- Zirngibl Langwieser

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Arbeitsrecht
Küpperfahrenberg/Lagardère · Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen – „Jobwechsel schwer gemacht?“
Dr. Jan Küpperfahrenberg, RA/FAArbR, und Pascal Lagardère, RA1
Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen –
„Jobwechsel schwer gemacht?“
Über die Rechtmäßigkeit von Vermittlungsprovisionen und die Auswirkungen in der Praxis
Der Wirbel in den Medien war groß, wenn auch nur kurz: Hintergrund
war der gescheiterte Jobwechsel eines Berliner Leiharbeiters, bedingt
durch eine geforderte „Ablöse“ der Zeitarbeitsfirma an den Entleiher,
also die Firma, die den Zeitarbeiter in ihrem Betrieb eingesetzt hatte
(siehe Frankfurter Rundschau vom 12.9.2011, „Job-Wechsel schwer gemacht“ sowie Frankfurter Rundschau vom 13.9.2011, „Zeitarbeitsfirmen
wehren sich“). Dem potenziellen neuen Arbeitgeber war es schlichtweg
zu teuer, einen Arbeitnehmer aus dessen Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma „herauszukaufen“, anstelle den Arbeitnehmer weiterhin über ein
Leiharbeitsverhältnis einzusetzen oder am Arbeitsmarkt einen neuen
Arbeitnehmer zu suchen. Was bedeutet dieser Fall, der kein Einzelfall ist,
für die Leiharbeitnehmer in den Zeitarbeitsfirmen? Stehen Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen einer Festanstellung beim Entleiher im Wege? Werden Sinn und Zweck der Liberalisierung der Zeitarbeit
ad absurdum geführt? Diese Fragen beantwortet der vorliegende Beitrag.
I.
Grundsätzliche Überlegungen zur Zeitarbeit
Zunächst ist klarzustellen, dass sich die Autoren grundsätzlich nicht
gegen das Institut der Zeitarbeit oder das AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) wenden. Im Gegenteil – die Erfahrungen der letzten
Jahre haben gezeigt, dass die Zeitarbeit ein funktionierender Bestandteil des deutschen Arbeitsmarktes geworden ist. Hierzu nur einige
Zahlen, die sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden:2
– Brücke in Arbeit: 56,3 % der neuen Zeitarbeitsverhältnisse im zweiten Halbjahr 2009 wurden von Personen aufgenommen, die unmittelbar zuvor nicht beschäftigt waren, darunter 8,5 % Langzeitarbeitslose. 7,6 % hatten zuvor noch nie eine Beschäftigung.
– Beschäftigungschance für Geringqualifizierte: 32,2 % der Zeitarbeitskräfte haben keine Berufsausbildung.
– Flexibilitätspuffer für Unternehmen: Rund 10 % aller Zeitarbeitsverhältnisse bestanden kürzer als eine Woche; rund 50 % nicht länger als drei Monate.
– Schnelle Beschäftigungswirkung: In der beginnenden Aufschwungphase setzen Unternehmen vor dem Hintergrund der noch unsicheren Entwicklungen zunächst auf Zeitarbeit. Mit zunehmender Stabilisierung der Konjunktur sinkt der Anteil der Zeitarbeitsverhältnisse am Beschäftigungswachstum wieder. Überschaubarer Anteil
an der Gesamtbeschäftigung: Zuletzt waren rund 768 900 Personen
in der Zeitarbeitsbranche sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Das entspricht 2,7 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Nur gut jede zehnte Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung entfiel in 2009 auf die Branche der Arbeitnehmerüberlassung.
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– Nach der praktischen Erfahrung der Autoren eröffnet die Zeitarbeit
den Leiharbeitnehmern durchaus die Chance, in eine Anstellung
beim Entleiher zu wechseln.
Hierbei sollen aber nicht die Augen verschlossen werden vor Missbrauchsfällen, die in der Vergangenheit öffentlich wurden und die zu
Nachbesserungen durch den Gesetzgeber geführt haben. Die Medien
arbeiteten hier vor allem den Fall der Drogeriemarktkette Schlecker
auf, die Mitarbeiter entlassen hatte, um diese dann über eine konzerneigene Zeitarbeitsfirma zu geringeren Löhnen wieder einstellen
zu können.3
Hierauf hat der Gesetzgeber mit der sog. Drehtürklausel reagiert:
Diese verhindert gerade den oben beschriebenen Fall, in dem die Mitarbeiter – bildlich gesprochen – als Arbeitnehmer/in an einem beliebigen Tag das Unternehmen „durch den Haupteingang“ verlassen,
um durch eben dieselbe Tür am nächsten Tag, dann aber als Leiharbeitnehmer/in eines Verleihunternehmens, das Unternehmen wieder
zu betreten. Gerade diese gemeinsame Reaktion von Gesetzgeber,
Wirtschaft und insbesondere auch der Zeitarbeitsbranche selbst4
zeigt, dass möglichem Missbrauch zielgerichtet Einhalt geboten werden kann, und zwar auf der Ebene eines Gesamtkonsenses.
II.
Zur grundsätzlichen Zulässigkeit von
Provisionsregelungen
Ausgangspunkt der Überlegungen ist das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG).
1.
Rechtsprechung zu § 9 Nr. 4 AÜG a.F.
Nach der Rechtsprechung des BGH waren mit Blick auf § 9 Nr. 4
AÜG a. F. Vereinbarungen unwirksam, die dem Entleiher untersagen,
den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht. Der BGH hat
diese Unwirksamkeitsfolge nicht auf ausdrückliche Einstellungsverbote beschränkt, sondern auf sonstige Vereinbarungen zwischen
Verleiher und Entleiher ausgedehnt, die den Wechsel des Leiharbeitnehmers zum Entleiher verhindern oder wesentlich erschweren.5
Dementsprechend hat er eine vertragliche Bestimmung, wonach der
Entleiher dem Verleiher eine Vermittlungsprovision zu zahlen hatte,
wenn er den Leiharbeitnehmer vor Ablauf der damals gesetzlich gere1 Soweit der Beitrag persönliche Wertungen/Meinungen enthält, sind dies im Falle des Autors Lagardère
seine persönlichen und nicht die der casualfood GmbH.
2 Vgl. www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/arbeitnehmerueberlassungsgesetz.html (Abruf:
6.11.2012).
3 Vgl. insb. www.stern.de/politik/deutschland/missbrauch-der-zeitarbeit-drogeriemarktkette-schlecker-von
-politikern-kritisiert-1534693.html (Abruf: 6.11.2012).
4 S. bspw. www.randstad.de/ueber-randstad/randstad-deutschland/unternehmensstandpunke (Abruf:
6.12.2012).
5 BGHZ 155, 311, 314 f.; BGH, 7.12.2006 – III ZR 82/06, BB 2007, 332, s. auch www.juris.bundesgerichts
hof.de.
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gelten maximalen Überlassungsdauer von zwölf Monaten oder innerhalb von sechs Monaten nach der Überlassung übernahm, grundsätzlich gemäß § 9 Nr. 4 AÜG a. F. für unwirksam gehalten.6
2.
Vermittlungsprovisionen gemäß § 9 Nr. 3 2. Halbs.
AÜG n.F.
Diese Rechtsprechung hat der BGH – jedenfalls in ihrer Absolutheit –
jedoch mit seiner Entscheidung III ZR 82/06 und mit Blick auf das
Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aufgegeben.
Das vorgenannte Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt ließ die Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die dem
Entleiher untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr
besteht (§ 9 Nr. 4 AÜG a. F., seit dem 1.1.2003: § 9 Nr. 3 AÜG), zwar
unberührt. Es fügte aber einen neuen § 9 Nr. 3 2. Halbs. AÜG hinzu,
wonach die gegenüber Einstellungsverboten geltende Unwirksamkeitssanktion die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih
oder mittels vorangegangenen Verleihs erfolgte Vermittlung nicht
ausschließt. Der Gesetzgeber ließ sich davon leiten, dass die entgeltliche Arbeitsvermittlung eine erlaubte Tätigkeit darstelle und Arbeitnehmerüberlassung häufig mit dem Ziel der Personalgewinnung nach
vorangegangenem Verleih erfolge. Verleih und Vermittlung könnten
ineinander übergehende Geschäfte sein, die von der Privatautonomie
geschützt seien. Solange die Höhe des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Vermittlungsentgelts nicht faktisch den sozialpolitisch durchaus erwünschten Wechsel eines Leiharbeitnehmers zum
Entleiher unangemessen erschwere, sollten derartige vertragliche Abreden zulässig sein.7
Grund für die gesetzliche Anerkennung der Vereinbarung eines Personalvermittlungsentgelts bei Arbeitnehmerüberlassung war der Umstand, dass die Arbeitnehmerüberlassung nicht selten8 zum selben Ergebnis wie die Arbeitsvermittlung führt, nämlich zu der Übernahme
des Leiharbeitnehmers in die Stammbelegschaft des entleihenden Unternehmers (sog. „Klebeeffekt“). Dieser beschäftigungspolitisch positive Effekt der Arbeitnehmerüberlassung sollte „honoriert“ werden.9
Somit ist nunmehr gemäß § 9 Nr. 3 2. Halbs. AÜG grundsätzlich die
Vereinbarung eines Vermittlungsentgelts bei Arbeitnehmerüberlassung zulässig, auch wenn diese nicht in einer Individualvereinbarung,
sondern in AGBs getroffen wird.10
III. Frage der Angemessenheit der Provisionen
1.
Kriterien für die Angemessenheit
Die grundsätzlich als zulässig anerkannten Provisionsregelungen
müssen sich nunmehr der Frage der „Angemessenheit“ der Vergütung
stellen. Wird eine unangemessen hohe Provision vereinbart, liegt eben
gerade eine (unzulässige) Erschwernis der Beschäftigung bzw. der
Übernahme vor, die durch den Gesetzgeber nicht gewollt ist.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen bei der Frage, ob die Vergütungsvereinbarung zwischen Verleiher und Entleiher angemessen
ist, die Dauer des vorangegangenen Verleihs, die Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits gezahlten Entgelts und der Aufwand für
die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers berücksichtigt
werden.11 Gerade hinter dem letzten Kriterium versteckt sich ein für
die Praxis in den Personalabteilungen wichtiges Korrektiv: Wurde ein
Betriebs-Berater // BB 47.2012 // 19.11.2012
Arbeitnehmer für eine vergleichsweise einfache oder komplexe Tätigkeit entliehen? Wie ist die Qualifikation des entliehenen Arbeitnehmers zu bewerten? Oder einfacher gesagt: Was ist dem Arbeitgeber
ein solcher Wechsel wert – und warum?
Der Gesetzgeber hat mit der Dauer des vorangegangenen Verleihs
und der Höhe des vom Verleiher für den Verleih bereits gezahlten
Entgelts zwei Kriterien für maßgeblich erklärt, die sich im Laufe des
Verleihs verändern. Auch das dritte Kriterium, das der Gesetzgeber
als Grundlage für die Angemessenheit der Vermittlungsprovision
nennt, nämlich der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren
Arbeitnehmers, stellt jedenfalls in der Gesamtbetrachtung eine im
Laufe des Verleihs veränderbare Größe dar.12
Insgesamt betrachtet verändern sich also regelmäßig alle drei in die
Wertung einfließenden Kriterien, was eine Regelung über die Anpassung der Provision für die Übernahme eines Leiharbeitnehmers über
die Dauer der Verleihzeit notwendig macht.13 Diese Auslegung des Begriffs der Angemessenheit in § 9 Nr. 3 2. Halbs. AÜG entspricht dem
Willen des Gesetzgebers und führt im Ergebnis dazu, dass die Vereinbarung einer Vermittlungsprovision die Dauer des Verleihverhältnisses
aufgreifen und bei der Höhe der Provision berücksichtigen muss.14
2.
Erforderlichkeit einer getroffenen Provision
Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei einer anfallenden Vermittlungsprovision, die dem Grunde nach zulässig ist, in der Provisionsvereinbarung eine Staffelung enthalten sein muss, die dazu führt, dass die
bisherige Verleihzeit mit Blick auf die Höhe der Provision „reduzierend“ wirkt.
Die Einfügung des 2. Halbs. in § 9 Nr. 3 AÜG, die die Vereinbarung
einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher
nicht ausschließt, hatte – wie bereits erwähnt – den Hintergrund, dass
der Gesetzgeber Verleih und Vermittlung als ineinander übergehende
Geschäfte ansah, die von der Privatautonomie geschützt seien. Solange die Höhe des zwischen dem Verleiher und Entleiher vereinbarten
Vermittlungsentgelts nicht faktisch den sozialpolitisch erwünschten
Wechsel eines Leiharbeitnehmers zum Entleiher erschwere, sollten
derartige vertragliche Abreden zulässig sein.15
Der Verzicht auf eine Staffelung ist nach der BGH-Rechtsprechung
nur dann möglich, wenn die Vermittlungsprovision so niedrig bemessen ist, dass sie in jedem denkbaren Fall als angemessen bezeichnet
werden kann und eine Abstufung nach der Verleihzeit deswegen nicht
erforderlich ist.16 Welche Vermittlungsprovision ist aber der Höhe
6 BGHZ 155, 311, 314 f.; BGH, 7.12.2006 – III ZR 82/06, S. 6, BB 2007, 33.
7 BGH, 7.12.2006 – III ZR 82/06, S. 7, BB 2007, 332; mit Verweis dort auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, 9. Ausschuss, BT-Drucks. 15/1728, 146 und Bericht dieses Ausschusses BT-Drucks. 15/1749, 29; s. ferner zur Neuregelung Benkert, BB 2004, 998 ff.; Böhm, DB 2004, 1150;
Thüsing/Mengel, AÜG 2005, § 9 Rn. 54; Wank, ErfK, 6. Aufl. 2006, § 9 AÜG Rn.11; Boemke/Lembke, AÜG,
2. Aufl. 2005, § 9 AÜG Rn. 182 ff.
8 BGH, 7.12.2006 – III ZR 82/06, S. 7, BB 2007, 332; Dahl, DB 2002, 1374.
9 BGH, 7.12.2006 – III ZR 82/06, S. 7, BB 2007, 332; vgl. Böhm, DB 2004, 1150, und BT-Drucks. 15/1749, 29.
10 BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, S. 5, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici; vgl. auch Senatsurteil vom
7.12.2006 – III ZR 82/06, BB 2007, 332, NJW 2007, 764, 765 Rn. 14.
11 BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, S. 6, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici; BT-Drucks. 15/1749 S. 29; BTDrucks. 15/6008, 11.
12 BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, S. 7, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici.
13 BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, S. 7, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici.
14 BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, S. 9, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici; Sandmann/Marschall/Schneider,
AÜG, November 2008, Art. 1 § 9 Anm. 29; Ulrici, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltskommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, § 9 AÜG Rn. 30; Boemke/Lembke, AÜG, 2. Aufl. 2005, § 9 AÜG Rn. 189; Lembke/
Fesenmeyer, DB 2007, 801, 803; Rambach/Begerau, BB 2002, 937, 938; Dahl, Personal 2007, 52, 53; kritisch Benkert, BB 2004, 998, 999; a. A. Schüren, in: Schüren/Hamann, AÜG, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 82.
15 BGH, 11.3. 2010 – III ZR 240/09, S.9, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici; vgl. BT-Drucks. 15/1728, 146; BTDrucks. 15/1749, 29; Senatsurteil vom 7.12.2006 – III ZR 82/06, BB 2007, 332, NJW 2007, 764, 765
Rn. 12.
16 BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, S.10, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici.
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Arbeitsrecht
Küpperfahrenberg/Lagardère · Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen – „Jobwechsel schwer gemacht?“
nach derart „niedrig bemessen“? Wie immer bei unbestimmten
Rechtsbegriffen besteht hier erhebliche Rechtsunsicherheit.
3.
a)
Provisionsstaffelungen in der Praxis
Neue Klauseln nach dem Urteil des
Bundesgerichtshofes
In den Verträgen zwischen den Zeitarbeitsfirmen und den Entleihern
findet sich häufig eine Regelung, die für den Fall der Übernahme innerhalb der ersten zwölf Monate der Verleihzeit eine Vermittlungsprovision von drei Monatsbruttogehältern vorsieht unter Berücksichtigung der bisherigen „Verleihdauer“.
Formulierungsbeispiel aus der Praxis:
„Demgemäß verpflichtet sich der Kunde, ein Vermittlungshonorar in
Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern zu zahlen. Das Vermittlungshonorar bezieht sich auf das zwischen dem Mitarbeiter und Entleiher vereinbarte Brutto-Monatsgehalt und reduziert sich entsprechend der Dauer der erfolgten Arbeitnehmerüberlassung für jeden vollen Monat der Arbeitnehmerüberlassung um jeweils 1/12 der fälligen Gesamtsumme. Das
Honorar zuzüglich der geltenden Mehrwertsteuer wird mit Abschluss des
Vertrages zwischen Entleiher und Mitarbeiter fällig. …“
Die Berechnungsformel lautet hiernach:
x¼
3 N Bruttomonatsgehälter
6entgangene Monate
12 ðMonateÞ
Beispiel: Arbeitnehmer A beginnt als Leiharbeitnehmer am 1.1.2012 bei der Firma
B. Nach guter Leistung möchte ihn die Firma B nun nach drei Monaten als „eigenen“ Arbeitnehmer einstellen, beginnend mit einem Arbeitsvertrag zum 1.4.2012.
Sein Brutto-Monatsgehalt beträgt 1500 e.
3375 e ¼
4500 e
69
12
Hiernach müsste der Entleiher für die Übernahme des Leiharbeiters
einen Betrag von 3375 e zahlen.
Wäre diese Regelung der Höhe nach angemessen?
b)
Angemessenheit
Die Höhe eines vereinbarten Vermittlungshonorars unterliegt der
Kontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 BGB, 9 Ziff. 3 2. Halbs. AÜG und
muss daher angemessen sein.17 Ein formularmäßig vereinbartes Vermittlungshonorar, das unangemessen hoch ist, stellt eine unzulässige
Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne der §§ 307 Abs. 1,
Abs. 2 Nr. 1 BGB, 9 Ziff. 3 2. Halbs. AÜG dar und ist daher unwirksam.
Ein Vermittlungshonorar in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern
für einen Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit nur eine geringe Qualifikationen erfordert (z. B. Hilfskraft im Lager) und der daher auf dem Arbeitsmarkt nicht allzu schwer zu finden ist, ist sowohl nach Auffassung der Gerichte als auch der Fachliteratur unangemessen hoch.
aa) Rechtsprechung
Die Gerichte halten ein Vermittlungshonorar in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern bei gering qualifizierten Arbeitnehmern für unangemessen hoch. So entschied z. B. das Landgericht Freiburg,18 dass bereits ein Vermittlungshonorar von 2,5 Bruttomonatsgehältern für einen gering qualifizierten Arbeitnehmer zu hoch sei.
bb) Fachliteratur
Ein Vermittlungshonorar in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern
stellt – soweit ersichtlich – nach allen Meinungen in der Fachliteratur
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bei einem Arbeitnehmer, der eine gering qualifizierte Tätigkeit ausübt, eine unangemessene Benachteiligung dar.19 Einige Quellen halten
bei einfachen Tätigkeiten sogar nur ein Honorar von bis zu 1000,00
Euro für angemessen,20 andere begrenzen ein angemessenes Honorar
auf die Höhe eines Bruttomonatsgehaltes.21
An der Rechtslage ändert sich nach Auffassung der Gerichte auch
nichts dadurch, wenn eine Staffelung der Honorarhöhe vereinbart
wurde (Honorar nimmt ab, je länger der Arbeitnehmer zuvor überlassen war). Grund hierfür ist, dass es sich bei der Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs) handelt. Die Wirksamkeit von
AGBs ist immer abstrakt anhand des für die benachteiligte Partei ungünstigsten Falles zu beurteilen.22 Das gilt grundsätzlich auch zwischen Unternehmern. Somit ist vorliegend für die Rechtsprüfung von
dem Fall auszugehen, dass der Arbeitnehmer noch vor Vollendung
des ersten Monats seiner Überlassung zum Entleiher wechselt. In diesem Fall wäre nach der Klausel das volle Vermittlungshonorar von
drei Bruttomonatsgehältern zu zahlen, was unangemessen hoch ist.
Da die Klausel vorliegend als Teil von AGBs vereinbart wurde, wird
das Honorar nach dem Gesetz auch nicht auf die noch zulässige Höhe
reduziert. Grund hierfür ist, dass § 307 BGB als Rechtsfolge die Unwirksamkeit der Klausel vorsieht und damit eine sog. geltungserhaltende Reduktion ausschließt.23
IV. Auswirkungen auf die Praxis
In der Praxis wird sich für Personalentscheider in Unternehmen immer die Frage stellen, ob die entsprechende Investition in eine „Ablöse“ sinnvoll investiert ist oder nicht. Und daran anschließend die
Frage: Bekomme ich einen vergleichbaren Arbeitnehmer zeitnah
durch einen regulären Recruiting-Prozess oder nicht?
Zwei Unternehmenskonstellationen sind in der Regel aber zu unterscheiden: Zum einen die Firmen, die durch den Leiharbeitereinsatz
primär entweder ihr Unternehmerrisiko (Auftragsrückgang etc.) oder
ihre rechtlich Bindung an die Mitarbeiter reduzieren wollen und zum
anderen die Firmen, die lediglich einen kurz- oder mittelfristigen Bedarf auszugleichen versuchen.
Ein Unternehmen der ersten Konstellation hat grundsätzlich wenig
Interesse an der Übernahme der Leiharbeitnehmer. Unternehmen der
zweiten Kategorie sind hier wesentlich offener: Bewährt sich ein Mitarbeiter, so sind die Firmen durchaus dazu geneigt, einen Mitarbeiter
zu übernehmen. Stellt sich die Personalabteilung dann aber die Frage,
ob sie bereit ist, wie in dem oben genannten Beispiel, für die Übernahme des Leiharbeiters bei einer einfachen Tätigkeit 3375 Euro Provision zu zahlen, so lautet die Folgeüberlegung sofort: Wie schwer
fällt es mir als Unternehmen, diese Stelle durch einen normalen Rekrutierungsprozess (ohne Provision) zu besetzen? Erfahrungsgemäß
ist dies umso einfacher, je einfacher die Tätigkeit ist. Bleiben wir beim
Beispiel des Lagerhelfers: Die Wahrscheinlichkeit, diese Stelle z. B. in
Zusammenarbeit mit der örtlichen Arbeitsagentur und somit ohne
großen zusätzlichen Kostenaufwand (Anzeigenschaltung etc.) besetzen zu können, ist relativ hoch. Anders ist dies sicher bei der Suche
17
18
19
20
21
22
23
Vgl. BGH, 7.12.2006 – III ZR 82/06, BB 2007, 332, NZA 2007, 571.
Urteil vom 29.1.2009 (Az.: 6 O 382/08, BeckRS 2009, 05304).
Vgl. z. B. Sandmann/Marschall/Schneider, AÜG, 55. Lfg. 2011, § 9 AÜG Rn. 29.
Vgl. Benkert, BB 2004, 998.
Vgl. Lemke/Fesenmeyer, DB 2007, 801.
Vgl. z. B. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 307 Rn. 4.
Vgl. BGH, 11.3.2010 – III ZR 240/09, BB 2010, 1478 m. BB-Komm. Ulrici, NJW 2010 2048.
Betriebs-Berater // BB 47.2012 // 19.11.2012
Entscheidung // Arbeitsrecht
Lipinski/Praß · Unterbliebene Insolvenzsicherung von Altersteilzeitwertguthaben – persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH
nach einem spezialisierten/qualifizierten Mitarbeiter (bspw. ein Programmierer, Mechatroniker o. Ä.) zu bewerten.
Dies spielt dann natürlich auch bei der Frage nach der Angemessenheit einer Staffelung eine wesentliche Rolle: Denn hier muss die Gegenfrage gestellt werden, wie viel Aufwand (vor allem Kosten) die
Zeitarbeitsfirma mit dem eigenen Recruiting für den Mitarbeiter
hatte. Dies lässt sich leicht an den Arbeitsmarktzahlen ablesen und
spiegelt auch die Wirklichkeit der Personalabteilungen wieder.
Der spezialisierte Arbeitnehmer, die Fachkraft, ist selten und schwer zu
finden,24 Tätigkeiten einfacher Art können „leichter“ besetzt werden.
Die Rechnung geht schlicht und ergreifend für den Arbeitgeber bei
der im obigen Beispiel zu findenden Ablöseregelung nicht auf: Ungeachtet der Tatsache, dass der interne Erklärungsaufwand gegenüber
Inhabern/Geschäftsführung groß ist bei solchen Ablösesummen, darf
nicht außer Acht gelassen werden, dass das Risiko in der Folge vollständig beim neuen Arbeitgeber verbleibt: Muss dem so abgeworbenen Arbeitnehmer kurz nach dem Wechsel wieder gekündigt werden,
gibt es in aller Regel keine Rückerstattung der Provision. Und die
Fluktuationsquoten sind in diesen eher einfach gelagerten Tätigkeitsfeldern wesentlich höher als im qualifizierten Bereich.25
Diese Überlegungen, einhergehend mit der hohen Ablöseregelung, führen im Ergebnis gerade dazu, dass der Sinn und Zweck der Norm und
der Wille des Gesetzgebers konterkariert werden: Durch eine Staffelung, ungeachtet der Qualifikation und ungeachtet des Schwierigkeitsgrades der Tätig, entsteht kein sozialpolitisch gewünschter Klebeeffekt.
Vielmehr wird den Arbeitnehmern in vielen Fällen die Chance genommen, eine neue, feste Anstellung bei einem Arbeitgeber zu finden.
V.
BAG: Unterbliebene Insolvenzsicherung von
Altersteilzeitwertguthaben – persönliche
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH
4. Eine persönliche Haftung des Vertreters der juristischen Person aus
§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs kann gegeben sein, wenn er sich eines unvorsätzlich handelnden Tatmittlers bedient, um in den in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmern die Fehlvorstellung zu erregen, die Sicherung des in der Arbeitsphase erarbeiteten
Wertguthabens stehe unmittelbar bevor.
5. Der Täter eines strafrechtlichen Betrugs kann seinem Opfer nicht entgegenhalten, es habe die Täuschung erkennen oder durch eigene Maßnahmen den Schaden abwenden müssen.
BAG, Urteil vom 12.4.2011 – 9 AZR 229/10
Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2012-2955-1
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ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Die Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist nach § 13 Abs. 2
GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Den Geschäftsführer
trifft nur in den Fällen eine Eigenhaftung, in denen ein besonderer Haftungsgrund vorliegt.
2. Ein Vertreter haftet lediglich ausnahmsweise persönlich, wenn er dem
Vertragsgegenstand besonders nahesteht und bei wirtschaftlicher Betrachtung gewissermaßen in eigener Sache handelt oder er gegenüber
dem Verhandlungspartner in besonderem Maß persönliches Vertrauen in
Anspruch genommen und damit die Vertragsverhandlungen beeinflusst
hat. Hieran fehlt es in aller Regel, wenn sich das Verhalten des Geschäftsführers einer GmbH im Wesentlichen darin erschöpft, eine Aufklärung
über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft zu unterlassen.
3. § 7d Abs. 1 SGB IV in der Fassung vom 23.12.2003 ist kein Schutzgesetz
i. S. d. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB, dessen Verletzung zu einer deliktischen Haftung wegen unterbliebener Insolvenzsicherung führen kann.
Betriebs-Berater // BB 47.2012 // 19.11.2012
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Fazit
Selbst wenn Verträge mit Zeitarbeitsfirmen den Anforderungen der
Rechtsprechung genügen und Staffelungen in Ablösevereinbarungen
vorsehen, so sind diese nach Auffassung der Autoren selbst dann noch
unwirksam, wenn und soweit sie die Qualifikation und den Schwierigkeitsgrad der Beschäftigung und damit den Recruitingaufwand außer Acht lassen.
// Autoren
h
Dr. Jan Küpperfahrenberg, RA/FAArbR, Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht, Partner bei Zirngibl Langwieser
Rechtsanwälte Partnerschaft, München.
Pascal Lagardère, RA, Leiter Personal und Recht, casualfood GmbH, Frankfurt a. M.
24 Vgl. u. a. www.spiegel.de/thema/fachkraeftemangel/ (Abruf: 6.11.2012).
25 S. hierzu mit Blick auf die Systemgastronomie Jerry Newman, Mc Job, S.163 ff.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Parteien streiten über die persönliche Haftung mehrerer beklagter Geschäftsführer für ein nicht insolvenzgesichertes Wertguthaben aus einem
Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Der Kläger schloss im Jahre 2003 einen Altersteilzeitvertrag mit seinem Arbeitgeber. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging in der Folge durch diverse Betriebsübergänge mehrfach auf
neue Rechtsträger über. Mit dem Wechsel des Rechtsträgers war auch ein
mehrfacher Wechsel der Geschäftsführer verbunden, die der Kläger mit
der Klage sämtlich in Anspruch genommen hat.
Anlässlich eines Betriebsüberganges wurde von der Arbeitgeberin und
dem Gesamtbetriebsrat die dynamische Weitergeltung der Metalltarifverträge, darunter auch der TV Altersteilzeit der Metallindustrie, vereinbart. Dieser sah vor, dass Altersteilzeitansprüche der Arbeitnehmer gegen Insolvenz gesichert werden müssen. Auf einer, im Zusammenhang
mit einem weiteren Betriebsübergang stattfindenden Informationsveran-
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