Vierteljährliche Kerndaten und -fakten (3. Ausgabe/2014)

Transcription

Vierteljährliche Kerndaten und -fakten (3. Ausgabe/2014)
Wirtschaft und Politik USA:
Vierteljährliche Kerndaten und -fakten
Aktuelle wirtschaftliche und politische Situation
in den USA
Ausgabe 3/2014
Wirtschaft und Politik USA:
Vierteljährliche Kerndaten und -fakten
Aktuelle wirtschaftliche und politische Lage in den USA
Nach negativen Wachstumszahlen zu Beginn des Jahres wuchs die US-Wirtschaft im zweiten Quartal deutlich. Allerding hinken der Immobilienmarkt und
die Sparquote der positiven Entwicklung noch etwas hinterher. Andere Indikatoren wie die Arbeitslosigkeit und die Investitionsquote haben sich hingegen in
den letzten Monaten auf einem konstant guten Niveau stabilisiert. Die Leistungsbilanz konnte den negativen Trend der ersten Monate umkehren, verzeichnet aber weiterhin ein Defizit. In der Haushaltspolitik ist es derzeit ruhig.
Dies erhöht jedoch die Unsicherheit im Hinblick auf die wahrscheinlich auslaufende Aussetzung der Schuldenobergrenze im März 2015. Vor den Kongresswahlen im November kann nicht mehr mit größeren Gesetzesinitiativen
gerechnet werden.
Datum
14. Oktober 2014
Seite
1 von 10
Wirtschaftliche Lage
Wirtschaftswachstum: Nach einem schlechten Start in das Jahr 2014 – das BIP
verzeichnete ein negatives Wachstum von -2,1 Prozent im ersten Quartal –
fielen die Zahlen für das zweite Quartal deutlich positiver aus. Laut der Schätzung des U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) wuchs die US-Wirtschaft
um 4,6 Prozent. Positiv zum BIP-Wachstum trugen insbesondere Exporte, private Konsumausgaben, private Lagerinvestitionen, Anlageinvestitionen und
Staatsausgaben bei. Lediglich steigende Importe dämpften das Wachstum. Für
2014 erwartet der IWF derzeit ein Gesamtwachstum von 1,7 Prozent (Zahlen
des IWF vom Juli 2014). Die OECD hingegen geht von einem Wachstum von
2,1 Prozent für das Jahr 2014 aus.
Eine Umfrage der National Association for Business Economics (NABE) unter
257 US-Ökonomen ergab, dass mehr als die Hälfte der Befragten die wirtschaftliche Erholung gefährdet sieht. Grund ist die Ungewissheit darüber, wie
mit der im März 2015 auslaufenden Aussetzung der Schuldenobergrenze weiter verfahren wird (s. hierzu auch Staatsschulden/Haushaltsdefizit, S. 3).
Bundesverband der
Deutschen Industrie e.V.
Mitgliedsverband
BUSINESSEUROPE
Telekontakte
T: 030 2028-1483
F: 030 2028-2483
Internet
www.bdi.eu
E-Mail
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Reales Wachstum des BIP in Prozent in Preisen von 2009, 1980 bis
2014
10
10
8
8
6
6
4
4
2
2
0
0
-2
-2
-4
-4
Jahreswerte
-6
-8
-6
-8
Quartalswerte
2014
2012
2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
-10
1980
-10
Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Account Tables, Table 1.5.1, via <http://www.bea.gov/iTable/index_nipa.cfm>.
Sparquote: Die private Ersparnis als Teil des verfügbaren Einkommens
stieg leicht von 4,9 Prozent (Q1/2014) auf 5,3 Prozent (Q2/2014). Somit
liegt die Sparquote derzeit etwas über dem Jahresdurchschnitt von 2013
(4,9%). Dies deutet darauf hin, dass sich die Erwartungen der Bevölkerung an die wirtschaftliche Entwicklung etwas verschlechtert haben. Ein
möglicher Auslöser der Skepsis dürften die schlechten Wachstumszahlen
des ersten Quartals sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Sparquote als Folge
des starken Wachstums im zweiten Quartal wieder abnimmt.
Investitionsquote: Die Investitionstätigkeit der US-Unternehmen war
über die letzten Monate sehr konstant. Nachdem die Investitionsquote
(private Investitionen als Anteil am BIP) sowohl im dritten als auch im
vierten Quartal 2013 16,1 Prozent betragen hatte, stieg sie zuletzt nach
einem leichten Rückgang im ersten Quartal (15,9%) auf 16,4 Prozent an.
Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 5,9 Prozent
(September 2014), verglichen mit 7,2 Prozent im September 2013. Mit
Ausnahme eines leichten Anstiegs im Juli auf 6,2 Prozent sank die Arbeitslosigkeit seit dem Frühjahr weiter. Der leichte Anstieg im Juli wird
darauf zurückgeführt, dass mehr Personen aufgrund guter Jobaussichten
auf den Arbeitsmarkt drangen (Hintergrund: in den USA werden lediglich
aktiv Jobsuchende als arbeitslos gezählt). Der Beschäftigungszuwachs im
Vergleich zum ersten Quartal verteilte sich auf verschiedene Sektoren;
insbesondere wuchs die Zahl der Angestellten im Bereich professionelle
und Unternehmensdienstleistungen, im Einzelhandel, in der Produktion,
in der Bauwirtschaft und im Gesundheitswesen wie das U.S. Bureau of
Labor Statistics (BLS) mitteilte.
Seite
2 von 10
Arbeitslosenquote, August 2012 - September 2014
8,5
8,0
7,5
Arbeitslosigkeit in Prozent
7,0
6,5
6,0
Aug 12
Sep 12
Okt 12
Nov 12
Dez 12
Jan 13
Feb 13
Mrz 13
Apr 13
Mai 13
Jun 13
Jul 13
Aug 13
Sep 13
Okt 13
Nov 13
Dez 13
Jan 14
Feb 14
Mrz 14
Apr 14
Mai 14
Jun 14
Jul 14
Aug 14
Sep 14
5,5
Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics, Labor Force Statistics from the Current Population Survey, <http://data.bls.gov/timeseries/LNS14000000>.
Immobilienmarkt: Nach Informationen des U.S. Department of Housing
and Urban Development schwächte sich die Erholung des Immobilienmarktes im ersten Quartal 2014 ab. Die Zahl der neuen Baugenehmigungen sank zwischen Q4/2013 und Q1/2014 um 5,1 Prozent. Die Zahl der
Baustarts (Anzahl der privaten Wohneinheiten, an denen Bauarbeiten
begonnen haben) fiel um 8,7 Prozent gegenüber Q4/2013 und um 3,5 Prozent gegenüber Q1/2013. Die Anzahl der im Bau befindlichen Häuser
stieg jedoch, und zwar von 711.000 (Q4/2013) auf 718.000 (Q1/2014);
dies entspricht einem Anstieg von einem Prozent. Gegenüber Q1/2013
wuchs die Zahl der im Bau befindlichen Häuser um ganze 21,1 Prozent.
Die Verkaufszahlen für neue Häuser fielen dagegen im ersten Quartal,
und zwar um 2,5 Prozent gegenüber Q4/2013 und um 3,2 Prozent gegenüber Q1/2013. Verkäufe bereits existierender Wohneinheiten nahmen
ebenfalls um 6,9 Prozent gegenüber Q4/2013 und um 6,6 Prozent im
Vergleich zu Q1/2013 ab (Anmerkung: die Anzahl der verkauften
Wohneinheiten bezieht sich hier lediglich auf Einfamilienhäuser).
Hauspreisindizes wie der S&P/Case Shiller Index oder auch der Index der
Federal Housing Finance Agency zeigen, dass Immobilienwerte seit acht
Quartalen gestiegen sind. Beide Indizes zeigen sogar, dass die Immobilienpreise während der letzten acht aufeinanderfolgenden Quartale ununterbrochen gestiegen sind. Der NAHB/Wells Fargo Housing Market
Index (HMI) sagt für das zweite Halbjahr eine Belebung des Marktes
voraus.
Staatsschulden/ Haushaltsdefizit: Das Office of Management and
Budget (OMB) bestätigte für das Haushaltsjahr 2013 den Staatsschuldenstand von $16,7 Billionen. Mit einem BIP von $16,6 Billionen betrug die
Schuldenquote demnach zum Ende des Haushaltsjahrs 2013 100,6 Prozent des BIP. Für das laufende Haushaltsjahr wird mit 103,2 Prozent des
BIP ein vorläufiges Maximum der Schuldenquote erwartet. Für die kommenden Jahre wird ein stetiges Absinken der Schuldenquote auf 97,6
Prozent des BIP im Jahr 2019 prognostiziert. Das Haushaltsdefizit im lau-
Seite
3 von 10
fenden Jahr wird auf 3,7 Prozent geschätzt und soll bis 2018 stetig auf
$413 Milliarden bzw. 1,9 Prozent des BIP schrumpfen. Im Jahr 2019 wird
dagegen erwartet, dass das Defizit wieder leicht steigt, und zwar auf 2,3
Prozent des BIP. Gründe hierfür sind unter anderem steigende Ausgaben
im Gesundheitswesen als Folge der demographischen Entwicklung sowie
höhere Zinszahlungen.
Haushaltsdefizit und Verschuldung
10
Prognose
Verschuldung in % des BIP
120
5
0
100
-5
80
60
-10
Haushaltsdefizit
-15
-20
40
-25
20
Verschuldung
-35
1940
1943
1946
1949
1952
1955
1958
1961
1964
1967
1970
1973
1976
1978
1981
1984
1987
1990
1993
1996
1999
2002
2005
2008
2011
2014 est.
2017 est.
0
-30
Haushaltsdefizit in % des BIP
140
Quelle: Office of Management and Budget, Historical Tables: Table 1.2 und 7.1, via
<www.whitehouse.gov/omb/budget/historicals>.
Handel: Das US-Außenhandelsdefizit (Güter und Dienstleistungen)
wuchs zwischen Q4/2013 und Q1/2014 laut dem BEA von $112,5 Milliarden auf $126,8 Milliarden. Die Exporte sanken um $7,7 Milliarden
(-8,9%), während die Importe um $6,7 Milliarden (1,8%) stiegen. Als
Grund für den Exportrückgang wird unter anderem der harte Winter in
weiten Landesteilen gesehen. Dieser zwang viele Unternehmen dazu,
vorübergehend zu schließen und verringerte somit Produktion und Ausfuhren. Die neuesten Monatsdaten sind derzeit für Juli erhältlich: Zwischen Juni und Juli schrumpfte das Außenhandelsdefizit marginal von
$40,8 Milliarden auf $40,5 Milliarden.
Das gesamte Leistungsbilanzdefizit (Handel mit Gütern und Dienstleistungen, Einkommen sowie unilaterale Transferzahlungen) wuchs zwischen dem vierten Quartal 2013 und dem ersten Quartal 2014: von $87,3
Milliarden (2,0% des BIP) auf $111,2 Milliarden (2,6% des BIP). Die
Gründe dafür waren das gestiegene Außenhandelsdefizit, ein Rückgang
der Einkommensüberschüsse sowie eine Zunahme der Nettoabflüsse unilateraler Transferzahlungen.
Insgesamt sieht US-Wirtschaftsministerin Pritzker die 2010 von Präsident
Obama ins Leben gerufene Nationale Exportinitiative (NEI) als Erfolg an.
Diese habe US-Unternehmen dazu gebracht, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf ausländischen Märkten zu verstärken. Das Ziel, die Exporte innerhalb von fünf Jahren zu verdoppeln, konnte aber auf nationalem
Niveau nur zu 50 Prozent erreicht werden.
Seite
4 von 10
Politische Lage: Außen- und innenpolitische Entwicklungen
ISIS: Als Reaktion auf den schnellen und äußerst brutalen Vormarsch der
radikal-islamistischen Terrororganisation ISIS (Islamischer Staat im Irak und
Syrien) und die Eroberung großer Gebiete in Syrien und im Nordirak entsendete die US-Regierung Mitte Juni eine Spezialeinheit in den Irak. Die 275-Mann
starke Truppe soll in erster Linie Mitarbeiter der US-Botschaft schützen, ist
aber – falls nötig – auch für Kampfeinsätze ausgerüstet. Weitere Aufgaben
sind die Kontrolle von Flughäfen, logistische Unterstützung sowie die Ausbildung irakischer Regierungstruppen für den Kampf gegen ISIS. Seit dem
8. August 2014 fliegt die US-Armee auch gezielte Luftangriffe gegen ISISStellungen. Präsident Obama sah sich harscher Kritik ausgesetzt, nachdem er
über Wochen keine explizite Strategie zur Bekämpfung der ISIS-Truppen
vorlegelegt hatte. Am 10. September präsentierte er schließlich seine
Militärstrategie: Diese sieht sowohl für den Irak als auch für Syrien eine
Ausweitung der Luftschläge gegen ISIS vor. Darüber hinaus erhalten das
irakische Militär, kurdische Truppen und die moderaten syrischen Rebellen
verstärktes Training durch die US-Armee. Ein wichtiger Bestandteil der
Strategie ist zudem die Einbindung möglichst vieler Partnernationen, auch aus
dem arabischen Raum. Obama hat deutlich gemacht, dass die USA keine
Bodentruppen entsenden werden.
Laut der US-Regierung haben sich mittlerweile 40 Nationen zu einer AntiISIS-Koalition zusammengeschlossen. Darunter befinden sich auch wichtige
arabische Länder wie Saudi-Arabien. Wie diese Staaten gegen ISIS vorgehen
wollen, ist bisher jedoch noch nicht bekannt. Die US-Regierung hofft, dass die
verbündeten Nationen Bodentruppen entsenden werden. Einer Umfrage des
US-Fernsehsenders ABC und der „Washington Post“ zufolge sehen neun von
zehn US-Amerikanern ihr Land durch den „Islamischen Staat“ bedroht;
71 Prozent unterstützen die Luftangriffe gegen ISIS im Irak.
Ukraine: Aufgrund der anhaltenden Krise und fehlender Anzeichen ernsthafter
Bemühungen von Seiten Russlands, diese zu beenden, haben die USA (wie
auch die EU) harte Sanktionen gegenüber Russland erlassen. Die USA verschärften ihre Sanktionen zunächst im Juli und zuletzt im September. Neben
einzelnen Personen umfasst die Sanktionsliste nun insbesondere auch Unternehmen aus dem Finanz-, Energie- und Rüstungssektor. In diesem Zusammenhang werden mehrere bedeutende russische Unternehmen praktisch vom USKapitalmarkt ausgeschlossen. Im Juli wurden die US-amerikanischen Konten
von acht russischen Rüstungsunternehmen, darunter der KalaschnikowKonzern – größter russischer Waffenhersteller –gesperrt. Seit September wird
die größte russische Bank, Sberbank, auf der Sanktionsliste geführt, welche
mehrheitlich im Besitz der russischen Zentralbank ist. US-Unternehmen ist es
ab sofort verboten, Kredite mit einer Laufzeit von über 30 Tagen an Sberbank
zu vergeben. Außerdem wurde ein Handelsverbot mit relevanten Energieunternehmen über Technologien zur Tiefsee-, Offshore- und Schieferölförderung
verhängt. Dabei wurde erstmals das Unternehmen Gazprom auf die Sanktionsliste genommen. Die Vermögenswerte von fünf Rüstungsunternehmen im
Staatsbesitz wurden eingefroren. Im Gegensatz zu den aktuellen EUSanktionen beinhalten die US-Sanktionen keine Restriktionen für weitere individuelle Personen.
Seite
5 von 10
Die Obama-Administration bewertet die Sanktionen als wichtigen Schritt und
will den Druck auf Russland in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern erhöhen. Die Ukraine militärisch zu unterstützen, ist hingegen nach wie vor nicht
geplant. Sollte die russische Regierung keine Schritte unternehmen, die zur
Deeskalation der Situation in der Ukraine beitragen, ist mit weiteren Sanktionen zu rechnen.
Einwanderungsreform: Die illegale Einwanderung insbesondere von Minderjährigen bleibt ein akutes Problem in den USA. Allein seit Oktober 2013 überquerten rund 60.000 unbegleitete Minderjährige aus Mittelamerika die Grenze
zwischen Mexiko und den USA. Der Kongress diskutierte daher Ende Juni,
Finanzmittel bereitzustellen, um eine beschleunigte Abschiebung dieser
Jugendlichen zu ermöglichen. Aufgrund parteiinterner Differenzen der Republikaner scheiterte der entsprechende Gesetzesentwurf jedoch. Dies ist nicht
das erste Mal, dass Reformbemühungen fehlschlugen. So hatten die Republikaner im Repräsentantenhaus im Mai Präsident Obamas Gesetzesentwurf zur
Reform der Einwanderungspolitik blockiert. Obama wollte zwar einerseits die
Grenzen besser überwachen lassen, andererseits sollte illegalen Einwanderern
unter bestimmten Voraussetzungen aber auch die Staatsbürgerschaft gewährt
werden. Im Notfall wollte der Präsident das Einwanderungssystem auch ohne
den Kongress reformieren. Vor den Midterm Elections (den Zwischenwahlen
des Kongresses) Anfang November 2014 dürfte der Präsident allerdings keine
weiteren Schritte in die Wege leiten. Viele Wahlkreise sind momentan noch
hart umkämpft, und die Einwanderungsreform ist ein stark polarisierendes
Thema. Die dringend notwendige Einwanderungsreform ist somit weiterhin
nicht in Sicht.
Geldpolitik: Die Federal Reserve Bank (Fed) hat beschlossen, die monatlichen
Finanzspritzen um weitere zehn Milliarden US-Dollar zu kürzen. Dementsprechend wurde das Volumen der monatlichen Ankäufe von Staatsanleihen und
Hypotheken-Papieren auf 35 Milliarden US-Dollar gesenkt. Der Leitzins verbleibt jedoch weiterhin auf dem historischen Tief zwischen null und 0,25 Prozent. Ein Anstieg des Leitzinses wurde für das kommende Jahr angedeutet.
Aufgrund der wirtschaftlichen Erholung geht die Fed für Ende 2015 inzwischen von einem Zinsniveau von 1,375 Prozent aus. Im März wurde dieses
noch auf 1,0 Prozent prognostiziert.
Stand der TTIP-Verhandlungen: Im Juli 2014 wurde die sechste TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel abgeschlossen. Im Rahmen dieser Runde unterbreitete die EU – nach den USA – ein Angebot zur Öffnung der Dienstleistungsmärkte. Geht es nach der EU, sollen sensible Bereiche wie die Daseinsvorsorge
oder auch audiovisuelle Dienstleistungen von den Verhandlungen ausgenommen werden. Im Bereich der Automobilindustrie machten die EU- und USRegulierungsbehörden Fortschritte bei der Evaluierung der jeweiligen Sicherheitsregeln und verständigten sich auf die Durchführung weiterer Tests. In weiteren Bereichen wie Energie und Rohstoffe, Textil, Chemie, Pharmazeutik,
Kosmetik, medizinische Geräte und Informations- und Kommunikationstechnologie sind die Verhandlungspartner nach wie vor damit beschäftigt, ihre
jeweiligen Regulierungssysteme zu vergleichen.
Vom 29. September bis 3. Oktober fand die siebte Verhandlungsrunde in
Chevy Chase, Maryland, statt. Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen
Dienstleistungen, regulatorische Kooperation sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Konkrete Ergebnisse konnten in der siebten Verhandlungs-
Seite
6 von 10
runde nicht erzielt werden. Die Verhandlungsführer wiesen dennoch darauf
hin, dass die Verhandler große Fortschritte bei der Arbeit an konkreten Texten
gemacht hätten. Deutliche Fortschritte konnten dementsprechend beim Dienstleistungskapitel erzielt werden, da inzwischen beide Seiten die langen und sehr
technischen Vorschläge des Verhandlungspartners etwa zur Hälfte durchgearbeitet hätten. Viel Zeit wurde auch auf das Thema regulatorische Zusammenarbeit verwendet. Die Verhandlungsführer prüften im Laufe der Woche zahlreiche Vorschläge dazu, wie doppelte Regulierungen abgebaut werden könnten, sowohl in einzelnen Sektoren als auch sektorübergreifend. Im Bereich der
Regulierungen und Normen für industrielle und landwirtschaftliche Produkte
wurden erste Formulierungen vorgelegt. Die EU stellte zudem neue Papiere
vor: eines dazu, wie man äquivalente Methoden entwickeln könnte, um Fahrzeuge und deren Sicherheit zu testen. Ein weiteres Papier befasst sich mit den
Regulierungssystemen im Chemiebereich. Der dritte Schwerpunkt lag auf kleinen und mittleren Unternehmen. Ziel beider Seiten ist ein eigenes Kapitel, das
es KMU erleichtern soll, auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks zu investieren und zugleich Bestandteil globaler Lieferketten zu sein. Streitbeilegungsverfahren zwischen Investoren und Staat sowie Finanzdienst-leistungen waren
indes explizit kein Thema der Verhandlungsrunde.
Trade Promotion Authority: Um den Abschluss und die Ratifizierung von
Handelsabkommen wie TTIP zu erleichtern, hatte die US-Administration
Anfang des Jahres eine Gesetzesinitiative für eine Trade Promotion Authority
(TPA) in den Kongress eingebracht. Mit dem TPA-Gesetz gibt der Kongress
der Exekutive bestimmte Verhandlungsziele vor. Überdies verpflichtet sich der
Präsident, den Kongress umfassend über die Verhandlungen zu informieren
und ihn zu konsultieren. Im Gegenzug kann der Kongress nach Abschluss der
Verhandlungen nur noch für oder gegen das Abkommen stimmen. Änderungen
oder Zusätze, die weitere Verhandlungen mit dem Verhandlungspartner erfordern würden, sind nicht möglich. Bisher konnte jedoch noch keine Einigung
über den TPA-Gesetzesvorschlag erzielt werden. Manche Beobachter gehen
davon aus, dass während der sogenannten „Lame Duck“-Periode, also in der
Zeit nach den Midterm Elections und bevor die neue Kongressperiode im
Januar 2015 beginnt, über den Gesetzesentwurf abgestimmt wird. Möglich ist
aber auch eine Verschiebung in das kommende Jahr. Dies hätte zur Folge, dass
ein neuer Gesetzesentwurf eingebracht werden müsste, da alle nicht verabschiedeten Entwürfe am Ende einer Kongressperiode gestrichen werden. Der
Abschluss der TTIP-Verhandlungen wird für Ende 2015 angestrebt, bevor in
den USA der Präsidentschaftswahlkampf 2016 beginnt. Dass der Präsident bisher nicht über das Handelsmandat verfügt, stellt für TTIP daher kein Problem
dar. Anders sieht es allerdings bei den Verhandlungen über die Transpazifische
Partnerschaft (TPP) aus. Die TPP-Verhandlungen sind bereits deutlich weiter
fortgeschritten. Sollte es zu einer Unterzeichnung des Abkommens kommen,
bevor der Präsidenten TPA erhalten hat, steht die Administration vor einer erheblichen Herausforderung, dieses unbeschadet durch den Kongress zu bringen.
Seite
7 von 10
Sonderschwerpunkt: Midterm Elections im November 2014
Mehrheitsverhältnisse und Zustimmungsraten: Seit den US-Kongresswahlen
2012 ist der Senat mehrheitlich demokratisch. Die Demokraten verfügen über
55, die Republikaner über 45 Sitze, während im Repräsentantenhaus die Republikaner die Mehrheit innehaben („divided government“). Im Repräsentantenhaus ist das Verhältnis folgendermaßen: Die Demokraten verfügen über 199
Sitze (46,1%) und die Republikaner über 233 Sitze (53,9%). Die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus und Senat, zusammen mit einer wachsenden parteilichen Polarisierung insbesondere bei den Republikanern, erklären
warum seit 2010 keine großen Reformgesetze mehr vom Kongress verabschiedet wurden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Wahlen im November viel
an dieser Situation ändern werden. Mit 163 verabschiedeten Gesetzen seit
Januar 2013 ist der 113. Kongress der bisher unproduktivste in der Geschichte
der USA. Der ebenfalls eher unproduktive 112. Kongress verabschiedete
immerhin 284 Gesetze in zwei Jahren.
Die Unproduktivität des Kongresses spiegelt sich auch in den zunehmend
schlechten Zustimmungswerten wider: Laut Umfragen des Forschungsinstituts
Gallup befürworteten im Juli 2014 nur 15 Prozent aller Amerikaner die Arbeitsweise des US-Kongresses. Auch im gesamten Jahr 2014 blieben die Zustimmungsraten durchgehend auf einem sehr niedrigen Niveau. Damit bewerten heute deutlich weniger US-Amerikaner die Arbeit des Kongresses als zufriedenstellend, als dies noch 2011 der Fall war. Damals stimmten immerhin
24 Prozent der Befragten der Arbeit des Kongresses zu.1 Mit einer Zustimmungsrate von 16 Prozent bei den Demokraten und 17 Prozent bei Republikanern gibt es heute kaum einen Unterschied zwischen den Anhängern beider
Parteien. Historisch betrachtet resultieren niedrige Zustimmungsraten laut
Gallup bei Wahlen meist in einer großen Veränderung der Sitzverteilung im
Kongress. Da die momentane Zustimmungsrate die niedrigste jemals gemessene in der Geschichte der Midterm Elections ist, wird vermutet, dass auch die
diesjährigen Wahlen in einer neuen Konstellation des Kongresses resultieren
werden.2 Die Bevölkerung kritisiert den Kongress in erster Linie für seine Ineffizienz und eine fehlende Bürgernähe.
Laut Gallup belief sich Präsident Obamas Zustimmungsrate im August 2014
auf 43 Prozent. Der Durchschnittswert seit seiner ersten Amtszeit lag bei 48
Prozent. Höchst- und Tiefstwerte waren 69 Prozent (Januar 2009) und 38 Prozent (u.a. Oktober 2011). Die Hauptkritikpunkte der Bevölkerung betreffen unter anderem eine zu zögerliche Haltung des Präsidenten in internationalen
Konflikten sowie eine blockierte Innenpolitik.
Wahlprognosen: Am 4. November 2014 finden die landesweiten Wahlen statt,
bei welchen alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie 33 der 100
Senatoren zur Wahl stehen. Schätzungen zufolge wird eine Wahlbeteiligung
von 35 bis 40 Prozent erwartet. Damit liegt die Wahlbeteiligung bei Midterm
Elections rund 10 bis 15 Prozentpunkte unter der der Präsidentschaftswahlen.
1
Gallup Politics, Congressional Approval Ratings Languishes at Low Level, 15.7.2014,
<http://www.gallup.com/poll/172859/congressional-approval-rating-languishes-lowlevel.aspx> (eingesehen am 5.9.2014).
2
Rasmussen Reports, Congressional Performance, 3.9.2014,
<http://www.rasmussenreports.com/public_content/politics/mood_of_america/congressional_
performance> (eingesehen am 5.9.2014).
Seite
8 von 10
Laut Meinungsforschern wird erwartet, dass die Republikaner die Mehrheit im
Repräsentantenhaus behalten. Der derzeit demokratisch geführte Senat ist die
eigentlich umkämpfte Kammer des Kongresses. Denn auch hier haben die
Republikaner gute Chancen, die Mehrheit zu übernehmen. Laut Umfragen des
Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center for the People & the Press
(Pew) beabsichtigen 47 Prozent der Wähler, den republikanischen Kandidaten
in ihrem Bezirk zu wählen. 43 Prozent der Wähler unterstützen den demokratischen Kandidaten oder tendieren dazu, diesen zu wählen. Seit Oktober 2013
mussten die Demokraten Punkte bei Umfragen einbüßen.3 Die Demokraten
haben einen weiteren deutlichen Nachteil: Für diejenigen Gruppen, die traditionell mehrheitlich demokratisch wählen – Frauen, Minderheiten und Jugendliche – ist die Wahlbeteiligung bei Midterm Elections erfahrungsgemäß sehr
niedrig.
Laut dem Statistiker Nate Silver haben die Republikaner eine 60-prozentige
Chance, eine Mehrheit von mindestens 51 Sitzen im Senat zu gewinnen. Alle
Senatoren, die zur Wiederwahl stehen, wurden 2008 gewählt. Dies war eines
der erfolgreichsten Wahljahre für die Demokraten in der US-Geschichte.
Selbst in traditionell konservativen Bundesstaaten wie Arkansas, Louisiana,
Montana und Alaska wurden damals demokratische Senatoren gewählt. Daher
müssen sich 2014 besonders viele Demokraten der Wahl stellen. Gerade für
Senatoren in traditionell konservativen Bundesstaaten dürfte es im jetzigen
politischen Klima deutlich schwieriger sein, ihre Sitze zu halten.
Von den 36 zur Wahl stehenden Senatorenposten werden bisher 21 von Demokraten und 15 von Republikanern gehalten. Um eine Mehrheit im Senat zu
erlangen, müssten die Republikaner den Demokraten sechs Sitze abnehmen.
Berücksichtigt man, dass drei der 21 demokratischen Senatoren nicht mehr antreten und es sich hier zudem um traditionell eher republikanische Staaten handelt (West Virginia, South Dakota, Montana), würden den Republikanern
schon drei weitere der sechs hart umkämpften Staaten für eine Senatsmehrheit
reichen. Umfragen zufolge ist in Arkansas, Iowa, Louisiana, North Carolina,
Alaska und Colorado alles offen. Auf der anderen Seite sehen Umfragen lediglich in zwei „republikanischen“ Staaten (Kentucky und Georgia) eine höhere
Chance für einen Sieg der Demokraten.
Wahlkampfthemen: Im Gegensatz zu früheren Midterm Elections zeichnet sich
dieses Jahr kein eindeutig dominantes Thema ab. In einer Pew-Umfrage gaben
im April 48 Prozent der Befragten an, dass der Arbeitsmarkt für sie das wichtigste oder zweitwichtigste Thema sei. Weitere wichtige Themen waren Gesundheit (42%) und das Haushaltsdefizit (38%). Immigration spielte hingegen
mit 14 Prozent keine vergleichbare Rolle. Dieses Thema dürfte jedoch in der
Zwischenzeit an Bedeutung gewonnen haben (s. hierzu auch Einwanderungsreform, S. 5).4
Ausblick: Laut Meinungsforschern könnten die Republikaner, die schon im
Repräsentantenhaus eine solide Mehrheit haben, den Senat dazugewinnen. In
der Folge könnten die Republikaner jegliche Gesetzesinitiativen der Demokra3
Pew Research Center for the People & the Press, Midterm Election Indicators Daunting for
Democrats, <http://www.people-press.org/2014/05/05/the-2014-midterm-congressional-votetop-issues/> (eingesehen am 9.9.2014).
4
Pew Research Center for the People & the Press, Midterm Election Indicators Daunting for
Democrats, <http://www.people-press.org/2014/05/05/the-2014-midterm-congressional-votetop-issues/> (eingesehen am 9.9.2014).
Seite
9 von 10
ten blockieren und die Handlungsfähigkeit der Obama-Administration weiter
einschränken. Insbesondere könnte die neue Konstellation des Kongresses
Konsequenzen für die Bereiche Energie, Immigration und die Gesundheitsreform haben. So wird unter anderem vermutet, dass die Republikaner die
Aufhebung einiger Aspekte des Affordable Care Acts, der Gesundheitsreform
der Obama-Administration, fordern könnten.5 Ob sie damit Erfolg haben werden, ist allerdings zweifelhaft. Denn auch wenn die Demokraten die Mehrheit
verlieren, verfügen sie nach wie vor über die Möglichkeit eines Filibusters.
Das heißt sie könnten eine Beschlussfassung des mehrheitlich republikanischen Senats durch Dauerreden verhindern oder verzögern. Zudem kann der
Präsident jederzeit ein Veto einlegen, um zu verhindern, dass Gesetze in Kraft
treten. Wie schon in den vergangenen vier Jahren dürfte die ObamaAdministration überdies ihre Politik an dem Kongress vorbei vorantreiben.
Dies zeigte sich insbesondere in der Klima- und Energiepolitik, in der der
Präsident über Regulierungen der Umweltschutzbehörde (EPA) und des
Transportministeriums immer strengere Umwelt- und Klimaschutzziele setzte.
Schließlich ist eine Blockadepolitik für die Republikaner nicht ungefährlich.
Diese könnte die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Washington noch verstärken und sich negativ auf die Wahlchancen der republikanischen Kandidaten in den Wahlen 2016 auswirken.
Ausblick
Die wirtschaftliche Lage hat sich weiter verbessert. Im September gewann die
US-Wirtschaft mit 248.000 Arbeitsplätzen zum vierten Mal in Folge mehr als
200.000 Jobs in einem Monat hinzu. Der Jobzuwachs lag damit über dem
Durchschnitt der letzten zwölf Monate von 213.000 Jobs. Für das zweite Halbjahr wird ein gemäßigtes Wirtschaftswachstum erwartet. Das Gesamtwachstum
2014 wird dementsprechend auf 1,7 Prozent geschätzt. Für Ende 2014 wird
eine Arbeitslosenquote von 6,0 Prozent erwartet und für 2015 ein Wirtschaftswachstum von 3,0 Prozent.
Aufgrund der im November anstehenden Kongresswahlen sind in den kommenden Monaten keine signifikanten politischen Initiativen mehr zu erwarten.
Übernehmen die Republikaner den Senat, dann ist auch für die Zeit danach mit
erschwerter politischer Konsensfindung zwischen der Regierung und dem dann
republikanisch geführten Kongress zu rechnen.
Wichtige Termine


5
Midterm Elections: 4. November 2014
Achte TTIP-Verhandlungsrunde (vorläufiger Termin): 8. bis 12. Dezember
Ryan Bhandari, Midterm Elections 2014: Key Political Issues to Watch,
<http://www.equities.com/editors-desk/economy-markets/politics/midterm-elections-2014key-political-issues-to-watch> (eingesehen am 16.9.2014).
Seite
10 von 10