) Bau einer Kunstfaserspinnere i (Textilcluster) / Gebiet Iwanowo Ausbau der Raffinerie Jaiskij / Gebiet Kemerowo 563 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2018 Wohnviertel „Mir Mitino“ / Stadt Moskau 350 Mio. Tiefarbeiten Euro angelaufen, Fertigstellung der 1. Stufe im Jahr 2018 375 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2018 11 Anmerkungen SchtschjokinoAsot, Kapazität: 0,73 Mio. t Ammoniak und 1,2 Mio. t Karbamid EnergoStroj und Flughafengesellsc haft Meschdunarodny Aeroport Scheremetjewo, Bau des neuen Terminals B und zweier Verbindungstunnel zwischen südlichem und nördlichem Bereich des Flughafens Gebietsverwaltung Iwanowo und private Investitionen AO NefteChimServis und Gebietsverwaltung Capital Group, 1. Bauabschnitt: 360 Mio. qm Wohnfläche plus Infrastruktur Bau des zweiten Segments des Passagierterminals im Flughafen Domodedowo / Stadt Moskau Bau eines kompletten Wohnviertels / Jekaterinburg Bau einer Zuckerfabrik mit Kapazität von 20.000 t Zuckerrüben pro Tag / Gebiet Tambow Amur-Brücke Straßen- und Eisenbahnbrücke über den Fluss Amur zwischen Blagoweschtschensk (Russland) und 338 Mio. Fertigstellung Euro des ersten Segments: 2016, Baustart des zweiten Segments: Ende 2017 257,2 Mio. Euro (20 Mrd. Rubel) Projektierung; Investor und Finanzier: Uralskij bank rekonstrukzii i raswitija; unterstützt wird das Projekt von: Russkaja mednaja kompanija (RMK) 250 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2021 240 Mio. Baustart: Juli Euro 2016 12 Betreiber DomodedowoFlughafen, Kapazität: erstes Segment: 15.200 Passagiere pro Stunde, zweites Segment: 3.900 Passagiere pro Stunde, zusammen 45 Mio. Passagiere pro Jahr Bauausführung: Invest Stroj Ural; Bebauung des Geländes des ehemaligen Werks „Smak“ (30 ha) im Bereich der Straßen Swerdlowa, Asina und MaminaSibirjaka; Wohngebäude mit 300.000 qm Fläche, Geschäfte, Kindergärten, Schulen, Sportzentrum, Parkplätze, Allee ASB Gruppe Russischchinesisches Joint Venture (Gesellschaft Most und eine Firma im Besitz der Provinz Heihe (China) / Gebiet Amur Cluster ChimpromUsolje / Gebiet Irkutsk Heilongjiang) 225 Mio. Projektierung Euro Bau der Gasheizkraftwerke Pregolskaja, Talachowskaja und Majakowskaja / Gebiet Kaliningrad Bau einer Verkaufseinrichtun g über 40 ha durch IKEA / Tscheljabinsk Hotel der Kette „Vertikal“ / Sankt Petersburg 213 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2018 Bau eines Hüttenwerks / Rakitnoje, Region Chabarowsk (auf dem Gebiet des Territoriums der beschleunigten sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung) Business-Park Fili / Stadt Moskau 100 Mio. Projektierung Euro 125 Mio. Projektierung, Euro Fertigstellung: bis 2020 125 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2019 55 Mio. Realisierung: Euro 2015 bis 2018 13 OOO Cluster Chimprom-Usolje, Ansiedlung von Herstellern für Solarzellen, Chlor und Bauarmaturen, eines Datenzentrums; Produktion der Metallkonstruktio nen erwünscht Staatsholding Rosneftegas und Energieunternehmen Kaliningradskaja Generazija (gehört RAO EES) IKEA; Bau eines Möbelhauses,anschließend Erweiterung zu einer Shopping Mall Becar Group, weiteres Apartmenthotel der VerticalKette mit 2.000 Zimmern geplant OOO Torex, Kapazität: 237.000 Gussblöcke pro Jahr General Properties, Bau von Apartments der Business Klasse geplant Lagerkomplex / Tschechowo, Gebiet Moskau Geburtsklinik / Samara 50 Mio. Projektierungsp Euro hase, Baustart: 2016 38 Mio. Projektierung, Euro Baustart: Ende 2016 Eldorado, Bau von 100.000 qm Lagerfläche Betreibergesellsc haft Mat i ditja (Mother & Child) Quelle: Recherchen von Germany Trade and Invest 3. Tiefbau/Infrastrukturbau Marktlage und Marktentwicklung Im Jahr 2015 schrumpften die öffentlichen Bauinvestitionen im Tief- und Infrastrukturbau um 20 bis 30% - je nach Projektart. Im laufenden Jahr 2016 dürften die Einsparungen aufgrund der gesunkenen Staatseinnahmen sogar noch umfangreicher ausfallen. Die für den Autobahnbau zuständige Behörde Rosavtodor bezifferte den Rückgang ihrer Projektmittel für 2016 mit 30%, nach einem Minus von 25% im Jahr zuvor. An öffentlichen Großprojekten wurden für 2016 der Ausbau der U-Bahn-Netze in Moskau und Sankt Petersburg, der Ausbau einiger Schnellstraßen in und um die russische Hauptstadt herum sowie die Vorbereitung der Infrastruktur für die FußballWM 2018 an elf Austragungsorten angekündigt. Doch wurde auch das Budget für diese Vorhaben schon auf ein Mindestmaß zusammengestrichen. Kurz- bis mittelfristig werden verschiedene Einzelvorhaben zum Ausbau der Infrastruktur im Fernen Osten beginnen. Dazu gehören Erschließungsarbeiten für die Territorien zur beschleunigten sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung (TOR), der Ausbau der Schienenstrecken Transsibirische Eisenbahn und Baikal-AmurMagistrale (BAM) sowie Erweiterungsarbeiten in verschiedenen Hochseehäfen in den Regionen Primorje und Chabarowsk, auf Sachalin und Kamtschatka. Ferner Osten und Südrussland warten mit Projekten auf In den fernöstlichen Häfen müssen die Verladekapazitäten für Schüttgut, darunter für den steigenden Kohleexport, erweitert werden. In Wladiwostok nimmt der Containerumschlag durch die Einrichtung von Freihäfen für Exportgüter aus der VR China, die für Drittmärkte bestimmt sind, zu. Einen gewissen Lichtblick bieten die Ausbauarbeiten im und um den südrussischen Hafen Noworossijsk. Der Hafenbetreiber NMTP will kurz- bis mittelfristig 54,9 Mrd. 14 Rubel (697 Mio. Euro) in die Erweiterung und Modernisierung stecken. Zu den Vorhaben zählen die Vergrößerung der Verladekapazitäten für Schüttgut, Düngemittel und Metalle, sowie eine Verbreiterung der Lagerflächen. Im Getreideterminal soll das Hafenbecken vertieft werden, um noch größeren Transportschiffen das Anlegen zu ermöglichen. Um die verkehrstechnische Anbindung des von ständigen Staus geplagten Hafens zu verbessern, planen die Stadtverwaltung Noworossijsk und die föderale Straßenbaubehörde Avtodor eine umfangreiche Verbreiterung des anliegenden Straßennetzes im Rahmen einer Public-Private-Partnership (PPP). In diesem Zusammenhang sollen Brücken, Kreuzungen, Auf- und Abfahrten und Straßenverbreiterungen angelegt werden. Der Wert der notwendigen Investitionen im Straßen- und Brückenbau in Noworossijsk wird mit 101,216 Mrd. Rubel (1,3 Mrd. Euro) angegeben. Davon sollen 40,3% aus dem föderalen Haushalt kommen. Die Fertigstellung soll bis 2020 erfolgen. Ein Großvorhaben im Wert von 3 Mrd. Rubel (38,1 Mio. Euro, 1 Euro = 78,76 Rubel, Stand: 6.3.2016) wurde im Januar 2016 ausgeschrieben. Lagerkapazität und Logistikfläche für das Containerterminal NUTEP sollen bis Januar 2018 in Richtung Süden erweitert werden. Ausgewählte Großprojekte im Tiefbau/Infrastrukturbau Vorhaben / Region Hochgeschwindig keitsstrecke TscheljabinskJekaterinburg / Tscheljabinsk Ausbau des Tiefwasserhafen s Taman / Krasnodar Gebiet Hafenausbau / Noworossijsk Straßenbau / Noworossijsk Investitionssum Projektstand me 2,06 Mrd. Planung Euro 2,01 Mrd. Projektierung Euro 700 Mio. Planung Euro 1,3 Mrd. Realisierung: Euro 2015 bis 2020 15 Anmerkungen Uralskaja skorostnaja magistral; Projekt wird auf Konzessionsgrundlage realisiert Joint Venture von DP World (Dubai) und Russischem Fonds für Direktinvestitionen NMTP (www.nmtp.info); Vergrößerung der Verladekapazität für Schütt- und Massengut nebst Lagerflächen, Schienen- und Straßenanbindung Stadtverwaltung, NMTP und Straßenagentur Avtodor; PPP Passagiertermin al / Pionersk U-Bahnbau / Moskau 107 Mio. Planung Euro k.A. Planung 30 km Umgehungsstraße / Chabarowsk U-Bahnbau / Sankt Petersburg 400 Mio. Ausschreibung, Euro Realisierung: 2017 bis 2019 500 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2022 12,3 km Schnellstraße / Moskau 282 Mio. Realisierung: Euro 2016 bis 2018 Bau der dritten und vierten Ringautobahn um Moskau herum / Moskauer Gebiet Bau der Straßen im Zuge der Neubebauung des Geländes des ehemaligen Automobilwerks „SIL“ / Stadt Moskau 281,3 Mio. Ausschreibung Euro für Bau und Finanzierung im April 2016 121 Mio. Auftragsvergab Euro (9,4 e ist am 31. Mrd. Rubel) März 2016 erfolgt; Bau in fünf Phasen geplant Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 16 OAO RZD und Mediterranean Shipping Company; vier Passagierterminals und 300 Ankerplätze für Jachten Moskauer Stadtregierung; Bau von 22 km UBahnstrecke Drei Bewerberfirmen im Rennen OAO Metrostroj; Bau von 5,15 km UBahnstrecke, 750 m Wendegleis und 940 m Verbindung zwischen zwei Stationen Moskowskaja inschenernostroitelnaja kompanija (MISK); Straße, Hochstraße, Auf- und Abfahrten Avtodor Technischer Auftraggeber und Bauausführung: AO Mosinshprojekt; Bau von über 20 km Straßen innerhalb von drei Jahren geplant 4. Branchenüberblick und Geschäftspraxis Branchenstruktur und Wettbewerbssituation Der Marktzugang ist seit 2014 für deutsche Hersteller und Dienstleister schwieriger geworden. Russland verfolgt eine Politik der Importsubstitution und bevorzugt bei öffentlichen Ausschreibungen Unternehmen aus der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Inzwischen legte die russische Regierung nach und möchte diese Vorschrift in öffentlichen Bauprojekten auch auf Subauftragnehmer ausweiten. Damit stünden deutsche Anbieter vor noch höheren Marktzugangsbarrieren. Der für Ausschreibungen und Industriepolitik zuständige Minister für Industrie und Handel, Denis Manturow, fasste diese Entwicklung mit der griffigen Formel zusammen: „Marktanteile gegen Technologietransfer“. Mit anderen Worten: Wenn sich eine ausländische Firma weiterhin an öffentlichen Bau- oder Beschaffungsausschreibungen beteiligen will, sollte sie sich in Russland mit einer eigenen Produktionsstätte niederlassen. Für Projektanten und Architekten wäre das eine russische Niederlassung. Wie schwer es die wenigen in Russland niedergelassenen westeuropäischen Baufirmen und -dienstleister inzwischen aber haben, zeigte beispielweise die jüngste Projektvergabe im Wert von 630 Mio. US$ zum Bau eines Terminals und zweier Verbindungstunnel im Flughafen Scheremetjewo in Moskau. Den ersten Platz belegte mit EnergoStroj ein russisches Unternehmen, ein früheres Tochterunternehmen der türkischen Renaissance Construction. Türkische Firmen sind seit dem 1.1.2016 in Russland generell mit einem Projektverbot belegt. Die Strabag AG landete erst auf den dritten Platz. Deutsche Firmen „überwintern“ in der Krise Eine Reihe deutscher Architekten, Planer, Projektsteuerer, Ausrüster und Technologielieferanten, teilweise auch Spezialbaufirmen, haben in Russland eine Niederlassung. Dazu gehören ASSMANN Beraten + Planen OOO, Bilfinger OOO, Drees & Sommer Project Management and Building Technologies OOO, Ingenieurbüro Zammit OOO, pbr Architects & Engineers Sankt Petersburg OOO, Peri OOO, RKW Architektur + Städtebau Russia OOO, Stieblich-IndustriebauProjektierungsbüro OOO Stahlbau Stieblich, Agiplan OOO, Hausmann & Partners OOO, Heitkamp Rus OOO, HOCHTIEF Development Russland OOO, KVL Consult OOO, MosMeva ZAO, NOE-Schalttechnik Meier-Keller GmbH+Co.KG, Real Estate Managment ZAO und THOST Russia Projektierungsmanagement OOO. 17 Speziell mit der Planung, dem Bau und der Einrichtung von Kliniken zur Gesundheitsfürsorge wirbt die BPS Medical OOO. Softwareprogramme für die Bauund Immobilienwirtschaft stellt die conject OOO zur Verfügung. Zu den Lieferanten von Bauteilen, Baustoffen, Bauchemie und Baumaterialien mit Niederlassungen in Russland gehören quick-mix ZAO, Schöck OOO, STREIF Baulogistik Russland OOO, REHAU OOO, Knauf Gips OOO, HeidelbergCement Rus OOO, Henkel und BASF (Bauchemie). Geschäftspraxis Niedergelassene deutsche Planungs- und Architekturbüros sowie Spezialbaufirmen mussten in den letzten Jahren wegen der rückläufigen Auftragslage die Zahl ihrer Entsandtkräfte reduzieren. Im günstigsten Fall wurden deutsche Mitarbeiter durch russisches Personal ersetzt. Doch die Zeiten, in denen sich zumindest die großen deutschen Planungsbüros die Projekte regelrecht aussuchen konnten, sind vorerst vorüber. Im laufenden Jahr 2016 geht es darum, die eigenen Kapazitäten überhaupt ausreichend auslasten zu können. Praktisch wird nach jedem Strohhalm gegriffen. Andererseits gibt es auch Fälle, wonach einige Büros mehr Aufträge erhalten haben, da die Zahl der Wettbewerber in Zeiten der Baukrise geringer geworden ist. Hier zeigt sich einmal mehr die Widersprüchlichkeit der Lage und der Rahmenbedingungen. Neben der Beherrschung der Kostenaspekte müssen deutsche Planer, Architekten oder Baufirmen auch den russischen Normenkatalog die nationalen technischen Besonderheiten - beherrschen und obendrein Mitglied in einer Selbstregulierungsorganisation (SRO, es gibt etwa 500 für Bauwirtschaft) sein. Das System der Selbstregulierung wird gerade von der russischen Regierung reformiert. Im Dezember 2015 wurde eine neue Konzeption für die Selbstregulierung beschlossen. Im April 2016 nahm die Staatsduma in zweiter Lesung einen Gesetzesentwurf an, der die Normen für die Entschädigungsfonds der SRO konkretisiert. Zurzeit laufen Beratungen über Details unter Leitung des Wirtschaftsministeriums. 18 Deutsch-russische Partnerschaften zerbrechlich Mit der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit russischen Partnern haben deutsche Architekten, Planer und bauausführende Firmen in der Vergangenheit mehrheitlich schlechte Erfahrungen gemacht. Unterschiedliche Herangehensweisen, finanzielle Streitfälle und Probleme der Autorenschaft in Projekten führten in der Regel zur schnellen Auflösung von Partnerschaften. Darüber hinaus ist der regional umgekehrte Trend zu beobachten, dass russische Planungs- und Architekturbüros in Deutschland Niederlassungen eröffnen und dort im Auftrag russischer Investoren Projekte realisieren. Es verdichten sich die Indizien, dass russische Planungsbüros im Bereich des qualitativ hochwertigen Infrastruktur- und Straßenbaus teilweise einen Nachholbedarf aufweisen. Der Begriff „Autobahn“ wird in Russland vom Qualitätsaspekt her eindeutig Deutschland zugeordnet. Daher suchen russische Büros 2016 unter anderem Straßenbauprojektanten mit Deutschland-Erfahrungen. Dies kann für deutsche Ingenieure interessant sein, wenn sie sich auf das Abenteuer Russland einlassen wollen. Kontaktadressen Bezeichnung Internetadresse Anmerkungen Ministerium für Bauwirtschaft und Wohnungsverwaltun g www.minstroyrf.ru Normen und Standards, Wohnungsverwaltung, Genehmigungen, Gesetzesentwürfe, Wohnungsbaupolitik, staatliche Bauinvestitionen Ministerium für die Entwicklung des Fernen Ostens http://minvostokrazvitia.r u wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Fernen Ostens Ministerium für Industrie und Handel http://minpromtorg.gov.ru Industrie- und Handelspolitik, öffentliche Ausschreibungen, Investitionsprogramm e für Industriezweige Russischer http://omorrss.ru 19 Bauverband Nationale Vereinigung der Projektanten http://www.nostroy.ru Verband für Privathäuserbau http://www.svoydom.ru Nachrichten für Bauwirtschaft www.vestnik.info Nachrichten des Bauverbands http://omorrss.ru/presscenter/media/magazine CTT - 16. Internationale Messe für Bautechnik www.ctt-expo.ru 31.5. bis 4.6.2016, Moskau MosBuild - 22. Internationale Messe für Bauwirtschaft und Innenausgestaltun g www.mosbuild.com April 2017, Moskau ASNInfo, Agentur für Baunachrichten http://asninfo.ru NSP.su, Bauportal www.nsp.su strojABC.ru, Anzeigen zum Häuserbau www.strojabc.ru Stroitelstwo.ru, Bauportal www.rcmm.ru 20 5. Baustoffe und Zulieferprodukte Für deutsche Hersteller von Maschinen zur Fertigung von Baustoffen und Baumaterialien verringern sich 2016 die Absatzmöglichkeiten das zweite Jahr in Folge. Ihren wichtigsten Kunden gehen die Investitionsmittel aus oder sie glauben nicht an eine schnelle Erholung der Nachfrage nach Baumaterialien. Baumärkte sind ein wichtiger Indikator für die Marktentwicklung. Ihr Umsatz wird 2016 voraussichtlich um 8% sinken. Russland: Herstellung von Baustoffen und Baumaterialien (Veränderungen in %) Produktgruppe Industrie, gesamt .nichtmetallische mineralische Produkte ..Glas und Produkte daraus ..keramische Platten und Kacheln ..Ziegelsteine, Dachziegel u.a. ..Zement, Kalk und Gips ..Produkte aus Beton, Gips oder Zement Veränderung 2015/2014 -3,2 -7,8 0,6 1,7 -8,0 -9,5 -16,0 Quelle: CMPRO, Moskau, 2016 Investitionen kommen aus dem Ausland Zu den Regionen mit einer aktiven Ansiedlungspolitik zählen die Gebiete Kaluga und Uljanowsk sowie die Republik Tatarstan. Erst im September 2015 feierte der Gouverneur, Rustam Minnichanow, die Einweihung eines Werkes zur Herstellung von akustischen Deckenplatten. Besitzer des Werkes und Investor ist die US-Firma Armstrong World Industries. Die installierte Kapazität beträgt 20 Mio. qm pro Jahr. Der Projektwert wird mit 3,6 Mrd. Rubel angegeben. Ein weiteres wichtiges Herkunftsland für Direktinvestitionen in die Baustoffindustrie war bis vor kurzem die Türkei. So eröffnete der türkische Hersteller von Baumaterial aus Holz, Kastamonu, in der Sonderwirtschaftszone Ljudinowo im Gebiet Kaluga im September 2015 ein Werk mit einer Betriebsfläche von 70 ha. Hier betrug der Investitionswert 200 Mio. US$. Hergestellt werden unter anderem Holzplatten und verkleidungen, Fußbodenparkett und Furnierholz. Der Schweizer Hersteller von Bauchemie, Sika, eröffnete am Standort Wolgograd sein fünftes Werk in Russland. Hergestellt werden dort 30.000 jato Trockenmischungen. Der Investitionswert wird mit 5,3 Mio. US$ angegeben. 21 Der deutsche Wettbewerber Henkel Bautechnik besitzt in Russland ebenfalls fünf Werke. Russland gehört für Henkel zu den vier wichtigsten Auslandsmärkten. Jedes Jahr setzt der Konzern mit Haushalts- und Bauchemie hier 1 Mrd. Euro um. Das neueste Werk hat Henkel im Juni 2015 in Nowosibirsk eingeweiht. Baustoffindustrie schrumpft Doch dürfen die Werkseröffnungen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Industrieproduktion 2015 um 3,7% gegenüber dem Vorjahr eingebrochen ist. Die Baustoffindustrie macht dabei keine Ausnahme. Lediglich in den Untersparten, in denen Werkseröffnungen zu verzeichnen waren, konnte ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr registriert werden. Generell müssen alteingesessene Hersteller aber 20 bis 50% an Umsatzeinbußen zu verkraften. Produktion in der Baustoff- und Baumaterialindustrie (Veränderungen in %) Baustoff/-material 1. Quartal 2016 Ziegel, keramisch, nicht-feuerfest (Mio. Stück) Blöcke, keramisch, zum Bau (Mio. Stück) Portlandzement, Tonerdezement, Schlackenzement und analoger hydraulischer Zement (Mio. Tonnen) Löschkalk (1.000 Tonnen) Konstruktionen und Teile aus Eisenbeton (Mio. cbm) Stahlkonstruktionen für den Bau (1.000 Tonnen) 1.210 Veränderung 1. Quartal 2016 / 1. Quartal 2015 -22,8 59,0 8,9 -14,8 -18,3 636 4,2 -4,2 -22,9 701 -5,4 Quelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat, Moskau, 2016 Farben und Lacke für Pipelinebau gefragt Für die russischen Hersteller von Lacken und Farben, zum Beispiel für das Unternehmen Russkije Kraski aus Jaroslawl, werden die Nachfrageflaute auf dem russischen Markt und asiatische Billigimporte ein zunehmendes Problem. Besonders der Absatzrückgang bei Farben zur Fahrbahnmarkierung ist signifikant. Die Branche leidet unter den Einsparungen im Infrastrukturbau. Hoffnungen verknüpfen die Farbenhersteller hingegen mit den Projekten von Gazprom zur Verlegung von Pipelines in Richtung VR China. Hierfür wird eine gigantische Menge an wetterresistenten Oberflächenmaterialien benötigt, die zwecks Importsubstitution allesamt aus russischer Produktion stammen sollen. 22 Dagegen werden aus den Privathaushalten kaum noch Nachfrageimpulse nach Farben und Lacken erwartet. Dies hängt mit den rückläufigen Realeinkommen und mit dem allgemein sinkenden Wohnungsbau zusammen. Stärker als die heimische Produktion gehen die Importe von Farben und Lacken zurück. Trotz insgesamt sinkenden Marktvolumens festigen sich so die Marktpositionen der heimischen Hersteller gegenüber den ausländischen Lieferanten. Durch die Rubelentwertung haben sich die Exportmöglichkeiten für russische Farben und Lacke verbessert. Umgekehrt stiegen die Kosten in Rubel für den Import notwendiger Bestandteile zur Produktion von Farben und Lacken oder von Baustoffen (u.a. von Mergel zur Ziegelherstellung). Preise für importierte Baumaterialien stark gestiegen Auch die Einfuhr von Endprodukten, etwa von hochwertigen Ziegelsteinen, leidet unter den gestiegenen Preisen. Noch 2014 deckten Lieferungen aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien oder den baltischen Staaten zusammen 17% des russischen Verbrauchs. Hersteller aus den genannten Ländern bedienen das Premiumsegment. Importe kamen außerdem aus Belarus und der Ukraine. Die Einfuhren aus der Ukraine sind wegen der angespannten russisch-ukrainischen Beziehungen zusammengebrochen. Im Ergebnis sind Großhändler dazu übergegangen, Importlieferungen durch russischen Produkten zu ersetzen. Zumal die Endverbraucher nicht in der Lage sind, die gestiegenen Einfuhrkosten zu tragen. Dies hat die Absatzentwicklung der zurück liegenden zwölf Monate eindeutig belegt. Baumärkte werden wichtiger Vertriebspartner In den vergangenen Jahren spielen Baumärkte (DIY) eine wachsende Rolle im Vertrieb von Baumaterialien. Zunächst wurde das Netz von Baumärkten um die Millionenstädte im europäischen Landesteil immer enger. Anschließend begann die Expansion in Richtung Ural und Sibirien. Als finales Ziel bleibt der Ferne Osten Russlands. Die französische Kette Leroy Merlin kündigte an, mit eigenen Baumärkten in die Region Chabarowsk vorstoßen zu wollen bis 2017. Dabei setzt sich Leroy Merlin das Ziel, in allen Warengruppen die Preise der Konkurrenz stets um 5% zu unterbieten. Dafür geht der Konzern Kooperationen mit lokalen Herstellern ein, um nicht das gesamte Sortiment aus dem europäischen Teil Russlands oder gar aus der Europäischen Union einführen zu müssen. 23 Nach Zahlen aus dem Jahr 2013 kontrollierte der französische Konzern 11% des russischen Marktes für Waren des Baubedarfs und ließ damit die deutsche Kette Obi hinter sich. Zur Abrundung seines Angebots betreibt Leroy Merlin einen regen Online-Handel. Etwa 5% des Umsatzes sollen auf Bestellungen aus dem Internet zurückgehen. OBI hält mit eigenen Expansionsplänen dagegen. Die zur Tengelmann-Gruppe gehörende Baumarktkette will bis Ende 2017 weitere 18 Filialen in Russland eröffnen. Nach den Worten von Ian Strickland, Managing Director von OBI Russia, sollen von den neuen Filialen zwölf in angemieteten und sechs in neu errichteten Gebäuden entstehen. Dafür will OBI rund 250 Mio. Euro investieren. Bislang ist OBI in Russland mit 24 Märkten vertreten, wovon sich mehr als die Hälfte in Moskau (8) und Sankt Petersburg (5) befinden. Das wertmäßige Marktvolumen auf dem DIY-Markt ist 2015 das erste Mal nach sechs Jahren geschrumpft - um 4,89% auf 1,46 Billionen Rubel. Diesen Wert hat die auf Bauwirtschaft spezialisierte Marktforschungsagentur INFOLine errechnet. Für 2016 erwartet INFOLine einen weiteren Rückgang um 8% auf 1,35 Billionen Rubel. Als Hauptgrund gibt die Agentur die rückläufige Zahl und Größe neu geplanter Gebäude an. Russland: Marktvolumen bei DIY-Waren Jahr 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016* Wert in Mrd. Rubel 530 648 831 727 905 1.107 1.295 1.408 1.535 1.460 1.350 Wachstum in % 22,4 22,3 28,2 -12,5 24,5 22,3 17,0 8,7 9,0 -4,9 -8,0 *) Prognose Quelle: INFOLine, Moskau, 2016 24 Nach Importdrosselung folgt Produktionseinbruch In der Vergangenheit führten konjunkturbedingte Nachfragerückgänge bei Baustoffen und Baumaterialien in der Regel zu Importdrosselungen in den betroffenen Warengruppen. Da russische Baustoffe und -materialien stets einen Preisvorteil gegenüber Importware aufwiesen, waren sie in Krisenzeiten weiter gefragt. Aktuell sind die Einfuhren an Baustoffen und Baumaterial aber auf ein so niedriges Niveau gesunken, dass kaum noch Importdrosselungen möglich sind. Damit schlagen weitere Nachfragerückgänge unmittelbar auf die inländischen Hersteller durch. Die Hersteller sind wegen der schwachen Nachfrage nach ihren Produkten nicht einmal mehr in der Lage, die inflationsbedingt steigenden Gestehungskosten in voller Höhe an die Endverbraucher weiterzureichen. Im Ergebnis bricht der Absatz nicht nur mengen-, sondern auch wertmäßig ein. Senkung der Gestehungskosten oberstes Gebot Um die Gestehungskosten zu senken, aber auch um durch eine Verlängerung der Wertschöpfungskette vor Ort als inländischer Hersteller zu gelten, investieren 2016 einige ausländische Hersteller von Baustoffen und -materialien. Ein Beispiel ist der Stahlproduzent Ruukki, der im 1. Quartal 2016 zusammen mit Isover in der Region Kaluga im bereits bestehenden Werk der Ruukki Rus die Herstellung von Sandwichpaneelen aufgenommen hat. Zur Einrichtung dieser Produktion sind 150 Mio. Euro geflossen. Die Besonderheit bei dem neuen Produkt besteht darin, dass es zu 85% aus wiederverwendbaren Materialien besteht. Damit wird in Russland ein Grundstein zur Einführung grüner Standards bei Baumaterialien gelegt. Isover liefert die zur Produktion notwendige Steinwolle. Russlandweit stellen 12 Unternehmen Sandwichpaneele her, doch längst nicht alle arbeiten nach ökologischen Kriterien. Ruukki Rus bietet Profilbleche und verzinkte Profilbleche in Russland an. Fassadenbleche werden aus den Werken in Finnland, Polen und Estland eingeführt. Bei den Importprodukten im Portfolio von Ruukki führte der stark gesunkene Außenwert des Rubels zu eklatanten Preisanhebungen auf dem russischen Markt. Um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben, tauscht Ruukki die Oberflächenmaterialien aus Blechen durch preiswertere, dennoch leistungsfähige Materialien aus. Der Markt soll daraufhin schon positiv reagiert haben. Für 2016 geht der Hersteller trotzdem von Einbrüchen des Marktvolumens bei Baumaterialien von bis zu 25% aus. 25 Einbruch im Zementverbrauch Auf den Zementabsatz wirkt sich die Baukrise negativ aus. Dies gilt insbesondere für die rückläufige Zahl von fertig gestellten Wohnhäusern. Besonders die Zementimporte aus der Türkei, Iran, der VR China (für den Baumarkt im Fernen Osten), Lettland und Schweden sind 2015 eingebrochen. Auf das gesamte Jahr projiziert ist auch der Absatz der russischen Zementwerke um 9,5% im Vergleich zu 2014 zurückgegangen. Noch 2010 bis 2013 hatte es Zuwächse von 5 bis 15% pro Jahr gegeben. Bei Betonzusätzen (Bauchemie) stammen 90% aller Produkte aus russischer Produktion. Nur Spezialzusätze zum Betonieren im Meerwasser, in arktischer Kälte oder für Betonarbeiten in historischen Gebäuden werden nicht in Russland hergestellt, müssen also zwingend eingeführt werden. Doch der wertmäßige Marktanteil für diese Spezialzusätze überschreitet 5% nicht. Bislang hat sich kein Hersteller in Russland in der aktuellen Situation auf dem heimischen Finanzmarkt in der Lage gesehen, in eine Fertigung von Betonzusätzen für die genannten Spezialanwendungen zu investieren. Perspektivisch dürfte das aber geschehen, zumal der billige Rubel Importprodukte preislich unattraktiv macht. Kunststoffe halten Einzug in der Bauwirtschaft Die Anwendung von Kunststoffen, insbesondere von Linoleum als Fußbodenbelag, hat in den letzten Jahren zugenommen. Derzeit wird Linoleum in 60% aller Fälle verlegt. Die Produktion von Linoleum ist dennoch seit 2012 rückläufig. Damals erreichte der Ausstoß mit 142,4 Mio. qm seinen vorläufigen Höhepunkt. Im Folgejahr 2013 ging der Ausstoß auf 140,8 Mio. zurück. Im Jahr 2014 betrug die Produktion 136,8 Mio. qm. Mit 70% Marktanteilen führte das Unternehmen Tarkett. Verkauf von Kunststoffrohren stagniert Bei Kunststoffrohren stagnierte der Markt 2014 und nahm 2015 volumenmäßig sogar ab. Vor allem die Nachfrage seitens kommunaler Gas- und Wasserbetrieben lässt spürbar nach. Bei PVC-Rohren bleibt allerdings die Importabhängigkeit beim Ausgangsmaterial bestehen. Trotzdem sinken die Importvolumina. Kunststofffenster haben Verkaufszenit überschritten Der Markt für Kunststofffenster schrumpft seit 2012. Obwohl das Angebot an PVC als Ausgangsmaterial von inländischen Herstellern infolge von Kapazitätserweiterungen gestiegen ist. Bis zu 54% des im Land hergestellten PVC geht in die Herstellung von 26 Fenster- und Türrahmen. Dies führt dazu, dass praktisch nur noch sehr wenige Fenster aus dem Ausland importiert werden. Dabei handelt es sich nur noch um Spezialfenster für architektonisch ausgefallene Lösungen. Viel kommerziellen Erfolg beschert die annähernd 100%-ige Inlandsproduktion von Kunststofffenstern den Herstellern aber nicht, denn der Absatz sinkt unaufhörlich. Während 2012 insgesamt 58 Mio. qm Fenster mit Kunststoffrahmen (+5% gegenüber Vorjahr) gefertigt wurden, waren es 2013 nur 53,4 Mio. qm (-8%) und 2014 nur noch 46,8 Mio. qm (-12%). Im Jahr 2015 betrug der Einbruch 25%, was zu einer Absatzmenge von nur noch 38,0 Mio. qm führte. Den Prognosen zufolge soll der Rückgang 2016 zwischen 15 und 25% betragen und sich sogar bis 2020 fortsetzen. Alle Angaben stammen vom spezialisierten Internetportal Okna Media. Marktbereinigung bei Fensterherstellern Im Jahr 2015 vollzog sich unter den Fensterherstellern eine Marktbereinigung, die sich 2016 fortsetzen dürfte. Laut Okna Media mussten einige Hersteller ihre Geschäftstätigkeit wegen sinkender Nachfrage und Tiefstpreisen einstellen. Praktisch sind die Fensterpreise 2015 auf dem Niveau von 2012 stehen geblieben, bei steigenden Preisen für das Ausgangsmaterial PVC und Glas. Ihre Pforten schließen mussten insbesondere kleine Anbieter und Werkstätten, die zusammen einen mengenmäßigen Marktanteil von 7% hielten. Auslöser für die Firmenpleiten waren die rückläufige Nachfrage und Verschiebungen in der Kundenstruktur. Der Anteil individueller Bauherren, die in der Regel geringe Stückzahlen zur Modernisierung ihrer Wohnungen oder Häuser bestellten, nahm ab. Fensterhersteller müssen nachrüsten Zur Herstellung von energieeffizientem Bau- und Fensterglas fehlt es unter den russischen Herstellern teilweise an Technologie. Modernisierungen konzentrierten sich in der jüngsten Vergangenheit auf die Herstellung von Glas ohne Energiesparund UV-Filterfunktion. Inzwischen ist der Anteil von energieeffizientem Fensterglas an der Gesamtnachfrage aber von 7% (2007) auf 17% (2012) gestiegen. Zu den dominierenden Firmen gehören AGC Flat Glass (Produktion im Moskauer Gebiet), Pilkington Glass (Moskauer Gebiet) und Guardian Industries (Gebiet Rjasan). Mittels energieeffizienter Fenster könnte der Wärmeverlust in Neu- und Altbauten, gesenkt werden. In Moskau wurde in Gebäuden, die zwischen 2003 und 2010 errichtet wurden, ein Energieaufwand für Heiz- und Lüftungszwecke zwischen 150 und 180 kWh pro Stunde und Quadratmeter gemessen. Dies verstößt gegen die russische Baunorm SNiP, die maximal 95 kWh pro h/qm zulässt. 27 Produktion von Bauglas stagniert Bei Bauglas wurde bis 2014 ein Mengenwachstum in der Produktion und im Absatz erzielt. Dies hängt mit der Fertigstellung von fünf Glasfabriken im Zeitraum 2008 bis 2014 zusammen. Doch schlug sich das Mengenwachstum nicht in Steigerungen des Umsatzes nieder, denn je mehr Glas auf den Markt kam, umso stärker fielen die Preise. So wuchs der Ausstoß der Branche 2014 um 19%. Doch fielen die Preise gleichzeitig um 20%. Im Jahr 2015 ist die Produktionsmenge nur noch um 0,6% gewachsen - ein sicheres Zeichen für eine Absatzkrise. Von den insgesamt elf Werken gehören fünf ausländischen Konzernen. Darunter befindet sich die Trakya Glass Rus, ein Gemeinschaftsunternehmen der französischen Saint-Gobain und der türkischen Trakya Cam Sanayi mit mehreren Standorten in Russland. Das jüngste Werk wurde in Elabuga (Tatarstan) eröffnet. Zu den russischen Herstellern gehören Salavatsteklo (Baschkirien), Saratowstroisteklo (Gebiet Saratow), JurRosProdukt (Kreis Stawropol), Saratowski Institut Stekla (Gebiet Saratow), Simwol (Gebiet Wladimir) und Star Glas (Gebiet Brjansk). Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik Auf dem Markt für Heiz-, Wärme- und Wassertechnik war bis 2014 Wachstum zu verzeichnen. Beispielsweise wurden 2010 erst 3.100 Gas-Kondensationskessel (Brennwertkessel) verkauft. Vier Jahre später waren es schon 10.000 Stück. Allerdings ging die verkaufte Stückzahl 2015 wieder zurück auf 9.000 Stück. Für 2016 rechnen die Anbieter mit einer Stabilisierung der Verkaufszahlen. Einfluss auf die Absatzentwicklung 2016 wird das Spannungsverhältnis aus fernsteuerbaren (internetgestützt), automatisierten und energiesparenden Kesseln zu hohen Verkaufspreisen versus geringer Erdgaspreis und mangelnde Finanzierungen ausüben. Hoffnungen setzten die Hersteller auf russische Dienstleistungsfirmen und Zwischenhändler, die sich an technischen Trends und Neuerungen orientieren und diese ihren Kunden weiterempfehlen. Dies hat sich in der jüngsten Vergangenheit durchaus als absatzfördernd für moderne Heiz- und Wassertechnik erwiesen. Außerdem arbeitet die russische Regierung an einer Neuordnung der Wärmeenergieversorgung. Dabei soll das Prinzip der zentralen Fernwärmenetze in dünn(er) besiedelten Regionen zu Gunsten einer dezentralen Wärmeversorgung durchbrochen werden können. In den Bereichen Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik sind alle Firmen, die weltweit Rang und Namen haben, aktiv. Teilweise tragen sie den Wettbewerb auf dem russischen Markt komplett unter sich aus. Zu den erfolgreichen 28 Markenherstellern von Heizkesseln, Gasheizungen, Durchlauferhitzern und Warmwassersystemen gehören Bosch, Ariston, Rehau, Viessmann, Baxi, Vaillant, Beretta, Junkers, Buderus, Wolf, Saunier Duval, Roca, Frisquet. Bei den Anbietern von Rohren, Verbindungen und Komplettsystemen für Wasser, Wärme und Abwasser sowie Montagewerkzeugen spielen deutsche Hersteller ebenfalls eine wichtige Rolle. Protektionismus bei Heizkörpern bemerkbar Der hohe Anteil ausländischer Hersteller von Heiz- und Klimatechnik auf dem russischen Markt ist den inländischen Produzenten ein Dorn im Auge. Der Verband der Hersteller von Wärmeradiatoren (russ.: APRO) hat sich eigens mit Abgeordneten der Duma zusammengesetzt, um Regeln zur Importsubstitution durchzusetzen, womit nur noch inländische Anbieter bei öffentlichen Ausschreibungen zum Zuge kommen würden. Ziel sei es, den derzeitigen Anteil der Inlandshersteller von Heizkörpern am Markt von derzeit 12 auf 60% zu erhöhen. Der Anteil europäischer Anbieter liegt bei etwa 15%, der Rest stammt aus Asien. Neben Präferenzen für einheimische Hersteller bei Tendern würde zusätzlich eine Verschärfung technischer Kontrollen und Zulassungsverfahren für Importtechnik zur Anwendung gelangen. Bislang kommt der Großteil der Heizkörper aus asiatischen Billigländern. Teurere deutsche Heizkörper sind von dieser Maßnahme erst in zweiter Linie betroffen. Deutsche Anbieter von Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik sind in der Regel in Spezialprojekten sehr erfolgreich. So hat Rehau den Auftrag bekommen, Wärmesysteme für Fußballfelder in sieben russischen Stadien zu installieren. Bereits 80% aller Stadien, in denen Spiele der obersten Liga ausgetragen werden, sind mit entsprechender Technik dieses deutschen Herstellers ausgestattet. Darüber hinaus findet diese Wärmetechnik auf Kinderspielplätzen Anwendung. Für 2016 hat Rehau allein auf diesem Gebiet sieben bis zehn Vorhaben in den Auftragsbüchern. Deutsche Heiztechnik an russische Anforderungen adaptiert Ebenfalls adaptieren deutsche Anbieter von Heiz- und Wassertechnik ihre Produkte in den meisten Fällen an den russischen Markt, sei es an klimatische Anforderungen oder sei es preislich. Erstens können die Apparate und Installationen dadurch robuster und einfacher in der Steuerung und Handhabung ausfallen, zweitens auch billiger. Das ist wichtig in Zeiten, in denen der Wettbewerb überwiegend über die Preise ausgetragen wird. 29 In den urbanen Zonen sind vorrangig Zentralheizungs- und Fernwärmesysteme anzutreffen. Individuelle Heizungen kommen nur beim Bau von Einfamilien- und Wochenendhäusern (Datscha) beziehungsweise in ländlichen Regionen zum Einsatz, wo es wegen einer zu geringen Bevölkerungsdichte keine Fernheizung gibt. Generell wird ein Großteil der Bevölkerung mit Wärme und warmen Wasser aus Wärmekraftwerken und zentralen Heizhäusern versorgt. Die Sanierung und der Neubau von Heizhäusern ist 2015 wegen mangelnder Investitionsmittel der Kommunen und Gemeinden beziehungsweise der kommunalen Versorgungsunternehmen ins Stocken geraten. Laut offizieller Statistik sind zum Beispiel im 4. Quartal 2015 zentrale Heizhäuser mit einer Gesamtleistung von 440,8 GCal/h ans Versorgungsnetz gegangen - ein Rückgang um 50% gegenüber dem analogen Vorjahreszeitraum. Die Anzahl neuer Gasanschlüsse fiel im gleichen Zeitraum um 34,3%. Baustoffe und Baumaterial für grünes Bauen noch chancenlos Grünes Bauen spielt in Russland nur eine untergeordnete Rolle - im internationalen Vergleich hat Russland auf diesem Gebiet aufzuholen. Zwar sind die Anforderungen an ökologische und nachhaltige Aspekte in der Projektierung und Bauausführung recht hoch, unter anderem durch die Regierungsverordnung Nr. 18 vom 25.1.2010. Seit 2013 muss zudem auf die Verwendung nicht vollständig verbrauchter Energie und die Einbeziehung erneuerbarer Energiequellen in die Planung und beim Betreiben von Gebäuden geachtet werden. Doch schätzt der 2009 gegründete Russian Green Building Council (RuGBC), dass viele dieser Forderungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Der RuGBC geht in seiner Kritik sogar noch weiter. So sei die Bauwirtschaft in Russland weniger energieeffizient, weniger wettbewerbsfähig sowie weniger zuträglich für die Gesundheit und den Umweltschutz als in den entwickelten Industrieländern. Als Gründe dafür werden der Überfluss an Bodenschätzen und Energieträgern vor Ort bei einer gleichzeitig chronischen Nichtbeachtung der eigenen Baunormen und einem durchschnittlich niedrigen Kenntnisstand potenzieller Anwender über relevante Energiesparmöglichkeiten gesehen. 30 Fußball-WM könnte Trend zum grünen Bauen einleiten Zumindest laufen Vorbereitungen, um nationale grüne Standards für Sportanlagen auszuarbeiten und einzuführen. Daran beteiligt ist unter anderem das Ministerium für Naturressourcen und Umwelt. Fachleute hoffen in diesem Zusammenhang, dass die WM-Vorbereitungen langfristig nachwirken und zu einem Trend führen. Belastbare Fakten für eine derartige Entwicklung lassen sich über den Bau der Fußball-Stadien hinaus aber noch nicht finden. Skepsis bleibt geboten. Um grünes Bauen zu fördern, stellt sich der RuGBC inzwischen schon seit sechs Jahren als Sammelbecken für interessierte Firmen und Personen zur Verfügung. Neben der Lobbyarbeit in Industrie und Politik arbeitet die Organisation an der Ausarbeitung und Durchsetzung von nationalen Standards und stützt sich dabei unter anderem auf den Empfehlungen des U.S. Green Building Council (LEED) und des BRE Building Research Establishment (BREEAM). Internationale Zertifikate freiwillig anwendbar Was „grünes Bauen“ angeht, können Immobilien in Russland nach allen gängigen internationalen Standards auf freiwilliger Basis zertifiziert werden. Unter den etwa 240 Mitgliedern des RuGBC befinden sich Architekten, Projektanten, Juristen, Wissenschaftler, Studenten und Ingenieure, aber auch Hersteller von Baumaterialien, Baufirmen und Immobilienentwickler. Ausgewiesen werden Energiespareffekte unter anderem in russischen Dokumentationen, etwa im sogenannten Energiepass, den örtliche Kontrollinstanzen ausstellen. De facto ist der Weg für grünes Bauen dadurch geebnet. Erste Beispiele sind vorhanden, wie das Einkaufszentrum „Belaja Datscha“ vor den Toren Moskaus (BREEAM), das Kugellagerwerk SKF in Twer (LEED) als erste zertifizierte Fabrik in Russland, das Bürogebäude Dukat Place III in Moskau (BREEAM), das Bürogebäude am Obwodny Kanal in Sankt Petersburg (LEED) und das Bürogebäude „Barwicha“ im Moskauer Gebiet (DGNB, LEED und BREEAM). Bei den deutschen Anbietern von Baustoffen und Baumaterialien, aber auch von Heiz- und Wassertechnik sind die angebotenen Produkte in der Regel in Europa oder in Drittländern bereits nach DGNB, BREEAM und LEED zertifiziert worden. Dies bringt ihnen einen Wettbewerbsvorteil, wenn Architekten und Bauherren nicht nur nach funktionalen und wirtschaftlichen Kriterien, sondern auch nach ökologischen Gesichtspunkten planen und bauen. 31 Initiativen setzen sich für grünes Bauen ein Neben dem RuGBC hat sich auf Initiative der Union der Architekten 2011 eine zweite Organisation, der Russian Sustainable Architecture and Building Council (RSABC) gegründet, der sich der Unterstützung des Parlaments, der Akademie für Architekturund Bauwissenschaften und einiger Hochschulen sicher ist. Der RSABC ist nach eigenen Angaben eine Kooperation mit dem World Green Building Council eingegangen und führt Veranstaltungen mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DNGB) durch. Aktuelles Ziel war und ist die weitere Ausarbeitung und Einführung nationaler Umweltnormen im Bauen, analog zu DGNB, LEED und BREAM. Bei der engeren Auswahl der Vorlagen dazu scheint RSABC zum DNGB-Katalog zu tendieren. In einem jüngsten Schritt trat der Vorstandsvorsitzende der RSABC, Alexander Remizov, im Juni 2015 auf dem „Rubin Innovationsforum“ in Berlin-Adlershof auf. Die Schwerpunkte des Forums lagen auf autonomen Energieversorgungsmodellen, Energieeffizienz in Gebäuden, optimierter Stromversorgung, der energietechnischen Nutzung von Abfällen und auf innovative Lösungen zur Abwasserreinigung. Hausautomatisierungstechnik und Gebäudesicherheit Der Markt für Automatisierungstechnik hat sich in den zurückliegenden Jahren schnell entwickelt. Gefragt sind LED-Kontrolleinrichtungen, Sensoren, Relais, Dimmer, Helligkeitssteuerungen, Signalüberträger, Verstärker, Umwandler, Pulte und Steueroberflächen. Besonders stark wächst der Markt für mobile Lösungen zur Steuerung der Hausautomatisierungstechnik, zum Beispiel per Smartphone. Eine ähnliche Tendenz gibt es im Bereich Gebäudesicherheit. Die dafür angebotenen Lösungen werden oftmals mit der Hausautomatisierung gemeinsam als Paketlösung angeboten. Zu den größten Anbietern gehört Honeywell, ein USKonzern, der in Russland seit 1972 tätig ist. Inzwischen haben sich erste russische Anbieter als Spin-off aus Forschungsinstituten oder Großunternehmen beziehungsweise als Start-ups auf dem Markt etabliert - und das recht erfolgreich. Zu einem bekannten Anbieter von Lösungen zur Meldung von Glasbruch, Feuer- und Bewegungsmeldern sowie Systemen der Videoüberwachung gehört das Sankt Petersburger Unternehmen Argus Spektr. 32 Sicherheitstechnik für Gebäude krisensicher Das Marktsegment für Anlagen und Ausrüstungen zur Gebäudesicherheit erweist sich sogar als besonders krisensicher. So steigen in Zeiten fallender Realeinkommen und sozialer Verwerfungen beziehungsweise einer weltweit gestiegenen terroristischen Bedrohung die Anforderungen an die Zugangskontrolle zu öffentlichen und privaten Gebäuden beziehungsweise erst recht zu Industrieanlagen. Insbesondere 2015 haben die Importpreise auf Anlagen und Ausrüstungen zur Gebäudesicherung infolge des Rubelverfalls stark angezogen. Dies haben sich inländische Hersteller zu Nutze gemacht, die vorrangig aus dem Mittelstand stammen. Lediglich bei technisch anspruchsvoller Großtechnik, zum Beispiel zum Schutz von Kraftwerken oder von Chemieanlagen, die naturgemäß sehr komplex ausfallen, haben russischen Anbieter der ausländischen Konkurrenz nur wenig entgegen zu setzen. Russische Geräte voller Importteile Hinzu kommt, dass selbst viele russische Lösungen voller Importteile stecken. Im Inland werden erst sehr wenige elektronische Komponenten hergestellt. In den meisten Fällen müssen die Kunden zwischen preislich günstigen Angeboten inländischer Hersteller und technologisch anspruchsvollen Produkten aus dem Ausland abwägen. Je größer die technischen Anforderungen an die Systeme, desto weniger spielt für gewöhnlich der Preis eine Rolle. Im Fall von Gebäudeautomatisierungen hat sich der russische Markt in den letzten fünf Jahren schnell entwickelt. Zu den wichtigen Anbietern gehören Siemens, ABB, Schneider Electric, Gira, Jung, Merten, Berker, Wago, Beckhoff und Theben. In jüngster Zeit aufgeholt haben die spanische Zennio, die chinesische NDL und die russische iRidium. Zudem gibt es einen Trend zur Fusion von Engineeringfirmen aus den beiden Bereichen Gebäudesicherheit und Gebäudeautomatisierung. Wenn die Planung früher durch zwei eng spezialisierte Projektanten getrennt durchgeführt wurde, werden jetzt in der Regel Paketlösungen angeboten. Integratoren und Generalplaner sind näher zusammengerückt oder stammen inzwischen sogar aus ein und demselben Büro. 33