Dr. Dietmar Pellmann - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

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Dr. Dietmar Pellmann - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
086. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 27.11.2013
REDE von MdL Dr. Dietmar Pellmann zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 5/11754 „Bezahlbare Strompreise für alle – Lasten des Umbaus der Energieversorgung sozial gerecht verteilen!“
mit Stellungnahme der Staatsregierung
Auszug Protokollmitschrift
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir haben hier im Hohen Haus in den letzten Monaten und Jahren sehr oft Probleme der Energiewende thematisiert. Wir waren uns nicht immer einig, aber eines ist mir aufgefallen: Die Auswirkungen der Veränderungen im Energiesektor auf die Menschen in unserem Land, insbesondere
auf jene mit relativ niedrigen Einkünften, haben wir bislang zu wenig thematisiert.
(Staatsminister Sven Morlok: Das stimmt nicht!)
Wir haben die Dinge zu oft aus rein ökonomischer oder umweltpolitischer Sicht diskutiert. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, meinen wir, dass wir nur dann die Energiewende
erfolgreich in Sachsen meistern können, wenn wir möglichst alle unabhängig vom Status und ihrem Einkommen mit ins Boot nehmen.
Es darf insbesondere bei sozial Benachteiligten keine Verlierer geben. Wir haben Ihnen deshalb
heute einen Antrag zur Abstimmung vorzulegen, sozusagen ein Achtpunkteprogramm, mit dem
wir darauf abstellen, wie die steigenden Strompreise - mit denen wir es wahrlich zu tun haben und
Neues ist bereits angekündigt - möglichst sozial verträglich gestalten können.
Deswegen gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen dazu, insbesondere aus sozialpolitischer
Sicht.
Erstens. Für mich ist die Stromversorgung ein wesentlicher Bestandteil sozialer Daseinsvorsorge.
(Beifall bei den LINKEN)
Wir leben in einer Gesellschaft, in der dieses Prinzip eigentlich bereits seit vielen Jahrzehnten gelten müsste.
(Alexander Krauß, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
2. Vizepräsident Horst Wehner: Herr Dr. Pellmann, Herr Krauß möchte eine Zwischenfrage stellen.
Wollen Sie die erlauben?
Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Bitte.
2. Vizepräsident Horst Wehner: Herr Krauß, bitte.
[…]
Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Verehrter Herr Kollege Krauß! Ich bin ein bisschen älter, vielleicht entgeht mir ja schon manches, aber mir ist nicht bewusst, dass wir Anträge zur Explosion
von Strompreisen gestellt hätten.
(Beifall bei den LINKEN - Dr. Volker Külow, DIE LINKE: Nennen Sie die Drucksachennummer!)
Da ist es die Frage, wer einer Fehlwahrnehmung unterlegen ist, Sie oder ich. Ich habe da klare Positionen.
Ich war vorhin beim ersten Punkt. Bisher ist nicht in unserem Bewusstsein, dass Strom ein wesentliches Element der Grundversorgung und Daseinsvorsorge ist. Steigende Stromabschaltungszahlen
sind leider die bittere Realität. Und, meine Damen und Herren, das ist kein Problem der Privatwirtschaft mit Privathaushalten allein, nein, dahinter verbergen sich oft schlimme Schicksale. Da ist mir
aus Sprechstunden einiges bekannt.
Leider kann uns die Staatsregierung keine genauen Daten liefern. Sie hat allerdings, das sind die
aktuellsten Daten, für die drei kreisfreien Städte 2012 immerhin leider 13.500 Stromabschaltungen bei Privathaushalten mitgeteilt. Es fragt sich allerdings, wenn es zu den kreisfreien Städten
Daten gibt, warum dann nicht zu den Landkreisen und den anderen Kommunen. Es ist kein Ruhmesblatt, dass meine Heimatstadt Leipzig mit über 8.000 Stromabschaltungen einsamer Spitzenreiter ist. Wir haben in unserer Stadtratsfraktion entsprechende Anträge gestellt, damit wir dieses
Problem bewältigen können. Die 13.500 Stromabschaltungen sind gegenüber 2009 eine Steigerung um 3.000.
Ich denke, wir können nicht hinnehmen, dass es keine gesetzlichen Regelungen gibt, damit wir
genaue Daten erhalten. Deswegen fordere ich, dass wir eine Meldepflicht gegenüber den jeweiligen Verwaltungen der Kommunen, vornehmlich den Sozialämtern einführen, wenn eine Stromabschaltung droht. Das muss natürlich mit datenschutzrechtlichen Dingen kompatibel sein. Dahinter
könnten sich - und die Realität beweist es ja - soziale Konflikte und anderes verbergen, auf die wir
reagieren müssen und wo wir die Menschen nicht allein lassen dürfen.
Es wäre natürlich viel besser, wir würden durch Gesetzesregelungen und andere Maßnahmen
Stromabschaltungen bei Privathaushalten generell ausschließen. Das ist eine Sache, die wir unbedingt erreichen müssen.
Zweitens. Wenn es um Menschen geht, die auf Arbeitslosengeld II oder Alters- und Grundsicherung angewiesen sind, ist die gegenwärtige Pauschale, die im Warenkorb enthalten ist, wesentlich
zu niedrig bemessen. Wir stimmen dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zu, dass sie schon heute
um 25 % angehoben werden müsste, um der Realität näher zu kommen. Besser ist es, meine sehr
verehrten Damen und Herren, so lange es Hartz IV gibt - und Sie wissen ja, dass wir das ablehnen,
und wir sind Realitätspolitiker genug -, sollten die Stromkosten Bestandteil der Kosten der Unterkunft sein. Ich kann nicht erkennen, welchen Unterschied es zwischen Wasserversorgung, Heizung
und Strom gibt. Das sind Grundversorgungselemente.
Drittens. Wir sollten alle das Gebot des sparsamen Umgangs mit Energie, insbesondere mit Strom,
einhalten. Das gilt generell. Manchmal hat man den Eindruck, dass das besonders an die Adresse
derer gerichtet ist, die ein niedriges Einkommen haben und denen vielleicht auch Stromabschaltung droht. Nein, so sollte man die Dinge nicht betrachten. Energieberatungen sind sehr wichtig
und wir unterstützen sie auch, aber gerade in Haushalten mit niedrigem Einkommen reichen sie
nicht aus. Deswegen meinen wir, es sollte einen Zuschuss für neue Geräte geben, denn oft ist der
hohe Energieverbrauch in diesen Haushalten dem geschuldet, dass veraltete Geräte mit hohem
Stromverbrauch in Anwendung kommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es vor
einiger Zeit eine Abwrackprämie für Autos gegeben hat, warum sollte es nicht eine Abwrackprämie für solche Geräte geben? Dadurch kämen wir ein Stück voran, sparsam mit Energie umzugehen.
(Beifall bei den LINKEN)
Viertens. Wir fordern als LINKE seit Langem einen Sozialtarif für Strom. Es könnte - Sie finden es in
unserem Antrag - Freikontingente für benachteiligte Haushalte geben. Man müsste genau prüfen,
wie man das bewerkstelligen kann. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass man ein bestimmtes
Kontingent zur Verfügung stellt - das hat etwas mit Solidarität insgesamt zu tun - und was darüber
hinaus verbraucht wird, zu einem höheren Preis angeboten wird. Die Dinge müssen sich irgendwo
rechnen.
Deswegen sollten wir nicht allein auf den Koalitionsvertrag, der in den Nachtstunden abgeschlossen worden ist, vertrauen. Was man so hörte, war es relativ dürftig, was die Bewältigung der sozialen Auswirkungen der Energiewende betrifft. Unser Antrag könnte dazu beitragen, der Staatsregierung ein Programm in die Hand zu geben, das sie schrittweise gemeinsam mit diesem Hohen
Haus durchsetzt.
Schlusswort
Herr Präsident!
Als ich mir heute überlegte, wie die Debatte verlaufen könnte, hatte ich die Hoffnung, dass es keine reine Energiedebatte werden möge. Der Antrag ist auch nicht in diese Richtung gestellt. Es begann auch ganz in dieser Hoffnung, die ich hatte. Aber es glitt immer mehr in eine, wie wir sie
schon mehrfach hatten, relativ abstrakte Strom- und Energiedebatte ab. Das war zumindest nicht
meine Absicht. Aber man weiß ja nie, wenn es beginnt, wohin man sich dann in seinem Redefluss
begibt.
Von daher ist meine Hoffnung für diese Debatte nicht aufgegangen, denn ich hätte mir gewünscht,
dass nicht allgemein über Strompreise, wie das zustande gekommen ist und wie sich das demnächst verändern könnte, diskutiert würde, sondern wirklich einmal darüber, wie die Menschen
am Einkommensrand unserer Gesellschaft damit zurechtkommen und wie wir ihnen solidarisch
helfen müssen. Das war unsere vordergründige Absicht. Nur bei Frau Herrmann konnte ich zumindest erkennen, dass sie in diese Richtung mitgedacht hat. Selbst Herr Krauß, der sich immer so als
der soziale Sachwalter der CDU aufschwingt, war plötzlich zum Umwelttheoretiker
aufgestiegen. Hört, hört!
Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, es war eine Debatte, wie man sie hier schon
mehrfach hatte. Meine Hoffnung über die Wirkungen, die das Ganze besonders auf Menschen mit
niedrigem Einkommen hätte, ist nicht aufgegangen. Wir werden das Problem aber, auch wenn wir
uns nicht intensiv damit befassen, nicht verdrängen können. Sie können unsere Vorschläge ablehnen. Ich bin der Letzte, der der Auffassung ist, dass sie schon in jeder Hinsicht vollkommen sind.
Wir betreten auch hier Neuland. Aber was ich wenigstens von der Koalition erwarte, ist, dass sie
außer der Kritik an unseren Vorschlägen irgendwann einmal eigene Vorschläge bringen möge. Das
war nicht allgemein dahergeredet, wer verantwortlich ist für die Strompreiserhöhung und, und,
und. Das wissen wir alles.
Ich will wissen - genauso wie die Menschen in unserem Land -, wie das sozial abgefedert werden
kann; und genau das leisten Sie nicht.
Vielleicht hilft es Ihnen - ich weiß nicht, Herr Präsident, ob das geschäftsordnungsmäßig möglich
ist -; aber vielleicht können wir über die acht Punkte einzeln abstimmen, dann hätten Sie die
Chance, das noch ein bisschen zu üben.
(Beifall bei den LINKEN - Oh-Rufe von der CDU)