16. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium

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16. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium
Internetausgabe des Tagungsbandes
zum
16. Rehabilitationswissenschaftlichen
Kolloquium
erschienen im März 2007 innerhalb der
DRV-Schriften als Band 72
Herausgeber
Deutsche Rentenversicherung Bund,
Berlin
16. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium
Gesund älter werden mit Prävention und Rehabilitation
vom 26. März bis 28. März 2007 in Berlin
veranstaltet von
Deutsche Rentenversicherung Bund
Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg
in Zusammenarbeit mit
Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)
Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und
Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation,
Charité Universitätsmedizin Berlin (Prof. Dr. W. Müller-Fahrnow)
Wissenschaftliche Leitung
Organisationskomitee
Dr. R. Buschmann-Steinhage,
Dr. H.-G. Haaf,
Deutsche Rentenversicherung Bund
Prof. Dr. Dr. U. Koch, DGRW
A. Heinritze, M. Mrugalla,
A. Rosendahl, F. Zipfel,
Deutsche Rentenversicherung Bund,
K.-H. Klocke, G. Koslowski,
Deutsche Rentenversicherung
Berlin-Brandenburg
Programmkomitee:
Prof. Dr. H.H. Bartsch (Freiburg), Prof. Dr. C.P. Bauer (Gaißach), Prof. Dr. J. Behrens (Halle),
Prof. Dr. Dr. J. Bengel (Freiburg), Prof. Dr. W.F. Beyer (Bad Füssing), Dr. S. Brüggemann (Berlin),
Dr. C. Büchner (Düsseldorf), Dr. I. Ehlebracht-König (Bad Eilsen), Prof. Dr. Dr. H. Faller
(Würzburg),
Prof. Dr. G. Grande
(Leipzig),
Prof. Dr. B. Greitemann
(Bad Rothenfelde),
Dr. E. Grosch (Laatzen), Prof. Dr. C. Gutenbrunner (Hannover), Prof. Dr. P. Hampel (Bremen),
Prof. Dr. S. Hesse (Berlin), Prof. Dr. W.H. Jäckel (Bad Säckingen), Prof. Dr. G. Klein (Bernried),
Dr. R.J. Knickenberg (Bad Neustadt), Prof. Dr. T. Kohlmann (Greifswald), Dr. C. Korsukéwitz
(Berlin), Prof. Dr. W. Kohte (Halle), Prof. Dr. M. Linden (Teltow), Prof. Dr. W. Mau (Halle),
PD Dr. R. Muche (Ulm), Prof. Dr. W. Müller-Fahrnow (Berlin), Prof. Dr. F. Petermann (Bremen),
Prof. Dr. K. Pfeifer (Nürnberg), Prof. Dr. Dr. H. Raspe (Lübeck), Dr. D. Rosemeyer (Bad Driburg),
Dr. H.M. Schian (Köln), PD Dr. M.F. Schuntermann (Berlin), Dr. W. Schupp (Herzogenaurach),
Prof. Dr. W. Slesina (Halle), Prof. Dr. W. Spijkers (Aachen), Prof. Dr. H. Teschler (Essen),
Prof. Dr. J. Wasem
(Essen),
Prof. Dr. K. Wegscheider
(Berlin),
PD Dr. F. Welti
(Kiel),
Prof. Dr. A. Wirth (Bad Rothenfelde), Dr. E. Zillessen (Bad Neuenahr-Ahrweiler).
Tagungsband
1
Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum nunmehr 16. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium dürfen wir Sie herzlich in
der Bundeshauptstadt Berlin begrüßen.
Die demographische Alterung der Gesellschaft ist ein aktuelles und nur selten positiv unterlegtes Thema. Neben der geringen Zahl von Geburten geht es um die höhere Lebenserwartung. Viele Menschen genießen diese zusätzlichen Lebensjahre bei guter Gesundheit. Für
die Rentenversicherung führt die steigende Lebenserwartung zu längeren Rentenbezugszeiten, denen u. a. aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und geringer Geburtenrate eine kleiner werdende Zahl von Beitragszahlern gegenübersteht. Die von der Politik geplante Verlängerung
der Lebensarbeitszeit soll die Relation zwischen Beitragszeiten und Dauer des Rentenbezugs günstiger gestalten. Ein späterer Ruhestand setzt aber - neben geeigneten Arbeitsplätzen - die Erwerbsfähigkeit der älteren Arbeitnehmer voraus. Weit über das 60. Lebensjahr hinaus berufstätig zu sein, wie von der Bundesregierung angestrebt, macht für viele Arbeitnehmer eine gezielte Unterstützung durch rehabilitative Leistungen notwendig. Für die
Rehabilitation stellt sich damit die Aufgabe, die spezifischen Bedarfe älterer Rehabilitanden
zu erkennen und die Leistungen bedarfsgerecht und effektiv zu erbringen.
Die alternde Gesellschaft stellt nicht nur die Alterssicherung vor besondere Herausforderungen; es werden auch steigende Gesundheitskosten erwartet. Inwieweit diese Prognosen
tatsächlich zutreffen, ist umstritten. Kritisch ist eine Einengung der Diskussion auf eine reine
Kostenbetrachtung. Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ohne gesundheitliche Einschränkungen für möglichst viele ältere Menschen zu erreichen, sollte ein prioritäres politisches Ziel sein. Dabei sind Prävention und Rehabilitation unverzichtbare Instrumente.
Die präventive Ausrichtung der Rehabilitation entspricht dem im SGB IX formulierten Vorrang der Prävention. Chronisch kranke Patienten können den Verlauf ihrer Erkrankung und
deren Folgen oft durch einen geänderten Lebensstil günstig beeinflussen. Dies bei den Rehabilitanden zu initiieren und sie zum Selbstmanagement ihrer Erkrankung zu motivieren
und zu befähigen, ist eine der schwierigsten Aufgaben der Rehabilitation. Die RehaForschung trägt dazu bei, die entsprechenden Konzepte weiterzuentwickeln und wissenschaftlich zu fundieren. Das Motto des Kolloquiums „Gesund älter werden - mit Prävention
und Rehabilitation“ soll dazu anregen, diese Ansätze und Aufgaben umfassend zu erörtern.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften veranstalten das 16. Kolloquium gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg und dem Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung
und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation der Charité Universitätsmedizin
Berlin. Besondere Unterstützung erfahren wir auch durch den Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbund Berlin-Brandenburg-Sachsen.
Der Tagungsband ist auch im Internet (www.deutsche-rentenversicherung-bund.de) zum
Herunterladen verfügbar.
Dr. R. Buschmann-Steinhage
Dr. H.-G. Haaf
3
Prof. Dr. Dr. U. Koch
Inhaltsübersicht
Plenarvorträge .................................................................................................................... 27
Patientenschulung und Konzepte der Lebensstiländerung ................................................ 32
Patientenschulung und Konzepte der Lebensstiländerung (Poster) .................................. 44
Betriebliche Gesundheitsförderung .................................................................................... 47
Rehabilitation bei älteren Rehabilitanden ........................................................................... 58
Methodik der Reha-Forschung ........................................................................................... 71
Methodik der Reha-Forschung (Poster) ............................................................................. 83
Assessmentinstrumente 1 .................................................................................................. 88
Assessmentinstrumente 2 .................................................................................................. 98
Assessmentinstrumente 3 ................................................................................................ 106
Assessmentinstrumente (Poster)...................................................................................... 118
ICF .................................................................................................................................... 132
ICF (Poster) ...................................................................................................................... 143
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) und andere Klassifikationssysteme (I). 145
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) und andere Klassifikationssysteme (II) 155
Evidenzbasierung und Leitlinien in der Rehabilitation ...................................................... 165
Evidenzbasierung und Leitlinien in der Rehabilitation (Poster) ........................................ 177
Qualitätsmanagement....................................................................................................... 179
Qualitätsmanagement (Poster)......................................................................................... 191
Epidemiologie und Reha-Bedarf....................................................................................... 195
Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster) ......................................................................... 207
Reha-System ....................................................................................................................212
Gender-Mainstreaming in der Rehabilitation .................................................................... 221
Berufliche Orientierung 1 .................................................................................................. 230
Berufliche Orientierung 2 .................................................................................................. 240
Berufliche Orientierung 3 .................................................................................................. 250
Berufliche Orientierung (Poster) ....................................................................................... 261
Betriebliches Eingliederungsmanagement ....................................................................... 270
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 1 ..................................................................... 281
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 2 ..................................................................... 290
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Poster)........................................................... 302
Sozialmedizin.................................................................................................................... 312
Rehabilitationspsychologie ............................................................................................... 322
Rehabilitationspsychologie (Poster) ................................................................................. 333
Reha-Ökonomie................................................................................................................ 337
Rehabilitationsrecht .......................................................................................................... 350
Rehabilitationsrecht (Poster) ............................................................................................ 361
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 1 ........................................................... 363
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 2 ........................................................... 374
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 3 ........................................................... 384
4
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 4 ........................................................... 396
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation (Poster) ................................................ 408
Neurologische Rehabilitation ............................................................................................ 421
Neurologische Rehabilitation (Poster) .............................................................................. 434
Kardiologische Rehabilitation 1 ........................................................................................ 438
Kardiologische Rehabilitation 2 ........................................................................................ 447
Kardiologische Rehabilitation (Poster).............................................................................. 459
Onkologische Rehabilitation 1 .......................................................................................... 465
Onkologische Rehabilitation 2 .......................................................................................... 474
Onkologische Rehabilitation (Poster) ............................................................................... 486
Gastroenterologische Rehabilitation................................................................................. 491
Pneumologische Rehabilitation ........................................................................................ 501
Pneumologische Rehabilitation (Poster)........................................................................... 511
Psychotherapeutische Interventionen............................................................................... 513
Altersspezifische Aspekte der Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen ................ 523
Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) .......................................................... 532
Rehabilitation bei chronischen Schmerzen....................................................................... 552
Rehabilitation bei chronischen Schmerzen (Poster)......................................................... 563
Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen 1 ............................................................... 567
Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen 2 ............................................................... 577
Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster)..................................................... 586
Autorenindex..................................................................................................................... 594
Verzeichnis der Erstautoren ............................................................................................. 598
5
Inhaltsverzeichnis
Plenarvorträge .................................................................................................................. 27
Krankheitslast und Gesundheit im Alter – Herausforderung für Prävention und Rehabilitation
Walter, U. ........................................................................................................................ 27
Gibt es Brücken des Verstehens zwischen der Welt der „Gesundheitsprofis“ und den
Alltagswelten der Patienten?
Gerdes, N........................................................................................................................ 28
Therapeutisches Milieu und medizinische Rehabilitation
Linden, M. ....................................................................................................................... 30
Patientenschulung und Konzepte der Lebensstiländerung ......................................... 32
Patientenschulung Herzinsuffizienz - Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines neuartigen Schulungsangebotes
Schubmann, R., Hohoff, M., Meng, K., Vogel, H............................................................. 32
Förderung handlungspsychologischer Determinanten körperlich-sportlicher Aktivität Evaluation einer praxisorientierten Intervention in der kardiologischen Sporttherapie
Höner, O., Keck, M., Lowis, H., Sudeck, G. .................................................................... 34
Entwicklungsbedarf von Patientenschulungen in der medizinischen Rehabilitation
Reusch, A., Ströbl, V., Friedl-Huber, A., Küffner, R., Vogel, H., Faller, H....................... 36
Evaluation eines Train-the-Trainer-Seminars zur Patientenschulung in der Rheumatologie
Ströbl, V., Bönisch, A., Ehlebracht-König, I., Friedl-Huber, A., Küffner, R., Reusch,
A., Faller, H. .................................................................................................................... 38
Herausforderungen und Hindernisse bei der Implementierung von rheumatologischen Patientenschulungsprogrammen in Rehabilitationskliniken
Bönisch, A., Brandes, I., de Vries, U., Ehlebracht-König, I., Krauth, C., Petermann, F. . 40
Evaluation der modellhaften Einführung von Patientenschulungsprogrammen in die
pneumologische Rehabilitation
de Vries, U., Bönisch, A., Brandes, I., Ehlebracht-König, I., Krauth, C., Petermann, F. . 41
Patientenschulung und Konzepte der Lebensstiländerung (Poster) .......................... 44
Multimodale Verhaltenstherapie der Adipositas in der Rehabilitation
Kollmann, M., Kunz, I., Gräbe, T., Dörhöfer, R., Krüger, E., Bauernschmitt, K., Müller, C., Schultz, K. ...........................................................................................................44
Der Einfluss von Planungsqualität auf die Umsetzung und Erinnerung sportbezogener Pläne bei Koronarpatienten
Pohontsch, N., Scholz, U., Sniehotta, F.F....................................................................... 45
Betriebliche Gesundheitsförderung ............................................................................... 47
Die psychische Beanspruchung von Beschäftigten in der medizinischen Rehabilitation
Körner, M. ....................................................................................................................... 47
Die Mitarbeiterbefragung als Screening-Instrument zur Reha-Bedarfsermittlung in
Klein- und Mittelbetrieben
Giese, R., Weber, S., Lewien, S. .................................................................................... 48
Betriebliche Gesundheitsförderung in deutschen Banken: Ergebnisse einer bundesweiten Telefonbefragung
Plath, S.C., Krause, H., Köhler, T., Pfaff, H. ................................................................... 50
6
Was kann berufliche Belastungen kompensieren? Eine Fall-Kontroll-Studie zum Zusammenhang von beruflicher Gratifikationskrise, psychischen Erkrankungen und
Erwerbstätigkeitsprognose
Lehr, D., Hillert, A., Sosnowsky, N., Schmitz, E.............................................................. 52
DC 1+12: Zwischenbericht der Evaluation einer betrieblichen Maßnahme zur Gesundheitsverhaltensänderung bei Personen mit metabolischem Syndrom
Brand, R., Schlicht, W. .................................................................................................... 54
Die Lastenhandhabungsverordnung als gesetzliche Grundlage der betrieblichen
Prävention und Rehabilitation bei Rückenerkrankungen
Zipprich, J........................................................................................................................ 55
Rehabilitation bei älteren Rehabilitanden ...................................................................... 58
Altersvorsorge für ältere Arbeitnehmer
Haupt, C., Löschmann, C., Dietsche, S., Eilitz, B., Lamprecht, F. .................................. 58
Verbessert ein kognitives Trainingsprogramm die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer (50-59 Jahre) in stationärer psychosomatischer Rehabilitation?
Wagner, S., Knickenberg, R.J., Bleichner, F., Beutel, M.E. ............................................ 60
Telemedizinische Schlafapnoe-Früherkennung für ältere Arbeitnehmer in RehaEinrichtungen
Böhning, N., Kujumdshieva, B., Böhning, W................................................................... 62
Lohnt sich die psychosomatische Rehabilitation in höherem Lebensalter?
Rüddel, H., Jürgensen, R., Mans, E................................................................................ 65
AMIKA - Ältere Menschen in Körperlicher Aktion - Entwicklung und Validierung einer
fotobasierten Skala zur Erfassung von Fear-Avoidance Beliefs im höheren Lebensalter
Luckmann, J., Quint, S., Basler, H.D. ............................................................................. 66
Untersuchung der Wirkung mechanischer Stimuli durch oszillierende Interventionen
auf die Muskelkraft, Koordination und Knochenfestigkeit bei älteren Menschen
Swiniarek, D., Eichner, G., Kleist, B., Beyer, W.F........................................................... 68
Methodik der Reha-Forschung........................................................................................ 71
Goldstandard Metaanalyse auch in der Rehabilitation? - Anfrage an die Levels of Evidenz bei komplexen Interventionen
Zimmermann, M. ............................................................................................................. 71
Studienqualität in der Psychosomatischen Reha-Forschung: Anspruch und Wirklichkeit
Dietsche, S., Löschmann, C., Steffanowski, A., Nübling, R., Wittmann, W.W. ............... 72
Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in der onkologischen Rehabilitation - Response Shift als Einflussfaktor auf die Veränderungsmessung
Jelitte, M., Schulte, T., Schuler, M., Faller, H.................................................................. 74
Qualitätssicherung durch (faire) Einrichtungsvergleiche? - Eine Simulationsstudie
zum Umgang mit fehlenden Werten im Kontext der einrichtungsvergleichenden Qualitätssicherung
Rabung, S., Kawski, S., Koch, U., Schulz, H. ................................................................. 76
Betriebswirtschaftlicher Nutzen von Reha-Forschung aus Sicht des Klinikmanagements - Erste Ergebnisse einer bundesweiten Befragung
Nübling, R., Bihr, D., Schmidt, J...................................................................................... 78
Rechtswirkungsforschung - Methodisches Vorgehen und Stellenwert in der empirischen rehabilitationswissenschaftlichen Forschung
Weber, A. ........................................................................................................................ 80
7
Methodik der Reha-Forschung (Poster) ......................................................................... 83
Methodische Beratung in rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbünden:
Erfahrungen und Empfehlungen
Igl, W., Wirtz, M., Morfeld, M., Kutschmann, M., Leonhart, R., Muche, R., Schön, G. ... 83
Arbeitunfähigkeitstage als Outcome stationärer medizinischer Rehabilitation: Wie gut
stimmen Patientenangaben und Krankenkassendaten überein?
Schlademann, S., Hüppe, A., Raspe, H.......................................................................... 85
Assessmentinstrumente 1 ............................................................................................... 88
Reliabilität und Validität des Functional Ambulation Category bei Patienten nach
Schlaganfall
Pohl, M., Wagner, K., Rutte, K., Meißner, D., Mehrholz, J.............................................. 88
Ergebnisqualität bei Rehabilitanden mit Querschnittlähmung - „Boberger Qualitätsscore“
Thietje, R., Giese, R., Kaphengst, C., Exner, G., Runde, P............................................ 89
Der Stellenwert des Saint George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) in der
Pneumologischen Rehabilitation
Karpinski, N., Gallenmüller, K., Schultz, K., Petermann, F. ............................................ 91
Der eingeschränkte Alltag: Messung von Teilhabestörungen bei Diabetes mellitus Konstruktion eines Fragebogens
Mühlichen, A., Barth, A., Pollmann, H., Knisel, W., Zillessen, E. .................................... 92
Konzeption und erste empirische Überprüfung eines ICF-orientierten Verfahrens zur
Einschätzung des Teilhabepotentials auch für Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung
Greve, J., Schmidt, Ch. ................................................................................................... 94
Einschränkungen der Teilhabe als Outcome-Variable medizinischer Rehabilitation Differentielle Ergebnisse für fünf Reha-Indikationen
Deck, R., Raspe, H. ........................................................................................................ 95
Assessmentinstrumente 2 ............................................................................................... 98
Einsatzmöglichkeiten der Normwerte des IRES-3
Frey, C., Gerdes, N., Jäckel, W.H................................................................................... 98
Änderungssensitivität von SF-36, WOMAC und EQ-5D während und nach der Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW) bei Patienten
nach schweren Verletzungen der unteren Extremitäten ............................................... 100
Bak, P., Müller, W.D., Lohsträter, A., Smolenski, U.C. ................................................. 100
Die Änderungssensitivität von Assessmentverfahren bei Patienten mit distaler Radiusfraktur: Unterschiede zwischen krankheitsspezifischen und krankheitsübergreifenden Erhebungsinstrumenten
Moock, J., Lohsträter, A., Germann, S., Bak, P., Kohlmann, T..................................... 101
Psychometrische Überprüfung einer Weiterentwicklung der deutschen Version der
„Health of the Nation Outcome Scales“ (HoNOS-D)
Andreas, S., Johst, M., Mestel, R., Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U.,
Schulz, H....................................................................................................................... 103
Prospektive Validierung eines Sturzindexes für Osteoporosepatienten
Schwesig, R., Lauenroth, A., Kubala, A., Brandt, J., Hottenrott, K. .............................. 104
Assessmentinstrumente 3 ............................................................................................. 106
Messung von Morbidität und Komorbidität in der medizinischen Rehabilitation Deutsche Adaptation der Cumulative Illness Rating Scale (CIRS-G)
Nosper, M......................................................................................................................106
8
Konzeption und Evaluation eines FCE-Verfahrens zur Erfassung ausgewählter Bewegungsaktivitäten des Alltags
Wilke, C., Froböse, I., Block, D. .................................................................................... 109
Interraterreliabilität eines FCE-basierten IMBA-Moduls (ETI) zur Beurteilung arbeitsbezogener Leistungsfähigkeit
Anneken, V., Schüle, K. ................................................................................................ 112
Standardisierte Leistungsbeurteilung unter Bezugnahme auf das Kategorien- und
Graduierungsystem eines Leistungsfähigkeitmodells - Erste Ergebnisse einer Multicenterstudie in 5 orthopädischen Rehabilitationskliniken
Hopke, F.R., Gebauer, D., Daalmann, H.H., Kasprowski, D., Lausch, H.L., Lux, A.,
Schlicht, F., Schöttler, M., Struck, M.J., Tittor, W.......................................................... 113
Assessment Center zur Erfassung sozialer Kompetenzen in der beruflichen Rehabilitation - Zur Güte und Nutzen des neuen Verfahrens ASKOR
Baumann, R., Schmidt, Ch., Froböse, I. ....................................................................... 115
Assessmentinstrumente (Poster) ................................................................................. 118
Identifikation und Untersuchung von Tinnitus-Patienten mittels zweier unterschiedlicher Kompensationsscores
Brandes, I., Krauth, Ch., Jäger, B., Malewski, P. .......................................................... 118
Der PAINT- Fragebogen zur Kontaktbewertung (PAINT-FKB): Ein Instrument zur Erfassung der Qualität der Patienten-Arzt-Interaktion aus zwei Perspektiven
Dibbelt, S., Fleischer, C., Schaidhammer, M., Greitemann, B. ..................................... 119
Änderungssensitivität von Kurzinstrumenten zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität: IRES-24, SF-12 und BSI im Vergleich
Igl, W., Zwingmann, C., Faller, H. ................................................................................. 121
WOMAC-5
Mayer, J., Linke, M........................................................................................................ 123
Gibt es Unterschiede in der Änderungssensitivität von präferenzbasierten Indexinstrumenten zur Messung der Lebensqualität bei ambulanten Rehabilitationspatienten mit einer muskulo-skelettalen oder Herz-Kreislauf-Erkrankung?
Moock, J., Kohlmann, T. ............................................................................................... 124
Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit
für die therapeutische Praxis (HEALTH) - ein neues Selbstbeurteilungsinstrument
zur multidimensionalen Erfassung psychosozialer Gesundheit
Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U., Wittchen, H.U., Schulz, H. ..................... 126
Bestimmung der konvergenten und diskriminanten Validität des Diagnostikinstrumentes zur Arbeitsmotivation bei Rehabilitationspatienten (DIAMO)
Reher, C., Ranft, A., Fiedler, R.G., Greitemann, B., Heuft, G....................................... 127
Vergleich von Selbst- und Fremdeinschätzung gesundheitsbezogener Lebensqualität mittels des SF-8 und des SF-8-Fremd in der Rehabilitation von Patienten mit
psychischen/psychosomatischen Erkrankungen
Schulz, H., Harfst, T., Dirmaier, J., Watzke, B., Andreas, S., Kawski, S., Rabung, S.,
Koch, U. ........................................................................................................................ 129
ICF .................................................................................................................................... 132
Sind die ICF Core Sets geeignet für die sozialmedizinische Begutachtung?
Ewert, T......................................................................................................................... 132
ICF in der neurologischen Rehabilitation: Ein klientenzentriertes Erhebungsinstrument zur Teilhabe an Gemeinschaftsleben, Freizeit und sozialen Beziehungen
Töns, N., Bengel, J........................................................................................................ 134
9
Entwicklung eines ICF-kompatiblen, sporttherapeutischen Assessments zur Erfassung von Körperfunktionen und Aktivität in der stationären Rehabilitation
Schaller, A., Froböse, I., Kausch, T. ............................................................................. 135
Validierung der ICF Core Sets für rheumatoide Arthritis aus der Patientensicht: eine
qualitative Studie*)
Coenen, M., Stamm, T., Cieza, A., Amann, E., Kollerits, B., Stucki, G......................... 137
Die ICF Core Sets für rheumatoide Arthritis aus der Sicht der Health Professionals:
eine Studie zur Inhaltsvalidität
Kirchberger, I., Cieza, A., Rauch, A., Stucki, G............................................................. 139
Die Beurteilung von Mobilität und Selbstversorgung auf der Basis der ICF: Die Übereinstimmung von Patient- und Arzt-Urteil in der Rehabilitation muskuloskeletaler Erkrankungen
Farin, E., Fleitz, A.......................................................................................................... 140
ICF (Poster) ..................................................................................................................... 143
Entwicklung eines ICF-basierten Selbstbeurteilungsfragebogens zur Erfassung des
Rehabilitations- und Vorsorgebedarfs bei Kindern und Jugendlichen
Georgi, C., Meng, K., Vogel, H...................................................................................... 143
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) und andere
Klassifikationssysteme (I).............................................................................................. 145
Klinische Anforderungen an eine Reha-Klassifikation bei Alkoholabhängigen
Roeb-Rienas, W............................................................................................................ 145
Assessments als bedarfsorientierte Instrumente der Leistungsstrukturierung in der
Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger
Lindenmeyer, J., Missel, P., Zemlin, U.......................................................................... 146
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) für die stationäre Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger und ihre prognostische Bedeutung
Möllmann, C., Spyra, K., Müller-Fahrnow, W................................................................ 148
Rehabilitanden Management Kategorien (RMK) für die MSK-Rehabilitation und ihre
prognostische Bedeutung
Erhart, M., Spyra, K., Muschket, P., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W. ...................... 150
Ambulante und stationäre Rehabilitation von Alkoholabhängigen: Die Beurteilung
des Behandlungsbedarfs im Prä-Post Vergleich
Küfner, H., Schmidt, P., Kolb, W., Zemlin, U., Soyka, M............................................... 152
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) und andere
Klassifikationssysteme (II)............................................................................................. 155
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) - ein bedarfs- und leistungsorientierter Klassifikationsansatz für die Medizinische Rehabilitation
Spyra, K., Müller-Fahrnow, W. ...................................................................................... 155
Multimodale Therapie - Differenzielle Behandlungsansätze für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen
Pfingsten, M. ................................................................................................................. 157
Entwicklung von Patientenkategorien anhand von Rehabilitanden mit degenerativen
Wirbelsäulenerkrankungen
Schimpf, S., Peters, A., Müller-Fahrnow, W.................................................................. 158
Rehabilitations-Behandlungs-Gruppen (RBGen) - Patientenklassifikation aus ökonomischer Perspektive
Neubauer, G.................................................................................................................. 160
10
Patientenklassifikation in der kardiologischen Rehabilitation anhand der Berechnung
von Fallkosten
Liebich, E., Karoff, M., Kittel, J. ..................................................................................... 162
Evidenzbasierung und Leitlinien in der Rehabilitation ............................................... 165
Metaanalyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation bei Patienten
mit depressiven Störungen und Angststörungen
Löschmann, C., Steffanowski, A., Dietsche, S., Nübling, R., Wittmann, W.W. ............. 165
Elektromechanische Gangrehabilitation nach Schlaganfall: ein systematisches Cochrane Review mit Metaanalyse
Pohl, M., Werner, C., Kugler, J., Mehrholz, J................................................................ 166
Wie wirksam ist die kardiale Rehabilitation (Phase II) in Deutschland? - Erste Ergebnisse einer Metaanalyse
Schramm, S., Mittag, O., Hüppe, A., Meyer, T., Raspe, H............................................ 168
Interdisziplinäre Leitlinie zur stationären Rehabilitation von Brustkrebs-Patientinnen Befragung der betroffenen Patientinnen
Weis, J., Domann, U., Bartsch, H.H.............................................................................. 170
Leitlinie für die stationäre Rehabilitation der Alkoholabhängigkeit - Ergebnisse der
KTL-Analysen und aktueller Stand der Umsetzung
Köhler, J., Schmidt, P., Soyka, M.................................................................................. 172
Welchen Einfluss auf das Verordnungsverhalten von Übungsbehandlung hat das
Handmanagementverfahren der VBG bei der distalen Radiusfraktur?
Lohsträter, A., Moock, J., Germann, S., Kohlmann, T. ................................................. 174
Evidenzbasierung und Leitlinien in der Rehabilitation (Poster) ................................ 177
Prädiktoren der beruflichen Wiedereingliederung nach einer medizinischen Rehabilitation - Literaturreview über randomisierte kontrollierte Studien und Kohortenstudien
Wiedenlübbert, K., Kutschmann, M., Berg, G. .............................................................. 177
Qualitätsmanagement .................................................................................................... 179
Determinanten der Patientenzufriedenheit mit der Planung und Zielorientierung in
der medizinischen Rehabilitation
Pohontsch, N., Meyer, T., Maurischat, C., Raspe, H. ................................................... 179
Erwartungen der Klinikmitarbeiter an ein internes Qualitätsmanagement - Ergebnisse einer Erhebung zur Mitarbeiterzufriedenheit
Kainz, B., Farin, E., Jäckel, W.H. .................................................................................. 181
Die Entwicklung eines Prozessdokumentationssystems für den Routineeinsatz in der
stationären medizinischen Rehabilitation (RehaProDok)
Meixner, K., Jäckel, W.H., Kalwa, M., Greitemann, B................................................... 183
Analysen zur Validität des Peer Review-Verfahrens zur Bewertung der Prozessqualität in der stationären psychosomatischen Rehabilitation
Kawski, S., Rabung, S., Schulz, H., Bleich, C., Follert, P., Koch, U. ............................ 185
Zum Verhältnis von Qualität-(smanagement) und Wirtschaftlichkeit in der medizinischen Rehabilitation - Erste Ergebnisse einer bundesweiten Befragung des Klinikmanagements
Bihr, D., Nübling, R., Schmidt, J.................................................................................... 186
Zur Qualität Gemeinsamer Servicestellen für Rehabilitation vor und nach der Implementierung von Optimierungsmaßnahmen
Knerr, A., Slesina, W..................................................................................................... 188
Qualitätsmanagement (Poster)...................................................................................... 191
Fortführung der Validierung eines Fragebogens zur Patientenzufriedenheit
Haupt, C., Löschmann, C., Dietsche, S., Nübling, R., Steffanowski, A......................... 191
11
Entwicklung eines Instrumentariums zur Qualitätssicherung in der ambulanten Rehabilitation Abhängigkeitskranker
Kawski, S., Rabung, S., Schulz, H., Bleich, C., Follert, P., Beckmann, U., Koch, U..... 193
Epidemiologie und Reha-Bedarf ................................................................................... 195
Früherkennung von Rehabilitationsbedarf durch Auswertung von Krankenversicherungsdaten: Erste Ergebnisse einer kontrollierten randomisierten Evaluationsstudie
zu Inanspruchnahme und Outcome
Pollmann, H., Wild, B., Büchner, C. .............................................................................. 195
Prädiktoren der Reha-Antragstellung in einer Bevölkerungsstichprobe von 4.225
Versicherten der Arbeiterrentenversicherung: Jenseits des Rubikon
Mittag, O., Meyer, T., Glaser-Möller, N., Matthis, C., Raspe, H. ................................... 198
Zusammenhänge zwischen subjektivem und objektivem Rehabilitationserfolg: Zur
Vorhersagbarkeit der Rentenantragstellung über Ergebnisse der Rehabilitandenbefragung und ärztliche Leistungsbeurteilungen
Widera, T., Beckmann, U. ............................................................................................. 200
Den Arbeitsmarkt als Frühberentungsgrund - zur Spezifik arbeitsmarkbedingter ErwerbsminderungsrenterInnen
Schubert, M., Behrens, J., Höhne, A., Schaepe, C., Zimmermann, M.......................... 202
Erwerbsstatus fünf Jahre nach stationärer Rehabilitation - erste Ergebnisse einer
prospektiven Langzeitstudie
Neuner, R......................................................................................................................204
Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster)..................................................................... 207
Das Krankheitsspektrum von Erwerbsminderungsrentnern mit Migrationshintergrund
Höhne, A., Behrens, J., Schubert, M., Schaepe, C., Zimmermann, M.......................... 207
Prädiktoren von Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität ein Jahr nach schweren Brandverletzungen
Renneberg, B., Brenner, C., Ripper, S., Germann, G................................................... 209
Reha-System ................................................................................................................... 212
Rehabilitationsnachsorge: Empfehlungen, Umsetzung und Einfluss auf das Outcome
Glattacker, M., Farin, E., Jäckel, W.H. .......................................................................... 212
Evaluation eines telefonischen Nachsorgeprogramms im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Studie in der orthopädischen Rehabilitation
Mangels, M., Schwarz, S., Holme, M., Rief, W. ............................................................ 214
Reha-Erfolg ambulanter Nachsorge aus gesundheitsökonomischer Sicht
Brandes, I., Beck, L., Krauth, Ch., Mau, W. .................................................................. 215
Elektronisches Coaching - eine neue Methode zur Optimierung der psychosomatischen Reha-Nachsorge mit Hilfe von Handheld-Computern
Bischoff, C., Schmädeke, S. ......................................................................................... 217
Erweiterung der Reha-Nachsorge - Ein Angebot für Patienten zur wohnortnahen
Aufnahme begleitender Freizeitaktivitäten
Ramos, G., Koch, J. ...................................................................................................... 218
Gender-Mainstreaming in der Rehabilitation ............................................................... 221
Gibt es eine geschlechtsspezifische leitlinienorientierte Versorgung in unterschiedlichen Altersgruppen bei Rehabilitanden mit koronarer Herzkrankheit?
Beckmann, U., Sommhammer, B., Grünbeck, P........................................................... 221
Körperliche Aktivität von Frauen im Jahr nach akuter koronarer Herzkrankheit: Ergebnisse einer Frauen-Interventionsstudie in der kardiologischen Rehabilitation
Härtel, U., Klein, G. ....................................................................................................... 223
12
Frauensport - Männersport? Ein Beitrag zum Gender-Mainstreaming in der kardiologischen Rehabilitation
Dohnke, B., Plonait, S., Hartges, B., Hess, N. .............................................................. 224
Rehabilitationsergebnisse nach Schlaganfall unter Genderaspekten
Kramer, S., Raum, E., Goldbecker, A., Tountopoulou, A., Weissenborn, K. ................ 226
Wie ist eine geschlechtssensible Ernährungsberatung zu gestalten?
Plonait, S., Dohnke, B., Bastian H., Hess, N................................................................. 228
Berufliche Orientierung 1............................................................................................... 230
Systematisierung berufsbezogener Interventionen in der medizinischen Rehabilitation
Gerlich, C., Neuderth, S., Vogel, H. .............................................................................. 230
Beeinträchtigte Teilhabe am Berufsleben im Spiegel therapeutischer Leistungen Zum Stand medizinisch-beruflich orientierter Rehabilitation
Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T............................................. 232
Berufliche Reintegration nach medizinisch-beruflicher Rehabilitation
Spranger, M., Sutter, M................................................................................................. 234
SIBAR - Screening-Inventar zur Erfassung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der Medizinischen Rehabilitation - Ergebnisse zur Reliabilität
und Validität
Bürger, W., Deck, R. ..................................................................................................... 236
Entwicklung und Einsatz arbeitsorientierter Aktivitätstests in der medizinischberuflich orientierten Rehabilitation
Röhrig, A., Alles, T. ....................................................................................................... 238
Berufliche Orientierung 2............................................................................................... 240
Probleme mit der Arbeitswelt - zunehmend ein Thema für Patienten?
Schneider, J., Michalak, U. ........................................................................................... 240
Arbeitsplatzängste bei Patienten in der Psychosomatischen und in der Orthopädischen Rehabilitation
Muschalla, B., Linden, M., Olbrich, D............................................................................ 241
Kurz- und langfristige Behandlungseffekte einer tiefenpsychologisch fundierten
Gruppentherapie für beruflich belastete Patienten in der stationären psychosomatischen Rehabilitation
Zwerenz, R., Knickenberg, R.J., Schattenburg, L., Beutel, M.E. .................................. 243
Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf (AGIL) - Konzeption und kontrollierte Evaluation eines berufsspezifischen Therapieprogramms zur Stressbewältigung und Gesundheitsförderung
Hillert, A., Koch, S., Lehr, D., Sosnowsky, N. ............................................................... 245
Arbeitsbezogene Leistungen in der Sucht-Rehabilitation - eine Analyse von dokumentierten therapeutischen Leistungen (KTL)
Zander, J., Lindow, B., Klosterhuis, H........................................................................... 247
Berufliche Orientierung 3............................................................................................... 250
Implementierung eines kognitiv-behavioralen Gruppenangebots für MSKRehabilitanden mit besonderer beruflicher Problemlage: Ergebnisse einer formativen
Evaluation
Herbold, D., Bethge, M., Hansmeier, T., Jacobi, C., Müller-Fahrnow, W...................... 250
Effizienz berufsbezogener Maßnahmen: Ökonomische Evaluation eines Medizinisch
Beruflich Orientierten Modells in der orthopädischen Rehabilitation
Blume, C., Streibelt, M., Thren, K., Müller-Fahrnow, W. ............................................... 252
13
Evaluation des berufsbezogenen Schulungsprogramms "Gesundheitstraining
Stressbewältigung am Arbeitsplatz (GSA)“ in der orthopädischen Rehabilitation: Ergebnisse bei Entlassung
Koch, S., Hillert, A., Zwerenz, R., Beutel, M.E., Holme, M., Milse, M.W....................... 254
Evaluation des berufsbezogenen Schulungsprogramms „Gesundheitstraining
Stressbewältigung am Arbeitsplatz (GSA)“ in der kardiologischen Rehabilitation: Ergebnisse bei Entlassung
Zwerenz, R., Hillert, A., Koch, S., Wendt, Th., Schröder, K., Beutel, M.E. ................... 257
Effekte berufsorientierter Interventionen in der kardiologischen Rehabilitation ein
Jahr nach der Rehabilitation - Ergebnisse einer randomisierten Kontrollgruppenstudie
Kittel, J. ......................................................................................................................... 259
Berufliche Orientierung (Poster) ................................................................................... 261
Anforderungsorientierte Individualisierung in der medizinischen Rehabilitation mit
Hilfe von Assessment - Ergebnisse einer prospektiven Studie
Alles, T., Drüke, T., Froböse, I. ..................................................................................... 261
Sind die Testbedingungen der EFL nach Isernhagen zu alltagsfern?
Büschel, C., Schaidhammer, M., Greitemann, B. ......................................................... 263
Rehabilitation und Arbeitswelt: Eine (computerlinguistische) Auswertung von 67.599
Entlassungsberichten
Kaluscha, R., Leitner, A., Jacobi, E............................................................................... 264
Entwicklung des Würzburger Screenings zu beruflichen Problemlagen und dem Bedarf an berufsorientierten Rehabilitationsleistungen
Wolf, H.D., Löffler, S., Vogel, H..................................................................................... 266
Arbeitsrelevante Kompetenzen Jugendlicher aus Förderschulen Schwerpunkt Lernen: Ergebnisse eines Evaluationsprojektes
Hauser, A., Dreja, S., Förster, D., Niehaus, M. ............................................................. 267
Betriebliches Eingliederungsmanagement .................................................................. 270
Pflichten des Integrationsamts zur Realisierung des Eingliederungsmanagements
nach § 84 SGB IX
Gagel, A. ....................................................................................................................... 270
Wissen - Wertschätzung - Kompatibilität - Alternativen: Die Rehabilitation aus betrieblicher Sicht
Heuer, J., Hesse, B., Gebauer, E.................................................................................. 272
Wie organisieren Arbeitgeber betriebliches Eingliederungsmanagement und welche
Hilfe erwarten sie von Rehabilitationsträgern?
Lawall, Ch., Lewerenz, M.............................................................................................. 274
Reha-/Case Management Support der Fachklinik im betrieblichen Eingliederungsmanagement
Maier, J., Riedl, G. ........................................................................................................ 276
Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement der SZST - Ein innovatives RehaKonzept für ältere Arbeitnehmer
Trowitzsch, L., Büttner, S., Fondahl, U., Herbold, D., Koch, B., Leineweber, B. .......... 278
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 1................................................................. 281
Berufliche Rehabilitation in Deutschland im Spannungsfeld der Sozialgesetzbücher
II, III und IX
Rauch, A., Dornette, J................................................................................................... 281
Das Aachener Profilmodul: Eine Analyse der prognostischen Validität
Schulze, S.E., Hofmann, I., Spijkers, W........................................................................ 282
14
Das Aachener Praktikumsmodul - Erste Untersuchungsergebnisse
Spijkers, W., Hofmann, I., Schulze, S.E........................................................................ 284
Wie beurteilen Rehabilitanden ihre berufliche Bildungsmaßnahme?
Lindow, B., Mitschele, A., Erbstößer, S......................................................................... 286
Nutzen und Belastungen qualifizierender Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aus Sicht der Teilnehmer
Beck, L., Mau, W........................................................................................................... 287
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 2................................................................. 290
Individualisierung von Qualifizierungsprozessen im Rahmen einer ganzheitlich gestalteten Rehabilitation
Griesbach, A., Dücomy, J., Spijkers, W., Lüdtke, J....................................................... 290
Prädiktoren der Integration in das Erwerbsleben von Teilnehmern der stationären
beruflichen Rehabilitation
Köster, T., Fehr, M., Slesina, W. ................................................................................... 291
Einfluss personaler Faktoren auf Bewerbungsaktivitäten und Integrationserfolg von
Umschulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern
Schmidt, C.....................................................................................................................294
Erfolge beruflicher Bildungsmaßnahmen im Einrichtungsvergleich - Teilnehmerperspektive und Routinedaten
Bestmann, A., Grünbeck, P........................................................................................... 297
Abbruch von beruflichen Bildungsleistungen und die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben
Erbstößer, S., Grünbeck, P. .......................................................................................... 299
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Poster) ..................................................... 302
Faktoren zur Wiedereingliederung von Rehabilitanden in den allgemeinen Arbeitsmarkt
Arling, V., Lüdtke, J., Spijkers, W.................................................................................. 302
Coaching zur beruflichen Integration von schwerbehinderten Menschen und Rehabilitanden: Ein erfolgreicher Modellversuch in Sachsen-Anhalt
Engelmann, K................................................................................................................ 304
Coaching als Methode in der beruflichen Rehabilitation von Schlaganfallpatienten
aus besonders anspruchsvollem beruflichen Umfeld
Fritzsche, D. ..................................................................................................................306
„Fit im Kopf - Fit im Job“ Neuropsychologie in der beruflichen Rehabilitation: Vorstellung einer neuropsychologischen Rehabilitationssoftware
Müller, S.V., Klaue, U., Deibel, J., Reimann, A., Böhnke, K., Werres, J. ...................... 308
AD(H)S-Ambulanz am Berufsförderungswerk Hamburg
Reich-Schulze, E........................................................................................................... 309
Sozialmedizin ..................................................................................................................312
Anpassung des Erwerbsminderungsrentenverfahrens an die Anforderungen des
SGB IX
Wellmann, H., Schian, M., Hetzel, C., Flach, T............................................................. 312
Wollen psychisch erkrankte Versicherte, die eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wieder ins Erwerbsleben eingegliedert werden?
Kobelt, A., Hesse, B., Grosch, E., Gebauer, E., Krähling, M., Gutenbrunner, C. ......... 314
Der vorläufige EUMASS-ICF Core Set für Personen mit längerfristigen Beeinträchtigungen der beruflichen Leistungsfähigkeit in der sozialmedizinischen Begutachtungspraxis
Timner, K....................................................................................................................... 316
15
Welche während der Anschlussheilbehandlung (AHB) erhobenen (pathophysiologischen) Parameter lassen eine reliable sozialmedizinische Beurteilung der Belastung
von Koronarpatienten zu?
Montanus, H., Montanus, U., Hasemann, J., Ringel, K., Tandler, N., Hottenrott, K. .... 318
Das Arbeitsbelastungsniveau - Standardisierte Selbstauskunft und Messung im Vergleich
Glatz, A., Anneken, V., Heipertz, W., Kraus, T., Weber, A. .......................................... 320
Rehabilitationspsychologie ........................................................................................... 322
Klinische Symptomatik von depressiven Patienten nach der stationären kardiologischen Rehabilitation - Welche Erfolge bleiben mittel- und langfristig?
Barth, J., Härter, M., Bengel, J...................................................................................... 322
Patienten-Arzt-Interaktion in der Rehabilitation: Wie bewerten Ärzte und Patienten
die gemeinsamen Gespräche?
Dibbelt, S., Fleischer, C., Schaidhammer, M., Greitemann, B. ..................................... 324
Die Katamnese im Fokus: Das Auftreten von kritischen Lebensereignissen und deren Einfluss auf das mittelfristige Rehabilitationsoutcome
Glattacker, M., Farin, E., Jäckel, W.H. .......................................................................... 325
Kausalattributionen und Kontrollüberzeugungen im Krankheits- und Genesungsprozess chronisch Kranker
Lippmann, M., Koch, H., Balck, F.................................................................................. 327
Psychische, soziale und berufliche Auswirkungen einer Lebendnierenspende auf
Spender und Empfänger
Neuderth, S., Lukasczik, M., Köhn, D., Lopau, K., Faller, H. ........................................ 329
Essverhalten und Erziehungsverhalten von Müttern: Unterscheiden sich Mütter
übergewichtiger Kinder von Müttern normalgewichtiger oder aufmersamkeitsgestörter
Kinder?
Warschburger, P., Hoff-Emden, H. ............................................................................... 331
Rehabilitationspsychologie (Poster) ............................................................................ 333
Was motiviert Therapeuten und Ärzte zur Durchführung einer Behandlung? Erste
Ergebnisse einer qualitativen Befragung im Rahmen des Umsetzungsprojektes
„RUM“
Fröhlich, S.M., Greitemann, B....................................................................................... 333
Längsschnittliche Zusammenhänge zwischen Kognitionen und Sport- bzw. Ernährungsverhalten drei und zwölf Monate nach stationärer Rehabilitation
Reusch, A., Ströbl, V., Faller, H. ................................................................................... 334
Reha-Ökonomie .............................................................................................................. 337
Outcome-orientierte Vergütung in der Rehabilitation nach Schlaganfall - Ergebnisse
einer Erprobung des Verfahrens in 13 neurologischen Fachkliniken
Gerdes, N., Funke, U.N., Schüwer, U., Kunze, H., Walle, E., Jäckel, W.H.,................. 337
REDIA II - Kurzfristige Auswirkungen der DRG-Einführung auf die medizinische Rehabilitation
Klemann, A., von Eiff, W., Meyer, N., Greitemann, B., Karoff, M.................................. 339
Discrete-Choice-Experimente zur Ausgestaltung der orthopädischen Rehabilitation:
Patientenpräferenzen und Nutzen berufsbezogener Behandlungsmodule
Bethge, M., Herbold, D., Müller-Fahrnow, W. ............................................................... 342
Untersuchung zur Effizienz und Kosteneffektivität der stationären Rehabilitation bei
Patienten nach Hüft- und Knie-TEP-Implantation
Müller, W.D., Bak, P., Smolenski, U.C. ......................................................................... 344
16
Kosten und Lebensqualität bei ambulanter vs. stationärer kardiologischer Rehabilitation - Gesundheitsökonomische Ergebnisse aus der SARAH-Studie
Schweikert, B., Hahmann, H., Imhof, A., Koenig, W., Kropf, C., Liu, Y., Muche, R.,
Steinacker, J., Leidl, R. ................................................................................................. 345
Sozioökonomische Bedeutung einer konzeptintegrierten kardialen Nachbetreuung Erste sozioökonomische Ergebnisse aus der SeKoNa-Studie
Kohlmeyer, M., Redaèlli, M., Seiwerth, B., Stock, S., Simic, D., Lauterbach, K.W.,
Mayer-Berger, W........................................................................................................... 347
Rehabilitationsrecht ....................................................................................................... 350
Der Präventionsgedanke im SGB IX - Prävention durch medizinische Rehabilitation
Liebold, D. ..................................................................................................................... 350
Prävention und Gesundheitsförderung als Bestandteil der Rehabilitation der Rentenversicherung?
Ritter, J.......................................................................................................................... 351
Rechtliche Fragen zum Zusammenhang von medizinischer Rehabilitation und strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP)
Lüßenhop, B.................................................................................................................. 353
Einsatz des Persönlichen Budgets für Leistungen nach § 40 SGB IX in Verantwortung der Rentenversicherung
Wendt, S. ......................................................................................................................355
Die Gewährleistung der Kommunikation bei behinderten Menschen am Beispiel des
Vermittlungsdienstes für Hörgeschädigte
Tallich, V., Welti, F. ....................................................................................................... 357
Die Besonderheiten des teilhabe- und rehabilitationsrechtlichen Leistungserbringungsrechts
Köster, P., Welti, F. ....................................................................................................... 358
Rehabilitationsrecht (Poster)......................................................................................... 361
Der Anspruch auf kenntnis- und fähigkeitsgerechte Beschäftigung nach § 81 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 SGB IX im Zusammenhang mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement
Beer, M.......................................................................................................................... 361
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 1..................................................... 363
Nachbehandlung nach Implantation von Hüfttotalendoprothesen - derzeitiger Stand
an deutschen Rehabilitationskliniken
Birk, K., Gottfried, T., Forst, R., Beyer, W.F.................................................................. 363
Längsschnittliche Therapieevaluation im Klinikalltag in der Rehabilitation nach
Hüftendoprothetik
Linke, M., Dittmann, H., Mayer, J.................................................................................. 364
Evaluation der Integrierten Versorgung - Zukunftspotential für Hüft- und KnieEndoprothetik
Güldensupp, H., Dolderer, M. ....................................................................................... 365
Gibt es unterschiedliche Ergebnisse nach endoprothetischem Ersatz der Hüfte durch
Geschlecht oder Alter?
Kalwa, M., Greitemann, B. ............................................................................................ 368
Score-gesteuerte Dauer der Anschlussheilbehandlung nach Hüft- und Knie-TEPImplantationen
Peters, K.M., Krämer, A. ............................................................................................... 370
17
Evaluation des WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities) Osteoarthritis
Index als Outcome-Instrument in der Rehabilitation bei Patienten mit Hüft- und Kniegelenksendoprothesen
Müller, E., Gülich, M., Jäckel, W.H................................................................................ 371
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 2..................................................... 374
Welche Faktoren beeinflussen die Selbsteinschätzung des globalen Gesundheitszustandes bei Vorliegen einer muskuloskeletalen Erkrankung?
Haselwander, E., Frey, C., Dudeck, A., Fleitz, A., Farin, E., Jäckel, W.H..................... 374
Auswirkungen der EFL nach Isernhagen auf Selbsteinschätzung und berufliche Perspektiven der Patienten
Büschel, C., Schaidhammer, M., Greitemann, B. ......................................................... 376
Zur Relevanz der Bereitschaft einer Verhaltensänderung in der orthopädischen Rehabilitation
Streibelt, M., Thren, K., Müller-Fahrnow, W.................................................................. 377
Wirksamkeit eines integrierten verhaltensmedizinischen orthopädischen Rehabilitationskonzepts hinsichtlich psychosozialer Erfolgsparameter - eine multizentrische
Evaluationsstudie
Mehnert, A., Büttner, S., Sauer, C., Willmann, U., Bernhardt, R., Höcker, A., Jacobi,
C., Herbold, D., Koch, U................................................................................................ 379
Langzeitevaluation eines verhaltensmedizinischen Ansatzes in der orthopädischen
Rehabilitation - eine randomisierte, kontrollierte Studie
Schwarz, S., Mangels, M., Holme, M., Rief, W. ............................................................ 381
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 3..................................................... 384
Komorbidität und amplifizierte Rückenschmerzen - Ergebnisse aus zwei multizentrischen Kohortenstudien (eine populationsbezogene und eine Reha-Stichprobe)
Raspe, H., Hüppe, A. .................................................................................................... 384
Rückenschmerzchronifizierung: Reha-Erfolg bei unterschiedlich weit amplifizierten
Rückenschmerzen
Hüppe, A., Mittag, O., Raspe, H.................................................................................... 386
Schlechte Reha-Ergebnisse bei hohem Schweregrad? Eine Untersuchung bei Rehabilitanden mit degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen
Peters, A., Müller-Fahrnow, W., Schimpf, S. ................................................................. 388
Analyse der Patientenbefragung im Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung nach stationärer medizinischer Rehabilitation von Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen: Beiträge zur Untersuchung des Wirksamkeitsproblems
Meyer, T., Maurischat, C., Raspe, H............................................................................. 390
Leitlinie für die Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz - Entwicklung, Stand
und erste Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung
Brüggemann, S., Buschmann-Steinhage, R., Klosterhuis, H........................................ 392
Krafttraining und die Rehabilitation des chronischen Rückenschmerzes - eine kontrollierte und randomisierte Studie
Huber, G., Wiskemann, J., Heilmeyer, P. ..................................................................... 394
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 4..................................................... 396
Untersuchung zu manualmedizinischen Diagnosetechniken der unteren Wirbelsäule
am Beispiel von „Low-Back-Pain“- Patienten
Conradi, S., Smolenski, U.C. ........................................................................................ 396
Evaluation der Dynamischen Trainingstherapie (DTT) - Erste Ergebnisse einer kontrollierten randomisierten Studie
Morfeld, M., Köhler, M., Möller, J.U., Wessinghage, Th., Koch, U................................ 398
18
Gestufte Versorgung in der Rehabilitation: Unterschiedliche Problemprofile bei Reha-Antragstellern mit Rückenschmerzen
Raspe, H., Mittag, O...................................................................................................... 400
Beeinflussen psychosoziale Faktoren die Chronifizierung von gesundheitsbezogenen Beeinträchtigungen der Erwerbstätigkeit bei Rehabilitanden mit muskuloskeletalen Erkrankungen? Eine prospektive Kohortenstudie
Bethge, M., Thren, K., Müller-Fahrnow, W.................................................................... 402
Sofortige oder verzögerte Rehabilitation nach Trauma: Erste Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten Multicenterstudie
Kaluscha, R., Einsiedel, T., Elbel, M., Jacobi, E., Schönball, T., Badke, A., Scheiderer, W., Bodenburg, R., Kinzl, L., Hartwig, E................................................................. 404
Mittelfristige Ergebnisse im Hinblick auf Teilhabestörungen bei der Rehabilitation
amputierter Patienten
Greitemann, B. .............................................................................................................. 406
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation (Poster) ......................................... 408
Gegenüberstellung älterer und jüngerer Rehabilitanden bzgl. Langzeitverlauf und
Prädiktoren der Lebensqualität im SF-36 nach ambulanter orthopädischer Rehabilitation
Beck, L., Busche, T., Mau, W........................................................................................ 408
Arbeitszufriedenheit und arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster bei gesundheitsbedingten Einschränkungen der Berufsausübung: Zur Relevanz psychosozialer Behandlungsmodule in der orthopädischen Rehabilitation
Bethge, M., Thren, K., Müller-Fahrnow, W.................................................................... 410
Nachsorgeempfehlungen bei Rückenschmerzpatienten nach stationärer Rehabilitation - spezifisch?
Bosse, B., Bahrke, U., Fikentscher, E., Bandemer-Greulich, U. ................................... 412
Salutogene Gruppentherapie
Dittmann, H., Linke, M., Mayer, J.................................................................................. 414
Sozialmedizinische Relevanz von Amputationen
Kalwa, M., Greitemann, B. ............................................................................................ 416
Patientenseitige Entscheidungspräferenzen beim Zugang zur Integrierten Versorgung von Knie- und Hüftgelenkersatz
Streibelt, M., Thren, K., Müller-Fahrnow, W.................................................................. 418
Neurologische Rehabilitation ........................................................................................ 421
Behandlungseffekte in der neurologischen Rehabilitation - Prädiktoren für den RehaErfolg bei Arzt- und Patienteneinschätzungen
Burgard, E., Farin, E. .................................................................................................... 421
Die Rolle der sozialen Unterstützung in der neurologischen Frührehabilitation - eine
Feldstudie
Heese, C., Geißler, M., Kovco, J., Fattler, B., Schmidt, H.-L. ....................................... 423
Vigilanz bei Patienten mit Schlaf-Apnoe-Syndrom und mit neurologischen Erkrankungen
Büttner, A., Latarnik, S., Rode, S., Seiffert, L., Gramm, R., Remer, H., Bennefeld, H.,
Rühle, K.H.....................................................................................................................424
Die Wirksamkeit von neuropsychologischer Therapie nach epilepsiechirurgischen
Eingriffen am Temporallappen
Wohlfarth, R., Hammen, A., Saar, J., Steinhoff, B.J., Quiske, A., Schulze-Bonhage,
A., Helmstaedter, C....................................................................................................... 427
19
Aphasiebehandlung: ein Statusbericht
Tesak, J., Küst, J., Pfitzenreiter, V., Michel, Ch. ........................................................... 429
Organisation und Ergebnisse der Schlaganfall-Rehabilitation in Europa: Erfahrungen
aus der CERISE-Studie in vier europäischen Zentren
Schupp, W., De Wit, L., Putmann, K., Jenni, W., De Weerdt, W. ................................. 431
Neurologische Rehabilitation (Poster) ......................................................................... 434
Multiple Sklerose und Psychopathologie - retrospektive Untersuchung über psychiatrisch-psychosomatische Befunde bei Patienten einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung
Fischer, K., Welter, F.L. ................................................................................................ 434
Supervidierte Teletherapie bei Aphasie: erste Ergebnisse einer BMBF-Studie
Rupp, E., Sünderhauf, S., Tesak, J............................................................................... 436
Kardiologische Rehabilitation 1 .................................................................................... 438
Effekte von Handlungsplanung und -kontrolle auf die körperliche Aktivität von pAVKPatienten
Pochstein, F. ................................................................................................................. 438
Einfluss körperlicher Aktivität auf die Herzfrequenzvariabilität bei Patienten mit
ischämisch bedingter Herzinsuffizienz
Montanus, H., Ringel, K., Montanus, U., Hottenrott, K., Tandler, N., Werdan, K.......... 439
Leitlinie für die Rehabilitation bei koronarer Herzkrankheit - Veränderungen im Therapieverhalten nach Leitlinieneinführung
Brüggemann, S., Grünbeck, P., Klosterhuis, H............................................................. 441
Evidenzbasierte Bewegungstherapie in der kardiologischen Rehabilitation - eine
empirische Analyse mit KTL-codierten Behandlungsdaten
Müller-Fahrnow, W., Nowossadeck, E., Karoff, M. ....................................................... 442
Ernährungsschulung in der kardiologischen Rehabilitation - eine empirische Analyse
mit KTL-codierten Behandlungsdaten
Nowossadeck, E., Karoff, M., Müller-Fahrnow, W. ....................................................... 445
Kardiologische Rehabilitation 2 .................................................................................... 447
Ziele in der kardiologischen Rehabilitation aus der Sicht von Ärzten und Patienten Wie passt das zusammen?
Muthny, F.A., Dörner, U. ............................................................................................... 447
Rehabilitationsziele aus Patienten- und Arztsicht in der ambulanten kardiologischen
Rehabilitation
Dudeck, A., Farin, E., Meffert, C., Glattacker, M., Jäckel, W.H., Böwering, L., Beckmann, U......................................................................................................................... 448
Die Heterogenität der Veränderungsverläufe von kardiologischen Patienten in der
Anschlussrehabilitation
Farin, E., Jäckel, W.H. .................................................................................................. 450
SARAH-Studie: Stationäre versus ambulante Rehabilitation bei Patienten mit akutem
Koronarereignis
Steinacker, J., Liu, Y., Hahmann, H., Imhof, A., Kropf, C., Koenig, W., Muche, R.,
Schweikert, B., Leidl, R., Stilgenbauer, F., Hombach, V............................................... 453
Auswirkungen kardiologischer Rehabilitation auf herzbezogene Ängste und Lebensqualität
Köllner, V., Einsle, F., Sapia, K., Berg, G., Altmann, C................................................. 455
Blutdruck senkende Effekte eines Herzratenvariabilitäts-Biofeedback in der Behandlung essentieller Hypertonie
Mussgay, L., Reineke, A., Domann, S., Gevirtz, R., Rüddel, H. ................................... 456
20
Kardiologische Rehabilitation (Poster) ........................................................................ 459
Rauchen und Depression in der Rehabilitation nach Myokardinfarkt
Herbert, B.M., Härtel, U................................................................................................. 459
Körperliche Aktivität und Leistungsfähigkeit in der SARAH-Studie: Stationäre versus
ambulante Rehabilitation bei Patienten mit akutem Koronarereignis
Liu, Y., Stilgenbauer, F., Hahmann, H., Imhof, A., Koenig, W., Kropf, C., Muche, R.,
Schweikert, B., Stapel, O., Brancheau, D., Steinacker, J. ............................................ 461
Einfluss eines aeroben Intervalltrainings bei Patienten mit schwerer chronischer
Herzinsuffizienz im Rahmen der stationären Rehabilitation auf NYHA-Klasse, Gehstrecke sowie VE/VCO2-slope
Skobel, E., Redanz, P., Schenk, S., Henssen, O., Jendralski, A. ................................. 463
Onkologische Rehabilitation 1 ...................................................................................... 465
Psychosoziale Belastung und Inanspruchnahme von onkologischer Rehabilitation
Bergelt, C., Lehmann, C., Hagen-Aukamp, C., Kerschgens, C., Meissner, M., Meise,
U., Ulrich, J., Otto, J., Berger, D., Koch, U.................................................................... 465
Welchen Einfluss hat die psychische Komorbidität bei Tumorpatienten auf die Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen und auf die berufliche Entwicklung?
Meyer, A., Anders, G., Barthel, Y., Wiggermann, H., Schwarz, R. ............................... 467
Entwicklung eines Reha-Scores zur Abschätzung des Rehabilitationsbedarfs bei Patientinnen mit Mammakarzinom
Gutenbrunner, C., Hamann, T., Hübner, J., Schwarze, M., Neises, M. ....................... 468
Inanspruchnahmeraten rehabilitativer Maßnahmen von Patienten mit Mammakarzinom, Prostatakarzinom und malignem Melanom der Haut in Schleswig-Holstein Ergebnisse der OVIS-Studie und des OVIS-Follow Up
Waldmann, A., Pritzkuleit, R., Templin, B., Raspe, H., Katalinic, A. ............................. 470
Prostatakrebsspezifische Ängste und psychosoziale Belastung bei Prostatakrebspatienten nach der Rehabilitation
Lehmann, C., Mehnert, A., Schulte, T., Koch, U. .......................................................... 472
Onkologische Rehabilitation 2 ...................................................................................... 474
Patientenkompetenz bei onkologischen Erkrankungen: Mögliche Einflussfaktoren
und Perspektiven zur weiteren Validierung
Giesler, J.M., Weis, J. ................................................................................................... 474
Entscheidungsfindung im Verlauf der Brustkrebserkrankung
Vogel, B., Helmes, A., Bengel, J. .................................................................................. 476
Leitlinie für die Rehabilitation von Patientinnen mit Brustkrebs - Entwicklung, Stand
und erste Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung
Pimmer, V., Brüggemann, S., Buschmann-Steinhage, R., Domann, U., Weis, J. ........ 477
Evaluation eines Programms zur Rehabilitation von Patienten mit Multiplem Myelom
/ Plasmozytom
Poppelreuter, M., Mumm, A., Weis, J., Bartsch, H.H. ................................................... 479
Wirksamkeit ambulanter und stationärer onkologischer Rehabilitationsmaßnahmen:
Erste Ergebnisse einer kontrollierten Studie
Lehmann, C., Bergelt, C., Hagen-Aukamp, C., Kerschgens, C., Meissner, M., Meise,
U., Ulrich, J., Otto, J., Berger, D., Koch, U.................................................................... 482
Längerfristige Wirksamkeit eines integrativen Psychoonkologischen Rehabilitationskonzepts hinsichtlich psychosozialer und sozialmedizinischer Erfolgsparameter - eine multizentrische Evaluationsstudie
Mehnert, A., Müller, D., Kegel, D., Gärtner, U., Friedrich, G., Bootsveld, W., Leibbrand, B., Barth, J., Gaspar, M., Jacobi, C., Berger, D., Koch, U. ................................ 484
21
Onkologische Rehabilitation (Poster)........................................................................... 486
Vergleich von Effekten einer interaktiven Schulung und eines Kurzprogramms auf
das Wissen, die Krankheitsbewältigung und krankheitsbezogene Lebensqualität bei
Patienten mit Magenkarzinom im postoperativen Anschlussheilverfahren - eine kontrollierte und prospektive Studie
Allgayer, H., Koch, G.F., Reichel, C., Pauli, P., Faller, H.............................................. 486
Wie ist das psychische Befinden von Ehepartnern laryngektomierter Karzinompatienten und von welchen Faktoren wird es beeinflusst?
Meyer, A., Kluge, A., Wulke, C., Hormes, K., Matthäus, C., Schwarz, R...................... 487
Einsatz von Assessmentinstrumenten in der onkologischen Rehabilitation am Beispiel des IMET
Schulte, T., Deck, R. ..................................................................................................... 489
Gastroenterologische Rehabilitation............................................................................ 491
Leitlinie für die Rehabilitation bei Diabetes mellitus Typ 2 - Entwicklung, Stand und
erste Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung
Winnefeld, M., Brüggemann, S., Buschmann-Steinhage, R. ........................................ 491
Integration der Patientenperspektive in die Entwicklung einer Leitlinie für die medizinische Rehabilitation von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2
Meyer, T., Schwaab, U., Raspe, H................................................................................ 493
Determinanten der Reha-Bedürftigkeit bei Patienten mit Stoffwechselerkrankungen
(Adipositas und/oder Diabetes)
Jolivet, B., Rosemeyer, D.............................................................................................. 495
Ergebnisse einer 12-tägigen "Komplexschulung" bei Diabetes Typ 2
Kamke, W., Micklich, G., Kuhnt, K., Dyck, J. ................................................................ 497
Karzinompräventionsstrategien bei entzündlichen Darmerkrankungen (CED): Werden Leitlinien umgesetzt? Querschnittsuntersuchung an CED-Patienten in der Rehabilitation
Allgayer, H..................................................................................................................... 499
Pneumologische Rehabilitation .................................................................................... 501
Therapiezielorientierte Leitlinien und deren Web-basierte Umsetzung am Beispiel
COPD
Schnabel, M., Fischer, J................................................................................................ 501
Rehabilitation von Patienten mit chronischer ventilatorischer Insuffizienz und Langzeitbeatmung
Skobel, E., Schenk, S., Krawzyk, A., Henssen, O., Jendralski, A................................. 503
Unterscheiden sich die Kurzzeitergebnisse der pneumologischen Rehabilitation bei
Asthma und COPD?
Gallenmüller, K., Wagner, A., Krüger, E., Voigt, D., Schultz, K. ................................... 504
Lebensqualität von Asthmapatienten ein halbes und ein Jahr nach stationärer
pneumologischer Rehabilitation
Schultz, K., Eggert, S., Gallenmüller, K., Wagner, A., Müller, C., Farin, E. .................. 505
Langzeiteffekte der pneumologischen Rehabilitation: Ergebnisse einer 5-JahresKatamnese in der Hochgebirgsklinik Davos
Kaiser, U. ...................................................................................................................... 508
Pneumologische Rehabilitation (Poster)...................................................................... 511
Evaluation von Rehabilitationsmaßnahmen bei Patienten mit Mukoviszidose
Hüls, G., Weise, A., Gruber, W. .................................................................................... 511
22
Ist der Berlin-Fragebogen ein geeignetes Instrument der schlafmedizinischen Diagnostik in der pneumologischen Rehabilitation?
Weinreich, G., Plein, K., Teschler, T., Resler, J., Teschler, H. ..................................... 512
Psychotherapeutische Interventionen.......................................................................... 513
Die psychotherapeutische Ambulanz im Vorfeld und im Nachgang stationärer verhaltensmedizinischer Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen in der Psychosomatik - Differenzielle Zuweisungen und Krankheitsverläufe
Zielke, M........................................................................................................................ 513
Defizite in wichtigen volitionalen Kompetenzen lassen sich durch kurze Interventionen während einer psychosomatischen Rehabilitation effektiv verbessern.
Sahin, N., Jürgensen, R., Forstmeier, S., Rüddel, H. ................................................... 514
Evaluation des Bad Dürkheimer Gruppentherapieansatzes zur Behandlung von
Frauen mit Traumafolgen nach sexuellen Gewalterfahrungen: Ergebnisse einer kontrollierten Studie
Gönner, S., Diehl, S., Bauder, H. .................................................................................. 516
Weisheitstraining zur Steigerung der Belastungsverarbeitungskompetenz bei der
Posttraumatischen Verbitterungsstörung
Baumann, K., Lieberei, B., Rotter, M., Linden, M.......................................................... 518
Follow-up-Ergebnisse von zwei Gruppentherapie-Programmen zur Behandlung von
Progredienzangst (PA) bei Patienten mit Krebs und rheumatischen Erkrankungen
Engst-Hastreiter, U., Duran, G., Henrich, G., Waadt, S., Berg, P., Herschbach, P. .... 520
Altersspezifische Aspekte der Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen ...... 523
Epidemiologie und Behandlungsbedarf bei Substanzproblemen: Eine altersspezifische Betrachtung
Kraus, L......................................................................................................................... 523
Ergebnisqualität der stationären Behandlung Alkoholabhängiger: Eine altersspezifische Analyse
Missel, P., Zobel, M....................................................................................................... 525
Hat das Alter einen Einfluss auf die Rehabilitandenzufriedenheit? Indikationsspezifische Auswertungen
Mitschele, A., Klosterhuis, H. ........................................................................................ 526
Entgiftungen im Akutkrankenhaus nach alkoholbedingten Intoxikationen und konsekutive Krankheitsverläufe unter einer altersbezogenen Perspektive
Zielke, M........................................................................................................................ 528
Hat das Alter der Rehabilitanden Einfluss auf die Prozess- und Ergebnisqualität in
der Suchtrehabilitation?
Grünbeck, P. ................................................................................................................. 530
Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) ................................................... 532
Prädiktoren des Alltagstransfers eines stationären Entspannungstrainings (PMR)
Bernardy, K., Arndt, M., Köllner, V. ............................................................................... 532
KLAR - die Kriterienliste AKUT-REHA. Indikationskriterien für die differenzielle Zuweisung zur Rehabilitation und zur Krankenhausbehandlung für die Psychosomatik
Büscher, C., Rustenbach, S.J., Watzke, B., Koch, U., Schulz, H. ................................ 535
Neue psychometrische Verfahren zur mehrdimensionalen Messung der Schwere
von Zwangssymptomen
Gönner, S., Ecker, W. ................................................................................................... 536
23
Akzeptanz und Wirksamkeit eines verhaltenstherapeutischen Gruppentherapieprogramms im Rahmen der stationären psychosomatischen Rehabilitation von Patienten mit Zwangsstörungen
Gönner, S., Volkwein, H., Wieland, R., Klimitsch, M., Dehmlow, A. ............................. 538
Die Bedeutung von Selbsthilfegruppen nach psychosomatischer Rehabilitation
Höflich, A., Meyer, F., Matzat, J., Beutel, M.E. ............................................................. 540
Training und Messung verhaltenstherapeutischer Basiskompetenzen in der Kognitiven Verhaltenstherapie
Langhoff, C., Linden, M................................................................................................. 542
1-Jahres-Katamnese nach stationärer Psychosomatischer Rehabilitation
Mestel, R., Bracke, V., von Wahlert, J. ......................................................................... 544
„Die Integrierte stationäre Behandlung Abhängigkeitskranker (ISBA)“ - Ergebnisevaluation eines Modellprojektes
Missel, P., Roeb-Rienas, W., Knufinke, R..................................................................... 546
Zur klinischen Validität einfacher Fremderhebungsverfahren von Einschränkungen
der Funktionsfähigkeit (ICF) bei Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation
Rüddel, H., Jürgensen, R., Mussgay, L., Klinkenberg, N., Senst, R., Wiehn, T. .......... 547
Zur Spezifik der Therapie und Rehabilitation süchtigen Verhaltens bei Menschen mit
Lernschwierigkeiten
Schubert, M................................................................................................................... 549
Rehabilitation bei chronischen Schmerzen ................................................................. 552
Affektivität, Beziehungsmuster und psychiatrische Diagnosen bei Schmerzpatienten
einer Psychosomatischen Rehabilitationsklinik
Martius, P., Bock, A., Leitz, T., Benecke, C. ................................................................. 552
Unfallbedingte posttraumatische Schmerzstörungen in der psychosomatischen
Rehabilitation - eine explorative Studie
Glier, B. ......................................................................................................................... 553
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) in Abgrenzung zu psychogenen
Störungen
Wehking, E.................................................................................................................... 554
Bereitschaft zur Anwendung psychologischer Strategien der Schmerzbewältigung
bei rheumatologischen Patienten
Rau, J., Ehlebracht-König, I., Petermann, F. ................................................................ 557
Grad der Chronifizierung der Rückenschmerzen einheitlich definierbar? Notwendigkeit und Möglichkeiten der einheitlichen Definition
Ünlü, A.I., Ludwig, F.J., Melzer, C., Daalmann, H.H. .................................................... 559
Erwartungen, Wünsche und Voraussetzungen für die Rehabilitationsnachsorge bei
Menschen mit chronischen Rückenschmerzen
Pfeifer, K., Hofmann, J., Brüggemann, S., Bork, H., Böhle, E., Greitemann, B.,
Kladny, B....................................................................................................................... 561
Rehabilitation bei chronischen Schmerzen (Poster)................................................... 563
Stationäre psychosomatische Rehabilitation von chronischen Schmerzpatienten katamnestische Ergebnisse des psychologischen Routinelabors
Bischoff, C., Gönner, S., Limbacher, K. ........................................................................ 563
Endometriose-Patientinnen in der gynäkologischen Rehabilitation
Niehues, C., Brandes, I. ................................................................................................ 564
24
Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen 1 ......................................................... 567
Einsatz von Entwicklungstests in der Rehabilitation von Kindern mit Bewegungsstörungen
Macha, T., Mayer, H., Petermann, F., Petermann, U., Waldeck, E. ............................. 567
Die Einsatzfähigkeit des Assessment-Instruments „IEG-Kind“ in der Rehabilitation
adipöser Kinder und Jugendlicher
Meffert, C., Glattacker, M., Jäckel, W.H........................................................................ 569
Kompetenzskala für Kinder und Jugendliche (KKJ): Erste Ergebnisse einer psychometrischen Evaluation mit der Rasch-Analyse
Volz-Sidiropoulou, E., Böcker, M., Gauggel, S. ............................................................ 570
Häufigkeit von Verhaltensauffälligkeiten bzw. psychischen Störungen bei Kindern
und Jugendlichen in der stationären Rehabilitation
Fuhrmann, B., Hermann, T. .......................................................................................... 572
Gesundheitsbezogene Lebensqualität von chronisch kranken Kleinkindern mit Begleitperson in der stationären Kinderrehabilitation
Hoyer, S., Grasteit, S., Kiosz, D., Niebel, G.................................................................. 574
Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen 2 ......................................................... 577
Verbesserung der sportmotorischen Leistungsfähigkeit adipöser Jugendlicher durch
eine vier- bis sechswöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme
Gerber, D., King, S., Langhof, H. .................................................................................. 577
Kombiniertes Adipositas- und Anti-Stress-Training in der stationären Rehabilitation
Jugendlicher
Hampel, P., Viebrock, S., Leubecher, B., Korb, U., Bauer, A. ...................................... 579
Realisierung von Ausbildungs- und Berufswünschen adipöser Jugendlicher - erste
Ergebnisse aus der Pilotstudie der medinet Spessart-Klinik
Claußnitzer, G., Kriz, D., Steffanowski, A., Schmidt, J., Goldschmidt, H., Nübling, R. . 580
Adipositas - Führen soziokulturelle Besonderheiten dazu, dass türkische Kinder öfter
und stärker betroffen sind als deutsche Kinder?
Hoff-Emden, H., Celik-Bilgili, S. .................................................................................... 582
Die Familiencharakteristika von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas in der nationalen Beobachtungsstudie (EVAKuJ-Projekt) sind bei stationär behandelten (Reha)
signifikant ungünstiger als bei ambulanten Programmen
van Egmond-Fröhlich, A., Bullinger, M., Goldapp, C., Holl, R.W., Hoffmeister, U.,
Mann, R., Ravens-Sieberer, U., Reinehr, T., Westenhöfer, J. ...................................... 584
Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster).............................................. 586
Kardiopulmonale Leistungsfähigkeit bei adipösen und extrem adipösen Kindern und
Jugendlichen
Brückner, A., Nielinger, J., Fusch, C. ............................................................................ 586
Normwerte der Carotiswanddicke im Kindesalter - Früherkennungsmarker des kardiovaskulären Risikoprofils in der pädiatrischen Präventionsmedizin
Hartmann, K., Böhm, B., Reiner, N., Horst, M., Bauer, C.P., Oberhoffer, R. ................ 587
Erprobung einer Schulung in Sporttheorie für adipöse Kinder und Jugendliche
Henke, S., Gerber, D., Langhof, H. ............................................................................... 589
Welche Hindernisse und Anreize berichten Mütter im Hinblick auf die Adipositasprävention im Vorschulalter?
Jahnke, D., Kröller, K., Warschburger, P. ..................................................................... 590
Der Einfluss der Anfallsfrequenz auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität von
Kindern mit Epilepsien
Rau, J., May, T.W., Pfäfflin, M., Petermann, F.............................................................. 592
25
Autorenindex...................................................................................................................594
Verzeichnis der Erstautoren .......................................................................................... 598
26
Plenarvorträge
Krankheitslast und Gesundheit im Alter – Herausforderung für Prävention
und Rehabilitation
Walter, U.
Stiftungslehrstuhl Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung
an der Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung,
Medizinische Hochschule Hannover
Die 2. Lebenshälfte ist durch eine deutliche Zunahme an gesundheitlichen Beeinträchtigungen und chronischen Behinderungen gekennzeichnet. Zu den 5 häufigsten Einzeldiagnosen
in Hausarztpraxen bei 60-79jährigen Patient/innen zählen essentielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, chronisch-ischämische Herzkrankheit, Rückenschmerzen und Diabetes
Mellitus II (eigene Berechnung nach ADT-Panel; Walter, Schneider, Bisson, 2006).
Relevant sind im höheren Alter neben Herz-Kreislauferkrankungen und Neubildungen auch
Verletzungen der Hüfte und des Oberschenkels, Augenerkrankungen sowie Demenz. Über
65jährige Frauen sind insbesondere aufgrund Erkrankungen wie Arthrose, Osteoporose und
Rheuma stärker von Einbußen der körperlichen Funktionsfähigkeit betroffen als Männer
(Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2005).
Nationale und internationale Daten zeigen eine Abnahme der sozial bedingten Ungleichheit
von Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken mit dem Eintritt in den Ruhestand. Inzwischen liegen nach internationalen Studien auch für Deutschland Kohortenvergleiche (Alterssurvey – SOWP) vor, die bei später Geborenen eine geringere Anzahl an Erkrankungen
konstatieren (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005; Klein,
Unger, 2002). Diese unterstützen das bereits Anfang der 1980er Jahre postulierte Modell
der Kompression der Morbidität von Fries. Er hält aufgrund der bisherigen Verbesserung der
Gesundheit eine weitere Hinauszögerung der Morbidität um 10 Jahre für möglich (Fries,
2000). Dies setzt allerdings erhebliche Anstrengungen in der Gewährleistung eines bedarfsorientierten Angebotes sowie die Unterstützung der Inanspruchnahme von präventiven als
auch rehabilitativen Maßnahmen voraus.
Hierzu zählt auch die Förderung eines regelmäßigen körperlichen Trainings, welches eines
der effektivsten präventiven Maßnahmen für das Herz-Kreislaufsystem und zur Vermeidung
bzw. zur Verminderung von Erkrankungen des Bewegungsapparates, von Stürzen aber
auch psychischen Erkrankungen ist. Gut 90 % der über 50jährigen könnten hiervon profitieren.
Zur Realisierung im Versorgungsalltag sind neben Barrieren seitens der Professionellen
(z. B. Qualifikationsdefizite, fehlende Handlungsorientierungen) auch systembedingte Hindernisse (z. B. fehlende gesetzliche Verankerung, fehlende Anreize) sowie hemmende Faktoren auf Seite der Älteren und in ihrem Umfeld (z. B. unzureichende Kenntnis, mangelnde
Unterstützung) zu überwinden (Walter et al., 2006).
27
Literatur
Walter, U., Schneider, N., Bisson, S. (2006): Krankheitslast und Gesundheit im Alter, Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2006, 49: 537-546.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2005): Der Alterssurvey. Gesundheit und Gesundheitsversorgung. Replikationsstichprobe des Alterssurveys
2002.
http://www.bmfs-fj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung3/Pdf-Anla-gen/kapitel6.9-gesundheitund-gesundheitsversorgung,property=pdf.pdf.
Klein, T., Unger, R. (2002): Aktive Lebenserwartung in Deutschland und in den USA. Kohortenbezogene Analysen auf der Basis des sozioökonomischen Panel und der Panel Study
of Income Dynamica. Z Gerontol Geriat 35:528-539.
Fries, F.J. (2000): Compression of morbidity in the elderly. Vaccine 18:1584-1589.
Walter, U., Flick, U., Neuber, A., Fischer, C., Schwartz, F.W. (2006): Alt und Gesund? Altersbilder und Präventionskonzepte in der ärztlichen und pflegerischen Praxis. Verlag für
Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
Gibt es Brücken des Verstehens zwischen der Welt der
„Gesundheitsprofis“ und den Alltagswelten der Patienten?
Gerdes, N.
Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung Bad Säckingen
Das Thema des Vortrags wurde ausgelöst durch ein Forschungsprojekt zur Rehabilitationsnachsorge, in dem die PatientInnen gebeten worden waren, freitextliche Kommentare zu
Nachsorgeempfehlungen zu geben, die sie nicht oder nur teilweise umgesetzt hatten. Beim
Lesen der Kommentare war ich oft eigenartig angerührt von der Alltagswelt der Patienten,
die mir dort in wenigen Wortfetzen entgegenkam (als Begründung für die Nicht-Umsetzung
von Heimtrainingsprogramm z. B. „Zeitmangel (Schichtarbeit); Erschöpfungszustände nach
der Arbeit; konnte mich einfach nicht aufraffen; lege mich nach der Arbeit oft zu Bett.“) „Dass
er dann abends nicht noch rumturnen will, ist doch nicht so schwer zu verstehen“, dachte
ich. Gleichzeitig aber war auch zu spüren, dass ich mit solchem Verstehen eigentlich schon
aus der Welt der „Gesundheitsprofis“ herausgefallen war. Diese Wahrnehmung gab Anlass
zum Nachdenken über die „Welten“, die hier aufeinander prallen, und über den Prozess eines Verstehens, das die „Kluft zwischen den Welten“ überbrücken kann.
Die Welt der Gesundheitsberufe ist bei näherem Zusehen eine recht merkwürdige Welt:
Zum einen ist es eine abstrakte Welt, die gar nicht von lebendigen Subjekten bewohnt wird;
sie besteht eigentlich nur aus Sätzen über richtiges Verhalten in Sachen Gesundheit und
den dazu gehörenden Begründungen. Damit hängt zusammen, dass diese Welt von einer
ausgesprochen eindimensionalen Wertehierarchie geprägt ist: „Gesundheit“ fungiert unbestritten als höchster Wert, und alle anderen Lebensvollzüge sind diesem Wert untergeordnet. Die „Gesundheitswelt“ ist damit eine Welt, in der ausschließlich nach rationalen Kriterien gehandelt wird (bzw. gehandelt werden sollte). Die Alltagswelten der Patienten sind
demgegenüber von Wertehierarchien bestimmt, die sich je nach Situation oder persönli28
chem Kontext ändern können. Zwar stimmt es, dass die meisten Menschen „Gesundheit“
als höchsten Wert angeben, wenn sie direkt nach ihren Wertepräferenzen gefragt werden.
Typischerweise aber wird in den konkreten Lebensvollzügen das Handeln häufig von anderen Werten oder auch Emotionen, körperlichen Befindlichkeiten, Gewohnheiten, Lebensgeschichten, Erwartungen Anderer oder sozialen Mustern überlagert. Dies alles jedoch wird in
der „Gesundheitswelt“ als abweichendes Verhalten bewertet und – mehr oder minder explizit – auch mit sozialer Ausgrenzung sanktioniert, die sich in Stereotypen wie „Willensschwäche“, „Bequemlichkeit“, „sträfliches Desinteresse an der eigenen Gesundheit“, „Rücksichtslosigkeit gegenüber den anderen Versicherten“ u. ä. äußert. Insofern also ist die Welt der
Gesundheitsprofis im Grunde nicht mit den Alltagswelten der Patienten kompatibel, und faktisch fordern die Gesundheitsprofis ja auch, dass die Widersprüche zwischen den Welten
dadurch aufgelöst werden, dass ihre Wertepräferenzen und Handlungsmuster von den Patienten verstanden und übernommen werden – „Verstehen“ also als eine Einbahnstraße, an
deren Ende sich die Patienten ändern sollen.
Hat man also die Welt der Gesundheitsprofis schon verlassen (oder gar verraten), wenn
man „Erschöpfung“ als Begründung für das Nichteinhalten von gesundheitsfördernden
Handlungsempfehlungen nachempfinden und verstehen kann? Haben nicht Warnungen vor
zu weitgehendem Verstehen recht, wie sie sich z. B. in dem französischen Sprichwort „tout
comprendre c’est tout pardonner“ ausdrücken? Auch in der Ethnologie – dem
sozialwissenschaftlichen Fachgebiet, das sich in besonderer Weise mit dem Verstehen
anderer sozialer Welten auseinandersetzen muss – gibt es ganz explizite Warnungen vor zu
weitgehendem Verstehen der Welten der Anderen („over-rapport“, „going native“). Wie viel
Distanz vom Anderen ist also im Prozess des Verstehens erforderlich, damit die eigene Welt
nicht einfach in der Welt des Anderen verschwindet? Und andererseits: Wie viel
Identifikation ist erforderlich, damit es überhaupt zu einer Kommunikation kommen kann?
Der Vortrag versucht anhand einer kurzen „Phänomenologie des Verstehens“ zu zeigen,
dass die erste Erkenntnis, die aus einem Prozess wirklichen Verstehens hervorgeht, darin
besteht, dass ich von der Realität des Anderen fast überhaupt nichts weiß – und dies nicht
als abstrakte Binsenweisheit, sondern als lebendige Einsicht in die unendlich unbekannte
Welt des Anderen. Und aus solcher Einsicht folgt – eine große Behutsamkeit bei der Wahrnehmung des Anderen und das Ende allen stereotypen Beurteilens und Bewertens. Dies ist
gleichzeitig ein Standpunkt, der eine Kommunikationssituation eröffnet, in der nicht nur der
Andere mich verstehen soll, sondern in der auch von meiner Seite Signale wirklichen
Verstehenwollens ausgehen. Und diese von mir – unter Verzicht auf den Absolutheitsanspruch meiner eigenen Welt – herzustellende Offenheit der Kommunikationssituation ist es,
die ein wechselseitiges Verstehen und damit einen Brückenschlag „zwischen den Welten“
ermöglicht.
29
Therapeutisches Milieu und medizinische Rehabilitation∗
Linden, M.
Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow/Berlin und
Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin
Berlin
Therapeutisches Milieu und Flexibilisierung in der medizinischen Rehabilitation
Ein wesentlicher Grund zur Einleitung einer stationären medizinischen Rehabilitation ist die
Erwartung von Patient und Arzt, einmal aus Allem heraus zu kommen, sowie die Annahme,
dass unter den Bedingungen einer möglicherweise sogar explizit wohnortfernen Rehabilitationseinrichtung bessere Heilungschancen gegeben sind. Das zunehmend differenzierte
Leistungsangebot in der medizinischen Rehabilitation mit ambulanten, teilstationären (ganztags ambulant) und vollstationären Behandlungseinrichtungen erlaubt, für unterschiedliche
Patienten je nach den Erfordernissen des Einzelfalls Behandlungssettings auszuwählen, die
den Patienten mehr oder weniger aus seinem natürlichen Lebensumfeld herausnehmen.
Diese Behandlungsformen unterscheiden sich nicht so sehr durch die Art oder Häufigkeit
der therapeutischen Leistungen, die in ähnlicher Weise unter allen institutionellen Rahmenbedingungen erbracht werden können, sondern durch den Grad, in dem Patienten aus ihrem natürlichen Umfeld heraus- und in ein therapeutisches Milieu aufgenommen werden
(Baudisch et al., 2007).
Wirkungen von natürlichen oder therapeutischen Milieus
Natürliche wie therapeutische Milieus wirken als Ent- oder Belastung, geben Schutz oder
Bedrohung, bestimmen die Tagesstruktur eines Menschen, geben oder verhindern Motivation, regen zu Erprobung von Neuem an oder unterbinden dies, stellen Anforderungen oder
nicht, ermöglichen positives oder negatives Modell-Lernen, fördern oder verhindern Kontakte und sind nicht zuletzt auch mehr oder weniger gut geeignet zur verlässlichen Beobachtung von Spontanverhalten und Leistungsfähigkeit.
Psychologisch-medizinische Dimensionen von therapeutischen Milieus
Diese Wirkungen werden vermittelt durch psychologische, soziale und ökologische Dimensionen des Milieus. Psychologisch kann unterschieden werden zwischen strukturierenden
Milieus zur Behandlung von Patienten, die kontrolliert oder überwacht werden müssen, equilibrierenden Milieus zur Behandlung von Kranken mit hohem Unruheniveau, animierenden
Milieus zur Behandlung von Kranken mit geringem Aktivitätsniveau, reflektierenden Milieus,
die i. S. therapeutischer Gemeinschaften verhaltenssteuernd angelegt sind oder betreuenden Milieus, für Patienten, die einer Unterstützung bedürfen.
Die Struktur psychologisch-therapeutischer Milieus kann u. a. beschrieben werden durch die
Art der Patienten, das Krankheitsspektrum, die Zahl der Patienten, die Personalstruktur, die
∗
Dieser Vortrag basiert auf den Ergebnissen eines von der Deutschen Rentenversicherung
geförderten Forschungsprojekts zum Thema „Die Bedeutung von Angehörigen und sozialem
Netz in der vollstationären und teilstationären Rehabilitation psychosomatischer Patienten“
30
Personaldichte, geltende Interaktionsregeln, Hierarchiestrukturen, Therapiepläne oder Tagespläne. Dies sind zugleich auch wesentliche Punkte in der Sicherung der Strukturqualität
in der medizinischen Rehabilitation durch die Rentenversicherung.
Ökologische Dimensionen von therapeutischen Milieus
Ebenso bedeutsam wie das psychologische Milieu ist auch das ökologische Milieu, das in
den letzten Jahren unter dem Stichwort des „healing environment“ in der internationalen Literatur zunehmende Aufmerksamkeit bekommen hat. Dazu gehören physisch-materielle
Umweltfaktoren wie Klima oder Lärm, städtebauliche Aspekte wie Lage, Nachbarschaft oder
Verkehrsanbindung, architektonische Gegebenheiten wie Rückzugsmöglichkeiten, Platzangebot, Kommunikationswege und schließlich medizinische Parameter im engeren Sinne wie
Allergenbelastung, Strahleneinwirkungen, Toxikologische Einwirkungen, Infektionsmöglichkeiten, die Steigung von Wegen, Crowding oder Kontaktsteuerung. Das ökologische Milieu
lässt sich z. B. mit dem „Wohnmilieufragebogen“ (Linden et al., 2006) beschreiben und
quantifizierend bewerten.
Ergebnisse empirischer Studien zum Vergleich von ganztags-ambulant (teilstationär)
und vollstationärer medizinischer Rehabilitation
Vergleiche zwischen Patienten in teilstationärer und vollstationärer psychosomatischer Rehabilitation zeigen, dass das Milieu unmittelbaren Einfluss auf das Therapieerleben und den
Therapieverlauf hat (Gesielmann und Linden, 2001, 2006). Das therapeutische Milieu ist
Voraussetzung dafür, dass andere Behandlungen überhaupt wirksam werden können, aber
auch unmittelbar therapeutisch wirksam oder schädlich (z. B. psychische Hospitalisierungsschäden, Hospitalkeime, Krankenhaustraumatisierung). Die Aufnahme in ein therapeutisches Milieu und die Gestaltung des Milieus ist eine therapeutische Intervention, die geplant
und evidenzbasiert durchzuführen ist. Die Aufnahme in ein therapeutisches Milieu ist der
primäre Grund zur Einleitung einer stationären Behandlungsform in Abgrenzung zu ambulanten Behandlungen.
Literatur
Geiselmann, B, Linden, M. (2001): Vollstationäre, tagesklinische und kombiniert stationärteilstationäre psychosomatische Rehabilitation im Vergleich. Verhaltenstherapie und Verhaltensmodifikation; 22, 432 – 450.
Linden, M. (2004): Das therapeutische Milieu in der teilstationären Rehabilitation. Erkenntnisse aus der Forschung, Umsetzung in die Praxis. In: BfA (Hrsg): Ambulante Rehabilitation, Eigenverlag; 95-105.
Geiselmann, B., Linden, M. (2006): Teilstationäre Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation im Vergleich zu vollstationären Patienten. Rvaktuell; 53, 14 – 20.
Linden, M., Baudisch, F., Popien, C., Golombek, J. (2006): Das ökologisch-therapeutische
Milieu in der stationären Behandlung. Der Wohnmilieufragebogen. Psychotherapie,
Psychosomatik, Medizinische Psychologie; 56, 390 – 396.
Baudisch, F., Lischka, A.M., Linden, M. (2007): Das therapeutische Milieu. Die primäre Indikation zur Einweisung in eine stationäre Behandlung. In: Zielke, M., Schairer, U. (Hrsg.):
Indikation zur stationären Behandlung und Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Pabst Science Publishers, Lengerich.
31
Patientenschulung und Konzepte der Lebensstiländerung
Patientenschulung Herzinsuffizienz - Entwicklung, Durchführung und
Evaluation eines neuartigen Schulungsangebotes
Schubmann, R. (1), Hohoff, M. (1), Meng, K. (2), Vogel, H. (2)
(1) Klinik Möhnesee, Möhnesee-Körbecke, (2) Universität Würzburg
Hintergrund
Herzinsuffizienz ist inzwischen in Deutschland eine „Volkskrankheit“, an der etwa zwei bis
drei Millionen Menschen erkrankt sind. Jährlich müssen rund 250.000 Patienten wegen einer Herzinsuffizienz stationär aufgenommen werden. Alleine im Jahre 2000 betrugen die
Kosten für die stationäre Behandlung 1,2 Milliarden Euro. Seit Ende 2005 ist die kardiologische Abteilung der Klinik Möhnesee einziger Vertragspartner im Bereich der stationären
Rehabilitation im IV-Modell für herzinsuffizente Patienten der Nordrhein-Westfälischen Betriebskrankenkassen (insgesamt 142, CorBene). Im CorBene IV-Programm können Patienten direkt zu intensivierten multimodalen Schulungen - entsprechend dem vorhandenen
Schulungsbedarf (vgl. Baberg et al., 2005) - zur Rehabilitation zugewiesen werden.
Für diese Zielgruppen wurde ein indikationsspezifisches Schulungsprogramm „Curriculum
Herzinsuffizienz“ erarbeitet, das sich an wesentlichen Qualitätskrierien für Patientenschulungen (Zentrum Patientenschulung, 2006), Therapieleitlinien (Hoppe et al., 2005) sowie an einer Praktikabilität im Klinikalltag orientiert.
Methodik
Die vorläufigen Schulungsmodule werden in einer Fragebogenerhebung mit zwei Meßzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende) formativ evaluiert. Patienten mit der Zusatz- oder
Hauptdiagnose Herzinsuffizienz (NYHA ≥ Stadium II, echokardiografisch LV 2-3) werden
konsekutiv in die Stichprobe aufgenommen.
Die Intervention umfasst je ein ärztlich und ein bewegungstherapeutisch geleitetes, interaktives Schulungsmodul (2 x 60 Minuten), das in manualisierter Form (mittlerer Strukturierungsgrad, OH-Folien, Arbeitsblätter) durchgeführt wird; zusätzlich nehmen die Patienten
am sonstigen Schulungsprogramm der kardiologischen Abteilung teil.
Als primäre Evaluationsparameter werden die Akzeptanz und Bewertung der Schulungsmodule durch die Rehabilitanden sowie der Wissenszuwachs relevanter Schulungsinhalte und
die Verhaltensintention hinsichtlich krankheitsbezogener Verhaltensempfehlungen erhoben.
Als weitere Outcome- und Moderatorvariablen werden das Schulungsbedürfnis und interesse (vgl. Neuderth et al., 2006), die gesundheitsbezogene Lebensqualität (MacNew
Fragebogen) sowie medizinische und soziodemografische Daten erfasst.
Der Datenerhebungszeitraum wurde auf 6 Monate festgelegt und wird mit Februar 2007
(N=100) abgeschlossen.
32
Ergebnisse
Nach Analyse der vorläufigen Stichprobe (N=35) sind die Schulungsteilnehmer im Mittel 69
Jahre alt. Die Hauptdiagnose ist eine KHK mit Z. n. Bypass-OP; nach echokardiografischen
Kriterien liegt überwiegend eine mittelschwere linksventrikuläre Dysfunktion vor.
Inhalte, Verständlichkeit, Alltagsrelevanz und Methodik der Schulungsmodule werden von
den Teilnehmern als gut bis sehr gut bewertet.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Schulungsinhalte weisen eine hohe Akzeptanz bei den Patienten und eine sehr gute
Praxistauglichkeit auf. Eine weitere Adaptation des Schulungsmanuals wird auf Basis der
Ergebnisse der formativen Evaluation erfolgen. Aufgrund der Orientierung an grundlegenden Qualitätskriterien in der Konzeptionsphase können die in der KTL (2007; zitiert nach
Worringen, Pimmer, 2006) geforderten Qualitätsmerkmale an Patientenschulungen erfüllt
werden. Für Patienten mit Herzinsuffizienz in der medizinischen Rehabilitation können die
Module als sinnvolle Erweiterung zum gängigen Schulungprogramm bei Herz-KreislaufErkrankungen (u. a. BfA, 2005) ökonomisch in das Behandlungsprogramm integriert werden.
Literatur
Baberg, H.T., Uzun, D., de Zeeuw, J., Sinclair, R., Bojara, W., Mügge, A., Schubmann. R.
(2005): Gesundheitsförderung durch eine stationäre Rehabilitation: Langzeiteffekte von
Schulungsmaßnahmen bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit . Herz, 30, 754-760.
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), (2005): Gesundheitstraining in der medizinischen Rehabilitation - Indikationsbezogene Curricula. Berlin. www.deutsche-rentenversicherung.de.
Hoppe, U.C. et al. (2005): Leitlinien zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Zeitschrift für Kardiologie, 94, 488-509.
Neuderth, S., Steinbüchel, T., Schowalter, M., Richard, M., Störk, S., Angermann, C.E., Faller, H. (2006): Schulungsbedürfnis bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 15, 77-85.
Worringen, U., Pimmer, V. (2006): Qualitätssicherung durch die Deutsche Rentenversicherung. Arbeitstagung „Qualität und Qualifikation in der Patientenschulung“ des Zentrums
Patientenschulung am 29./30. Juni 2006 in Würzburg. Verfügbar unter: www.zentrumpatientenschulung.de/zentrum/tagung2006.html.
Zentrum Patientenschulung. Indikationsübergreifende Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen - Ergebnisse des Delphi-Verfahrens. Verfügbar unter:
www.zentrum-patientenschulung/artikel/bewertungskriterien.html.
33
Förderung handlungspsychologischer Determinanten körperlichsportlicher Aktivität - Evaluation einer praxisorientierten Intervention in
der kardiologischen Sporttherapie
Höner, O. (1), Keck, M. (2), Lowis, H. (2), Sudeck, G. (3)
(1) Institut für Sportwissenschaft, Mainz, (2) Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am SteinEbernburg, (3) Institut für Sportwissenschaft, Bern
Problemstellung und theoretischer Hintergrund
Für die Nachhaltigkeit der Sporttherapie in der kardiologischen Rehabilitation ist die langfristige Ausübung körperlich-sportlicher Aktivitäten unabdingbare Voraussetzung. Die Realisierung des edukativen Ziels der Förderung eines körperlich-aktiven Lebensstils der Patienten
lässt sich aus organisatorischer Perspektive als Beitrag zur Schnittstellenoptimierung der
kardiologischen Rehabilitationsphasen II und III (Keck, 2000) und aus handlungspsychologischer Sicht als Beitrag zur Überwindung des „Handlungslochs“ einordnen, bei dem Menschen trotz vorhandener Motivation an der Handlungsinitiierung scheitern (Höner et al.,
2004).
In einem handlungspsychologischen Erklärungsmodell wurden für die Initiierung regelmäßiger körperlich-sportlicher Aktivitäten begünstigende motivationale und volitionale Determinanten identifiziert (Höner et al., 2004). Dieses Modell bot die Grundlage für die Entwicklung
eines theoriebasierten Interventionskonzepts (Sudeck, 2006). In einer Evaluationsstudie1
wurde dieses Interventionskonzept eingesetzt, um anhand einer Steigerung zentraler handlungspsychologischer Determinanten günstigere Voraussetzungen für die tatsächliche Initiierung regelmäßiger körperlich-sportlicher Aktivitäten im Alltag zu erzeugen.
Methodik
In einem quasi-experimentellen Kontrollgruppendesign mit insgesamt vier Messzeitpunkten
wurden die Auswirkungen des Interventionskonzepts auf motivationale und volitionale
Merkmale anhand von schriftlichen Befragungen zu Beginn (T1) und am Ende der 3wöchigen Reha-Maßnahme (T2) evaluiert. Es wurden standardisierte Instrumente eingesetzt, die sowohl für die motivationalen Merkmale der Einschätzung der Wünschbarkeit (αT1
= .78 / αT2 = .75) und Realisierbarkeit (.69 / .75) als auch für die volitionalen Merkmale Entschlossenheit (.83 / .82), Handlungsplanung (.79 / .79), Bewältigungsplanung (.94 / .93) und
Selbstwirksamkeit (.89 / .89) als reliabel einzustufen sind. Während die Kontrollgruppe (nKG
= 146) die Standardrehabilitation der Klinik absolvierte, erhielten die Patienten der Interventionsgruppe (nIG = 208) zusätzlich eine Broschüre, die sechs Interventionsmodule zur Förderung der Motivation und Volition beinhaltete (z. B. Übungen zur Zielkonkretisierung, Stärkung der Selbstwirksamkeit und Entschlossenheit, Handlungs- und Barriereplanung). Die
Module wurden von den Patienten zunächst jeweils selbständig bearbeitet und dann innerhalb der sporttherapeutischen Gruppensitzungen besprochen.
1
Die Evaluationsstudie wurde an der Drei-Burgen-Klinik Bad Münster am Stein-Ebernburg
durchgeführt und von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz sowie den Forschungsfonds der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
34
Ergebnisse
Eine Analyse der Veränderungen innerhalb der Gruppen zeigte, dass sich bereits die KG
hochsignifikant hinsichtlich der zusammengefassten Größen der Motivations- und Volitionsstärke steigerte (ES = 0.34 bzw. ES = 0.28)2. Die Steigerung der beiden handlungspsychologischen Größen fiel bei der IG ebenfalls hochsignifikant und sogar noch deutlicher aus
(ES = 0.51 bzw. ES = 0.46). Darauf aufbauend wurden Kovarianzanalysen durchgeführt, die
die Unterschiede zwischen IG und KG in den Verhaltensdeterminanten zu T2 unter Kontrolle
des Ausgangsniveaus testeten. Sowohl die Analysen über die einzelnen Determinanten wie
Wünschbarkeit, Entschlossenheit, Handlungsplanung, Bewältigungsplanung, Selbstwirksamkeit als auch die Analysen über die (zusammengefassten) Größen der Motivations- und
Volitionsstärke belegten, dass sich durch die Intervention die handlungspsychologischen
Determinanten signifikant gegenüber der Standardrehabilitation steigern ließen (Motivation:
η² = .01, Volition: η² = .02).
Diskussion
Das eingesetzte Interventionskonzept stellt im Hinblick auf die edukative Zielsetzung eine
optimierende Maßnahme der ohnehin schon motivierenden Standardrehabilitation dar, die nach einer kurzen Schulung der Sporttherapeuten - nur geringfügige Ressourcen einer Rehabilitationsklinik beansprucht. In diesem Sinne können die erzielten signifikanten Treatmenteffekte trotz der geringen statistischen Zwischen-Gruppen-Effektgrößen als Aufforderung angesehen werden, zukünftig die klassischen motivationalen Aspekte durch volitionale
Inhalte in der Sporttherapie zu ergänzen, um handlungspsychologisch noch günstigere Bedingungen für die Initiierung regelmäßiger körperlich-sportlicher Aktivitäten bei den Patienten zu schaffen.
Zur Fortführung der Evaluation des Interventionskonzepts werden in den 3- und 12-MonatsKatamnesen die mittel- und langfristigen Effekte auf die körperlich-sportliche Aktivität (Häufigkeit, Dauer, Regelmäßigkeit) und den subjektiven Gesundheitszustand (SF-12) analysiert.
Die Auswertung der 3-Monats-Katamnese wird zum Tagungszeitpunkt abgeschlossen sein,
so dass auch die mittelfristigen Interventionswirkungen auf der Verhaltens- und Gesundheitsebene dargestellt werden können.
Literatur
Höner, O., Sudeck, G., Willimczik, K. (2004): Instrumentelle Bewegungsaktivitäten von Herzinfarktpatienten - Ein integratives Modell zur Motivation und Volition. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 12, 1-10.
Keck, M. (2000): Zum Problem der Schnittstellenoptimierung Phase II/Phase III bei kardiologischen Rehabilitanden. Rehabilitation, 39, 101-105.
Sudeck, G. (2006): Motivation und Volition in der Sport- und Bewegungstherapie - Konzeptualisierung und Evaluierung eines Interventionskonzepts zur Förderung sportlicher Aktivitäten im Alltag. Dissertation, Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, Universität Bielefeld.
2
Als Effektstärke wird die Mittelwertsdifferenz in Einheiten der Standardabweichungen der
Prätestwerte für alle Patienten (bei Mittelwerts- und Varianzhomogenität der KG und IG zu
T1).
35
Entwicklungsbedarf von Patientenschulungen in der medizinischen
Rehabilitation
Reusch, A., Ströbl, V., Friedl-Huber, A., Küffner, R., Vogel, H., Faller, H.
Universität Würzburg
Hintergrund
Patientenschulungen bzw. Gesundheitstrainings sind wesentliche Behandlungsbausteine in
der medizinischen Rehabilitation. Ziele sind u. a. Wissenserwerb, Training von Fertigkeiten,
Motivation zu gesundheitsgerechtem Lebensstil, Krankheitsbewältigung sowie Training
krankheitsspezifischer sozialer Kompetenz. Die Standardisierung solcher Gruppenprogramme, also das geplante und strukturierte Vorgehen, wird zunehmend auch für die medizinische Rehabilitation gefordert. Das neue Klassifikationssystem therapeutischer Leistungen der medizinischen Rehabilitation (KTL, 2007) führt deshalb als notwendige Qualitätsmerkmale u. a. folgende Kriterien auf: curricularer Aufbau, Manualisierung, Anwendung unterschiedlicher Vermittlungsmethoden, interdisziplinäre Durchführung sowie Gruppengrößen
bis zu 15 Teilnehmern. Wenn keine manualisierten Schulungen vorlagen, wurde für die KTL
die Mindestfrequenz solcher Schulungen auf zwei Einheiten festgelegt, sie sollte aber in der
Regel deutlich darüber liegen; die Mindestdauer jeder Einheit wurde mit 45 Minuten definiert
(KTL, 2007). Diese Qualitätsmerkmale sind als verbindlicher Rahmen anzusehen. Schulungen, die diese Merkmale nicht erfüllen und beispielsweise eine Gruppengröße von 15 Rehabilitanden übersteigen, werden als nicht-standardisierte Schulungen bezeichnet.
Vor dem Hintergrund des Anforderungskatalogs der KTL 2007 sowie der Definitionskriterien
von Patientenschulungen, die in einer eigenen Expertenbefragung festgelegt wurden (Ströbl
et al., in Druck), wird im vorliegenden Beitrag der Entwicklungsbedarf auf Basis eigener Daten zur bisherigen Praxis der Patientenschulungen (Friedl-Huber et al., in Druck) systematisiert.
Methode
Im Rahmen des Umsetzungsprojektes der Deutschen Rentenversicherung und des BMBF
„Vorbereitung eines Zentrums Patientenschulung“ (Faller, Würzburg) wurde mittels DelphiVerfahren indikationsübergreifende Kriterien für die Definition und Beurteilung von Patientenschulungen festgelegt. In diesen formalen Mindestanforderungen an Patientenschulungen wurden Aspekte aufgeführt, die im Manual festgehalten sein müssen, die Ziele definiert
und der Einsatz der verwendeten Methoden beschrieben. Darüber hinaus wurden zusätzliche Merkmale definiert, die die Qualität einer Patientenschulung steigern (Zentrum Patientenschulung, 2006). Im Sommer 2005 wurde eine bundesweite Bestandsaufnahme des
„Zentrums Patientenschulung“ zu Schulungsprogrammen an 771 Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung versendet (Rücklauf 64 %). Diese hatte das Ziel, die aktuelle Praxis von Patientenschulungen zu erfassen. Dabei sollten
u. a. der Grad der Manualisierung und Standardisierung, Inhalte und Ziele, didaktische Methoden, Umfang, Teilnehmerzahl sowie der Bedarf an Weiterentwicklung und Evaluation erfasst werden.
36
Im Beitrag werden der Vergleich der Anforderungen der KTL 2007 bzw. der mittels DelphiVerfahren definierten indikationsübergreifenden Kriterien für Patientenschulungen mit den
empirischen Daten zur Praxis der Patientenschulungen in den befragten Einrichtungen beschrieben und der Entwicklungsbedarf abgeleitet.
Ergebnis
Von 424 Einrichtungen wurden 1740 Schulungen beschrieben, die mehr als eine Einheit
umfassten. Bei etwas über der Hälfte wurde eine vollständige, bei einem Drittel der Schulungen eine teilweise Standardisierung angegeben. Manuale liegen ebenfalls nur etwa für
die Hälfte der Schulungen bzw. in Teilen für ein weiteres Drittel vor. Von diesen Zahlen abweichend sind in den beiden Indikationsbereichen Rheumatologie und Dermatologie/Allergologie/Pneumologie 3/4 der Schulungen vollständig standardisiert, in Rheumatologie und Endokrinologie 3/4 der Schulungen vollständig manualisiert; im Bereich Neurologie
sind nur 2/3 der Schulungen standardisiert bzw. manualisiert. Eine Evaluation der Schulungen liegt bei knapp 40 % der Schulungen vor, wobei für etwa 1/3 externe Evaluationen angegeben wurden. Nur 1/6 der Evaluationen sind laut Angaben der Einrichtungen veröffentlicht.
Als Methoden wurde bei 3/4 der Schulungen der Vortrag angegeben, während Diskussion
bzw. Verhaltenstraining/Übung bei etwa 2/3 der Schulungen vertreten waren. Bei nur etwa
der Hälfte der Schulungen wurde Kleingruppenarbeit aufgeführt. Bei 20 % der Schulungen
wurden vier Methoden, bei 30 % drei Methoden, bei 37 % zwei Methoden angegeben. In der
Rheumatologie wurden häufiger alle vier Methoden angegeben. Das Kriterium der Interdisziplinarität wurde von etwa der Hälfte der beschriebenen Schulungen erfüllt, die von zwei
oder mehr Berufsgruppen durchgeführt wurden. Für etwa die Hälfte der Dozenten wurde ein
Train the Trainer-Seminar nicht als Voraussetzung definiert.
Knapp zwei Drittel der beschriebenen Schulungen wurde mit 2 bis 4 Einheiten abgedeckt,
nur ein Viertel der Schulungen bestanden aus 5 bis 8 Einheiten und nur knapp ein Zehntel
der Schulungen umfasste mehr als 8 Einheiten. Das Kriterium maximaler Gruppengröße von
15 Teilnehmern erfüllen in der Praxis etwa 18 % der beschriebenen Schulungen nicht, insbesondere in den Bereichen Onkologie und Dermatologie/Pneumologie/Allergologie, wo für
jeweils etwa 30 % der beschriebenen Schulungen mehr als 15 Teilnehmer berichtet wurden.
Schlussfolgerungen
Verglichen mit dem Anforderungskatalog der KTL 2007 und den Definitionskriterien des
Zentrums Patientenschulung zeigten die beschriebenen Schulungen zum Teil erheblichen
Entwicklungsbedarf: Die Standardisierung, Manualisierung und insbesondere der Nachweis
der Effektivität der Schulungen steht in vielen Fällen noch aus. Bei vielen Schulungen sind
interaktive Methoden nicht vorgesehen bzw. die Methodenvielfalt wird nur in geringem Umfang erfüllt. Interdisziplinarität und Fortbildung der Dozenten ist nur bei der Hälfte der Schulungen vorgesehen. Die unterschiedlichen Schulungsumfänge sind indikationsabhängig und
aufgrund der kategorialen Erfragung zu unpräzise, so dass hier kein Entwicklungsbedarf abzuleiten ist. Etwa 1/5 der beschriebenen Schulungen übersteigen die maximale Teilnehmerzahl. Berücksichtigt man zudem, dass nur 64 % der angeschriebenen Einrichtungen antworteten, ist zu vermuten, dass der Entwicklungsbedarf noch höher liegt. Es steht zu hoffen,
dass die Qualitätsvorgaben im neuen KTL die notwendigen Entwicklungen fördern werden.
37
Literatur
Friedl-Huber, A., Küffner, R., Ströbl, V., Reusch, A., Vogel, H., Faller, H. (2007, in Druck):
Praxis der Patientenschulung in der medizinischen Rehabilitation. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation.
KTL (2007): http://www.deutsche-rentenversicherung.de >Zielgruppen > Sozialmedizin und
Forschung > Klassifikationen >KTL (Zugriff: 30.10.2006).
Ströbl, V., Friedl-Huber, A., Küffner, R., Reusch, A., Vogel, H., Faller, H. (2007, in Druck).
Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation.
Zentrum Patientenschulung (2006): http://www.zentrum-patientenschulung.de/artikel/ bewertungskriterien.html (Zugriff: 30.10.2006).
Evaluation eines Train-the-Trainer-Seminars zur Patientenschulung in der
Rheumatologie
Ströbl, V. (1), Bönisch, A. (2), Ehlebracht-König, I. (2), Friedl-Huber, A. (1), Küffner, R. (1),
Reusch, A. (1), Faller, H. (1)
(1) Universität Würzburg, Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie,
(2) Rehazentrum Bad Eilsen der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover
Hintergrund
Die Qualifikation von Patientenschulungstrainern ist neben dem Vorliegen manualisierter,
effektiver Programme zentrales Qualitätsmerkmal für die Durchführung von Patientenschulungen. Den Trainern kommt eine Schlüsselrolle zu, da sie den Teilnehmern die Inhalte der
Schulung vermitteln und die Einübung von Fertigkeiten anleiten; hierfür benötigen sie neben
umfassendem Wissen über die entsprechende Erkrankung auch grundlegende didaktische
Fertigkeiten und Moderationskompetenz. Eine entsprechende Fortbildung der Trainer
(Train-the-Trainer-Seminare, TTT) ist daher von zentraler Bedeutung. Der Arbeitskreis Patientenschulung in der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) hat seit 1989 mehrere Patientenschulungsprogramme erarbeitet (u. a. für Patienten mit chronischer Polyarthritis und für Patienten mit Spondylitis ankylosans). Diese Programme, deren Effektivität belegt
werden konnte, liegen in manualisierter Form vor. Die Fortbildung der Trainer im Bereich
Rheumatologie erfolgt in einem Grundlagenseminar, in dem Basiswissen und Basisfertigkeiten für Patientenschulungen in verschiedenen Krankheitsbildern vermittelt werden, und einem krankheitsspezifischen Seminar, in dem Inhalte und Problemsituationen der einzelnen
Schulungsprogramme vermittelt werden. In der vorliegenden Studie wurde das Grundlagenseminar Patientenschulung des Arbeitskreises Patientenschulung in der DGRh im Hinblick
auf die Kompetenz zur Gruppenleitung sowie die Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Seminar evaluiert. Sie wurde als Kooperation zweier Umsetzungsprojekte im Rahmen des
Förderschwerpunkts Rehabilitationswissenschaften des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung und der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt.
38
Methode
In die Evaluation wurden vier TTT-Seminare aufgenommen, die zwischen Juli 2005 und Mai
2006 in verschiedenen Schulungszentren durchgeführt wurden. Daten wurden vor (t1) und
nach dem Seminar (t2) sowie zum follow-up (t3) erhoben. Die Stichprobe bestand aus 70
Seminarteilnehmern (71 % Frauen), die überwiegend im Bereich der Rehabilitation tätig waren (74 %). Die vier Berufsgruppen, die in den Kliniken an der Schulungsdurchführung beteiligt sind, waren im TTT-Seminar etwa gleich stark vertreten (Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten). Die Teilnehmer verfügten über unterschiedliche Schulungserfahrung (keine Erfahrung bis über 5 Jahre). Follow-up-Fragebögen liegen von 40 Personen
vor (57 %). Zur Erfassung der Kompetenz zur Gruppenleitung wurden Items entwickelt, welche die im Manual des TTT-Seminars formulierten Ziele abbilden. Faktorenanalytisch wurden die zwei Subskalen „strukturelle Kompetenz“ und „gruppendynamische Kompetenz“ abgeleitet, die 6 bzw. 9 Items umfassen und gute Kennwerte aufweisen (Cronbachs Alpha jeweils .91). Die Skala zur Zufriedenheit umfasst 11 Items (Cronbachs Alpha = .90), zusätzlich
wurden offene Items zur Beurteilung des Seminars vorgegeben.
Ergebnisse
Im Vergleich zur Ausgangslage haben sich zu t3 in der Selbsteinschätzung sowohl strukturelle als auch gruppendynamische Kompetenz signifikant verbessert (t = -7,68, df = 38,
p < .001 bzw. t = -4,69, df = 37, p < .001), wobei es sich um große Effekte handelt (d = 1,39
bzw. d = 0,84). Die Zufriedenheit mit dem Seminar war in allen vier Gruppen hoch (M ≥ 4,7,
Skala von 1-6, wobei höhere Werte einer besseren Bewertung entsprechen). Auch der Anteil an Theorie und Praxis wurde vom Großteil der Teilnehmer als „genau richtig“ beurteilt.
Diskussion
In der vorliegenden Studie konnte nicht nur die Zufriedenheit mit dem TTT-Seminar belegt,
sondern auch eine Verbesserung der Kompetenz zur Gruppenleitung nachgewiesen werden. Wenn die Studie auch mit einigen methodischen Einschränkungen behaftet ist (Design,
Selbstbericht der Kompetenz), so konnte doch nach unserem Wissen erstmalig die Effektivität eines TTT-Seminars für Patientenschulungen in der medizinischen Rehabilitation über
einen längeren Zeitraum durch eine externe Evaluation belegt werden.
39
Herausforderungen und Hindernisse bei der Implementierung von
rheumatologischen Patientenschulungsprogrammen in
Rehabilitationskliniken
Bönisch, A. (1), Brandes, I. (2) de Vries, U. (3), Ehlebracht-König, I. (1), Krauth, C. (2),
Petermann, F. (3)
(1) Rehazentrum Bad Eilsen, Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover,
(2) Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, MH Hannover,
(3) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen
Hintergrund und Ziele
Trotz nachgewiesener Wirksamkeit standardisierter Patientenschulungsprogramme (Überblick bei Faller et al., 2005) ist deren flächendeckender Einsatz in der medizinischen Rehabilitation unbefriedigend. Zink et al. (2002) berichten für rheumatische Erkrankungen, dass
nur etwa ein Drittel der Patienten während einer medizinischen Rehabilitation geschult wurden.
Mittels Prozessevaluation wird die Implementierung evaluierter Schulungsprogramme in
Rehabilitationskliniken, die bislang noch nicht standardisiert schulen untersucht. Ziel ist u. a.
die Identifikation von Schwierigkeiten und Hindernissen. Bei dem Programm für chronische
Polyarthritiden handelt es sich um eine standardisierte Schulung, die von 4 Berufsgruppen
in 6 Modulen à 90 Minuten in der geschlossenen Gruppe durchgeführt wird.
Methode
Die Untersuchung erfolgt in drei rheumatologischen Rehabilitationskliniken und schließt eine
gesundheitsökonomische Bewertung ein. Vor der Implementierung erfolgten eine Erhebung
von Strukturmerkmalen in den Kliniken sowie die Trainerqualifizierung. Der Prozess der
Implementierung und die durchgeführten Schulungsprogramme werden laufend mittels qualitativer Methoden (Interviews und Dokumentationsbögen) dokumentiert. Im Rahmen des
Projektes wurde ein Leitfaden mit praktischen Hinweisen zur Implementierung erstellt, der
den Kliniken vor der Implementierung ausgehändigt wurde.
Ergebnisse
Bezüglich der Trainerqualifizierung verfügten 11 von 12 Trainern entweder schon vorher
über die Qualifikation oder haben im Laufe des Projekts an Train-the-Trainer-Seminaren
teilgenommen.
Alle 3 Kliniken haben das Programm implementiert. Die Schulungsintervalle lagen zwischen
3 und 9 Wochen und die Gruppengrößen zwischen 5 und 10 Teilnehmern. Zur Umsetzung
werden verschiedene Organisationsmodelle eingesetzt. In Klinik B liegen feste Zeitschienen
für die Module fest; die jeweilige Entscheidung zur Durchführung der Schulung erfolgt ad
hoc je nach vorhandenen diagnosebezogenen Patientenzahlen. In Klinik C erfolgt die Entscheidung und Terminierung (ohne feste Zeitschienen) ad hoc je nach Patientenzahlen. In
Klinik A wurde das Seminar bislang einmal durchgeführt mit blockweiser Einbestellung zu
einem bestimmten Termin.
Als hauptsächliche Hindernisse wurden identifiziert:
40
Eine enge Personaldecke bzw. Personalfluktuation führen dazu, dass einzelne Module bzw.
Seminare ausfallen, die empfohlenen Vorgespräche mit Patienten und Teamgespräche nur
teilweise stattfinden und teilweise leitendes Personal involviert ist, was einen erhöhten Organisationsaufwand mit sich bringt.
Eine niedrige diagnosebezogene Patientenzahl bringt es mit sich, dass die Schulung nicht
regelmäßig bzw. nur in größeren Abständen stattfindet und deshalb nicht alle Patienten geschult werden können. Die Durchführung als geschlossene Gruppe konnte häufig nicht realisiert werden.
Diskussion
Entsprechend den Qualitätsstandards der DGRh (Langer et al., 2000) wurden die Schulungsprogramme erfolgreich hinsichtlich der Gruppengröße, dem interdisziplinären Behandlungsansatz und der Qualifizierung der Trainer umgesetzt.
Hindernisse ergeben sich hinsichtlich des stetigen diagnosebezogenen Patientenzugangs
und des damit bedingten schwierigen Einbaus als festes Element in den Therapieplan. Hier
wäre eine optimalere Zuweisung durch die Kostenträger wünschenswert. Des Weiteren
zeigten sich Grenzen in einer engen Personaldecke. Deutlich wurde, dass für eine erfolgreiche Implementierung eine hinreichende Unterstützung durch Klinikleitung und Verwaltung
notwendig ist. Eine Person sollte als „Kümmerer“ für die Organisation der Schulung verantwortlich sein. Kostenträger sollten edukative Angebote stärker einfordern und andererseits
bei qualitativ guter Durchführung entsprechend wertschätzen.
Literatur
Faller, H., Reusch, A., Vogel, H., Ehlebracht-König, I., Petermann, F. (2005): Patientenschulung. Die Rehabilitation, 44, 21-31.
Langer, H.-E., Ehlebracht-König, I., Mattussek, S. (2000): Qualitätsstandards in der rheumatologischen Patientenschulung. Zeitschrift für Rheumatologie, 59, 272-290.
Zink, A. et al. (2002): Arbeitsgemeinschaft Regionaler Kooperativer Rheumazentren in der
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Rheumatologische Kerndokumentation der
Regionalen Kooperativen Rheumazentren 1999/2000. Berlin: Epi-Report 16.
Evaluation der modellhaften Einführung von
Patientenschulungsprogrammen in die pneumologische Rehabilitation1)
de Vries, U. (1), Bönisch, A. (2), Brandes, I. (3), Ehlebracht-König, I. (2), Krauth, C. (3),
Petermann, F. (1)
(1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,
(2) Rehazentrum Bad Eilsen der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover,
(3) Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, MH Hannover
Hintergrund
Patientenschulung bei Asthma bronchiale stellt einen wichtigen Therapiebaustein im Rahmen stationärer pneumologischer Rehabilitation dar. Trotz hinreichend nachgewiesener
41
Wirksamkeit standardisierter Patientenschulungsprogramme (Überblick bei de Vries, 2004;
Petermann, 1997) ist ihr flächendeckender Einsatz in pneumologischen Rehabilitationskliniken unbefriedigend (Petro, 1997). Häufig kommen nicht-evaluierte und/oder klinikintern entwickelte Programme zum Einsatz, die den einschlägigen Qualitätsanforderungen, Empfehlungen und Leitlinien nicht ausreichend entsprechen.
Zielsetzung
Das vorliegende Projekt hat das Ziel, den Prozess der Einführung eines evaluierten AsthmaSchulungsprogramms in Reha-Kliniken exemplarisch zu dokumentieren. Anhand von Strukturanalysen vor und nach Implementierung, Befragungen aller an der Schulung beteiligten
Mitarbeiter sowie der teilnehmenden Patienten werden hinderliche und fördernde Faktoren
der Schulungseinführung identifiziert und der personelle und organisatorische Aufwand der
Implementierung analysiert. Als Ergebnis werden eine Dokumentation des Prozesses der
Implementierung und daraus ableitend Leitfäden für die Einführung von Patientenschulungsprogrammen in Kliniken bereitgestellt. Langfristig wird erwartet, dass durch die Ergebnisse die Einführung standardisierter Schulungsprogramme begünstigt wird.
Methode
In drei pneumologischen Rehabilitationskliniken, in denen Asthma-Patientenschulung bislang nicht oder anhand nicht-evaluierter, selbstentwickelter Schulungsmaterialien durchgeführt wurde, wurden Strukturanalysen (Ist-Zustand) durchgeführt, um das bisherige Schulungsangebot, personelle Ausstattung, organisatorische Abläufe etc. zu dokumentieren. Anschließend wurden in den Kliniken Schulungsteams gebildet, die an einem Trainer-Seminar
teilnahmen, um eine möglichst einheitliche Umsetzung der Schulung zu gewährleisten. Mit
zusätzlicher Unterstützung eines Leitfadens zur Implementierung des Schulungsprogramms
wurden die Schulungsdurchläufe realisiert. Dieser Prozess wurde kontinuierlich begleitet
und der durch die Implementierung verursachte Aufwand mittels strukturierter Interviews dokumentiert. Nach Eingang in die Routineversorgung des Schulungsprogramms wurden pro
Klinik 60 Patienten zur Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Schulungsprogramm befragt.
Abschließend wird eine erneute Strukturanalyse durchgeführt und mit den Daten der Baselineerhebung verglichen.
Ergebnisse
Die Befragung der Mitarbeiter zeigte einheitlich eine hohe Motivation für eine Erweiterung
des Schulungsangebotes verbunden mit der Erwartung an eine höhere Behandlungszufriedenheit der Patienten und Verbesserung der Arzt-Patienten-Kommunikation. Im
Vorfeld erwartete Hindernisse beziehen sich vorwiegend auf die Arbeitsbelastung der
Mitarbeiter durch einen (erwarteten) höheren Zeitaufwand sowie Schwierigkeiten bei der
Einbindung des neuen Schulungsangebotes in den Therapieplan. Die Implementierung des
Schulungsprogramms konkurrierte in allen drei Kliniken zeitlich und aufgrund der
Personalbindung mit Maßnahmen der Qualitätssicherung, mit deutlicher Personalknappheit
(z. B. ausbleibende Neubesetzung der Stellen) sowie in zwei Kliniken mit nicht stetigem
Patientenzugang. Diese Faktoren bedingen eine unregelmäßige Durchführung der
Schulung, in einigen Fällen musste die Schulung für einen längeren Zeitraum sogar
ausbleiben. Erste Auswertungen der Patientenangaben zur Zufriedenheit zeigen mittlere bis
42
hohe Akzeptanz mit der Schulung, Unzufriedenheit zeigte sich eher im organisatorischen
Bereich.
Literatur
de Vries, U. (2004): Asthma-Patientenschulung im Rahmen ambulanter und stationärer Rehabilitation. Regensburg: Roderer.
Petermann, F. (Hrsg.) (1997): Patientenschulung und Patientenberatung. Ein Lehrbuch (2.,
vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
Petro, W. (1997): Patientenverhaltenstraining bei obstruktiven Atemwegserkrankungen Analyse der Quantität und Qualität. In W. Petro (Hrsg.), Patientenverhaltenstraining bei
obstruktiven Atemwegserkrankungen (176-188). München: Dustri.
1)
Mit Förderung der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbund Niedersachen/Bremen; FKZ 03301b
43
Patientenschulung und Konzepte der Lebensstiländerung (Poster)
Multimodale Verhaltenstherapie der Adipositas in der Rehabilitation
Kollmann, M., Kunz, I., Gräbe, T., Dörhöfer, R., Krüger, E., Bauernschmitt, K., Müller, C.,
Schultz, K.
Psychosomatische Abteilung Fachklinik Allgäu, Pfronten
Einleitung und Ziel
Die Adipositas ist eine multifaktorielle Störung, die neben den Erbanlagen vor allem durch
den Lebensstil bestimmt wird. Viele Menschen leiden unter ihrem hohen Gewicht und schaffen es trotz zahlreicher Anstrengungen nicht, langfristig ein gesundheitlich unbedenkliches
Gewicht zu erreichen. Viele psychische Probleme spielen bei Adipösen eine Rolle (Abgrenzung, Einsetzen des Essens zur Besserung der Stimmungslage, Scham, Ängste), die einen
Teufelskreis von Nahrungsaufnahme, Stimmungsbeeinflussung, Scham und negative langfristige Konsequenzen mit nachfolgender Besserung der Stimmung durch das Essen zur
Folge haben (Herperz, Senf, 2003). In unserer Klinik wurde eine verhaltenstherapeutische
Gruppe zur Modifikation des Essverhaltens mit Unterstützung von Ernährungsberatung,
Sporttherapie und Selbsthilfegruppe aber ohne diätetische Maßnahmen bzgl. ihrer langfristigen Wirkung nachuntersucht (vergleiche auch Benecke, 2002; Ott, 2005). Über diese Studie
und ihren Ablauf wurden die Patienten von vorneherein informiert.
Patienten und Methode
Eingeschlossen wurden alle Patienten der o. g. Gruppe (n = 158, intension to treat) mit einem BMI > 30kg/m2 sowie BMI 25 - 30 kg/m2 mit komplizierenden Erkrankungen. Es erfolgte
eine Fragebogen gestützte Nachuntersuchung über 9 Monate (Fragebogen zum Essverhalten nach Pudel und Westerhofer) zu 5 Messzeitpunkten.
Ergebnis
Der Rücklauf der Fragebögen lag bei 68,1 % (Range der Messzeitpunkte 47,5 % - 100 %).
Es zeigte sich eine hochsignifikante Gewichtsabnahme: In den ersten 6 Wochen die Gewichtsabnahme bei 4,5 kg, danach zwischen 0,5 - 1kg / 2 Monate. In den Fragebögen zeigte
sich zudem ein Zunahme der kognitiven Kontrolle von 9,5 auf 13,17 (von 21) Items, was über den Messzeitraum stabil blieb. Die Störbarkeit des Essverhaltens nahm von 8,6 auf 6,12
(von 16 Items) ab, die Wahrnehmung des Hungergefühls von 5,9 auf 3,8 (von 14 Items) ab.
Alle Ergebnisse waren hochsignifikant
Schlussfolgerung
Mit einem multimodalen verhaltenstherapeutischen Ansatz, der auch die psychischen Ursachen des Essverhaltens mitberücksichtigt, ist es möglich, das Essverhalten langfristig zu
modifizieren: Es gelang den Patienten, die Störbarkeit des Essverhaltens zu reduzieren; über die gestiegene kognitive Kontrolle war es ihnen möglich, von einem ungezügelten zu einem kontrollierten Essverhalten zu gelangen. Das Hungergefühl und damit die Stimuli zu
44
ständiger Nahrungsaufnahme nahmen ab. Der Zusammenhang zwischen der Gewichtsreduktion und den Veränderungen des Essverhaltens (auch in Abhängigkeit vom Lebensalter),
das zugrunde liegende Denkmodell und das therapeutische Vorgehen werden dargestellt.
Assessment, Monitoring und strukturierte Angebote zur Adipositasbehandlung erscheinen
als notwendige Bestandteile stationärer Rehabilitation.
Literatur
Herperz, Senf (2003): Die Psychotherapie der Adipositas, (Deutsches Ärzteblatt 13671376).
Benecke (2002): Verhaltenstherapie bei Adipositas (Verhaltenstherapie 297-309).
Ott (2005): Psychotherapie der Adipositas permagna nach dem Suchtmodell (DMW Suppl
129).
Pudel, Westerhofer (1989): Fragebogen zum Essverhalten (FEV, Hogrefe Verlag).
Der Einfluss von Planungsqualität auf die Umsetzung und Erinnerung
sportbezogener Pläne bei Koronarpatienten
Pohontsch, N. (1), Scholz, U. (2), Sniehotta, F.F. (3)
(1) Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, (2) Universität Zürich, (3) University of
Aberdeen
Hintergrund
Um nach der koronaren Rehabilitation Re-Infarkten vorzubeugen, ist es wichtig, dass die
betroffenen Personen körperlich aktiv bleiben. Obwohl die Motivation dazu hoch ist, scheitern viele Rehabilitationspatienten an der dauerhaften Umsetzung ihrer Intentionen (Jones,
West, 1996). Ausführungs- (Gollwitzer, 1999) und Bewältigungspläne sind als wirksame Mittel zur Reduktion dieser Intentions-Verhaltens-Lücke (Sheeran, 2002) bekannt (Sniehotta,
Scholz, Schwarzer, 2006). Der Zweck der Studie ist die Untersuchung, ob und wie Qualitätsunterschiede bei der Planung die Planumsetzung und -erinnerung im Bereich der körperlichen Aktivität von koronaren Rehabilitationspatienten beeinflussen.
Methode
Es wurden 86 Männer und 19 Frauen im Alter von 32-79 Jahren (M= 58.5) untersucht. Diese erhielten während ihres Aufenthaltes in der Rehabilitationsklinik eine Planungsintervention, in der sie Ausführungs- und Bewältigungspläne zur körperlichen Aktivität nach ihrer Entlassung aufstellten. Sie sollten bis zu drei, jeweils aus einer Wann-, Wo- und Wie- Komponente bestehende, Aktivitätspläne bilden. Zusätzlich sollten bis zu drei Bewältigungspläne,
bestehend aus der Beschreibung einer antizipierten, für die Umsetzung des Ausführungsplans kritischen Situation und einer Bewältigungsstrategie gebildet werden. Den Studienteilnehmern wurden ihre persönlichen Pläne in sechs Wochenheften zurückgemeldet. Dort
wurde von den Studienteilnehmern eingetragen, wie häufig sie sich an ihre Pläne erinnert
bzw. diese umgesetzt hatten. Die von den Studienteilnehmern berichtete Planumsetzung
und -erinnerung wurde mithilfe von (Ko-)Varianzanalysen auf ihre Abhängigkeit von der Planungsqualität untersucht.
45
Ergebnisse
Es zeigte sich, dass eine flexible, aber nicht unpräzise Planung der Situations-Komponente
des Ausführungsplans dessen Umsetzung am zuträglichsten ist, während eine zu präzise
Festlegung des Handlungsortes die Planumsetzung einschränkt. Die Beschäftigung mit
möglichen Barrieren verstärkt die Erinnerung an den Ausführungsplan. Die Umsetzungsrate
des Bewältigungsplans ist dann am höchsten, wenn er eine so genannte verknüpfende (sofort in der Situation aktivierbare) Kognition oder Handlung enthält. Das Fehlen einer verknüpfenden Kognition kann jedoch durch eine hohe Präzision der Situations-Komponente
ausgeglichen werden. Auch die Rate der Erinnerung an den Bewältigungsplan ist am höchsten, wenn eine verknüpfende Kognition oder Handlung geplant wurde. Hier wurde kein Effekt der Präzision der Situationskomponente gefunden.
Diskussion
Die Ergebnisse der Analysen geben eine Richtung für Interventionsmaßnahmen im Kontext
der Rehabilitation von Koronarpatienten vor. Es zeigt sich, dass Ausführungs- und
Bewältigungspläne für körperliche Aktivität abhängig von ihrer Formulierung unterschiedlich
wirkungsvoll zur Überbrückung der Intentions-Verhaltens-Lücke sind. Der Unterschied liegt
also nicht nur im Planen vs. Nichtplanen, wie Gollwitzer (1999) postuliert, sondern auch die
Formulierung der Pläne ist relevant. Es sollten sich weitere Untersuchungen zur Planung
anderer gesundheitlich relevanter Verhaltensweisen anschließen. Im Bereich der
Bewältigungspläne ist eine weitere Untersuchung besonders effektiver Bewältigungsstrategien denkbar.
Literatur
Gollwitzer, P.M. (1999): Implementation intentions. Strong effects of simple plans. American
Psychologist, 54, 493-503.
Jones, D.A., West, R.R. (1996): Psychological rehabilitation after myocardial infarction: Multicentre randomised controlled trial. British Medical Journal, 313, 1517 - 1521.
Sheeran, P. (2002): Intention-behaviour relations: A conceptual and empirical review. In W.
Stroebe und M. Hewstone (Eds.). European review of social psychology, 12, 1-36. Chicester, UK: Wiley.
Sniehotta, F.F., Scholz, U., Schwarzer, R. (2006): Action planning and coping planning for
physical exercise: A longitudinal intervention study in cardiac-rehabilitation. British Journal of Health Psychology, 11, 23-35.
46
Betriebliche Gesundheitsförderung
Die psychische Beanspruchung von Beschäftigten in der medizinischen
Rehabilitation
Körner, M.
Universität Freiburg
Die Arbeitssituation in Einrichtungen der medizinischen Versorgung, respektive auch in Rehabilitationseinrichtungen ist durch eine Zunahme des Arbeitsumfangs und der Arbeitsintensität gekennzeichnet. Mit der ansteigenden Arbeitsbelastung wächst das Risiko negativer
Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten. Insbesondere die psychischen Beanspruchungsfolgen stellen ein Gefährdungspotential dar. Häufig zeigten Beschäftigte in den Rehabilitationseinrichtungen Erschöpfungszustände, Frustration, Anspannung, Unzufriedenheit, negatives Befinden und Beschwerden.
Ziel des Beitrags ist es, einen Überblick über die psychischen Beanspruchungsfolgen von
Beschäftigten in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation zu geben und darzustellen,
ob und in welcher Höhe Zusammenhänge bestehen zwischen der Beanspruchung und den
soziodemographischen Merkmalen der Beschäftigten, den betrieblichen Rahmenbedingungen, der Kooperation im Team und der Arbeitszufriedenheit.
Hierzu wurden 549 Beschäftigte von zwölf Rehabilitationseinrichtungen (sieben psychosomatische und fünf somatische Rehabilitationskliniken) befragt. 252 Beschäftigte beteiligten
sich an der Befragung (Rücklaufquote 45 %). Zur Erfassung der Beanspruchungsfolgen
wurde der Fragebogen zur Beanspruchung durch Humandienstleistungen (FBH, Hacker et
al., 1995) verwendet. Zur Messung der Arbeitszufriedenheit wurde der Fragebogen zur Mitarbeiterzufriedenheit in Rehabilitationskliniken, MiZu-Reha (Farin et al., 2000) und zur Erfassung der Teamarbeit der Fragebogen zur Arbeit im Team (F-A-T) von Kauffeld (2004)
eingesetzt.
Ein Viertel aller Mitarbeiter (10 % der männlichen und 15 % der weiblichen Beschäftigten)
geben an, emotional erschöpft zu sein. Je länger die Mitarbeiter in der Einrichtung beschäftigt sind, umso häufiger geben sie an, emotional „ausgebrannt“ zu sein. Die negativen Werte
für die emotionale Erschöpfung treten in der psychosomatischen Rehabilitation signifikant
(X²= 9,632, df=3, p=,022) häufiger auf (31 %) als in der somatischen Reha (16 %). 22 % der
Befragten berichten über Aversionen gegenüber Klienten und 15 bzw. 16 % sind unzufrieden in der Arbeit und nicht intrinsisch motiviert. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass
zwischen der Teamarbeit und der Beanspruchung der Mitarbeiter im Rehabilitationsteam
überwiegend ein mittlerer negativer Zusammenhang existiert (r=-.38 bis -.50). Zwischen der
allgemeinen Arbeitszufriedenheit und der emotionalen Erschöpfung ist der Korrelationskoeffizient ebenfalls negativ und im mittleren Bereich (r=-.44). Es zeigt sich zudem eine deutliche Interdependenz zwischen der emotionalen Erschöpfung und der Bewertung der
Arbeitssituation (r=.48).
47
Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation
(bedingungsbezogene Interventionen) als auch Maßnahmen zur Reduktion der Arbeitsbelastungen, z .B. durch die Optimierung der Kooperation im Team (personenbezogenen Interventionen) indiziert sind, um die Gesundheit der Beschäftigten in der medizinischen Rehabilitation zu fördern.
Literatur
Farin, E., Meixner, K., Jäckel, W.H. (2000): Fragebogen zur Mitarbeiterzufriedenheit in Rehabilitationskliniken - Version 2.0. Freiburg: Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin. Unveröffentlichter Fragebogen, Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin in Freiburg.
Hacker, W., Reinhold, S., Darm, A., Hübner, I., Wollenberger, E. (1995): Beanspruchungsscreening bei Humandienstleistungen (BHD-System). Forschungsbericht Band 27.
Dresden: Technische Universität.
Kauffeld, S. (2004): Der Fragebogen zur Arbeit im Team (F-A-T). Göttingen: Hogrefe.
Die Mitarbeiterbefragung als Screening-Instrument zur RehaBedarfsermittlung in Klein- und Mittelbetrieben
Giese, R. (1), Weber, S., (1) Lewien, S. (2)
(1) Institut für Soziologie, Universität Hamburg, (2) Berufsförderungswerk Hamburg
Hintergrund
Betriebliche Gesundheitsförderung erhält zunehmend auch in Klein- und Mittelbetrieben einen wichtigen Stellenwert in der Unternehmenspolitik. Förderung von Arbeitsmotivation und
Leistungsfähigkeit, Vermeidung von AU-Tagen, Bindung der Mitarbeiter an die Unternehmen und - vor dem Hintergrund des demografischen Wandels - zunehmend auch Beschäftigungssicherung im Alter können als wesentliche Ziele für ein entsprechendes unternehmerisches Engagement angesehen werden. Die Mitarbeiterbefragung gilt mittlerweile als wichtiger Bestandteil eines betrieblichen Qualitäts- und Gesundheitsmangements, konzentriert
sich allerdings häufig nur auf die Frage der Arbeitzufriedenheit und mögliche Probleme im
Arbeitsprozess (siehe z. B. Born, 2003). Im Rahmen des vom europäischen Sozialfonds finanzierten und vom Berufsförderungswerk Hamburg geleiteten Projekts PACUM (Prävention als Chance für Mitarbeiter und Unternehmen) zur Praxisimplementation betrieblicher Gesundheitsmanagementsysteme in Klein- und Mittelbetrieben erfolgten im Jahr 2006 Mitarbeiterbefragungen in 10 Hamburger Betrieben aus unterschiedlichen Branchen. Der
Schwerpunkt der Befragungen lag in einer Bestandsaufnahme bzw. Ermittlung gesundheitsrelevanter Handlungsbedarfe in den jeweiligen Betrieben.
Methodik
Es handelt sich um anonyme schriftliche Mitarbeiterbefragungen, die von der Arbeitsstelle
für Rehabilitations- und Präventionsforschung, Universität Hamburg im Rahmen der PACUM-Studie durchgeführt und ausgewertet wurden. Eingesetzt wurde ein von der Arbeitsstelle in Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungswerk Hamburg entwickelter Fragebo48
gen, der auf einem bereits für die Reha-Bedarfsermittlung entwickelten und erprobten Fragebogen der Universität Lübeck (Prof. Raspe) aufbaut. Wesentliche Dimensionen des Fragebogens sind die Arbeitsbedingungen und ihre wahrgenommenen körperlichen, psychischen und psychosozialen Belastungen, der allgemeine Gesundheitszustand, psychisches
Wohlbefinden und Vitalität, gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten der Mitarbeiter
sowie deren Reha-Bedürfnis. Hinzu kommen Fragen zur Arbeitszufriedenheit, Leistungsfähigkeit, Qualifikation und Maßnahmewünschen sowie zu soziodemografischen Merkmalen.
Die Teilnahmequoten in den Betrieben lagen zwischen 50 % und 80 %. Insgesamt haben
sich 650 Mitarbeiter beteiligt.
Ergebnisse
Erwartungsgemäß zeigt sich, dass Rückenbeschwerden ein gesundheitliches Hauptproblem
in den Betrieben darstellen. 36 % der befragten Mitarbeiter geben an, aktuell ziemlich bis
sehr stark unter Kreuz- und/oder Nackenschmerzen zu leiden. Davon liegen bei knapp zwei
Drittel bereits ärztlich diagnostizierte Rückenleiden vor, so dass nicht nur Maßnahmen zur
Primärprävention, sondern insbesondere auch zur Sekundärprävention erforderlich sind. Ein
weiterer Problemschwerpunkt sind psychische Belastungen und Arbeiten unter Lärm, was
nicht nur die gewerbliche Produktion betrifft. So geben 23 % eine starke psychische Mehrfachbelastung an (z. B. sehr belastet durch Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit
und Arbeiten unter Termin- und Leistungsdruck) und 30 % arbeiten unter Lärmbedingungen,
die als sehr belastend wahrgenommen werden. Eine Folge derartiger arbeitsbedingter Belastungen ist, dass bei diesen Mitarbeitern u. a. Kopfschmerzen als gesundheitliche Beschwerden überdurchschnittlich häufig vorkommen. Ein Rehabedürfnis äußert fast jeder
vierte Mitarbeiter. Wichtige Ursachen für dieses Bedürfnis sind vor allem die genannten Rückenprobleme, aber auch psychische Belastungen und die subjektive Arbeitsprognose bezüglich des Erreichens des Rentenalters spielen eine wichtige Rolle. Ein weiteres Ergebnis:
im Alter nehmen die Beschwerden zu, aber der Gesundheitszustand älterer Beschäftigter
kann insgesamt als vergleichsweise gut bezeichnet werden. Die skizzierten Ergebnisse gehen als Teil der Bestandsaufnahme in die weitere Arbeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements ein.
Diskussion
Gegenüber einem Ansprache- und Selektionsverfahren über die Krankenkasse, mit welchem Beschäftigte persönlich und über vorliegende AU-Tage gezielt für eine Befragungsteilnahme angesprochen werden können (siehe z. B. Giese, 2005), bietet dieses Verfahren
den großen Vorteil, dass bei einer betrieblichen Gesamterhebung der umständliche und
kaum zu realisierende Weg der Berücksichtigung der Versichertenvielfalt bei den Mitarbeitern und damit die Einbindung einer Vielzahl von Krankenkassen entfällt. Die Ergebnisse
machen deutlich, dass eine anonyme Mitarbeiterbefragung bei entsprechender Fragebogengestaltung die für eine Reha-Bedarfsermittlung relevanten Ergebnisse liefern kann. Entscheidend für den Erfolg dieses Verfahrens ist, wie - neben den ermittelten primärpräventiven Handlungsbedarfen - diese Ergebnisse so an die Beschäftigten herangetragen werden
können, dass diese den entschiedenen Schritt tun, um sich z. B. bei chronischen Rückenschmerzen beim betriebsärztlichen Dienst zu melden, so dass entsprechende Reha-
49
Maßnahmen eingeleitet werden können. Da die Studie noch nicht abgeschlossen ist, liegen
hierzu noch keine Ergebnisse vor.
Literatur
Borg, I. (2003): Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung. Hogrefe, Göttingen.
Frieling, E., Gösel, C. (2003): Betriebliche Gesundheitspolitik - Wo besteht in der deutschen
Wirtschaft besonderer Handlungsbedarf? - Expertise für die Expertenkommission „Betriebliche Gesundheitspolitik“ der Bertelsmann Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung.
Giese, R., Kaphengst, C., Schnapp, P. (2005): Integrative Reha-Bedarfsermittlung am Arbeitsplatz bei Beschäftigten mit Dorsopathien. Hamburg, Rote Reihe 17.
Vetter, C., Redmann, A. (2005): Arbeit und Gesundheit - Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen in mehr als 150 Betrieben. WIDO-Materialen 52, Bonn.
Betriebliche Gesundheitsförderung in deutschen Banken: Ergebnisse
einer bundesweiten Telefonbefragung
Plath, S.C., Krause, H., Köhler, T., Pfaff, H.
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Abteilung Medizinische Soziologie, Klinikum der
Universität zu Köln
Einleitung
Mit der Verabschiedung der Ottawa Charta durch die Weltgesundheitsorganisation im Jahr
1986 hat das Thema Gesundheitsförderung einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren.
Auch in Deutschland gab die Charta einen Anstoß zur verstärkten Auseinandersetzung mit
diesem Thema. In diesem Kontext entstanden erste Ansätze zur Implementierung und Etablierung von Gesundheitsförderungsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Diese Bemühungen wurden vor allem durch das Engagement der gesetzlichen Krankenkassen vorangetrieben, die
seit 1989 Projekte zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der Umsetzung ihres gesetzlichen Präventionsauftrages (Gesundheitsreformgesetz § 20 SGB V) initiiert und weiterentwickelt haben. Weitere Impulse gingen von den Gesundheitswissenschaften, dem betrieblichen Arbeitsschutz sowie - seit dem Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes und des Sozialgesetzbuches Band VII im Jahre 1996 - von den Berufsgenossenschaften und vom staatlichen Arbeitsschutz aus (Rosenbrock, 2003). Trotz der zunehmenden Bedeutung sind sich
Experten weitgehend einig, dass die betriebliche Gesundheitsförderung noch weit von einem flächendeckenden Einsatz entfernt ist (Kirschner et al., 1995; Pfaff, Slesina, 2001). Außerdem wird die vorherrschende gesundheitsförderliche Praxis der Betriebe als verbesserungsfähig angesehen (Gröben, 2000; Rosenbrock, 1993).
Methoden
Es wurde eine Zufallsstichprobe von 650 Kreditinstituten (Ausschöpfungsquote: 30,7 %) gezogen. Zudem erfolgte eine Vollerhebung von 321 Sach- und Rückversicherungsunternehmen (Ausschöpfungsquote: 37,1 %). In jeder Organisation wurde mit einem Gesundheitsexperten ein standardisiertes Telefoninterview geführt. Die Interviews enthielten Fragen zur
50
Diagnostik, den verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen, den hemmenden und
fördernden Bedingungen sowie den Ergebnissen der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Ergebnisse
Im Rahmen des Vortrages soll ein Überblick über die derzeitige Gesundheitsförderungspraxis in Banken und Versicherungen gegeben werden. Es überwiegen verhaltenspräventive
Maßnahmen. In der Mehrzahl der befragten Unternehmen beurteilt die oberste Führungsebene Aktivitäten der betrieblichen Gesundheitsförderung als wichtig bzw. sehr wichtig. Diese Beurteilung hat einen Einfluss auf Anzahl und Systematik der durchgeführten Maßnahmen. Es werden von der Mehrzahl der Unternehmen finanzielle Ressourcen für die betriebliche Gesundheitsförderung bereitgestellt, jedoch werden die einzelnen Maßnahmen nur von
den wenigsten Unternehmen in bestehende Managementprogramme eingebunden. Nur
31 % der befragten Unternehmen verfügen über ein umfassendes Gesundheitsförderungskonzept. Als Hauptverantwortliche für die präventiven Aktivitäten werden Führungskräfte
(76 %) und Betriebsärzte (66 %) genannt.
Diskussion
Auf Grundlage der empirischen Befunde sollen Empfehlungen im Sinne eines best-practice
Modells zur weiteren Entwicklung der betrieblichen Gesundheitsförderung in der Finanzdienstleistungsbranche gegeben werden.
Literatur
Kirschner, W., Radoschewski, R., Kirschner, R. (1995): Untersuchung zur Umsetzung des
§ 20 SGB V durch die Krankenkassen. St. Augustin: Asgard.
Gröben, F. (2000): Betriebliche Gesundheitsförderung in Hessen und Thüringen. Ergebnisse
einer Betriebsbefragung. Prävention 1: 17-21.
Pfaff, H., Slesina, W. (2001): Effektive betriebliche Gesundheitsförderung. Konzepte und
methodische Ansätze zur Evaluation und Qualitätssicherung. Weinheim; München: Juventa.
Rosenbrock, R. (2003): Betriebliche Gesundheitsförderung. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, ed. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. Schwabenheim: Sabo: 21-3.
Rosenbrock. R. (1993): Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt - Der mögliche Beitrag der Krankenkassen zum Paradigmenwechsel betrieblicher Gesundheitspolitik. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin.
51
Was kann berufliche Belastungen kompensieren? Eine Fall-KontrollStudie zum Zusammenhang von beruflicher Gratifikationskrise,
psychischen Erkrankungen und Erwerbstätigkeitsprognose
Lehr, D. (1), Hillert, A. (2), Sosnowsky, N. (3), Schmitz, E. (4)
(1) Philipps-Universität Marburg, Institut für Medizinische Psychologie, (2) MedizinischPsychosomatische Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee, (3) Pädagogische Hochschule
Ludwigsburg, (4) Technische Universität München
Hintergrund und Fragestellung
Die Bedeutung beruflicher Belastungen für die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen wird zunehmend erforscht. Pflegende Berufe und Lehrkräfte stehen im
Zentrum des Interesses. Belastende Berufssituationen gehen nicht selten mit einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben einher (Lehr, 2004).
Um die Beziehungen von Gesundheit und Arbeitsbedingungen systematisch zu untersuchen, bedarf es belastbarer theoretischer Rahmenmodelle. Ein viel versprechendes Konzept
für die Analyse von Arbeit und Gesundheit ist die berufliche Gratifikationskrise (Siegrist,
1996).
Beruflicher Stress wird in dem Modell der Gratifikationskrise als eine verletzte soziale Reziprozität bzw. Fairness konzeptionalisiert: Je weniger extern geforderte berufliche Verausgabung (Effort) durch angemessene Gratifikationen (Reward; Lohn, Wertschätzung, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten) ausbalanciert wird (Effort-Reward-Imbalance,
ERI), desto ungünstiger sind die gesundheitlichen Reaktionen. Neben den situativen Faktoren wirkt sich auf diese Balance die individuelle Neigung zu übersteigerter Verausgabung
(Overcommitment, OC) aus. Während ERI und OC Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen darstellen (van Vegchel, de Jonge, Bosma, Schaufeli, 2005), ist es gegenwärtig unklar, ob sie Risikofaktoren für manifeste psychische Erkrankungen sowie die Erwerbsfähigkeit darstellen.
Methode
In die Studie wurden 222 Lehrkräfte aufgenommen. Davon befanden sich 92 in stationärer
psychotherapeutischer Behandlung (Alter = 51, SD = 7.6). Entsprechend den ICD-10 Kriterien dominierten depressive Störungen. Die gesunde Kontrollgruppe wurde durch 130 arbeitsfähige Lehrkräfte gebildet (Alter = 46, SD = 8.2). Es wurden folgende Instrumente eingesetzt: Fragebogen zur Messung der beruflichen Gratifikationskrise (Rödel, Siegrist, Hessel, Brähler, 2004), Skala zur Messung der subjektiven Erwerbstätigkeitsprognose (Mittag,
Raspe, 2003).
Ergebnisse
Der Methodik internationaler Studien folgend, wurde zur Vorhersage psychischer Erkrankungen zunächst eine logistische Regressionsanalyse mit 2 dichotomen Prädiktoren (ERI/OC positiv vs. ERI/OC negativ) sowie 2 Kontrollvariablen (Alter, Geschlecht) durchgeführt. Modellzusammenfassung: Cox und Snell = .39; 82 % korrekte Klassifikationen; Nagelkerke = .53. Nur ERI erwies sich als signifikanter Prädiktor (OR 16.26; 95 % CI 7.33 52
36.10). Entsprechend zeigten Personen mit positiver Imbalance ein 4,5 fach erhöhtes Risiko
für psychische Störungen (RR 4.57; 95 % CI 3.55 - 5.24).
Anschließend wurden alle Modellkomponenten als kontinuierliche Prädiktoren in eine
schrittweise logistische Regressionsanalyse aufgenommen. Modellzusammenfassung: Cox
und Snell = .43,8 % korrekte Klassifikationen; Nagelkerke = .59. Signifikante Prädiktoren
(p<.001) waren geforderte Verausgabung und Wertschätzung.
Die Assoziation der Gratifikationskrise zur Erwerbstätigkeitsprognose wurde mittels linearer
Regressionsanalyse untersucht. Sämtliche Modellkomponenten, außer übersteigerter Verausgabung (OC), erwiesen sich als signifikante Prädiktoren und konnten die Erwerbstätigkeit in hohem Ausmaß vorhersagen (R = .48). Mit 33 % erklärter Varianz kam der externen
Wertschätzung die größte Bedeutung zu.
Diskussion und Implikationen
In der vorliegenden Studie weist die Imbalance von extern geforderter Verausgabung und
erhaltenen Gratifikationen eine starke Assoziation zu psychischen Störungen und der Erwerbstätigkeitsprognose auf. Wertschätzung v. a. durch Vorgesetzte und Kollegen scheint in
der Berufsgruppe der Lehrer berufliche Belastungen am stärksten kompensieren zu können.
Entgegen den Erwartungen zeigt die übersteigerte Verausgabungsneigung keinen unabhängigen gesundheitlichen Effekt. Inwieweit diese querschnittlichen Befunde auch längsschittlich replizierbar sind, wird aktuell in einer laufenden Studie untersucht.
Die hohe Bedeutung der Belohnungsart Wertschätzung könnte in einem Deckeneffekt der
anderen Gratifikationsarten, Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit begründet liegen (OECD, 2004). Zudem scheinen die ökonomischen Faktoren bei der Berufswahl eine untergeordnete Rolle zu spielen. Gute interpersonale Beziehungen, die von Wertschätzung geprägt
sind, bilden für Lehrkräfte eine zentrale Erwartung an den Beruf.
Es liegen Hinweise auf eine Diskrepanz von „objektiver“ und „wahrgenommener“ Wertschätzung vor. Studien zur sozialen Wahrnehmung lassen vermuten, dass Lehrkräfte stärker
wertgeschätzt werden als dies empfunden wird. Im Kontext von personenbezogenen Interventionen sollte diese Diskrepanz therapeutisch bearbeitet und die Kompetenz zur Selbstwertschätzung gestärkt werden.
Darüber hinaus erscheint es im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung notwendig,
eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung zu etablieren. Dies gilt insbesondere im
Hinblick auf die Anerkennung, die Vorgesetzte, z. B. Schulleitungen, ihren Mitarbeitern entgegenbringen.
Literatur
Lehr, D. (2004): Psychosomatisch erkrankte und „gesunde“ Lehrkräfte: Auf der Suche nach
den entscheidenden Unterschieden. In A. Hillert und E. Schmitz (Hrsg.), Psychosomatische Erkrankungen bei Lehrerinnen und Lehrern. Ursachen, Folgen, Lösungen (120140). Schattauer Verlag: Stuttgart.
Mittag, O., Raspe, H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der
Erwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4279 Mitgliedern der gesetzlichen
Arbeiterrentenversicherung zu Reliabilität (Guttman-Skalierung) und Validität der Skala.
Die Rehabilitation, 42, 169-174.
53
OECD, Organisation for Economic Co-operation and Development (2004): Attracting, Developing and Retaining Effective Teachers. Country Note: Germany.
Rödel, A., Siegrist, J., Hessel, A., Brähler, E. (2004): Fragebogen zur Messung beruflicher
Gratifikationskrisen. Psychometrische Testung an einer repräsentativen deutschen Stichprobe. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 25, 227-238.
Siegrist, J. (1996): Soziale Krise und Gesundheit. Eine Theorie der Gesundheitsförderung
am Beispiel von Herz-Kreislauf-Risiken im Erwerbsleben. Göttingen: Hogrefe.
van Vegchel, N., de Jonge, J., Bosma, H., Schaufeli, W. (2005): Reviewing the effort-reward
imbalance model: Drawing up the balance of 45 empirical studies. Social Science and
Medicine, 60, 1117-1131.
DC 1+12: Zwischenbericht der Evaluation einer betrieblichen Maßnahme
zur Gesundheitsverhaltensänderung bei Personen mit metabolischem
Syndrom
Brand, R., Schlicht, W.
Universität Stuttgart
Konzept
Die betriebliche Maßnahme DC 1+12 richtet sich an Personen mit drohendem oder bereits
ausgeprägtem metabolischem Syndrom. Sie ist wie folgt aufgebaut: Zu Beginn der
Maßnahme dient ein einwöchiger stationärer Aufenthalt in einer Reha-Klinik dazu, über den
gesundheitlichen Nutzen einer Verhaltensänderung in den Bereichen Ernährung und
körperliche Aktivität zu informieren und das erwünschte Zielverhalten zu trainieren. Darauf
folgend wird in einer ambulanten Phase die Gelegenheit geboten, unter Anleitung zwölf
individuell gestaltbare Sport-Trainingseinheiten in einem Gesundheits-Trainingscenter zu
absolvieren. Hier steht die Verbesserung der allgemeinen körperlichen Fitness der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vordergrund, die zu diesem Training ihre Freizeit
einbringen müssen. Im Anschluss an die ambulante folgt eine halbjährige
Selbststeuerungsphase ohne weitere Intervention, in der die Teilnehmenden das erlernte
Verhalten eigenständig fortführen und im Idealfall habitualisieren sollen. Die Maßnahme
schließt mit einem Refresher-Wochenende in der bekannten Reha-Klinik, wo wiederum
unter
Anleitung
über
in
den
vergangenen
sechs
Monaten
eingetretene
Verhaltensänderungen (bewusstes Essen und regelmäßige körperliche Aktivität oder Sport)
resümiert wird.
Die Intervention zielt neben der unmittelbaren Verbesserung des Gesundheitszustandes
auch auf die Stärkung der Selbstverantwortlichkeit von risikoexponierten oder erkrankten
Personen, die durch eine Verhaltensänderung Einfluss auf ihren Gesundheitszustand nehmen können.
Eine Besonderheit im DC 1+12 Interventionskonzept besteht in der spezifischen Zusammenstellung der Projektträger (DaimlerChrysler AG, AOK/DC BKK und LVA BadenWürttemberg) sowie der Kostenaufteilung zwischen diesen Institutionen. So werden die pro
Interventionsteilnehmer anfallenden Kosten der stationären Phase vom Arbeitgeberunter54
nehmen und die der ambulanten Phase von der Krankenkasse übernommen. Daran schließt
sich die Selbstbeteiligung des Versicherten an, die Kosten für das Refresher-Wochenende
wiederum trägt die Rentenversicherung. Diese Kostenaufteilung bindet alle am LebensweltAnsatz-Betrieb Beteiligten und entspricht damit den Intentionen des - bislang noch nicht zustande gekommenen - Präventionsgesetzes.
Evaluation
Beginnend mit dem ersten Pilot-Durchgang im Oktober 2005 wurde von den oben genannten Projektträgern die Universität Stuttgart als externe Evaluationsagentur mit der Wirksamkeitsüberprüfung der Intervention beauftragt. Seither haben fünf Teilnehmergruppen (mit jeweils ca. 15 Personen) mit dem Programm begonnen. Zur Teilnahme am Pilot-Programm
melden sich Interessenten nach einer medizinischen Untersuchung, in der ein drohendes
oder ausgeprägtes metabolisches Syndrom festgestellt wurde, freiwillig auf speziellen Hinweis durch den Werksärztlichen Dienst. Das Evaluationsdesign folgt einem quasiexperimentellen Plan bei konsekutiver Stichprobenrekrutierung. Als abhängige Variablen der
Untersuchung dienen standardisierte Fitness-Tests (z. B. Walking-Ausdauertest), verschiedene medizinische Laborparameter (z. B. LDL/HDL-Quotient), gesundheitspsychologische
Verhaltensdeterminanten (z. B. Selbstwirksamkeitserwartung) sowie der Aktivitätsstatus der
Probanden im Selbstbericht, die vor der Intervention, am Ende der stationären und ambulanten Phase sowie im Laufe des Refresher-Wochenendes erhoben werden.
Projektstand
Zum derzeitigen Projektstand (im Oktober 2006) sind die Datensätze von zwei Interventionsgruppen komplett; die übrigen Datensätze (insbesondere auch die zur Kontrollgruppe)
werden im Frühjahr 2007 vervollständigt.
Gegenstand der Präsentation sind die nähere Erläuterung des Interventionskonzepts sowie
bis dahin abgeschlossene Untersuchungsergebnisse zur Bewertung der Wirksamkeit der
Maßnahme.
Die Lastenhandhabungsverordnung als gesetzliche Grundlage der
betrieblichen Prävention und Rehabilitation bei Rückenerkrankungen
Zipprich, J.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
In der präventiven Zielsetzung ergänzen sich das heutige Arbeitsschutzrecht und die Regelungen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (Mehrhoff, 2005, 20). Am Beispiel
der Lastenhandhabung soll diese gegenseitige Ergänzung demonstriert werden.
In einer Reihe von Gerichtsentscheidungen zu §§ 81, 84 SGB IX spielen Erkrankungen der
Wirbelsäule eine große Rolle. Nach länger andauernder Arbeitsunfähigkeit kann den Beschäftigten die bisherige Tätigkeit oft nicht mehr in bisherigen Umfang zugewiesen werden,
andere Tätigkeiten scheinen nicht immer zur Verfügung zu stehen. Den Beteiligten ist oft
nicht bewusst, dass sich seit zehn Jahren aus den arbeitsschutzrechtlichen Normen verbindliche Anforderungen an die Gestaltung der Arbeit ergeben.
55
Die Lastenhandhabungsverordnung aus dem Jahr 1996 (BGBl. I S. 1842) ist verbindlich für
alle Arbeitgeber und Beschäftigten, sie gilt für alle Personen, die aus beruflichen Gründen
Lasten bewegen müssen. Der Begriff der Last ist dabei bewusst nicht definiert worden, da
sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, von denen das Gewicht nur einer ist,
eine Gesundheits- oder Unfallgefahr für die Beschäftigten ergeben kann.
Das Ziel der Verordnung ist es, die betrieblichen Ursachen für mögliche Gesundheitsschädigungen auszuschalten bzw. wenigstens zu minimieren. Gesetzessystematisch ist das Arbeitsschutzgesetz die Grundlage, auf der die speziellen Regelungen der Lastenhandhabungsverordnung aufbauen.
Das Präventionsverfahren beginnt mit einer Gefährdungsanalyse für eine bestimmte Tätigkeit (§ 2 Abs. 2 S. 1 LasthandhabV). Wenn die betriebliche Tätigkeit als Ursache für Gesundheitsgefahren in Betracht kommt, schließen sich abgestufte Pflichten des Arbeitgebers
an, der zunächst alles tun muss, um die Gefährdung durch geeignete arbeitsorganisatorische Maßnahmen auszuschalten (§ 2 Abs. 1 LasthandhabV). Erst wenn die Gefahren nicht
vollständig beseitigt werden können, müssen sie auf der zweiten Stufe verringert werden
(§ 2 Abs. 2 S. 2 LasthandhabV). Dazu gibt es vielfältige Beispiele und Handlungshilfen (vgl.
Kittner/Pieper, § 1 LasthandhabV Rnr. 8). Diese Hauptpflichten werden von flankierenden
Maßnahmen wie Dokumentation, Evaluation und Information begleitet, die sicherstellen sollen, dass die getroffenen Maßnahmen auch wirken.
Juristisch entscheidend ist, dass diese Pflichten auf den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers einwirken. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber,
mit Tätigkeiten beschäftigt zu werden, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Für
die behindertengerechte Beschäftigung ist dies seit langem geklärt. Die konkrete Tätigkeit
muss den besonderen Anforderungen des Behindertenschutzes entsprechen (§ 81 Abs. 4
SGB IX; dazu BAG vom 14.03.2006 - 9 AZR 411/05, Rnr. 26, www.bundesarbeitsgericht.de). Ebenso wirken auch die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten aus der Lastenhandhabungsverordnung. Arbeitnehmer, die beruflich Lasten handhaben, haben einen Anspruch
darauf, nur mit solchen Tätigkeiten beschäftigt zu werden, die den Vorschriften der Lastenhandhabungsverordnung entsprechen (Zipprich, 2006, 131f.).
Die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten sind auch bei der betrieblichen Rehabilitation bedeutsam. So ist es geboten, im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 84
SGB IX) die Gefährdungsbeurteilung heranzuziehen (Kohte, 2005, 17). Umgekehrt kann das
Verfahren nach § 84 SGB IX ein Anlass sein, erstmals eine Gefährdungsbeurteilung zu
erstellen bzw. sie zu aktualisieren. Aus der Lastenhandhabungsverordnung ergeben sich
weiterhin verbindliche Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die auch
bei dem Verfahren nach § 84 SGB IX zu berücksichtigen sind, so dass dieses Verfahren vor
allem in Kooperation mit den Rehabilitationsträgern einen effektiven Beitrag zur gesundheitsförderlichen Anpassung der Arbeitsbedingungen leisten kann (Gagel, 2004, 1359).
Literatur
Gagel, A. (2004): Betriebliches Eingliederungsmanagement. NZA, 21, 1359-1362.
Kittner, M./Pieper, R. (2006): Arbeitsschutzrecht.
Kohte, W. (2005): Das SGB IX als arbeits- und sozialrechtliche Grundlage der Teilhabe am
Arbeitsleben. ZSR, 51, 7-35.
56
Mehrhoff, F. (2005): Zurück ins Berufsleben - Neue Aufgaben für die Prävention. BABl, Heft
8/9, 19-21.
Zipprich, J. (2006): Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen durch manuelles Handhaben
von Lasten.
57
Rehabilitation bei älteren Rehabilitanden
Altersvorsorge für ältere Arbeitnehmer
Haupt, C. (1), Löschmann, C. (1), Dietsche, S. (1), Eilitz, B. (2), Lamprecht, F. (3)
(1) eqs.-Institut Hamburg, (2) Psychosomatische Fachklinik Schömberg GmbH,
(3) Heidelberg
Hintergrund
Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit erhöht den Wettbewerb der Arbeitnehmer untereinander. Besonders unter Druck geraten ältere Arbeitnehmer, da sie zusätzlichen Belastungen
ausgesetzt sind. Hinzu kommen typische Folgen des Älterwerdens.
Altern lässt sich beschreiben als eine Aufeinanderfolge von Veränderungen und kritischen
Ereignissen, die Anpassungsleistungen erfordern. Zu den so genannten „Life-Events“ des
Alters gehören z. B. der erlittene oder drohende Verlust nahe stehender Menschen, der
neue Umgang mit körperlichen Erkrankungen, das Ende der Berufstätigkeit, finanzielle
Einschränkungen („Pensionierungsbankrott“), die Aktualisierung früherer Traumata im Alter
oder die Pflege der Eltern/des Partners, das Empty home oder der Partnerverlust durch Tod
oder Scheidung.
Dabei können negative Auswirkungen dieser Belastungen auftreten, wie Erkrankungen und
psychische Befindensbeeinträchtigungen, das Erleben einer verminderten Lebensqualität
als langfristige Folge von alltäglichen und andauernden Stressoren. Im Bereich der Altersvorsorge sind die wichtigsten Erkrankungen körperliche Beschwerden, Infektanfälligkeit,
Burnout, Depression, psychosomatische Erkrankungen, Schlafstörungen, Magen-DarmProbleme, Sucht und allgemeine, unspezifische Symptome. Mit präventiven Maßnahmen
kann durch Altersvorbereitung die Entwicklung solcher Krankheiten verhindert werden. Die
Altersvorbereitung hat sich aus der Erkenntnis heraus entwickelt, dass die im fortgeschrittenen Alter auftretenden Anforderungen häufig zu einer Überforderung führen, aus der heraus
psychische oder psychosomatische Erkrankungen entstehen können.
Eine präventive Strategie gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussion um die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre an Bedeutung.
Mit dem Fokus auf der Bedarfsermittlung wird deshalb untersucht, ob Bedarf für eine spezielle Ausrichtung auf ältere Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhaltung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Grundlage der ICF (3. Ebene, Ebene des Subjekts in Gesellschaft und Umwelt mit Barrieren und Förderfaktoren, die das Ausmaß der Partizipation bzw. Teilhabe und
damit letztlich die Beeinträchtigungen bestimmen) besteht.
Methodik
Die primäre Fragestellung ist die deskriptive Analyse zur Quantifizierung der Zielgruppe, älterer Arbeitnehmer mit Anpassungsschwierigkeiten, insbesondere depressiver Symptomatik.
Mit dem Schwerpunkt auf Prävention ist auf Grundlage der Ergebnisse ein Konzept zur Altersvorbereitung erstellt worden.
58
Daten aus der Behandlungsdokumentation von 15.915 Patienten aus 5 Kliniken aus den
Jahren 2004-2006 wurden analysiert. Von den Arbeitnehmern waren 6.811 unter 50 Jahre,
3.246 ab 50 Jahre alt und älter.
Ergebnisse
Ältere Arbeitnehmer haben erwartungskonform eher eine chronifizierte Erkrankung, waren
z. B. im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern bereits öfter in psychosomatischen Kliniken
(30,8 vs. 21,4 %). Höher sind u. a. auch lange AU-Zeiten in den letzen 12 Monaten vor Reha-Beginn (über 6 Monate AU: 21,3 vs. 16,4 %); auffällige Laborwerte bei der Aufnahme
(57,6 vs. 48,0 %).
Die Hauptsymptomatik war häufiger gemischt somatisch und psychisch (21,4 vs. 12,8 %);
besonders häufig sind depressive Störungen (44,8 vs. 35,0 %).
Diskussion
Der Anteil nicht chronifizierter psychischer bzw. psychosomatischer Symptome bei Menschen jenseits des 60. Lebensjahres wird auf mindestens 30 % geschätzt. Sie haben einen
Höhepunkt zwischen dem 50-60 Lebensjahr. Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass
die Vorbereitung des Dritten Alters früh beginnen sollte. Die spezifische Vorbereitung wird
ab 50 Jahren für sinnvoll erachtet (Schneider, 1993).
Unsere Daten zeigen, dass neben somatischen Erkrankungen (körperlicher Verschleiß) insbesondere die Erkrankungen zunehmen, die sowohl somatisch als auch psychisch sind, und
Depressionen ansteigen. Der Bedarf für eine spezielle Therapie ist vorhanden.
Ein spezielles Konzept (50+) wurde auf der Basis der bisherigen Forschungsergebnisse erstellt (ebenso ein Konzept für Personen nach dem Erwerbsleben mit dem Namen 70+ und
anderer Schwerpunktsetzung). Es wird erwartet, dass die älteren Patienten durch dieses
Programm für die Teilhabe am Arbeitsplatz gestärkt sowie für den Übergang in die Berentung vorbereitet werden. Ziel des Programms ist die Steigerung der Gesundheitskompetenzen. Grundlage für die individuelle Behandlung ist die umfassende medizinische und psychosoziale Diagnostik. In das Programm einbezogen werden sowohl symptomfreie Arbeitnehmer als auch bereits beeinträchtigte Personen. Auffrischungen und Nachsorge wurden
genauso aufgenommen wie individuelle Zusatzangebote, beispielsweise Patientenschulungen zu den Themen „Sucht im Alter“ oder „Psychische und Verhaltensstörungen“. Das Angebot richtet sich auch an Patienten mit zu pflegenden Angehörigen, die unter gesundheitlichen Folgen der Pflege Angehöriger leiden, insbesondere alle Formen der Erschöpfung bis
hin zum Burnout. Da die notwendige Dauerbetreuung der Angehörigen die eigene gesundheitliche Versorgung erschwert, sollte die Mitaufnahme oder anderweitige Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger geregelt sein.
Eine Rehabilitationsklinik konnte für die Erprobung des Konzepts gewonnen werden.
Literatur
Schneider, H.-D. (1993): Wie könnte die Altersvorbereitung zu einem Werkzeug der Prävention werden? Zeitschrift für Gerontologie, 26 (6), 419-428.
59
Verbessert ein kognitives Trainingsprogramm die Leistungsfähigkeit
älterer Arbeitnehmer (50-59 Jahre) in stationärer psychosomatischer
Rehabilitation?∗
Wagner, S. (1), Knickenberg, R.J. (2), Bleichner, F. (2), Beutel, M.E. (1)
(1) Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Johannes-GutenbergUniversität Mainz, (2) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt/Saale
Hintergrund
Ältere Arbeitnehmer (50-59 Jahre) in stationärer Rehabilitation berichten vor allem bei Umstrukturierungen und der Einführung neuer Technologien über erhebliche berufliche Belastung und Überforderung (Beutel et al., 2004). Bisher ist noch ungesichert, welche Rolle dabei mögliche kognitive Beeinträchtigungen (MCI) spielen und ob ein gezieltes Trainingsprogramm kognitive Abbauprozesse verlangsamen, Bewältigungsstrategien fördern und die
Erwerbsfähigkeit langfristig erhalten oder wiederherstellen kann.
Methode
Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur “Diagnostik und Therapie leichter kognitiver Beeinträchtigungen (LKB) bei älteren Arbeitnehmern (50-59 Jahre) in stationärer psychosomatischer Behandlung” wurde ein kognitives Trainingsprogamm für ältere Psychosomatikpatienten entwickelt und durchgeführt. Es sollte geprüft werden, welche Auswirkungen das
Training auf die objektiven und subjektiven Gedächtnisleistungen und die berufsbezogenen
Einstellungen der Teilnehmer hat. Eingeschlossen wurden alle Patienten der Psychosomatischen Klinik Bad Neustadt/Saale im Alter zwischen 50 und 59 Jahren, die ihr schriftliches
Einverständnis zur Teilnahme an der Studie gaben und in der kognitiven Leistungsfähigkeit
”auffällig” waren. Mit standardisierten neuropsychologischen Testverfahren wurde die kognitive Leistungsfähigkeit der Teilnehmer untersucht. Zusätzlich wurden mit Hilfe von Fragebögen subjektive Gedächtnisdefizite und berufsbezogene Einstellungen erhoben. Verglichen
wurden Zeitkohorten (ABAB-Design). Studienteilnehmer, die kognitive Beeinträchtigungen
aufwiesen, nahmen in der Interventionsphase an dem kognitiven Training teil. In der Kontrollphase erhielten Krankenhauspatienten keine zusätzliche Intervention, Rehabilitationspatienten nahmen am Hirnleistungstraining teil. Am Ende ihres Klinikaufenthalts wurde mit den
“auffälligen” Patienten erneut eine testpsychologische Untersuchung durchgeführt. Ein Jahr
nach Entlassung erfolgt eine katamnestische Nachbefragung. Es wurden 16 Trainingsgruppen durchgeführt. Das kognitive Trainingsprogramm fand in interaktiven Kleingruppen von
4-8 Patienten mit jeweils 7 Terminen (a 90 Min.) statt. Das Training vermittelte grundlegende
Informationen zu Gedächtnisprozessen und analysierte innerhalb der zwei Themenschwerpunkte (prospektives Gedächtnis, strukturiertes Erschließen neuer Information) anhand von
Verhaltensanalysen die Gedächtnisprobleme der Patienten. Besondere Bedeutung wurde
auf den Transfer des Gelernten in den beruflichen und sozialen Alltag der Teilnehmer gelegt.
∗
Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund
60
Insgesamt wiesen 29 % der Patienten in der kognitiven Leistungsfähigkeit “auffällige” Ergebnisse auf (Winbald et al., 2004). Die Leistung der Trainingsteilnehmer verbesserte sich
in den Gedächtnistests signifikant, während die der Kontrollgruppenmitglieder gleich blieb.
Zudem schätzten sie ihr Gedächtnis nach dem Training signifikant besser ein und machten
sich weniger Sorgen um ihr Gedächtnis. In den berufsbezogenen Einstellungen zeigte sich
bei den Trainingsteilnehmern eine Abnahme des Perfektionsstrebens und der Verausgabungsbereitschaft und ein Anstieg in der Distanzierungsfähigkeit und der inneren Ruhe. In
der Kontrollgruppe fanden sich keine Veränderungen der berufsbezogenen Einstellungen.
Im Evaluationsbogen am Ende der Trainingsgruppe trauten sich 82 % der Teilnehmer zu,
ihre im Rahmen der Gruppe entwickelten Verhaltensänderungen am Arbeitsplatz einzusetzen. 70 % schätzten ihre geistige Leistungsfähigkeit nach dem Training besser ein als vorher. Auswertungen der 1-Jahres-Katamnese an einer Teilstichprobe (n = 45) ergaben, dass
78 % der Teilnehmer die im Training gewonnenen Verhaltensänderungen in ihrem Alltag
nutzen konnten. Während 35 % der Kontrollgruppe nach Entlassung aus der Klinik einen
Rentenantrag gestellt hatte, waren es bei den Trainingsteilnehmern nur 16 %.
Diskussion
Das für die Rehabilitation angepasste kognitive Trainingsprogramm (Kaschel, 1999) ist bei
kognitiv “auffälligen” Patienten sinnvoll und wirksam. Ein solches Training kann besonders
bei älteren Patienten, die eventuell zusätzlich unter beruflichen Belastungen leiden, die Bewältigung kognitiver Defizite erleichtern und gleichzeitig die berufliche Leistungsfähigkeit
langfristig erhalten oder wiederherstellen. Welche Prozesse die Leistungssteigerung bei den
Patienten bewirkt haben, kann bisher noch nicht klar beantwortet werden. Wahrscheinlich
wirken hier mehrere Faktoren zusammen. Den Trainingsteilnehmern wurden im Laufe des
Trainings Strategien vermittelt, die ihnen helfen mit kognitiven Anforderungen in ihrem Alltag
besser umzugehen. Gleichzeitig erfuhren sie, wie sich leistungshemmende Faktoren wie
etwa Ängste auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken. Im Training lernten die Patienten ihre kognitiven Fähigkeiten auch in Stresssituationen effektiv zu nutzen. In weiterführenden Studien müsste untersucht werden, wie ältere bzw. stärker beeinträchtigte Patienten
von einem solchen Trainingsprogramm profitieren. Die Patienten in dieser Studie befinden
sich in ihrem Alter vermutlich in einer frühen Phase kognitiver Abbauprozesse und verfügen
dadurch noch über eine große Anzahl gut funktionierender Hirnstrukturen, die durch das
Trainingsprogramm gezielt gefördert werden können.
Literatur
Beutel, M.E., Gerhard, C., Wagner, S., Bittner, H.R., Bleichner, F., Schattenburg, L., Knickenberg, R., Freiling, T., Kreher, S., Martin, H. (2004): Verminderung von Technologieängsten in der psychosomatischen Rehabilitation - Konzepte und Ergebnisse zu einem
Computertraining für ältere Arbeitnehmer. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 37,
221-230.
Kaschel, R. (1999): Gedächtnistraining - ein verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm.
Weinheim: Psychologie Verlags Union.
Winblad, B. et al. (2004): Mild cognitive impairment - beyond controversies, towards a consensus: report of the international working group on mild cognitive impairment. Journal of
Internal Medicine, 256, 240-246.
61
Telemedizinische Schlafapnoe-Früherkennung für ältere Arbeitnehmer in
Reha-Einrichtungen
Böhning, N. (1), Kujumdshieva, B. (1), Böhning, W. (2)
(1) iDoc-Institut, Potsdam, (2) Karl-Hansen-Klinik, Bad Lippspringe
Hintergrund und Begründung für das Modell/Konzept sowie Stand der Literatur
Die Obstruktive Schlafapnoe ist eine Erkrankung mit schwerwiegenden kardiovaskulären
Folgeerkrankungen (Peker, 2006; Lavie, 2006). Durch eine frühzeitige Therapie können
komplizierende Krankheitsverläufe gemindert werden (Büchner, 2006). Das obstuktive
Schlafapnoe-Syndrom wird in der wissenschaftlichen Literatur als oxydativer Stress bewertet (Christou, 2003). Eine weiterführende Diagnostik mittels Polysomnographie ist aufgrund
der hohen Anzahl Betroffener und der begrenzten Untersuchungskapazitäten in erforderlichem Ausmaß nicht praktikabel. Die nächtliche Pulsoxymetrie stellt im Vergleich dazu eine
wesentlich einfachere Methode dar hinsichtlich der Detektion eines Schlafapnoe-Syndroms
(Whitelaw, 2005; Magalang, 2003). Unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten kann erwartet
werden, dass mit dieser Technik eine frühzeitige Diagnosestellung mit entsprechend frühzeitiger Einleitung der effektiven Therapie erreicht wird. Zusätzlich entstehende finanzielle Belastungen des Reha-Prozesses durch komplizierende cardiovaskuläre Folgeerkrankungen
werden reduziert (Fischer, Raschke, 2002).
Zielgruppe sowie Ein- und Ausschlusskriterien für die Rehabilitanden
Ältere Arbeitnehmer; Männer und Frauen im mittleren Lebensalter.
Einschlusskriterien: Patienten mit bekannten kardiovaskulären Erkrankungen wie koronare
Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck und Schlaganfall sowie geklagter
Tagesmüdigkeit. Dies gilt besonders für Risikogruppen wie Berufskraftfahrer und Berufe mit
Überwachung- und Kontrollfunktion.
Ausschlusskriterien: Auschlusskriterien gibt es keine. Weitere mögliche Begleiterkrankungen
wie Diabetes mellitus, Adipositas und Niereninsuffizienz verstärken die Wahrscheinlichkeit
der Diagnose und die Notwendigkeit einer Therapieaufnahme.
Intervention bzw. Reha-Prozess
In einer Pilotstudie wurde bei Vorliegen oben erwähnter Krankheitsbilder eine nächtliche
Langzeitpulsoxymetrie durchgeführt. Die Messergebnisse wurden telemedizinisch über eine
IT-Plattform an das kooperierende Schlaflabor geleitet, dort begutachtet und zurückgesendet (siehe Abbildung 1).
62
Abbildung 1: Ablauf der Screening-Untersuchung mit dem iDoc-System. Der telemedizinische Prozess ist in fünf Schritten strukturiert.
Ergebnisse
Von 78 Patienten hatten 72 (92,3 %) einen pathologischen Befund - davon 31 Patienten mit
schwergradigem Befund, der zur kurzfristigen Therapieeinleitung im Schlaflabor führte
(39,74 % von allen Patienten, ca. 43 % von den pathologischen Befunden). 41 Patienten
(52,56 % von der Gesamtzahl und ca. 57 % der pathologischen Befunde) zeigten einen
leichten bis mittelschweren Befund mit notwendiger weiterer Abklärung. Insgesamt fanden
sich bei nur 6 Patienten (7,7 %) unauffällige Ergebnisse. Fehlmessungen kamen nicht vor
(siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Demographische Daten der Patienten in Gruppen nach Ergebnissen der Pulsoxymetrie und Verteilung der begleitenden Krankheitsbilder (Mehrfachdiagnosen möglich):
KHK=Koronare
Herzkrankheit;
HR=Herzrhythmusstörungen;
RR=Bluthochdruck;
AP=Apoplex/Schlaganfall/TIA; TM=Tagesmüdigkeit.
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Gruppe 4
Anzahl
Befund
der Patienten
6
ohne
19
22
31
Alter
BMI
20 bis 80 J
(m=63,3 J)
leicht
27 bis 74 J
(m=47,5 J)
moderat 41 bis 72 J
(m=62,2 J)
schwer 40 bis 82 J
(m=58,6 J)
20,5 bis 34,3
(m=25,4)
21,6 bis 38,9
(m=29)
23,8 bis 47,8
(m=32,5)
23,5 bis 54,9
(m=35,2)
KHK
HR
RR
AP
TM
2
1
2
1
3
2
3
10
-
14
1
4
13
3
14
3
2
14
3
23
Im Reha-Prozess kann in der Reha-Einrichtung bei allen Rehabilitanden mit den erwähnten
Krankheitsbildern die telemedizinische Pulsoxymetrie zur Selektion gefährdeter Patienten
integriert werden.
Daten zur Inanspruchnahme und ggf. Akzeptanz
In den durchgeführten Untersuchungen wurde die Messung von allen Patienten akzeptiert.
In Reha-Einrichtungen kann problemlos als Routinemaßnahme ein Risikoscreening mit telemedizinischer Pulsoxymetrie mit einfachem technischen und geringem zeitlichen Aufwand
63
durchgeführt werden. Die fachmedizinische Auswertung durch erfahrene Schlafmediziner
erfolgt im telemedizinisch angeschlossenen Schlaflabor.
Diskussion (u. a. Übertragbarkeit, Wirtschaftlichkeit)
Das vorgestellte System arbeitet zuverlässig und ist in jeder Einrichtung einfach zu installieren und mit geringem Aufwand in die tägliche Routine zu integrieren. Die Kosteneinsparungen bei der Reha können signifikant medikamentöse Maßnahmen reduzieren und das Rehabilitationsergebnis verbessern. Auch die Folgekosten nach der Reha von nicht behandelter Schlafapnoe wie weitere Krankenhausaufenthalte und Arbeitsausfallzeiten sind so zu reduzieren.
Zur Diskussion steht die Empfehlung, alle Reha-Patienten mit Verdacht auf die o. g. Erkrankungen standardmäßig einem Risikoscreening zu unterziehen
Schlussfolgerung und Ausblick
Die IT-Plattform des iDoc-Instituts ermöglicht die Zusammenarbeit einer nicht schlafmedizinisch ausgerichteten Reha-Einrichtung mit einem Schlaflabor ohne Beanspruchung eigener
Ressourcen. Das vorgestellte System ist geeignet, eine zuverlässige und kostengünstige
Selektion in der Weise vorzunehmen, dass behandlungsbedürftige Patienten identifiziert/selektiert werden. Durch telemedizinisch gestützte frühzeitige Identifizierung dieser Patienten können schwerwiegende kardio- und cerebrovaskuläre Folgeerkrankungen vermindert, eine schnellere und bessere Rehabilitation/Genesung erreicht und eine signifikante
Verbesserung der Lebensqualität und Lebenserwartung erzielt werden.
Literatur
Peker, Y., Carlson, J., Hedner, J. (2006): Increased incidence of coronary artery disease in
sleep apnoea: a long-term follow-up. Eur Respir J; 28: 596-602.
Büchner, N.L., Wissing, K., Altenhenne, C., Rump, L.C., (2006): Einfluss einer CPAPTherapie auf die Nierenfunktion bei Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe. Somnologie;
10_Supplement: 6.
Lavie, L. (2006): From Oxidative Stress to Cardiovascular Risk in Obstructive Sleep Apnoea.
Somnologie; 10: 113-119.
Christou, K., Markoulis, N., Moulas, A.N., Pasteka, C., Gourgoulianis, K. (2003): Reactive
oxygen metabolites (ROMs) as an index of oxidative stress in obstructive sleep apnea patients. Sleep Breath; 7: 105-110.
Whitelaw, W.A., Brant, R.F., Flemons, W.W. (2005): Clinical usefulness of home oximetry
compared with polysomnography for assessment of sleep apnea. Am J Respir Crit Care
Med; 171: 188-193.
Magalang, U.J., Dmochowski, J., Veeramachaneni, S., Draw, A., Mador, M.J., El-Solh, A.,
Grant, B.J.B. (2003): Prediction of the apnea-hypopnea index from overnight pulse oximetry. Chest; 124: 1694-1701.
Fischer, J., Raschke, F. (2002): Kosten-Nutzen-Analyse bei Patienten mit schlafbezogenen
Atmungsstörungen. Biomed Technik; 47: 245-251.
64
Lohnt sich die psychosomatische Rehabilitation in höherem
Lebensalter?
Rüddel, H., Jürgensen, R., Mans, E.
Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift und Forschungszentrum für Psychosomatik
und Psychobiologie der Universität Trier, Bad Kreuznach
Hintergrund
Die Effektivität der psychosomatischen Rehabilitation ist mittlerweile unbestritten. Weit verbreitet ist allerdings das Vorurteil, dass in höherem Lebensalter und insbesondere bei Patientinnen und Patienten über 65 die Effektivität der psychosomatischen Rehabilitation fraglich ist. In den letzten Jahren sind zwar einige Konzepte und empirische Ergebnisse zur Effektivität der Psychotherapie in höherem Lebensalter publiziert worden (Rüddel, 2005; Heuft
et al., 2000), jedoch ist für die psychosomatische Rehabilitation bisher nicht systematisch
untersucht, ob die guten Behandlungseffekte auch für Patientinnen und Patienten nachweisbar sind.
Methodik
Wir untersuchten in einer retrospektiven Datenanalyse Basisparameter zur Effektmessung
der psychosomatischen Rehabilitation bei allen Patienten über 55 Jahren, die im Zeitraum
2001 bis 2005 im St. Franziska-Stift stationär rehabilitiert wurden. Die Patienten wurden in 2
Gruppen eingeteilt:
Gruppe A: Patienten im Alter von 55 bis 65 Jahren (Mittelwert 59 Jahre) und
Gruppe B: Patienten über 65 Jahre (Mittelwert 72 Jahre).
Erfasst wurden Daten der Basisdokumentation, Ergebnisse der Patientenbefragung zur Rehabilitationsbehandlung und prä-post-Messungen der eingesetzten Psychometrie (Depressivität mit dem ADSK und Beschwerden mit dem GBB). Ausgewertet wurden die Daten von
1.807 Patienten (1.671 Gruppe A und 136 Patienten Gruppe B).
Ergebnisse
Auffällig war, dass bei den Patientinnen und Patienten über 65 Jahre der Frauenanteil noch
höher ist als bei allen Populationen in der psychosomatischen Rehabilitation und der Vergleichsgruppe (Gruppe A) (Chi-Quadrat=31.6, p<.001). 83 % der im St. Franziska-Stift rehabilitierten älteren Patienten waren Frauen. Ein weiteres auffälliges Ergebnis war, dass bei
den älteren Patienten die durchschnittliche Behandlungsdauer mit 31 Tagen deutlich niedriger war als bei den Patienten der Vergleichsgruppe (Gruppe A, 40 +/- 11 Tage) (t=13,
p<.0001). Keine signifikanten Unterschiede fanden sich in der Diagnoseverteilung. Insbesondere war der prozentuale Anteil von somatoformen Störungen (F45) identisch in den
beiden gebildeten Gruppen. Kein signifikanter Unterschied fand sich in dem durch die Patienten bewerteten Kriterien des Behandlungserfolges (2,62 +/- 1,26 vs. 2,75 +/- 1,23; t=.63,
n.s). Keinerlei signifikanten Unterschiede fanden sich in den Effektstärken bei der Veränderung depressiver Symptomatik und des Beschwerdedrucks (s. Tabelle 1).
65
Fazit
Unsere Ergebnisse zeigen, dass in psychosomatischen Rehabilitationskliniken auch ohne
spezielle Konzepte für eine Alternspsychosomatik gute Behandlungserfolge bei relativ kurzen Rehabilitationszeiten zu erzielen sind. Sie liegen durchaus in vergleichbarer Größenordnung mit den bekannten guten Rehabilitationserfolgen jüngerer Altersgruppierungen.
Diese Ergebnisse legen nahe, Patienten höheren Lebensalters den Zugang zu einer effektiven stationären psychosomatischen Rehabilitation nicht zu verwehren. Unklar bleibt, ob mit
spezifischen alterspsychosomatischen Rehabilitationssettings diese Behandlungsergebnisse noch weiter optimiert werden können.
Tabelle 1
Aufnahme
Mittel- Streuung
wert
55-65
ADS
GBB - Gesamt
>65
ADS
GBB - Gesamt
Entlassung
Mittel- Streuung
wert
mittlere
Differenz
Effektstärke
(Cohen)
20,82
35,61
9,64
16,90
15,58
25,50
9,08
17,48
-5,24
-10,11
.60
.75
20,91
32,73
9,78
16,07
15,69
24,59
8,68
15,97
-5,22
-8,14
.62
.62
Literatur
Heuft, G., Kruse, A., Radebold, H. (2000): Lehrbuch der Gerontopsychosomatik und Alterspsychotherapie. München, Reinhardt.
Rüddel, H., Psychotherapeutische Besonderheiten bei Patienten im höheren Lebensalter.
In: Bothe B, Ugolini B. (Hrsg) 2005: Lebenshorizont Alter. Zürich, vdf, 35-45.
AMIKA - Ältere Menschen in Körperlicher Aktion - Entwicklung und
Validierung einer fotobasierten Skala zur Erfassung von Fear-Avoidance
Beliefs im höheren Lebensalter
Luckmann, J., Quint, S., Basler, H.D.
Institut für Medizinische Psychologie der Philipps-Universität Marburg
Hintergrund und Forschungsstand
Fear-Avoidance Beliefs (FAB) sind als Chronifizierungsrisiko für Low Back Pain (LBP) bekannt. Dies trifft auch für Patienten in höherem Lebensalter zu (Basler et al., 2006). Reliable
und valide Messinstrumente zur Erfassung der FAB für ältere Personen liegen bisher kaum
vor. Die von Vlaeyen entwickelte und auf Fotos basierende PHODA-Scale, deren Einsatz
sich in einer Konfrontationstherapie bei der Behandlung von FAB schon als erfolgreich erwies (Vlaeyen et al., 2003), bietet einen interessanten Ansatz zur Erfassung von FAB bei
älteren Menschen.
66
Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Entwicklung und psychometrische Überprüfung eines AMIKA genannten Messinstrumentes zur Erfassung der FAB, welches in Anlehnung an
die PHODA-Scale auf die Bedürfnisse älterer Personen abgestimmt ist.
Methode
Die 50 Fotos der AMIKA zeigen relevante Alltagsaktivitäten (ADL) für eine ältere Zielgruppe.
Die Bilder enthalten die Wirbelsäule beanspruchende Bewegungsabläufe wie Bücken, Tragen und Heben aus den Bereichen Haushalt, Garten und Freizeitaktivitäten. Es wird jeweils
die Schädlichkeit der abgebildeten Aktivitäten für die Gesundheit des eigenen Rückens bewertet und auf einer Ratingskala mit den Polen 0 (= gar nicht gesundheitsschädlich) bis 10
(= sehr gesundheitsschädlich) abgetragen.
In die laufende Studie sind bisher 103 Personen mit der Diagnose LBP und einem Lebensalter von ≥ 64 Jahre einbezogen worden. Davon wurden 67 Personen nach vier Wochen zu t2
erneut untersucht. Es gibt keine Selektionseffekte zwischen den Gruppen. Die Konstruktvalidität wurde mit der Tampa Scale of Kinesiophobia (TSK) (Schaub et al., 2004), der KVS65+, einer Adaption der Kurzform der PASS (Quint, im Druck) sowie der Skala 5-Item-FAB
(Basler et al., 2006) ermittelt. Die Kriteriumsvalidität wurde mit zwei Schmerzparametern aus
dem strukturierten Schmerzinterview für geriatrische Patienten, dem Freiburger Fragebogen
zur körperlichen Aktivität (Frey et al., 1999) und mit dem Funktionsfragebogen Hannover
(Kohlmann et al., 1996) sowie objektiven Funktionsparametern, die mit Hilfe von Ultraschalltopometrie erfasst wurden, gemessen.
Ergebnisse
Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass eine befriedigende Retest-Reliabilität und hohe interne Konsistenzen der Skala vorliegen. Des Weiteren zeigen die signifikanten Korrelationen der AMIKA mit der KVS-65+ (rt1=.33, rt2=.35), der TSK (rt1=.32, rt2=.45) und der 5Item-FAB-Skala (rt1=.29, rt2=.29), dass die AMIKA das Konstrukt Fear-Avoidance Beliefs im
Vergleich mit konstruktrelevanten Instrumenten hinreichend erfasst.
Bezüglich der Kriteriumsvalidität zeigt sich der erwartete und statistisch gesicherte Zusammenhang zwischen der AMIKA und der subjektiv wahrgenommenen Funktionskapazität
(FFbH-R) (rt1=-.54, rt2=-.55) sowie der Schmerzintensität und -häufigkeit (zwischen rt1=.29
und rt2=.63). Die objektiven Funktionsparameter weisen zu t1 keinen und zu t2 nur einen geringen Zusammenhang mit der AMIKA auf, während körperliche Aktivität zu keinem Zeitpunkt mit der AMIKA korreliert. Dies lässt vermuten, dass mit der AMIKA gemessene Überzeugungen von der Schädlichkeit einer Alltagsaktivität nicht dazu führen, dass körperliche
Aktivität insgesamt unterlassen wird, sondern nur bestimmte Aktivitäten vermieden werden.
Diskussion
Nach den vorliegenden Ergebnissen stellt die AMIKA ein valides und reliables Messinstrument dar, welches geeignet ist, FAB im höheren Lebensalter angemessen zu erfassen. Um
eine abschließende Bewertung der Ergebnisse vornehmen zu können, erfolgt gegenwärtig
die Testung der AMIKA an einer Stichprobe rückengesunder älterer Personen, um auch Befunde zur diskrimanten Validität berücksichtigen zu können.
Bei Bestätigung der Werte soll die AMIKA für eine Therapiestudie als Instrument zur Erstellung einer FAB-Hierarchie eingesetzt werden. Beachtenswert erscheint dabei, dass nach
67
den vorliegenden Ergebnissen, erhöhte FAB mit einer Einschränkung im Bereich der subjektiv wahrgenommenen Funktionskapazität einhergehen, was gerade in höherem Alter zum
Verlust der Selbständigkeit beitragen kann. Ein auf die spezifische FAB-Hierarchie eines Patienten abgestimmtes Konfrontationstraining im Rahmen einer physiotherapeutischen Intervention kann die Selbstständigkeit im Alter fördern und erhalten.
Literatur
Basler, H.D., Quint, S., Wolf, U. (2006): Fear Avoidance Beliefs und Funktion bei älteren
Personen mit chronischem Rückenschmerz. Schmerz, 20 (3), 189-197.
Frey, I., Berg, A., Grathwohl, D., Keul, J. (1999): Freiburger Fragebogen zur körperlichen
Aktivität - Entwicklung, Prüfung und Anwendung. Sozial- und Präventivmedizin, 44, 5564.
Kohlmann, T., Raspe, H. (1996): Der Funktionsfragebogen Hannover zur alltagsnahen Diagnostik der Funktionsbeeinträchtigung durch Rückenschmerzen (FFbH-R). Rehabilitation,
35, I-VIII.
Schaub, C., Klasen, B., Hallner, D., Ovaskainen, P., Hasenbring, M. (2004): German version
of the Tampa Scale of Kinesiophobia: Validity, factor structure and correlations with psychosocial factors. Unveröffentlichtes Manuskript.
Ouint, S. (2006): Validierung der deutschen Kurzform der Pain-Anxiety-Symptom-Scale-D
65+ (PASS-D 65+) an Patienten im höheren Lebensalter. Manuskript eingereicht zur Publikation.
Vlaeyen, J.W.S, de Jong, J., Geilen, M., Heuts, P.H.T.G., v. Breukelen, G. (2003): The
treatment of fear of movement/(re)injury in low back pain: further evidence on the effectiveness of exposure in vivo. Clinical Journal of Pain 18, 251-261
Untersuchung der Wirkung mechanischer Stimuli durch oszillierende
Interventionen auf die Muskelkraft, Koordination und Knochenfestigkeit
bei älteren Menschen
Swiniarek, D., Eichner, G., Kleist, B., Beyer, W.F.
Orthopädie-Zentrum Bad Füssing der Deutschen Rentenversicherung Oberbayern
Problemstellung
Wissenschaftliche Untersuchungen über oszillierende Interventionen zeigen vermehrt die
positiven Effekte dieser neuartigen Therapieform. In der Medizin werden die biomechanischen Aspekte der Vibrationstherapie bereits verbreitet in der Prävention und Rehabilitation
verschiedener Krankheiten und Verletzungen eingesetzt. Dabei werden sowohl Ad-hocEffekte, als auch Langzeiteffekte diskutiert.
Gerade im Alter nehmen durch biologische Abbauprozesse - begünstigt durch chronische
Krankheiten und Bewegungsmangel - Muskelkraft, Gleichgewichtsfähigkeit und Knochendichte ab. Um diesen Prozessen effektiv entgegenzuwirken, ist es von besonderer Bedeutung, dass neben der Muskelmasse und Muskelkraft die Stütz- und Zielmotorik gefördert
und wieder aufgebaut wird.
68
In dieser kontrollierten prospektiven Studie soll gezeigt werden, welche Effekte durch ein
dreimonatiges Ganzkörpervibrationstraining hinsichtlich der Muskelkraft, der Gleichgewichtsfähigkeit und der Knochendichte bei älteren Menschen (> 60 Jahre) zu beobachten
sind.
Methodik
9 Teilnehmer (Alter: M = 71,4 Jahre) und 31 Teilnehmerinnen (Alter: M = 69,8 Jahre) führten
ein dreimonatiges standardisiertes Ganzkörpervibrationstraining durch. Als Kontrollgruppe
dienten 8 männliche Personen (Alter: M = 68,4 Jahre) und 29 weibliche Personen (Alter: M
= 70,2 Jahre), deren Hausarzt aufgrund vorgegebener Kontraindikationen (z. B. Herzrhythmusstörungen) die Teilnahme an der Untersuchung verweigerten. Zu drei Messzeitpunkten
(t1 = vor dem Training, t2 = nach dem Training, t3 = drei Monate nach dem Training) wurde
bei allen Studienteilnehmern die Knochendichte (DXA-Methode), die Rumpfkraft (IPN-BackCheck) und die Gleichgewichtsfähigkeit (Biodex Stability System) gemessen sowie alltagsmotorische Tests (Chair-rising-Test, Timed-up-and-go-Test, Tandemgang) bezüglich der
Sturzgefährdung durchgeführt. Die Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit und Lebensqualität wurde anhand zweier Fragebögen (NHP, EuroQol) erfasst. Nach drei Messzeitpunkten liegen 77 auswertbare Messungen vor.
Ergebnisse
In dieser Untersuchung konnte zu keinem der drei Messzeitpunkte ein Effekt auf die Knochendichte (BMD, BMC, T-Score) nachgewiesen werden. Die Rumpfkraft (Flexoren/Extensoren) stieg zum Messzeitpunkt t2 in der Interventionsgruppe sowohl bei den
Männern (Flex: p = 0,013/ Ext: p = 0,040) als auch bei den Frauen (Flex: p = 0,025/ Ext:
p=0,003) signifikant an. In der Kontrollgruppe war kein statistischer Unterschied zwischen
Messzeitpunkt t1 und t2 zu verzeichnen. Nach dem Training nahm die Rumpfkraft in der
Trainingsgruppe wieder ab (t3). Es ließen sich des Weiteren Verbesserungen der Gleichgewichtsfähigkeit (p = 0,016) und alltagsmotorischen Fähigkeiten (p = 0,000) nachweisen. Auf
den allgemeinen Gesundheitszustand hatte das Training keinen Einfluss.
Diskussion
Beim Training auf einer Vibrationsplattform ist gefordert, im Stand oder anderen spezifischen Körperhaltungen während der Übung sowohl den Kopf in der Horizontalen als auch
den Rumpf ruhig und aufrecht zu halten, d. h. die beteiligten Muskeln müssen auf die vom
Gerät aufgezwungene oszillierende Bewegungsform reagieren. Dieser Trainingsreiz verbessert die inter- und intramuskuläre Koordination, und das posturale System erhält den Lernimpuls, unter „Störungseinfluss“ das Gleichgewicht zu finden und zu erhalten. Die skizzierten Ergebnisse zeigen, dass bei älteren Menschen eine Verbesserung der posturalen Fähigkeiten nicht nur positive Auswirkungen auf die alltagsmotorische Fähigkeiten haben, sondern sich auch in einer Erhöhung des muskulären Status‘ des Rumpfes auswirkten.
Nach einem dreimonatigen Ganzkörpervibrationstraining konnte zum Messzeitpunkt t2
(= nach dem Training) ein Kraftanstieg der Rumpfmuskulatur, eine Steigerung der Gleichgewichtsfähigkeit und eine Verringerung der Sturzgefährdung nachgewiesen werden. Die
Nachhaltigkeit der Trainingeffekte konnte nur vereinzelt bestätigt werden. Zur positiven Beeinflussung der Knochendichteparameter (BMD, BMC, T-Score) und des allgemeinen Ge69
sundheitszustands scheint ein intensiveres und längeres Vibrationstraining von Bedeutung
zu sein.
Literatur
Delecluse, Verschueren et al. (2003): Strength increase after whole-body vibration compared with resistance training. Medicine and science in sports and exercise, 1033-1041.
Verschueren et al. (2004): Effects of 6-month body vibration training. Journal of bone and
mineral research.
Bosco et al. (2000): Hormonal responses to whole-body vibration. Europ J Appl Physiol,
449-445.
70
Methodik der Reha-Forschung
Goldstandard Metaanalyse auch in der Rehabilitation? - Anfrage an die
Levels of Evidenz bei komplexen Interventionen
Zimmermann, M.
Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Levels of Evidence gewinnen auch für die Rehabilitationswissenschaften zunehmend an
Bedeutung. Analog zur Evidenz-basierten Medizin gelten auch in der Rehabilitation auf randomisiert-kontrollierten Studien aufbauende systematische Reviews und Metaanalysen als
höchster Evidenzgrad (vgl. Farin, Antes, 2000). Das Ziel solcher Sekundäranalysen besteht
generell in der größeren Aussagekraft (als der Einzelstudie) und dabei handlungssteuernde
und entscheidungsstützende Funktion aufweisen. Methodische Zweifel werden hierbei zurzeit vorwiegend in dem hinsichtlich Qualität und Quantität unbefriedigenden nationalen und
internationalen Forschungsstand zur Effektivität rehabilitationsspezifischer Interventionen
gesehen. Nicht in Frage gestellt wird dagegen die Problematik des Vergleichs und der Poolung von Daten, die in unterschiedlichen Rehabilitationssystemen gewonnen wurden. Der
folgende Beitrag möchte anhand eines systematischen Reviews zur multidisziplinären Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen darstellen, welche Artefakte entstehen können, wenn die Ergebnisse von Rehabilitationsmaßnahmen miteinander in Beziehung gesetzt
werden, ohne den Zugang und die rechtlichen Rahmenbedingungen der Länder, in denen
die Studien durchgeführt wurden, zu berücksichtigen.
Hierzu werden die Ergebnisse der systematischen Reviews von Guzman (Guzman et al.,
2001) und Hayden (Hayden et al., 2005) mit den Ergebnissen eines international vergleichenden Forschungsvorhabens „Internationaler Vergleich Rehabilitation: „Deutschland,
Großbritannien, Schweden und die Schweiz“ miteinander in Beziehung gesetzt. Dabei wurde die Rehabilitation in den benannten Ländern auf ihre Unterschiede in der finalen und
funktionalen Ausrichtung und der Umsetzung in konkrete institutionelle Gliederungen und
Organisationsstrukturen untersucht. Mittels insgesamt 22 Experteninterviews und Sekundäranalysen in den vier benannten Ländern wurden der Zugang zur Rehabilitation und das
rehabilitative Repertoire sowohl für die Bewältigung funktionaler Einschränkungen in medizinisch und beruflich orientierten Rehabilitationseinrichtungen ermittelt (vgl. Zimmermann,
Weber, 2000; Zimmermann, 2005).
In beiden Reviews wurden Studien aus unterschiedlichen Ländern und somit unterschiedlichen Rehabilitationssystemen eingeschlossen. Beide konnten für die untersuchten Interventionen Effekte für einen Rehabilitationserfolg ausmachen. Zwar wird in beiden Arbeiten das
Problem von sehr unterschiedlichen Studiengruppen, unterschiedlichen Interventionen und
unterschiedlicher Therapiedauer und -intensität thematisiert. Für den Einschluss und vor allem Ausschluss von Studien haben diese Einflussgrößen jedoch keine Konsequenzen.
Betrachtet man jedoch, dass gerade im Bereich der Rehabilitation sehr unterschiedliche
Funktionen und Zugänge die Rehabilitationssysteme in verschiedenen Ländern beeinflus71
sen, so ist die Frage zu stellen, ob die Nichtberücksichtigung dieser Kontexte nicht die Vergleichbarkeit der Studien grundsätzlich in Frage stellt. Denn Rehabilitation kann in der Funktion von der Vermeidung von Frühverrentung über Return to Work hin zur Sekundärprävention reichen und in Fragen des Zugangs z. B. Rehabilitanden mit chronischen Beschwerden
unabhängig ihres Erwerbsstatus (Schweiz) bis hin zur Zielgruppe der Langzeitarbeitsunfähigen (mindestens 6 Monate und mehr) einschließen, sie kann stationär über drei bis vier Wochen (Deutschland), in einzelnen zahlenmäßig begrenzten Therapiestunden (England) oder
auch ambulant bis hin zu einem Jahr (Schweden) andauern.
Werden solche Unterschiede in der Funktion, Zielgerichtetheit, dem Konzept, Setting und
dem Zugang von Rehabilitationsmaßnahmen in Übersichtsarbeiten nivelliert, so besteht die
Gefahr, dass Artefakte produziert werden, die mehr als nur das Problem der Vermittlung von
Effectiveness und Efficacy darstellen und damit die eigentliche Intention von Metaanalysen
und systematischen Reviews in Frage stellen.
Literatur
Farin, E., Antes, G. (2000): Forschungsintegration und Metaanalysen im Kontext Evidenzbasiierter Medizin, in: Bengel, J., Koch, U., Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften, Berlin, Heidelberg, New York, 430-449.
Guzman, J. et al. (2001): Multidiciplinary rehabilitation for chronic low back pain: systematic
review, in: BMJ 322, 1511-1515.
Hayden, J.A., van Tulder, M., Malmivaara, A., Koes, B. (2005): Meta-Analysis: Exercise
Therapy for Nonspecific Low Back Pain. I,n: Ann Intern Med. 42, 765-775.
Zimmermann, M., Weber, A. (2000): Struktur- und systembedingte Grenzen und Möglichkeiten der Selbstbestimmung im Prozess der Rehabilitation in Deutschland, Schweden und
der Schweiz. In: Blumenthal W. et al. (Hg.), Selbstbestimmung in der Rehabilitation Chancen und Grenzen, (=DVfR-Reihe: Interdisziplinäre Schriften zur Rehabilitation, Band
9), Ulm.
Zimmermann, M. (2005): Medizinische und/oder berufliche Rehabilitation? Zuweisung und
Wahl der „richtigen“ Rehabilitation für Patienten mit chronisch behindernden Rückenschmerzen im internationalen Vergleich. In: VDR (Hg.): Rehabilitationsforschung in
Deutschland - Stand und Perspektiven, Bad Homburg, 380-381.
Studienqualität in der Psychosomatischen Reha-Forschung: Anspruch
und Wirklichkeit
Dietsche, S. (1), Löschmann, C. (1), Steffanowski, A. (2), Nübling, R. (3),
Wittmann, W.W. (2)
(1) eqs.-Institut Hamburg, (2) Universität Mannheim, Lehrstuhl Psychologie II,
(3) Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg
Hintergrund
Die Reha-Forschung hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Dies betrifft
nicht nur die Anzahl der durchgeführten Studien sondern auch die Diskussion über die Me72
thodik der Reha-Forschung (Koch, Buschmann-Steinhage, 2004). Dies ist auch auf die Reha-Forschungsverbünde der letzten Jahre und die damit verbundenen Methodenzentren zurückzuführen. Empfehlungen zur Anlage, Durchführung und Interpretation speziell von Reha-Studien liegen vor (Faller et al., 1999).
Trotzdem stellt sich die Frage, in welcher methodischen Qualität Forschungsprojekte (nicht
nur der Verbünde) durchgeführt und präsentiert werden. Dieser Frage soll auf der Basis einer Metaanalyse (Löschmann et al., 2005, Steffanowski et al., 2005) nachgegangen werden,
in der Studien zur stationären psychosomatischen Rehabilitation hinsichtlich verschiedener
Merkmale eingeschätzt und dann hinsichtlich ihrer Effekte zusammengefasst wurden. Zu
den eingeschätzten Merkmalen gehörten auch Aspekte der Studienqualität.
Studiendesign
Eingeschlossen wurden Studien zur stationären psychosomatischen Rehabilitation in
Deutschland, die empirische Behandlungsergebnisse berichten und mindestens ein KontrollSetting aufweisen (Prä-Messung oder Kontrollgruppe).
Diese Einschlusskriterien wurden von 94 Publikationen erfüllt, die sich auf 65 Primärstudien
beziehen. Die Beurteilung der Studien erfolgte anhand eines in mehreren Schritten entwickelten Manuals bei zufrieden stellender Interraterreliabilität.
Ergebnisse
Die Qualität der Studien fällt in den verschiedenen Bereichen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Während die Fragestellung in den meisten Studien klar berichtet wurde
(78 % der eingeschlossenen 65 Studien) und sich die Ergebnisse auch meist sinnvoll auf die
Fragestellungen beziehen (95 %) werden nur in 22 % der Studien explizite Hypothesen formuliert. Weitere kritische Punkte sind etwa die Standardisierung der Erhebungssituation
(29 %), die Vollständigkeit der Stichprobenbeschreibung (23 %) und die Prüfung der Repräsentativität bei Entlassungs- und Katamnesebefragungen (38 %).
Die einzelnen Punkte der Bewertung wurden auf einer Skala „Allgemeine methodische Qualität“ (AmQ) zusammengefasst, die von 0 bis 20 reicht und auf der hohe Werte eine hohe
methodische Qualität anzeigen. Der Mittelwert liegt hier bei 13 und der Modus bei 14.
Die Qualität der Studien ändert sich nicht bedeutsam im Zeitverlauf (Beobachtungszeitraum
1989-2004).
Diskussion und Ausblick
Die Studien, die in die Metaanalyse eingeschlossen wurden, entsprechen zumindest in ihrer
Darstellung in Teilen nicht den Vorgaben guter klinischer Forschung (wie z. B. dem CONSORT-Statement, in diesem Fall für randomisierte Studien, Moher et al., 2004). Dies betrifft
- unabhängig von der Frage des gewählten Studiendesigns - v. a. die Beschreibungen von
Fragestellung/Hypothesen, Stichproben und der Erhebungssituation sowie die Überprüfung
der Repräsentativität von Folgeerhebungen. Nicht beantwortet werden kann auf dieser Datenbasis, ob die genannten Kritikpunkte letztlich auf die Anlage, die Durchführung oder die
Darstellung der Studien zurückzuführen sind.
73
Sinnvolle Schritte zu einer Steigerung der Qualität der Forschung können zum einen die
stärkere Verbreitung von Empfehlungen zur Studienplanung sein wie auch die Ergänzung
dieser Empfehlungen um Aspekte der Beschreibung von Studien.
Literatur
Faller, H., Haaf, H.G., Kohlmann, Th., Löschmann, Ch., Maurischat, C., Petermann, F.,
Schulz, H., Zwingmann, Ch. (1999): Orientierungshilfen und Empfehlungen für die Anlage, Durchführung und Interpretation von Studien in der Rehabilitationsforschung. In: VDR
(Hrsg.), DRV-Schriften Bd. 16, 9-51.
Koch, U., Buschmann-Steinhage, R. (2004): Zum Verständnis und zu den Voraussetzungen
der Rehabilitationswissenschaften in Deutschland. Deutsche Rentenversicherung; 5: 263272.
Löschmann, C., Steffanowski, A., Schmidt, J., Wittmann, W.W., Nübling, R. (2005): Evidenz
stationärer psychosomatischer Rehabilitation - Ergebnisse der MESTA-Studie. Tagungsband des 14. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums, DRV-Schriften 59, 438-440.
Moher, D., Schulz, K.F., Altman, D.G., (2004): Das CONSORT Statement: Überarbeitete
Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Reports randomisierter Studien im ParallelDesign. Dtsch Med Wochenschr; 129; T16-T20.
Steffanowski, A., Löschmann, C., Schmidt, J., Wittmann, W.W., Nübling, R. (2005): Metaanalyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation (MESTA-Studie). Unveröffentlichter Abschlussbericht. Mannheim: Universität Mannheim, Lehrstuhl Psychologie II/Hamburg: eqs.-Institut.
Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in der
onkologischen Rehabilitation - Response Shift als Einflussfaktor auf die
Veränderungsmessung
Jelitte, M. (1), Schulte, T. (2), Schuler, M. (1), Faller, H. (1)
(1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg,
(2) Klinik für onkologische Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung, Bad Oexen
Hintergrund
Response Shift wird gegenwärtig als Einflussfaktor auf die Erfassung gesundheitsbezogener
Lebensqualität (GLQ) diskutiert. Darunter ist eine Veränderung des individuellen Bewertungshintergrunds für ein persönlich bedeutsames Konzept (wie GLQ) infolge der Auseinandersetzung mit einem kritischen Lebensereignis zu verstehen (Sprangers, Schwartz, 2000).
Die Konfrontation mit einer Krebserkrankung und deren Behandlung kann hinsichtlich der
GLQ bei betroffenen Personen einen Response Shift verursachen. Drei Prozesse werden
als relevant diskutiert: eine subjektive Neubewertung dessen, was die betroffene Person unter Lebensqualität versteht (Neukonzeptualisierung), eine veränderte Gewichtung der vorhandenen Kriterien, die Lebensqualität ausmachen (Reprioritisierung), und die Veränderung
des Bewertungsbereichs einzelner Kriterien (Rekalibrierung, Güthlin, 2004).
74
Mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellen ist GLQ als latentes Konstrukt durch bestimmte
Indikatoren analysierbar. Nach Oort (2005) lässt sich Response Shift ebenfalls mit dieser
statistischen Methode erfassen. Dazu wird zu zwei Messzeitpunkten jeweils dasselbe
Messmodell des latenten Konstrukts definiert. Response Shift wird anhand spezifischer Parameterveränderungen zwischen den Modellen der beiden Messzeitpunkte beschrieben. Es
liegt ein Response Shift vor, wenn sich (a) die Faktorladungsmuster des gesamten Modells
verändern (Neukonzeptualisierung), (b) die Höhe der einzelnen Faktorladungen der Indikatorvariablen auf die latente Variable variieren (Reprioritisierung) und (c) die Varianzen der
Residualvariablen der einzelnen Indikatorvariablen sowie die Höhe der Intercepts der Indikatorvariablen zwischen beiden Messzeitpunkten so sehr verändern (Rekalibrierung), dass
keine Gleichheit dieser Parameter in beiden Modellen angenommen werden kann.
Methodik
Die GLQ bei Prostatakrebspatienten in der AHB wurde mit Hilfe des krebsspezifischen Lebensqualitätsinstruments EORTC-QLQ-C30 erfasst. In einem ersten Schritt wurde ein aus
der Literatur bekanntes Modell der GLQ bei Krebspatienten (Böhmer und Luszczynska
2006) an einer Stichprobe von 167 Prostatakrebspatienten (M (Alter): 61,6 Jahre, SD: 12,2
Jahre) zu Beginn der Rehabilitation mit Hilfe einer Konfirmatorsichen Faktorenanalyse überprüft (CMIN/DF = 1,22, GFI = 0,99, AGFI = 0,96, NFI = 0,99, RMSEA = 0,04). Im zweiten
Schritt wurde das Modell in der Untersuchungsstichprobe von 228 Prostatakrebspatienten
(M (Alter): 66,2 Jahre, SD: 5,7 Jahre) zu zwei Messzeitpunkten (Rehabeginn, 3 Monate
nach Rehabeginn) bestätigt (Messzeitpunkt 1: CMIN/DF = 0,43, GFI = 0,99, AGFI = 0,99,
NFI = 0,99, RMSEA < 0,01; Messzeitpunkt 2: CMIN/DF = 0,41, GFI = 0,99, AGFI = 0,99,
NFI = 0,99, RMSEA < 0,01). Mit Hilfe der Restringierungen (Gleichsetzung zwischen den
Modellen) der oben genannten Parameter (a) bis (c) wurde der Response-Stift-Einfluss untersucht.
Ergebnisse
Ein vollständig restringiertes Modell der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Prostatakrebspatienten in der Rehabilitation, in dem alle response-shift-relevanten Parameter zu
beiden Messzeitpunkten gleichgesetzt werden, unterscheidet sich statistisch signifikant von
einem nicht-restringierten Modell (CMIN = 212,17, DF = 14, p < 0.001). Es ist also davon
auszugehen, dass ein Response Shift zwischen beiden Messzeitpunkten aufgetreten ist. In
weiteren Analysen wird untersucht, welche Response-Shift-Parameter im Wesentlichen für
die Unterschiede zwischen den Modellen verantwortlich sind. Abschließend soll überprüft
werden, welchen Einfluss der Response Shift auf die tatsächliche Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität hat.
Diskussion
Die ersten Ergebnisse liefern Hinweise auf einen Response Shift bei Patienten mit ProstataCa in und nach der stationären Rehabilitation. Von Relevanz ist dieses Ergebnis für die indirekte Veränderungsmessung. Je stärker der Response-Shift zwischen zwei Messzeitpunkten ausfällt, desto weniger sind die Differenzwerte eines Prä-Post-Vergleichs im Sinne einer
wahren quantitativen Veränderung des untersuchten Konstrukts zu interpretieren, da sich
bei den Betroffenen der Bewertungshintergrund für die Einschätzung von Fragebogenitems
gewandelt hat.
75
Schlussfolgerung
Bei der indirekten Methode der Veränderungsmessung, wie sie in Evaluationsstudien in der
Rehabilitationsforschung oftmals angewendet wird, sollte stärker auf die Erfassung von
Response Shift geachtet werden, um Fehlschlüsse über das Ausmaß von Differenzwerten
zu vermeiden. Mit der Konfirmatorischen Faktorenanalyse und Programmen zur Analyse
von Strukturgleichungsmodellen besteht die Möglichkeit, einen Response Shift ohne eine
zusätzliche Erfassung aus den herkömmlichen Prä-Post-Daten zu ermitteln.
Literatur
Boehmer, S., Luszczynska, A. (2006): Two kinds of items in quality of life instruments: ‚Indicator and causal variables’ in the EORTC QLQ-C30. Quality of Life Research, 15, 131141.
Güthlin, C. (2004): Response Shift: alte Probleme der Veränderungsmessung, neu angewendet auf gesundheitsbezogene Lebensqualität. Zeitschrift für medizinische Psychologie, 13, 165-174.
Oort, F.J. (2005): Using structural equation modeling to detect response shifts and true
change. Quality of Life Research, 14, 587-598.
Sprangers, M.A.G, Schwartz, C.E. (2000): Adaption to Changing Health. Response Shift in
Quality-of-Life Research, Washington: American Psychological Association.
Qualitätssicherung durch (faire) Einrichtungsvergleiche? - Eine
Simulationsstudie zum Umgang mit fehlenden Werten im Kontext der
einrichtungsvergleichenden Qualitätssicherung
Rabung, S., Kawski, S., Koch, U., Schulz, H.
Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf
Hintergrund
Einrichtungsvergleiche stellen in der medizinischen Versorgung ein zentrales Instrument der
Qualitätssicherung dar, das im Bereich der Rehabilitation sogar explizit vom Gesetzgeber
gefordert wird (vgl. § 20 Abs. 1, SGB IX). Der direkte Vergleich verschiedener Einrichtungen
eines Indikationsbereichs soll dabei als Grundlage für die Beurteilung der Qualität der erbrachten medizinischen Leistungen einzelner Kliniken dienen. Gegenüber alternativen Bewertungsverfahren, wie z. B. der Anwendung absoluter oder ipsativer Standards, zeichnet
sich die Methode des Einrichtungsvergleichs vor allem durch ihre unmittelbare Praxisrelevanz aus: Der Vergleich konkurrierender Einrichtungen soll es nämlich ermöglichen, die
zentrale Frage zu beantworten, in welchen Einrichtungen Patienten faktisch am besten behandelt werden (Farin et al., 2004).
Allerdings ist bei derartigen Vergleichen immer zu berücksichtigen, dass die jeweils vorliegenden Daten nicht unbedingt direkt die Qualität der verschiedenen untersuchten Einrichtungen widerspiegeln müssen. Neben der tatsächlichen Qualität der erbrachten Leistungen
determinieren nämlich vor allem die spezifischen Eigenschaften der behandelten Patienten
76
das Therapieergebnis, ohne dass diese durch die leistungserbringenden Einrichtungen zu
beeinflussen wären. Zur Kontrolle derartig mit dem Behandlungsergebnis konfundierter Faktoren haben sich statistische Verfahren der Risikoadjustierung bewährt (z. B. Farin et al.,
2004; Schulz et al., 2004; Wegscheider, 2004).
In nahezu allen Untersuchungen ergeben sich jedoch auch mehr oder weniger hohe Quoten
fehlender Daten, die die Gültigkeit der ermittelten Befunde erheblich einschränken können.
Ziel der durchgeführten Simulationsstudie war es daher, verschiedene Möglichkeiten zum
Umgang mit fehlenden Informationen systematisch hinsichtlich ihrer Voraussetzungen respektive ihrer Konsequenzen auf die Bewertung verglichener Einrichtungen zu überprüfen.
Methodik
Untersucht wurde eine konsekutive Stichprobe von N=2.386 Patienten, die in 11 Rehabilitations-Fachkliniken für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie stationär behandelt
wurden. Informationen zur Ergebnisqualität wurden zu Beginn und Ende der Rehabilitationsmaßnahme über standardisierte Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente erfasst (u. a.
SF-8, SCL-14, IIP-64).
An einem vollständigen Teildatensatz von n=1.248 Patienten wurden nach verschiedenen
Kriterien künstliche Datenausfälle erzeugt. Variiert wurden dabei zum einen die Fehlwertmechanismen (MCAR vs. MAR), zum anderen die Quoten fehlender Werte (10-50 Prozent).
Die simuliert fehlenden Daten wurden daraufhin in verschiedenen methodischen Varianten
ersetzt. Hierbei wurden die drei Ersetzungsmethoden „Regression Imputation“ (RI), „EMImputation“ (EM) und „Multiple Imputation“ (MI) überprüft. Weitere Variationen bezogen sich
beispielsweise auf die Anzahl und Qualität berücksichtigter Kovariaten (zum Umgang mit
fehlenden Werten vgl. z. B. Wirtz, 2004). Die imputierten Daten wurden jeweils mittels
Intraklassen-Korrelations-Koeffizienten (ICCs) auf Übereinstimmung mit den Original-Daten
geprüft (vgl. Wirtz und Caspar 2002).
Ergebnisse und Diskussion
Die Güte der Fehlwertersetzung schwankt je nach eingesetzten Imputationsverfahren und
überprüften Rahmenbedingungen erheblich, die Spannweite der ermittelten ICCs reicht von
0,02 bis 0,92. Die Ersetzungsmethode der Multiplen Imputation erweist sich den anderen
überprüften Methoden (EM, RI) als grundsätzlich überlegen. Im Falle systematischer Datenausfälle (MAR) ergeben sich zumeist schlechtere Ersetzungsresultate als bei zufällig fehlenden Werten (MCAR). Den größten Einfluss auf die Güte der Fehlwertersetzung zeigt jedoch erwartungsgemäß das Ausmaß fehlender Werte.
Die adäquate Ersetzung fehlender Daten erweist sich nur unter bestimmten Voraussetzungen als möglich. Die angemessene Berücksichtigung fehlender Daten ist im Kontext der einrichtungsvergleichenden Qualitätssicherung jedoch unerlässlich, da sie unter Umständen
erhebliche Konsequenzen bezüglich einer „faireren“ Bewertung der Qualität untersuchter
Einrichtungen zeigen kann.
Literatur
Farin, E., Glattacker, M., Follert, P., Kuhl, H.C., Klein, K., Jäckel, W.H. (2004): Einrichtungsvergleiche in der medizinischen Rehabilitation. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und
Qualitätssicherung im Gesundheitswesen;98:655-662.
77
Schulz, H., Barghaan, D., Watzke, B., Koch, U., Harfst, T. (2004): Klinikvergleiche als Instrument der Qualitätssicherung in der Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Störungen: Bedeutung von Risikoadjustierung. Zeitschrift für
ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen;98:663-672.
Wegscheider, K. (2004): Methodische Anforderungen an Einrichtungsvergleiche ('Profiling')
im Gesundheitswesen. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen;98:647-654.
Wirtz, M. (2004): Über das Problem fehlender Werte: Wie der Einfluss fehlender Informationen auf Analyseergebnisse entdeckt und reduziert werden kann. Rehabilitation;43:109115.
Wirtz, M., Caspar, F. (2002): Beurteilerübereinstimmung und Beurteilerreliabilität: Methoden
zur Bestimmung und Verbesserung der Zuverlässigkeit von Einschätzungen mittels
Kategoriensystemen und Ratingskalen. Göttingen: Hogrefe.
Betriebswirtschaftlicher Nutzen von Reha-Forschung aus Sicht des
Klinikmanagements - Erste Ergebnisse einer bundesweiten Befragung
Nübling, R. (1), Bihr, D. (2), Schmidt, J. (1)
(1) GfQG, Karlsruhe, (2) SRH Hochschule Calw
Hintergrund
Die vergangenen zwei Dekaden sind durch eine beträchtliche Steigerung rehabilitationswissenschaftlichen Engagements gekennzeichnet, die v. a. durch die Forschungsförderung
durch BMBF und die Rentenversicherung ihren größten Schub erfahren hat. Das noch von
der Rehakommission beklagte Nichtvorhandensein einer „kritischen Masse“ (Gerdes, 1988;
VDR, 1992) kann heute sicher nicht mehr konstatiert werden. An vielen Orten bzw. in vielen
Regionen der Reha-Landschaft hat sich eine, zwar meist von universitären Institutionen geführte, aber in der Praxis verankerte Reha-Forschung entwickelt. Neben und auch schon vor
der öffentlichen Förderung haben einige Träger bzw. einzelne Kliniken nicht unbeträchtliche
Summen aus eigenen Mitteln in die Reha-Forschung investiert. Demgegenüber wird vielfach
kritisiert (z. B. Jäckel, Farin, 2004; Plenardiskussion VDR-Kongress Hannover 2005), dass
diese Investitionen die Belegung bzw. das wirtschaftliche (Über-)Leben nicht oder nicht genügend absichern.
Methodische Umsetzung in die Praxis
In einer von GfQG gemeinsam mit dem Fachbereich I der SRH Hochschule Calw (Leiter:
Prof. Dr. D. Bihr) durchgeführten bundesweiten postalischen Befragung wurde dieser Fragestellung nachgegangen. Erhoben wurden die persönlichen Erfahrungen und Meinungen
der betriebswirtschaftlichen Leiter (Klinikmanager/Klinikmanagerinnen) stationärer Rehabilitationskliniken. Im Zeitraum zwischen September und Oktober 2006 wurden n=956 Kliniken
angeschrieben. Hierzu wurde ein spezieller Fragebogen entwickelt, der u.a. folgende Bereiche abdeckt: Teilnahme an bzw. eigene Durchführung rehablitationswissenschaftlicher Forschungsprojekte, Anzahl von Fachvorträgen und Publikationen in den vergangenen 2 Jah78
ren, subjektive Nutzenbewertung der Reha-Forschung sowie Entwicklung wesentlicher betriebswirtschaftlicher Kennzahlen (u.a. Bettenzahl, Bettenbelegung, Umsatz) zwischen 2003
und 2005.
Ergebnisse
Von den n=956 angeschriebenen Einrichtungen antworteten n= 182 (19,0 %). Insgesamt
n=10 Einrichtungen waren zum Zeitpunkt der Befragung nicht mehr in Betrieb, n=30 wurden
im Nachhinein als primär akutmedizinische Krankhäuser identifiziert, die in der Datenbank
deshalb gelistet waren, weil sie über eine Reha-Abteilung verfügten. Weitere n=64 Einrichtungen verfügten gemeinsam mit anderen Kliniken gleicher Trägerschaft und/oder gleichem
Standort über ein zentrales Management, sodass sich die Grundgesamtheit auf n=852 Einrichtungen bzw. Klinikmanager reduzierte (Rücklaufquote 21,5 %). Bzgl. der Indikationsbereiche waren am häufigsten Kliniken mit orthopädischer Indikation (52,6 %) vertreten, gefolgt von Psychosomatik (34,6 %), Kardiologie, Pneumologie und Dermatologie (je 17,9 %)
und Neurologie (16,5 %). Die überwiegende Mehrzahl der Kliniken war in privater (62 %),
jeweils etwa 10 % in konfessioneller oder „sonstiger“ Trägerschaft und bei etwa 15 % handelte es sich um rentenversicherungseigene Kliniken. Die durchschnittliche Bettenzahl lag
bei 199, die jährliche Auslastung bei 84 % und der durchschnittliche Umsatz lag bei 7,3 Millionen €.
Insgesamt gaben etwa 44 % der befragten Klinikmanager an, dass an ihrer Klinik aktiv Rehabilitationsforschung betrieben wird, dies im Schnitt seit 1995 (1967-2006). Dabei war etwa
1/5 federführend an einem Projekt des Förderschwerpunkts Rehabilitationswissenschaften
beteiligt, weitere knapp 50 % war als (passiver) Kooperationspartner im Rahmen von Datenerhebungen an einem der Projekte beteiligt. Darüber hinaus gaben etwa ein Drittel der
Kliniken an, (auch) an anderen Projekten mitgewirkt zu haben. Bzgl. der fachwissenschaftlichen Präsenz gaben ca. 48 %, in den vergangenen 2 Jahren durch Vorträge an Kongressen
beteiligt gewesen zu sein (durchschnittlich 22,7 Vorträge). Etwa 30 % der Kliniken haben
ihre Ergebnisse auch in Fachzeitschriften oder Readern publiziert (etwa 9 Arbeiten in 2 Jahren). Fast alle Befragten (95 %) waren der Meinung, dass Reha-Forschung der Weiterentwicklung der Rehabilitation dient, ca. 75 % nutzen diese zur Verbesserung ihrer Behandlungskonzepte und für etwas mehr als die Hälfte bringt sie auch besseres Image und Vernetzung. Demgegenüber sind nur etwa 15 % der Auffassung, dass die in Forschung investierten Kosten z. B. durch bessere Belegung der Klinken belohnt werden.
Betrachtet man den Zusammenhang mit Bettenbelegung und Umsatz (Tabelle 1), so ergibt
sich folgendes Bild: es bestehen - entgegen der subjektiven Auffassung der Klinikmanager deutlich positive Zusammenhänge zwischen Forschungsbemühungen und durchschnittlicher
Belegung und Umsatz, v. a. wenn die Klinik selbst aktiv Forschung betreibt, wenn sie als
Kooperationspartner bei anderen Forschungsvorhaben beteiligt war (Vernetzung mit Universitäten) und wenn sie die Ergebnisse ihrer Arbeiten auch fachwissenschaftlich publiziert
(Vorzeichen polungsbedingt).
Diskussion
Die Studie gibt erste Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen Bemühungen von
Rehabilitationskliniken, sich am Aufbau und Erhalt der Forschungsinfrastruktur im Bereich
Rehabilitationswissenschaften zu engagieren und dem wirtschaftlichen Nutzen dieser Be79
mühungen. Obwohl die Klinikmanager mit überwiegender Mehrheit kritisieren, dass sich die
Investitionen in Forschung wirtschaftlich nicht „lohnen“, fanden sich doch erfreulich positive
Zusammenhänge zwischen den erhobenen Parametern, was insgesamt auf einen wirtschaftlichen Nutzen von Forschung hindeutet. Für die Weiterentwicklung der Rehabilitationsforschung ist zu wünschen, dass Kliniken und ihre Träger sich weiterhin oder künftig neu
engagieren, entsprechende Forschungsprojekte finanzieren. Hierzu ist möglicherweise eine
(noch) deutlichere Akzentuierung in der Zuweisungsteuerung der Leistungsträger hilfreich,
z. B. indem Reha-Forschung als Qualitätskriterium für gute Kliniken definiert und ausgewiesen wird.
Tabelle 1: Korrelationen zwischen Parametern der Forschung und der Wirtschaftlichkeit
∅ Belegung
Iteminhalt (jeweils 1=ja, 2=nein)
%
∅ Umsatz
Klinik betreibt aktiv Rehabilitationsforschung
-,40**
-,46**
Klinik war federführend an Projekt der Rehabilitationswissenschaftlichen For-
-,23**
-,23*
-,36**
-,21
-,22*
-,13
Klinik war Kooperationspartner an anderem Forschungsvorhaben
-,29**
-,58**
Beteiligung der Klinik an Kongressen und Tagungen
-,34**
-,24*
Publikation in Fachzeitschriften und Readern
-,23**
-,51**
schungsverbünde beteiligt (eigenes Projekt oder Mitantragsteller)
Klinik war Kooperationspartner eines Verbund-Projektes (z. B. im Rahmen von
Datenerhebungen)
Klinik war federführend an anderem Forschungsvorhaben (z. B. gemeinsam mit
Universitären Institutionen) beteiligt
** p < 0,01; * p < 0,05
Literatur
Gerdes, N. (1988): Von der „Legitimationsforschung“ zur systematischen Verbesserung der
Reha-Praxis. Mitteilungen der LVA Baden-Württemberg, 80, 67-75.
Jäckel, W.H., Farin, E. (2004): Qualitätssicherung in der Rehabilitation: Wo stehen wir heute? Die Rehabilitation, 43, 271-283.
VDR (1992): Bericht der Reha-Kommission. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. Frankfurt a.M., VDR.
Rechtswirkungsforschung - Methodisches Vorgehen und Stellenwert in
der empirischen rehabilitationswissenschaftlichen Forschung
Weber, A.
Sektion Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Martin-Luther Universität HalleWittenberg
Die Frage, ob das SGB IX seiner Intention gemäß umgesetzt wird und umgesetzt werden
kann, ist von zentraler Bedeutung für die Versorgungspraxis. Aus ihr können wichtige Rückschlüsse für die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens und den Umgang mit dem Verwaltungsverfahren in der Versorgungspraxis gezogen werden. Es handelt sich um Fragen, die
80
für die Leistungen zur Teilhabe bei allen Rehabilitationsträgern und damit auch für alle Leistungserbringer und Leistungsberechtigten relevant sind, so dass sie den Grundlagen der
versorgungsnahen Forschung zuzurechnen sind.
Wie und mit welchen Methoden kann überprüft werden, wie der Stand der Umsetzung von
Patienten- und Nutzerrechten nach dem SGB IX bezogen auf Leistungen zur Teilhabe ist
und welche institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen diese Umsetzung begünstigen oder hemmen?
Ziel des Beitrags ist, anhand zweier empirischer Studien aufzuzeigen, nach welchem theoretischen und methodischen Verständnis empirische Rechtswirkungsforschung vorgehen
kann und welche Perspektiven sich hieraus für rehabilitationswissenschaftliche Fragestellungen ergeben.
Giese und Runde (1999) entwickelten ein Wirkungsmodell zur empirischen Bestimmung von
Gesetzeswirkungen, welches auf handlungstheoretischer Grundlage versucht, lebensweltliche Aspekte mit zu berücksichtigen und deren Auswirkungen mittels quantitativen Vorgehens anhand des von den Betroffenen gewünschten Leistungsspektrums im SGB XI aufzuzeigen. Nauerth (2003) greift die theoretischen Ansätze auf und zeigt anhand qualitativer
Experteninterviews die Wirkung des novellierten § 93 BSHG auf die Erbringung personenbezogener sozialer Dienstleistungen in stationären Einrichtungen. Hierbei wurde ein qualitativ-heuristisches Verfahren der Datenerhebung und Datenanalyse angewandt, welches die
vorhandenen Absichten, Werte, Interessen, Organisationstraditionen und -ressourcen ebenso wie die Motivationen der Akteure und die organisationsinternen Vermittlungswege, auf
denen der Rechtsimpuls weitergeleitet wird, zu Tage fördert und die Anschlussfähigkeit des
Rechts durch seine vielfältige „Verwertbarkeit" für spezifische Organisationsinteressen verdeutlicht.
An die theoretischen und methodischen Aspekte dieser Vorgehensweisen anschließend haben Welti und Weber (2006) versucht, Aspekte der Effektivität und Umsetzung der mit dem
SGB IX neu geregelten und eingeführten Patienten- und Nutzerrechte mittels sozialwissenschaftlicher Methoden zu operationalisieren und systematisch für die empirische Forschung
nutzbar zumachen. In einer empirischen Evaluationsstudie wird untersucht werden, wie die
mit dem SGB IX eingeführten oder reformierten Rechtspositionen der Patienten und Nutzer
verwirklicht werden und ob die Institutionen hierbei im Streitfall eine förderliche Rolle einnehmen. So gesehen ist dieses Forschungsvorhaben auch als Schnittstelle zwischen sozialund rechtswissenschaftlicher Methodik zu sehen, welche als „Rechtswirkungsforschung"
rechtliche Vorgaben bzw. Gesetze als „Interventionen“ versteht, die genauso evaluiert werden können wie ärztlich-therapeutische Leistungen und medizinische "Eingriffe" und so ebenso zur Qualität der Versorgung und Selbstbestimmung in der Rehabilitation beitragen
können.
Literatur
Nauerth, M. (2003): Rechtswirkung in Organisationen. Ergebnisse einer empirischen Feldstudie zur Wirkung des novellierten § 93 BSHG auf die Erbringung personenbezogener
sozialer Dienstleistungen in stationären Einrichtungen. Marburg, Tectum Verlag.
81
Giese, R., Runde, P. (1999): Wirkungsmodell für die empirische Bestimmung von Gesetzeswirkungen - Modellansatz und Anwendung im Rahmen einer Wirkungsanalyse zur
Pflegeversicherung, Zeitschrift für Rechtssoziologie, 14-54.
Runde, P., Weber, A. (2001): Behinderung und Rehabilitation als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung, in: Igl, G./ Welti, F. (Hrsg): Die Verantwortung des sozialen
Rechtsstaats für Personen mit Behinderung und für die Rehabilitation, Sozialpolitik in Europa Bd.7, Wiesbaden: Verlag Chemielorz, 65-80.
Welti, F. (2005): Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat, Tübingen.
Welti, F., Weber, A. (2006): Patienten- und Nutzerrechte nach dem SGB IX - Stand und Bedingungen ihrer Realisierungen, Projektantrag an das BMBF.
82
Methodik der Reha-Forschung (Poster)
Methodische Beratung in rehabilitationswissenschaftlichen
Forschungsverbünden: Erfahrungen und Empfehlungen
Igl, W. (1), Wirtz, M. (2), Morfeld, M. (3), Kutschmann, M. (4), Leonhart, R. (5),
Muche, R. (6), Schön, G. (7)
(1) Zentrale für klinische Studien, Universitätsklinikum Würzburg, (2) Institut für Psychologie,
Pädagogische Hochschule Freiburg, (3) Fachbereich Humanwissenschaften, Studiengang
Rehabilitationspsychologie, Hochschule Magdeburg-Stendal, (4) Fakultät für
Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, (5) Abteilung für Sozialpsychologie und
Methodenlehre, Institut für Psychologie, Universität Freiburg, (6) Abteilung Biometrie und
Medizinische Dokumentation, Universität Ulm, (7) Medizinische Fakultät Charité,
Universitätsmedizin Berlin
Hintergrund
Nach Ablauf der sechsjährigen Förderdauer des Verbundforschungsprogramms „Rehabilitationswissenschaften“ liegen neben einer Vielzahl von empirischen Ergebnissen auch umfangreiche Erfahrungen zur Relevanz inhaltlicher Themen und zum Einfluss struktureller
Bedingungen auf die methodische Qualitätssicherung von einschlägigen Forschungsprojekten vor. Diese wurden in den Methodenzentren der acht regionalen Forschungsverbünde
gesammelt, welche trotz unterschiedlicher thematischer Schwerpunktsetzungen in den Verbünden eine vergleichbare Aufgabenstruktur aufwiesen und sich daher in einer Arbeitsgemeinschaft für Methoden organisierten. Im vorliegenden Beitrag wird ein Überblick über diese Aufgaben und die geleistete Arbeit gegeben, aus welchem sowohl Schlussfolgerungen
über die Notwendigkeit von methodischer Qualitätssicherung in rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsprojekten gezogen und Empfehlungen für die Umsetzung einer derartigen
forschungsmethodischen Infrastruktur abgeleitet werden können.
Aufgaben der Methodenzentren
Die Arbeitsbereiche der Methodenzentren gliederten sich dabei in die Bereiche:
a) Kommunikation, Kooperation, Organisation,
b) methodische und statistische Beratung bzw. Auswertung,
c) Fortbildungen und
d) eigenständige Forschung (Wirtz et al., 2006).
Die Methodeneinrichtungen standen im Austausch mit unterschiedlichen Personen bzw. Institutionen, welche am Forschungsprozess beteiligt waren. Zu diesen zählten u. a. wissenschaftliche Projektmitarbeiter, Kollegen anderer Geschäftsstellen oder Methodenzentren,
oder auch Vertreter der Förderer (z. B. DRV, BMBF). Es wurden dabei sowohl auf Anfrage
methodisch-statistische Beratungen in den Projekten durchgeführt als auch durch Stellungnahmen zu den regelmäßigen Projektberichten ein kontinuierliches Monitoring und ggf. zeit83
nahe Unterstützungsangebote ermöglicht. Dieser Service wurde durch Rundbriefe an Verbundmitglieder oder frei verfügbare internet-basierte Beratungsangebote (AG Methoden,
2006) ergänzt. Weiterhin konnten persönliche Kontakte genutzt werden, um Kooperationen
zwischen Forschern gezielt zu initiieren und dadurch den Wissensaustausch zu fördern.
Durch die Abstimmung mit anderen zentralen Einrichtungen der Verbünde konnten verbundübergreifende Aktivitäten realisiert werden, welche zur Etablierung von Forschungsstandards (z. B. Einsatz von Messinstrumenten) oder von Strukturen führten, welche für eine verbundübergreifende Zusammenführung und Auswertung von Daten, z. B. im Rahmen
von Meta-Analysen, genutzt wurden. Darüber hinaus wurde Öffentlichkeitsarbeit im Bereich
Methodik geleistet, z. B. durch didaktisch orientierte Veröffentlichungsreihen, welche durch
die Abstimmung mit Vertretern der Förderer zusätzliche Unterstützung erhielten.
Methodisch-statistische Beratung und Auswertung bildeten die Kernaufgaben der Methodenzentren, wobei typischerweise folgende Leistungen erbracht wurden: Entwicklung von
Projektanträgen, Fallzahlschätzung, Auswahl von Erhebungsinstrumenten, externe Randomisierung, Datenerfassung und -management, Auswahl und Programmierung von Statistiksoftware, Anwendung von statistischen Analyseverfahren und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Als konzeptuelle Grundlage für die Projektberatung, insbesondere für
die Evaluation von Interventionsmaßnahmen, dienten das Mehrphasenmodell nach Campbell et al. (2000) und das CONSORT-Statement von Moher et al. (2001). Diese ermöglichen
eine ganzheitliche Sicht auf den Forschungsprozess von der wichtigen Planungs- und Vorbereitungsphase einer Studie bis zur Implementation einer als wirksam beurteilten Behandlung.
Neben individualisierten Beratungsangeboten und verschiedenen Veröffentlichungen wurde
auch durch ein breites Spektrum von (klein)gruppenbasierten Fortbildungsveranstaltungen
methodisches Wissen disseminiert. Dies geschah z. B. durch Workshops zu praxisrelevanten Themen wie grundlegende Forschungskonzepte, diagnostische Verfahren, Datenmanagement, Studienplanung und -durchführung, sowie konventionelle und moderne statistische
Analyseverfahren.
Schließlich wurde auch eigenständige Forschungsarbeit durch die Mitarbeiter der Methodenzentren geleistet, welche z. B. in Meta-Analysen psychometrische Eigenschaften von
etablierten Messinstrumenten (SF-36, IRES-2, SCL-90-R) ermittelten oder auch neue Instrumente entwickelten (IRES-24).
Fazit
Insgesamt hat sich gezeigt, dass durch eine fest verankerte regional und überregional organisierte Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern mit forschungsmethodischem Schwerpunkt
die methodische Qualität der Forschungsprojekte erheblich gefördert wurde. In zukünftiger
Verbundforschung ist die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Methodik und Statistik
auf regionaler Ebene bzw. eine enge Zusammenarbeit dieser Einrichtungen in einer überregionalen Arbeitsgemeinschaft eine wesentliche Bedingung für die Sicherung von Forschungsstandards auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Literatur
AG Methoden (2006): Internetauftritt der AG Methoden in der DGRW [Homepage]. Verfügbar unter http://www.uke.uni-hamburg.de/extern/dgrw/kommis.htm#agmethoden.
84
Campbell, M., Fitzpatrick, R., Haines, A., Kinmonth, A. L., Sandercock, P., Spiegelhalter, D.,
Tyrer, P. (2000): Framework for the design and evalution of complex interventions to improve health. British Medical Journal, 321, 694-696.
Moher, D., Schulz, K.F., Altman, D.G., for the CONSORT Group (2001): The CONSORT
statement: Revised recommendations for improving the quality of parallel-group randomised trials. The Lancet, 357, 1191-1194.
Wirtz, M., Morfeld, M., Igl, W., Kutschmann, M., Leonhart, R., Muche, R., Schön, G. (2006):
Organisation methodischer Beratung und projektübergreifender Forschungsaktivitäten in
multizentrischen Forschungsprogrammen - Erfahrungen der Methodenzentren im Verbundforschungsprogramm Rehabilitationswissenschaften. Rehabilitation, 45 (6), im
Druck.
Arbeitunfähigkeitstage als Outcome stationärer medizinischer
Rehabilitation: Wie gut stimmen Patientenangaben und
Krankenkassendaten überein?
Schlademann, S., Hüppe, A., Raspe, H.
Institut für Sozialmedizin, Lübeck
Hintergrund
Arbeitsunfähigkeitsdaten stellen ein zentrales Outcome zur Bewertung des Behandlungserfolges einer Rehabilitationsmaßnahme dar. Sie können auf verschiedenen Wegen erhoben
werden. Aufgrund leichter Verfügbarkeit wird häufig auf die Selbstauskunft der Patienten zurückgegriffen. Die Zuverlässigkeit dieser Angaben ist begrenzt. Bei häufigen Arbeitsausfällen scheint die Erinnerungsfähigkeit bezogen auf das letzte Jahr vermindert (Steffanowski et
al., 2002). Krankenkassendaten zur Arbeitsunfähigkeit gelten als objektive und belastbare
Daten. Ihre Übereinstimmung mit Patientenangaben erscheint diagnosespezifisch unterschiedlich (Weidenhammer et al., 2006).
Fragestellung
Wie gut stimmen die Arbeitsunfähigkeitsdaten der Krankenkassen mit den subjektiven Angaben der betreffenden Rehabilitanden überein?
Methodik
In die Analyse flossen zwei Stichproben erwerbstätiger Rehabilitanden mit vollständigen Datensätzen zu jeweiligen Messzeitpunkt ein. In beiden Fällen übermittelten die Krankenkassen Arbeitsunfähigkeitszeiträume sowie die zugehörigen ICD-10-Diagnosen:
1. VERA-Stichprobe: Ein RCT überprüfte anhand zweier Messzeitpunkte die Akzeptanz
und Effektivität einer Beratung auf stationäre medizinische Rehabilitation unter Erwerbstätigen mit rheumatoider Arthritis (Schlademann et al., 2006). Zur Ausgangslagenmessung konnte auf das Item „Waren Sie in den letzten 12 Monaten (heute eingerechnet)
krankgeschrieben?“ mit „nein“ bzw. „ja, an …. Tagen“ geantwortet werden. N=117 vollständige Datensätze wurden analysiert.
85
2. PETRA-Stichprobe: Ein Vorgängerprojekt evaluierte anhand dreier Messzeitpunkte
(Ausgangslage, 6-Monats-Katamnese, 12-Monats-Katamnese) ein Modellverfahren zur
Früherkennung von Rehabilitationsbedarf und der rechtzeitigen Einleitung einer stationären medizinischen Rehabilitation mit Schwerpunkt auf muskuloskelettalen Erkrankungen
(Hüppe et al., 2006). Die 12-Monats-Katamnese beinhaltete u. a. die Frage „Waren Sie
in den letzten 6 Monaten (heute eingerechnet) krankgeschrieben?“ („nein, nicht krankgeschrieben“ bzw. „ja, krankgeschrieben an etwa …. Tagen“). Hier wurden N=105 vollständige Datensätze einbezogen. Abhängig von der Verteilung und dem Skalenniveau wurden Kappawerte, gewichtete Kappawerte bzw. Intraklassenkorerlationskoeffizienten als
Übereinstimmungsmaß gewählt (Schlademann et al., eingereicht).
Ergebnisse
Die Übereinstimmung der Patientenangaben und Krankenkassendaten zum dichotomisierten Auftreten von Arbeitsunfähigkeit („ja“/„nein“) in den letzten 12 (VERA; N=117) bzw. 6
(PETRA; N=105) Monaten lag im mittleren Bereich (Kappa=.57). Aufgrund fehlender Normalverteilung der Arbeitsunfähigkeitstage wurden die subjektiven Angaben und Krankenkassendaten kategorisiert und quadratisch gewichtete Kappawerte berechnet. Die Daten
stimmten gut überein (quadratisch gewichtetes Kappa VERA .69 bzw. PETRA .72).
Betrachtet man lediglich Patienten mit gültigen subjektiven Angaben, die laut Krankenkassendaten mindestens einen AU-Tag im betreffenden Zeitraum aufwiesen, so war die Übereinstimmung mit ICC=.83 (VERA; N=78) bzw. ICC=.80 (PETRA; N=62) sehr hoch.
Unter den Versicherten, die laut Eigenangabe im untersuchten Zeitraum keine AU-Tage hatten (VERA: N=58; PETRA: N=49), wurden von den Krankenkassen dennoch für 38 % (VERA) bzw. 29 % (PETRA) AU-Meldungen übermittelt. Dabei bewegten sich Krankenkassendaten zwischen einem und 208 Tagen (VERA) bzw. einem und 163 Tagen (PETRA).
Von den Versicherten, die laut Krankenkasse im betrachteten Zeitraum keine AU-Tage hatten (VERA: N=39; PETRA: N=43), waren nach eigenen Angaben 8 % (VERA) bzw. 19 %
(PETRA) mindestens einen Tag krankgeschrieben. Die individuellen Angaben beliefen sich
dabei auf 10 bis 63 Tage (VERA) bzw. 1 bis 21 Tage (PETRA).
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse waren für beide Stichproben ähnlich, die subjektiven Angaben und Krankenkassendaten stimmten gut überein. Betrachtet man ausschließlich Versicherte, die laut
Krankenkassendaten arbeitsunfähig waren, war die Übereinstimmung sehr gut. Mangelnde
Erinnerungsfähigkeit könnte Fälle erklären, in denen der Krankenkasse AU-Meldungen vorlagen, die von den Versicherten nicht berichtet wurden. Differenziert sind auch Fälle zu beurteilen, in denen Versicherte AU-Tage berichteten, die sich jedoch nicht in den Krankenkassendaten widerspiegelten. Hier könnten die uneinheitliche Meldepflicht der ersten drei
Krankheitstage, aber auch Dokumentationsfehler in den Krankenkassen eine Rolle spielen.
Tendenziell scheint ein under-reporting durch die Rehabilitanden zu überwiegen.
Literatur
Hüppe, A., Glaser-Möller N., Raspe, H. (2006): Trägerübergreifendes Projekt zur Früherkennung von Rehabilitationsbedarf bei Versicherten mit muskuloskelettalen Beschwerden
86
durch Auswertung von Arbeitsunfähigkeitsdaten: Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Evaluationsstudie. Gesundheitswesen; 68: 347-356.
Schlademann, S., Hüppe, A., Raspe, H. (2006):Medizinische Rehabilitation bei rheumatoider Arthritis (RA): Akzeptanz und Outcomes unter Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen und Rentenversicherungen (NCT00229541). Unveröffentlichter Abschlussbericht
zum Projekt 01GL0306 des BMBF. Lübeck.
Steffanowski, A., Karcher, S., Schmidt, J., Nübling, R., Wittmann, W.W. (2002): Arbeitsunfähigkeitszeiten vor und nach der Rehabilitation: Wie zuverlässig sind Selbstangaben der
Patienten, wenn man objektive Krankenkassendaten als Vergleichsmaßstab ansetzt?
DRV-Schriften; 33: 339-340.
Weidenhammer, W., Wessel, A., Melchart, D. (2006): AU-Tage als Outcome stationärer Rehabilitation - Vergleichende Analyse zweier Datenquellen. DRV-Schriften; 64: 276-278.
87
Assessmentinstrumente 1
Reliabilität und Validität des Functional Ambulation Category bei
Patienten nach Schlaganfall
Pohl, M., Wagner, K., Rutte, K., Meißner, D., Mehrholz, J.
Klinik Bavaria, Kreischa
Einleitung
Die Wiederherstellung der Steh- und Gehfähigkeit ist für Patienten nach Schlaganfall von
größter Bedeutung. Ebenso existiert für die klinische Routine ein Bedarf an einfachen Messinstrumenten, welche Fortschritte im Bereich der Gehfähigkeit dieser Patienten leicht interpretierbar, zuverlässig und valide messen und dokumentieren können.
Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die Reliabilität, konkurrente Kriteriumsvalidität
und prädiktive Validität als auch die Veränderungssensitivität eines Gehfähigkeit messenden
Scores (Functional Ambulation Category, FAC) bei hemiparetischen Patienten nach Schlaganfall zu evaluieren.
Methodik
In die Studie schlossen wir 55 initial nichtgehfähige Patienten nach erstem Schlaganfall mit
einer Krankheitsdauer zwischen 30 und 60 Tagen ein.
Erhoben wurden der FAC, der Rivermead Mobility Index (RMI), die Gehgeschwindigkeit, die
Schrittlänge und die Gangkapazität im Sechs-Minuten-Test (SMWT) zu Beginn, nach zwei
Wochen, im Anschluss und nach sechs Monaten eines vierwöchigen stationären Gangrehabilitationsprogramms.
Wir berechneten die Test-retest und Interraterreliabilität, konkurrente Kriteriumsvalidität und
prädiktive Validität als auch die Veränderungssensitivität des FAC.
Ergebnisse
Basierend auf Videobeurteilungen fanden wir hohe Test-retest- (Cohen’s kappa, κ=.950)
und Interraterreliabilität (κ=.905). FAC Punktwerte korrelierten zu allen Zeitpunkten hoch mit
RMI-Punktwerten (Spearman’s ρ=0,686 bis 0,893; p<.001), mit der Gehstrecke im SMWT
(ρ=0,906 bis 0,949; p<.001), mit der Gehgeschwindigkeit (ρ=0,901 bis 0,952; p<.001) und
mit der Schrittlänge (ρ=0,877 bis 0,952; p<.001).
Vier Wochen nach dem strukturierten Rehabilitationsprogramm konnte eine FAC Punktzahl
>2 einen Punktwert im Barthel-Index von mehr als 75 Punkten sechs Monate später vorhersagen (92 % Sensitivität, 79 % Spezifität). Die FAC Punktwerte der Patienten verbesserten
sich signifikant, zwischen den ersten beiden Wochen (Wilcoxon’s Z=8,7; p<0,001) und Wochen drei und vier des stationären Rehabilitationsprogramms (Z=7,9; p<0,001).
88
Schlussfolgerung
Der in der Anwendung einfache FAC ist exzellent reliabel, hat gute konkurrente Kriteriumsvalidität und prädiktive Validität und ist sensitiv, um Veränderungen im Rehabilitationsverlauf
von Patienten nach Schlaganfall messen und dokumentieren zu können.
Ergebnisqualität bei Rehabilitanden mit Querschnittlähmung - „Boberger
Qualitätsscore“
Thietje, R. (2), Giese, R. (1), Kaphengst, C. (1), Exner, G. (2), Runde, P. (1)
(1) Arbeitsstelle Rehabilitations- und Präventionsforschung, Institut für Soziologie,
Universität Hamburg, (2) Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg-Boberg,
Querschnittgelähmten-Zentrum
Hintergrund
Die Outcome-Messung bei einer stationären Rehabilitation von querschnittgelähmten Patienten beschränkte sich bisher in der Regel auf die Bestimmung des erzielten funktionalen
Status. Die Bestimmung erreichter Lebensqualität oder die Bestimmung eines erzielten Reha-Fachwissens und einer am Ende gegebenen Reha-Selbstmanagementhaltung waren
bisher keine systematisch einbezogenen Ergebnisparameter im stationären Praxisalltag.
Ebenso wenig wurde bisher systematisch erforscht, welche Langzeiterfolge die erzielte Ergebnisqualität für die gesellschaftliche (Re-)Integration von querschnittgelähmten Patienten
hat und welche Bedeutung einer stationären Nachsorge in diesem Zusammenhang zukommt. Die monozentrisch angelegte Studie „Boberger Qualitätsscore“ dient dem Ziel, Ergebnisqualität in ihrer erforderlichen Mehrdimensionalität und Nachhaltigkeit zu bestimmen,
ein praxistaugliches Assessmentinstrument zu entwickeln und den Stellenwert von stationären Nachsorgeleistungen zu klären. Sie ist entsprechend als Langzeitstudie angelegt und
soll die Rehabilitanden bis 3 Jahre nach ihrer stationären Rehabilitation begleiten.
Methodik
Zur Entwicklung und Erprobung des Qualitätsscores wurde ein umfangreiches Set an Reha
relevanten Dimensionen und Faktoren berücksichtigt, die größtenteils mit bereits bewährten
Messinstrumenten für die empirische Erhebung operationalisiert werden. Neben der Dimension funktionaler Status (SCIM-Skala und FIM-Kommunikations-Skala) werden Skalen zur
Reha-Motivation (u. a. TTM-Skala), zum Reha-Selbstmanagement, zum Reha-Fachwissen
und zu Lebensqualitätsdimensionen (NHP-Skala) eingesetzt. Die Erhebungen erfolgen
durch eine Kombination von Patientenbefragungen und Erhebungen durch das Klinikpersonal zu mehreren Erhebungszeitpunkten. Für die Studie, mit der im Januar 2005 begonnen
wurde, werden pro Jahr gut 100 Patienten rekrutiert. Insgesamt sollen mindestens 300 Patienten in die Studie aufgenommen werden. Mittlerweile liegen für die ersten 75 Patienten mit
einem Rehabilitationsaufenthalt von mindestens 3 Monaten und durchschnittlich gut 5 Monaten Ergebnisse für die stationäre Rehabilitation und den ersten Nachsorgetermin nach
6 Monaten vor.
89
Ergebnisse
Für die berücksichtigten Ergebnisparameter lässt sich im stationären Reha-Verlauf (mit
Ausnahme des Parameters „Soziale Isolation“) eine als statistisch signifikant zu bezeichnende Verbesserung der gesundheitlichen Situation bei den Rehabilitanden feststellen. Die
Effektstärken liegen zwischen 1,7 für den funktionalen Status und 0,29 für Schmerz. Erwartungsgemäß hat der Lähmungsbefund einen Einfluss auf den am Ende der Reha erreichten
funktionalen Status, spielt aber für die Reha-Motivation der Rehabilitanden keine Rolle. Es
zeichnet sich ab, dass Rehabilitanden mit Erwerbstätigkeitsstatus außerordentlich gute Ergebnisse erreichen. Beim ersten Nachsorgetermin nach einem halben Jahr hat von den Erwerbstätigen knapp die Hälfte wieder mit der Erwerbstätigkeit begonnen. Rund 40 % der
Rehabilitanden nutzen wieder selbstständig das Auto. Die Wohnsituation ist nach einem
halben Jahr - insbesondere bei Ehepaarhaushalten - recht stabil geblieben, während sich
bei den sozialen Kontakten für die Rehabilitanden eine Verschlechterung ihrer Situation abzeichnet.
Diskussion
Die bisher vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass mit dem entwickelten Instrumentarium zur Bestimmung der Ergebnisqualität zentrale Zielbereiche der Rehabilitation erfasst werden und wichtige Erkenntnisse sowohl für den Rehabilitationsprozess als auch hinsichtlich eines nachhaltigen Rehabilitationserfolgs gewonnen werden können. Es zeichnet
sich ab, dass Patientengruppen in unterschiedlicher Art und Weise von der Rehabilitation
profitieren, so dass auch gezielte gruppenspezifische Interventionen zukünftig denkbar wären.
Literatur
Catz, A., Itzkovich, M., Agnov, E. et al. (1997): SCIM-spinal cord independence measure: a
new disability scale for patients with spinal cord lesions. Spinal Cord 35, 850-856.
Hüller, E., Schunterman, M.F. (2005): Behinderung/chronische Krankheit und Internationale
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Rehabilitation
und Teilnahme. Deutscher Ärzteverlag, Köln.
Kohlmann, T. (1997): Die Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mit dem
„Nottingham Health Profile“. In Bullinger, M. (Hrsg), Lebensqualitätsforschung. Schattauer, Stuttgart.
Kohlmann, T., Raspe, H. (1998): Zur Messung patientennaher Erfolgskriterien in der medizinischen Rehabilitation: Wie gut stimmen „indirekte“ und „direkte“ Methoden der Veränderungsmessung überein? Rehabilitation 37, 30-37.
Prochaska, J.O., Velicer, W.F. (1997): The transtheoretical model of behavior change. Am J
Health Promot 12, 38-48.
90
Der Stellenwert des Saint George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) in
der Pneumologischen Rehabilitation
Karpinski, N. (1), Gallenmüller, K. (2), Schultz, K. (2), Petermann, F. (1)
(1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen, (2) AHG
Fachklinik Allgäu, Pfronten
Hintergrund
Ein wichtiger Indikator für die Bestimmung psychosozialer Aspekte des Behandlungserfolges ist die krankheitsspezifische Lebensqualität der Patienten. Bei der Bewertung von Rehabilitationsmaßnahmen sind für die Erhebungsverfahren, neben möglichst guter Differenzierungsfähigkeit und Veränderungssensitivität, vor allem eine möglichst ökonomische
Durchführbarkeit zu fordern.
Im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation wird hierbei zunehmend der Saint
George´s Respiratory Questionaire (SGRQ) eingesetzt, da er für Asthma- und COPDPatienten konzipiert wurde (Jones, Quirk, Baveystock, 1991; Petermann, 1999) und somit
eine ökonomische Datenerhebung ermöglicht. Eine erste Evaluation der deutschsprachigen
Version des SRGQ bestätigte die Eignung für Asthma- und COPD-Patienten und eine ausreichende Veränderungssensitivität des Verfahrens (Karpinski, Bauernschmitt, Schultz, Petermann, 2005). Im Rahmen dieser Untersuchung wurden ebenfalls Verteilungs- und Perzentilwerte bestimmt, die sinnvolle Orientierungswerte für weitere Untersuchungen anhand
des SGRQ ergeben sollen.
Die vorliegende Studie greift die Befunde der ersten Evaluation des SGRQ auf und weitet
die Analyse auf Zusammenhänge mit anderen klinischen Parametern (z. B. Husten; Auswurf; Atemnot; Rauchgewohnheit) aus.
Methodik
Die Analysen basieren auf 317 Daten stationär behandelter Patienten mit Asthma und
COPD (n=188). Die Veränderungssensitivität wird anhand von multivariaten Varianzanalysen mit einer Messwiederholung im Rahmen des GLM (Generalisiertes Lineares Modell)
überprüft. Die Überprüfung der Eignung der Perzentilgruppen erfolgt ebenfalls auf der Basis
von Varianzanalysen.
Die Annahme der Verwendbarkeit des SGRQ bei Asthma- und COPD-Patienten wird durch
Analysen zur Reliabilität und Homogenität (Cronbach´s alpha) kontrolliert.
Die Überprüfung des Zusammenhangs mit anderen klinischen Parametern erfolgt korrelativ.
Ergebnisse
Die signifikanten Ergebnisse der Varianzanalysen bestätigen eine ausreichende Änderungssensitivität des SGRQ für beide Krankheitsbilder und bestätigen ebenfalls die Eignung
der gefundenen Orientierungswerte (Perzentilgruppen) der ersten Studie.
Die Ergebnisse der Reliabilitätsanalysen (α = 0.762 bis α = 0.86) bestätigen die Brauchbarkeit des SGRQ für beide Diagnosegruppen. Die statistisch bedeutsamen Zusammenhänge
mit den klinischen Parametern liegen in einem Bereich von 0.2 bis 0.47. Dabei sind syste-
91
matische Unterschiede in der Höhe der Koeffizienten bei Asthmatikern und COPD-Patienten
festzustellen, die mit den Unterschieden der Krankheitsbilder korrespondieren.
Diskussion
Die Befunde sprechen für den Einsatz des SGRQ als ein brauchbares Instrument zur Erfassung der krankheitsspezifischen Lebensqualität in der pneumologischen Rehabilitation. Sie
belegen gleichzeitig die Notwendigkeit, den Datenpool zum SGRQ zu erhöhen, um feiner
abgestufte Orientierungswerten (Perzentile) zu generieren.
Literatur
Jones, P.W., Quirk, F.H., Baveystock, C.M. (1991): The St. George’s Respiratory Questionnaire. Respiratory Medicine, 85, 25-31.
Karpinski, N.A. , Bauernschmitt, K., Schultz, K.., Petermann, F. (2005): Der Saint George´s
Respiratory Questionaire (SGRQ) im Rahmen der Qualitätssicherung. Prävention und
Rehabilitation, 17, 164-176.
Petermann, F. (1999): Asthma Bronchiale. Göttingen: Hogrefe.
Der eingeschränkte Alltag: Messung von Teilhabestörungen bei Diabetes
mellitus - Konstruktion eines Fragebogens
Mühlichen, A. (1), Barth, A. (1), Pollmann, H. (1), Knisel, W. (2), Zillessen, E. (1)
(1) Klinik Niederrhein der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, Bad NeuenahrAhrweiler, (2) Reha-Zentrum Bad Kissingen, Klinik Saale der Deutschen
Rentenversicherung Bund
Hintergrund
„Durch den Diabetes kann ich nicht mehr alles machen, was zu meiner Arbeit gehört “, „Ich
kann nicht mehr das tun, was Spaß macht, sondern nur das, was der Diabetes gerade noch
zulässt“, „Ich habe Angst, zu erblinden“ (Aussagen von Diabetes-Patienten).
Folgeerkrankungen, aufwändiges Krankheitsmanagement, Sorgen um die Zukunft und vieles mehr können den Lebensalltag eines Menschen mit Diabetes erschweren. Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) definiert unterhalb der Störungsebene (vgl. ICD) Funktionen des menschlichen Lebens. Zwei wesentliche Bereiche dieser Funktionen sind die Aktivität als die Durchführung einer Handlung und
die Teilhabe als das Eingebundensein in eine Lebenssituation. Wie für andere chronische
Krankheiten liegen auch für Diabetes Core-Sets mit Aktivitäten und Bereichen der Teilhabe
vor, die wesentlich eingeschränkt sein können. Dabei handelt es sich um nicht direkt messbare Überbegriffe wie z. B. „moving around“, der Funktion d 455 des ICF. Um Teilhabestörungen und Aktivitätseinschränkungen messen zu können, sind konkrete Items nötig, die
eine Aussage über das Ausmaß von Teilhabe und Aktivität des Betroffenen liefern können.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Generierung solcher Items. Ziel ist es, ein
selbstadministriertes Fragebogeninstrument zu konstruieren. Praktischen Nutzten lässt das
Verfahren bei der Zuweisung zur Rehabilitation sowie bei der Bestimmung des Bedarfes an
einzelnen Therapiemodulen erwarten.
92
Methode
Die Studie kann in drei Forschungsschritte unterteilt werden. Zuerst werden qualitative Einzelinterviews (Methodenmix aus offenem und Leitfadeninterview) mit Diabetes-Patienten
und Metaplan-Gruppengespräche mit Ärzten, Diabetesberatern, Psychologen, Pflegekräften
und Ernährungsberatern geführt. Auf Grundlage der gewonnenen Aussagen wird ein Fragebogen erstellt, der im zweiten Schritt ab November 2006 einer Stichprobe von n1 = 80 Diabetespatienten in zwei Rehabilitationskliniken mit schichtspezifisch unterschiedlicher Belegung vorgelegt wird. Der vollständige Rücklauf ist bis Ende Januar zu erwarten. Berechnet
werden zunächst Itemanalysen. Items und Kategorien werden faktorenanalytisch geprüft. Im
dritten Schritt wird die erste Fragebogenfassung revidiert und einer Stichprobe von n2 = 320
Diabetes-Patienten in vier Zentren vorgelegt. Diese zweite Stichprobe wird zu einem Viertel
aus ambulanten Patienten bestehen. Gleichzeitig wird eine Reihe konstruktnaher Skalen zur
Validitätsabschätzung eingesetzt.
Ergebnisse
Während ihrer Rehabilitation wurden mit 11 Diabetes-Patienten qualitative Einzelinterviews
in zwei Rehabilitationskliniken (Klinik Niederrhein in Bad Neuenahr und Saale-Klinik in Bad
Kissingen) geführt. An den beiden Standorten fanden darüber hinaus vier Gruppeninterviews mit insgesamt vier ÄrztInnen, vier PsychologInnen, vier DiabetesberaterInnen, zwei
Pflegekräften und einer Ernährungsberaterin statt. Die Interviews lieferten ca. 700 Aussagen
über Einschränkungen im Alltag von Diabetikern und weisen auf eine hohe Anzahl von Einschränkungen im Leben von Menschen mit Diabetes hin, die in unterschiedlichen Lebensbereichen bestehen. Mit Hilfe der Experteninterviews und durch Literaturrecherche wurden Kategorien im Bereich der Aktivität und Teilhabe gebildet. Die Aussagen wurden den Kategorien zugeordnet und verdichtet, u. a. durch Zusammenfassung ähnlicher Items und Kategorien sowie Ausschluss redundanter oder auf zu kleine Teilpopulationen bezogene Items.
Das Resultat ist ein erster Fragebogen mit insgesamt 77 Items in 7 Kategorien mit jeweils 516 Items (zusätzliche Kategorie: coping, 6 Items).
Diskussion
Die qualitative Feldphase des Projekts ist abgeschlossen. Die erste quantitative Feldphase
steht unmittelbar bevor. Die Ergebnisse der quantitativen Feldphase werden vorgestellt. Die
Ergebnisse von Item- und Faktorenanalysen der ersten Stichprobe werden im März 2007
zur Verfügung stehen und ebenfalls berichtet werden.
Literatur
Ewert, T., Cieza, A., Stucki, G. (2002): Die ICF in der Rehabilitation. Phys Med Rehab Kuror; 12: 157-162.
Gerdes, N., Bührlen, B., Jäckel, W.H. (2003): Indikatoren des Reha-Status (IRES-3.1), Bad
Säckingen.
Ruof, J., Cieza, A. et al. (2004): ICF core sets for Diabetes mellitus. J Rehab Med; Suppl.
44: 100-106.
Zillessen,E., Hübner, P., Neuber, H., Reinhartz, T., Krätz, B. (2004): Rehabilitation bei Diabetes mellitus. Entwicklung eines reha-spezifischen Scores unter Berücksichtigung der
ICF - Erste Erfahrungen. Vortrag auf der 11. Jahrestagung der GRVS, Bad Mergentheim,
27. Juni 2003 Abstract in Präv. Rehab. 16, 94.
93
Konzeption und erste empirische Überprüfung eines ICF-orientierten
Verfahrens zur Einschätzung des Teilhabepotentials auch für Menschen
mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung
Greve, J., Schmidt, C.
iqpr, Köln
Hintergrund
Bei der Einschätzung des Teilhabepotentials ist die individuelle Lebenssituation in ihrer gesamten Vielfalt zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind nicht nur krankheitsbedingte Defizite zu bewerten, sondern ebenso die Ressourcen der Person. Konzeptionell gibt die ICF einen Rahmen vor. Damit ist die Herausforderung gegeben, die Interaktion von Person und
Umwelt im Erhebungsverfahren in einer angemessenen Weise abzubilden. Der vorliegende
Ansatz versucht dies, indem Daten zu dem Personen-/Umwelt-Gefüge auf drei unterschiedlichen Systemebenen (individuelle Fähigkeiten, soziale Interaktion, Arbeitsmarkt) erhoben
und miteinander verknüpft werden. Für die empirische Überprüfung des Ansatzes werden in
einem ersten Schritt Fallanalysen herangezogen.
Studiendesign
Basis der Fallanalysen bildet ein dreifach gegliedertes Erhebungssystem (TIPI, FAS, KODI),
das insgesamt 48 Indikatoren abbildet. Besonders die 12 TIPI-Merkmale sind für die Teilhabe am Arbeitsleben prognostisch bedeutsam. Analytisch lassen sich diese 12 Indikatoren
vier unterschiedlichen Kategorien zuordnen (Person, Interaktionsfeld Familie und Gemeinde, Interaktionsfeld Betrieb, Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt). Für jeden Indikator werden
sowohl das Gesundheitsproblem als auch die potenziellen Förderfaktoren (kompensatorische Felder) bewertet. Den einzelnen Indikatoren sind korrespondierende ICF-Kategorien
zugeordnet.
Als Summenscore ergeben die einzelnen Indikatoren den Teilhabe- und Integrationsprognose-Index (TIPI). Diese werden zusätzlich mit Bewertungen des Funktions- und Aktivitätsspektrums (FAS als modifizierte IMBA-Varainte) sowie psycho-mental mit einer Kommunikationsdiagnostik (KODI) abgebildet. In einigen Fällen musste das KODI-Verfahren jedoch
nach der gezielten Verhaltensanalyse durch eine psychiatrische Exploration ergänzt werden. Wie bei anderen Verfahren (Metzler, "Hilfe nach Maß") erweisen sich die seelischen
Problemfelder als weitgehend unterrepräsentiert. Im vorliegenden Verfahren bzw. im KODI
sind sie jedoch eindeutig als "kritisch" erkennbar.
Ergebnisse
Die Fälle verteilen sich auf drei Subgruppen: Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen aus dem Förder- und Produktionsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (n=14) sowie Rehabilitanden der Rentenversicherungsträger (RV) mit einem Grad der
Behinderung unter 40 (n=12). Letztere kommen aus dem unmittelbaren Rehabilitationsprozess und werden auf Basis der RV-Akte (insbesondere des Reha-Abschlussberichts) bewertet.
Mit den Auswertungen werden Aussagen zum Teilhabepotential, den Funktionsbereichen
mit prospektivem Förderbedarf bzw. absehbaren Förderfaktoren in den "kompensativen
94
Funktionsfeldern“ gemacht. Aussagen zum Schweregrad (Problemeinstufung gem. ICF)
sind über den Funktionsstatus (FAS) bzw. das psychische Aktivitätsspektrum über den
Summenscore möglich. Aus den jeweilig unterschiedlichen Summenscores der ausgewählten Gruppen der verschiedenen Reha-Sektoren lässt sich die Wertigkeit des angewandten
Verfahrens ermitteln.
Ein deutlicher Unterschied besteht zwischen Rehabilitanden der Rentenversicherung und
der ambulant bzw. quasi stationär betreuten Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung im WfbM-Förderbereich sowie der WfbM-Gruppe aus dem Produktionsbereich
(WfbMP). Die Menschen im Produktionsbereich der WfbM nähern sich den Werten der RVGruppe und übertreffen diese teilweise. Daraus ergibt sich, dass das entworfene Verfahren
für eine trägerübergreifende Qualitätssicherung anzuwenden ist.
Diskussion
Die ICF-Kompatibilität des Verfahrens impliziert eine reha-epidemiologische Wertigkeit. Methodisch sind aus system- und interaktionstheoretischer Sicht besonders die Umwelt- und
die Förderfaktoren der ICF berücksichtigt worden (e-Kode im Teilhabe- und IntegrationsPrognose-Index, TIPI), um das Teilhabepotential zu ermitteln und sozialrechtliche Abstimmungen zur beruflichen Teilhabe zu erreichen. Übersichtlichkeit, Verfahrensökonomie und
Transparenz liegen vor (Dialog-Abstimmbarkeit, Teamhandhabbarkeit).
Literatur
Greve, J. (1998): Der Integrations-Prognose-Index (IPI). Die Rehabilitation, 4, 37.
Greve, J. Neuhäuser, G., Becker, K.P., Jantzen, W. (2003): Developmental Aspects in Rehabilitation (KODI). (ERC-Aachen, 11/02) In: Proceedings Launching the EYPD (CDDRV): 452-457.
Greve, J., Schian, H.M., Jochheim, K.A., Kluge, G. (2003): Dimensions of Quality Assurance in Vocational Rehabilitation (IPI; FAS; KODI; structures of therapy). (ERC-Aachen,
11/02) In: Proceedings Launching the EYPD (CD-DRV): 273-279.
WHO-(FIC) newsletter (rivm), Vol. 4, Nov. 1, 2006 , p. 1/2.
Einschränkungen der Teilhabe als Outcome-Variable medizinischer
Rehabilitation - Differentielle Ergebnisse für fünf Reha-Indikationen
Deck, R., Raspe, H.
Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Hintergrund
Mit der Verabschiedung der ICF durch die WHO im Jahr 2001 hat sich ein Wandel im rehabilitativen Denken vollzogen. Zentrale Elemente dieser Neuorientierung stellen u. a. Ressourcenorientierung, Partizipation und Teilhabe dar, die insbesondere für die medizinische
Rehabilitation von Bedeutung sind und hier auch unmittelbar die Rehabilitationsforschung
berühren (Schliehe, 2006). Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2005 ein kurzes Assessmentinstrument zur Erfassung von Teilhabeeinschränkungen entwickelt, welches sich an
den Dimensionen der ICF orientiert (Deck et al., 2006a; Deck et al., 2006b). Das Instrument
95
hat sich in der Testphase bewährt, inzwischen liegen umfangreiche Daten für unterschiedliche Indikationen vor.
Methodik
Im Rahmen der Qualitätsgemeinschaft medizinische Rehabilitation (QGmR) wurde bei fünf
Diagnosegruppen Orthopädie (Anschlussrehabilitation, N=561), Orthopädie (Heilverfahren,
N=231), Psychosomatik (N=156), Onkologie (N=213) und Pneumologie (N=311) der an der
ICF orientierte Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) eingesetzt.
Die Patienten der QGmR erhalten vor und vier Monate nach der Rehabilitation einen umfangreichen Fragebogen, der neben dem IMET weitere gesundheitsbezogene Outcomeinstrumente, u. a. Allgemeinbeschwerden (SCL-90-R, Somatisierungsskala), Funktionsbehinderungen (FFbH-R), Vitalität und psychisches Wohlbefinden (Subskalen des SF-36)
sowie katastrophisierende Kognitionen (FSS) enthält. Darüber hinaus werden die Patienten
nach ihrem Arbeitsplatz und diesbezüglichen Veränderungen gefragt; es wird ferner der
subjektiv wahrgenommene Reha-Erfolg erhoben.
Ergebnisse
Die Patienten der verschiedenen Indikationen unterscheiden sich im Summenscore des
IMET signifikant (p< 0.01, Eta2=0.13). Orthopädische Patienten der Anschlussrehabilitation
stellen sich erwartungsgemäß am stärksten in ihrer Teilhabe eingeschränkt dar, die
geringsten Einschränkungen weisen Patienten mit Atemwegserkrankungen auf. Es zeigen
sich keine Unterschiede zwischen Ausmaß der Teilhabeeinschränkungen und dem
Geschlecht, mit Ausnahme der orthopädischen Patienten in der Anschlussrehabilitation
(Frauen > Männer). Hinsichtlich des Alters ergibt sich erwartungsgemäß für die
orthopädischen, psychosomatischen und pneumologischen Stichproben, dass die älteren
Patienten von höheren Einschränkungen der Teilhabe betroffen sind, bei den onkologischen
Patienten verhält es sich umgekehrt. Es bestehen signifikant konkordante Zusammenhänge
mit den anderen Outcomeparametern (r2 zwischen .34 und .56). Vier Monate nach der
Rehabilitation ergeben sich für alle Indikationen mit Ausnahme der pneumologischen
Patientengruppe signifikante Verbesserungen im Summenscore, die Effektstärken variieren
zwischen 0.2 und 0.7.
Auf der Ebene von Einzelitems des IMET spiegeln sich die verschiedenen die indikationsspezifischen Probleme der verschiedenen Patientengruppen wider. So weisen etwa die orthopädischen Patientengruppen die höchsten Einschränkungen bei den häuslichen Verpflichtungen und der Erledigung täglicher Aufgaben auf, psychosomatische Patienten äußern verstärkt Teilhabeprobleme bei sozialen Aktivitäten, sozialen Beziehungen und hinsichtlich des Sexuallebens, Einschränkungen bei außergewöhnlichen Belastungen und
Stress stellen bei den onkologischen und pneumologischen Patienten ein Problem dar. Diese unterschiedlichen Ausprägungen zwischen den Diagnosegruppen erweisen sich für alle
Bereiche als statistisch signifikant (p<0.01).
Analysen im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Patienten ergeben unter Kontrolle
von Alter und Geschlecht bei hohen Ausprägungen des IMET ein fast 2 ½ faches Risiko,
aus dem Beruf auszuscheiden (OR 2.3, 95 % KI=1.3-4.0).
Es lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Teilhabestörung und subjektiv
wahrgenommenem Rehabilitationserfolg zeigen. Unter Berücksichtigung von Geschlecht,
96
Alter und Schulbildung erklären die Veränderungen im IMET zwischen 6 und 13 % erklärter
Varianz des Rehabilitationserfolgs, wobei der Zusammenhang für die orthopädischen Patienten im Heilverfahren am stärksten ist. Im Vergleich zu den anderen eingesetzten, spezifischen Outcomeparametern ist der Anteil erklärter Varianz am Rehabilitationserfolg durch
den IMET allerdings eher gering.
Diskussion
Der IMET als kurzes ICF-orientiertes Assessment-Instrument ist in der Lage, bei unterschiedlichen Indikationen Einschränkungen der Teilhabe global und krankheitsspezifisch
abzubilden. Er ist in der Lage Veränderungen nach der Rehabilitation, insbesondere bei den
orthopädischen und den psychosomatischen Patienten, abzubilden. Veränderungen der
Einschränkungen der Teilhabe spiegeln sich in der Wahrnehmung des Rehabilitationserfolges wider und hohe Teilhabestörungen stellen sich als Risikofaktor für das Ausscheiden aus
dem Beruf dar. Die hohen Korrelationen mit weiteren, etablierten Outcomemaßen bestätigen
die Konstruktvalidität des IMET.
Literatur
Schliehe, F. (2006): Das Klassifikationssystem der ICF. Rehabilitation, 45, 258-271.
Deck, R., Muche-Borowski, C., Mittag, O., Hüppe, A., Raspe, H. (2006a): IMET (Index zur
Messung der Einschränkungen der Teilhabe) - Erste Ergebnisse eines ICF-orientierten
Assessmentinstruments. DRV-Schriften 64, 152-153.
Deck, R., Mittag, O., Hüppe, A., Muche-Borowski, C., Raspe, H. (2006b): Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) - Erste Ergebnisse eines ICF-orientierten
Assessmentinstruments (Praxis klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, zur Veröffentlichung eingereicht).
97
Assessmentinstrumente 2
Einsatzmöglichkeiten der Normwerte des IRES-3
Frey, C. (1), Gerdes, N. (2), Jäckel, W.H. (1,2)
(1) Universitätsklinikum Freiburg i.Br., (2) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung,
Bad Säckingen
Einleitung
Die Beurteilung der Wirksamkeit von Interventionen in der medizinischen Rehabilitation ist
sowohl für die Qualitätssicherung als auch für die Evalutationsforschung von immenser Bedeutung. Der IRES (Indikatoren des Rehastatus) ist ein rehabilitationsspezifisches Instrument, das zu diesem Zweck vielfach eingesetzt wird. Den Besonderheiten der medizinischen Rehabilitation Rechnung tragend, erhebt der IRES-3 Belastungen in den Bereichen
„somatische Gesundheit“, „Schmerzen“, „Funktionsfähigkeit im Alltag“, „Funktionsfähigkeit
im Beruf“, „Psychisches Befinden“, „soziale Integration“, „Gesundheitsverhalten“ und
„Krankheitsbewältigung“. Auswertungen der Interventionen werden hauptsächlich durch
Vergleiche zwischen zwei Messzeitpunkten in Form von Effektstärken dargestellt. Für die
aktuell vorliegende Version 3 des IRES (Bührlen et al., 2005; Frey et al., in Vorbereitung)
bieten die neu erhobenen geschlechts- und altersabhängigen Normwerte neue Auswertungsmöglichkeiten, die den Erfolg in einer alternativen Form darstellen können.
Methodik und Durchführung
Der eingesetzte IRES-Fragebogen liegt in Versionen für die Messzeitpunkte „Reha-Beginn“
(141 Items), „Reha-Ende“ (76 Items) und „Katamnese“ (123 Items) vor. Anhand des Vergleichs zweier Messzeitpunkte werden die Erfolge der Rehabilitation mithilfe von Effektstärken, Prozenträngen und t-Werten beurteilt. Die verschiedenen Herangehensweisen der Erfolgsmessung sollen dargestellt und ihre Vorteile erläutert werden. Für die Effektstärkenberechnung wird das standardized response mean (SRM) errechnet, die Einstufung dieser
Werte erfolgt nach Cohen (1988) folgendermaßen: bei Effektstärken kleiner 0,4 handelt es
sich um geringe Effekte, bei Werten zwischen 0,4 und 0,8 um mittlere und bei Werten größer 0,8 um starke Effekte. Die Signifikanz von Effektstärken wird anhand eines t-Tests errechnet. Prozentränge dienen hier der deskriptiven Darstellung der Veränderung, mithilfe
der korrespondierenden t-Werte können auch Aussagen über Signifikanzen gemacht werden. Auf individueller Ebene liegt zur Einstufung der Ergebnisse ein Profilblatt vor, in das die
Prozentränge aller erhobener Dimensionen und der zugehörigen Skalen eingetragen werden können. Die Stichprobe besteht aus 4237 Patienten, die an einer medizinischen Rehabilitation in den Indikationsbereichen Kardiologie (13,5 %) oder muskuloskeletale Erkrankungen (86,5 %) teilnahmen. Die Gruppe der Patienten besteht zu 61,8 % aus Frauen mit
einem mittleren Alter von 69,5 Jahren (+/- 9,0). Die Datenerhebung fand in dem Zeitraum
Mai 2004 bis Juli 2006 statt.
98
Ergebnisse
Die Behandlungseffekte bezüglich des IRES-Summenscores (Durchschnittswert aller Skalen) bewegen sich im Bereich mittlerer (Kardiologie: 0,75) bis starker Effekte (MSK: 0,90).
Bei den Prozenträngen der Patienten kann im Bereich Kardiologie eine Verbesserung um
durchschnittlich 13,8 Prozentpunkte (Reha-Beginn: durchschnittlicher Prozentrang aller Patienten 21,9; Reha-Ende: 35,7; t=15,0; p<,001) erzielt werden, im Bereich MSK liegt diese
Zunahme sogar bei 16,7 Prozentpunkten (Reha-Beginn: 17,0; Reha-Ende: 33,7; t=45,8;
p<,001). Die erzielten Behandlungserfolge sind dabei hochsignifikant.
Besonders anschaulich sind die Veränderungen in Verteilungsdiagrammen der Prozentränge vor und nach der Rehabilitation darstellbar. Bei den MSK-Patienten weisen vor der Rehabilitation 67,1 % einen Prozentrang von bis zu 20 auf. Dieser Anteil reduziert sich zum
Ende der Rehabilitation auf 36,3 % (Chi² = 467; p<0,001). Im Bereich Kardiologie ergibt sich
ein ähnliches Bild: vor der Rehabilitation haben 59,5 % dieser Patienten einen Prozentrang
von 20 oder geringer, nach der Rehabilitation sind es nur noch 33,6 % (Chi² = 76; p<0,001).
Zusammenfassung und Diskussion
Beide Ansätze beleuchten dieselben Erfolge auf unterschiedliche Weise. Die Effekte zeigen,
wie die Veränderungen hinsichtlich der Stichprobenstreuungen zu beurteilen sind, die
Normwerte (hier im besonderen die Prozentränge) lassen Rückschlüsse darüber zu, wie
sich die Patientenstichprobe hinsichtlich der Normbevölkerung verhält. Im ersten Fall sind
die Größen der Veränderungsmaße eher von den Streuungen der Patientenangaben abgängig, im zweiten Fall mehr von der Verteilung der Werte in der Normbevölkerung; deswegen sind diese beiden Ansätze nicht austauschbar und ergänzen sich gegenseitig.
Literatur
Cohen, J. (1988): Statistical power analysis for the behavioral sciences. (2nd ed.). Hillsdale,
NJ: Erlbaum.
Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung
eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Rehabilitation,
44: 63-74.
Frey, C., Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (in Vorbereitung): Handbuch zum IRES-3.
Indikatoren des Reha-Status, Version 3 mit IRES-24 (Kurzversion).
99
Änderungssensitivität von SF-36, WOMAC und EQ-5D während und nach
der Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW)
bei Patienten nach schweren Verletzungen der unteren Extremitäten
Bak, P. (1), Müller, W.D. (2), Lohsträter, A. (3), Smolenski, U.C. (1)
(1) Universitätsklinikum Jena, Institut für Physiotherapie, (2) m&i-Klinikgruppe, Fachklinik
Bad Liebenstein, (3) Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Bezirksverwaltung Erfurt
Hintergrund
SF-36, WOMAC und EQ-5D sind verbreitete Instrumente zur Messung unterschiedlicher
Konstrukte der funktionalen Gesundheit, zunehmend auch nach schweren Verletzungen der
unteren Extremitäten (Kiely, 2006). Hoch qualitative Forschung über die Effektivität der Rehabilitation Unfallverletzter ist aber nur möglich, wenn die verwendeten Instrumente ausreichende Fähigkeit besitzen, die Effekte der Intervention zu zeigen. International publizierte
Ergebnisse zur Änderungssensitivität der o. g. Instrumente in der Rehabilitation sind rar und
oft widersprüchlich (Gabbe, 2005). In Deutschland werden die Instrumente eben wegen unzureichender Änderungssensitivität manchmal als ungeeignet für die Evaluation in der orthopädisch/traumatologischer Rehabilitation erachtet. Ziel der Studie war es, die kurz- und
mittelfristige Änderungssensitivität der o. g. Instrumente während und nach der BGSW bei
Patienten nach schweren Verletzungen der unteren Extremitäten zu untersuchen.
Methodik
211 konsekutive Patienten haben zwischen Anfang Januar und Ende Oktober 2006 eine
stationäre Rehabilitation (BGSW) nach schweren Verletzungen der unteren Extremität absolviert. Am Anfang (T1) und am Ende (T2) der Reha-Maßnahme wurde den Patienten SF36, WOMAC und EQ-5D als selbstadministrierte Fragebogen vorgelegt. Mittlere Verweildauer betrug 31,2 Tage. Bei 4 Patienten wurde die Maßnahme vorzeitig abgebrochen, so
dass die Ergebnisse zu T2 nicht vorlagen. 6 Monate nach Entlassung aus der Reha-Klinik
wurden alle Patienten erneut postalisch befragt. Von den zum Zeitpunkt der Auswertung fälligen Befragungen von 125 Patienten antworteten 103 Patienten (82,4 %). 8 Subdimensionen und beide Summenscores von SF-36 wurden normbasiert ausgewertet und an Alter und
Geschlecht adjustiert. WOMAC und EQ-5D Index wurden auf eine 0-100 Skala transformiert. Änderungssensitivität (ÄS) wurde mittels SES und SRM (Standardized Response
Means) berechnet. Zusätzlich wurden Boden- und Deckeneffekte für alle Messzeitpunkte (in
Prozent) nach Dimensionen bzw. Subskalen getrennt dargestellt.
Ergebnisse
SF-36 zeigte von T1 bis T2 mittlere bis hohe ÄS mit SES reichend vom 1.23 für die physische Funktion (PF) bis 0.59 für die allgemeine Gesundheitswahrnehmung (GH). Es wurden
weitere positive Effekte bis T3 registriert, so dass die kumulativen Effekte T1-T3 für alle
Subskalen und beide Summenscores durchweg hoch waren. Die Summenscores zeigten
wider Erwarten keine höhere Sensitivität als die einzelnen Skalen. Die Änderungssensitivität
von WOMAC war zu T2 und kumulativ zu T3 hoch für alle drei Dimensionen. EQ-5D Index
zeigte T1-T2 SES von 0.77 und T1-T3 von 0.94, die VAS-Skala entsprechend 0.87 und
100
1.02. SRMs waren tendenziell niedriger, bestätigen aber die hohe ÄS der Instrumente. Die
Boden und Deckeneffekte waren für SF-36 unter 5 %, für WOMAC und EQ-5D unter 2 %.
Diskussion
Die Datenlage zur kurzfristigen Änderungssensitivität der verwendeten Messinstrumente ist
bisher nicht ausreichend. Die ÄS scheinen höher als in der Stichprobe von Patienten in der
orthopädischen Rehabilitation (Igl, 2006); die Stichproben sind aber nicht direkt vergleichbar. Die Boden- und Deckeneffekte limitieren die ÄS der untersuchten Instrumente kaum.
Patienten wurden zwar in einer einzigen Klinik rehabilitiert und von einem Kostenträger gemanagt, weisen aber Unterschiede im Verletzungsmuster, beruflicher Tätigkeit und sozioökonomischen Status aus. Daher ist bei der Generalisierung der Ergebnisse Vorsicht geboten.
Schlussfolgerungen
Trotz der sozialen und ökonomischen Bedeutung der Rehabilitation Unfallverletzter gibt es
unzureichende Evidenz zu der Änderungssensitivität der weit verbreiteten Messinstrumente.
Sowohl SF-36 als auch WOMAC und EQ-5D zeigten ausreichende bis hohe ÄS in der untersuchten Stichprobe. Alle der untersuchten Instrumente waren in der Lage, auch in sehr
kurzen Zeitintervallen Effekte zu demonstrieren. Eine Voraussetzung für die Darlegung der
ÄS ist aber, neben der Testgüte der Instrumente selbst, die geeignete Intervention, welche
ausreichende Effekte generiert. Die untersuchten Instrumente scheinen geeignet zu sein für
Forschung und Praxis, sollen aber gemäß den internationalen Empfehlungen miteinander
kombiniert werden.
Literatur
Kiely, J.M., Brasel, K.J., Guse, C.E., Weigelt, J.A. (2006): Correlation of SF-12 and SF-36 in
a trauma population. Journal of Surgical Research;132 (2):214-8.
Gabbe, B.J., Williamson, O.D., Cameron, P.A., Dowrick, A.S. (2005): Choosing Outcome
Assessment Instruments for Trauma Registries. Acad Emerg Med;12(8):751-758.
Igl, W., Zwingmann, C., Faller, H., Beutel, M., Beyer, W., Bischoff, C. et al. (2006): Änderungssensitivität von generischen Patientenfragebogen - Ergebnisse einer verbundübergreifenden Reanalyse. Phys Med Rehab Kuror;16(2):69-81.
Die Änderungssensitivität von Assessmentverfahren bei Patienten mit
distaler Radiusfraktur: Unterschiede zwischen krankheitsspezifischen
und krankheitsübergreifenden Erhebungsinstrumenten
Moock, J. (1), Lohsträter, A. (2), Germann, S. (2), Bak, P. (3), Kohlmann, T. (1)
(1) Institut für Community Medicine, Universitätsklinikum Greifswald, (2) VerwaltungsBerufsgenossenschaft, Erfurt, (3) Institut für Physiotherapie, FSU Jena
Hintergrund und Ziel
Nationale und internationale Leitlinien zur Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (LQ) empfehlen den kombinierten Einsatz von krankheitsspezifischen und diagnose101
übergreifenden („generischen“) Messinstrumenten. Ein wesentliches Argument dabei ist,
dass erhebliche Unterschiede in der Änderungssensitivität zwischen diesen Instrumentengruppen bestehen können. Im Bereich der Rehabilitation von Unfallverletzten mit Frakturen
der oberen Extremitäten sind solche Unterschiede in der Änderungssensitivität bisher kaum
untersucht worden. Vor diesem Hintergrund war es Ziel der vorliegenden Studie, die Änderungssensitivität von krankheitsspezifischen und generischen Instrumenten zur Messung der
LQ bei Rehabilitationspatienten mit gelenknahen (distalen) Radiusfrakturen vergleichend zu
analysieren.
Methodik
Im Rahmen einer randomisierten Studie wurden initial 380 Patienten nach distaler Radiusfraktur konsekutiv eingeschlossen. Von diesen Patienten nahmen 198 an der Studie teil und
wurden entweder einer Gruppe mit speziellem Rehabilitationsmanagement (N=114) oder
einer Gruppe mit Standardmanagement (N=84) zugeteilt. Die Befragung erfolgte zu drei
Messzeitpunkten, nach Eingang des D-Berichtes (T1), nach 3 (T2) und 9 (T3) Monaten. Zu
allen drei Messzeitpunkten wurden LQ-Daten mit dem krankheitsspezifischen Disabilities of
Arm, Shoulder, and Hand-Fragebogen (DASH) und dem generischen SF-36- bzw. EQ-5DFragebogen erhoben. Die vergleichende Analyse der Änderungssensitivität erfolgte auf der
Basis der standardisierten Mittelwertsdifferenzen (Standardized Response Means; SRMs),
die für bei Gruppen getrennt berechnet wurden.
Ergebnisse
In beiden Gruppen zeigten sich zwischen den Messzeitpunkten die größten Veränderungseffekte beim DASH bzw. seinen Subskalen (SRM T1-T2: 1,10 bis 1,90; SRM T1-T3: 1,65 bis
2,45). Für die körperlichen Subskalen des SF-36 (körperliche Funktionsfähigkeit, körperliche
Rollenfunktion, Schmerz) lagen die SRMs auf niedrigerem Niveau (SRM T1-T2: 0,49 bis
0,92; SRM T1-T3: 0,71 bis 1,37). Damit vergleichbare SRMs wurden für den EQ-5D ausgewiesen (SRM T1-T2: 0,72 und 0,74; SRM T1-T3: 0,87 und 0,88). Die SRMs für die psychischen Subskalen des SF-36 (Vitalität, soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion,
psychisches Wohlbefinden) fielen erwartungsgemäß niedriger aus (SRM T1-T2: 0,02 bis
0,54; SRM T1-T3: 0,01 bis 0,49). Diese Unterschiede zwischen den krankheitsspezifischen
und generischen Messinstrumenten bzw. ihren Subskalen zeigten sich in gleicher Weise in
beiden Behandlungsgruppen sowie bei Berechnung anderer Parameter zur Beschreibung
der Veränderungen im Zeitverlauf (z. B. standardisierte Effektgrößen).
Diskussion und Schlussfolgerungen
Erwartungsgemäß konnten für den krankheitsspezifischen DASH die größten Änderungseffekte ermittelt werden. Die vorliegenden Ergebnisse weisen daraufhin, dass auch generische Verfahren wie der SF-36 und der EQ-5D bei Rehabilitationspatienten mit distaler Radiusfraktur änderungssensitiv sind. Insbesondere der DASH und seine Subskalen und der
EQ-5D zeigten eine große Stabilität hinsichtlich des Messzeitpunktes. Zusammenfassend
bestätigen diese Ergebnisse die Empfehlungen der Leitlinien, eine Kombination von krankheitsspezifischen und generischen Assessmentverfahren zu verwenden.
102
Psychometrische Überprüfung einer Weiterentwicklung der deutschen
Version der „Health of the Nation Outcome Scales“ (HoNOS-D)
Andreas, S. (1), Johst, M. (1), Mestel, R. (2), Rabung, S. (1), Harfst, T. (3), Kawski, S. (1),
Koch, U. (1), Schulz, H. (1)
(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Klinik für Psychosomatische Medizin, Bad Grönenbach,
(3) Bundespsychotherapeutenkammer, Berlin
Einleitung
Bei der „Health of the Nation Outcome Scales (HoNOS)”, entwickelt vom Royal College of
Psychiatrist´s in Großbritannien, handelt es sich um ein häufig eingesetztes Fremdeinschätzungsinstrument zur differenzierten Erfassung des Schweregrades einer psychischen Erkrankung (Andreas et al., in press; Wing et al., 1998). Sowohl empirische Ergebnisse anderer als auch eigene Studien zur Reliabilität und Validität der HoNOS bzw. der deutschen
Version (HoNOS-D) zeigten für einzelne Items moderate Kennwerte auf. Dabei ist insbesondere das Item 8 der HoNOS-D, welches andere psychische Probleme (wie z. B. Angst)
erfasst, für den Bereich der stationären Behandlung von zentraler Bedeutung. Aufgrund der
bislang unbefriedigenden psychometrischen Kennwerte des Items 8 wurde eine Weiterentwicklung vorgeschlagen. Zielsetzung der vorliegenden Studie ist es, die psychometrische
Überprüfung des weiterentwickelten Items 8 der HoNOS-D zu präsentieren.
Methodik
Die HoNOS-D besteht aus insgesamt 12 Items, wobei Item 8 „Andere Probleme“ nochmals
9 Problembereiche umfasst, die in der weiterentwickelten Version jeweils separat beurteilt
werden sollten. Die Überprüfung der Interraterreliablität wurde auf der Grundlage von Ratings dreier zuvor geschulter Beurteiler anhand einer Stichprobe von N = 55 Patientinnen in
psychosomatisch/psychotherapeutischer Rehabilitationsbehandlung vorgenommen. Die Validitätsüberprüfungen sollen an einer Stichprobe von N = 2000 Patienten mit psychischen
Störungen in stationärer Behandlung erfolgen. In dieser Studie werden außerdem noch verschiedene Fremdeinschätzungs- und Selbsteinschätzungsinstrumente eingesetzt.
Ergebnisse und Diskussion
Die Überprüfung der Interraterreliabilitäten zeigte ein heterogenes Bild für das neu entwickelte Item 8 auf. Ein Vergleich der Höhe der Interraterkoeffizienten zwischen der Originalversion und der neuen Version zeigte etwas verbesserte Kennwerte für die neue Version
auf, wobei diese generell eher als moderat zu bewerten sind. Erste Zwischenauswertungen
auf der Basis von bisher N = 409 Patienten liefern Hinweise auf die Validität der neuen HoNOS-D Item 8 - Version und zeigen im Vergleich zur Originalversion bessere Kennwerte
auf, wobei die noch laufenden Auswertungen abzuwarten sind. Die Ergebnisse sollen vor
dem Hintergrund anderer Studien zu psychometrischen Eigenschaften der HoNOS kritisch
erörtert werden.
Literatur
Andreas, S., Harfst, T., Dirmaier, J., Kawski, S., Koch, U., Schulz, H. (in press): A psychometric evaluation of the German version of the "Health of the Nation Outcome Scales,
103
HoNOS-D": On the feasibility and reliability of a clinician-rated measure of severity in patients with mental disorders. Psychopathology.
Wing, J.K., Beevor, A.S., Curtis, R.H., Park, S.B., Hadden, S., Burns, A. (1998): Health of
the Nation Outcome Scales (HoNOS). Research and development. British Journal of
Psychiatry;172:11-18.
Prospektive Validierung eines Sturzindexes für Osteoporosepatienten
Schwesig, R. (1), Lauenroth, A. (1), Kubala, A. (2), Brandt, J. (2), Hottenrott, K. (1)
(1) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medien, Kommunikation und
Sport, (2) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Klinik und Poliklinik für Orthopädie und
Physikalische Medizin
Hintergrund / Fragestellung
Die sensomotorische, insbesondere die posturale Leistungsfähigkeit, stellt einen wesentlichen Prädiktor für die Sturzgefahr dar. Jedoch ist die Frage nach der Messbarkeit sensomotorischer Leistungen, und damit der Überprüfbarkeit von Zusammenhängen zwischen Erkrankungen des Bewegungssystems und Veränderungen der Sensomotorik nach wie vor
ungeklärt. Aktuell stellen u.a. die Identifikation sturzgefährdeter Osteoporosepatienten und
die Reduktion des Sturzrisikos große Herausforderungen in Prävention und Rehabilitation
dar (Sinaki, Lynn 2002; Tinetti, 2003).
Ziel dieser Untersuchung war es, einen bereits an Osteoporosepatienten aus Osteoporosesportgruppen (n=78, Durchschnittsalter: 69.6 ± 7.0 Jahre) entwickelten Sturzindex (Schwesig, 2006) mittels eines validierten Assessments, dem FES-I (Falls Efficacy Scale - "International", Tinetti, 1994), zu überprüfen.
Methodik
In die prospektiv angelegte Längsschnittuntersuchung wurden 228 Personen, 89 Gesunde
und 139 Osteoporosepatienten (Durchschnittsalter: 68.0 ± 9.7 Jahre), eingeschlossen. Im
Abstand von einem Jahr wurden alle Probanden zweimal zu ihrer Sturzhäufigkeit (Sturzkalender) im letzten Jahr befragt und die Knochenmineralisationsrate (t-Wert) mittels DEXA
gemessen. Zum Messzeitpunkt 1 kamen darüber hinaus die Posturographie (Interaktives
Balancesystem [IBS]) sowie ein Fragebogen-Assessment, welches u. a. den FES-I und eine
selbst entwickelte Frage zur Sturzgefährdung („Sind Sie sturzgefährdet, d. h., stürzen Sie oft
bzw. fühlen Sie sich unsicher im Alltag?“) enthielt, zum Einsatz. Erfasst wurden damit die
Parameter Sturzgefahr, Sturzhäufigkeit, Sturzangst und Gleichgewichtsstörungen. Die
Rücklaufquote der Sturzkalender zum Messzeitpunkt 2 betrug 96 % (n=218), die zur Bestimmung der Knochenmineralisationsrate 28 % (n=63).
Ergebnisse
Bezogen auf die Sturzhäufigkeit im letzten Jahr zeigte die Frage zur Sturzgefährdung prospektiv die größte Sensitivität und Spezifität (AUC=0.794). Während die Frage nach den
Gleichgewichtsstörungen die höchste Spezifität mit 91 % (AUC=0.766) verzeichnete, erwies
104
sich der FES-I mit 23 % als am wenigsten sensitiv, bei ebenfalls hoher Spezifität (90 %,
AUC=0.759).
Posturographisch ließ sich für den Sturzindex F 2-4 (peripher-vestibuläres System) die größte prognostische Relevanz bezüglich der Sturzgefahr ermitteln (AUC=0.835), gefolgt vom
Summenscore (AUC=0.764) und dem Sturzindex F 5-6 (somatosensorisches System)
(AUC=0.721).
Zwischen dem Osteoporosestadium und der prospektiven Sturzhäufigkeit fand sich keine
Beziehung (Chi-Quadrat: 6.800, p=0.340; Phi: 0.177).
Schlussfolgerung
Für die Bildung des Sturzindexes scheint insbesondere der Frequenzbereich F 2-4 (peripher-vestibuläres System) geeignet und relevant zu sein. Mit dem Sturzindex steht ein diskreter Parameter zur Verfügung, der valide, reliabel und praktikabel das Sturzrisiko von Osteoporosepatienten erfasst. Zukünftig sollte seine externe Validität auch an anderen Kohorten (z. B. Parkinson-, Kleinhirn-, Hüftendoprothesepatienten, Seh- und Hörbehinderte, Patienten mit peripher-vestibulärer Störung) überprüft und der Einsatz des Messsystems zur beruflichen (z. B. Dachdecker) / sportlichen Eignung (z. B. Sportschützen, Turner) in Erwägung
gezogen werden.
Literatur
Schwesig, R. (2006): Das posturale System in der Lebensspanne. Hamburg, Verlag Dr. Kovac.
Sinaki, M., Lynn, S.G. (2002): Reducing the risk of falls through proprioceptive dynamic posture training in osteoporotic women. Am J Phys Med Rehabil, 81, 241-246.
Tinetti, M.E., Mendes de Leon, C.F., Doucette, J.T., Baker, D.I. (1994): Fear of falling and
fall-related efficacy in relationship to functioning among community-living elders. J Gerontol 49 (3), 140-147.
Tinetti, M.E. (2003): Preventing falls in elderly persons. N Engl J Med, 348, 42-49.
105
Assessmentinstrumente 3
Messung von Morbidität und Komorbidität in der medizinischen
Rehabilitation - Deutsche Adaptation der Cumulative Illness Rating Scale
(CIRS-G)
Nosper, M.
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz Alzey
Einleitung
Trotz der Bedeutung von Morbidität und Komorbidität in der medizinischen Versorgung wurde kein deutschsprachiges Assessment dafür entwickelt oder adaptiert. Deshalb wurde die
von Linn 1968 konzipierte Cumulative Illness Rating Scale (CIRS) ins Deutsche übertragen
und im Rahmen der Qualitätssicherung mit dem Dokumentationssystem EVA-Reha (Bassler, Nosper, 2007) seit 2004 in neurologischen, orthopädischen und geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen in Rheinland-Pfalz eingesetzt. Der CIRS-G wurde bislang bei 21634 Rehabilitanden dokumentiert (7556 orthopädische, 5019 neurologische und 9059 geriatrische
Fälle). Um eine reliable Kodierung zu gewährleisten, wurde das von Miller (1991) erstellte
Leitlinienmanual ins Deutsche übertragen (Hock, Nosper, 2005). Erste Ergebnisse werden
hier vorgestellt.
Die Cumulative Illness Rating Scale (CIRS): Der CIRS wurde entwickelt, um alle komorbiden Erkrankungen eines Patienten umfassend abzubilden. Dazu werden 13 somatische Organsysteme (Version CIRS) und zusätzlich das System Psychische Störungen (Version
CIRS-G, Tab. 1) auf einer Skala von 0 bis 4 bewertet (0 = keine Erkrankung, 1 = milde oder
überstandene signifikante Erkrankung, 2 = mäßige Funktionsstörung oder Erkrankung, Basistherapie erforderlich, 3 = schwere, chronische Funktionsstörungen/ Beeinträchtigungen,
nicht behandel- oder beherrschbare chronische Erkrankung, 4 = sehr schwere Erkrankung,
sofortige Therapie erforderlich, schwere Funktionsstörung des Organsystems, Organversagen). Bestehen innerhalb eines Organsystems mehrere Erkrankungen, wird die schwerste
Ausprägung gerated. Kennwerte sind der Morbiditätsindex MI (Summe der Punktwerte aller
14 Items, 0 bis 56 Punkte), der Somatische Morbiditätsindex SMI (Summe der Items 1 bis
13, 0 bis 52 Punkte) und die Relevante Somatische Morbidität RSK (Anzahl der Items mit
den Punktwerten 3 und 4). Der Komorbiditätsindex (KMI) kann dadurch bestimmt werden,
dass das Organsystem mit der Indexerkrankung nicht mit bewertet wird. Nach Parmelee
(1995) korreliert der CIRS mit Mortalität, Häufigkeit von Krankenhausbehandlungen und deren Dauer, stationären Wiederaufnahmen, Medikamentenverbrauch, auffälligen Laborbefunden und funktionalen Beeinträchtigungen von Aktivitäten. Der CIRS wurde u. a. validiert
an älteren Krebspatienten und korrelierte dort mit der Überlebenszeit ohne Verschlechterung. Studien belegen eine prognostische Sensitivität. Die metrische Güte des CIRS wurde
mehrfach untersucht. Die Retest- und Interraterreliabilität liegt bei 0.8. Das Rating erfordert
ein Training und wird unterstützt durch Guidelines (Hock, Nosper, 2005). Ein trainierter Rater benötigt 5 bis 10 Minuten. Vergleichsstudien zeigten, dass nur vier von 13 Verfahren me106
thodischen Ansprüchen genügen und empfehlen den CIRS-G als Morbiditätsassesment der
ersten Wahl (de Groot, 2003).
Tabelle 1 CIRS-G 14 Organsysteme, Itemstatistik und Cronbachs Alpha
Itemstatistiken N = 22300 Werte bei Aufnahme
M
SD
CIRS 1 kardial
1,45
1,13
CIRS 2 Bluthochdruck
1,75
0,93
CIRS 3 vaskulär
0,76
0,93
CIRS 4 pulmonal
0,69
1,03
CIRS 5 HNO-Augen
0,97
0,94
CIRS 6 oberer Gastrointestinaltrakt
0,71
0,99
CIRS 7 unterer Gastrointestinaltrakt
0,62
1,00
CIRS 8 hepatisch
0,50
0,87
CIRS 9 renal
0,49
0,88
CIRS 10 urogenital
0,91
1,09
CIRS 11 muskuloskelettal, dermal
2,41
1,09
CIRS 12 neurologisch
1,43
1,47
CIRS 13 endokrin, metabolisch
1,02
1,05
CIRS 14 psychiatrisch
1,07
1,16
Cronbachs Alpha
0,800
Eigene Befunde
Die Homogenität der 14 Skalen ist gut (Chronbach`s Alpha = 0.800). Die drei Rehabilitationsindikationen orthopädisch, neurologisch und geriatrisch unterscheiden sich hinsichtlich
der Anzahl schwer betroffener Organsysteme (RSK) und im Morbiditätsindex MI (Tab. 2).
Geriatrische Patienten (MI = 19,4) sind im Durchschnitt morbider als neurologische (MI =
16,0), diese morbider als Patienten in orthopädischer Rehabilitation (MI = 8,2), bei denen
überwiegend nur ein Organsystem schwerwiegend betroffen ist (RSK, Tab. 2). Der CIRS-G
wurde bei allen Rehabilitanden im unmittelbaren Anschluss an die Aufnahme- und Entlassungsuntersuchung durchgeführt. Die mittleren Effektstärken zwischen ES 0.4 bis 0.6 zeigen, dass der CIRS-G auch bei relativ kurzer Rehabilitationsdauer (24 Tage) relevante Verbesserungen des allgemeinen Gesundheitszustandes abbildet (Tab. 2). Zusätzlich zur Kodierung der Diagnosen nach ICD-10 wurden in EVA-Reha 17 Impairmentgruppen verschlüsselt (Bassler, Nosper 2007). Die MI-Werte in Tab. 3 zeigen, wie sich die Impairments
hinsichtlich der Morbidität unterscheiden und wie hoch die Besserungseffekte je Impairment
(ES) im Vergleich Aufnahme-Entlassung sind. Bei den orthopädischen Rehabilitanden korrelierte der MI mit dem FIM-Gesamtwert mittelgradig und signifikant (ρ = - 0,411**), ebenso
bei neurologischen (ρ = - 0,440**) und geriatrischen Patienten (ρ = - 0,410**). Bei orthopädischen Rehabilitanden korrelierte der MI niedrig bis mittelgradig mit den Gesamtwerten der
Staffelstein-Scores (Hüfte -0,355**, Knie -0,253** und Amputation -0,675**). Die insgesamt
mittelgradigen Korrelationen sprechen einmal für die Validität des CIRS (ausreichende Korrelation mit anderen Betroffenheitsmaßen) und dafür, dass relevante Zusatzinformationen
erhoben werden, die nicht bereits durch ADL-Assessments (FIM) oder Funktionsassessments (Staffelsteinscores) abgebildet werden.
107
Tabelle 2 CIRS Rehadauer, RSK, Morbiditätsindex (MI) , Entlassung, Effektstärken
Reha- RSK CIRS-G
A
E
dauer
MI
M (SD) Md
N
M
SD
M
SD ES
orthopädisch
21 (3,8)
1
7556
8,2 4,1 6,7 4,0 0,4
neurologisch
29 (15,1)
2
5019 16,0 6,4 12,7 6,0 0,5
geriatrisch
23 (9,4)
2
9031 19,4 7,1 15,4 7,3 0,6
Gesamt
24 (10,2)
1
21606 14,7 7,8 11,7 7,1 0,4
Tabelle 3 CIRS Morbiditätsindex (MI) , Entlassung, Effektstärken bezogen auf Impairments
Entlassung
CIRS-G Morbiditätsindex MI
N
M
SD
M
SD ES
10-Lungenfunktionsstörungen
199 21,5 7,1 16,0 8,1 0,8
17-Medizinisch komplexe Fälle
1162 21,5 7,4 16,3 7,8 0,7
09-Herzerkrankungen
644 21,2 7,3 16,2 7,8 0,7
05-Amputationen
143 19,4 6,8 16,8 6,3 0,4
16-Schwächezustände
213 18,6 6,8 15,6 7,8 0,4
13-Andere Beeinträchtigungen der Aktivitäten
67 18,1 8,0 13,6 7,6 0,6
12-Angeborene Missbildungen
1 18,0
. 14,0
.
01-Schlaganfall
6057 17,8 6,7 14,2 6,6 0,5
15-Entwicklungsstörungen
5 17,6 10,1 16,8 9,0 0,1
02-Zerebrale Dysfunktion
493 16,6 7,0 13,4 7,2 0,5
04-Rückenmarksschädigungen
325 15,8 6,9 12,7 6,5 0,5
03-Neurologische Erkrankungen
717 15,5 7,2 12,6 6,6 0,4
14-Polytrauma
34 14,2 8,7
8,5 6,2 0,7
08-Skeletterkrankungen
10788 11,8 7,0
9,5 6,3 0,3
07-Schmerzsyndrome
301 11,3 5,9
9,6 5,6 0,3
06-Arthritis/ Arthrose
457
8,3 5,7
6,7 5,0 0,3
Gesamt
21606 14,7 7,8 11,7 7,1 0,4
Ausblick
Mit der Adaptation des Morbiditätsindex CIRS-G steht erstmals ein deutschsprachiges Verfahren für die Messung der (Ko)Morbidität zur Verfügung. Das Verfahren ist für den Einsatz
in der medizinischen Rehabilitation geeignet. Es fördert die systematische Beachtung komplexer Gesundheitsprobleme und bildet die Effekte ärztlicher Therapie mit ausreichender
metrischer Güte ab. Weitere Studien zur Retest- und Interraterreliabilität sind geplant, ebenso Studien zur Bedeutung des CIRS-G für die Rehabilitationsprognose und die Varianzaufklärung bei Risikoadjustierungen im Bereich der Qualitätssicherung und Fallpauschalenmodellierung. Die Herausgabe der german version des Verfahrens durch den Autor ist in Vorbereitung.
Literatur
Bassler, M., Nosper, M. et al. (2007): Datenquellen für eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung in der medizinischen Rehabilitation. Das QS-Reha-Verfahren der Gesetzlichen
Krankenversicherung und das Dokumentationssystem EVA-Reha des MDK RheinlandPfalz. Rehabilitation. Zur Veröffentlichung angenommen.
de Groot, V., Beckerman, H., Lankhorst, G.J. et al., (2003): How to measure comorbidity: a
critical review of available methods. Journal of Clinical Epidemiology 56, 221-229.
108
Hock, G., Nosper, M. (2005): Manual CIRS-G. Cumulative Illness Rating Scale. Skala zur
kumulierten Bewertung von Erkrankungen. V.2.1. MDK Rheinland-Pfalz. Deutsche Adaptation des Manuals von: Mark D, Miller, Towers A. A Manual of Guidelines for Scoring the
Cumulative Illness Rating Scale (CIRS-G). Department of Geriatric Psychiatry, University
of Pittsburgh USA. May 1991.
Miller, M.D., Paradis, C.F., Houck, P.R. et al. (1991): Rating chronic medical illness in burden in geropsychiatric practice und research: Application of the Cumulative Illness Rating
Scale. Psychiatry Res; 41:237-248.
Parmelee, P.A., Thuras, P.D. et al. (1995): Validation of the Cumulative Illness Rating Scale
in a Geriatric Residential Population. J Am Geriatr Soc; 43:130-137.
Konzeption und Evaluation eines FCE-Verfahrens zur Erfassung
ausgewählter Bewegungsaktivitäten des Alltags
Wilke, C., Froböse, I., Block, D.
Institut für Rehabilitation und Behindertensport der Deutschen Sporthochschule Köln
Hintergrund
Die Einschätzung der arbeitsbezogenen körperlichen Leistungsfähigkeit gewinnt im Rahmen
von sozialmedizinischen Fragestellungen an Bedeutung. Die Überprüfung der Testgütekriterien bei Assessmentinstrumenten im Gesundheitsbereich generell und speziell bei FCEVerfahren wird allgemein als unzureichend kritisiert (Schreiber et al., 2000; Biefang et al.,
1999; King et al., 1998). Im Hinblick auf die Validität und Qualität eines Verfahrens ist die
Reliabilität der Messdaten entscheidend und sollte vor einem verbreiteten Einsatz überprüft
werden. Die Überprüfung der Test-Retest-Reliabilität ist dabei von Bedeutung, weil häufig
die Resultate einer einzigen Messung Entscheidungen über die Rückkehr des Patienten
nach einer Verletzung an den Arbeitsplatz maßgeblich beeinflussen.
FCE-Verfahren sollten in der Zukunft eine ICF Orientierung aufweisen und eine unmittelbare
Verknüpfung mit Profilvergleichsverfahren wie z. B. IMBA ermöglichen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, ausgewählte Tests zu Bewegungsaktivitäten sowie erste Ergebnisse zur
Überprüfung von Stabilität und Zuverlässigkeit dieser vorzustellen.
Methode
45 beschwerdefreie Testpersonen werden an zwei Testtagen im Abstand von einer Woche
getestet. Als statistische Verfahren zur Überprüfung der Stabilität und Zuverlässigkeit werden der Intraklassen- (ICC) und der Rangkorrelationskoeffizient, der Wilcoxon Test als Unterschiedprüfung und die mittlere prozentuale Abweichung berechnet (Wirtz, Caspar, 2002).
In Tabelle 1 sind die vier Testgruppen sowie die dazugehörigen 14 Einzeltest aufgeführt.
Die Testgruppen werden anhand der Parameter
- Testabbruch (Herzfrequenz, Bewegungsqualität, physiologische Zeichen wie Schmerz,
etc.)
- Dauer (Ausführungsdauer der Tätigkeit)
109
- Gewicht (maximales Gewicht bei Hebe- und Tragetest, ohne gesundheitliche Gefährdung)
- Schmerzen
überprüft.
Tabelle 1: Einteilung der Testgruppen und Einzeltests
Testgruppe
Tests zur Körperhaltung
Tests zur Körperfortbewegung
Tests zu Körperteilbewegungen
Tests zu komplexen physischen Merkmalen
(Hebe- und Tragetests)
-
Einzeltest
Sitzen
Stehen geneigt
Stehen gebückt
Arme über Kopf
Gehen
Treppensteigen
Rotation im Sitzen
Bücken und Aufrichten
Kniebeugen
Reichen - Kombinationsaufgabe
Heben Boden- Taillenhöhe
Heben Taillen- Augenhöhe
Tragen beidhändig
Tragen einhändig
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Die quantitativen Parameter Gewicht und Dauer haben bei den Hebe- und Tragetests (bis
auf den Test „Heben Boden-Taillenhöhe“ bei Frauen) hohe Korrelationen (ICC > 0,7). Es
können keine erheblichen prozentualen Abweichungen festgestellt werden (< 5 %). Bei maximal 20 % der Probanden ergeben sich Gewichtsdifferenzen bis zu 5kg von Test zu Retest.
Dies spricht für eine gute Test-Retest-Reliabilität und für die Stabilität der Hebe- und Tragetests. Die Tests zur Körperfortbewegung und Körperteilbewegungen weisen ebenfalls mittlere und hohe Korrelationen auf. Die Korrelationsprüfung der Tests „Treppensteigen“ und
„Kniebeugen“ weist auf eine hohe und die der Tests „Gehen“, „Rotation im Sitzen“ und „Bücken und Aufrichten“ auf eine mittelmäßige Retest-Reliabilität hin (0,4<ICC≤0,7). Bei diesen
Tests müssen zeitliche Schwankungen von 9-14 % berücksichtigt werden (siehe Tabelle 2
und 3).
Um die Resultate hinsichtlich der Übertragbarkeit auf den Bevölkerungsschnitt zu verbessern besteht, eine Möglichkeit in der Errechnung von Zeitnormen mittels MTM (Methods of
Time Measurement). Hier wird die Zeit, die ein durchschnittlicher Arbeiter mit einem durchschnittlichen Können benötigt, um eine Aufgabe an einem 8-Stunden-Tag mit angemessenen Pausen und ohne Müdigkeit und Stress durchzuführen, als sog. Industrial Standard (IS)
definiert (vgl. Coupland, 1998). Damit ein Vergleich mit dem IS möglich ist, müssten von einem MTM-Fachmann Normzeiten für alle Aktivitätstests errechnet werden.
Bewegungsaktivitäten, die alltagsnah und berufsspezifisch sind, bieten eine gute Basis für
ein zuverlässiges FCE-Verfahren. Um sie als Assessmentinstrument zu etablieren, bedarf
es noch weiterer Entwicklungsschritte und Studien zur Überprüfung der Testgütekriterien.
110
Tabelle 2: Übersicht der Intraklassenkorrelationskoeffizienten (ICC) aller Einzeltests des Parameters Gewicht (mit p < 0,001 für alle Tests) bei den Tests zu komplexen physischen
Merkmalen
Korrelationskoeffizient Gewicht
0 < IICC I < 0,4
niedriger
Zusammenhang
0,4 < IICC I < 0,7
mittlerer
Zusammenhang
0,7 < IICC I < 1
hoher
Zusammenhang
ICC = 1
vollständiger,
idealer Zusammenhang
Frauen
- Heben Boden-
- Heben TaillenTaillenhöhe (0,664)
Augenhöhe (0,973)
- Tragen beidhändig (0,741)
- Tragen einhändig (0,833)
Männer
- Heben Boden- Heben TaillenAugenhöhe (1,0)
Taillenhöhe (0,910)
- Tragen beidhändig (0,905)
- Tragen einhändig (0,701)
Tabelle 3: Übersicht der Intraklassenkorrelationskoeffizienten (ICC) aller Einzeltests des Parameters Dauer (mit p < 0,001 für alle Tests) bei den Tests zur Körperfortbewegung und
Tests zu Körperteilbewegungen
Korrelationskoeffizient Dauer
0 < IICC I < 0,4
niedriger
Zusammenhang
0,4 < IICC I < 0,7
mittlerer
Zusammenhang
- Gehen (0,615)
0,7 < IICC I < 1
hoher
Zusammenhang
- Treppensteigen (0,8)
- Rotation im Sitzen
(0,634)
- Bücken und
Aufrichten (0,612)
- Kniebeugen (0,796)
ICC = 1
vollständiger,
idealer Zusammenhang
Literatur
Biefang, S., Potthoff, P., Schliehe, F. (1999): Assessmentverfahren für die Rehabilitation.
Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hogrefe Verlag.
Coupland, M.A. (1998): Using Methods-Time Measurement (MTM) in functional capacity evaluation. Abstract received by ARCON®/VerNova; 1-8.
King, P., Tuckwell, N., Barrett, T.E. (1998): A Critical Review of Functional Capacity Evaluations. Phys Ther 78: 852-866,
Schreiber, T. U., Bak, P., Petrovitch, A., Anders, C., Müller, W.-D., Smolenski, U. (2000):
Evaluation der Funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) - Überblick über Methoden und
Testsysteme. Phys Med Rehab Kurror 10: 108-119.
Wirtz, M., Caspar, F. (2002): Beurteilerübereinstimmung und Beurteilerreliabilität. Methoden
zur Bestimmung und Verbesserung der Zuverlässigkeit von Einschätzungen mittels Kategoriensystemen und Ratingskalen. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hogrefe Verlag für
Psychologie.
111
Interraterreliabilität eines FCE-basierten IMBA-Moduls (ETI) zur
Beurteilung arbeitsbezogener Leistungsfähigkeit
Anneken, V., Schüle, K.
Deutsche Sporthochschule Köln - Institut für Rehabilitation und Behindertensport
Hintergrund
Bei der Weiterentwicklung arbeitsbezogener Assessments rücken Verfahren der FunctionalCapacity-Evaluation (FCE) auch bei der Umsetzung der ICF-orientierten Rehabilitation immer mehr in den Fokus (vgl. u. a. Körner, 2005). Problematisch scheint jedoch nach wie vor
die einheitliche Erfassung und Dokumentation der vielfältigen und komplexen FCEErgebnisse im Zusammenhang der arbeits- oder sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung
oder bei Return-To-Work Entscheidungen (vgl. u. a. Pransky/Dempsey, 2004, SOMEKO
2004, 205). Hier bietet IMBA (Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt)
mit einem systematischen Merkmalskatalog ein arbeitsbezogenes Konstrukt als Orientierungs- und Dokumentationsrahmen zur intra- sowie interinstitutionellen Erfassung eines
personenbezogenen Fähigkeitsprofils und entsprechendem tätigkeitsbezogenen Anforderungsprofil.
Es sollte ermittelt werden, inwieweit das FCE-System ERGOS Work Simulator genutzt
werden kann, um zuverlässige FCE-basierte IMBA-Profilwerte für die Dokumentation der
arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit einer Person in IMBA zu generieren.
Methodik
Zunächst wurden beide Konstrukte (ERGOS und IMBA) konzeptionell im ERGOS-To-IMBA
Assessments (ETI) miteinander verbunden. Dabei wurden sowohl quantitative computergestützte Informationen, als auch beobachtbare Informationen der Ergos-Untersuchung berücksichtigt und jedem IMBA-Profilwert eine entsprechende ERGOS-Operationalisierung
hinterlegt. Nach Abschluss des Entwicklungsprozess wurden die Operationalisierungen der
identifizierten IMBA-Merkmale bei Probanden mit chronischen Aktivitätseinschränkungen im
Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates auf ihre Interraterreliabilität überprüft. Zwei
Rater, die während der gesamten ERGOS-Untersuchung anwesend waren, wiesen - unabhängig voneinander - jeweils die den Fähigkeiten der Probanden entsprechenden IMBAProfilwerte zu.
Ergebnisse
Nach der ersten Entwicklung des ETI-Assessments wurden insgesamt 28 IMBA-Merkmale
bestimmt, die auf Interraterreliabilität untersucht wurden. Im Rahmen dieser Überprüfung
wurden 61 Probanden der ERGOS-Studie des IQPR beurteilt (15 Frauen und 46 Männer).
Danach reduzierten sich die durch ERGOS für IMBA beurteilbaren Fähigkeiten auf 19
Merkmale aus den Komplexen Körperhaltung, Körperfortbewegung, Körperteilbewegungen
sowie den Komplexen Merkmalen. Keine der fünf zunächst operationalisierten Merkmale
des Komplexes Schlüsselqualifikationen sind zuverlässig zu beurteilen.
112
Diskussion
Das vorliegende Ergebnis zeigt auf, dass ETI bei der Beurteilung arbeitsbezogener Leistungsfähigkeit als Assessment zur Ermittlung reliabler IMBA-Profilwerte erfolgreich eingesetzt werden kann. Die 19 zuverlässig zu beurteilenden IMBA-Fähigkeitsmerkmale können
als Kernfähigkeiten der arbeitsbezogenen körperlichen Leistungsfähigkeit herangezogen
werden. Die verbleibenden nicht-reliablen Merkmale sind mit dem vorliegenden Konzept
nicht zuverlässig zu erheben. Dies trifft ebenso für die übrigen, in ETI grundsätzlich nicht
aufgenommenen, IMBA-Merkmale zu. Auf Grundlage von ETI können interdisziplinäre Beurteilungsprozesse auf eine zuverlässigere Interpretationsbasis gestellt werden.
Ausblick
Das vorliegende ETI-Assessment stellt einen Schritt hin zu einer zuverlässigeren Beurteilung der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit im IMBA-Konstrukt dar. Die durch das vorliegende ERGOS-Verfahren nicht zu beurteilenden Merkmale sollten in ähnlicher Form modulhaft mit Hilfe anderer Assessmentverfahren erhoben werden. Im Sinne eines Baukastensystems könnten IMBA-Anwender dann zuverlässige und vergleichbare Ergebnisse für den interdisziplinären Beurteilungsprozess nutzen. Die Vergleichbarkeit von Daten zur arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit wird dadurch erhöht.
Literatur
Körner, M. (2005): ICF und sozialmedizinische Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben: Alles klar? - Ein Diskussionsbeitrag. In: Die Rehabilitation 44, 229-236.
Pransky, G.S., Dempsey, P.G. (2004): Practical Aspects of Functional Capacity Evaluations.
In Journal of Occupational Rehabilitation, 14 (3), 217-229.
SOMEKO (2004): Abschlussbericht der Kommission zur Weiterentwicklung der Sozialmedizin in der gesetzlichen Rentenversicherung. DRV-Schriften Band 53, Sonderausgabe des
VDR, Frankfurt.
Standardisierte Leistungsbeurteilung unter Bezugnahme auf das
Kategorien- und Graduierungsystem eines Leistungsfähigkeitmodells Erste Ergebnisse einer Multicenterstudie in 5 orthopädischen
Rehabilitationskliniken
Hopke, F.R. (1), Gebauer, D. (2), Daalmann, H.H. (3), Kasprowski, D. (4), Lausch, H.L. (5),
Lux, A. (6), Schlicht, F. (7), Schöttler, M. (8), Struck, M.J. (9), Tittor, W. (6)
(1) Reha-Klinik Hohenelse, (2) Orthopädische Klinik Tegernsee, (3) Reha-Zentrum Bad
Eilsen, (4) Reha-Zentrum Bad Pyrmont, (5) Parkklinik Bad Rothenfelde, (6) Reha-Zentrum
Bad Mergentheim Klinik Taubertal, (7) Sozialmed. Dienst, Deutsche Rentenversicherung
Baden-Württemberg, (8) Lahntalklinik, Bad Ems, (9) Marcus-Klinik, Bad Driburg
Hintergrund
Für der Gewinnung von Daten über Leistungsfähigkeit ist wesentlich, Methoden einzusetzen, welche die Einholung brauchbarer Informationen gewährleisten und die Einordnung in
das Kategorien- und Graduierungssystem des Leistungsfähigkeitsmodells problemlos er113
möglichen (Gebauer et al., 2006). Weil nur für manche Fähigkeitsbereiche geeignete Tests
existieren, wurden auf das Leistungsfähigkeitsmodell abgestimmte Verfahren konstruiert, die
gegenwärtig nebst bereits etablierten Tests in einer orthopädischen Multicenterstudie erprobt werden.
Methoden
Im Rahmen der Leistungsbeurteilung wurden bei 250 Patienten mit chronischen Gelenkerkrankungen aus 5 orthopädischen Rehabilitationskliniken folgende Methoden angewandt:
1.
2.
3.
4.
semistrukturiertes Interview*,
Fremdbewertungstests für soziale Kompetenz*,
FCE-Verfahren: EFL nach Isernhagen (Isernhagen, 1998) oder KAT* (Wietholz, 2004),
SFS (Matheson, Matheson, 1996) und HFS (Matheson et al., 2001), jeweils direkt vor
(t1) und nach (t2) Durchführung des FCE-Verfahrens,
5. KV-P* und KV-A* (Befragung zu den Kategorien und Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsmodells, wobei KV-P überwiegend vom Patienten selbständig und KV-A ausschließlich vom Arzt bearbeitet wird).
* von den Autoren entwickelte Verfahren
Ergebnisse
1. Ein Vergleich der Ergebnisse der Selbstbewertungstests SFS und HFS vor und nach
Durchführung der FCE-Verfahren ergibt, dass sich Patienten in ihren Fähigkeiten in den
Nachtests deutlich leistungsfähiger einschätzen (SFS (t1) < SFS (t2) bzw. HFS (t1) <
HFS (t2)).
2. Ein Vergleich zwischen den Ergebnissen aus SFS (t2) mit denen der FCE-Verfahren ergibt überwiegend in den letzteren höhere Fähigkeiten zur Bewältigung der körperlichen
Arbeitsschwere.
3. Die Ergebnisse im KV-P stimmen mit denen der FCE-Verfahren in der Mehrzahl überein,
die Abweichungen verteilen sich gleichmäßig über, bzw. unter den Ergebnissen der
FCE-Verfahren.
Diskussion
Die Anwendung verschiedener Untersuchungsverfahren zur Bewertung einzelner Fähigkeiten liefert zum Teil einheitliche und zum Teil diskrepante Ergebnisse, die nun in ein Ergebnis
überführt werden müssen. Dieser Vorgang ist im Fall einheitlicher Ergebnisse einfach und
darf dann als ein realitätsnahes Resultat aufgefasst werden. Im Fall diskrepanter Ergebnisse
erleichtern regelhafte Festlegungen des Integrationsprozesses zu einem einzigen Ergebnis
die prompte und endgültige Ausprägungsgrad-Einordnung. Im Zweifelsfall müssen Diskrepanzen durch zusätzliche Untersuchungen geklärt werden.
Literatur
Gebauer, D. et al. (2006): Einheitliche sozialmedizinische Leistungsbeurteilung in der orthopädischen Rehabilitation. Die Rehabilitation (im Druck).
Isernhagen, S.J. (1998): Functional capacity evaluation. In: Isernhagen S.J, ed. Work injury
management: management and prevention. Rockville, MD: Aspen Publishers.
Matheson, L.N., Matheson, M.L. (1996): Spinal function sort. Rating of percieved capacity.
Test booklet and examiners manual. Performance Assessment and capacity Testing
114
PACT, 1989/1991. Edition in Spanisch, Portugiesisch und Serbokroatisch. Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation SAR, Arbeitsgruppe Ergonomie, Bellikon.
Matheson, L, Kaskutas, V., Mada, D. (2001): Development and construct validation of the
Hand Function Sort. J .Occupational Rehabilitation, 11(2):75-86.
Wietholz, U. (2004): Abhängigkeit der Leistung im körperlichen Aktivitätstest (KAT) von der
Krankheitsschwere bei Diabetes mellitus, Leber- und chronisch entzündlichen Darm - Erkrankungen (Inauguraldissertation der Medizinischen Fakultät Heidelberg der RuprechtKarls-Universität).
Assessment Center zur Erfassung sozialer Kompetenzen in der
beruflichen Rehabilitation - Zur Güte und Nutzen des neuen Verfahrens
ASKOR
Baumann, R., Schmidt, C., Froböse, I.
Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation (GmbH) an der Deutschen
Sporthochschule Köln
Hintergrund
Ausgangspunkt für die Entwicklung des eintägigen AC ASKOR war, dass soziale Kompetenzen im modernen Berufsleben eine immer größere Rolle spielen und Assessment Center
die Möglichkeit bieten, diese Kompetenzen in simulierten Arbeitssituationen zu erfassen. Im
Unterschied zu Unternehmens-AC wurden auch gesundheitspsychologisch bedeutsame
Ressourcen und Gefährdungen berücksichtigt. Ziel war es, die Güte und den Nutzen von
ASKOR in einem Feld der beruflichen Rehabilitation zu untersuchen.
Methodik
Zwischen März 2005 und März 2006 fanden mehrere ASKOR-Erprobungen mit Rehabilitanden in einem betrieblichen Integrationsprojekt (Bif) und einer Umschulungsmaßnahme eines
Berufsförderungswerkes statt. Es wurden 8, überwiegend auf IMBA basierende Schlüsselqualifikationen, erfasst, unter anderem mit Hilfe von Rollenspielen und Fragebögen (AVEM).
Zusätzlich wurde von einem Diplompsychologen ein teilstrukturiertes Einzelgespräch zur Erfassung der gleichen Schlüsselqualifikationen durchgeführt. Die Probanden wurden so ausgewählt, dass sie den Verantwortlichen des Integrationsprojektes bzw. der Umschulungsmaßnahme aus der täglichen Arbeit von mehreren Wochen gut bekannt waren. Darüber
hinaus sollten die Probanden kurze Zeit nach der Durchführung des AC in ein Training on
the Job (ToJ) gehen mit dem Ziel, eine Arbeitstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten.
Indem jeweils 2 Beobachter einen Probanden auf einer Ratingskala einschätzten, wurde die
Reliabilität gemessen. Außerdem schätzten die Verantwortlichen der jeweiligen Maßnahmen
(Bif,US) die Probanden unabhängig vom AC hinsichtlich der Schlüsselqualifikationen ein, so
dass die Ergebnisse von ASKOR mit einem Außenkriterium hoher Güte verglichen werden
konnten. Ende Juni 2006 wurde erhoben, welche der ehemaligen ASKOR-Teilnehmer eine
Arbeitsstelle gefunden hatten oder ein ToJ, bei dem der Arbeitgeber angab, die betreffenden
Rehabilitanden in ein Anstellungsverhältnis übernehmen zu wollen. Beschreibung der Stich115
probe (N=53): 66 % Männer. Altersdurchschnitt 38,6 Jahre. Berufe: handwerkl./techn.
45,3 %, kaufmänn./verwalt. 39,6 % (davon 7 Pbn in Umschulung Bk), sonstige 15,2 %.
Ergebnisse
Reliabilität: Beobachterübereinstimmungen lagen bei den Arbeitssimulationen bzgl. Kontaktfähigkeit, Teamarbeit, Durchsetzung, Selbständigkeit, Problemlösen zwischen .603 und .72.
(p < 0,01). Bzgl. Kritikfähigkeit, Kritisierbarkeit und Ausgeglichenheit lagen die Übereinstimmungen zwischen .28 und .45 und sind zum Teil nicht signifikant.
Konkurrente Validität: Die Übereinstimmungen zwischen den Durchschnittswerten von Arbeitssimulationen und Einzelgespräch sowie den Werten der Bif-Einschätzungen lagen bei
Kontaktfähigkeit, Kritikfähigkeit, Selbständigkeit, Problemlösen und Ausgeglichenheit zwischen .53 und .64 (p < 0,01). Bei Durchsetzung und Kritisierbarkeit lagen die Übereinstimmungen unter .50. Bei Teamarbeit lagen die Übereinstimmungen zwischen Arbeitssimulationen und Bif bei .55 (p < 0,01), die zwischen Einzelgespräch und Bif jedoch nur bei .18. Bei
6 Schlüsselqualifikationen waren die Übereinstimmungen zwischen Einzelgespräch und BifEinschätzung > .45. In den Arbeitssimulationen war dies bei 3 Schlüsselqualifikationen der
Fall.
Prognostische Güte - ASKOR und Integrationserfolg (N=454):
Probanden mit gesundheitsförderlichem Erleben und Verhalten (AVEM: G-Typ) wurden zu
62 % integriert. Probanden mit gesundheitsabträglichem Erleben und Verhalten bzw.
Schonverhalten wurden weniger häufig integriert (A-Typ 40 %, B-Typ 20 %, S-Typ 29 %).
Die Integrationsquote in der Gesamtstichprobe lag bei 38 %. A-, B- und S-Typ konnten nur
dann integriert werden, wenn bei Arbeitssimulationen und/oder Einzelgespräch keine negative Abweichung von Fähigkeiten zu Anforderungen im Zielberuf hinsichtlich der betrachteten Schlüsselqualifikationen festgestellt worden waren.
Diskussion
Außer bei Kritisierbarkeit und Durchsetzung ergab sich eine zufrieden stellende konkurrente
Validität von ASKOR. Vor dem Hintergrund ökonomischer Erwägungen lässt sich sagen,
dass die Einzelgespräche bei den meisten Schlüsselqualifikationen eine zufrieden stellende
konkurrente Validität aufwiesen. Zur Erfassung von Teamarbeit sind Arbeitssimulationen
notwendig. Nach derzeitigem Kenntnisstand ergeben sich aus ASKOR Hinweise zur Integrationsprognose. Einen wertvollen Beitrag liefert der Fragebogen AVEM. Bei gesundheitsschädigendem Verhalten und bei Schonverhalten liefern Einzelgespräch und Arbeitssimulationen zusätzliche wesentliche Hinweise zur Integrationsprognose.
3
In allen Fällen wurden Korrelationen nach Pearson berechnet.
4
7 Probanden hatten zum Zeitpunkt der Erhebung keine Integrationschance gehabt, da sie
sich noch in der Umschulung zum Bk befanden. Für einen Probanden. lag kein Berufsprofil
vor, das für die Ermittlung von Abweichung der Fähigkeiten zu Anforderungen im Beruf erforderlich war.
116
Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Aus den Ergebnissen einer Durchführung lassen sich Interventionen in den Bereichen: Gesundheitsförderung, Training sozialer Kompetenzen und Motivationsklärung und -förderung
ableiten. Gleichwohl sollten zur Überprüfung der prognostischen Güte zu einem späteren
Zeitpunkt weitere Erhebungen zum Integrationserfolg der 53 Probanden erfolgen.
Literatur
Baumann, R., Schmidt, Ch. (2005): Erfassung von Schlüsselqualifikationen im Assessment
Center. In: Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben - Zwischenbericht für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. (136 - 144).
Kleinmann, M. (2003): Assessment Center. Praxis der Personalpsychologie. Göttingen:
Hogrefe.
Schaarschmidt, U., Fischer, A. (1998): Betriebliche Gesundheitsförderung.
IMBA, (2000): Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt, Definitionen
Fähigkeiten.
Schuler, H. (2000): Psychologische Personalauswahl.
117
Assessmentinstrumente (Poster)
Identifikation und Untersuchung von Tinnitus-Patienten mittels zweier
unterschiedlicher Kompensationsscores
Brandes, I. (1), Krauth, C. (1), Jäger, B. (2) , Malewski, P. (2)
(1) Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische
Hochschule Hannover, (2) Abt. Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische
Hochschule Hannover
Einleitung
Die große Mehrheit der rund drei Millionen Betroffenen kann gut mit dem Tinnitus leben, jedoch berichten bis zu 20 % der Patienten über starke Beeinträchtigungen in der Lebensqualität und der Teilhabe am Alltagsgeschehen (Härter et al., 2004; Bleich et al., 2001). Es wird
davon ausgegangen, dass diese Patienten durch eine starke Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, hohe Arbeitsunfähigkeitszeiten und frühzeitige Erwerbsminderung mit den
entsprechenden Folgen für die Volkswirtschaft gekennzeichnet sind (Hesse. et al., 1999).
Zielsetzung
Ziel der Untersuchung ist die Beurteilung zweier unterschiedlicher Kompensationsscores zur
Identifikation von Tinnituspatienten mit missglückter Habituation, unter der Annahme, dass
eine Dekompensation vergesellschaftet ist mit einem intensiveren Leistungsinanspruchnahmeverhalten und einem ungünstigeren Erwerbsverlauf.
Methodik
In der Studie wird eine Kohorte akut erkrankter Tinnituspatienten zum Rekrutierungszeitpunkt sowie 12 und 24 Monate später untersucht. Dargestellt werden die Veränderungen im
Zeitverlauf und der Gruppenvergleich auf Basis des Kompensationsstatus hinsichtlich der
Outcomeparamter Kosten der Leistungsinanspruchnahme und Erwerbsverlauf. Dabei werden die Ergebnisse aus der Klassifikation nach dem validierten und häufig eingesetzten Instrument Tinnitus-Fragebogen (MINI-TF nach (Goebel, Hiller, 1994) den Ergebnissen aus
einem neu entwickelten Score (im Folgenden als KOMP-INDEX bezeichnet) gegenübergestellt.
Ergebnisse
Die Ausgangspopulation umfasst 212 Patienten mit auswertbaren Fragebögen, die in der
HNO-Ambulanz der medizinischen Hochschule Hannover oder in einer von insgesamt elf
kooperierenden HNO-Praxen im Großraum Hannover rekrutiert wurden. Die Untersuchung
zeigt, dass der Anteil der Patienten mit kompensiertem Tinnitus für beide Kompensationsscores im Zeitverlauf kontinuierlich zunimmt. Auch über den Zeitpunkt der Chronifizierung
hinaus (12 Monate nach Auftreten des Ohrgeräusches) gelingt einem nicht unerheblichen
Anteil der Patienten die Habituation. In beiden Klassifikationssystemen sind die Patienten
118
mit dekompensiertem Tinnitus durch deutlich höhere Kosten aus Leistungsinanspruchnahmen und ungünstigeren Erwerbsverlauf gekennzeichnet.
Diskussion
Die Zuweisung zum Kompensationsstatus führt auf Basis der beiden unterschiedlichen Instrumente zu deutlichen Gruppenunterschieden und zu Veränderungen im Zeitverlauf. Über
alle Erhebungszeitpunkte weist der KOMP-Index einen höheren Anteil dekompensierter Patienten auf als der MINI-TF. Dadurch gelingt im 12-Monats-Follow-up die Zuweisung des
Kompensationsstatus mittels MINI-TF besser, da dieser mit einer stärkeren Eingrenzung auf
Patienten mit hohem Leistungsinanspruchnahmeverhalten und ungünstigem Erwerbsverlauf
einhergeht, während der KOMP-Index einen höheren Anteil an Patienten als dekompensiert
identifiziert, die ein positives Outcome aufweisen. Nach Ablauf von 24 Monaten werden jedoch die Patienten mit hohen Gesamtkosten und ungünstigem Erwerbsverlauf nur unvollständig durch den MINI-TF erkannt, sodass es hier zu einer Unterschätzung kommt. Für den
langen Betrachtungszeitraum zeigt sich in dieser Population daher der KOMP-Index als das
geeignetere Instrument, da alle Patienten mit ungünstigem Outcome als dekompensiert identifiziert werden.
Literatur
Härter, M., Maurischat, C., Weske, G., Laszig, R., Berger, M. (2004): Psychische Belastungen und Einschränkungen der Lebensqualität bei Patienten mit Tinnitus. HNO.; 52,
125-131.
Bleich, T., Lamprecht, F., Lamm, H., Jäger, B. (2001): Der Langzeitverlauf des chronischen
Tinnitus aurium. Zeitschrift für Medizinische Psychologie.; 10, 79-86.
Hesse, G., Rienhoff, N.K., Nelting, M., Brehmer, D. (1999): Medikamentenkosten bei Patienten mit chronisch komplexem Tinnitus. HNO.; 47, 658-660.
Goebel, G., Hiller, W. (1994): Tinnitus-Fragebogen (TF). HNO.; 42, 166-172.
Der PAINT- Fragebogen zur Kontaktbewertung (PAINT-FKB): Ein
Instrument zur Erfassung der Qualität der Patienten-Arzt-Interaktion aus
zwei Perspektiven
Dibbelt, S., Fleischer, C., Schaidhammer, M., Greitemann, B.
Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde
Hintergrund
Der Interaktion zwischen Arzt und Patient kommt eine Schlüsselfunktion in der medizinischen und rehabilitativen Versorgung zu. Nachweislich nimmt sie Einfluss auf zahlreiche Parameter des Behandlungserfolges (Stewart, 1999; Di Blasi, 2001).
Die Qualität der Interaktion zu messen, ist unter mehreren Aspekten wichtig:
1. Zur Qualitätssicherung und zur Ermittlung von Fortbildungsbedarf,
2. zur Evaluation von Fortbildungen und
3. zur Beantwortung von Forschungsfragen zu diesem Thema.
119
Instrumente zur Messung der Qualität der Arzt-Patienten-Interaktion wurden bis heute fast
ausschliesslich im englischsprachigen Ausland entwickelt. In Deutschland dagegen wurden
erst in jüngster Zeit geeignete Instrumente im Rahmen des Förderschwerpunktes „Patient
als Partner“ vorgelegt. Allerdings gibt es bisher kein Instrument, das die Interaktion aus Arztund Patientenperspektive erfasst.
Merkmale von Interaktionsqualität
Nach einem Konzept von Bensing (1991) kann die Qualität eines Gespräches oder einer Interaktion anhand von drei Dimensionen, nämlich des affektiven Verhaltens, des instrumentellen Vorgehens (Information und Strukturierung) sowie der Beteiligung und Einbindung des
Patienten beschrieben werden. Darüber hinaus ist auch die übereinstimmende Wahrnehmung der Kontakte zwischen Arzt und Patient ein Indikator für Qualität.
Im Rahmen des PAINT-Projektes (Patienten-Arzt-Interaktion) wurde der Fragebogen zur
Kontaktbewertung (FKB) entwickelt, mit dem Arzt und Patient die gemeinsamen Gespräche
bewerten können. Der PAINT-FKB erfasst die affektive Beziehungsgestaltung (Empathie
und Wertschätzung), instrumentelles und strukturierendes Verhalten (Information über die
Behandlung und den Ablauf der Reha, Zielvereinbarungen, Entscheidungsfindung und Verstärkung), Kontrolle des Gespräches durch Arzt und Patient sowie störende Randbedingungen (Zeitdruck, Wartezeiten und Unterbrechungen). Der Fragebogen umfasst in der ursprünglichen Form 53 Items, die 12 Skalen zugeordnet sind. Die Items beschreiben überwiegend das Arztverhalten und wurden in der Arzt- und Patientenversion analog formuliert.
Teilnehmer und Messzeitpunkte
Aus der laufenden Validerungsstudie, an der insgesamt 9 Reha-Kliniken beteiligt sind, liegen aktuell die Daten von 29 Stationsärzten und 298 Patienten vor, die ihre gemeinsamen
Gespräche bei Aufnahme, Entlassung und einer Visite bewerteten. Patienten beantworteten
außerdem den IRES 3 bei Aufnahme, Entlassung und zu einem Katamnesezeitpunkt 6 Monate später.
Itemanalyse und Ergebnisse
Eine erste Skalen- und Itemanalyse wurde für die Arzt- und Patientenversion des Fragebogens getrennt durchgeführt. Bei 10 Skalen lag die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) in
beiden Versionen zwischen 0,71 und 0,92 und kann damit als zufriedenstellend bis sehr gut
betrachtet werden. Zwei Skalen „Kontrolle des Gespräches durch Arzt und Patient“ und „Beteiligung an Entscheidungen“ mussten aufgrund geringer Konsistenz aufgeteilt werden. Bei
zwei Skalen „Zufriedenheit“ und Echtheit“ ergaben sich zudem Deckeneffekte. Diese Skalen
sollten daher eliminiert werden. Ziel der endgültigen Analyse ist es, neben der differenzierten Langform auch eine Kurzform des Fragebogens zu erstellen, um die Akzeptanz des Instrumentes bei wiederholtem Einsatz zu erhöhen.
Literatur
Bensing, J.M. (1991): Doctor-patient communication and the quality of care. Utrecht: NIVEL.
Academisch Proefschrift EUR.
Di Blasi, Z., Harkness, E., Est, E., Georgiou, A., Kleijnen, J. (2001): Influence of context effects on health outcomes: a systematic review. Lancet, 357(9258):757-62.
120
Stewart, M., Brown, J.B., Boon, H., Galajda, J., Meredith, L., Sangster, M., (1999): Evidence
on patient-doctor communication. Cancer Prevention and Control, 25-30.
Änderungssensitivität von Kurzinstrumenten zur Erfassung der
gesundheitsbezogenen Lebensqualität: IRES-24, SF-12 und BSI im
Vergleich
Igl, W. (1), Zwingmann, C. (2), Faller, H. (3)
(1) Zentrale für klinische Studien, Universitätsklinik Würzburg, (2) Prognos AG, Düsseldorf,
(3) Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psychotherapie und
Medizinische Psychologie, Universität Würzburg
Hintergrund
In der Rehabilitation werden im Rahmen evaluativer Studien häufig Patientenfragebogen zu
mehreren Messzeitpunkten eingesetzt, um auf der Grundlage von Prä-Post-Differenzen die
Effekte von Rehabilitationsmaßnahmen aus Patientensicht zu erfassen. Dies kann nur gelingen, wenn die verwendeten Fragebogenskalen in der Lage sind, Veränderungen über die
Zeit abzubilden, d. h. wenn es sich um änderungssensitive bzw. responsive Instrumente
handelt (Igl et al., 2006). Im vorliegenden Beitrag sollen empirische Ergebnisse einer prospektiven, vergleichenden Studie bezüglich dieser Testkriterien für die Kurzversionen der im
deutschsprachigen Raum am häufigsten eingesetzten Patientenfragebogen zur Erfassung
gesundheitsbezogener Lebensqualität berichtet werden. Zu diesen Fragebogen gehören der
IRES-24 (Wirtz et al., 2005; Langversion: IRES-3), der SF-12 (Bullinger und Kirchberger
1998; Langversion: SF-36) sowie ausgewählte Skalen des BSI (Franke, 2000; Langversion:
SCL-90-R). Die so gewonnenen Kennwerte können als Entscheidungshilfe für die Auswahl
von Fragebogenskalen zum Einsatz in rehabilitationsbezogenen Evaluationsstudien verwendet werden.
Methode
In der vorliegenden Studie wurden an insgesamt 16 Rehabilitationskliniken sowohl an orthopädischen/rheumatologischen Patienten (NOR = 514) als auch an kardiologischen Patienten
(NK = 384) Fragebogendaten erhoben (Nges = 898). Die Rehabilitanden beantworteten den
IRES-3, den SF-36 und ausgewählte Skalen der SCL-90-R bei einer Vorerhebung drei bis
vier Wochen vor Reha-Beginn, bei Reha-Beginn, bei Reha-Ende und bei einer Nacherhebung drei Monate nach Beendigung der Rehabilitation (Eingruppen-Design mit vier Messzeitpunkten). Zu jedem Zeitpunkt füllten die Patienten alle drei Fragebogen aus, wobei die
Reihenfolge der Fragebogen kontrolliert wurde. Aus den erhobenen Daten wurden die jeweiligen Items der Kurzversionen der Fragebogen extrahiert und daraus die entsprechenden
Skalen gebildet.
Ergebnisse
Für die erhaltenen Scores wurde u. a. als standardisierte Effektstärke der Änderungssensitivität der standardized response mean (SRM = [M(t2) - M(t1)] / SD(t2-t1)) für die
Veränderungen zwischen Reha-Beginn und Reha-Ende berechnet. Eine Überprüfung der
121
Verteilungscharakteristika ergibt eine Kategorisierung von SRM-Kennwerten, welche zumindest für Veränderungen während des Reha-Aufenthalts mit der üblichen Faustregel von Cohen zur Beurteilung der Höhe einer Effektstärke gut übereinstimmt. Für die Indikation Orthopädie/Rheumatologie im Zeitraum von Reha-Beginn bis Reha-Ende ergibt sich ein maximaler Kennwert SRMmax ≈ 1.05. Daraus berechnen sich die drei Kategorien
SRMklein=[0.00;0.35], SRMmittel = [0.35;0.70] und SRMgroß = [0.70;1.05]. In der Kardiologie
können dieselben Kriterien angelegt werden mit SRMmax ≈ 1.06.
Nur für den IRES-24 ist ein Gesamtscore der allgemeinen Gesundheit berechenbar, welcher
eine Veränderung zwischen Reha-Beginn und -Ende von SRMOR = 0.79 bzw. SRMK = 0.68
anzeigt. Veränderungen der „Somatischen Gesundheit“ werden sowohl bei orthopädischen/rheumatologischen als auch bei kardiologischen Patienten durch die Skalen „Somatische Gesundheit“ (SRMOR = 0.60, SRMK = 0.64) bzw. „Schmerz“ (SRMOR = 0.71,
SRMK = 0.67) des IRES-24 mittel- bis hochgradig sensitiv abgebildet. Die „Körperliche
Summenskala“ (KSK) des SF-12 weist in der Orthopädie/Rheumatologie (SRMOR = 0.61)
und in der Kardiologie (SRMK = 0.56) vergleichbare bzw. teilweise etwas niedrigere Werte
auf. Die erhobenen Skalen des BSI sind hier nicht relevant.
Im Bereich der „Psychischen Gesundheit“ gibt die Skala „Psychisches Befinden“ (IRES-24)
die
Verbesserungen
sowohl
der
orthopädischen/rheumatologischen
Patienten
(SRMOR = 1.01) als auch der kardiologischen Patienten (SRMK = 1.01) hoch änderungssensitiv wieder. Im Vergleich dazu scheint die „Psychische Summenskala“ (PSK) des SF-12 einen Teil der relevanten Veränderungen sowohl von Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparats (SRMOR = 0.79) als auch des Herz-Kreislauf-Systems (SRMK = 0.77) nicht zu
erfassen. Die Skalen „Somatisierung“, „Depressivität“ und „Ängstlichkeit“ des BSI erweisen
sich sowohl im Bereich der Orthopädie/Rheumatologie (SRMOR = [0.32;0.63]) als auch der
Kardiologie (SRMK = [0.23;0.62]) als insgesamt weniger änderungssensitiv.
Fazit
Insgesamt kann der Schluss gezogen werden, dass die überwiegende Zahl der Skalen dieser generischen Fragebogen zur Messung von Veränderungen der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität im Kontext der Rehabilitation sehr gut geeignet ist. Während IRES-24 und
SF-12 im somatischen Bereich ähnliche Änderungssensitivität zeigen, scheint der IRES-24
bei der Erfassung psychischer Veränderungen den anderen untersuchten Skalen überlegen
zu sein.
Literatur
Bullinger, M., Kirchberger, I. (1998): SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36).
Handbuch für die deutschsprachige Fragebogenversion. Göttingen: Hogrefe.
Franke, G.H. (2000): Brief Symptom Inventory von L. R. Derogatis (Kurzform des SCL-90-R)
- Deutsche Version. Göttingen: Beltz Test.
Igl, W., Zwingmann, C., Faller, H. (2006): Änderungssensitivität von Fragebogen zur Erfassung der subjektiven Gesundheit - Ergebnisse einer prospektiven vergleichenden Studie.
Rehabilitation, 45, 232-242.
Wirtz, M., Farin, E., Bengel, J., Jäckel, W.H., Hämmerer, D., Gerdes, N. (2005): IRES-24
Patientenfragebogen: Entwicklung der Kurzform eines Assessmentinstrumentes in der
Rehabilitation mittels der Mixed-Rasch-Analyse. Diagnostica, 51, 75-87.
122
WOMAC-5
Mayer, J. (1), Linke, M. (2)
(1) Fachhochschule für angewandtes Management, Erding, (2) SimsseeKlinik GmbH, Bad Endorf
Einleitung
Im Rahmen der Qualitätssicherung ist es erforderlich regelmäßig Evaluationen der Wirkung
von Therapiemaßnahmen durchzuführen. Hierbei ist neben der Einhaltung wissenschaftlicher Standards, wie z. B. auch den Einsatz von validen und reliablen Messinstrumenten und
der Konzeption von Messwiederholungsdesigns, auch die Belastung von Patienten und Mitarbeitern ein Kriterium, das bei der Planung derartiger Evaluationen berücksichtigt werden
muss. Fragestellung der vorliegenden Untersuchung war, ob sich ein etabliertes Instrument
zur Therapieevaluation, der WOMAC in der deutscher Fassung (Skala Funktion, 17 Items)
nach Stucki et al. (1996) in der Itemzahl maßgeblich reduzieren lässt, ohne an Aussagekraft
zu verlieren. Der WOMAC (Skala Funktion) erfasst mit 17 Fragen die Einschränkung der
physischen Funktionsfähigkeit für Gon- und Coxarthrose-Patienten. Es wird eine numerische Gradierungsskala mit einem Wertebereich von 0 bis 10 verwandt, mittels derer der
WOMAC-Arthroseindex Daten auf Intervallskalenniveau erfasst (Stucki et al., 1996). Stucki
et al. (1996) konnten feststellen, dass sich für alle WOMAC-Skalen zufrieden stellende Werte für die interne Konsistenz (Cronbach Alpha 0,80 - 0,96) nachweisen ließen.
Methode
Es wurde mit einer Itemanalyse die Reduktion der 17-Items des WOMACs (Skala Funktion)
geprüft. Zu Grunde lagen 1.386 ausgefüllte WOMAC Fragebögen von Patienten m. Z. n.
Hüftendoprothetik im Rahmen einer stationären Anschlussheilbehandlung. Bei dieser Erhebung wurde eine interne Konsistenz von 0,93 (Cronbach Alpha) ermittelt. Mittel Itemanalyse
sollte eine deutliche Itemreduktion erreicht werden, bei der eine zufrieden stellende interne
Konsistenz von 0,80 (Cronbach Alpha) gewährleistet werden kann.
Ergebnisse
Der WOMAC (Skala Funktion) ließ sich auf eine 5-Item-Lösung reduzieren, bei einer internen Konsistenz von 0,83 (Cronbach Alpha). Die relevanten Items sind
- Sich zum Boden bücken
- Socken / Strümpfe anziehen
- Treppe hinaufsteigen
- Aufstehen vom Bett
- Socken / Strümpfe ausziehen
Eine erste Validierung des WOMAC-5 erfolgte im Rahmen einer Überprüfung des Zusammenhangs mit den Skalen „physische Gesundheit“ und „psychische Gesundheit“ des SF-12
von Bullinger & Kirchberger (1998). Hier konnten bei einer Stichprobe von 181 Patienten
nach Hüft-TEP im Rahmen einer stationären Anschlussheilbehandlung signifikante, moderat
positive Korrelationen (physische Gesundheit: 0,397**; psychische Gesundheit: 0,323**), bei
einer weiteren vergleichbaren Stichprobe von 223 Patienten eine ebenfalls signifikante, mo-
123
derat positive Korrelation (physische Gesundheit: 0,483**; psychische Gesundheit: 0.368**)
nachgewiesen werden.
Diskussion
Der hier vorgestellte WOMAC-5 scheint ein brauchbares, alternatives Instrument zur Erfassung der Funktionalität im Rahmen von Qualitätssicherungs- oder Evaluationsaufgaben in
der stationären Rehabilitation darzustellen. Die Reduktion der Originalversion auf 5 Items
reduziert erheblich die Mitarbeiter- und Patientenbelastung ohne die Aussagekraft des Instruments gravierend zu reduzieren. Außerdem eignen sich diese 5 Items besonders für stationär behandelte Patienten, bei denen einige Items der Originalversion immer wieder auf
Unverständnis und damit zu „missing values“ bei der Erhebung führten (z. B. Anstrengende
Hausarbeiten oder Einsteigen ins Auto / Aussteigen aus dem Auto).
Literatur
Bullinger, M., Kirchberger, I. (1998): Der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF36): Handbuch für die deutschsprachige Fragebogenversion. Göttingen: Hogrefe.
Stucki, G., Meier, D., Stucki, S., Michael, B.A., Tyndall, A.G., Dick, W., Theiler, R. (1996):
Evaluation einer deutschen Version des WOMAC (Western Ontarion und McMaster Universities) Arthroseindex. Zeitschrift für Rheumatologie, 5, 40-49.
Gibt es Unterschiede in der Änderungssensitivität von präferenzbasierten
Indexinstrumenten zur Messung der Lebensqualität bei ambulanten
Rehabilitationspatienten mit einer muskulo-skelettalen oder HerzKreislauf-Erkrankung?
Moock, J., Kohlmann, T.
Institut für Community Medicine, Universität Greifswald
Hintergrund und Ziel
Im Rahmen rehabilitationswissenschaftlicher Evaluationsstudien kann die Änderungssensitivität für die Auswahl eines geeigneten Instrumentes zur subjektiven Beurteilung gesundheitsbezogener Lebensqualität ein wichtiges Kriterium sein, wenn Änderungen im Zeitverlauf erhoben werden sollen. In zunehmendem Maße finden auch präferenzbasierte Messinstrumente in rehabilitationswissenschaftliche Studien Eingang. Diese Messverfahren bilden
die gesundheitsbezogene Lebensqualität als einen eindimensionalen Indexwert bzw. Nutzwert ab. Dieser subjektive Nutzwert einer Behandlungsmaßnahme kann dann in einer gesundheitsökonomischen Evaluation den entsprechenden Kosten gegenübergestellt werden.
In deutscher Sprache liegen hierfür der Short Form - 6 Dimensions (SF-6D), der EuroQolFragebogen (EQ-5D), der 15D-Fragebogen, der Health Utility Index Mark 2 (HUI Mark 2)
und Mark 3 (HUI Mark 3) vor. Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, ob es Unterschiede
zwischen den genannten Indexinstrumenten hinsichtlich ihrer Änderungssensitivität gibt.
Methoden: Zu zwei Messzeitpunkten (Beginn und Ende der Rehabilitationsmaßnahme) wurden initial 172 ambulante Rehabilitationspatienten (N=113 Orthopädie, und N=59 HerzKreislauf) befragt. Das Befragungsinstrument umfasste alle oben genannten Messinstru124
mente. Zum zweiten Messzeitpunkt erfolgte zusätzlich die Erhebung der subjektiven Einschätzung der Veränderung des allgemeinen Gesundheitszustandes im Vergleich zum Beginn der Rehabilitationsmaßnahme auf einer fünfstufigen Antwortskala („stark gebessert“,
„etwas gebessert“, „unverändert“, etwas verschlechtert“, „stark verschlechtert“). Anhand dieser Variablen wurden die Patienten kategorisiert. Die folgende Auswertung bezieht sich auf
die Kategorien „unverändert“ (Gruppe 1), „etwas gebessert“ (Gruppe 2), „stark gebessert“
(Gruppe 3), da kein Patient seinen Gesundheitszustand zum 2. Messzeitpunkt als verschlechtert eingestuft hat. Vergleichende Analysen der Änderungssensitivität erfolgten anhand gepaarter t-Tests und standardisierter Mittelwertdifferenzen (effect size, ES; Standardized Response Mean, SRM) berechnet.
Ergebnisse
Die Änderungssensitivität der Indexinstrumente lag in der Indikationsgruppe Orthopädie
zwischen 0,12 (SRM EQ-5D; Gruppe 1) und 1,09 (SRM 15D; Gruppe 3) und bei den HerzKreislauf-Erkrankungen zwischen 0,05 (SRM SF-6D; Gruppe 2) und 3,33 (SRM 15D; Gruppe 1). Unterschiede zwischen den zwei Verfahren der standardisierten Mittelwertsdifferenzberechnung (ES, SRM) lagen in beiden untersuchten Indikationsgruppen auf niedrigem Niveau. Bei Patienten der Indikationsgruppe Orthopädie konnte zwischen den drei Gruppen in
allen Indexinstrumenten eine Steigerung der Änderungseffekte beobachtet werden (exemplarisch die SRMs für den EQ-5D: 0,12 (Gruppe 1), 0,59 (Gruppe 2), 0,92 (Gruppe 3)). Ein
solches homogenes Bild konnte bei den Herz-Kreislauf-Erkrankten nicht beobachtet werden
(exemplarisch die SRMs für den EQ-5D: 1,10 (Gruppe 1), 0,39 (Gruppe 2), 0,17 (Gruppe 3).
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass die untersuchten Erhebungsinstrumente bei Patienten mit einer muskulo-skelettalen Erkrankung in der Lage sind Veränderungen im Zeitverlauf
abzubilden. Bei Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung trifft dies nicht zu. Einzig der
HUI Mark 2 war in der Lage zwischen den drei Gruppen („unverändert“, etwas gebessert“,
„stark gebessert“) zu diskriminieren. Weitere Untersuchungen und Vergleiche mit etablierten
krankheitsübergreifenden Profilinstrumenten (z. B. SF-36, NHP) sind notwendig, um zu prüfen, warum die präferenzbasierten Erhebungsinstrumente bei Patienten mit einer HerzKreislauf-Erkrankung nur bedingt änderungssensitiv sind.
125
Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer
Gesundheit für die therapeutische Praxis (HEALTH) - ein neues
Selbstbeurteilungsinstrument zur multidimensionalen Erfassung
psychosozialer Gesundheit
Rabung, S. (1), Harfst, T. (2), Kawski, S. (1), Koch, U. (1), Wittchen, H.U. (3), Schulz, H. (1)
(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Bundespsychotherapeutenkammer, Berlin, (3) Institut für Klinische
Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
Hintergrund
Psychosoziale Faktoren beeinflussen Entstehung und Verlauf verschiedener, insbesondere
chronischer Erkrankungen und stellen damit eine relevante Zielgröße rehabilitativer Maßnahmen dar, die sowohl in Diagnostik und Therapieplanung als auch in der Evaluation und
Qualitätssicherung medizinischer Behandlungen berücksichtigt werden sollte (Gerdes, Weis,
2000). Da bis heute allerdings nur wenige Instrumente vorliegen, die geeignet wären, psychosoziale Gesundheit bzw. Beeinträchtigungen gleichzeitig umfassend, generisch und ökonomisch zu erfassen, wurde ein kurzes, aber gleichzeitig mehrdimensionales Selbsteinschätzungsinstrument zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit entwickelt. Der HEALTH-Fragebogen umfasst in seiner aktuellen Fassung 79 Items, die sieben
eigenständigen Modulen zugeordnet sind (Psychische und somatoforme Beschwerden, Interaktionelle Beeinträchtigung, Psychisches Wohlbefinden, Selbstwirksamkeit, Lebensqualität,
Aktivität und Partizipation, Soziale Unterstützung und Soziale Beeinträchtigung).
Methodik
Die psychometrischen Eigenschaften des HEALTH-Fragebogens wurden in zwei Studien
überprüft. Zum einen wurde der HEALTH-Fragebogen einmalig im Rahmen einer 12Monats-Follow-up-Untersuchung der DETECT Studie von 5.630 Patienten in 806
primärärztlichen Einrichtungen bearbeitet (Rabung et al., in Druck), zum zweiten wurde er
im Rahmen des QS-Reha®-Verfahrens von über 2.000 Patienten in mehr als 10
psychotherapeutischen Fachkliniken zu bis zu drei Messzeitpunkten beantwortet (Erhebung
noch nicht abgeschlossen). Im Zuge erster psychometrischer Überprüfungen wurden
Praktikabilität, Dimensionalität, Reliabilität und Validität der HEALTH-Module in den beiden
untersuchten Stichproben analysiert. Weitergehende Analysen zur Veränderungssensitivität
und möglichen Kürzungsoptionen sind in Vorbereitung.
Ergebnisse und Diskussion
Der HEALTH-Fragebogen erweist sich sowohl im Kontext der primärärztlichen Versorgung
als auch im Bereich der stationären psychosomatischen Rehabilitation als praktikables Instrument. Die intendierte dimensionale Struktur und die relative Eigenständigkeit der entwickelten Module lassen sich in beiden Stichproben faktorenanalytisch weitestgehend bestätigen. Die HEALTH-Skalen zeichnen sich durch hohe Zuverlässigkeit aus, für ihre Validität
finden sich erste Hinweise. Der HEALTH-Fragebogen erlaubt die umfassende und zugleich
ökonomische Erfassung generischer Aspekte psychosozialer Gesundheit und erscheint damit für den Routineeinsatz in der therapeutischen Praxis geeignet. Durch seine modulare
126
Anlage lässt er sich flexibel an den jeweiligen Anwendungskontext anpassen. Zur Untersuchung differenzierterer Fragestellungen sollten spezifische Zusatzmodule ergänzt werden.
Der Fragebogen ist im Internet frei verfügbar (www.hamburger-module.de).
Literatur
Gerdes, N., Weis, J. (2000): Zur Theorie der Rehabilitation. In: Bengel J, Koch U, Hrsg.
Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften. Themen, Strategien und Methoden der
Rehabilitationsforschung. Berlin: Springer:41-68.
Rabung, S., Harfst, T., Wittchen, H.U., Koch, U., Schulz, H. (in Druck): "Hamburger Module
zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische
Praxis (HEALTH)" - psychometrische Überprüfung eines neuen Selbstbeurteilungsinstruments zur multidimensionalen Erfassung psychosozialer Gesundheit. Physikalische
Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin.
Bestimmung der konvergenten und diskriminanten Validität des
Diagnostikinstrumentes zur Arbeitsmotivation bei
Rehabilitationspatienten (DIAMO)5
Reher, C. (1), Ranft, A. (1), Fiedler, R.G. (1), Greitemann, B. (2), Heuft, G. (1)
(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum
Münster, (2) Klinik Münsterland der Deutschen Rentenversicherung Westfalen,
Bad Rothenfelde
Hintergrund
Das Erreichen der Rehabilitations-Ziele „Erhalt beruflicher Leistungsfähigkeit“ und
„(Re )Integration in die Erwerbsarbeit“ sind entscheidend für den Erfolg einer Rehabilitationsmaßnahme. Neben medizinischen Gesichtspunkten spielen hierbei insbesondere motivationale Faktoren eine große Rolle. Die Arbeitsmotivation kann in diesem Zusammenhang
als eine entscheidende Variable angesehen werden, für die jedoch keine speziell für den
Kontext der Rehabilitation entwickelten Diagnostikinstrumente zu Verfügung stehen. Der
DIAMO schließt diese Lücke und erfasst arbeitsbezogene Motivationsstrukturen (Fiedler et
al., 2005). Er besteht aus drei zentralen Konzepten mit insgesamt 10 Subskalen (Motivationales Selbstbild (MS) mit 5 Skalen; Motivationale Handlungsentwürfe (MH) mit 2 Skalen;
Motivationale Passung (MP) mit 3 Skalen). Die Struktur der Bereiche MS und MH wurde
empirisch an zwei Stichproben aus der beruflichen und medizinischen Rehabilitation
(N=300; N=225) faktoranalytisch abgeleitet, modifiziert, kreuzvalidiert und konfirmatorisch
mit Strukturgleichungsmodellen getestet und bestätigt. Um Aussagen über die Gültigkeit des
gemessenen Konstruktes treffen zu können, wurde hier die konvergente und diskriminante
Validität bestimmt, indem Zusammenhangsanalysen der DIAMO-Skalen mit 9 anderen Instrumenten berechnet wurden. Aus Platzgründen werden an dieser Stelle nur die Ergebnisse von sechs Instrumenten berichtet (vgl. Tab. 1).
5
Gefördert durch: Verein zur Förderung von Rehabilitationswissenschaften e. V. Norderney (VFR
- Projekt 84)
127
Tab.1: Auswahl der parallel eingesetzten Instrumente zur Berechnung der Validität
Instrument
Autor
AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens-und Erlebensmuster)
Schaarschmidt & Fischer (1996)
FREM 17 (Fragebogen zur Messung von Erwartungen und Deck et al. (1998)
Motivationen bei Rehabilitationspatienten
IRES-Min (Indikatoren des Reha-Status)
Gerdes & Jäckel (1995)
BSI (Brief Symptom Inventory)
Franke (2000)
SPE-Skala (Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Mittag & Raspe (2003)
Erwerbstätigkeit)
BSW-Skala (Berufliche Selbstwirksamkeitserwartungen)
Abele, Stief, Andrä (2000)
Methoden
Die Rehabilitanden (N= 422) füllten vor Antritt der Reha-Maßnahme den umfassenden Fragebogenkatalog mit dem DIAMO und den 9 Parallel-Instrumenten aus. Nach erfolgreicher
Replikation der Faktorenbinnenstruktur des DIAMO wurden Zusammenhangsanalysen auf
Skalenebene gerechnet.
Ergebnisse
AVEM: Es ergeben sich hohe Zusammenhänge zwischen den motivationshemmenden Skalen Misserfolg-Vermeidung (MS-MV) und Ziel-Inhibition (MS-ZI) des DIAMO und der Skala
„Resignationstendenz bei Misserfolg“ des AVEM. Die motivationförderlichen Skalen (MFÖSkalen) des DIAMO korrelieren hingegen hoch positiv mit offensiver Problembewältigung
und zudem zeigen sich mittlere Zusammenhänge mit „Perfektionsstreben“, „Verausgabungsbereitschaft“, „subjektiver Bedeutsamkeit der Arbeit“ und „beruflichem Ergeiz“ (AVEM). Soziale Unterstützung (AVEM) und Anschlussmotiv (DIAMO-MS) korrelieren zu
r=.30.
FREM-17: „Wohlbefinden/Erholung“, „Krankheitsbewältigung“ & „Rente/Beruf“ des FREM-17
korrelieren leicht positiv, „Diagnose/Therapie“ (FREM 17) leicht negativ mit den motivationshemmenden Skalen. Für die MFÖ-Skalen zeigt sich ein Zusammenhang lediglich für die
Skala „Diagnose/Therapie“.
IRES-min: ZI und MV (DIAMO) korrelieren negativ mit der Schmerz-Skala und positiv (r=.15
bzw. r=.29) mit der Skala „vitale Erschöpfung“ des IRES-min. „Vitale Erschöpfung“ korreliert
ebenso mit den Fragen zum Betriebsklima und den betrieblichen Bedingungen (r=-.2) sowie
der gegenwärtig empfundenen Belastung am Arbeitsplatz (r=.25) des MP-Konzeptes (DIAMO). Der IRES-min-Summenscore korreliert jedoch kaum mit den Skalen des DIAMO.
BSI: Es zeigten sich Zusammenhänge der motivationshemmenden Skalen ZI und MV (DIAMO) mit „Angst“ (r=.4 bzw. r=.26) und „Depression“ (r=.46 bzw. r=.28) des BSI. Die Empfundene Belastung am Arbeitsplatz (DIAMO-MP) korreliert ebenfalls mit „Angst“ und „Depression“ sowie gering mit „Somatisierung“ (BSI).
SPE: Das Anschlussmotiv (AM) und die empfundene Belastung bei der Arbeit (DIAMO) korrelieren moderat mit der SPE-Skala.
128
BSW: Berufliche Selbstwirksamkeitserwartungen (BSW) korrelieren hoch negativ mit den
motivationshemmenden Skalen und positiv mit den MFÖ-Skalen des DIAMO.
Diskussion
Die Ergebnisse sind überwiegend erwartungskonform und bestätigen somit die Erfassung
des DIAMO zugrunde liegenden Konstruktes der Arbeitsmotivation. Hohe Korrelationen mit
inhaltlich ähnlichen Skalen wie denen des AVEM oder auch der BSW-Skala sprechen für die
konvergente Validität, Nullkorrelationen mit anderen Konstrukten wie beispielsweise dem
Reha-Satus (IRES-min) hingegen für die diskriminante Validität des DIAMO.
Literatur
Fiedler, R.G., Ranft, A., Schubmann, C., Heuft, G., Greitemann, B. (2005): Diagnostik von
Arbeitsmotivation in der Rehabilitation - Vorstellung und Befunde zur faktoriellen Struktur
neuer Konzepte. Psychother Psych Med, 55: 476-482.
Fiedler, R.G. (2006): Diagnostik von Arbeitsmotivation bei Rehabilitationspatienten - Konzeptualisierung, Operationalisierung, Strukturanalyse und Kreuzvalidierung neuer Skalen.
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der
Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster.
Vergleich von Selbst- und Fremdeinschätzung gesundheitsbezogener
Lebensqualität mittels des SF-8 und des SF-8-Fremd in der Rehabilitation
von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Erkrankungen
Schulz, H. (1), Harfst, T. (2), Dirmaier, J. (1), Watzke, B. (1), Andreas, S. (1), Kawski, S. (1),
Rabung, S. (1), Koch, U. (1)
(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Bundespsychotherapeutenkammer, Berlin
Hintergrund
Für die Rehabilitation stellt die Lebensqualität ein zentrales Zielkriterium dar. Lebensqualität
bezieht sich auf körperliche, emotionale, kognitive, soziale und verhaltensbezogene Komponenten von Wohlbefinden und Funktionsfähigkeit und zwar primär aus der Sicht von Patienten, aber auch sekundär aus der von Beobachtern. Besonders die zwei Dimensionen körperliches und psychisches Wohlbefinden haben sich bisher eindeutig empirisch nachweisen
lassen (Cella et al., 2005). Eine der Stärken des Konzeptes der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist, dass die subjektive Sicht der Betroffenen deutlich betont wird. Dennoch gibt
es zumindest aus der Sicht der Forschung einige Gründe für die Untersuchung fremdeingeschätzter Lebensqualität, u. a. wenn es Patienten aufgrund krankheits- oder behandlungsbedingter Einschränkungen nicht möglich ist, Fragebögen auszufüllen. Daher sollen Ergebnisse zum Zusammenhang beider Einschätzungsarten präsentiert werden und untersucht
werden, von welchen Bedingungen der Zusammenhang abhängig ist.
129
Methodik
Die Stichprobe umfasst n=1.812 Patienten aus 11 Kliniken der psychosomatischen Rehabilitation. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mit dem Fragebogen SF-8 (Psychische und Körperliche Summenskala, PSK bzw. KSK; Ware et al., 2000) von den Patienten
selbst und mit einer von den Autoren dieses Beitrages erstellten Version SF-8-F von den
Therapeuten fremd eingeschätzt. Die Fragestellungen wurden mit Hilfe von ProduktMoment-Korrelationen überprüft, die für einen inferenzstatistischen Vergleich nach FischerZ transformiert wurden.
Ergebnisse
Die Zusammenhänge zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung sind für die
Gesamtstichprobe sowohl für den Aufnahme-, als auch für den Entlassungszeitpunkt von
großer (KSK: .48 bzw.58) bzw. annähernd großer Effektstärke (PSK: .46 bzw.51). Nach
Geschlecht getrennt berechnet, zeigten sich zur Entlassung auf beiden Summenskalen
signifikant höhere Werte für Männer, jedoch sind diese Unterschiede nur von geringer Höhe
(PSK: ∆r = .07, KSK: ∆r = .05). Signifikante Unterschiede ergeben sich auch für die Variable
Schulbildung: Hier zeigt sich vor allem in der KSK zum Entlassungszeitpunkt eine
bedeutsam höhere Korrelation für Patienten, die als höchsten Abschluss die Hauptschule
angegeben haben (r = .64) im Vergleich zu denen mit Mittlerer Reife (r = .48) oder Abitur
(r = .52). Hinsichtlich verschiedener Diagnosegruppen bestehen ebenfalls Unterschiede: Die
PSK wurde zur Entlassung für Patienten mit einer schizophrenen Störung (F2), aber auch
für Patienten mit einer depressiven Episode (F32) und Persönlichkeitsstörungen (F60-62)
weniger übereinstimmend eingeschätzt, hinsichtlich der KSK zeigen sich die niedrigsten
Korrelationen ebenfalls für Patienten mit einer schizophrenen Störung. Ein Vergleich nach
Kliniken zeigt für die PSK zur Aufnahme Werte zwischen .38 und .58 und zur Entlassung
zwischen .27 und .68. Eine vergleichbare Spannweite findet sich auch für die KSK, hier
liegen die Werte zur Aufnahme zwischen .48 und .66 sowie zur Entlassung zwischen .42
und .67. Alle genannten Differenzen sind signifikant.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass trotz Zusammenhänge großer bzw. annähernd großer Effektstärken ein beträchtlicher Teil der Varianz der Patientenselbsteinschätzung nicht durch die
Fremdeinschätzung der Therapeuten erklärt werden kann. Erwartungsgemäß sind die Korrelationen für Patienten mit der Diagnose Schizophrenie am niedrigsten. Damit wird deutlich,
dass gerade bei Patientengruppen, die aufgrund ihrer Erkrankung üblicherweise weniger für
eine Selbsteinschätzung der Lebensqualität mittels Fragebogen zur Verfügung stehen, eine
ersatzweise vorgenommene Fremdeinschätzung nur wenig aussagekräftig ist. Bemerkenswert ist schließlich die hohe Unterschiedlichkeit der Höhe der Korrelation in Abhängigkeit
von der untersuchten Klinik. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine Fremdeinschätzung nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, die subjektive gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten zu erfassen.
Literatur
Cella, D., Chang, C.H., Wright, B.D., Von Roenn, J.H., Skeel, R.T. (2005): Defining higher
order dimensions of self-reported health: Further evidence for a two-dimensional structure. Evaluation & The Health Professions, 28(2), 122-141.
130
Ware, J.E., Kosinski, M., Dewey, J.E., Gandek, B. (2000): How to score and interpret single
item health status measures: A manual for users of the SF-8 Health Survey. Lincoln:
Quality Metric.
131
ICF
Sind die ICF Core Sets geeignet für die sozialmedizinische
Begutachtung?
Ewert, T.
Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Klinikum der Universität
München
Hintergrund und Fragestellung
Die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit)
der Weltgesundheitsorganisation (WHO), gewinnt für die Gesundheitssysteme der WHOMitgliedsstaaten zunehmend auch an praktischer Bedeutung. In Deutschland hat die Rehabilitation für die Implementierung der ICF eine Vorreiterfunktion inne. Ein bedeutsames
Thema, gerade für die Kostenträger, ist die sozialmedizinische Begutachtung. In Empfehlungen hierzu wird explizit auf die ICF verwiesen, eine konkretre Umsetzung wird zwar rege
diskutiert, entsprechende konkrete und allgemein anerkannte Empfehlungen wurden bislang
noch nicht erarbeitet. In einer großen Studie mit internationalen Experten aus 46 Ländern
wurden u. a. mit finanzieller Unterstützung des VDR in Zusammenarbeit mit der WHO so
genannte ICF Core Sets für 12 unterschiedliche chronische Erkrankungen erarbeitet. Mittels
dieser ICF Core Sets sollen die relevanten Schädigungen, Beeinträchtigungen und Umweltfaktoren inhaltlich definiert werden. Ziel der vorgestellten Arbeit ist es am Beispiel des umfassenden ICF Core Sets für Schlaganfall (Geyh et al., 2004a) einige für die Belange der
sozialmedizinischen Begutachtung relevanten Punkte zu beleuchten und die Kompatibilität
zu einem bislang publizierten Vorschlag zu erarbeiten.
Methodik
Die ICF Core Sets für Schlaganfall wurden 2003 in ihrer vorläufigen Version durch 36 Experten erarbeitet. Als Arbeitgrundlage dienten hierfür empirische Daten, welche mittels der ICF
Checkliste erhoben wurden (Ewert et al., 2004), die Ergebnisse der Delphi-Befragungen
(Weigel et al., 2004) und die systematische Literaturanalyse (Geyh et al., 2004b).
Verglichen werden die umfassenden ICF Core Sets mit den Vorschlägen von Frommelt et
al. (2005), welche sich auf die ICF Checkliste und die Befragung von Gutachtern beziehen.
Da die ICF Core Sets ein umfassendes Bild der Patienten ermöglichen sollen, wird erwartet,
dass alle Kategorien im Bereich der Funktionsfähigkeit nahezu deckungsgleich sind. Bei den
Umweltfaktoren werden in Hinblick auf die Besonderheiten des Deutschen Gesundheitssystems leichte Differenzen erwartet.
Ergebnisse
Das Umfassende ICF Core Set enthält 130 Kategorien der ICF aus dem gesamten Spektrum der zweiten Gliederungsebene der ICF. Die von Frommelt und Kollegen vorgestellte
Kurzform der ICF wurde auf der Basis von 160 neurologischen Rehabilitanden mit unterschiedlichen Gesundheitsstörungen erstellt. Aus dieser Arbeit resultieren 33 Kategorien,
132
welche auf Basis der ICF Checkliste identifiziert wurden. In Bezug auf die 33 berichteten
ICF-bezogenen Items sind 32 mit dem umfassenden ICF Core Set für Schlaganfall identisch. Lediglich die Körperstruktur s120 „Struktur des Rückenmarks und mit ihr im Zusammenhang stehende Strukturen“ findet sich nicht in dem ICF Core Set. Zusätzlich zu den 33
Kategorien wurden bei der Begutachterbefragung den Kennungen 60 mal eine ICF Kategorie zugeordnet. Auf der 2.Gliederungsebenen der ICF finden sich lediglich 9 Kategorien,
welche nicht in dem ICF Core Set enthalten sind. Hiervon entstammen drei aus der Komponente der Umweltfaktoren.
Diskussion
Es ergibt sich in Hinblick auf das umfassende ICF Core Set und dem publizierten Vorschlag
eine sehr hohe Übereinstimmung. Die Diskrepanz bezüglich der Kategorie s120 „Struktur
des Rückenmarks und mit ihr im Zusammenhang stehende Strukturen“ liegt höchstwahrscheinlich darin begründet, dass in dem einen Vorschlag auch andere neurologische Erkrankungen mit berücksichtigt wurden. Die als wahrscheinlich angesehenen Differenzen bei
den Umweltfaktoren konnten nicht gefunden werden.
Schlussfolgerungen
Die ICF Core Sets stellen gemäß der aktuellen Literatur eine sehr gute Basis zur Charakterisierung der Patienten in der Rehabilitation dar. Für die sozialmedizinische Begutachtung
sollte es möglich sein, diese weiter zu reduzieren, um so die Praktikabilität zu erhöhen.
Literatur
Ewert, T., Fuessl, M., Cieza, A. et al. (2004): Identification of the most common patient problems in patients with chronic conditions using the ICF checklist. J Rehab Med; 44: 22-29.
Frommelt, P., Grötzbach, H., Ueberle, M. (2005): NILS ein Instrument zur sozialmendizinischen Beurteilung auf der Basis der ICF in der Neurorehabilitation. Neurologie & Rehabilitation; 4, 212-217.
Geyh, S., Cieza, A., Schouten, J. et al. (2004a): ICF Core Sets for stroke. J Rehab Med; 44:
135-141.
Geyh, S., Kurt, T., Brockow, T. et al. (2004b): Identifying the concepts contained in the outcome measures of stroke trials using the International Classification of Functioning, Disability and Health as a reference. J Rehab Med; 44: 56-62.
Weigl, M., Cieza, A., Andersen, C., Kollerits, B., Amann, E., Stucki, G. (2004): Identification
of relevant ICF categories in patients with chronic health conditions: A Delphi exercise. J
Rehab Med; 44: 12-21.
133
ICF in der neurologischen Rehabilitation: Ein klientenzentriertes
Erhebungsinstrument zur Teilhabe an Gemeinschaftsleben, Freizeit und
sozialen Beziehungen
Töns, N., Bengel, J.
Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Hintergrund
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)
hat seit ihrer Verabschiedung durch die WHO in der Rehabilitationsmedizin zunehmend an
Bedeutung gewonnen. Mit ihrem theoretischen Grundlagenmodell ist eine Synthese zwischen der medizinischen und der sozialen Perspektive auf Behinderung und Gesundheit gelungen (Bickenbach et. al., 1999). Parallel zu der Verabschiedung der ICF ist durch das
SGB IX die Leistung zur selbstbestimmten Teilhabe als das vorrangige Ziel rehabilitativer
Maßnahmen formuliert worden. Die neurologische Rehabilitation steht damit vor einer besonderen Herausforderung, denn für neurologische Patienten ist der individuumzentrierte
Ansatz besonders wichtig (Bühler et al., 2005).
Patienten in der neurologischen Rehabilitation sind mit einem breiten Spektrum funktionaler
Einschränkungen im motorischen und kognitiven Leistungsbereich konfrontiert. Eine optimale Versorgung mit pauschalen Behandlungsangeboten ist hier nur schwer zu erreichen. Die
Beeinträchtigung der funktionalen Gesundheit nach ICF ist hier von weit größerer prognostischer Bedeutung als die Kenntnis der verursachenden Diagnose (Rentsch, Bucher, 2005).
Vor diesem Hintergrund besteht wachsendes Interesse an klientenzentrierten Ansätzen, in
denen ein gemeinsamer Zielfindungsprozess von Therapeuten, Patienten und Angehörigen
den Verlauf der Rehabilitationsmaßnahme bestimmt (McGrath, Adams, 1999).
Laufende Studie
Die ICF kann hier von entscheidender Bedeutung sein. In der gemeinsamen Sprache der
ICF kann das Zielkonzept der Teilhabe anhand konkreter Lebensbereiche formuliert werden.
Für den Zielfindungsprozess in Bezug auf die Teilhabe sind standardisierte Erhebungsverfahren von hohem Nutzen, bisher gibt es im deutschsprachigen Raum jedoch kein entsprechendes Verfahren.
In einer derzeit laufenden Studie wurde ein Fragebogen entwickelt, der die Teilhabe vor (retrospektiv) und nach der Schädigung in verschiedenen Lebensbereichen misst. Anhand von
Expertenbefragungen wurden 17 ICF-Items zu den Bereichen "Gemeinschaftsleben", "Erholung und Freizeit" und "informelle soziale Beziehungen" ausgewählt. Die Übertragung der
ICF-Items in Fragebogen-Items wurde über den Prototypenansatz realisiert, um eine verständliche und eindeutige Formulierung der Items zu sichern. Das Verfahren orientiert sich
an den von der ICF vorgegebenen Items und kann so das vollständige Spektrum der ausgewählten Lebensbereiche bereitstellen. Der Fragebogen wurde 100 Patienten (Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma) aus stationären neurologischen Rehabilitationskliniken im
Selbstrating und deren Angehörigen als Fremdrating vorgelegt.
134
Ergebnisse
Erste Ergebnisse sprechen für gute Praktikabilität, Akzeptanz und Objektivität des Verfahrens. Das Erhebungsverfahren zeigt in standardisierter Form individuelle Veränderungen auf
und kann die Basis für eine klientenzentrierte Therapieplanung bilden.
Literatur
Bickenbach, J.E., Chatterji, S., Badley, E.M., Uestuen, T.B. (1999): Models of disablement,
universalism and the international classification of impairments, disabilities and handicaps. Social Science and Medicine, 48, 1173-1187.
Bühler, S., Grötzbach, H., Frommelt, P. (2005): ICF-basierte Zieldefinition in der Neurorehabilitation. Neurologie & Rehabilitation, 11(4), 204 - 211.
McGrath, J., Adams, L. (1999): Patient centred goal planning: A systemic psychological therapy? Topics in Stroke Rehabilitation, 6, 43-50.
Rentsch, H.P., Bucher, P.O. (2005): ICF in der Rehabilitation, die praktische Anwendung der
internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit im
Rehabilitationsalltag. Idstein: Schulz-Kircher Verlag.
Entwicklung eines ICF-kompatiblen, sporttherapeutischen Assessments
zur Erfassung von Körperfunktionen und Aktivität in der stationären
Rehabilitation
Schaller, A. (1), Froböse, I. (2), Kausch, T. (1)
(1) Kliniken Bad Neuenahr GmbH & Co. KG, (2) Deutsche Sporthochschule Köln
Hintergrund
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)
bietet ein Rahmenkonzept für die Rehabilitation und ein weltweit akzeptiertes Konzept zur
Beschreibung der funktionalen Gesundheit von Patienten. Die Komponenten Körperfunktionen und -strukturen, Aktivität und Partizipation gelten als die wichtigsten Aspekte funktionaler Gesundheit und werden unter dem Einfluss von Kontextfaktoren (umweltbezogen und
personenbezogen) beurteilt. Die Erfassung der ICF-Komponenten ist damit Grundlage für
rehabilitative Diagnostik, Intervention und Evaluation. Am Beispiel der Indikation „Zustand
nach Totalendoprothese“ wird in der vorliegenden Arbeit versucht, das ICF-Konzept im Klinikalltag der stationären Rehabilitation zu etablieren. Da stationäre Rehabilitation nach Totalendoprothese primär Verbesserungen der Körperfunktionen und Aktivität erzielen möchte,
ist es Ziel der vorliegenden Arbeit, ein ICF-kompatibles, praxisrelevantes Assessment zur
Erhebung dieser ICF-Komponenten zu entwickeln.
Methodik
Die Auswahl der ICF-Kodes erfolgte nach indikationsspezifischer Relevanz für den Zustand
nach Totalendoprothese in Anlehnung an das ICF-Core-Set für muskuloskeletale Erkrankungen (Scheuringer et al., 2005). Bei der Kodierung wurde aufgrund der getrennten Darstellung von Aktivität und Partizipation auf die ICF-Version „German Beta-2“ zurückgegriffen.
135
Ausgewählte ICF-Kodierungen aus dem Core-Set wurden zunächst mit Items aus dem SF36 (Bullinger, 1998), als etabliertem übergreifendem Fragebogen, und dem indikationsspezifischen FFbH-OA (Kohlmann et al., 1999) verknüpft. Ergänzend wurden anhand von Linking-Rules (Cieza et al., 2002) weitere indikationsspezifische Items mit ICF-Kodes verknüpft.
Zur Operationalisierung der Körperfunktionen wurden zudem motorische Testverfahren verwendet. Bei der Auswahl der motorischen Tests wurde auf einfache und ökonomische Verfahren Wert gelegt, um ein ressourcenorientiertes Assessment für den Klinikalltag zu entwickeln. Es wurden etablierte Standardtestverfahren bevorzugt und gegebenenfalls indikationsspezifisch modifiziert.
Ergebnisse
Aus der Komponente Körperfunktionen wurden ICF-Kodes aus Kapitel 1 (Mentale Funktionen), Kapitel 2 (Sensorische Funktionen), Kapitel 4 (Funktionen des kardiovaskulären, hämatologischen, Immun- und Atmungssystems) und Kapitel 7 (Neuromuskuloskeletale und
bewegungsbezogene Funktionen) in das Assessment aufgenommen. Die einzelnen Kodes
wurden durch die Subskalen Vitalität, psychisches Wohlbefinden und einer Frage zu körperlichen Schmerzen des SF-36 und einen motorischen Test operationalisiert. Die motorischfunktionelle Testbatterie umfasst die Aufgaben 6min-Gehtest, Squat-Test, Tapping-Test und
Einbeinstand.
Aktivität berücksichtigt Kodierungen aus Kapitel 3 (Elementare Bewegungsaktivitäten sowie
Handhabung von Gegenständen), Kapitel 4 (Aktivitäten der Fortbewegung) und Kapitel 5
(Aktivitäten der Selbstversorgung). Alle Items des FFbH-OA konnten durch itemorientierte
Verknüpfung mit entsprechenden Kodierungen der Komponente Aktivität verlinkt werden.
Diskussion und Schlussfolgerung
Unter dem Aspekt einer Neugliederung von Assessmentverfahren auf Grundlage der ICFKomponenten konnte für den Zustand nach Totalendoprothese ein indikationsspezifisches
sporttherapeutisches Assessment für die Komponenten Körperfunktionen und Aktivität entwickelt werden. Dieses erwies sich in der Anwendung als ressourcenorientiert und praktikabel. Es wird bei Knie- und Hüft-Totalendoprothese Patienten im Rahmen der stationären
Rehabilitation angewandt, um Ergebnisse zum Verlauf von Körperfunktionen und Aktivität
sowie entsprechenden Zusammenhängen auswerten zu können. Zukünftig sollte an der Erweiterung des Assessments für die poststationäre Phase des Rehabilitationsprozesses nach
Totalendoprothese sowie an geeigneten Verfahren zur Erfassung der Partizipation gearbeitet werden.
Literatur
Bullinger, M. (1998): SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand – Handbuch. Göttingen:
Hogrefe-Verlag.
Cieza, A, Brockow, T.; Ewert, T., Amman, E., Kollerits, B., Chatterji, S., Üstün, B.T., Stucki,
G. (2002): Linking health-status measurements to the International Classification of Functioning, Disability and Health. J Rehabil Med, 34, 5, 205-210.
Kohlmann T., Richter T., Heinrichs K., Peschel, U., Knahr, K., Kryspin-Exner, I. (1999): Entwicklung und Validierung des Funktionsfragebogens Hannover für Patienten mit Arthro136
sen der Hüft- und Kniegelenke (FFbH-OA). DRV-Schriften, Band 12, 40-42, Frankfurt:
VDR.
Scheuringer, M., Stucki, G., Huber, E.O., Brach, M., Schwarzkopf, S.R., Kostanjsek, N.,
Stoll, T. (2005): ICF Core Set for patients with musculoskeletal conditions in early postacute rehabilitation facilities. In: Disability and Rehabilitation Apr 8-22;27(7-8):405-10.
Validierung der ICF Core Sets für rheumatoide Arthritis aus der
Patientensicht: eine qualitative Studie*)
Coenen, M. (1), Stamm, T. (2), Cieza, A. (1), Amann, E. (1), Kollerits, B. (1), Stucki, G. (3)
(1) Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften, Ludwig-MaximiliansUniversität München, (2) Universitätsklinik für Innere Medizin III, Klinische Abteilung für
Rheumatologie, Wien, (3) Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation,
Ludwig-Maximilians-Universität München
Hintergrund
Die ICF Core Sets für rheumatoide Arthritis (RA) sind eine Anwendung der Internationalen
Klassifikation für Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO (WHO,
2001). Die so genannten Umfassenden ICF Core Sets („Comprehensive ICF Core Sets“) für
RA stellen eine Auswahl aller 1400 ICF-Kategorien dar, die relevant sind für die Erfassung
von Funktionseinschränkungen von Personen mit RA. Auf der Basis der Ergebnisse aus
mehreren Vorstudien wurden insgesamt 96 ICF-Kategorien (davon 76 ICF-Kategorien der
2. Ebene) von internationalen Experten in einer Konsensuskonferenz für das Umfassende
ICF Core Set ausgewählt (Stucki et al., 2004). Die aktuelle Version des Umfassenden ICF
Core Sets für RA wird derzeit einer umfangreichen Validierung unterzogen, die sich aus drei
unterschiedlichen Forschungsstrategien mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen zusammensetzt: (1) der Testung in einer internationalen Studie (quantitative Methoden), (2)
der Validierung aus Sicht von Health Professionals mit einer Experten-Befragung (DelphiMethode) und (3) der Validierung aus Sicht der Patienten mit einer qualitativen Studie unter
Anwendung von Fokusgruppen und Einzelinterviews. Ziel des letzteren Validierungsansatzes ist es, die Frage zu beantworten, ob die von den Patienten wahrgenommene Funktionsfähigkeit und Behinderung im Umfassenden ICF Core Set für RA abgebildet ist.
Methodik
In den Fokusgruppen und Einzelinterviews wurden den Patienten offene Fragen präsentiert,
die nach ihren Problemen und Einschränkungen in den Bereichen Körperfunktionen, Körperstrukturen sowie Aktivitäten und Partizipation fragen. Ergänzend wurden die Patienten zu
Umweltfaktoren befragt, die relevant für den Umgang mit der Erkrankung sind. Mithilfe der
Patientenaussagen wurden ICF-Kategorien identifiziert, (1) die im Umfassenden ICF Core
Set enthalten sind und von den Patienten bestätigt bzw. (2) nicht bestätigt wurden und (3)
die von Patienten genannt wurden, aber nicht im Core Set enthalten sind.
Die Auswahl der Patienten erfolgte nach der so genannten „maximum variation strategy“,
die Stichprobengröße wurde mithilfe der theoretischen Sättigung der Daten festgelegt
137
(Patton, 1990). Die Durchführung der Fokusgruppen bzw. Einzelinterviews wurde von einer
Moderatorin sowie einem Assistenten bzw. einer Interviewerin vorgenommen.
Fokusgruppen und Einzelinterviews wurden digital aufgezeichnet und wörtlich transkribiert.
Die qualitative Datenanalyse erfolgte nach der „meaning condensation procedure” (Kvale,
1996), bei der in den Transkripten Bedeutungseinheiten bestimmt und deren zugrunde
liegende Konzepte identifiziert wurden. In einem nächsten Schritt wurde jedes identifizierte
Konzept in ICF-Kategorien nach etablierten „Linking“-Regeln (Cieza et al., 2002) übersetzt.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 49 Patienten an 10 Fokusgruppen und 21 Patienten an Einzelinterviews
teil. In den Fokusgruppen wurden 74 der 76 ICF-Kategorien (2. Ebene) des Umfassenden
ICF Core Sets von den Patienten berichtet. In den Einzelinterviews wurden 65 ICFKategorien des Core Sets bestätigt. Zusätzlich nannten die Patienten 66 (Fokusgruppen)
bzw. 25 (Einzelinterviews) zusätzliche ICF-Kategorien, die nicht in der aktuellen Version des
Umfassenden ICF Core Sets enthalten sind.
Diskussion
Die bestehende Version des Umfassenden ICF Core Sets für RA wurde von den Patienten
in den Fokusgruppen und Einzelinterviews weitgehend bestätigt. Aus Sicht der Patienten
sind zusätzlich zahlreiche Bereiche und Beeinträchtigungen relevant, die bisher nicht im
Umfassenden ICF Core Set für RA enthalten sind.
Schlussfolgerung
Neben den Validierungsansätzen der empirischen Testung und der Validierung aus Sicht
der Health Professionals bietet die Validierung aus Sicht der Patienten die Möglichkeit, unter
Zuhilfenahme von qualitativen Methoden die Sichtweise derjenigen zu berücksichtigen, die
die Krankheit “erfahren”. Dieser Validierungsansatz liefert zusätzliche und ergänzende Informationen zur inhaltlichen Validität der ICF Core Sets, die bei der Verabschiedung der
endgültigen Version der Umfassenden ICF Core Sets für RA auf der ICF Core SetKonferenz Anfang 2008 berücksichtigt werden.
*)
gefördert vom Bundesverband der Deutschen Rheuma-Liga e.V.
Literatur
Cieza, A., Brockow, T., Ewert, T., Amman, E., Kollerits, B., Chatterji, S. et al. (2002): Linking
health-status measurements to the International Classification of Functioning, Disability
and Health. Journal of Rehabilitation Medicine; 34: 205-210.
Kvale, S. (1996): Interviews - an introduction to qualitative research interviewing. California:
Sage.
Patton, M.Q. (1990): Qualitative evaluation and research methods. Newbury Park: Sage.
Stucki, G., Cieza, A., Geyh, S., Battistella, L., Lloyd, J., Symmons, D. et al. (2004): ICF Core
Sets for Rheumatoid Arthritis. Journal of Rehabilitation Medicine, Suppl., 44: 87-93.
World Health Organization (2001): International Classification of Functioning, Disability and
Health: ICF. Geneva: WHO.
138
Die ICF Core Sets für rheumatoide Arthritis aus der Sicht der Health
Professionals: eine Studie zur Inhaltsvalidität
Kirchberger, I. (1), Cieza, A. (1), Rauch, A. (1), Stucki, G. (2)
(1) Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften, Ludwig-MaximiliansUniversität München, (2) Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation,
Ludwig-Maximilians-Universität München
Hintergrund
Die ICF Core Sets für rheumatoide Arthritis (RA) sind eine Anwendung der Internationalen
Klassifikation für Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO (WHO,
2001). Das Umfassende ICF Core Set für RA stellt eine Auswahl aller 1400 ICF Kategorien
dar, die relevant sind für die Erfassung von Funktionseinschränkungen von Personen mit
RA (Stucki et al., 2004). Diese 96 ICF Kategorien wurden in einer Konsensuskonferenz auf
der Basis der Ergebnisse mehrerer Vorstudien (Literaturreview, Expertenbefragung, empirische Studie) von Experten ausgewählt.
Die Validierung des Umfassenden ICF Core Sets für RA erfolgt nun durch Testung in einer
internationalen empirischen Studie, durch Validierung aus Sicht der Patienten mittels Fokusgruppen und Einzelinterviews sowie durch Validierung aus Sicht der Health Professionals. Ziel des letzten Validierungsansatzes ist es, zu überprüfen, ob die Probleme der Patienten, die von den einzelnen Berufsgruppen behandelt werden, im Umfassenden ICF Core
Set für RA beinhaltet sind.
Methodik
Hierzu wurden für fünf Berufsgruppen (Ärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen, Pflegekräfte) internationale Expertenbefragungen per E-Mail nach der DelphiMethode durchgeführt. Die Befragungen fanden in drei aufeinander folgenden Runden statt,
in denen die Ergebnisse der vorangegangenen Runde den Teilnehmern zurückgemeldet
wurden. In der 1. Runde wurden die Experten gefragt, welche Probleme, Ressourcen und
Umweltfaktoren von Patienten mit RA von ihrer Berufsgruppe behandelt werden. Die Antworten der Teilnehmer wurden nach standardisierten Regeln in die Sprache der ICF übersetzt („gelinkt“), d.h. jeder Antwort wurde die präziseste ICF Kategorie zugeordnet und den
Teilnehmern in der 2. und 3. Runde rückgemeldet (Cieza et al., 2002).
Ergebnisse
82 Physiotherapeuten, 42 Ergotherapeuten, 20 Psychologen, 50 Pflegekräfte und 78 Ärzte
aus insgesamt 46 Ländern nahmen an den Delphi-Studien teil.
Die ICF-Kategorien des Umfassenden ICF Core Sets für RA wurden von den Teilnehmern
weitgehend bestätigt. Es wurden jedoch von allen Berufsgruppen einzelne ICF Kategorien
identifiziert, die nicht in den ICF Core Sets für RA enthalten, aber für die einzelnen Berufsgruppen relevant sind. So fehlen im Umfassenden ICF Core Set für RA aus Sicht der Physiotherapeuten und Ergotherapeuten z.B. die Kategorien, die Funktionen des Muskeltonus
und Funktionen der Kontrolle von Willkürbewegungen beschreiben und aus Sicht der Psychologen die Kategorien, die Funktionen von Temperament und Persönlichkeit beinhalten.
139
Diskussion
Die bestehende Version des Umfassenden ICF Core Sets für RA wurde von den fünf beteiligten Berufsgruppen weitgehend bestätigt. Aus Sicht der einzelnen Berufsgruppen sind jedoch auch ICF Kategorien relevant, die bisher nicht im Umfassenden ICF Core Set für RA
enthalten sind.
Schlussfolgerung
Die Delphi-Studien liefern wichtige Erkenntnisse zur inhaltlichen Validität des Umfassenden
ICF Core Set für RA aus Sicht der zukünftigen Anwender. Ergänzend zu den Ergebnissen
der Validierung aus Sicht der Patienten werden diese Informationen bei der Verabschiedung
der endgültigen Version des Umfassenden ICF Core Sets für RA im Rahmen der ICF Core
Set Konferenz Anfang 2008 berücksichtigt.
Literatur
Cieza, A., Brockow, T., Ewert, T., Amman, E., Kollerits, B., Chatterji, S. et al. (2002): Linking
Health-Status Measurements to the International Classification of Functioning, Disability
and Health. Journal of Rehabilitation Medicine; 34:205-210.
Stucki, G., Cieza, A., Geyh, S., Battistella, L., Lloyd, J., Symmons, D. et al. (2004): ICF Core
Sets for Rheumatoid Arthritis. Journal of Rehabilitation Medicine, Suppl., 44: 87-93.
World Health Organization (2001): International Classification of Functioning, Disability and
Health: ICF. Geneva: WHO.
Die Beurteilung von Mobilität und Selbstversorgung auf der Basis der
ICF: Die Übereinstimmung von Patient- und Arzt-Urteil in der
Rehabilitation muskuloskeletaler Erkrankungen
Farin, E., Fleitz, A.
Universitätsklinikum Freiburg i.Br., Abt. Qualitätsmanagement und Sozialmedizin (AQMS)
Einleitung
Eine Reihe von Studien, die im Rahmen der Behandlung und Rehabilitation muskuloskeletaler Erkrankungen durchgeführt wurden, belegen, dass die Einschätzungen des Patienten und des Arztes im Hinblick auf den Gesundheitsstatus des Patienten zum Teil deutlich
divergieren (z. B. Berkanovic et al., 1995). Derartige Diskrepanzen haben für den klinischen
Alltag eine hohe Relevanz, da durch sie das Verständnis des Patienten und der Erkrankung,
die Therapieplanung und die Evaluation der Rehabilitationsmaßnahme beeinflusst werden
(vgl. Hewlett, 2003). Meta-Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass die Übereinstimmung
zwischen Patient und Arzt geringer ist, wenn die Beurteilungsbereiche subjektive Beschwerden betreffen (z. B. emotionale Belastungen) und größer ausfällt, wenn objektiv beobachtbare Einschränkungen (z. B. bei der Selbstversorgung) bewertet werden (Janse et al., 2004).
Mit der hier berichteten Studie soll untersucht werden, wie hoch die Übereinstimmung von
Patient und Arzt ausfällt, wenn der Beurteilung die Inhalte der Kategorien der ICF in den
Domänen Mobilität und Selbstversorgung zugrunde liegen. Neben dem Ausmaß der Über140
einstimmung werden die Niveauunterschiede zwischen Patient- und Arzt-Urteil sowie Klinikunterschiede bzgl. der Diskrepanz zwischen Patient und Arzt analysiert.
Methodik und Durchführung
Als ICF-orientiertes Assessmentinstrument zur Einschätzung von Mobilität und Selbstversorgung wurde der MOSES-Fragebogen (Farin et al., 2006) eingesetzt, der mit 12 Skalen Aktivitäten in den Domänen Mobilität und Selbstversorgung erfasst und inhaltlich parallele Versionen für Patient und Arzt umfasst. Der MOSES-Bogen wurde bei Aufnahme und
Entlassung an N=549 Rehabilitanden mit muskuloskeletalen Erkrankungen sowie an deren
behandelnde Ärzte ausgeteilt. Die Patienten befanden sich zu 83.8 % in einer Anschlussrehabilitation und waren in der Regel Rentner und GKV-Patienten. Das mittlere Alter betrug
69.8 Jahre (+/- 8.7). 64.8 % der Patienten waren weiblich. Die häufigsten Erstdiagnosen waren Koxarthrose (25.5 %) und Gonarthrose (25.4 %). Für die Berechnung der Übereinstimmung der Patienten- und Arzturteile wurden Intraklassenkorrelationen (ICC) berechnet. ICCWerte unter 0.40 werden als geringe, Werte zwischen 0.40 und 0.60 als mittelhohe und
Werte über 0.60 als hohe Übereinstimmung bewertet (Magaziner et al., 1996; Snow et al.,
2005).
Ergebnisse
Die Übereinstimmung von Arzt- und Patientenurteil liegt zum Aufnahmezeitpunkt bei
ICC=0.374 und zum Entlasszeitpunkt bei ICC=0.242 (jeweils Median der 12 MOSESSkalen). Das Patientenurteil zum Gesundheitsstatus fällt dabei nicht einheitlich besser oder
schlechter aus, sondern es zeigen sich Unterschiede je nach beurteiltem Aspekt von Mobilität und Selbstversorgung und in Abhängigkeit vom Messzeitpunkt: Die Patienten beurteilen
sich bei Aktivitäten, die wesentlich den Gebrauch der oberen Extremitäten beinhalten, als
stärker eingeschränkt als die Ärzte. Bei den anderen Skalen fällt ihr Urteil in der Regel positiver aus als das der Ärzte. Zum Entlasszeitpunkt ist jedoch generell festzustellen, dass die
Ärzte eine positivere Beurteilung vornehmen. Die Klinikunterschiede im Hinblick auf die Übereinstimmung von Arzt- und Patientenurteil sind sehr deutlich. Mit Ausnahme der Skalen,
die aufgrund relativ geringer Einschränkungen der Patienten wenig Varianz aufweisen, gilt
bezüglich aller Skalen zum Aufnahme- und Entlasszeitpunkt, dass die Diskrepanz zwischen
Arzt- und Patientenurteil statistisch signifikant zwischen den Kliniken variiert. Es gibt Kliniken, die auf nahezu allen Skalen eine mittelhohe Übereinstimmung erzielen (ICCs zwischen
0.40 und 0.60) und Kliniken, bei denen die Korrelation zwischen Arzt- und Patientenurteil
nicht größer ist als bei einem Zufallszusammenhang.
Zusammenfassung und Diskussion
Obwohl in der Studie Aspekte des Gesundheitsstatus betrachtet wurden, von denen anzunehmen ist, dass sie einer externen Beobachtung zugänglich sind, ist die Übereinstimmung
zwischen Arzt- und Patientenurteil alles in allem nur gering. Erklärungsansätze für dieses
Phänomen bestehen z. B. darin, dass Patienten auch auf der Ebene der Aktivitäten eher die
subjektiven Aspekte der Einschränkung (Schmerzen, empfundene Anstrengung) bewerten,
und Ärzte eher die objektivierbaren Aspekte der Einschränkung (Beweglichkeit). Unter Umständen besteht aber auch bei einzelnen Kliniken Schulungsbedarf im Hinblick auf die Erhebung und Berücksichtigung der Patientensicht.
141
Literatur
Berkanovic, E., Hurwicz, M.-L., Lachenbruch, P.A. (1995): Concordant and discrepant views
of patients' physical functioning. Arthritis Care & Research. 8(2):94-101.
Farin, E., Fleitz, A., Follert, P. (2006): Entwicklung eines ICF-orientierten Patientenfragebogens zur Erfassung von Mobilität und Selbstversorgung. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin; 16:197-211.
Hewlett, S.A. (2003): Patients and clinicians have different perspectives on outcomes in arthritis. Journal of Rheumatology; 30:877-879.
Janse, A.J., Gemke, R.J.B.J., Uiterwaal, C.S.P.M., van der Twee,l I., Kimpen, J.L.L. (2004):
Sinnema G. Quality of life: patients and doctors don't always agree: a meta-analysis.
Journal of Clinical Epidemiology; 57:653-661.
Magaziner, J., Bassett, S.S., Hebel, J.R., Gruber-Baldini, A. (1996): Use of proxies to measure health and functional status in epidemiologic studies of community-dwelling women
aged 65 years and older. American Journal of Epidemiology; 143:283-292.
Snow, A.L., Cook, K.F., Lin,P., Morgan, R.O., Magaziner, J. (2005): Proxies and other external raters: Methodological considerations. Health Services Research; 40(5):1676-1693.
142
ICF (Poster)
Entwicklung eines ICF-basierten Selbstbeurteilungsfragebogens zur
Erfassung des Rehabilitations- und Vorsorgebedarfs bei Kindern und
Jugendlichen
Georgi, C., Meng, K., Vogel, H.
Universität Würzburg, Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie
Hintergrund und Ziele
Bei Kindern und Jugendlichen steigen in den letzten Jahren Häufigkeit, Schweregrad und
Komorbidität bei chronisch körperlichen und psychischen Erkrankungen. Die Zahl an medizinischen Rehabilitationsleistungen für Kinder und Jugendliche hat zwischen 1998 und 2004
zugenommen, doch ist davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme unter dem realen
Bedarf liegt (Petermann et al., 2006). Für eine zielorientierte, bedarfsgerechte und effiziente
Bedarfsermittlung, Indikationsstellung und Allokation ist eine mehrperspektivische Betrachtung erforderlich zu deren Erfassung zunehmend auch die Verwertbarkeit und Validität von
Selbstbeurteilungsfragebögen der Versicherten diskutiert wird (Seger, 2005). Die ICF mit
den Komponenten der „Körperfunktion und -struktur“, der „Aktivität und Partizipation“ und
der „umwelt- und personenbezogenen Kontextfaktoren“ eignet sich als konzeptioneller
Rahmen nicht nur zur ärztlichen Beurteilung sondern auch zur Entwicklung von Selbstbeurteilungsinstrumenten. Vorhandene Assessmentinstrumente bilden aufgrund anderer konzeptioneller Grundlagen jeweils nur einzelne, für die Bedarfsfeststellung zentrale ICF-Domänen
ab.
Ziel des Projektes ist es, einen ICF-basierten Selbstbeurteilungsfragebogen zur Ergänzung
der bisherigen Antragsunterlagen zu entwickeln, in dem neben körperlichen Leistungseinschränkungen auch psychische, soziale und familiäre Integritätsbeeinträchtigungen erfasst
und somit bedarfsrelevante Informationen hinsichtlich der zuzuweisenden Maßnahme zur
Verfügung gestellt werden.
Methodik
Zur Konzeption des Fragebogens wurden mittels Literaturrecherche wesentliche Kernbereiche zur Einschätzung des Rehabilitations- und Vorsorgebedarfs bei Kindern und Jugendlichen extrahiert. Diese wurden in Anlehnung an die Facettenanalyse (Bortz, Döring, 2005)
den verschiedenen ICF-Domänen zugeordnet; die Definitionen der untersten ICFKategorien der relevanten Domänen (WHO, ICF-CY) wurden zur Itemkonstruktion herangezogen. Es wurde ein generischer Fremdbeurteilungsbogen für Eltern mit 32 Items konstruiert; für Mutter/Vater-Kind-Maßnahmen enthält der Fragebogen zusätzlich 14 Items zur
Belastungssituation der Mutter.
Die Evaluation des Fragebogens erfolgt zurzeit in einer querschnittlichen Fragebogenerhebung im Antragsverfahren der Hamburg Münchener Krankenkasse. Untersucht werden konsekutive Zeitstichproben von Antragstellern von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen
143
für Kinder- und Jugendliche sowie Mutter/Vater-Kind-Maßnahme ab dem 6. Lebensjahr. Zur
psychometrischen Evaluation werden Item- und Faktorenanalysen durchgeführt. Kriterien
zur Validierung des Fragebogens sind (sozial-) medizinische Daten aus der Antragsbegutachtung (ärztlicher Befundbericht, MDK-Stellungnahme) und Skalen aus validierten Instrumenten (KINDL, SDQ, FKV, FRQ-E).
Ergebnisse
Bei den bisher eligiblen Antragstellern (N = 81) zeigte sich eine hohe Akzeptanz des Elternfragebogens (Responderrate > 80 %). Bei den überwiegend beantragten Mutter-KindMaßnahmen (75.1 %) waren die Kinder durchschnittlich 9,4 Jahre (SD = 2.8) alt; 56.3 % der
Kinder waren weiblich.
In der deskriptiven Analyse der vorläufigen Stichprobe ergeben die Mittelwerte der Items
zwischen .94 und 2.53 (Skala von 0-4) eine geringe bis mittlere Beeinträchtigung der Kinder
in den erfassten ICF-Kategorien. Die Mütter geben hinsichtlich eigener psychosozialer Belastungssituationen vor allem finanzielle Sorgen (71,4 %) und Doppelbelastung durch Beruf
und Familie (78,6 %) an. Die durchschnittliche subjektive Belastung (1.38 ≤ M ≤ 2.33; Skala
von 0-3) zeigt je nach Lebensbereich einen deutlichen Leidensdruck.
Für die Items des Elternfragebogens konnten überwiegend signifikante Zusammenhänge in
mittlerer bis hoher Höhe mit den zur Validierung eingesetzten Skalen nachgewiesen werden
(z. B. Items „Überaktivität“ und „Unruhe mit der SDQ-Skala „Hyperaktivität“: rs = .89 bzw.
.85).
Diskussion und Schlussfolgerungen
In einer ersten Analyse zeigen sich geringe bis mittlere körperliche als auch psychische Beeinträchtigungen sowie mäßige Auffälligkeiten in den weiteren Kernbereichen, wie Familie,
Schule oder Krankheitsverarbeitung. Diese Ergebnisse bei gleichzeitiger deutlicher psychosozialer Belastung der Mütter im Sinne von gesundheitlichen Risikofaktoren sind konkordant
mit der überwiegend beantragten Maßnahme (Mutter-Kind-Vorsorge).
Aufgrund der Responderrate wird auf eine hohe Akzeptanz des Fragebogens bei den Versicherten geschlossen. Die Bewertung hinsichtlich der Relevanz für die Antragsbearbeitung
durch MDK-Mitarbeiter und Sachbearbeiter steht zurzeit noch aus. Nach weiterer psychometrischer Validierung und Fragebogenrevision sollte ein ökonomisches Instrument zur ICFbasierten Erfassung kindlicher Beeinträchtigungen für das Antragsverfahren vorliegen.
Literatur
Bortz, J., Döring, N. (2005): Forschungsmethoden und Evaluation (3. überarbeitete Aufl.).
Heidelberg: Springer.
Petermann, F., Koch, U., Hampel, P. (2006): Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen.
Rehabilitation, 45, 1-8.
Seger, W. (2005): Möglichkeiten und Formen von Selbstauskünften für die Indikationsbildung in der Rehabilitation. In J. Collatz, F. Barre u. S. Arnhold-Kerri (Hrsg.), Prävention
und Rehabilitation für Mutter und Kind. Bedarf - Gesetze - Umsetzungen. III. wissenschaftliches Symposium. (185-197). Berlin: VWB.
World Health Organization (WHO) (2006): ICF Child and Youth version (ICF-CY). Verfügbar
unter: www3.who.int/icf/onlinebrowser/icf.cfm.
144
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) und andere
Klassifikationssysteme (I)
Klinische Anforderungen an eine Reha-Klassifikation bei
Alkoholabhängigen
Roeb-Rienas, W.
Kliniken Daun, Daun
Das ideale Patientenklassifikationssystem in der medizinischen Rehabilitation eignet sich als
Entscheidungshilfe, jedem Rehabilitanden eine bedarfsgerechte und angepasst an die individuellen Voraussetzungen nach Art, Inhalt und Umfang angemessene Leistung anzubieten.
Der Nutzwert eines solchen Klassifikationssystems hängt davon ab, ob es unter den gegebenen Versorgungsbedingungen dazu geeignet ist, dass zum richtigen Zeitpunkt die Weichen in Richtung eines problemangemessenen und erfolgsaussichtigen Behandlungsszenarios gestellt werden (Fallsteuerung) (vergl. Roeb-Rienas, 2006). Im Interesse der Rehabilitanden und der Solidargemeinschaft ist die Praktikabilität des Systems ebenso wichtig, wie
seine Robustheit gegenüber interessengeleiteten Entscheidungen.
In dem Beitrag wird ein Instrument (9-Felder-Tafel) vorgestellt, mit welchem eine Einteilung
nach dem Schweregrad bzw. in Risikoklassen möglich ist. Daraus ableitbar sind Anforderungen an diagnostische und therapeutische Prozesse sowie die Personal- und Sachausstattung einer Behandlungseinrichtung.
Die ‚Risikomerkmale’, die in die Bewertung einfließen, sind eindeutig bestimmbare und vor
dem Beginn der Behandlung feststellbare Patienteneigenschaften, nach denen der Schweregrad bestimmt und der zu erwartende Behandlungsaufwand (Behandlungsart, Settingbedingungen, Behandlungsdauer) festgelegt werden kann (vergl. Sonntag, Künzel, 2000). Die
in ihrer Anzahl bewusst begrenzt gehaltenen Risikomerkmale wurden vor dem Hintergrund
langjähriger klinischer Praxis ausgewählt.
In einem ersten Schritt wurde das neu entwickelte Instrument dazu eingesetzt, empirisch
ermittelte Fallgruppen für die stationäre Rehabilitation von Alkoholabhängigen klinisch zu
bewerten. Die Fallgruppen unterscheiden sich durch diagnostische und therapeutische
Merkmale. Sie wurden in einem Projekt6 zur Bildung von Rehabilitanden-ManagementKategorien (RMKs) auf der Basis von Prozessdaten und ausgewählten psychometrischen
Assessments aus 4 Kliniken (N= 3000) statistisch modelliert (Spyra et al., 2006). Die 9Felder-Tafel wurde als heuristischer Rahmen für die klinische Bewertung der Validität der
Das Projekt wird im Rahmen des BMBF/GRV Förderschwerpunktes gefördert. Es wird in
Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) und mit vier Rehabilitationskliniken durchgeführt: Dr. J. Lindenmeyer, Salus-Klinik Lindow; P. Missel, Kliniken
Daun - Am Rosenberg; C. Quinten, Kliniken Daun - Thommener Höhe; Dr. U. Zemlin, Fachklinik Wilhelmsheim.
6
145
Fallgruppen herangezogen. Auf dieser Basis konnte die Expertendiskussion der Ergebnisse
zu den Fallgruppen geeignet strukturiert werden.
Im Ergebnis zeigte sich, dass mit beiden Ansätzen gut vergleichbare diagnostisch und therapeutisch relevante Dimensionen für die Fallgruppenbildung erfasst werden. Beide Ansätze
ergänzen sich sinnvoll: die 9-Felder-Tafel unterstützt die klinische Interpretation der Fallgruppen und deren Übersetzung in Anforderungen an die Sach- und Personalausstattung,
die RMKs ermöglichen die Berücksichtigung von Merkmalskombinationen sowie die klinikübergreifende Ergebnisinterpretation.
Perspektivisch soll durch Implementation der 9-Felder-Tafel und der resultierenden Fallgruppen in der klinischen Praxis untersucht werden, ob diese Instrumente sich dazu eignen,
bedarfsgerechte und ökonomisch angemessene Zuweisungsentscheidungen für Patienten
zu therapeutischen Settings zu treffen. Dabei sollen insbesondere auch die erzielten Behandlungsergebnisse berücksichtigt werden.
Literatur
Spyra, K., Kolleck, B., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W. (2006): Konzept und Empirie der
RMKs - ein Patientenklassifikationssystem für die Rehabilitation von Alkoholabhängigen.
In: Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 74, 318-336.
Müller-Fahrnow, W., Spyra, K. Stoll, S., Wegscheider, K. (2002): RMKs in der Suchtrehabilitation. Workshopbericht, unveröffentlicht.
Roeb-Rienas, W. (2006): Fallmanagement - effektiv und nahtlos: Impulse aus Sicht der Behandler. In: Sucht aktuell, 1/2006, 27-32.
Sonntag, D., Künzel, J. (2000): Hat die Therapiedauer bei alkohol- und drogenabhängigen
Patienten einen positiven Einfluss auf den Therapieerfolg?. In: Sucht Sonderheft 2, 92176.
Assessments als bedarfsorientierte Instrumente der
Leistungsstrukturierung in der Entwöhnungsbehandlung
Alkoholabhängiger
Lindenmeyer, J. (1), Missel, P. (2), Zemlin, U. (3)
(1) Salus-Klinik Lindow, (2) Kliniken Daun, (3) Fachklinik Wilhelmsheim, Oppenweiler
Hintergrund
In der Entwöhnungsbehandlung von Alkoholabhängigen ist sowohl in Bezug auf die Behandlungsdauer als auch auf die Behandlungsinhalte und das Behandlungssetting eine immer stärkere Flexibilisierung zu verzeichnen. Sie ist darauf gerichtet, dem unterschiedlichen
individuellen Therapiebedarf jedes einzelnen Patienten besser gerecht zu werden. So wünschenswert dies im Sinne individueller Bedarfsgerechtigkeit und therapeutischer Entscheidungsfreiheit im Einzelfall auch sein mag, so problematisch sind die Folgen für eine optimale Prozesssteuerung auf der Klinikebene: u. a. verschärft sich angesichts verkürzter Therapiezeiten und steigenden Kostendrucks für den Behandler das sog. Allokationsproblem, weil
er bisher nur über unzureichende Hilfen verfügt, um nach rationalen Aspekten unter einer
146
großen Vielfalt individueller Entscheidungsmöglichkeiten für jeden Patienten das optimale
Behandlungsangebot auszuwählen. Eine geeignete Unterstützung hierfür ist aus der Implementation von Behandlungsstandards für typische Patientenfallgruppen zu erwarten. Aus
einem entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Bildung sogen. Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMKs) für die stationäre Rehabilitation Alkoholabhängiger7 liegen erste Ergebnisse vor (Spyra et al., 2006). Sie beziehen sich u. a. auf die Analyse
von psychometrischen Assessments, die in den 4 kooperierenden Kliniken seit Jahren im
Routinebetrieb eingesetzt werden. Im folgenden wird über ausgewählte Ergebnisse berichtet.
Methodik und Studiendesign
Anhand der Eingangs-, Verlaufs- und Katamnesedaten des kompletten Entlassjahrgangs
2002 (N= 798) einer stationären Entwöhnungseinrichtung wird mit einem retrospektiven Untersuchungsdesign empirisch analysiert, in welchem Umfang routinemäßig eingesetzte Assessments (SCL-90-R; BDI, UFB; SVF, F-SozU, LISRES, IDTSA, SOCRATES, DTCQA,
Fagerström-Test, MALT, IIP, FLZ, FEV, FFT etc.) dazu beitragen, Patientengruppen mit differenziellen Bedarfslagen und entsprechend unterschiedlichen therapeutischen Profilen zu
identifizieren. Bei den analysierten Daten handelt es sich um Prozessdatenbestände. Die
Leistungen werden in KTL-verschlüsselter Form analysiert. Die statistische Modellbildung
erfolgte durch latente Klassenanalysen und Konfigurations-Frequenzanalysen.
Ergebnisse
Mittels latenter Klassenanalysen wurden (1) unter Rückgriff auf die Assessments und weitere Patientenmerkmale unterschiedliche Bedarfsklassen und (2) unter Rückgriff auf evidenzbasierte Therapiemodule (Geyer et al., 2006) unabhängig davon Behandlungsklassen statistisch ermittelt. Aus diesen wurden mittels Konfigurations-Frequenzanalyse überzufällig häufige Kombinationen von Bedarfs- und Leistungsklassen ermittelt. Die so modellierten Fallgruppen unterscheiden sich diagnostisch im Hinblick auf Assessment-basierte Merkmale,
u. a. durch den Grad der psychischen Beeinträchtigung (SCL-90-R) und die Ressourcen
(LISRES). Für die Bedarfsgruppen konnten durch die statistischen Modelle klinisch plausible
therapeutische Ausgestaltungen identifiziert werden.
Diskussion
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass routinemäßig in der Klinik eingesetzte Assessments
bereits heute in der Einrichtung therapie-steuernd wirksam werden, ohne dass hierfür entsprechende Regeln explizit fixiert worden wären. Optimierungspotenziale für die Prozesssteuerung können dahingehend vermutet werden, dass auf Basis der empirischen Befunde
explizit Entscheidungshilfen für die Behandler operationalisiert werden können, welche die
Auswahl der optimalen Behandlungsstrategie für Patientengruppen unterstützen.
Das Projekt wird im Rahmen des BMBF/GRV Förderschwerpunktes gefördert. Es wird in
Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) und mit vier Rehabilitationskliniken durchgeführt: Dr. J. Lindenmeyer, Salus-Klinik Lindow; P. Missel, Kliniken
Daun - Am Rosenberg; C. Quinten, Kliniken Daun - Thommener Höhe; Dr. U. Zemlin, Fachklinik Wilhelmsheim.
7
147
Schlussfolgerung
Der gezielte Einsatz von Assessments kann dazu beitragen, differenzielle Bedarfslagen von
Patientengruppen besser zu erfassen und in therapeutische Entscheidungen umzusetzen.
Nicht ausreichend untersucht ist bisher, inwiefern die vorgestellten klinikspezifischen Befunde erstens weitergehende klinik-übergreifende Bedeutung haben und zweitens sich durch
gezielte Zusammenstellung und Einsatz einer Assessmentbatterie, die dann auch prospektiv
für die Bedarfsdifferenzierung und Therapiesteuerung in der Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger eingesetzt wird, verbessern lassen.
Literatur
Spyra, K., Kolleck, B., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W. (2006): Konzept und Empirie der
RMKs - ein Patientenklassifikationssystem für die Rehabilitation von Alkoholabhängigen.
In: Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 74, 318-336.
Geyer, D., Batra, A., Beutel, M., Funke, W., Görlich, P., Günthner, A., Hutschenreuter, U.,
Küfner, H., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W., Müller-Mohnssen, M., Soyka, M., Spyra,
K., Stetter, F., Veltrup, C., Wiesbeck, G.A., Schmidt, L.G. (2006): AWMF Leitlinie. Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen. Sucht 52 (1), 8-33.
Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) (2000): Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Dezernat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.). Druck: Ruksaldruck
GmbH + Co., Berlin-Mariendorf. 4. überarbeitete Auflage.
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) für die stationäre
Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger und ihre prognostische
Bedeutung
Möllmann, C., Spyra, K., Müller-Fahrnow, W.
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Hintergrund und Fragestellungen
Vor dem Hintergrund der Tendenz einer weltweiten Einführung pauschalierter Vergütungssysteme in der Gesundheitsversorgung, erfolgt seit etwa zehn Jahren die Diskussion entsprechender Möglichkeiten für die medizinische Rehabilitation. Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMKs) sind typische Rehabilitanden-Fallgruppen mit intern homogenem
und extern unterscheidbarem Behandlungsbedarf. Sie werden durch rehabilitationsspezifische bedarfsbegründete Patientenmerkmale sowie qualitative und quantitative Leistungsmerkmale beschrieben (Spyra et al., 2006). Die resultierenden Fallgruppen erlauben im
nächsten Schritt dann differenzielle Erfolgsprognosen für den kurz- und mittelfristigen Verlauf der Abhängigkeitserkrankung.
Vor diesem Hintergrund befasst sich der vorliegende Beitrag mit folgenden Fragen:
- Lassen sich klinikübergreifend bedarfs- und leistungsbezogene Fallgruppen für die stationäre medizinische Rehabilitation bei Alkoholabhängigkeit ableiten?
- Welche prognostische Bedeutung kommt der Fallgruppenzugehörigkeit zu?
148
Stichprobe und Methodik
Berichtet werden Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt ‚RMK-Sucht’8 zur Bildung von
Behandlungsfallgruppen für die stationäre Entwöhnungsbehandlung bei Alkoholabhängigkeit. Die Analysen umfassen zwei Datenstränge des Entlassungsjahrganges 2002: zum einen Daten aus vier kooperierenden Fachkliniken (rund 3.000 Fälle, für alle Kostenträger)
und zum anderen eine bundesweit repräsentative Stichprobe der Deutschen Rentenversicherung Bund (rund 10.000 Fälle aus rund 350 Einrichtungen). Beide Datenbestände beinhalten neben Prozessdaten, wie soziodemografischen Angaben, Diagnosen, Vorbehandlungen und erwerbsbezogenen Angaben (aus Basisdokumentation und Entlassungsberichten),
nach der KTL (BfA, 2000) verschlüsselte therapeutische Leistungsangaben. Letztere wurden a-priori auf der Basis der AWMF-Leitlinie Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen (Geyer et al., 2006) vorgruppiert, mit der konkreten Zielstellung, die empirische Identifizierung von Fallgruppen mit unterschiedlichem Reha-Bedarf auf der Basis von KTLAnalysen zu unterstützen. Für den Datenbestand der kooperierenden Kliniken liegen des
Weiteren Katamnesedaten zum Konsumverhalten sowie zur (Re-)Integration und zur Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen vor.
Zur empirischen Ableitung der RMKs kamen Mehrebenenmodelle, Regressionsbaumverfahren sowie latente Klassenanalysen zum Einsatz. Mittels Konfigurations-Frequenz-Analysen
wurden überzufällig häufige Bedarfs-Leistungs-Konfigurationen abgebildet. Anschließende
Vergleiche der Fallgruppen erfolgten je nach Datenniveau und -verteilung mittels parametrischer oder parameterfreier Tests. Differenzielle Einflüsse verschiedener Merkmale bzw. der
Fallgruppenzugehörigkeit bezüglich des Therapieerfolgs zwölf Monate nach Entlassung
wurden mit regressionsanalytischen Verfahren bzw. Diskriminanzanalysen getestet.
Ergebnisse
Über den Einsatz von Mehrebenenmodellen ist es gelungen, die patientenbezogene Varianzaufklärung für die KTL-Leistungshäufigkeit - die bei bislang verwendeten einfachen Regressionsmodellen nur bei rund 6 % gelegen hatte - auf rund 28 % zu erhöhen. Auf der Personenebene werden damit rund 44 % der KTL-Varianz aufgeklärt. Diese Ergebnisse liegen
in einer vergleichbaren Größenordnung wie zu Beginn der DRG-Entwicklung. Gleichzeitig
konnten mit den Mehrebenenmodellen Klinikunterschiede in den KTL-Leistungen weiter
aufgeklärt werden. Diese erklären sich zur Hälfte aus dem unterschiedlichen Umgang der
Einrichtungen mit psychischer Komorbidität. Der statistische Einfluss der Klinik ist damit
nicht länger als Störgröße, die Klinik vielmehr als Effektmodifikator zu interpretieren.
Für den Datenbestand der kooperierenden Kliniken liegen elf vorläufige RMKs vor, die sich
auch prognostisch - bezogen auf Abstinenzquoten sowie weitere Ergebniskriterien - statistisch bedeutsam voneinander unterscheiden. Spezifische Bedarfscharakteristika, die besonders stark zwischen den Fallgruppen differenzieren und auch prognostisch Einfluss zeigen,
sind v. a. die Merkmale Wiederholungsbehandlung, Arbeitslosigkeit und psychische Komor8
Das Projekt wurde im Rahmen des BMBF/GRV Förderschwerpunktes gefördert und in Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) und mit vier Rehabilitationskliniken durchgeführt: Dr. J. Lindenmeyer, Salus-Klinik Lindow; P. Missel, Kliniken Daun - Am
Rosenberg; C. Quinten, Kliniken Daun - Thommener Höhe; Dr. U. Zemlin, Fachklinik Wilhelmsheim.
149
bidität. Die Abstinenzquoten zwölf Monate nach der Entlassung (nach DGSS-4) variieren
über die Gruppen zwischen 34 und 60 Prozent.
Diskussion und Ausblick
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, unter Rückgriff auf KTLverschlüsselte therapeutische Leistungen Fallgruppen von stationär entwöhnten Alkoholabhängigen abzubilden, die sich hinsichtlich Bedarfs- und Therapiemerkmalen statistisch bedeutsam voneinander unterscheiden. Rehabilitanden-Management-Kategorien sind ein Instrument, um die Effektivität respektive die Effizienz der Rehabilitation von Alkoholabhängigen bedarfsbezogen zu differenzieren.
Katamneseergebnisse belegen, dass die Rehabilitation für differenzielle Patientengruppen
(RMKs) zur Zeit unterschiedlich effektiv ist. Hieraus lassen sich perspektivisch Überlegungen zu therapeutischen Optimierungspotenzialen ableiten.
Literatur
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Hrsg.) 2000: KTL - Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. 4. überarbeitet Auflage.
Geyer, D., Batra, A., Beutel, M., Funke, W., Görlich, P., Günthner, A., Hutschenreuter, U.,
Küfner, H., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W., Müller-Mohnssen, M., Soyka, M., Spyra,
K., Stetter, F., Veltrup, C., Wiesbeck, G.A., Schmidt, L.G. (2006): AWMF Leitlinie: Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen. In: Sucht 52 (1), 8-34.
Spyra, K., Kolleck, B., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W. (2006): Konzept und Empirie der
RMKs - ein Patientenklassifikationssystem für die Rehabilitation von Alkoholabhängigen.
In: Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 74, 318-336.
Rehabilitanden Management Kategorien (RMK) für die MSK-Rehabilitation
und ihre prognostische Bedeutung
Erhart, M. (1), Spyra, K. (2), Muschket, P. (2), Möllmann, C. (2), Müller-Fahrnow, W. (2)
(1) Psychosoziale Gesundheit, Robert Koch-Institut, Berlin, (2)
Versorgungssystemforschung und Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Charite
Universitätsmedizin, Berlin
Hintergrund, Ziele
Die Entwicklung einer bedarfs- und leistungsbezogenen Patientenklassifikation in der medizinischen Rehabilitation soll dazu beitragen, Qualitätsabweichungen zwischen den einzelnen Anbietern von Rehaleistungen zu reduzieren und eine generelle Qualitätsverbesserung
zu erzielen. Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMKs) sind typische Rehabilitandengruppen mit definiertem, intern homogenem und extern unterscheidbarem Behandlungsbedarf. Sie werden beschrieben durch rehabilitationsspezifische bedarfsbegründete Patientenmerkmale sowie quantitative und qualitative Leistungsmerkmale (Spyra, Müller-Fahrnow,
1998).
150
Im Rahmen der Pilotstudie des Projektes „Entwicklung eines Klassifikationssystems für Patientenfallgruppen in der medizinischen Rehabilitation (RMKs)“ wurden vorhandene Rehabilitations-Prozess- und Bedarfsdaten untersucht. Ziel dieser Arbeit ist die empirische Identifikation von RMKs basierend auf Bedarfsvariablen, Prozessdaten sowie soziodemografischen
und sozioökonomischen Informationen und die Charakterisierung sowie Validierung der
RMKs. Die prognostische Bedeutung der identifizierten RMKs wird anhand verschiedener
katamnestischer Ergebnisvariabeln untersucht.
Methodik
Datengrundlage ist die konsekutive schriftliche Befragung einer unausgelesenen Stichprobe
von 1203 Patienten mit Rückenleiden, die an einer stationären medizinischen Rehabilitation
(10 Rehaeinrichtungen) teilnahmen. Bedarfsvariablen wurden durch die Assessmentinstrumente HADS, FFbH, SSES, FESF, NRS-Schmerzen, PDI, SIMBO (AU), FABQ und SF-36
erhoben. Alter, Geschlecht, Bildungsstand und Arbeitszufriedenheit (Fishbaine) wurden im
Selbstbericht erhoben. Schmerzsyndrom-Typ und -Ort wurde im Rahmen der Aufnahmediagnostik erfasst. Die erhaltenen Leistungen wurden entsprechend der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) Systematik kodiert und in evidenzbasierte Therapiemodule
(ETM) zusammengefasst.
Ergebnisse
In einer latenten Klassenanalyse (Hagenaars, McCutcheon, 2000) wurden die durch ihre
Bedarfsvariablen zum Aufnahmezeitpunkt charakterisierten Patienten in Klassen eingeteilt.
Verschiedene Klassenmodelle wurden verglichen. Das 4-Klassen-Modell konnte die Assessmentdaten am besten erklären, (BIC=46547.731, Klassifikationsfehler=.127). Die latente Klassenanalyse der KTL/ETM-Variablen resultiert ebenfalls in einem 4-Klassen-Modell
(BIC=104832.149, Klassifikationsfehler=.006). Die Konvergenz der beiden Gruppierungen
entspricht einem Pseudo-R2 von .10 und fällt höher aus als die durchschnittliche Varianzaufklärung der Bedarfsgruppierung in den KTL/ETM-Variablen und vice versa.
In einer Konfigurationsfrequenzanalyse (Krauth und Lienert, 1995) wurden 8 Konfigurationen als Anti-Typen identifiziert. Die verbleibenden 8 RMKs sind wie folgt charakterisiert:
Sehr hoher Schwergrad und psychische Beeinträchtigung - bei durchschnittlicher Behandlungsintensität (RMK1.1) - oder bei ausgeprägter psychologische Behandlung (RMK1.4);
Hoher Schweregrad und Beeinträchtigungswahrnehmung - bei durchschnittlicher Behandlungsintensität (RMK2.1) - oder bei ausgeprägten Schulungen, Information und Motivation
(RMK2.3) - oder bei ausgeprägter psychologischer Behandlung (RMK2.4); Mittlerer Schwergrad und hohe psychische Beeinträchtigung - bei durchschnittlicher Behandlungsintensität
(RMK3.1) - oder bei überdurchschnittlicher Schmerzbewältigung und Entspannungstraining
(RMK3.2); Mittlerer Schweregrad und hohe Beeinträchtigungswahrnehmung - bei überdurchschnittlicher Schmerzbewältigung und Entspannungstraining (RMK4.2).
Diese Gruppierung erklärt 33 % der Varianz in den Assessmentvariablen und 23 % der Varianz in den KTL/ETM-Variablen.
Neue Ergebnisse zur prognostischen Qualität der RMKs in der Katamnese werden vorgestellt und mit Resultaten zu den ausgeschlossenen Typen verglichen.
151
Diskussion und Fazit
Die latenten Klassenanalysen resultieren in der Identifizierung von Fallgruppen mit quantitativ und qualitativ unterschiedlichem Behandlungsbedarf und -Leistungen. Die identifizierten
RMKs können einen großen Teil der Unterschiede auf den Bedarfs- und Leistungsvariablen
erklären und sind sinnvoll interpretierbar.
Erst die Berücksichtigung qualitativer unterschiedlicher Bedarfstypen vermag bedeutsame
(qualitative) Unterschiede in den therapeutischen Leistungen zu erklären. Resultate zur
prognostischen Qualität werden im Hinblick auf die Passung zwischen Bedarfs- und Behandlungskonfiguration diskutiert.
Literatur
Spyra, K., Müller-Fahrnow, W. (1998): Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK’s) Ein neuer Ansatz zur Fallgruppenbildung in der medizinischen Rehabilitation. Rehabilitation, 37(Suppl. 1), 47-56.
Hagenaars, J.A., McCutcheon, A.L. (2002): Applied Latent Class Analysis. Cambridge University Press.
Joachim, Krauth, J., Lienert, G.A. (1995): Die Konfigurationsfrequenzanalyse (KFA) und ihre
Anwendung in Psychologie und Medizin. Weinheim.
Ambulante und stationäre Rehabilitation von Alkoholabhängigen: Die
Beurteilung des Behandlungsbedarfs im Prä-Post Vergleich
Küfner, H. (1), Schmidt, P. (2), Kolb, W. (3), Zemlin, U. (3), Soyka, M. (2)
(1) Institut für Therapieforschung, IFT, München, (2) Ludwig-Maximilians-Universität,
München, (3) Fachklinik Wilhelmsheim
Hintergrund
Im Suchtbereich sind Aufgaben der Allokation wie die der selektiven Indikation zwischen
ambulanter und stationärer Behandlung oder der adaptiven Indikation im Rahmen der stationären Behandlung empirisch-statistisch weitgehend ungeklärte Fragen (vgl. Bühringer,
2006).
Für Aufgaben der Allokation (bzw. Indikation) kommt der Einschätzung des Behandlungsbedarfs eine zentrale Bedeutung zu. Die Beurteilung des Behandlungsbedarfs basiert im
Suchtbereich vorwiegend auf Schweregradbeurteilungen von Symptomen und Problemen in
verschiedenen Verhaltens- und Lebensbereichen, wie z. B. im EuropASI (Gsellhofer et al.,
1999), den Folgeschäden des Drogenkonsums und der Prognose.
Die vorhandenen Problemlösestrategien des Patienten und seine personalen Ressourcen
werden bislang in expliziter Weise durch Erfassung von Ressourcen des Patienten kaum
berücksichtigt, nicht zuletzt deshalb, weil dafür kaum überprüfte Instrumente zur Verfügung
stehen. Implizit kommen die auf die eigene Sucht bezogenen personalen Ressourcen in den
bisherigen Abstinenzphasen des Patienten zum Ausdruck.
152
Ziel der Präsentation ist die vergleichende Darstellung des in unterschiedlicher Weise (unterschiedliche Instrumente, Konstrukte) erfassten Behandlungsbedarfs von Alkoholabhängigen in der ambulanten Behandlung, der stationären Kurzzeitbehandlung und der stationären
Langzeitbehandlung. Hypothese ist, dass der Behandlungsbedarf sich zwischen stationärer
Kurzzeit- und Langzeitbehandlung deutlich unterscheidet sowie ebenfalls zwischen einer
ambulanten Rehabilitationsbehandlung und der stationären Langzeitbehandlung, nicht dagegen zwischen ambulanter Rehabilitationsbehandlung und stationärer Kurzzeitbehandlung.
Methodik
In einer prospektiven Evaluationsstudie mit Prä- und Post-Erhebung sowie Katamnesen
nach 6, 12 und 24 Monaten werden Alkoholabhängige in ambulanter Behandlung (N=75),
stationärer Kurzzeitbehandlung (N=88) und stationärer Langzeitbehandlung (N=79) einbezogen. In der vorliegenden Analyse werden nur die Prä- und Post-Erhebungen berücksichtigt. Die Erfassung des Behandlungsbedarfs erfolgt mit dem Schweregrad-Rating und den
Composite-Scores des EuropASI (Gsellhofer et al., 1999), dem PREDI-Diagnostiksystem
(Küfner et al., 2006) sowie der Erfassung der Selbstwirksamkeitserwartungen bezüglich des
eigenen Alkoholkonsums (AASE, DiClemente et al., 1994).
Ergebnisse
Es zeigen sich deutliche Reduzierungen des Behandlungsbedarfs im Prä-Post-Vergleich.
Das Schweregrad-Rating des EuropASI im Vergleich verschiedener Einrichtungen ist wegen
unterschiedlicher Beurteilungstendenzen nur bedingt geeignet, um den Behandlungsbedarf
einzuschätzen. Der Composite Score ist objektiver, enthält aber vorwiegend nur die Folgeschäden. Die Bedeutung des Konstrukts Selbstwirksamkeitserwartung bezüglich des eigenen Alkoholkonsums für die Einschätzung des Behandlungsbedarfs wird noch überprüft. Die
Rolle der Beurteilung personaler Ressourcen als Ergänzung zur Erfassung von Problemen
und Schäden kann erst nach Einbeziehung katamnestischer Ergebnisse ausreichend beurteilt werden.
Diskussion
Es wird die Verallgemeinerung der Ergebnisse für andere ambulante und stationäre Behandlungsformen von Alkoholabhängigen diskutiert. Ein bei manchen Patienten weiter bestehender Behandlungsbedarf weist wahrscheinlich auf ein erhöhtes Risiko für Rückfälle
hin.
Schlussfolgerungen, Ausblick
Der Behandlungsbedarf sollte sich nicht nur an Symptomen und Folgeschäden orientieren,
sondern auch die früheren Abstinenzphasen, Vorbehandlungen und personale Ressourcen
mit berücksichtigen. Die noch nicht abgeschlossenen Katamneseerhebungen werden zur
abschließenden Überprüfung der Allokationsfragen herangezogen.
Literatur
Bühringer, G. (2006): Allocating treatment options to patient profiles: clinical art or science?
Addiction, 101 (5), 646-652.
DiClemente, C.C., Carbonari, J.P., Montgomery, R.P., Hughes, S.O. (1994): The Alcohol
Abstinence Self-Efficacy scale. J Stud Alcohol, 55 (2), 141-148.
153
Gsellhofer, B., Küfner, H., Vogt, M., Weiler, D. (1999): European Addiction Severity Index,
EuropASI. Manual für Training und Durchführung von Interviews mit dem EuropASI.
Baltmannsweiler: Schneider.
Küfner, H., Coenen, M., Indlekofer, W. (2006): PREDI Psychosoziale ressourcenorientierte
Diagnostik. Ein problem- und lösungsorientierter Ansatz, Version 3.0. Lengerich: Pabst.
154
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) und andere
Klassifikationssysteme (II)
Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) - ein bedarfs- und
leistungsorientierter Klassifikationsansatz für die Medizinische
Rehabilitation
Spyra, K., Müller-Fahrnow, W.
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Hintergrund und Zweck der Untersuchung
In Deutschland wird seit rund 10 Jahren im Rahmen verschiedener Projekte versucht, ein
Patientenklassifikationssystem für die medizinische Rehabilitation zu entwickeln (Andreas et
al., 2004; Neubauer et al., 2005). Während die meisten Ansätze auf die Kosten als Klassifikationskriterium zurückgreifen, erfolgt die Fallgruppenbildung bei den RMKs (Spyra et al.,
1998, 2006) unter Rückgriff auf den Reha-Leistungsbedarf. In dem Beitrag werden Konzept
und Methode der RMK-Bildung im Vergleich mit konkurrierenden Ansätzen vorgestellt. Auf
empirische Ergebnisse, die bisher aus Forschungsprojekten zur Bildung von RMKs für die
verhaltenstherapeutisch ausgerichtete stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung9 sowie
für die MSK-Rehabilitation10 vorliegen, wird exemplarisch für „Rücken“-Patienten eingegangen.
Methodik und Studiendesign
Für die RMK-Bildung wird wesentlich auf empirische Analysen der Versorgungspraxis zurückgegriffen. Dadurch soll das in der Praxis bereits heute vorhandene Wissen zu den Anforderungen an eine gute Behandlung (implizite Behandlungsstandards) abgebildet werden.
Die Datenbasis bilden:
1. Prozessdaten der Deutschen Rentenversicherung bzw. kooperierender Kliniken (konservativer Baustein, retrospektives Untersuchungsdesign),
2. gezielt eingesetzte bedarfsbezogene Assessments (innovativer Baustein, prospektives
Design).
Das Projekt wird im Rahmen des BMBF/GRV Förderschwerpunktes gefördert. Es wird in
Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) und mit vier Rehabilitationskliniken durchgeführt: Dr. J. Lindenmeyer, Salus-Klinik Lindow; P. Missel, Kliniken
Daun - Am Rosenberg; C. Quinten, Kliniken Daun - Thommener Höhe; Dr. U. Zemlin, Fachklinik Wilhelmsheim.
9
10
Das Projekt wird von den Unternehmensgruppen MEDIAN Kliniken GmbH & Co. KG, MediClin AG und Paracelsus-Kliniken-Deutschland GmbH gefördert und von der DRV-Bund
bzw. Westfalen unterstützt.
155
Die statistisch modellierten (vorläufigen) RMKs werden zyklisch durch experten-gestützte
Phasen klinisch validiert. Alle Phasen werden unter Einbeziehung theoretischer/evidenzbasierter Erkenntnisse zu Behandlungsanforderungen abgesichert.
Für die MSK-Rehabilitation wurden erstmals Assessments eingesetzt, u. a.: FfbH, FABQ,
PDI, NRS, SF 12, Fishbain-Items. Erste Ergebnisse liegen für rund 1.000 „Rücken“Patienten aus 10 Kliniken vor. Die statistische Modellbildung erfolgte durch latente Klassenanalysen und Konfigurations-Frequenzanalysen.
Ergebnisse
Mittels latenter Klassenanalysen wurden erstens unter Rückgriff auf die Assessments und
weitere Patientenmerkmale 4 unterschiedliche Bedarfsklassen und zweitens unter Rückgriff
auf KTL-verschlüsselte Leistungen unabhängig davon 4 Leistungsklassen statistisch ermittelt. Aus diesen wurden mittels Konfigurations-Frequenzanalyse fünf überzufällig und drei
normal häufige Kombinationen von Bedarfs- und Leistungsklassen ermittelt. Die so modellierten Fallgruppen unterscheiden sich diagnostisch vor allem durch den Grad der funktionsbezogenen Beeinträchtigung und die psychische Komorbidität; therapeutische Unterschiede
betreffen u. a. die erhaltenen psychologischen Leistungen, die Hilfen zur Schmerzbewältigung und die Rückenschule.
Diskussion
Auf empirischer Basis können Fallgruppen modelliert werden, die sich diagnostisch und therapeutisch deutlich unterscheiden. Im Vergleich zu den ersten RMK-Entwicklungsphasen
(Spyra et al., 2006) wurden durch den Einsatz der Assessments, das prospektive Untersuchungsdesign und das gestufte heuristische Modell statistisch bessere Ergebnisse erzielt.
Die Rolle der Klinik als Effektmodifikator konnte in präzisere Fragestellungen für die Expertendiskussion überführt werden: So zeigte sich bspw., dass Patienten mit unterschiedlichen
Bedarfslagen erstens unterschiedlich häufig in den Kliniken auftreten (Patientenmix) und
zweitens hier unterschiedlich behandelt werden, dies aber mit verschiedenen kliniktypischen
therapeutischen Differenzierungen.
Schlussfolgerungen
Die klinische Validität der statistisch modellierten RMKs muss weiter untersucht werden. Unter Einbeziehung von theoretischen und evidenzbasierten Erkenntnissen soll geprüft werden, welche der zur Zeit realisierten Behandlungsprofile für unterschiedliche Bedarfsgruppen optimal sind. Die RMKs sollen weiter durch die Patientenzufriedenheit und katamnestische Befunde validiert werden.
Literatur
Andreas, S., Dirmaier, J., Lang, K., Watzke, B., Koch, U., Ranneberg, J. (2004): Lassen sich
Zusammenhänge zwischen Patientenmerkmalen und dem fachspezifischen Ressourcenverbrauch
in
der
stationären
Behandlung
von
Patienten
mit
psychischen/psychosomatischen Störungen bestimmen? PPmP, 54, 1-9.
Neubauer, G., Ranneberg, J. (2005): Entwicklung von Rehabilitationsbehandlungsgruppen
(RBG) für die Kardiologie und Orthopädie - Ergebnisse eines Forschungsprojektes. In:
Rehabilitation, 44, S. 34-43.
156
Spyra, K., Müller-Fahrnow, W. (1998): Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK’s) –
Ein neuer Ansatz zur Fallgruppenbildung in der medizinischen Rehabilitation. In: Die Rehabilitation. 37. Jhg., Suppl., 47-56, Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag.
Spyra, K., Kolleck, B., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W. (2006): Konzept und Empirie der
RMKs - ein Patientenklassifikationssystem für die Rehabilitation von Alkoholabhängigen.
In: Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 74, 318-336.
Multimodale Therapie - Differenzielle Behandlungsansätze für Patienten
mit chronischen Rückenschmerzen
Pfingsten, M.
Ambulanz für Schmerzbehandlung, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und
Intensivmedizin, Klinikum der Georg-August-Universität Göttingen
In der Behandlung von (nicht-spezifischen) Rückenschmerzen haben sich standardisierte
multimodale Behandlungsprogramme als sehr erfolgreiche Methode erwiesen. Die Programme beinhalten physiotherapeutische und sportmedizinische Elemente, die nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien inkl. eines psychologischen Gruppentrainings durchgeführt
werden. Den konzeptuellen Hintergrund bilden der Functional Restoration-Ansatz sowie
theoretische Erkenntnisse aus dem Angst-Vermeidungs-Konzept (Pfingsten, 2005a).
Trotz hoher Standardisierung dieser Programme hat die Vorgehensweise der Tatsache
Rechnung zu tragen, dass sich auch innerhalb von scheinbaren Krankheitsentitäten verschiedene Subgruppen voneinander abgrenzen lassen: die Patienten unterscheiden sich
z. B. hinsichtlich des Ausmaßes von erlebten Schmerzen und Beeinträchtigung, hinsichtlich
des Grades der Krankheitsschwere aufgrund körperlich begründeter Einschränkungen und
hinsichtlich des Ausmaßes der Chronifizierung inkl. der psychologischen Beeinträchtigung.
Diese Unterschiede erfordern einen unterschiedlichen therapeutischen Ansatz.
Als Differenzierungskriterien zur Unterscheidung verschiedener Subgruppen bieten sich unterschiedliche Systeme an. Bei der alleinigen Berücksichtigung von körperlichen Parametern
als Differenzierungskriterium (z. B. Waddell-Score, körperliche Leistungsfähigkeit) zeigen
die Ergebnisse (in Bezug auf Schmerzreduktion, Reduktion der erlebten FunktionsBeeinträchtigung, Zufriedenheit), dass sich körperlich stark beeinträchtigte Patienten in den
Ergebnissen nicht von Patienten mit entgegengesetzt ausgerichteten Merkmalen unterscheiden. Bei der Differenzierung nach dem Ausmaß der Chronifizierung (Mainzer Stadienmodell) oder der Schwere der Erkrankung (v.Korff-Graduierung) ergeben sich ähnliche Ergebnisse. Dagegen zeigten psychologische Variablen wie ausgeprägte Angst/Vermeidungseinstellungen oder starke Einschränkungen bzgl. des emotionalen Erlebens
(Depressivität) einen deutlichen Einfluss auf das Ergebnis.
In der aktuellen Versorgungspraxis werden somatische Befunde immer noch überbewertet
und psychosoziale Risikofaktoren nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Bei diesen
als `Yellow Flags´ bezeichneten psychosozialen Risikofaktoren handelt es sich insbesondere um spezifische kognitive und emotionale Prozesse, die das Verhalten der betroffenen
157
Patienten beeinflussen und eine Chronifizierung befördern (Pfingsten, 2005b). Zu deren Identifikation existieren bisher zwei Screening-Verfahren:
- In Deutschland wurde von der Arbeitsgruppe um M. Schiltenwolf (Neubauer et al., 2006)
der Heidelberger Kurzfragebogen Rückenschmerz (HKF-R10) vorgestellt. Mit diesem
Verfahren soll es mit Hilfe von 27 Items möglich sein, das Risiko einer Chronifizierung
und entsprechender therapeutischer Konsequenzen durch Zuweisung zu 5 verschiedenen Gruppen abzuschätzen.
- Das Screening-Verfahren der Arbeitsgruppe um Steven Linton aus Schweden (ÖrebroFragebogen) umfasst insgesamt 25 Items. In einer jüngeren Studie konnten die Autoren
durch die Verwendung von nur 8 Items aus diesem Fragebogen bei akuten Rückenschmerz-Patienten 4 unterschiedliche Risikogruppen identifizieren. Für jede Gruppe
konnten spezifisch fokussierte therapeutische Empfehlungen abgeleitet werden (Boersma, Linton, 2005).
Die Ergebnisse in der internationalen Literatur weisen darauf hin, dass die Unterscheidung
von Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen nach psycho-sozialen Merkmalen aussichtsreiche Chancen eröffnet, sowohl in Hinblick auf Intensität der Behandlung als auch in
Bezug auf die inhaltliche Orientierung derselben, angepasste und effiziente therapeutische
Strategien zu entwickeln. Die Frage, welches der Verfahren die Anforderungen an ein entsprechendes Screening-Instrument besser erfüllt, kann erst nach der Durchführung einer
vergleichenden Studie suffizient beantwortet werden.
Literatur
Neubauer, E. et al. (2006): Screening for predicting chronicity in acute low back pain. EJP
10: 559-566.
Boersma, K. Linton, S. (2005): Screening to identify patients at risk. Clin J Pain 21, 38-43.
Pfingsten, M. (2005a): Multimodal - Was ist das überhaupt? Man Med 43: 80-84.
Pfingsten, M. (2005b): Bio-psycho-soziale Einflussfaktoren beim Rückenschmerz. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 21, 152-158.
Entwicklung von Patientenkategorien anhand von Rehabilitanden mit
degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen
Schimpf, S. (1), Peters, A. (2), Müller-Fahrnow, W. (1)
(1) Charité Universitätsmedizin Berlin, Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und
Qualitätssicherung in der Rehabilitation, (2) Schwarzwaldklinik Orthopädie, Bad Krozingen
Hintergrund
Bei der Entwicklung von Behandlungsstandards und -empfehlungen sowie einer fallbezogenen Vergütung in der stationären Rehabilitation ist die Unterscheidung von Patienten anhand von Klassifikationssystemen unverzichtbar. In Anlehnung an die DRGs in der stationären Akutversorgung wurden auch im deutschsprachigen Raum verschiedene Ansätze zur
Bildung spezifischer Fallgruppen in der Rehabilitation verfolgt (Rapp, 2006; Spyra, MüllerFahrnow, 1998), wobei sich diese Ansätze in Bezug auf die Vorgehensweise voneinander
158
unterscheiden. Ein in der Praxis im Bereich der kardiologischen und orthopädischen Rehabilitation gerade erprobter Ansatz zur Bildung von Klassifikationen wurde von Neubauer
(2005) entwickelt. Seine Rehabilitations-Behandlungs-Gruppen (RBG) beruhen auf einem
vierstufigen Gruppierungssystem mit den folgenden Kategorien: Indikation (Hauptkategorie),
Rehabilitationsverfahren (Subkategorie), Basis-RBG nach Einweisungsgrund und Schweregradindikator. Das zentrale Anliegen dieses Systems ist die Bildung kostenhomogener Fallgruppen. Im Gegensatz hierzu nimmt die Kostenorientierung in dem von Müller-Fahrnow et
al. entwickelten Ansatz (Müller-Fahrnow, 2006) vorerst nur einen geringen Stellenwert ein.
Die Bildung der Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) erfolgt primär auf der Basis
des rehabilitationsspezifischen diagnostischen und therapeutischen Leistungsaufkommens,
das mit Hilfe der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) erfasst wird. Erste viel versprechende Ergebnisse zu diesem Ansatz liegen bereits für die Suchtrehabilitation vor (Spyra et al., 2006).
Ziel
Anders als beim RMK-Ansatz war das Anliegen der vorliegenden Studie, die Patientengruppierung anhand der eingangsdiagnostischen Merkmale von Patienten mit degenerativen
Wirbelsäulenerkrankungen zu gewinnen. Angestrebt wurde die Identifizierung von in sich
homogenen Patientengruppen, die sich hinsichtlich ihres somatischen und psychischen Befundes deutlich voneinander unterscheiden lassen. Mit diesem Ansatz sollte ein Beitrag zur
Verbesserungen bei der Steuerung von therapeutischen Leistungen geleistet werden.
Methodik
Die Stichprobe entstammt einer multizentrischen prospektiven Kohortenstudie zur Evaluation der Rehabilitation von 1.228 Patienten mit degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen. Zur
Bildung der Patientenkategorien anhand des pathologischen Befundes wurde auf das Verfahren der Two-Step-Clusteranalyse zurückgegriffen, wobei die Anzahl der Cluster nicht
vom Untersucher vorgegeben wurde. In die Analyse eingeschlossen wurden die Summenscores der folgenden Instrumente: Subskalen „Depression“ und „Angst“ der Hospital Anxiety
and Depression Scale (HADS), die körperliche Summenskala des SF-12, der Pain Disability
Index (PDI), Subskala „Aktivität“ des FABQ, der Funktionsfragebogen Hannover (FFbH), der
MPSS-Chronifizierungsscore sowie die durchschnittliche Schmerzstärke innerhalb der letzten 7 Tage.
Ergebnisse
Mittels der Clusteranalyse ergaben sich vier Gruppierungen, die sich bezüglich des Schweregrades der Erkrankung deutlich voneinander unterscheiden. Die am stärksten körperlich
beeinträchtigten Patienten (Gruppe 4: 23 %) sowie die Patienten mit dem zweit höchsten
Schweregrad (Gruppe 2: 20 %) weisen zudem eine psychische Komorbidität auf. Bei den
Patienten, die zur Gruppe mit mittlerem Schweregrad zählen (Gruppe 1: 21 %) oder zur
Gruppe mit hohem Schweregrad (Gruppe 3: 36 %), ergaben sich keine Hinweise auf eine
psychische Belastung.
Die Ergebnisse in Bezug auf weitere zum Assessment zugehörige Merkmale zeigen ein
charakteristisches und inhaltlich gut interpretierbares Profil der vier Schweregradgruppen:
So steigt der Anteil der gegenwärtig arbeitsunfähigen Rehabilitanden mit zunehmendem
159
Schwergrad an, gleichzeitig steigt auch der Anteil der Patienten mit Rentenbegehren und
sinkt der Anteil der Erwerbstätigen. Des Weiteren nimmt die AU-Dauer mit zunehmendem
Schweregrad zu. Die beiden Gruppen mit psychischer Komorbidität weisen darüber hinaus
ein schmerzbedingtes Vermeidungsverhalten auf; generell sind sie durch einen passivdepressiven Schmerzverarbeitungsstil gekennzeichnet.
Diskussion
Mittels der Clusteranalyse ergab sich eine plausible vier Gruppenlösung, auf deren Basis ein
Zuordnungsalgorithmus entwickeln werden kann. Damit ließe sich zukünftig das Schweregradstadium ermitteln, das wiederum ein Bestandteil bei der Bildung von Patientenkategorien darstellen könnte.
Literatur
Müller-Fahrnow, W. (2006): Fallgruppenbildung in der Suchtrehabilitation - Ergebnisse aus
der RMK-Studie. DRV-Schriften, Bd. 64, 500-502. Frankfurt/Main: VDR.
Neubauer, G., Ranneberg, J. (2005): Entwicklung von Rehabilitationsbehandlungsgruppen
(RBG) für die Kardiologie und Orthopädie - Ergebnisse eines Forschungsprojektes. Rehabilitation 44: 34-43.
Rapp, B. (2006): Eine Frage der Zeit - die Reha-DRGs kommen. Das Krankenhaus 8: 663668.
Spyra, K., Müller-Fahrnow, W. (1998): Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK’s) Ein neuer Ansatz zur Fallgruppenbildung in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation 37. Suppl. 1, 47-56.
Spyra, K., Kolleck, B., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W. (2006): RehabilitandenManagement-Kategorien (RMK) - neue Ergebnisse aus einem Projekt zur Bildung von
Patientenfallgruppen in der Suchtrehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 64, 302-304. Frankfurt/Main: VDR.
Rehabilitations-Behandlungs-Gruppen (RBGen) - Patientenklassifikation
aus ökonomischer Perspektive
Neubauer, G.
Institut für Gesundheitsökonomik München
Warum Reha-Fallpauschalen?
Derzeit werden im Reha-Sektor Leistungen in der Regel über 12 indikationsspezifische Fallpauschalen vergütet. Diese grobe Unterteilung führt zu einer intransparenten, undifferenzierten Vergütung.
Hinzu kommt mit der Einführung der DRGs ein weiter zunehmender finanzieller Druck auf
die medizinischen Rehabilitationskliniken, da die ökonomische Anreizwirkung der DRGs zur
Leistungs- und Prozessoptimierung zu einer Verschiebung medizinischer Leistungen in
nachgelagerte Versorgungsbereiche führt. Gerade auch im Kontext der Integrierten Versorgung bilden einerseits die hochdifferenzierten rund 1.000 Fallpauschalen im Akutbereich
160
und die lediglich 12 Indikationspauschalen ein großes Hindernis für eine faire Vergütung,
z. B. in Form einer Komplexpauschale.
Pragmatische Ansätze zur Bildung eines den medizinischen und ökonomischen Anforderungen gerechten Patientenklassifikationssystems, die in einem Pilotprojekt fortentwickelt
und zur baldigen Anwendung gebracht werden sollen, basieren auf den RehabilitationsBehandlungs-Gruppen (RBGen - Neubauer et al., 1994).
Pilotprojekt „Ansätze zur Entwicklung einer leistungsorientierten, fallgruppenspezifischen Vergütung in der Rehabilitation“
Um eine große Akzeptanz und Verbreitung eines Vergütungssystems auf Basis von RBGen
und damit eine möglichst rasche Einführung in die Praxis zu gewährleisten, sind aktiv an der
Erarbeitung der Ansätze die vier großen Krankenkassen AOK Bayern, BEK, DAK sowie die
TK beteiligt. Auf Seiten der Leistungserbringer sind involviert die Landesverbände der Privatkliniken Bayerns, Thüringens, Schleswig-Holsteins sowie 10 Modellkliniken. Die wissenschaftliche Begleitung übernimmt das IfG Institut für Gesundheitsökonomik München unter
Leitung von Prof. Neubauer.
Grundlage und Ausgangspunkt für die Entwicklung einer fallspezifischen Vergütung sind
Basis-RGBen in der Anschlussheilbehandlung, die in einem weiteren Schritt über Schweregrade ausdifferenziert werden sollen. Das Projekt deckt Basis-RBGen in den Bereichen Orthopädie und Kardiologie ab. Ausgehend von den DRGs wurde bisher von Medizinern eine
Überleittabelle erarbeitet, die mehrere DRGs zu einer RBG zusammenfasst. Die Auswertung der AOK-Daten ergab als guten Kosten-Prädiktor den Patient Clinical Complexity Level, abgekürzt PCCL, für die Basis-RBGen. Derzeit geht es in dem Projekt darum, über Fragebögen in Modellkliniken geeignete Kostenindikatoren für eine Patientengruppierung zu
identifizieren und daraus Schweregrade abzuleiten, mit denen man die Basis-RBG differenzieren kann. Geeignet heißt, dass die Patienten so gruppiert werden, dass innerhalb einer
Gruppe größtmögliche Leistungs- und Kostenhomogenität herrscht bei gleichzeitiger maximaler Heterogenität zwischen den Gruppen. Die Leistungsdokumentation enthält RBGspezifische Behandlungsleistungen, nämlich ärztliche Leistungen, Pflegeleistungen, therapeutische Leistungen, Diagnostik, Laborleistungen, Arzneimittelleistungen und externe Leistungen pro Patient. Zur Anwendung kommen ebenso Schweregradscores: In der Orthopädie
der erweitere Barthelindex und der Staffelstein-Score und in der Kardiologie der FIM und der
HADS. In einem weiteren Schritt werden für diese Leistungen fallbezogene Kosten ermittelt.
Als Endprodukt erhält man durch Schweregrade differenzierte RBGen, die es ähnlich der
DRGs erlauben, jedem Reha-Patienten eine leistungs- und aufwandsgerechte Vergütung
zuzuweisen.
Dieser Mikroansatz von einzelnen Kliniken wird komplementär ergänzt über eine bereits erfolgte Identifizierung möglicher Kostenindikatoren anhand von Daten der AOK Bayern.
Ausgabenneutrale Umsetzung/Steuerungsfunktion
Die Umstellung auf eine RBG-Fallvergütung muss aus Sicht der Krankenkassen ausgabenneutral erfolgen. Mit anderen Worten ändert sich für jede einzelne Krankenkasse nichts. Änderungen ergeben sich für die einzelnen Kliniken, soweit ihr Patienten-Mix über- oder unterdurchschnittlich ist. Für die Kliniken kommt es zu einer Mittel-Reallokation gemäß ihres Patienten-Mix. Hier folgt die Einführung dann ganz der DRG-Logik.
161
Für die Einführung haben die Parteien eine Konvergenzphase vereinbart, d. h., dass die
Umstellung nur schrittweise erfolgen darf.
Ab Sommer 2007 sind bereits erste Umstellungen auf die neue Vergütung im Bereich der
Orthopädie geplant.
Literatur
Neubauer, G., Birkner, G., Träger, R. (1994): Entwicklung und Erprobung einer fallbezogenen Leistungs- und Kostensteuerung im Bereich der medizinischen Rehabilitation der
Rentenversicherung. Unveröffentlichter Endbericht der Phase I, München: IfG.
Ranneberg, J., Neubauer, G. (2005): Entwicklung von Rehabilitationsbehandlungsgruppen
(RBG) für die Kardiologie und Orthopädie - Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Rehabilitation; 44 (1), 34-43.
Patientenklassifikation in der kardiologischen Rehabilitation anhand der
Berechnung von Fallkosten
Liebich, E., Karoff, M., Kittel, J.
Klinik Königsfeld der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, Ennepetal
Hintergrund
Im Gegensatz zu den Akutkrankenhäusern, bei denen DRGs zum 1. Januar 2004 eingeführt
wurden, um wegen der begrenzten finanziellen Ressourcen Verweildauern zu reduzieren,
geht man in der medizinischen Rehabilitation überwiegend noch von der Berechnung tagesgleicher Pflegesätze aus (Haaf, 2002).
Es ist sinnvoll, zu überprüfen, ob tagesgleiche Pflegesätze in der stationären kardiologischen Rehabilitation bei unterschiedlichen Patientengruppen gerechtfertigt sind. Es wird als
Arbeitshypothese unterstellt, dass tagesgleiche Pflegesätze nicht adäquat sind. Somit würden Rentenversicherungsträger und Krankenkassen, die die Rehabilitationsleistungen nachfragen, Pflegesätze bezahlen, die nicht verursachungsgerecht sind. Optimal wären demnach
differenzierte risikogerechte Pflegesätze für die verschiedenen Patientengruppen.
Methodik
In einer Studie wurden die Erkenntnisse des RMK-Projektes (Müller-Fahrnow, Spyra, 2002)
und des RGB-Projektes (Neubauer, 2002) mit den Ergebnissen einer differenzierten Analyse der Behandlungskosten kombiniert. Die Daten wurden in einer kardiologischen Rehabilitationsklinik der DRV Westfalen erhoben.
Die Studie wurde in der Klinik Königsfeld der DRV Westfalen / Klinik an der Universität Witten-Herdecke durchgeführt.
Zunächst wurde eine funktionierende Kosten- und Leistungsrechnung erarbeitet. Diese bildete die Basis für die Berechnung der Behandlungskosten und die weitergehende Analyse
zur Bestimmung von Patientengruppen.
Es wurden Patientendaten verwendet, die sich aus den verschiedenen EDV-Subsystemen
der Klinik rekrutieren lassen.
162
Für jeden Patienten erfolgte die Berechnung der Behandlungskosten, indem alle empfangenen Leistungen des Patienten mit den tatsächlichen Aufwendungen für die verschiedenen
Leistungen multipliziert wurden. Die Behandlungskosten wurden pro Patient sowohl für einzelne Leistungsbereiche wie beispielsweise Psychologie oder Krankengymnastik als auch
für die Gesamtleistung dargestellt.
Ergebnisse
Aus allen stationären kardiologischen Patienten des Zeitraumes 01.07.2002 bis 30.06.2003
(n=2.508) wurden per Zufallsstichprobe 498 Patienten für eine weitere Analyse herausgearbeitet.
Zur Überprüfung, ob signifikante Unterschiede in den Kosten existieren, wurden Varianzanalysen durchgeführt. Hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht, Rehaverfahren, AU-Zeiten,
Morbidität und Belastungsergometrie konnten signifikante Unterschiede in den Kosten gezeigt werden.
Beispielhaft ist im Folgenden der Unterschied in den Behandlungskosten zwischen den Behandlungsarten Anschlussheilbehandlung und Heilverfahren dargestellt:
AHB (n=351)
M
STD
ärztliche Leistungen
180,14 18,47
pflegerische Leistungen 621,61 199,90
EKG/Funktionsdiagnostik 154,84 51,68
Röntgen
3,17
13,72
Labor
65,13
26,69
Sporttherapie
128,73 88,56
Ergotherapie
1,14
11,32
Krankengymnastik
48,82
85,47
Bäderabteilung
92,42
80,49
Ernährungsberatung
41,94
63,67
Psychologie
48,69
79,89
PsychologieEinzeltherapien
29,33
68,25
PsychologieGruppentherapien
19,36
26,52
Sozialberatung
39,29
35,30
Summe Einzeltherapien 195,93 145,08
Summe Gruppentherapien
205,08 87,09
Aufwand
TherapienSumme
401,02 187,65
Basisleistungen
851,91 111,02
Summe
2.277,82 373,37
HV (n=147)
M
STD
190,84 22,45
570,20 79,81
143,67 67,06
5,05
14,41
53,48
17,58
217,42 139,64
2,10
13,83
38,86
63,72
144,56 88,97
63,59
68,62
70,42
85,85
p
< 0,001
< 0,01
< 0,05
n.s.
< 0,001
< 0,001
n.s.
n.s.
< 0,001
< 0,001
< 0,05
42,39
79,23
n.s.
28,03
38,66
298,99
25,42 < 0,001
33,91 n.s.
166,40 < 0,001
276,61
146,30 < 0,001
575,60 249,38 < 0,001
900,62 110,64 < 0,001
2.439,46 399,26 < 0,001
Im weiteren Studienverlauf wurden mit dem Regressionsanalyseverfahren CHAID Patientengruppen heraus gearbeitet, die innerhalb einer Gruppe eine Homogenität in Bezug auf
den Behandlungsaufwand aufweisen und signifikant heterogen zu den anderen Patientengruppen sind. Somit ist die Möglichkeit gegeben, unterschiedliche Fallpauschalen für ver163
schiedene Patientengruppen im Sinne einer risikogerechten Budgetverteilung für die entsprechende Klinik zu realisieren.
Die tatsächlichen Behandlungskosten der Klinik wurden für die Studie mit einem Faktor multipliziert.
Ausblick
Als Ausblick erfolgt eine konkrete Verwendung der dargestellten Ergebnisse für das Management einer Rehabilitationsklinik im operativen und strategischen Controlling.
Literatur
Haaf, H-G. (2002): Gesundheitsökonomische Analyse der Vergütung mit Fallpauschalen in
der medizinischen Rehabilitation, Rehabilitation (41), 14-30.
Neubauer, G., Ranneberg, J. (2002): Entwicklung der Grundlagen für eine fallbezogene
Vergütung der Rehabilitationsleistungen, Förderkennzeichen 01 09979616, Abschlussbericht Band I.
164
Evidenzbasierung und Leitlinien in der Rehabilitation
Metaanalyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation
bei Patienten mit depressiven Störungen und Angststörungen
Löschmann, C. (1), Steffanowski, A. (3), Dietsche, S. (1), Nübling, R. (2),
Wittmann, W.W. (3)
(1) eqs.-Institut, Hamburg, (2) Landespsychotherapeutenkammer BadenWürttemberg, Stuttgart, (3) Universität Mannheim, Lehrstuhl Psychologie II
Einleitung
Die Metaanalyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation (MESTA-Studie)
wurde im Rahmen des Förderschwerpunkts Rehabilitationswissenschaften (BMBF/DRV) als
Teilprojekt des Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Freiburg / Bad Säckingen gefördert (Löschmann et al., 2005; Steffanowski et al., 2005, in Vorbereitung). Mit
der Arbeit wurde die erste umfassende Metaanalyse zu den stationären psychosomatischen
Heilverfahren vorgelegt. Die primären Endpunkte der Studie lagen in der Zusammenfassung
und differentiellen Analyse der in den einzelnen Studien berichteten Effektgrößen. In dem
Beitrag wird insbesondere auf die Behandlungseffekte bei Patienten und Patientinnen mit
depressiven Störungen und Angststörungen eingegangen.
Methodik
In der metaanalytischen Studie (Cooper, 1998; Lipsey, Wilson, 2000) wurden die Ergebnisse aus 65 Outcome-Studien aus dem Versorgungsbereich der stationären psychosomatischen Rehabilitation zusammengefasst. Als weiteres Einschlusskriterium wurde das Vorliegen wenigstens einer Kontrollbedingung (Prätest oder eine unbehandelte Vergleichsgruppe)
definiert. Die in der MESTA-Studie berichteten Effekte beziehen sich auf insgesamt 20.755
Patienten mit psychischen/psychosomatischen Erkrankungen, die in den Jahren 1980 bis
2004 in einer deutschen Rehabilitationsklinik behandelt wurden.
Die Effektgrößen sind als Prä-Post-Mittelwertdifferenz in Einheiten der Prä-Streuung dargestellt. Über ein umfangreiches Kodierschema wurden weitere Daten aus den Primärstudien
(deskriptive Studienmerkmale, Stichprobenmerkmale, Moderatorvariablen) erhoben.
Ergebnisse
Die differentiellen diagnosespezifischen Analysen zeigen, dass Patienten mit depressiven
Erkrankungen deutlich von der stationären psychosomatischen Rehabilitation profitieren und
zum Entlassungszeitpunkt nach der Terminologie von Cohen (1992) große Behandlungseffekte (>0,80) erzielen. Aus den Katamnesedaten lässt sich ein mittlerer Effekt von 0,67 berechnen. Schränkt man die verwendeten Testverfahren auf störungsspezifische reliable und
valide Depressionsinventare (z. B. BDI) ein, lassen sich zum Entlasszeitpunkt Behandlungseffekte von über 1,00 nachweisen. Auch Patienten mit Angststörungen profitieren deutlich zum Entlassungs- und Katamnesezeitpunkt (durchschnittlicher Katamnesezeitraum: 1
Jahr) mit Effekten von zum Teil über 0,70.
165
Diskussion und Ausblick
Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigen insgesamt, dass sich für die Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Erkrankungen mittlere bis große Behandlungseffekte ergeben und diese Effekte auch mindestens über ein Jahr hinweg nachweisbar sind.
Die metaanalytische Zusammenstellung der Einzelbefunde aus den Primärstudien erbringt
damit den empirischen Nachweis, dass die stationäre psychosomatische Rehabilitation bei
der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit leicht- und mittelgradig ausgeprägten
depressiven Störungen oder Angststörungen einen effektiven Beitrag leistet. Neben der Effektivität ergeben die Analysen auch deutliche Hinweise auf eine Reduktion der Arbeitsunfähigkeitstage und damit auf die Effizienz psychosomatischer Heilverfahren. Die Ergebnisse
der Studie geben darüber hinaus Hinweise für die indikationsspezifische Leitliniendiskussion
sowie für die weitere Forschung in diesem Versorgungsbereich.
Literatur
Cooper, H. (1998): Synthesizing Research (3rd ed. Vol. 2). Thousand Oaks, CA: Sage Publications.
Cohen, J. (1992): A Power Primer. Psychological Bulletin, 112, 155-159.
Lipsey, M., Wilson, D. (2000): Practical meta-analysis. (Vol. 49). Thousand Oaks, CA: Sage
Publishers.
Löschmann, C., Steffanowski, A., Schmidt, J., Wittmann, W.W., Nübling, R. (2005): Evidenz
stationärer psychosomatischer Rehabilitation. Ergebnisse der MESTA-Studie. DRVSchriften, Band 59, 438- 440, VDR, Frankfurt.
Steffanowski, A., Löschmann, C., Schmidt, J., Wittmann, W.W., Nübling, R. (2005): Metaanalyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation (MESTA-Studie). Unveröffentlichter Abschlussbericht. Universität Mannheim, Lehrstuhl Psychologie II, Mannheim, eqs.-Institut, Hamburg.
Steffanowski, A., Löschmann, C., Schmidt, J., Wittmann, W.W., Nübling, R. (in Vorbereitung): Metaanalyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation (MESTAStudie), Huber, Bern.
Elektromechanische Gangrehabilitation nach Schlaganfall: ein
systematisches Cochrane Review mit Metaanalyse
Pohl, M. (1), Werner, C. (2), Kugler, J. (3), Mehrholz, J. (1)
(1) Abteilung Frührehabilitation, Klinik Bavaria, Kreischa, (2) Abteilung Neurologische
Rehabilitation, Klinik Berlin, (3) Lehrstuhl Gesundheitswissenschaften / Public Health, TU
Dresden
Einleitung
Schlaganfall ist eine der häufigsten Ursachen für Körperbehinderungen in den Industrieländern und verursacht den Gesundheits- und Sozialsystemen erhebliche Kosten.
Für Patienten nach Schlaganfall und deren Angehörige ist die Wiederherstellung der Gehfähigkeit und damit die Gangrehabilitation von höchster Priorität.
166
In den vergangenen Jahren wurden eine Reihe teilautomatisierter Roboter- und Apparatetechnologien entwickelt. Verdeutlicht sei dies anhand der Entwicklung von Lokomat®, Gangtrainer® und Habitwalker® (Hesse et al., 1999; Schmidt et al., 2003; Wirz et al., 2005).
Allerdings mangelt es bisher an der systematischen wissenschaftlichen Evaluation dieser
elektromechanischen und teilautomatisierten Gangrehabilitation, welche den hohen Kostenaufwand rechtfertigen würde.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, im Rahmen eines systematischen Cochrane
Reviews die Evidenz der elektromechanischen und teilautomatisierten Gangrehabilitation
bei Patienten nach Schlaganfall zu beurteilen.
Methodik
Wir suchten systematisch im Cochrane Stroke Group Trials Register, in CENTRAL, in MEDLINE, EMBASE, CINAHL, AMED, SPORTDiscus, PEDro, COMPENDEX und INSPEC nach
randomisierten und kontrollierten Studien, welche die elektromechanisch assistierte oder
teilautomatisierte Gangrehabilitation zur Verbesserung der Gehfähigkeit bei Patienten nach
Schlaganfall evaluierten. Zusätzlich wurde eine Handsuche potentieller Kongressabstracts
und von Referenzlisten durchgeführt. Ebenso wurden Forscher dieses Studiengebietes kontaktiert, um weitere publizierte und nichtpublizierte Studien zu identifizieren. Ausgeschlossen
wurden Untersuchungen, welche Laufbandtraining evaluierten. Für alle statistischen Auswertungen nutzten wir die Software der Cochrane Collaboration (RevMan 4.2).
Ergebnisse
Sieben randomisierte und kontrollierte Studien mit einer Gesamtzahl von 313 Patienten
wurden in die Analyse einbezogen.
Die Ergebnisse sprechen für einen Nutzen der elektromechanisch assistierten Gangrehabilitation in Bezug auf ein Erreichen der Gehfähigkeit bei initial nicht gehfähigen Patienten nach
Schlaganfall (OR: 0,30; 95 %CI: 0,19...0,49).
Allerdings ist die Anzahl an Studien und die Gesamtpatientenzahl noch zu gering, um mit
Sicherheit die Effektivität und mögliche Komplikationen bei der Verwendung dieser modernen Technologien abschließend zu beurteilen. Demnächst werden in der Cochrane Database of Systematic Reviews dazu detailliertere und aktualisierte Aussagen vorliegen (Mehrholz
et al., 2006).
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse des vorliegenden systematischen Reviews sprechen für den Nutzen einer
Integration des elektromechanisch assistierten Gangtrainings in die Rehabilitation von initial
nicht gehfähigen Patienten nach Schlaganfall.
Mehr und größere Studien sind allerdings gefordert, die Effektivität und mögliche Komplikationen dieser neuen kostspieligen Technologien weiter zu untersuchen.
Literatur
Hesse, S., Sarkodie-Gyan, T., Uhlenbrock, D. (1999): Development of an advanced mechanised gait trainer, controlling movement of the centre of mass, for restoring gait in nonambulant subjects. Biomed Tech (Berl); 44: 194-201.
167
Mehrholz, J., Werner, C., Kugler, J., Pohl, M. (2006): Electromechanical-assisted training for
walking after stroke. The Cochrane Database of Systematic Reviews: CD00XXXX.
Schmidt, H., Sorowka, D., Hesse, S., Bernhardt, R (2003): [Development of a robotic walking simulator for gait rehabilitation]. Biomed Tech (Berl); 48: 281-6.
Wirz, M., Zemon, DH., Rupp, R., Scheel, A., Colombo, G., Dietz, V., et al (2005): Effectiveness of automated locomotor training in patients with chronic incomplete spinal cord injury: a multicenter trial. Arch Phys Med Rehabil; 86: 672-80.
Wie wirksam ist die kardiale Rehabilitation (Phase II) in Deutschland?11
Erste Ergebnisse einer Metaanalyse
Schramm, S., Mittag, O., Hüppe, A., Meyer, T., Raspe, H.
Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Lübeck)
Hintergrund
Im Gegensatz zur international üblichen Praxis wird die kardiale Rehabilitation der Phase II
(WHO) in Deutschland überwiegend stationär im zeitlichen Rahmen von regelhaft drei Wochen durchgeführt. Was bislang aussteht, ist die Frage nach dem Nutzen dieser Vorgehensweise. Deshalb wird derzeit an unserem Institut eine systematische Übersicht mit integrierter Metaanalyse zur Wirksamkeit des in Deutschland praktizierten Behandlungsansatzes
erstellt.
Methodik
Die umfangreiche Suche nach nationaler Evidenz erfolgte auf mehreren Wegen (Abfrage
elektronischer Datenbanken, Handsuche, postalische Befragung) und wurde an anderer
Stelle (Schramm et al., 2005) ausführlich dargestellt. Für den Vergleich der errechneten
Werte aus den deutschen Studien mit den internationalen Effektgrößen wurde die Primärliteratur aktueller Metaanalysen (z. B. Clark et al., 2005; Joliffe et al., 2004; Rees et al., 2004)
herangezogen. Der Begutachtung der methodischen Qualität der eingeschlossenen Studien
und deren Bestimmung der Evidenzgrade (nach: Oxford Centre for Evidence-based Medicine, 2001) folgte die Datenextraktion hinsichtlich folgender Outcomeparameter: Mortalität,
Morbidität, Lipidwerte, Blutdruck, Raucherstatus, Depressivität, Ängstlichkeit, HRQoL und
berufliche Wiedereingliederung über bis zu sieben Messzeitpunkte. Für diese Zielvariablen
wurden abschließend Intragruppen-Effektstärken berechnet.
Ergebnisse
Insgesamt wurden die Daten aus 128 nationalen und 97 internationalen Studien extrahiert.
Wir haben bei unserer Literaturrecherche keinen RCT (Reha gegen Nicht-Reha) aus
Deutschland finden können, d. h. höchstrangige Evidenz zum Thema liegt nicht vor.
11
Aus dem Projekt „Die Wirksamkeit stationärer bzw. ambulanter kardialer Rehabilitation
der Phase II in Deutschland: Eine systematische Literaturübersicht 1990-2004“ gefördert
vom Verein zur Förderung der Reha-Forschung Schleswig-Holstein e.V. (vffr).
168
An dieser Stelle sollen exemplarisch die Ergebnisse für das Outcome „Gesamtcholesterin“
dargestellt werden:
Anmerkungen: Die Ziffern über den Balken kennzeichnen die Anzahl der jeweils zugrunde liegenden Studien!
IG = internationale Interventionsgruppe
KG = internationale Kontrollgruppe
1
3
0,8
Intragruppen-ES
35
7
0,6
3
6
0,4
3
3
15
14
4
0,2
3
0
3
3
7
3
3
-0,2
-0,4
national
Anfang-Ende
3
6
12
int. IG
24
int. KG
> 24 Mo
Messzeitpunkte
Abb. 1: Gesamtcholesterin – Intragruppen-Effektstärken im internationalen Vergleich
Diskussion und Ausblick
Zur Interpretation von Effektstärken werden in der Literatur mehrere Möglichkeiten diskutiert.
Nach der Klassifikation von Cohen (1988) gilt es, zwischen kleinen (bis 0,2), mittleren (bis
0,5) und großen (ab 0,8) Effekten zu unterscheiden. Glass et al. (1981) wenden ein, dass
die Interpretation in starkem Maße von inhaltlichen Aspekten abhängt, und Prentice und
Miller (1992) haben gezeigt, dass auch geringe Effekte klinisch relevant sein können. Nach
großen Anfangseffekten zeigen sich (vor allem gemessen an den internationalen
Vergleichsgruppen) positive Effekte in den ersten sechs Monaten. Langfristig können diese
aber nicht aufrechterhalten werden, so dass eine fehlende Nachhaltigkeit der kardialen
Rehabilitation (Phase II) diskutiert werden muss. Vor einer endgültigen Interpretation,
müssen methodische und/oder inhaltliche Moderatorvariablen analysiert und
Subgruppenanalysen durchgeführt werden.
Um die im Titel gestellte Frage eindeutig beantworten zu können, ist die Durchführung randomisierter, kontrollierter Studien zum Nachweis der kardialen Wirksamkeit der Phase II
u. E. weiter unerlässlich.
Literatur
Clark, A.M. et al. (2005): Meta-Analysis: Secondary Prevention Programs for Patients with
Coronary Artery Disease. Ann Intern Med 143:659-672.
Cohen, J. (1988): Statistical power analysis for the behavioural sciences. New York: Academic Press.
Glass, G.V. et al. (1981): Metaanalysis in social research. Berverly Hills: Sage.
169
Joliffe, J.A. et al. (2004): Exercise-based rehabilitation for coronary heart disease (Cochrane
Review). In: The Cochrane Library, Issue 1.
Prentice, D.A. et al. (1992): When small effects are impressive. Psychological Bullentin
112:160-164.
Rees, K. et al. (2004): Psychological interventions for coronary heart disease (Cochrane
Review). In: The Cochrane Library, Issue 3.
Schramm, et al. (2006): Wie belastbar ist die vorliegende Evidenz für die Wirksamkeit der
kardialen Rehabilitation (Phase II) in Deutschland? DRV-Schriften 64:184-185.
Interdisziplinäre Leitlinie zur stationären Rehabilitation von BrustkrebsPatientinnen - Befragung der betroffenen Patientinnen
Weis, J., Domann, U., Bartsch, H.H.
Klinik für Tumorbiologie, Freiburg
Hintergrund
Das Forschungsprojekt zur systematischen Entwicklung einer Leitlinie für die Rehabilitation
von Brustkrebs-Patientinnen wurde Anfang des Jahres 2004 im Rahmen des Leitlinienprogramms der Deutschen Rentenversicherung zur Erstellung von Prozess-Leitlinien in der
Rehabilitation (Korsukéwitz, 2003) gestartet. Da Patientinnen mit Brustkrebs die größte Teilgruppe in der onkologischen Rehabilitation darstellen, wurde diese Gruppe exemplarisch
ausgewählt, um die Evidenz der Interventionen in der onkologischen Rehabilitation zu analysieren, in Befragungen und im Expertenkonsens zu konkretisieren, in einer Leitlinie zusammenzufassen und als ein weiteres Instrument der Qualitätssicherung in den RehaKliniken zu implementieren.
Derzeit liegt die Leitlinie als Entwurf vor und Teilergebnisse der Leitlinienentwicklung sind
bereits veröffentlicht (s. Literaturübersicht). Nach nationalen und internationalen Empfehlungen ist die Einbeziehung von Patientinnen ein zentrales Kriterium für die Erstellung einer
qualitativ hochwertigen Leitlinie. Daher wurde eine Patientinnenbefragung an ausgewählten
Reha-Einrichtungen durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragung werden nachfolgend dargestellt und im Zusammenhang mit den Leitlinienempfehlungen diskutiert.
Methodik
An 10 bundesweit ausgewählten Reha-Einrichtungen wurden zwischen August und November 2006 800 Patientinnen bevorzugt dahingehend befragt, welche Interventionen für sie in
der Rehabilitation wichtig waren und welche Angebote sie sich für die Zeit nach der Rehabilitation wünschen. Soziodemographische und medizinische Daten wurden ebenfalls anonym
von den Patientinnen erfragt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte zentral in der Klinik
für Tumorbiologie in Freiburg. Derzeit ist eine erste deskriptive Beschreibung der Häufigkeitsverteilungen zu den o. g. Variablen mittels statistischer Kennwerte, wie z. B. Mittelwert
oder Standardabweichung, sowie die Gegenüberstellung zu den Empfehlungen der Leitlinie
möglich.
170
Ergebnisse
Die Patientinnen sind im Mittel 54 Jahre alt, 56 % sind zum ersten Mal in Reha und 54 %
sind berufstätig.
Die wichtigsten Ziele in der Reha waren Steigerung der Leistungsfähigkeit (90,2 %), Besserung der Behandlungsfolgen (63,7 %), Informationen zur Krebserkrankung (60,8 %) und Informationen zur Ernährung (55,7 %). Besonders wichtig für die Patientinnen waren Sporttherapie und Krankengymnastik, Lymphödemtherapie, Informationen, Schulungen, Entspannungsverfahren und Psychologische Interventionen.
Diskussion
Die Antworten bestätigen weitestgehend die Vorschläge der Experten. Hinsichtlich Psychologischer Interventionen, Künstlerischer Therapien, Lymphödemtherapien und Massagen
bestehen jedoch Diskrepanzen dahingehend, dass die Patientinnen diese Interventionen in
deutlich höherem Maße in Anspruch nehmen würden als in den Empfehlungen der Leitlinie
dargelegt ist. Die Erprobung der Leitlinie in der Rehabilitationspraxis wird zeigen, inwieweit
diese Diskrepanz zu klären sein wird und möglicherweise in der Verordnung von Maßnahmen Veränderungen oder Korrekturen vorgenommen werden müssen.
Ausblick
Von den 4 Phasen der Leitlinienentwicklung (systematische Literaturrecherche, Analyse der
KTL-Daten, Expertenbefragungen und Implementierung der Leitlinie in ausgewählten RehaEinrichtungen) steht im Jahr 2007 der letzte Schritt der Implementierung und der Evaluation
im Rahmen von Pilotprojekten an. Neben der weitestgehend hohen Übereinstimmung der
Therapieempfehlungen aller am Rehabilitationsprozess beteiligten Personengruppen (Experten aus Klinik und Wissenschaft sowie betroffenen Patientinnen) dürfte die praktische
Umsetzung in den Klinikalltag sicherlich weitere unterstützende organisatorische Maßnahmen benötigen. Dazu zählt u. a. die Neukodierung der KTL-Ziffern, die in dieser Leitlinie
schon mitberücksichtigt worden ist. Dennoch ist die Leitlinie ein weiteres wichtiges Instrument in der Qualitätssicherung der Rehabilitation von Brustkrebs-Patientinnen.
Literatur
Domann, U., Brüggemann, S., Klosterhuis, H., Weis, J. (im Druck): Leitlinienentwicklung für
die Rehabilitation von Brustkrebs-Patientinnen - Phase 2: Ergebnisse der KTL - Daten
Analyse. Rehabilitation.
Domann, U., Weis, J., Bartsch, H. (2006): Qualitätssicherung in der onkologischen Rehabilitation. Onkologe,12(5), 421-427.
Korsukéwitz, C., Rose, S., Schliehe, F. (2003): Zur Bedeutung von Leitlinien für die Rehabilitation. Rehabilitation, 42(2), 67-73.
Weis, J., Domann, U. (2006): Interventionen in der Rehabilitation von Mammakarzinompatientinnen - Eine methodenkritische Übersicht zum Forschungsstand. Rehabilitation;
45, 129-145.
Weis, J., Domann, U., Bartsch, H.H. (2005): Interdisziplinäre Leitlinie zur stationären Rehabilitation von Mammakarzinom-Patientinnen. DRV-Schriften Band 59, 175-176.
171
Weis, J., Domann, U., Brüggemann, S., Klosterhuis, H., Bartsch, H.H. (2006): Interdisziplinäre Leitlinie zur stationären Rehabilitation von Mammakarzinom-Patientinnen. Phase 3:
Expertenbefragungen. DRV-Schriften Band 64, 194-196.
Leitlinie für die stationäre Rehabilitation der Alkoholabhängigkeit Ergebnisse der KTL-Analysen und aktueller Stand der Umsetzung
Köhler, J. (1), Schmidt, P. (2), Soyka, M. (2,3)
(1) Deutsche Rentenversicherung Bund, (2) Psychiatrische Klinik und Poliklinik der LudwigMaximilians-Universität München, (3) Privatklinik Meiringen
Hintergrund
Die Deutsche Rentenversicherung fördert seit 1998 Forschungsprojekte zur Erstellung von
Leitlinien für die Rehabilitation (Brüggemann et al., 2004; Brüggemann, Klosterhuis, 2005).
Ziel der Rehabilitationsleitlinie ist es, die stationäre Rehabilitation Alkoholabhängiger auf eine wissenschaftliche, evidenzbasierte Grundlage zu stellen. Das Projekt steht in einem engen Bezug zu den im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften entwickelten Leitlinien für Störungen durch psychotrope Substanzen (Geyer et al., 2006).
In der ersten Phase des Projekts wurden nationale und internationale Therapiestudien analysiert und bewertet (Bottlender et al., 2005). Wesentliche wirksame Behandlungselemente
der Rehabilitation wurden in evidenzbasierten Therapiemodule (ETM) beschrieben; diesen
wurden Leistungen aus der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) zugeordnet.
Nach einer schriftlichen Befragung und einem ersten Expertentreffen im März 2006 wurden
die ETM überarbeitet und an die Erfordernisse der Praxis angepasst. Die hier berichtete
KTL-Analyse orientierte sich an diesen Anpassungen.
Methodik
Untersucht wurden alle 4.468 Rehabilitanden, die im Rahmen einer stationären Rehabilitation aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit in einer von der BfA belegten Einrichtung (n=126)
länger als 12 Wochen behandelt und im Jahre 2004 entlassen wurden. Bei allen von den
Experten definierten Modulen wurde der Anteil der Rehabilitanden berechnet,
- die entsprechende Leistungen nach KTL in einem ausreichendem Umfang und einer angemessenen Frequenz erhalten haben,
- die zwar entsprechende Leistungen erhielten, jedoch nicht in dem in der Leitlinie beschriebenen Umfang oder Frequenz bzw.
- die entsprechenden Leistungen überhaupt nicht erhielten.
Neben der Gesamtauswertung für die einzelnen Therapiemodule wurden Vergleiche zwischen den größten neun Kliniken durchgeführt.
Ergebnisse
In einigen ETM (Angehörigenorientierte Interventionen; Förderung sozialer Integration;
Sport- und Bewegungstherapie mit pädagogisch-psychotherapeutischen Schwerpunkten)
172
lag für die Gesamtheit aller untersuchten Rehabilitanden eine leitliniengerechte Versorgung
in dem vorgeschriebenen Umfang und einer entsprechenden Frequenz vor.
Bei weiteren ETM (Allgemeine Psychotherapie; Indikative Therapien; Tabakentwöhnung;
Gestalterische Ergotherapie, Kreativtherapie und Freizeitgestaltung; Entspannungstraining;
Information und Schulung; Sport- und Bewegungstherapie: Körperliches Aufbautraining) erhielt zwar ein bestimmter Prozentsatz der Rehabilitanden Leistungen im geforderten Umfang, der Wert lag jedoch unter dem von den Experten festgelegten Mindestanteil der Rehabilitanden. Es erhielten zwar ausreichend viele Rehabilitanden überhaupt entsprechende
Leistungen, aber nicht in dem geforderten Umfang. So erhielten im ETM allgemeine Psychotherapie 76 % der Rehabilitanden Leistungen im geforderten Umfang, die Experten hatten
einen Mindestanteil von 95 % gefordert.
Bei den übrigen ETM (Arbeitsbezogene Leistungen; Ernährungsschulung und -beratung)
wurde der geforderte Mindestanteil der Rehabilitanden ebenso nicht erreicht; einige der Rehabilitanden erhielten überhaupt keine der geforderten Leistungen, obwohl sie notwendig
gewesen wären. Bei den Arbeitsbezogenen Leistungen / klinische Sozialarbeit erhielten lediglich 22 % der Rehabilitanden Leistungen im geforderten Umfang, obwohl der Mindestanteil von den Experten bei 90 % angesetzt worden war. Hier erhielten weitere 22 % zwar entsprechende Leistungen, aber nicht in dem geforderten Umfang, 56 % der Rehabilitanden
erhielten überhaupt keine der für erforderlich gehaltenen Therapieleistungen.
Es zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen den Reha-Einrichtungen. Bei einigen
Therapie-Modulen war eine Reihe von Reha-Einrichtungen in der Lage, relevante Anteile
von Rehabilitanden leitliniengerecht zu versorgen.
Diskussion
Es gibt verschiedene Erläuterungen für die Unterschiede zwischen den von den Experten
definierten Anforderungen und den Ergebnissen der ersten KTL-Analysen. Neben verschiedenen klinikspezifischen Therapiekonzepten besteht die Möglichkeit, dass
- die Reha-Einrichtungen die Leistungen nicht erbracht haben, weil die Anforderung der
Leitlinien nicht als relevant für diese Anzahl von Rehabilitanden angesehen wird oder es
personelle Engpässe gibt bzw.
- die Reha-Einrichtungen die Leistungen erbracht, aber nicht dokumentiert haben, weil die
KTL aus Sicht der Reha-Einrichtung praxisfremd oder zu anspruchsvoll ist oder eine angemessene Dokumentation der Leistungen nicht zulässt.
Eine möglichst vollständige Verschlüsselung der durchgeführten therapeutischen Leistungen und eine inhaltliche Orientierung der therapeutischen Angebote an der Leitlinie soll angestrebt werden. Die Leitlinie muss erfüllbar sein und soll sich auch an der Versorgungsrealität orientieren.
Ausblick
Nach einer weiteren Überarbeitung wurde eine vorläufige Version der Leitlinie erarbeitet und
eine weitere empirische Auswertung der einzelnen Einrichtungen durchgeführt. Diese soll
den Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Geplant sind eine Einführungsveranstaltung und eine Befragung zur Handhabbarkeit der Leitlinie. Die Leitlinie und ihre Auswertun-
173
gen sollen in die Routine der Qualitätssicherung der Rentenversicherung übernommen werden.
Literatur
Bottlender, M., Köhler, J., Soyka, M. (2005): Effektivität psychosozialer Behandlungsmethoden zur medizinischen Rehabilitation alkoholabhängiger Patienten. Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie, 73 IV: 1-13.
Brüggemann, S., Klosterhuis, H. (2005): Leitlinien für die medizinische Rehabilitation - eine
wesentliche Erweiterung der Qualitätssicherung. RV aktuell, 52 (10/11): 467-475.
Brüggemann, S., Klosterhuis, H., Köhler, J. (2004): Leitlinien in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Sucht aktuell: 11(2): 55-58.
Geyer, D., Batra, A., Beutel, M., Funke, W., Görlich, P., Günthner, A., Hutschenreuter, U.,
Küfner, H., Mann, K., Möllmann, C., Müller-Fahrnow, W., Müller-Mohnssen, M., Soyka,
M., Spyra, K., Stetter, F., Veltrup, C., Wiesbeck, G. (2006): AWMF Leitlinie: Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen. Sucht, 52 (1): 8-34.
Welchen Einfluss auf das Verordnungsverhalten von Übungsbehandlung
hat das Handmanagementverfahren der VBG bei der distalen
Radiusfraktur?
Lohsträter, A. (1), Moock, J. (2), Germann, S. (1), Kohlmann, T. (2)
(1) Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Erfurt, (2) Institut für Community Medicine,
Universitätsklinikum Greifswald
Hintergrund und Zweck der Untersuchung
In Zeiten immer knapper werdender Ressourcen im Gesundheitswesen gewinnen die Qualitätssicherung und das Qualitätsmanagement zunehmend an Bedeutung. Die entsprechenden Maßnahmen sollen ergebnisgestützt sein und die ökonomischen Qutcomes berücksichtigen (Bak et al., 2004). Die Datenlage ist rar, ob und inwieweit die Qualitätssicherungs- und
Managementmaßnahmen die Kosteneffektivität der Rehabilitation von Patienten mit distalen
Radiusfrakturen verbessern können (MacDermid et al., 2002). Mit der vorliegenden Untersuchung wurde überprüft, inwieweit die bisher vorhandenen Elemente der Struktur- und
Prozessqualität in der gesetzlichen Unfallversicherung optimiert werden können und welche
Auswirkungen das Rehabilitationsmanagement der BG auf die Verordnung von Übungsbehandlung und die ökonomischen Ergebnisse hat.
Methodik
In einer randomisierten Studie wurden 198 Patienten mit isolierten distalen Radiusfrakturen
untersucht. Sie wurden entweder einer Interventionsgruppe (spezielles Rehamanagement;
N=114) oder einer Kontrollgruppe (BG-Standardmanagement; N=84)) zugeteilt. In der Interventionsgruppe wurde vom beratenden Handchirurgen innerhalb von 24 Stunden eine
Prognose mit dezidierten Behandlungsempfehlungen ausgesprochen, auf einem standardisierten Bogen einzelne Nachbehandlungsmaßnahmen (BGSW, EAP, KG, Ergo, Hilfsmittel)
174
hinsichtlich Beginn, Art und Dauer vorgeschlagen und durch die Reha-Manager in die Praxis
transportiert.
Die hier untersuchten Daten wurden nach Studiendurchführung aus den Akten erhoben.
Vergleichende Analysen der Übungsbehandlung wurden hinsichtlich ihrer Verordnungsintensität, der tatsächlichen Durchführung sowie der entstandenen Kosten durchgeführt.
Gruppenunterschiede wurden mit dem Chi-Quadrat- und dem Mann-Whitney U-Test auf statistische Signifikanz überprüft.
Ergebnisse
Für die Häufigkeit der Verordnung von Physiotherapie zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe (vgl. Tabelle 1). In der Interventionsgruppe wurde die Physiotherapie jedoch intensiver, in einem kürzeren Zeitintervall und
bei gleichzeitig geringeren Kosten je physiotherapeutisch behandeltem Patienten erbracht.
Hinsichtlich der Verordnungshäufigkeit von Ergotherapie zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe. Darüber hinaus erfolgte der Beginn
der Ergotherapie durchschnittlich 56 Tage früher in der Interventionsgruppe. Im Vergleich
zur Kontrollgruppe war die Ergotherapie in der Interventionsgruppe intensiver und auf die
ergotherapeutischen Behandlungsfälle bezogen auch kostengünstiger.
Physiotherapie
Intervention
Kontrolle
N=90 Physio /
N=24 Keine Physio
Beginn (Tage nach Unfall)
Ende (Tage nach Unfall)
Anzahl Einheiten
Kosten
N=69 Physio /
N=15 Keine Physio
Mittelwert
34,40
78,31
28,79
Std.Abw.
16,20
48,41
29,11
Mittelwert
32,16
124,88
46,04
Std.Abw.
18,75
169,84
52,91
354,43
348,58
576,33
603,59
2
Chi (1)=0,312,
p=0,576
Mann-Whitney U
0,3026
0,0101
0,0676
0,0063
Ergotherapie
Intervention
Kontrolle
N=46 Ergo /
N=68 Keine Ergo
Beginn (Tage nach Unfall)
Ende (Tage nach Unfall)
Anzahl Einheiten
Kosten
N=15 Ergo /
N=69 Keine Ergo
Mittelwert
44,22
85,13
27,72
Std.Abw.
19,25
49,45
63,41
Mittelwert
100,13
139,00
32,47
Std.Abw.
102,65
112,40
31,97
426,73
322,21
689,86
537,44
2
Chi (1)=11,479,
p<0,01
Mann-Whitney U
0,0158
0,0276
0,0219
0,0313
Diskussion und Schlussfolgerung
Nach den vorliegenden Ergebnissen hat das Reha-Managementverfahren der VBG im Bereich von Physio- und Ergotherapie bei distalen Radiusfrakturen zu einer nach dem Unfall
schneller einsetzenden, kürzeren und weniger Behandlungseinheiten umfassenden Versorgung geführt. Die Kosten je physio- bzw. ergotherapeutisch behandeltem Patienten waren in
der Interventionsgruppe deutlich niedriger. In diesem Sinne war die Behandlungssteuerung
im Kontext des Managementverfahrens effektiv und effizient. Weiterführende Analysen unter
175
Einbezug patientennaher Ergebnisparameter (Funktionskapazität, Schmerz, gesundheitsbezogene Lebensqualität) müssen zeigen, ob der Nutzen des Managementverfahrens auch
bei diesen Outcomevariablen belegt werden kann.
Literatur
Bak, P., Lohsträter, A., Müller, W.-D., Bocker, B., Smolenski, C.U. (2004): Zertifizierungsund Akkreditierungssysteme als Instrument des Qualitätsmanagements in der Rehabilitation (Teil 1) - Identifizierung und Charakterisierung der meist verbreiteten Systeme. Phys
Rehab Med Kuror 14:5.
MacDermid, J.C., Donner, A., Richards, R.S., Roth, J.H. (2002): Patient versus injury factors
as predictors of pain and disability six months after a distal radius fracture. Journal of Clinical Epidemiology 55; 849-54.
176
Evidenzbasierung und Leitlinien in der Rehabilitation (Poster)
Prädiktoren der beruflichen Wiedereingliederung nach einer
medizinischen Rehabilitation - Literaturreview über randomisierte
kontrollierte Studien und Kohortenstudien
Wiedenlübbert, K., Kutschmann, M., Berg, G.
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld
Einleitung
Mit Blick auf den demographischen Wandel gewinnt der Erhalt der Erwerbstätigkeit bis zum
gesetzlich festgeschriebenen Renteneintrittsalter zunehmend an sozial- und gesundheitspolitischer Bedeutung. Leistungen der medizinischen Rehabilitation können dazu beitragen,
eine drohende Beeinträchtigung der Teilhabe am Arbeitsleben abzuwenden. Um einen derartigen Rehabilitationserfolg vorhersagen zu können, müssen mögliche Prädiktoren auf ihre
Relevanz hin untersucht werden. Im Literaturreview wird der aktuelle Forschungsstand über
Prädiktoren der beruflichen Wiedereingliederung nach einer medizinischen Rehabilitation
vorgestellt.
Methode
Recherchiert wurde in den Datenbanken PubMed, MedPilot, EMBASE, AMED, Cochrane
Library, Web of Science, SCOPUS, CINAHL, PsysInfo, PSYNDEX und SOMED sowie in
den Hogrefe-, Kluwer-, Krause und Pachernegg-, Karger-, Thieme- und SpringerVerlagsdatenbanken. Einbezogen wurden deutsch- und englischsprachige Kohortenstudien
sowie randomisierte kontrollierte Studien von 1990 bis September 2006, in denen wenigstens 150 Patienten an einer rehabilitativen interdisziplinären Intervention teilgenommen haben und von denen Angaben zur beruflichen Wiedereingliederung nach der Rehabilitation
vorlagen.
Ergebnisse
Die Einschlusskriterien erfüllten 15 Studien aus der orthopädischen, fünf aus der inneren
und zwei aus der neurologischen Rehabilitation, wobei keine relevanten Studien aus anderen medizinischen Fachgebieten wie der Psychiatrie oder Onkologie gefunden wurden. In
mehreren Studien hat sich bestätigt, dass ein höheres Alter, eine kürzere Krankheitsdauer
sowie eine höhere Schmerzintensität vor Beginn der Rehabilitation mit einer geringeren beruflichen Wiedereingliederungswahrscheinlichkeit einhergingen. Ebenfalls zeigte sich, dass
Patienten, die vor der Rehabilitation häufiger medizinische Leistungserbringer aufgesucht
haben, tendenziell seltener ins Berufsleben zurückkehrten. Die Beurteilungen des Leistungsvermögens durch den Arzt und den Patienten erwiesen sich ebenfalls als robuste Prädiktoren. Auch kehrten Patienten mit einem hohen Arbeitswunsch und ohne psychologische
Beeinträchtigungen signifikant häufiger nach einer Rehabilitation ins Erwerbsleben zurück.
Ob das Geschlecht und der Familienstatus robuste Prädiktoren darstellten, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Über den Einfluss der Rehabilitationsart auf die Wiedereingliede177
rungswahrscheinlichkeit lagen nur wenige Studien vor. So erwies sich eine funktionsorientierte Rehabilitation gegenüber einer schmerzorientierten als erfolgreicher und eine modifizierte Rehabilitation ging mit einer höheren beruflichen Rückkehrrate als eine herkömmliche
Rehabilitation einher. Relevante Abweichungen in der Wirksamkeit zwischen stationären,
teilstationären und ambulanten Rehabilitationsformen konnten hingegen nicht gezeigt werden.
Diskussion
Weitere mögliche Vorhersageparameter wie die Höhe eines Rentenanspruchs sowie medizinische, indikationsspezifische und soziale Variablen sind in den bisherigen Studien nur
unzureichend berücksichtigt worden. Da die Rehabilitationsinhalte insbesondere zwischen
verschiedenen Ländern voneinander abwichen und unterschiedliche Prädiktoren untersucht
worden sind, waren die Studienergebnisse nur eingeschränkt miteinander vergleichbar. Zu
den häufigsten Schwachpunkten der Studien zählten eine unspezifische Forschungsfrage,
ein unstrukturierter Studienaufbau sowie ein Selektionsbias. Zukünftige Studien über die
noch unzureichend erforschten Prädiktoren sollten eine Vergleichsgruppe mit Patienten einschließen, die keine Rehabilitation erhalten haben. Die Wirksamkeit der Rehabilitation auf
die berufliche Reintegration kann zudem besser erfasst werden, wenn nur Studienteilnehmer einbezogen werden, bei denen diese tatsächlich angestrebt wird. Die dabei gewonnen
Kenntnisse können genutzt werden, um Risikogruppen einer nicht erfolgreichen beruflichen
Reintegration zu identifizieren und die Rehabilitation bedarfsgruppenspezifisch zu optimieren.
178
Qualitätsmanagement
Determinanten der Patientenzufriedenheit mit der Planung und
Zielorientierung
in der medizinischen Rehabilitation
Pohontsch, N., Meyer, T., Maurischat, C., Raspe, H.
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Sozialmedizin
Hintergrund
Im Rahmen des Qualitätssicherungsprogramms der Rentenversicherungen werden seit einigen Jahren regelmäßig postalische Patientenbefragungen durchgeführt, u. a. zu Fragen
der Patientenzufriedenheit (Raspe et al., 1997). Dabei hat sich gezeigt, dass (1) die Patientenzufriedenheit im Mittel hoch ist, (2) die Zufriedenheit mit dem Bereich „Rehabilitationsplanung und Zielsetzung“ im Vergleich mit den anderen Bereichen (Zufriedenheit mit ärztlicher
Betreuung, pflegerischer Betreuung, psychologischer Betreuung, Unterbringung) substanziell um etwa eine halbe Standardabweichung geringer ausfällt (Dorenburg et al., 2001). Es
ist das Ziel dieses Projekts, die geringere Zufriedenheit mit dem Bereich „Rehabilitationsplanung und Zielsetzung“ zu erklären.
Methode
Untersucht wurden insgesamt 548 Kliniken und 142.327 Patienten aus dem Qualitätssicherungsprogramm der Deutschen Rentenversicherung (somatischer Bereich, Jahrgänge 2003
und 2004). Da diese Daten hierarchisch organisiert sind (Patienten in Kliniken) und Unterschiede in der Bewertung zwischen den Kliniken von Interesse waren, wurde auf einen hierarchischen linearen Modellansatz zurückgegriffen (Mehr-Ebenen-Analyse; Farin, 2005).
Das Kriterium stellte die Zufriedenheit mit der Reha-Planung und Zielorientierung dar. Zur
Analyse möglicher Prädiktoren wurden fünf inhaltlich homogene Blöcke gebildet, deren Variablen nacheinander in die Modellgleichungen eingefügt wurden: 1) Soziodemographie und
Indikation, 2) erfolgte Maßnahmen während der Rehabilitation (Prozessvariablen), 3) berichtete Veränderungen infolge der Rehabilitation (Outcomes), 4) Zustandsindikatoren nach der
Rehabilitation, 5) weitere Bewertungen des Reha-Aufenthaltes. Aufgrund des großen Stichprobenumfangs wurde die Schwelle für den Einschluss von Variablen in das Modell nicht an
ihrer statistischen Signifikanz sondern an ihrem Beitrag zur Varianzaufklärung festgemacht,
der bei mindestens 1 % liegen musste. Ausnahmen bildeten aus inhaltlichen Gründen Alter
und Geschlecht der Patienten. Um zu große Verluste der Stichprobe durch fehlende Werte
zu vermeiden, wurde eine Imputation der verwendeten metrischen Variablen (mit Ausnahme
der Kriteriumsvariable) vorgenommen (EM-Algorithmus). Die Modellbildung erfolgte schrittweise in Reihenfolge der inhaltlichen Blöcke. Durch die Anwendung eines Mehr-EbenenModells wurde die Variation auf Einrichtungsebene gesondert berücksichtigt, ohne eigene
Prädiktoren auf Klinikebene spezifizieren zu können. Die Analysen erfolgten mit SPSS (Version 14.0.1) und HLM (Version 6.02a, Raudenbush et al., 2004).
179
Ergebnisse
Insgesamt gingen Daten von N=141.590 Patienten in die Analyse ein. Das mittlere Alter der
Patienten betrug 51,7 (SD=10,5), 50,9 % waren männlich. Den größten Indikationsbereich
bildeten muskuloskeletale Erkrankungen (42,6 %), gefolgt von onkologischen (17,9 %) und
kardiologischen (14,1 %) Patienten. Auf einer Skala von 1 (geringe Zufriedenheit) bis 5 (hohe Zufriedenheit) ergab sich ein mittlerer Wert von 3,52 (SD=1,06) in der Bewertung der
Reha-Planung und Zielorientierung. Der Varianzanteil, der auf Unterschiede zwischen Kliniken zurückzuführen war, betrug 5,8 %. Tabelle 1 stellt das Ergebnis des hierarchischen linearen Modells dar. Insgesamt konnte 45,7 % der Varianz aufgeklärt werden. Der Anteil
verbliebener Klinikvarianz reduzierte sich auf 1,7 %.
Tabelle 1: Ergebnis der hierarchischen Modellbildung (Regressionsmodell: unstandardisierte
beta-Gewichte mit Standardfehler, aufgeklärte Varianzanteile; Auswahlkriterium für Prädiktoren eigener Anteil erklärter Varianz ≥1 %, Ausnahme Alter und Geschlecht)
Block
Prädiktor
Kodierung
Konstante
1
Soziodemographie,
Indikation
Alter*
in Jahren
-0,001 (0,000)
Geschlecht
m=1, w=0
-0,04 (0,005)
ja=1, nein=0
0,31 (0,007)
ja=1, nein=0
0,25 (0,015)
ja=1, nein=0
0,21 ((0,007)
ja=1, nein=0
0,07 (0,005)
Häusl. Bereich
len
Verhaltensempfehlung
Freizeitbereich
Verhaltensempfehlung
Beruf
3
Veränderungen im Outcome
4 Zustand nach
Reha
5
Bewertungen
der
Reha
Zufriedenheit
/
R -Change
R
2
3,02 (0,010)
Verhaltensempfehlung
2 Prozessvariab-
2
b (se)
Verbesserung psychisches Befinden
/
/
Zufriedenheit mit ärzt-
Skalenwert
licher Betreuung*
(1-5)
Zufriedenheit mit Kli-
Skalenwert
nik u. Unterbringung*
(1-5)
Beurteilung der Reha
Ratingskala
insgesamt*
(0-10)
/
0,7 %
0,7 %
21,7 %
22,5 %
2,2 %
24,6 %
0%
24,6 %
21,1 %
45,7 %
0,29 (0,003)
0,28 (0,005)
0,09 (0,001)
* imputierte Variablen, zentriert am Gesamtmittelwert
Diskussion
Soziodemographische Hintergrundvariablen haben keinen substanziellen Einfluss auf das
Ausmaß der Zufriedenheit im Bereich Reha-Planung und Zielorientierung. Als entscheidende Variablen erwiesen sich Angaben darüber, ob die Patienten berichteten, während ihres
Reha-Aufenthaltes Verhaltensempfehlungen für verschiedene Lebensbereiche bekommen
zu haben. Hier ergeben sich gute Ansatzpunkte für die Kliniken, Zufriedenheit der Patienten
zu verbessern. Von verschiedenen Outcome-Dimensionen stand nur die Verbesserung des
180
psychischen Befindens mit der Zufriedenheit der Reha-Planung und Zielorientierung in Zusammenhang. Wider Erwarten zeigte sich keine Assoziation zwischen aktuellem Status
nach Reha (körperlicher und psychischer Zustand; Somatisierung) und der Zufriedenheit.
Von den Zufriedenheitsurteilen stand erwartungsgemäß die Bewertung der ärztlichen
Betreuung in engstem Zusammenhang mit der Beurteilung der Reha-Planung und Zielorientierung. Gleichzeitig verweisen die Zusammenhänge mit der Zufriedenheit mit Klinik und Unterbringung sowie der Beurteilung der Reha insgesamt auf generelle Erklärungsfaktoren.
Zur vertiefenden Analyse werden z. Zt. in einem qualitativen Forschungsansatz Interviews in
Reha-Kliniken mit unterschiedlichen Bewertungen von Patientenseite durchgeführt.
Literatur
Dorenburg, U., Huck-Langner, K., Nischan, P., Winnefeld, M. (2001): Kontinuierliche, klinikvergleichende Patientenbefragung im Reha-Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung: Konzept, Methodik, Erfahrungen. In: W Satzinger, A Trojan, P KellermannMühlhoff (Hrsg.) Patientenbefragungen in Krankenhäusern. St. Augustin: Asgard, 361369.
Farin, E. (2005): Die Anwendung Hierarchischer Linearer Modelle für Einrichtungsvergleiche
in der Qualitätssicherung und Rehabilitationsforschung. Die Rehabilitation 44: 157-164.
Raspe, H., Weber, U., Voigt, S., Kosinski, A., Petras, H. (1997): Qualitätssicherung durch
Patientenbefragungen in der medizinischen Rehabilitation: Wahrnehmungen und Bewertungen von Rehastrukturen und -prozessen ("Rehabilitandenzufriedenheit"). Die Rehabilitation 36: XXXI-XLII
Raudenbush, S., Bryk, A.N., Cheong, Y.F., Congdon, R., duToit, M. (2004): HLM6: Hierarchical Linear und Nonlinear Modelling. Lincolnwood, USA: Scientific Software International.
Erwartungen der Klinikmitarbeiter an ein internes Qualitätsmanagement Ergebnisse einer Erhebung zur Mitarbeiterzufriedenheit
Kainz, B. (1), Farin, E. (1), Jäckel, W.H. (1,2)
(1) Universitätsklinikum Freiburg, Abt. Qualitätsmanagement und Sozialmedizin,
(2) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
Hintergrund
In einem zweieinhalbjährigen Projekt (Febr. 2004 - Jun. 2006) wurde in einer Klinik mit Unterstützung der Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin am Universitätsklinikum Freiburg (AQMS) und dem Zentrum für Europäisches Qualitätsmanagement (ZEQ) ein
umfassendes Qualitätsmanagementsystem eingeführt und evaluiert. Zur Prüfung der Effektivität wurde sowohl ein Assessment nach EFQM mit dem Abschluss „Committed to Excellence“, als auch ein Zertifizierungsverfahren nach KTQ® durchgeführt.
Während des Projektes wurde zu drei Messzeitpunkten (2004, 2005, 2006) im Abstand von
einem Jahr die Mitarbeiterzufriedenheit erhoben. Zum einen wurde geprüft, welche Erwartungen die Mitarbeiter mit dem Qualitätsmanagement verbinden und ob diese Erwartungen
181
erfüllt werden. Zum anderen ob sich auf der Ebene der Skalen und Einzelitems die Zufriedenheit der Mitarbeiter, aufgrund der durchgeführten Maßnahmen, messbar verändert hat.
Methode und Ergebnisse
Als Grundlage für die Mitarbeiterbefragung wurde das Instrument von Farin et al. (Farin et
al., 2002; Follert et al., 2002) verwendet. Das Themenspektrum der Befragung umfasst alle
wesentlichen Komponenten der Arbeitzufriedenheit. Zusätzlich wurden im Jahr 2004 und
2005 Fragen zu den Erwartungen an ein Qualitätsmanagement aufgenommen. Im Jahr
2006 wurde überprüft, ob diese Erwartungen eingetroffen sind. Auf Skalenebene wurden
Klinikvergleiche mit acht Rehabilitationskliniken durchgeführt.
Die Ergebnisse aus der Befragung im Jahr 2004, ergänzt um Interviews mit allen Mitarbeitern, bildeten die Basis für die Planung von Verbesserungsprojekten. Schwerpunktmäßig
lagen die Maßnahmen in den Bereichen interne Kommunikation, Information und Organisation. Die Mitarbeiterbefragungen der folgenden zwei Messzeitpunkte (2005, 2006) sollten die
Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen belegen.
Befragt wurden jeweils 120 Mitarbeiter. Die Rücklaufquote lag im Durchschnitt bei 72 %. Vor
der Einführung des Qualitätsmanagements äußerten die Mitarbeiter die Befürchtung, dass
sich der Arbeitsaufwand (40,4 %), der Dokumentationsaufwand (52,5 %) und die Kontrolle
der Arbeitsabläufe (33,0 %) durch die Einführung eines Qualitätsmanagements deutlich erhöhen wird. Diese Erwartungen wurden in der Befragung 2006 bestätigt bzw. deutlich übertroffen (z. B. Kontrolle der Arbeitsabläufe 53,5 %). Die anfängliche Vermutung, dass durch
das Qualitätsmanagement weniger Zeit für die Versorgung der Patienten bleibt (27,7 %),
sehen die Mitarbeiter nur zu 15,3 % bestätigt. Sehr hohe positive Erwartungen bestanden
hinsichtlich der Verbesserung der Zusammenarbeit mit Kollegen (48,9 %), dem Vorgesetzten (47,9 %), den Mitarbeitern aus anderen Abteilungen (74,5 %) und bezogen auf die
Transparenz der Arbeitsabläufe. Diese Erwartungen konnten nur teilweise erfüllt werden.
Die Auswertungen auf der Ebene der Einzelitems und Skalen zeigen, dass Verbesserungen
aufgrund der durchgeführten Maßnahmen messbar sind. So sind im Vergleich zum Jahr
2004 die Mitarbeiter im Jahr 2006 signifikant zufriedener mit dem „Informationsaustausch
zwischen den Abteilungen“. Auch bei den „Arbeitsabläufen“ wurden statistisch signifikante
Verbesserungen erzielt. Auf Skalenebene hat sich die Klinik in der „Skala Organisation und
Kommunikation“ deutlich verbessert und steht 2006 im Klinikvergleich an erster Stelle.
Diskussion und Ausblick
Die Mitarbeiter stehen der Einführung eines Qualitätsmanagements mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber. Einerseits werden Befürchtungen geäußert, dass das Qualitätsmanagement mit höherem Arbeitsaufwand und weniger Zeit für die Patienten verbunden ist. Andererseits bestehen sehr hohe Erwartungen im Hinblick auf die Verbesserung der Transparenz, der Kommunikation und der Zusammenarbeit.
Die Anwendung von Qualitätsmanagementverfahren bedeutet für alle Mitarbeiter ein hohes
Maß an Engagement und einen großen zusätzlichen Arbeitsaufwand. Die Mitarbeiter bewerten diesen Arbeitsaufwand nur dann positiv, wenn durch Maßnahmen des Qualitätsmanagements in ihrem Arbeitsalltag spürbare und messbare Verbesserungen erreicht werden.
182
Untersuchungen, die der Frage nachgehen, welche Strukturen und Maßnahmen die Zufriedenheit der Mitarbeiter tatsächlich fördern, könnten hier wichtige Ansatzpunkte liefern.
Literatur
Farin, E., Meixner, K., Follert, P., Jäckel, W.H., Jacob, A. (2002): Mitarbeiterzufriedenheit in
Rehabilitationskliniken: Entwicklung des MiZu-Reha-Fragebogens und Anwendung in der
Qualitätssicherung. Die Rehabilitation, 4 (41): 258-267.
Follert, P., Farin, E., Asche-Matthey, B., Jäckel, W.H. (2002): Mitarbeiterbefragungen: Bestandteil externer Qualitätssicherung und Input für das interne Qualitätsmanagement.
Qualitätsmanagement in Klinik und Praxis, 2002; 10 (5): 127-130.
Die Entwicklung eines Prozessdokumentationssystems für den
Routineeinsatz in der stationären medizinischen Rehabilitation
(RehaProDok)
Meixner, K. (1), Jäckel, W.H. (1), Kalwa, M. (2), Greitemann, B. (2)
(1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg,
(2) Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde
Hintergrund
Im Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherungsträger wird seit 1999 routinemäßig ein Peer Review-Verfahren zur Erfassung der Prozessqualität für alle größeren Indikationsbereiche der medizinischen Rehabilitation eingesetzt (Egner et al., 2002). Als Bewertungsgrundlage werden dabei anonymisierte Entlassungsberichte und patientenbezogene
Therapiepläne herangezogen (Jäckel et al., 1997; Farin et al., 2002). Mit der Implementierung des Peer Review-Verfahrens wurden umfangreiche Anforderungen an die Dokumentation von Rehabilitationsprozessen eingeführt, die zusätzlich zu den Vorgaben zur Erstellung
eines Entlassberichts zu berücksichtigen sind. Dies erhöhte den Aufwand für die Dokumentation. Zudem wurde durch die Anforderungen des Peer Reviews der E-Bericht „verlängert“.
Aus diesen Gründen erschien es notwendig nach Möglichkeiten zu suchen, die den Dokumentationsprozess durch die Einbindung von elektronischer Datenverarbeitung entlasten.
Mit der Entwicklung eines computergestützten Prozessdokumentationssystems für den Routineeinsatz in der stationären medizinischen Rehabilitation (RehaProDok) will das vorliegende Projekt, das von der Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften Nordrhein-Westfalen
e.V. (GfR) gefördert wird, dazu einen Beitrag leisten.
Zielsetzung des Projekts und Projektablauf
RehaProDok ist als Lastenheft für ein computergestütztes System zur Dokumentation von
Rehabilitationsprozessen zu verstehen. Ziel ist eine automatische Generierung adressatenspezifischer Berichte für den Leistungsträger („E-Bericht“ nach Vorgaben der Deutschen
Rentenversicherung) und den weiterbehandelnden Arzt („Kurzbrief“) sowie zur Prüfung der
Prozessqualität („ProzessDoku“ nach Vorgaben des Peer Review-Verfahrens). Gleichzeitig
wird mit der Umsetzung von RehaProDok die ICF-Terminologie in den Dokumentationsprozess integriert. Diese Systematik ist im Felderschema des RehaProDok dargestellt (siehe
183
Abbildung). Für jedes Feld wurde definiert, welche Informationen des Behandlungsprozesses zu dokumentieren sind und in welchen adressatenspezifischen Bericht die Informationen einfließen. Für jede Informationseinheit schlägt RehaProDok zudem eine Möglichkeit
zur EDV-gestützten Operationalisierung (z. B. definierte Auswahlfelder) sowie Texte zur Information des Nutzers von RehaProDok vor.
Behandlungsprozess
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Aktivitäten und ParKörperfunktionen und
tizipation
-strukturen
(Teilhabe)
Kontextfaktoren
Umweltfaktoren/
Personenbezogene
Faktoren
Anamnese
5
3
14
Diagnostik
Therapieziele
Rehabilitations-Verlauf
Klinische und sozialmedizinische Epikrise sowie kritische
Würdigung des
RehabilitationsProzesses
Weiterführende
Maßnahmen und
Nachsorge
7
2
3
1
2
2
1
2
4
3
6
2
1
1
1
Abbildung: Felderschema RehaProDok mit Anzahl der dokumentierten Informationsinhalte
Zur Erstellung des Lastenhefts „RehaProDok“ wurden die Vorgaben zur Erstellung von Entlassungsberichten der Rentenversicherung sowie des Peer Review Manuals analysiert. Zudem konnten aufgrund der Erfahrung der Klinik Münsterland mit EDV-basierter Dokumentation einzelne zusätzliche qualitätsrelevante Prozessmerkmale definiert werden, die sich aus
der Verknüpfung von Informationen im Dokumentationssystem ergeben (z. B. Anzahl von
Teamsitzungen und Visiten, Dokumentation von „Therapeutenkonstanz“ oder Integration
von Leitlinien in die Dokumentation). Innerhalb der Prozessdokumentation wird somit ein Informationszugewinn erreicht, der EDV-gestützt und automatisiert erstellt wird.
Das Konzept von RehaProDok wurde im Mai 2006 mit Experten der Leistungserbringer und
Leistungsträger der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen eines Workshops diskutiert
und aufgrund einer anschließend durchgeführten schriftlichen Befragung der Experten modifiziert. Im September 2006 hat die Umsetzungsphase in der Klinik Münsterland begonnen.
Dabei wird RehaProDok in das bestehende Klinikinformationssystem integriert.
Ausblick
Der Nutzen, der durch die Implementation von RehaProDok zu erwarten ist, zeigt sich auf
mehreren Ebenen. Durch die automatisierte, adressatenspezifische Dokumentation des Behandlungsprozesses wird der E-Bericht für den Leistungsträger „verschlankt“, da Inhalte, die
lediglich für das Peer Review relevant sind, nicht aufgenommen werden. Der strukturierte
Kurzbrief trägt zum verbesserten Service für den weiterbehandelnden Arzt bei. Durch Kennzahlen, die für die ProzessDoku (Peer Review) aus der Verknüpfung bestehender Informationen erstellt werden (z. B. Anzahl der Visiten), kann eine bessere Übereinstimmung zwischen dem tatsächlichen Prozess und der Dokumentation erreicht werden. Kennzahlen und
Informationen, die von RehaProDok generiert werden, können zudem im Rahmen des inter184
nen Qualitätsmanagements genutzt werden. Somit trägt RehaProDok indirekt zur Verbesserung der Prozesse bei. Schließlich wird mit RehaProDok auch die Durchführung des Peer
Review-Verfahrens erleichtert, z. B. durch die automatisierte Anonymisierung von Patientenund Klinikdaten. Möglicherweise trägt auch die Gestaltung der ProzessDoku, die sich an der
„Checkliste qualitätsrelevanter Prozessmerkmale“ aus dem Peer Review orientiert, zur Erleichterung der Peer-Tätigkeit bei.
Literatur
Egner, U., Gerwinn, H., Schliehe, F. (2002): Das bundesweite Reha-Qualitätssicherungsprogramm der gesetzlichen Rentenversicherung. Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung und
Qualitätssicherung; 96: 4-9.
Farin, E., Carl, C., Lichtenberg, S., Jäckel, W.H., Rütten-Köppel, E., Maier-Riehle, B., Berghaus, U. (2004): Die Weiterentwicklung des Peer Review - Verfahrens in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation; 43, 162-165.
Jäckel, W.H., Maier-Riehle, B., Protz, W., Gerdes, N. (1997): Peer Review: Ein Verfahren
zur Analyse der Prozessqualität stationärer Rehabilitationsmaßnahmen. Die Rehabilitation; 36: 224-232.
Analysen zur Validität des Peer Review-Verfahrens zur Bewertung der
Prozessqualität in der stationären psychosomatischen Rehabilitation
Kawski, S. (1), Rabung, S. (1), Schulz, H. (1), Bleich, C. (1), Follert, P. (2), Koch, U. (1)
(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V./ Arbeiter-ErsatzkassenVerband e.V. (vdak/AEV), Siegburg
Hintergrund
Das Peer Review-Verfahren wurde im Kontext der seit den neunziger Jahren auch im Bereich der medizinischen Rehabilitation erheblich an Bedeutung zunehmenden Qualitätssicherung entwickelt, um die Güte von therapeutischen Prozessen zu bewerten und zu vergleichen. Methodisch basiert es auf der Begutachtung von regelhaft die Rehabilitation dokumentierenden Entlassberichten durch erfahrene und geschulte Experten. Die Begutachtungen folgen einer Checkliste qualitätsrelevanter Merkmale. Dabei steht den Reviewern als
Arbeitsmaterial ein erläuterndes Manual zur Verfügung. Zwar gilt das Verfahren gemeinhin
als geeignet für eine differenzierte Erfassung der Stärken und Optimierungsbedarfe bei der
Durchführung rehabilitativer Behandlungen, doch liegen bislang - zumindest für den Bereich
der stationären medizinischen Rehabilitation psychischer / psychosomatischer Erkrankungen - keine Ergebnisse aus einer systematischen Validierung des Verfahrens vor.
Methode
An Hand einer Stichprobe von 164 Patienten, die im Rahmen des QS-Reha®-Verfahren des Qualitätssicherungsprogramms der Gesetzlichen Krankenkassen in der medizinischen
Rehabilitation - in 11 psychosomatischen Rehabilitationskliniken gewonnen wurde, wurden
185
Zusammenhänge der mit dem Peer Review-Verfahren ermittelten Prozessqualität mit der
erfassten Ergebnisqualität analysiert.
Zur Abschätzung der Prozessqualität mit dem Peer Review-Verfahren wurden die zu bewertenden Entlassberichte randomisiert innerhalb einer Gruppe geschulter Experten zur Bewertung zugeteilt. Die Bewertungen der Prozessqualität wurden risikoadjustierten Werten der
Ergebnisqualität korrelations- und regressionsanalytisch gegenübergestellt. Daten zur Ergebnisqualität wurden über Instrumente erfasst, die auf Kurzversionen standardisierter
Messinstrumente und expertenbasierten Verfahren aufbauen und bei Aufnahme, Entlassung
und zu einem 6-Monats-Katamnesezeitpunkt eingesetzt wurden.
Ergebnisse
Für die hier einbezogene Stichprobe von mit dem Peer Review-Verfahren bewerteten Rehabilitationsprozesse ergaben sich insgesamt gute bis sehr gute Einschätzungen. Dabei lag
nur eine eingeschränkte Varianz zwischen den Berichten wie auch zwischen den Einrichtungen vor. Bezogen auf die Messung der Ergebnisqualität konnten im Vergleich zwischen
Aufnahme und Entlassung bzw. 6-Monats-Katamnese Veränderungen mit mittleren Effektstärken aufgezeigt werden. Bei der Analyse statistischer Zusammenhänge fanden sich spezifische Beziehungen zwischen Prozessqualität und Ergebnisqualität. Unter anderem bezogen sich signifikante statistische Korrelationen der Prozessqualität mit der Ergebnisqualität
auf zentrale Aspekte therapeutischer Zieldefinition und auf Fragen zur rehabilitativen Behandlungsplanung.
Zum Verhältnis von Qualität-(smanagement) und Wirtschaftlichkeit in der
medizinischen Rehabilitation - Erste Ergebnisse einer bundesweiten
Befragung des Klinikmanagements
Bihr, D. (1), Nübling, R. (2), Schmidt, J. (2)
(1) SRH Hochschule Calw, (2) GfQG, Karlsruhe
Hintergrund
Das Thema Qualitätssicherung(QS)/Qualitätsmanagement(QM) prägt seit seiner gesetzlichen Verankerung wie kaum ein anderes die Situation in bundsdeutschen Rehabilitationskliniken. In SGB V und SGB IX wird neben der Qualität der zu erbringenden Leistungen immer auch deren Wirtschaftlichkeit gefordert (Bihr et al., 2006). Demgegenüber wird der
betriebswirtschaftliche Nutzen von QM-Maßnahmen kontrovers diskutiert (Bruhn, Georgi,
1999); für einen Zusammenhang zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit gibt es bislang
kaum empirische Belege. Eine der wenigen internationalen Arbeiten haben Singhal und
Hendricks (1999) vorgelegt, die den Nutzen von QM über „harte“ betriebswirtschaftliche Daten aufzeigen konnten.
Methodische Umsetzung in die Praxis
In einer von GfQG gemeinsam mit der SRH Hochschule Calw durchgeführten Studie wird
diese Fragestellung aufgegriffen. Über eine postalische Befragung wurden dabei die persön186
lichen Erfahrungen der Klinikmanager/innen bundesdeutscher Reha-Kliniken herangezogen.
Im Zeitraum zwischen September und Oktober 2006 wurden Kliniken einer aktuellen Klinikdatenbank angeschrieben. Hierzu wurde ein spezieller Fragebogen entwickelt, der u. a. folgende Bereiche abdeckt: Einsatz von betriebeswirtschaftlichen Instrumenten, Einführung/derzeitiger Stand des klinikinternen QM, Grundsätzliche Einstellung zu QS/QM oder
Entwicklung wesentlicher betriebswirtschaftlicher Kennzahlen (u. a. Bettenzahl, Bettenbelegung, Umsatz).
Ergebnisse
Von n=956 angeschriebenen Einrichtungen antworteten n=182 (19,0 %). N=12 Einrichtungen waren nicht mehr in Betrieb, n=33 wurden im Nachhinein als primär akutmedizinische
Krankhäuser identifiziert. Weitere n=64 Einrichtungen hatten gemeinsam mit anderen Kliniken ein zentrales Management, sodass sich die Grundgesamtheit auf n=847 reduzierte
(Rücklaufquote 21,5 %). Bzgl. der Indikationsbereiche waren am häufigsten Kliniken mit orthopädischer Indikation (52,6 %) vertreten, gefolgt von Psychosomatik (34,6 %). Die Mehrzahl war in privater Trägerschaft (62 %; jeweils etwa 10 % konfessionell oder „sonstige“; etwa 15 % RV). Die durchschnittliche Bettenzahl lag bei 199, die jährliche Auslastung bei
84 % und der durchschnittliche Umsatz 7,3 Millionen €.
Als betriebwirtschaftliche Instrumente werden am häufigsten eingesetzt: Finanzplan, kontinuierlicher Soll-Ist-Vergleich oder Organigramm (je 97 %), am wenigsten hingegen Balanced Score Card (30 %), monetäre Anreiz- (38 %) bzw. leistungsbezogene Vergütungssysteme (40 %) oder monetäre Zielvereinbarungen (47 %). 40 % der Klinikmanager gaben an,
dass ein QM-System vollumfänglich (weitere 30 % „weitgehend“) eingeführt sei. Die Mehrheit ist der Meinung, dass durch QM die Behandlungsergebnisse (83 %) oder die Patientenzufriedenheit (86 %), aber auch die interne Kommunikation (85 %) verbessert werden kann.
Demgegenüber wird kritisch angemerkt, dass QM zu einem höheren Verwaltungsaufwand
führe (75 %) und die QM-Investitionen in keinem Verhältnis zum Ergebnis stünden (37 %).
Nur 31 % sehen einen positiven Einfluss von QM auf die Behandlungsergebnisse.
Direkt zum Zusammenhang zwischen QM und Wirtschaftlichkeit befragt, gehen nur ca. 13 %
der Klinikmanager davon aus, dass sich beides ausschließt. Die Mehrheit (72 %) ist der Auffassung, dass QM das wirtschaftliche Überleben sichert. Hinsichtlich des Ertrags der Klinik
sehen die meisten eine kurzfristige starke Belastung der Klinik (66 %), der sich aber mittel
und langfristig auszahlt (88 %).
Betrachtet man die Zusammenhänge einzelner betriebswirtschaftlicher Instrumente und
QM-Parameter mit harten betriebswirtschaftlich relevanten Faktoren wie Belegung oder
Umsatz, so zeigen sich u.a. folgende Ergebnisse:
- schwacher, aber signifikanter Zusammenhang u. a. zwischen QM-Einführungsgrad (.24),
betriebswirtschaftlicher Mitarbeiterschulung (0.24), nicht-monetären Zielvereinbarungen
(0.26) und Belegung sowie zwischen Zertifizierungsgrad (0.28) oder Benchmarking mit
anderen Kliniken (0.26) und Umsatz.
- mittlere Zusammenhänge zwischen qualitätsverbesserungsorientierter Begründung für
die QM-Einführung (-0.33) und Bettenbelegung sowie die Einschätzungen, dass QM die
Mitarbeitereinbeziehung fördert (0.32), zur Verbesserung von Patientenzufriedenheit
führt (0.31) oder das Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter erhöht (0.39) und Umsatz.
187
Diskussion
Trotz der wegen der niedrigen Rücklaufquote eingeschränkten Repräsentativität ist positiv
zu vermerken, dass sich doch eine ausreichende Zahl von Klinikmanagern zu dieser sensible Daten erfassenden Befragung geäußert haben. Insgesamt kann der Stand der Einführung
von QM - zumindest bei dieser Stichprobe - als deutlich vorangeschritten bezeichnet werden
(vgl. auch Farin et al., 2004). Die Einstellung des Klinikmanagements gegenüber QM ist überwiegend positiv. Zusammenhänge mit den betriebswirtschaftlichen Parametern sind zwar
positiv, aber von eher geringerem Umfang. So gibt es kaum Unterschiede bzgl. Belegung in
Abhängigkeit von dem Stand der QM-Einführung.
Schlussfolgerung
Nach Meinung von Klinikmanagern ist Qualität und Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch. Es
wird davon ausgegangen, dass sich QM wenn nicht kurz- so doch mittel- und langfristig bezahlt macht. Die schwach positiven Zusammenhänge mit Bettenbelegung und Umsatz weisen zwar in die „richtige Richtung“, der wirtschaftliche Erfolg einer Klinik scheint aber immer
noch zu wenig davon abhängig zu sein. Obwohl ein Nachweis des Zusammenhangs zwischen implementiertem QM und positiven Behandlungsergebnissen immer noch aussteht,
besteht - wie schon Jäckel und Farin (2004) hervorgehoben haben - Nachholbedarf hinsichtlich des Konzepts „paying for performance“. Allerdings ist darüber hinaus auch eine Evaluation des QMs selbst zu fordern.
Literatur
Bihr, D., Fuchs, H., Krauskopf, D., Ritz, H.-G. (Hrsg) (2006): SGB IX - Kommentar und Praxishandbuch. St. Augustin, Asgard-Verlag.
Bruhn, M., Georgi, D. (1999): Kosten und Nutzen des Qualitätsmanagements. München,
Hanser.
Farin, E., Engel, E.-M., Dimou, A., Jäckel, W.H. (2004): Die Erwartungen von Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen an externe Qualitätssicherungsmaßnahmen. Phys Med
Rehab Kuror 14, 73-81.
Jäckel, W.H., Farin, E. (2004): Qualitätssicherung in der Rehabilitation: Wo stehen wir heute? Die Rehabilitation, 43, 271-283.
Singhal, Hendricks (1999): The financial justification of TQM. Center for quality of management journal, 8, 3-16.
Zur Qualität Gemeinsamer Servicestellen für Rehabilitation vor und nach
der Implementierung von Optimierungsmaßnahmen
Knerr, A., Slesina, W.
Universität Halle-Wittenberg
Hintergrund und Fragestellung
Zur Optimierung der Arbeit der Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation führte die
Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland in Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Pilotprojekt durch. Ausgewählt wurden vier Servicestellen in Sach188
sen-Anhalt (ein Bundesland, in dem lt. Evaluationsstudie des ISG (2004) die Einführung von
Servicestellen als Erfolgsmodell zu werten ist) nach den Kriterien Groß-/Kleinstadt und Trägerschaft der Servicestellen. Bestandteil der Pilotstudie war eine wissenschaftliche Begleitung zur Erhebung des Ist-Zustands vor (T1) und nach (T2) Durchführung von Optimierungsmaßnahmen.
Methodik
Es handelte sich um eine Prä-Post-Studie mit indirekter Veränderungsmessung (s. Kohlmann, 1998). Eine Gruppe von Ratsuchenden vor und eine Gruppen von Ratsuchenden
nach Durchführung von Optimierungsmaßnahmen wurde zu Struktur-, Prozess- und Ergebnisaspekten der Servicestellen schriftlich befragt. Einschlusskriterien waren: Ratsuchende,
die wegen einer Reha-Frage (incl. Hilfsmittel), ohne Einladung, zum ersten Beratungsgespräch in die Servicestelle kamen. Die Vorher-Befragung lief von August bis Oktober 2005
(9 Wochen), die Nachher-Befragung von März bis Mai 2006 (9 Wochen). Von 97 Ratsuchenden (Vorher-Befragung) und 115 Ratsuchenden (Nachher-Befragung) liegen Fragebögen vor. Es handelt sich um unabhängige Stichproben. Zusätzlich wurden die drei RehaBeratungsteams der vier Servicestellen vor und nach Optimierung schriftlich befragt. Es beteiligten sich 43 Mitarbeiter (vorher) und 40 (nachher), d. h. 65 % bzw. 61 %.
Ergebnisse
Beiden Befragungen zufolge hatten um 50 % der Ratsuchenden bereits vor dem Beratungsgespräch Kenntnis von den Gemeinsamen Servicestellen.
Zur Strukturqualität: Ungefähr gleich positive Beurteilungen fanden in beiden Befragungen
die Aspekte: „Servicestelle im Gebäude gut zu finden“ (ca. 90 % Zustimmung) und „gute telefonische Erreichbarkeit der Servicestelle“ (ca. 75 % Zustimmung). Leicht, aber nicht signifikant günstigere Beurteilungen ergaben sich in der Nachher-Befragung für die Merkmale
„behindertengerechter Zugang zum Gebäude und zur Servicestelle“, „sehr gute Erkennbarkeit der Servicestelle von außen“ und „sehr günstige Öffnungszeiten der Servicestelle“ (jeweils über 90 % Zustimmung).
Zur Prozessqualität: Die Nachher-Befragung übertraf, meist nicht signifikant, die bereits positiven Werte der Vorher-Befragung in den Merkmalen: „störungsfreies Gespräch“, „Berücksichtigung der persönlichen Situation“, „respektvolle Haltung der Beratenden“, „Schutz der
persönlichen Angaben“ (p<0,05).
Aspekte der Ergebnisqualität: Die Nachher-Befragung erbrachte (noch etwas) bessere Ergebnisse als die Vorher-Befragung hinsichtlich: „Klärung der für das Anliegen zuständigen
Einrichtung“ (97 % vs. 93 %) und „Klärung aller Fragen/Anliegen in dem geführten Gespräch“ (70 % vs. 55 %, p<0,05).
Die Mehrzahl der Reha-Teammitglieder (ca. 85 %) hat, der Vorher-Befragung zufolge, in
den vergangenen Jahren durch theoretische oder praxisorientierte Schulungen (trägerintern
oder trägerübergreifend) erforderliche zusätzliche Kenntnisse für die vernetzte, trägerübergreifende Beratungsarbeit erworben. Doch erachteten 81 % der in der direkten Beratung tätigen Servicestellen-Mitarbeiter und ca. 35 % der anderen Teammitglieder (Berater in der
zweiten Linie) weitere Schulungen als wichtig. Gemäß Nachher-Befragung haben im Zuge
der Optimierungsmaßnahmen bisher 60 % der Reha-Teammitglieder an zusätzlichen Quali189
fizierungsmaßnahmen teilgenommen. Fast ebenso viele erhielten zusätzliche schriftliche
Informationen und Handlungshilfen wie bspw. das „ABC-Persönliches Budget“, Materialien
für die Öffentlichkeitsarbeit oder ein aktualisiertes Schulungshandbuch für Servicestellenmitarbeiter.
Zur Qualität der Arbeit im Reha-Beratungsteam: den Mitgliedern des Reha-Beratungsteams
sind die direkten „Team-Ansprechpartner“ bei den anderen Reha-Trägern, deren telefonische Durchwahlnummer und auch deren Vertreter überwiegend bekannt (70 % bis 88 % der
Ansprechpartner; 63 % bis 88 % der Durchwahlnummern; 40 % bis 65 % der Vertreter). Dabei fanden sich deutliche Unterschiede zwischen den Einrichtungen der verschiedenen Reha-Träger. Die Erreichbarkeit und die Auskunftsfähigkeit der Reha-Teammitglieder wurde für
die verschiedenen Trägern sehr unterschiedlich bewertet: je nach Träger 46 % bis 81 % gute/sehr gute Erreichbarkeit und 50 % bis 89 % gute/sehr gute Auskunftsfähigkeit (nur in Erstbefragung erhoben).
Folgerungen und Ausblick
Aufgrund der engen zeitlichen Rahmenbedingungen des Projekts stand nur ein kurzer Zeitraum (Nov. 05 bis Febr. 06) für Optimierungsmaßnahmen und deren Wirksamwerden zur
Verfügung. Gleichwohl haben sich, ausgehend von einem meist schon positiven Ausgangsniveau, eine Reihe von Verbesserungen ergeben und ein sich noch steigernde Wirksamkeit
ist zu erwarten.
Literatur
ISG - Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (2004): Einrichtung und Arbeitsweise Gemeinsamer Servicestellen für Rehabilitation. Integrierter Abschlussbericht. Köln.
Kohlmann, T., Raspe, H. (1998): Zur Messung patientennaher Erfolgskriterien in der medizinischen Rehabilitation: Wie gut stimmen "indirekte" und "direkte" Methoden der Veränderungsmessung überein? In: Die Rehabilitation, 37 (Suppl. 1), 30-37.
Slesina, W., Knerr, A. (2006): Wissenschaftliche Begleitung des Modellprojekts zur Optimierung der Arbeit der Gemeinsamen Servicestellen im Bundesland Sachsen-Anhalt. Abschlussbericht. Halle/S..
190
Qualitätsmanagement (Poster)
Fortführung der Validierung eines Fragebogens zur
Patientenzufriedenheit
Haupt, C. (1), Löschmann, C. (1), Dietsche, S. (1), Nübling, R. (2), Steffanowski, A. (3)
(1) eqs.-Institut Hamburg, (2) Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg,
(3) Universität Mannheim, Lehrstuhl Psychologie II
Hintergrund
In den letzten Jahren haben die subjektive Beurteilungsperspektive und die Zufriedenheit
der Patienten als Bestandteil eines umfassenden Qualitätsmanagements stark an Bedeutung gewonnen.
Zur träger- und einrichtungsinternen Erfassung wurde ein Patientenfragebogen auf Grundlage des zweigleisigen Modells (Schmidt et al., 1992) entwickelt und erprobt (seit 1994 wird
er routinemäßig in 10 Rehabilitationskliniken eingesetzt). Mit der routinemäßigen Anwendung solcher Verfahren können sich Rehabilitationskliniken an die Kundenwünsche annähern (Stichwort: aktiver Leistungsempfänger) und der zunehmenden Wettbewerbsorientierung Rechnung tragen. Eine besondere Rolle spielt dabei die subjektive Beurteilungsperspektive und Zufriedenheit der Patienten (Hopp, 2000).
Der Patientenfragebogen wird auf seine Güte hin untersucht. Nach der externen Validität
(Steffanowski et al., 2006) wird jetzt das Augenmerk auf die interne Validität gelegt.
Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Verfahrens und der verwendeten Itemzahl wurde in verschiedenen Untersuchungen ein übergreifender Globalfaktor der
Patientenzufriedenheit empirisch nachgewiesen (Jacob, 2002). Ein Generalfaktormodell bildet somit die Grundlage unserer Untersuchung.
Methodik
Anhand der Theorie und Voruntersuchungen wurde ein Zwei-Ebenen-Modell entwickelt. Der
Generalfaktor ist der Multiple Qualitätsindex über die 5 Subskalen „Unterbringung“, „Verpflegung“, „Umgebung & Freizeit“, „Behandlung allgemein“ sowie „Gesundheitliche Veränderungen“. Als sechste Subskala kommt klinikspezifisch „Therapeutische Maßnahmen“ hinzu.
Mit dem anonymen, scannerlesbaren Fragebogen wurden bislang 71.023 Patienten befragt.
Ergebnisse
Die Daten belegen ein Generalfaktormodell der Patientenzufriedenheit. Die Subskalen zeigen insgesamt moderat hohe Korrelationen. In den Bereichen Unterbringung, Verpflegung
sowie Umgebung und Freizeit wird jedoch von den Patienten nur wenig differenziert. Die
Anzahl der Subskalen kann reduziert werden. Patientenzufriedenheit wird als Globalfaktor
erfasst. Als relativ unabhängige Subskalen bilden sich drei Bereiche heraus: einer, der die
Einrichtung auf der Ebene von Mindeststandards (wie Sauberkeit, Qualität des Essens etc.)
beschreibt und Angaben über Ausstattung, Verpflegung und Freizeitangebote enthält, einer,
191
der die Güte der Therapien beschreibt (Behandlung allgemein) und ein weiterer, der Effektivität und Effizienz umfasst (Gesundheitliche Veränderungen). Dabei stellt die Subskala der
Verbesserung der Gesundheit (Gesundheitliche Veränderungen) einen deutlich abgetrennten Faktor dar. In der explorativen Faktoranalyse zeigen alle 5 Items Ladungen zwischen
.59 und .69, während alle anderen Items deutlich geringere Ladungen aufweisen. Alle anderen Items laden auf Faktor 1. Besonders hohe Ladungen zeigen dabei komplett die Items
der Skala „Therapeutische Maßnahmen“ sowie einzelne Items der anderen Skalen, die
Grundvoraussetzungen erfassen wie Gesamteindruck des Hauses (.62), Sauberkeit im
Haus (.62), Klinikverwaltung (.70) und Qualität des Essens (verschiedene Werte für Normalund Diätkost sowie Frühstück, Mittag- und Abendessen).
Diskussion
Patientenzufriedenheit liegt ein Globalfaktor zu Grunde. Jedoch können Subskalen beschrieben werden, die die Güte der Klinik, dann die Güte der therapeutischen Maßnahmen
und zuletzt die Effizienz der Behandlung erfassen.
Auf Grundlage der Ergebnisse wird ein Strukturgleichungsmodell entwickelt und mit einer
konfirmatorischen Strukturanalyse ausgewertet.
Literatur
Steffanowski, A., Nübling, R., Schmidt, J., Löschmann, C. (2006): Patientenbefragung in der
medizinischen Rehabilitation- Computergestütztes Routinemonitoring der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 71,
35-46.
Hopp, F.P. (2000): Qualitätscontrolling im Krankenhaus: Die Gewinnung von Qualitätsindikatoren durch Befragungen zur Patientenzufriedenheit. Bayreuth: PCO.
Schmidt, J., Nübling, R., Lamprecht, F. (1992): Möglichkeiten klinikinterner Qualitätssicherung (QS) auf der Grundlage eines Basis-Dokumentations-Systems sowie erweiterter Evaluationsstudien. Das Gesundheitswesen, 54(2), 70-80.
Jacob, G. (2002): Patientenzufriedenheit in der medizinischen Rehabilitation. Regensburg:
Roderer.
Nübling, R., Steffanowski, A., Körner, M., Rundel, M., Kohl, C., Löschmann, C., Schmidt, J.
(2006): Kontinuierliche Patientenbefragung als Instrument für das interne Qualitätsmanagement in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement, 11, 1-7.
192
Entwicklung eines Instrumentariums zur Qualitätssicherung in der
ambulanten Rehabilitation Abhängigkeitskranker
Kawski, S. (1), Rabung, S. (1), Schulz, H. (1), Bleich, C. (1), Follert, P. (2),
Beckmann, U. (3), Koch, U. (1)
(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V./ Arbeiter-ErsatzkassenVerband e.V. (vdak/AEV), Siegburg, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Hintergrund
Das Hamburger Institut für Medizinische Psychologie war durch die gesetzliche Krankenund Rentenversicherung als Rehabilitationsträger - die das Ziel einer Kooperation in der
Qualitätssicherung der medizinischen Rehabilitation verfolgen - mit der Entwicklung einer
Qualitätssicherungs-Konzeption für den Bereich der ambulanten Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen beauftragt. Die Konzeption sollte die Bereiche der Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität sowie Patientenzufriedenheit umfassen. Dabei sollte die externe Qualitätssicherung der Rehabilitationsträger das interne Qualitätsmanagement der Rehabilitations¬einrichtungen unterstützen. Methodisch war in Zusammenhang mit der im Vergleich zur
stationären Rehabilitation kleinen Einrichtungsgröße und Fallzahl auf Probleme der Stichprobenziehung einzugehen.
Methodik
Da für den Bereich der ambulanten Sucht-Rehabilitation keine ausreichend detaillierten und
repräsentativen Daten über die strukturelle Ausgestaltung vorlagen und sich die Versorgungssituation mit ambulanten Leistungen der Sucht-Rehabilitation wenig übersichtlich darstellte, wurde der Konzeptentwicklung eine explorative Analyse der Versorgungssituation
vorangestellt. Um Fragen nach der Anzahl, der Trägerschaft und dem mengenmäßigen Angebotsumfang in der ambulanten Reha Sucht zu klären, wurde vom Hamburger Institut ein
kurzer Fragebogen entwickelt und eingesetzt, der u. a. Fragen nach Einzugsgebiet, Trägerschaft, Anerkennung durch Kostenträger, Indikationsstellung, Strukturmerkmale der Einrichtungen, Umfang des diagnostischen und rehabilitativen Angebots sowie bisherige Maßnahmen zur Qualitätssicherung umfasst.
Ergebnisse
In der Konzeptentwicklung wurde ein „schlankes“ Qualitätssicherungsverfahren angestrebt,
mit Nutzung auch von bereits etablierten Datenerfassungsroutinen. Dabei waren auch die
unterschiedlichen Zielsetzungen der Rehabilitationsträger zu berücksichtigen.
Als Ausgangsbasis wurden die in den Qualitätssicherungsprogrammen der Renten- und der
Krankenversicherung für den Bereich der stationären Rehabilitation eingesetzten bzw. entwickelten Instrumente und Verfahren genommen. Berücksichtigt wurden auch die „BARRahmenempfehlungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation“ und die „Vereinbarung
über die Zusammenarbeit der GKV und RV bei der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker“.
In Kooperation mit klinischen Experten und Vertretern der Rehabilitationsträger wurde ein
Instrumentarium entworfen, das die Dimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisquali193
tät sowie der Patientenzufriedenheit abdeckt - verbunden mit differenzierten Verfahrensvorschlägen, die auf die Besonderheiten des fokussierten Versorgungsbereichs Rücksicht
nehmen.
Diskussion und Ausblick
Vorbehaltlich noch ausstehender Ergebnisse empirischer Prüfungen wird auf Grund von
Vorerfahrungen mit den Verfahren und Instrumenten aus vergleichbaren Vorhaben davon
ausgegangen, dass einige Instrumente bereits auf dem gegenwärtigen Entwicklungsstand
geeignet sind, die externe Qualitätssicherung der Rehabilitationsträger zu unterstützen. Bei
einzelnen Verfahren werden sich geringe Umfänge der Teilstichproben ungünstig auf die
Eignung zur Diskrimination zwischen Einrichtungen mit ähnlichen Ergebnissen auswirken.
Dies steht jedoch bei der Zuweisungssteuerung im Bereich der ambulanten Rehabilitation
Abhängigkeitskranker nicht im Vordergrund, da die Rehabilitationsträger nur innerhalb begrenzter Spielräume zwischen konkurrierenden Leistungserbringern entscheiden, unter anderem auf Grund der Forderung nach möglichst wohnortnaher Rehabilitation. Als Aufgaben
der externen Qualitätssicherung rücken damit vor allem die Identifikation qualitativ deutlich
unterdurchschnittlicher Reha-Einrichtungen, die Unterstützung bei Qualitätsverbesserungen
und die Orientierung an gut arbeitenden Einrichtungen in den Mittelpunkt. Um die Information für diese Aufgaben bereit zu stellen, sind die entwickelten Instrumente vollauf geeignet.
Da kleine Einrichtungsgrößen den Einsatz von Messverfahren erfordern, die hinsichtlich Bearbeitungsaufwand und -dauer für die Mitarbeiter in angemessenem Verhältnis zum erzielbaren Informationszugewinn stehen, wurden zu einigen der entwickelten Instrumente und
Verfahren alternative Verfahrensvorschläge entworfen. Anders als bei bereits eingeführten
methodischen Zugängen kann - bis eine Studie zur empirischen Absicherung durchgeführt
wird - für diese Verfahren die statistische Sicherheit gegenwärtig lediglich geschätzt werden.
194
Epidemiologie und Reha-Bedarf
Früherkennung von Rehabilitationsbedarf durch Auswertung von
Krankenversicherungsdaten: Erste Ergebnisse einer kontrollierten
randomisierten Evaluationsstudie zu Inanspruchnahme und Outcome
Pollmann, H. (1), Wild, B. (1), Büchner, C. (2)
(1) Klinik Niederrhein der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, Bad NeuenahrAhrweiler, (2) Deutsche Rentenversicherung Rheinland, Düsseldorf
Hintergrund und Zweck der Untersuchung
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Rentenversicherung kommen in Frage, wenn die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist. Wann und ob diese
Leistungen beantragt werden, hängt von Einflussfaktoren wie Krankheitsverlauf, Einstellung
des Versicherten zu Rehabilitation und Kenntnisse über Rehabilitationsleistungen, Anregungen Dritter u. a. ab. Eigene Untersuchungen (Pollmann et al., 2002) zeigten, dass der Aufnahme in die Rehabilitationseinrichtung oft eine längere Arbeitsunfähigkeit vorausgeht und
dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit mit dem Scheitern der beruflichen Wiedereingliederung assoziiert ist.
In einem kontrollierten randomisierten Design wurde geprüft, ob durch eine frühzeitige Erkennung von Rehabilitationsbedarf durch Screening von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Angebot einer Rehabilitationsmaßnahme durch den Rentenversicherungsträger die gesundheitliche Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit
nachhaltig gebessert werden und damit direkte und indirekte Krankheitskosten vermieden
bzw. gesenkt werden können.
Methodik
Die Versichertendaten von zwei Krankenversicherungen im Rheinland wurden hinsichtlich
auffälliger Arbeitsunfähigkeitszeiten und dem Vorliegen von chronischen, prinzipiell rehabilitierbaren Erkrankungen geprüft. Einer aus diesem Datensatz gezogenen Zufallsstichprobe
wurde ein Fragebogen (IRES MIN) zum subjektiven Rehabilitationsbedarf zugesandt. Die
Versicherten, die der Studienteilnahme zustimmten und bei denen ein Rehabilitationsbedarf
aufgrund des Instrumentes bestand, wurden in Interventionsgruppe (IG) und Kontrollgruppe
(KG) randomisiert. Die Interventionsgruppe erhielt, nach Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und Begutachtung durch den ärztlichen Dienst (Pollmann et al.,
2003), ein Rehabilitationsangebot der DRV Rheinland. Für Interventions- und Kontrollgruppe
wurden Kostendaten bei den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung erhoben. Der Gesundheitszustand der Versicherten wurde zum Zeitpunkt der Intervention (T1)
und ein Jahr nach Intervention (T2) mit dem indikationsübergreifenden Selbstbeurteilungsinstrument - Indikatoren des Reha-Status - IRES 3 befragt. Im Folgenden wird über die Inanspruchnahme und die Ergebnisse der Befragung mit dem IRES-Instrument berichtet.
195
Ergebnisse
Rund 32.000 Datensätze erfüllten die Screeningkriterien. Aus diesen wurde eine zufällige
Stichprobe von 5.656 Datensätzen gezogen, die den Fragebogen IRES-MIN erhielten. Lediglich 1.108 (19,5 %) der Versicherten antworteten und erklärten Ihr Einverständnis zur
Teilnahme an der Untersuchung. Bei fast zwei Drittel lag subjektive Rehabilitationsbedürftigkeit (IRES-MIN) vor, von diesen erfüllten aber nur etwas mehr als die Hälfte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation. Letztlich konnten
407 Versicherte in die Studie eingeschlossen werden (Tabelle 1).
Tabelle 1: Rekrutierungsverlauf für die Untersuchung
AOK Rheinland
BKK Ford
Gesamt
Screening-Kriterien erfüllt
27338
5021
32359
Zufalls-Auswahl für Studie
4718
938
5656
17,5 %
Antwort und Einverständnis
928
180
1108
19,6 %
Rehabedürftigkeit nach IRES-MIN
624
98
722
65,2 %
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt
358
49
407
56,4 %
Nach der Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst lag bei 204 von 215 in die Interventionsgruppe randomisierten Versicherten Rehabilitationsbedürftigkeit vor, 192 Versicherte
wurden in die Kontrollgruppe randomisiert. 90 der 204 Versicherten in der Interventionsgruppe (44,1 %) nahmen die angebotene Rehabilitationsleistung in Anspruch. Im Beobachtungszeitraum wurden in der Kontrollgruppe 6 Rehabilitationen durchgeführt. Für 391 Versicherte (NIG=204, NKG=187) konnten die Kostendaten ermittelt werden. Damit ergibt sich
die Auswertungsmatrix in Tabelle 2.
Tabelle 2: Auswertungsmatrix
Interventionsgruppe
Kontrollgruppe
Versichertenzuordnung
204
187
Rehabilitationsangebot
204
0
Durchgeführte Rehabilitationen
90
6
Auswertung ITT (intention to treat)
204
187
Auswertung PP (per protocol)
90
181
Der Rücklauf der IRES-Fragebögen zu T1 und T2 betrug 76,4 bzw. 69,0 %. Für 246
(NIG=118; NKG=128) Versicherte liegen die IRES-Daten für beide Messzeitpunkte vor. Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Befragungen mit dem IRES-Instrument zu T1 und T2 in der
Intention-to-treat-Auswertung, alle Unterschiede sind nicht signifikant.
Auch in der Per-protocol-Analyse fanden sich keine signifikanten Unterschiede in den IRESDimensionen zwischen T1 und T2.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen eine nur geringe Teilnahme an der Untersuchung. Hierfür mag die
Art der Kontaktaufnahme durch ein Anschreiben und die, wegen der erhöhten Anforderungen an den Datenschutz, notwendige ausführliche schriftliche Aufklärung eine Rolle spielen.
196
In einer vergleichbaren Studie (Hüppe et al., 2005), in der die Versicherten von der Krankenversicherung zu Beratungsgesprächen eingeladen wurden, wurden deutlich höhere Teilnahmequoten erzielt. Die geringe Teilnahme ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen.
Tabelle 3: Intention-To-Treat-Auswertung
IRES-Gesamtscore
IRES T2
IRES zu T1
Differenz
Gesamt
IG
KG
Gesamt
IG
KG
Gesamt
IG
KG
MW
5,09
5,02
5,18
4,98
4,80
5,17
-0,11
-0,20
0,01
s
1,36
1,35
1,37
1,49
1,47
1,49
1,07
1,08
1,05
N
246
128
118
246
128
118
246
128
118
Die aufgrund des Screenings und der Befragung mit dem IRES-MIN-Instrument angenommene Rehabilitationsbedürftigkeit wurde vom Ärztlichen Dienst der Rentenversicherung
durchweg bestätigt. Die Inanspruchnahme der angebotenen Rehabilitationsleistungen blieb
allerdings mit 44 % hinter den Erwartungen zurück. Die Verlaufsdaten der subjektiven Lebensqualität über 12 Monate sind in Interventions- und Kontrollgruppe entgegen unseren
Erwartungen nicht signifikant unterschiedlich.
Schlussfolgerung
Obwohl durch das in dieser Studie evaluierte Screeningverfahren Versicherte mit Rehabilitationsbedürftigkeit erkannt werden können, scheint dieser Weg in Bezug auf die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen nicht effizient zu sein. Dies gilt umso mehr unter
Berücksichtigung des hohen Aufwands sowie der geringen Beteiligung und Inanspruchnahme. In der PETRA-Studie (Hüppe et al., 2005) hatte sich ein vergleichbares Verfahren bei
muskuloskeletalen Erkrankungen ebenfalls als nicht überlegen erwiesen. Die Ergebnisse
unserer Untersuchung deuten darauf hin, dass die Gründe hierfür nicht allein krankheitsspezifisch sind.
Literatur
Pollmann, H., Wild, B., Zillessen, E., Kruck, P., Rosemeyer, D., Muthny, F.A. (2003): Rehabilitationsbedürftigkeit bei chronischen Darmkrankheiten: Kann das Zugangsverfahren zur
Rehabilitation verbessert werden? Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation,
63, 292-298.
Pollmann, H., Wild-Mittmann, B., Büchner, C., Pannen, H.D. (2003): Begutachtung von Rehabilitationsantragstellern: Zwischen subjektiver Bedürftigkeit, objektivem Bedarf und Erfolgsprognose. DRV-Schriften, 52, 336-338.
Hüppe, A., Glaser-Möller, N., Raspe, H. (2005): Frustranes Ergebnis der Evaluation eines
Projektes zur Früherkennung von Reha-Bedarf durch Auswertung von AU-Daten (PETRA) - Paradebeispiel einer Regression zur Mitte? DRV-Schriften, 64, 327-328.
197
Prädiktoren der Reha-Antragstellung in einer Bevölkerungsstichprobe
von 4.225 Versicherten der Arbeiterrentenversicherung: Jenseits des
Rubikon
Mittag, O. (1), Meyer, T. (1), Glaser-Möller, N. (2), Matthis, C. (1), Raspe, H. (1)
(1) Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Lübeck),
(2) Deutsche Rentenversicherung Nord, Lübeck
Hintergrund
Medizinische Rehabilitation ist in Deutschland grundsätzlich eine Antragsleistung. Über die
Prozesse, die im Einzelfall zur Stellung eines Antrages auf Rehabilitation führen, ist erstaunlich wenig bekannt. Vorliegende Daten deuten darauf hin, dass die zeitliche Wegstrecke
zwischen der subjektiven Rehabilitationsbedürftigkeit und der tatsächlichen Antragsstellung
ausgedehnt ist (z. B. Zimmermann et al., 1999a) und dass die Antragsintention von objektiven Gegebenheiten (z. B. der beruflichen Situation) sowie persongebundenen Faktoren
(z. B. frühere Rehabilitationserfahrung) moduliert wird (z. B. Maier-Riehle, Schliehe, 1999;
Zimmermann et al., 1999b). Ziel der Untersuchung war, Indikatoren der Reha-Antragstellung
in einer großen Versichertenstichprobe zu untersuchen und auf diese Weise zur Aufklärung
des Antragsgeschehens beizutragen.
Methode
Die Stichprobe entstammt einer Kohorte von initial berufstätigen LVA-Versicherten der Geburtsjahrgänge 1944 bis 1958 aus Lübeck und Umgebung. Die Nettokohorte umfasst 4.439
Probanden, die zwischen April 1999 und Juli 2000 mittels eines umfassenden Fragebogens
untersucht wurden. Von insgesamt 4.386 dieser Probanden liegen uns u. a. die folgenden
Outcomedaten aus den Versichertenkonten vor: Rehaanträge mit Daten, Erledigungsart,
Rehabeginn und -ende. Der erfasste Nachbeobachtungszeitraum beträgt im Mittel 4,75 Jahre (Range: 3,9 - 5,4).
Ergebnisse
Nach dem Ausscheiden von Versicherten, die bereits vor der postalischen Befragung einen
Renteantrag gestellt hatten, verblieben 4.225 Probanden (= 95 % der Nettokohorte). Im
Nachbeobachtungszeitraum wurden 897 (erste) Reha-Anträge gestellt. Von diesen Anträgen wurden 784 (= 87,4 %) bewilligt, 106 (= 11,8 %) wurden abgelehnt und 7 Anträge
(0,8 %) waren zum Stichtag noch nicht entscheiden. Die Zahl der Rehaanträge von Versicherten mit (initial) subjektivem Rehabedarf nimmt über die ersten vier Jahre nach der postalischen Befragung kontinuierlich ab, während der Anteil von Reha-Anträgen von Versicherten ohne initialen Rehabedarf zunimmt (vgl. Abbildung 1).
Die weitere Auswertung erfolgte durch eine logistische Regressionsanalyse. Als stärkste
(kategoriale) Prädiktoren erwiesen sich die subjektive Rehabilitationsbedürftigkeit (OR =
2,24; 95 %-CI: 1,64-3,05) sowie die Anzahl eventuell bereits früher durchgeführter Rehabilitationsmaßnahmen. Unabhängig von Geschlecht, Alter, subjektivem Rehabedarf, Anzahl
chronischer Erkrankungen, Funktionsbedarf etc. erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer
erneuten Antragstellung um fast 70 Prozent, wenn bereits früher eine Rehamaßnahme er-
198
folgt war (OR = 1,68; 95 %-CI: 1,39-2,04); bei drei oder mehr früheren Maßnahmen ist die
Wahrscheinlichkeit um über 150 Prozent erhöht (OR = 2,57; 95 %-CI: 1,88-3,52).
Abbildung 1: Anteil der Versicherten mit und ohne subjektiven Rehabedarf zu Studienbeginn, die in den ersten vier Jahren nach der postalischen Befragung einen Rehaantrag gestellt haben (das letzte, nicht mehr vollständig erfasste Jahr, wurde weggelassen)
6%
5,4%
5,1%
4,9%
5%
4,1%
4%
3%
2%
1%
0%
ohne subj. Rehabedarf
mit subj. Rehabedarf
1. Jahr
2. Jahr
3. Jahr
4. Jahr
Diskussion
Die Ergebnisse zum zeitlichen Verlauf der Reha-Antragstellungen sprechen zunächst einmal dafür, dass der langfristige Zusammenhang zwischen subjektivem Rehabedarf und Antragsverhalten enger ist, als dies nach bisher vorliegenden Befunden vermutet wurde. Auffallend ist der starke Zusammenhang zwischen früheren Rehamaßnahmen und einer erneuten Antragstellung. Versicherte, die bereits ein- oder mehrmals an Rehamaßnahmen teilgenommen haben, stellen mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit einen erneuten Antrag als
solche, die bislang noch nie in Reha waren. Wir gehen davon aus, dass dies die Grenze
zwischen der motivationalen und späteren volitionalen Phasen im Handlungsprozess markiert (vgl. Heckhausen, 1989): Die erneute Stellung eines Rehaantrages wird deutlich erleichtert, wenn dieser Rubikon bereits früher einmal überschritten wurde.
Literatur
Heckhausen, H. (1989): Motivation und Handeln. Berlin: Springer.
Maier-Riehle, B., Schliehe, F. (1999): Rehabilitationsbedarf und Antragsverhalten. Die Rehabilitation, 38 (Suppl. 2), 100-115.
Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R., Raspe, H. (1999a): Subjektive Rehabilitationsbedürftigkeit, Antragsintention und Antragstellung auf medizinische Rehabilitation Ergebnisse einer Befragung von LVA-Versicherten. Die Rehabilitation, 38 (Suppl. 2), 122127.
Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R., Raspe, H. (1999b): Determinanten der Antragstellung auf eine medizinische Rehabilitation - Ergebnisse einer Befragung von Versicherten der LVA Schleswig-Holstein. Das Gesundheitswesen, 61, 292-298.
199
Zusammenhänge zwischen subjektivem und objektivem
Rehabilitationserfolg: Zur Vorhersagbarkeit der Rentenantragstellung
über Ergebnisse der Rehabilitandenbefragung und ärztliche
Leistungsbeurteilungen
Widera, T., Beckmann, U.
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Hintergrund und Fragestellung
Die Rentenversicherung erbringt nach § 9 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit dem vorrangigen Ziel einer dauerhaften Wiedereingliederung des Rehabilitanden in
Beruf und Gesellschaft und der Abwendung eines vorzeitigen Eintritts der Erwerbsminderung. Die Antragstellung auf eine Erwerbsminderungsrente nach Abschluss einer medizinischen Rehabilitation kann daher als „missglückte“ Rehabilitation angesehen werden.
Die Rentenversicherung verfügt mit den Ergebnissen der Rehabilitandenbefragung, den
ärztlichen Reha-Entlassungsberichten und der Reha-Statistik-Datenbasis (RSD) über Instrumente, welche es erlauben, Rehabilitations- und Berentungsgeschehen im Zusammenhang zu analysieren und dabei zwischen subjektiven Angaben des Rehabilitanden, objektiven Aussagen des behandelnden Arztes und prozessproduzierten Verwaltungsdaten zum
weiteren Erwerbsverlauf der Versicherten nach einer Rehabilitation zu unterscheiden
(Klosterhuis et al., 2004; Rehfeld, Klosterhuis, 2005).
Vor diesem Hintergrund werden folgende Fragen untersucht: Ist es möglich, mit den subjektiven Angaben des Rehabilitanden und den objektiven Aussagen des behandelnden Arztes
diejenigen Rehabilitanden zu identifizieren, welche im Zeitraum 6 Monate nach einer abgeschlossenen Rehabilitation einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen? Wie hoch ist
die Trefferquote? Wie unterscheiden sich diejenigen Rehabilitanden, welche einen Antrag
auf eine Erwerbsminderungsrente stellen, von denjenigen Rehabilitanden, welche davon
absehen und einen anderen Erwerbsverlauf nach einer Rehabilitation nehmen?
Methodik
Die Untersuchungsstichprobe bezieht sich auf Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund, welche im Jahre 2005 ihre Rehabilitation abgeschlossen haben (N = 18.938).
Zum einen werden die Ergebnisse der Rehabilitandenbefragung in den somatischen Indikationsbereichen ausgewertet. Im Zentrum steht hier die subjektive Zufriedenheit mit der Behandlung und der Rehabilitationserfolg aus Patientensicht (Dorenburg et al., 2001). Zum
anderen werden die dazugehörigen Entlassungsberichte der Rehabilitanden analysiert, welche alle notwendigen Informationen über die durchgeführte Rehabilitation, das klinische Behandlungsergebnis und den Umfang der fortbestehenden funktionellen Beeinträchtigungen
mit ihrem Einfluss auf das Leistungsvermögen im Erwerbsleben enthalten (Beckmann et al.,
2002). Ferner wurden die anonymisierten Rentendaten dazugespielt.
Die Vorhersage der Rentenantragstellung über Ergebnisse der Rehabilitandenbefragung
und ärztliche Leistungsbeurteilungen basiert auf dem Verfahren der Diskriminanzanalyse.
Andere Erwerbsverläufe nach einer Rehabilitation werden dabei kontrolliert. Die Unterschie-
200
de zwischen Rehabilitanden mit und ohne Antragstellung auf eine Erwerbsminderungsrente
werden über χ2- und t-Tests geprüft (α=0,05).
Ergebnisse
Es können 83 % der innerhalb eines Zeitkorridors von 6 Monaten nach der Rehabilitation
beantragten Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente richtig vorhergesagt werden. Insgesamt sechs unabhängige Variablen eignen sich am besten dazu, die Gruppe der Nichtrentenantragsteller von der Gruppe der Rentenantragsteller zu trennen: Rentenantragsteller
wähnten sich seltener in der richtigen Klinik (70 % zu 83 % positive Urteile), nahmen weniger günstige Reha-Einflüsse auf ihren allgemeinen Gesundheitszustand wahr (63 % zu
80 % positive Urteile), ihre Schmerzbelastung blieb häufiger unverändert (28 % zu 7 %
Stagnation), sie erhielten seltener eine Arbeitstherapie oder Belastungserprobung während
der Reha (7 % zu 13 % Teilnahmen), ihr Gesamturteil zur durchgeführten Rehabilitation fiel
verhaltener aus (80 % zu 92 % positive Urteile) und sie gaben häufiger zu, eine Rentenantragsabsicht zu hegen (12 % zu 8 % berichtete Intentionen).
Dabei wird ein positives Gesamturteil zur Reha insbesondere dann gezogen, wenn die Rehabilitationseinrichtung dem Patienten zusagt, die Gesamtbefindlichkeit sich durch die Rehabilitation verbessert, die Rehabilitation eine Schmerzreduktion bewirkt, die Abstimmung
der Reha-Ziele zwischen Arzt und Patient gelingt, die Beurteilung des Leistungsvermögens
zwischen Arzt und Patient übereinstimmt, das Gesamturteil über alle erhaltenen Behandlungen und Schulungen überdurchschnittlich ausfällt und der urteilende Patient einer älteren
Alterskategorie angehört.
Diskussion und Ausblick
Subjektivität wird oft mit Unsachlichkeit, Voreingenommenheit und Beeinflussung durch persönliche Gefühle, Interessen oder Vorurteile gleichgesetzt. Als Bedingung der Objektivität
von Forschung gilt häufig, von der (eigenen) Person abzusehen. Nichtsdestotrotz erweisen
sich Patientenurteile zur durchgeführten Rehabilitation als wichtige in die Diskriminanzfuntion eingebezogene Variable zur Vorhersage der Antragstellung auf eine Erwerbsminderungsrente. Offenbar ist die subjektive Einschätzung der Rehabilitation durch den Patienten
ein guter Indikator für das Reha-Outcome. Die Ergebnisse sollten bei der Ausgestaltung der
Rehabilitation berücksichtigt werden, um einen vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben noch stärker entgegenzuwirken.
Literatur
Beckmann, U., Grünbeck, P., Mitschele, A. (2002): Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung
und ihre Aussagekraft im Zusammenhang mit Ergebnissen aus der Patientenbefragung.
In: Tagungsband zum 11. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium, Teilhabe durch
Rehabilitation, vom 4. bis 6. März 2002 in München: 540 -541.
Dorenburg, U., Huck-Langer, K., Nischan, P., Winnefeld, M. (2001): Kontinuierliche, klinikvergleichende Patientenbefragung im Reha-Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung: Konzept, Methodik, Erfahrungen. Forum Sozial- und Gesundheitspolitik:
361-369.
Klosterhuis, H., Zollmann, P., Grünbeck, P. (2004): Verlaufsorientierte Auswertungen zur
Rehabilitation - aktuelle Ergebnisse aus der Reha-Statistik-Datenbasis. DRV-Schriften
Bd. 5, 287-296.
201
Rehfeld, U., Klosterhuis, H. (2005): Daten der Rentenversicherung (RV) für Sekundäranalysen zur Erwerbstätigkeit, Alterssicherung, Rehabilitation und Berentung. In: Swart et al.,
(Hrsg.): Routinedaten im Gesundheitswesen, Bern: Huber, 149-165.
Den Arbeitsmarkt als Frühberentungsgrund - zur Spezifik
arbeitsmarkbedingter ErwerbsminderungsrenterInnen
Schubert, M., Behrens, J., Höhne, A., Schaepe, C., Zimmermann, M.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft
Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung
Personen, die aufgrund gesundheitlicher Leistungseinschränkungen nur teilweise am Erwerbsleben teilnehmen können, erhalten trotzdem eine volle Erwerbsminderungsrente,
wenn der Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen gilt.
Das Beschäftigungsrisiko gesundheitlich beeinträchtiger Personen ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen (Behrens, 1994; Viebrok, 2004). Bei der Berentung gesundheitlich beeinträchtigter Personen ist des Weiteren die individuelle Möglichkeit der Partizipation am Erwerbsleben zu prüfen (Rehfeld, 2006). Häufig können trotz verbliebener Leistungsfähigkeit
den Betroffenen keine adäquaten Teilzeitarbeitsplätze angeboten werden (Schubert et. al.,
2006).
Vor diesem Hintergrund wird folgnden Fragen nachgegangen:
- Wie ist der Umfang und was sind Spezifika des Personenkreises der Frühberenteten
wegen „verschlossenen Arbeitsmarktes“?
- Inwieweit unterscheidet sich dieser Personenkreis von anderen ErwerbsminderungsrentnerInnen?
- Welche Faktoren beeinflussen die Frühberentung wegen „verschlossenen Arbeitsmarktes“?
Methodik, Studiendesign
Als Datengrundlage unserer Analyse wird der Versichertenrentenzugang 2003 aus den Versichertendaten der DRV sowohl als Basisfile als auch als Themenfile „Erwerbsminderung
und Diagnosen“ verwendet, welche vom Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung
(FDZ-RV) als Scientific Use File bereitgestellt werden. Diese Routinedaten der Rentenversicherung, die für wissenschaftliche Zwecke aufbereitet wurden, sind dabei zehn- bzw. zwanzigprozentige Zufallsstichproben aus dem Gesamtrentenzugang.
Darüber hinaus finden zur komparativen Analyse amtliche Daten des Mikrozensus 2003 und
der Arbeitslosenstatistik Anwendung.
Ergebnisse
Etwa 17 % aller ErwerbsminderungsrentnerInnen werden aufgrund „verschlossenen Arbeitsmarktes“ frühberentet.
Bei der kombinierten Auswertung des Rentenzugangs wegen Erwerbsminderung mit der
amtlichen Arbeitslosenstatistik auf regionaler Ebenen lässt sich sowohl ein Zusammenhang
202
zwischen der Arbeitslosenquote und dem Anteil der ErwerbsminderungsrentnerInnen (EMR)
an allen Rentenzugängen herausarbeiten, als auch ein Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote und Erwerbsminderungsrenten aufgrund „verschlossenen Arbeitsmarktes“.
Die Variablen Geschlecht, Region, Bildungsstand, Anrechnungs- und Beitragszeiten zur
Rentenversicherung sowie die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen beeinflussen eine
Berentung mit Arbeitsmarkthintergrund. Hierbei dominieren Personen mit Tätigkeiten, die
mit hohen physischen Belastungen (z. B. Bauberufe, Fahrer, Reinigungskräfte, Pflegekräfte)
verbunden sind. Diese starken gesundheitlichen Belastungen führen zu einer überdeutlichen
Dominanz von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates bei den Verrentungsdiagnosen.
Die Befunde zu rehabilitativen Aspekten des Frühberentungsgeschehens zeigen, dass Personen, denen (auch) bei Rentenantrag eine höhere (Rest-)Leistungsfähigkeit bescheinigt
wird, häufiger die Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe ermöglicht wird. Die Ergebnisse
zur Antragsumdeutung zeigen zudem, dass der Grundsatz „Reha vor Rente“ auch in der
praktischen Antragsbearbeitung eine wichtige Bedeutung besitzt, da die Tatsache einer
durchlaufenen Rehabilitation später deutlich häufiger zu einer Umdeutung führt.
Diskussion
Die Analyse weist erstens nach, dass dieser Personenkreis mittels soziodemographischer
und erwerbsbiographischer Variablen spezifisch beschrieben werden kann. Dabei lässt sich
herausarbeiten, dass es sich beim Personenkreis von arbeitsmarktbedingt Berenteten nicht
um Personen in einem spezifischen, früheren Stadium des Invaliditätsprozesses handelt, die
Personen also nicht zeitlich früher in Erwerbsminderungsrente gehen als Vollrentner, sondern sich diese Personen in signifikanter Weise von anderen Erwerbsminderungsrentnern
unterscheiden.
Zweitens zeigen die deutlich verstärkten Bemühungen um Reintegration mittels Rehabilitationsleistungen die Grenzen sozialpolitischer Partizipationsleistungen auf. Eine individuell
äußerst erfolgreiche medizinische Rehabilitation kann jedoch aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen das gesellschaftliche Integrationsziel verfehlen.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Vor dem Hintergrund des vorhandenen Leistungsvermögens, des sozialpolitischen Ziels der
Teilhabe (am Arbeitsleben) und der enormen gesellschaftlichen Kosten von Frühberentungen (Clouth, 2004) scheinen (mindestens) zwei Schlussfolgerungen sinnvolle Handlungsoptionen zu sein.
Sozialmedizinisch könnte ein frühzeitiges Risikoscreening potentielle Rehabilitationsbedarfe
erfassen und durch adäquate Leistungen einer teilweisen Erwerbsminderung (welche meist
aufgrund des verschlossenen Arbeitsmarktes zu einer vollen Berentung führt) vorgebeugt
werden. Sozialpolitisch ist die schon lange formulierte Forderung nach flexiblen Beschäftigungsverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt auch für gesundheitlich eingeschränkte Personen
neu zu überdenken.
Literatur
Behrens, J. (1994): Der Prozess der Invalidisierung - das demographische Ende eines historischen Kompromisses. In: Behrend, Christoph (Hrsg.): Frühinvalidität - ein Ventil des Ar203
beitsmarktes? Beruf- und Erwerbsunfähigkeitsrenten in der sozialpolitischen Diskussion.
Berlin. 105-135.
Clouth, J. (2004): Kosten der Frühverrentung am Beispiel der Schizophrenie. Psychiatrische
Praxis. 31 (Supplement 2), 238-245.
Rehfeld, U.G. (2006): Gesundheitsbedingte Frühberentung. Berlin, Robert Koch-Institut,
Heft 30.
Schubert, M., Behrens, J., Höhne, A., Schaepe, Ch., Zimmermann, M. (2006): Erwerbsminderungsrenten wegen verschlossenem Arbeitsmarkt - der Arbeitsmarkt als Frühberentungsgrund. In: DRV-Schriften (im Druck).
Viebrok, H. (2004): Absicherung bei Erwerbsminderung. Expertise für die Sachverständigenkommission für den fünften Altenbericht der Bundesregierung. Bremen.
Erwerbsstatus fünf Jahre nach stationärer Rehabilitation - erste
Ergebnisse einer prospektiven Langzeitstudie
Neuner, R.
Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm
Einleitung
Die Datenerhebung im Rahmen der prospektiven Langzeitstudie „Prädiktive Validierung von
Therapiezielen am Frühberentungsrisiko 3-5 Jahre nach der Rehabilitation“ (Schochat et al.,
2000) wurde nach fünf Jahren erfolgreich abgeschlossen. Es liegen Daten von 1300 stationären Rehabilitanden zu allen acht Messzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende, 6 MonatsKatamnese, 1 bis 5 Jahre nach Rehabilitation im jährlichen Abstand) vor.
Der Beitrag soll einen ersten Eindruck vermitteln und konzentriert sich hauptsächlich auf den
Verlauf im Hinblick auf den Erwerbsstatus. Weitergehende Aussagen sollen erst gemacht
werden, wenn die prädiktive Validität des IRES-Mini genauer untersucht worden ist.
Datengrundlage
Für die ersten vier Erhebungen wurde der IRES-3 danach eine Kurzversion eingesetzt. Die
vorliegende Analyse beschränkt sich auf Probanden, für die zum ersten (Reha-Beginn) und
letzten Messzeitpunkt (5 Jahre nach Reha) an der Untersuchung teilgenommen haben
(N=1312). Die verwendete Kurzversion (IRES-Mini) enthält in gekürzter Form die somatische, funktionelle und psychische Dimensionen sowie die Schmerzskala der Langversion
(insgesamt 34 Items).
Ergebnisse
Zum Beginn der Studie wurden ausschließlich erwerbsfähige Personen zwischen 45 und 57
Jahren rekrutiert. Das Durchschnittsalter liegt bei Ende der Befragung bei 56 Jahren (STD
3,6). Die Stichprobe umfasst 829 Männern (63 %) und 483 Frauen. 986 Probanden mit einer
muskuloskelettalen Erkrankung (75 %) stehen 102 Personen (8 %) mit kardiovaskulärer und
81 Rehabilitanden mit Fibromyalgie als rehabilitationsführende Diagnose gegenüber.
204
Der Anteil der erwerbstätigen Personen nimmt während fünf Jahre stetig von 93% (N=1190)
auf 64 % (N=824) ab. Befristete oder unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente trat bei knapp
9 % (N=111) ein. 234 Probanden waren am Ende berentet (18 %).
Die Korrelationen des Gesamtwertes weisen über die Messzeitpunkte recht hohe Werte auf
(Tabelle 1). Somit ist der Ausgangswert - unabhängig vom Verlauf der Rehabilitation - ein
guter Prädiktor für den Endzustand 5 Jahre später.
Tabelle 1: Korrelation Gesamtwert über die Messzeitpunkte (Spearman’s ρ) a
Ende
Beginn
Reha
a
6 Mona- 12 Mo-
24 Mo-
36 Mo-
48 Mo-
60 Mo-
Reha
te
nate
nate
nate
nate
nate
0,72
0,70
0,69
0,62
0,61
0,63
0,60
adjustiert für Alter, Geschlecht und Anzahl weiterer Rehamaßnahmen
In dieses ‚statische’ Bild passt auch der Verlauf des Gesamtwertes (Mittelwert aller Items)
dichotomisiert nach Erwerbstätigkeit fünf Jahre nach Rehabilitation. Neben dem kurzfristigen
positiven Effekt fällt der gleich bleibende Abstand zwischen beiden Gruppen auf. D. h. diejenigen Personen, die auch fünf Jahre später noch im Erwerbsleben stehen, hatten während
des gesamten Beobachtungszeitraumes bessere Werte (Abbildung 1). Beide Gruppen zeigen eine schwache, zu vernachlässigende Verschlechterung über die Jahre (SRMt0-t7=-0,1).
Range 0-10 (Optimum)
Abbildung 1 Gesamtwert nach Erwerbsstatus (t7) über die Messzeitpunkte
7,0
6,5
6,0
5,5
5,0
4,5
4,0
Beginn
Ende
6 Monate
12
Monate
nein
24
Monate
36
Monate
48
Monate
60
Monate
erw erbstätig t7
Innerhalb von fünf Jahren wurden 551 weitere Maßnahmen berichtet. Bei einem Viertel der
Probanden wurde eine weitere Maßnahme durchgeführt (N=345). Bei 7 % fanden zwei weitere und bei 2 % (N=25) drei weitere Rehabilitationsaufenthalte statt.
Zusammenfassung und Diskussion
Die Daten offenbaren recht kontinuierliche Verläufe (Beck et al., 2006). Von den initial Erwerbstätigen stehen fünf Jahre später noch 70 % im Beruf. Ein langfristiger Effekt der Rehabilitationsmaßnahme (t0) ist auf den ersten Blick nicht zu beobachten. Weitere Analysen
werden sich mit Prädiktoren der Langzeiteffektivität beschäftigen.
205
Literatur
Schochat, T., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2000): Prädiktive Validierung von Therapiezielen
am Frühberentungsrisiko 3-5 Jahre nach der Rehabilitation. In: Bengel, J., W. H. Jäckel
(Hrsg.): Zielorientierung in der Rehabilitation - Rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsverbund Freiburg / Bad Säckingen. Roderer, Regensburg, 119-124.
Beck, L., Busche, T., Mau, W. (2006): Verlauf und Prädiktion des Rehabilitationserfolgs fünf
Jahre nach ambulanter orhopädisch-rheumatologischer Rehabiliation. DRV-Schriften
Band 64, 329f.
206
Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster)
Das Krankheitsspektrum von Erwerbsminderungsrentnern mit
Migrationshintergrund
Höhne, A., Behrens, J., Schubert, M., Schaepe, C., Zimmermann, M.
Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Fragestellung und Hintergund
Das Teilprojekt C5 „Rehabilitation zwischen Transformation und Weiterentwicklung“ des
SFB 580 „Gesellschaftliche Entwicklung nach dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition
und Strukturbildung“ untersucht unterschiedliche Akteursperspektiven im Falle gesundheitsbedingter Exklusionsrisiken aus dem Erwerbsleben. Das Vorliegen einer Erwerbsminderung
schränkt die Teilhabe am Erwerbsleben nachhaltig ein. 2003 betrug der Anteil der Erwerbsminderungsrenten an allen Rentenzugängen bei den in Deutschland lebenden Versicherten
18 % (Höhne et al., 2006). Der stetige Rückgang der gesundheitsbedingten Frühberentungen, deren Anteil 2001 noch 25 % betrug (Autorenteam PRVE, 2004), ist auch demographisch bedingt, denn die Geburtsjahrgänge, die auf die Altersgruppen mit einem hohen Erwerbsminderungsrisiko entfallen, sind aufgrund kriegsbedingter Geburtenausfälle geringer
besetzt (Rehfeld, 2006). In den kommenden Jahren wird dem Thema des gesundheitsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben aufgrund der demographischen
Alterung der Bevölkerung große Beachtung geschenkt werden müssen. Während das für
Erwerbsminderung hauptsächlich verantwortliche Krankheitsspektrum in Deutschland im
Großen und Ganzen als bekannt gelten kann, liegen kaum Untersuchungen zum diagnosespezifischen Ursachenspektrum der Frühberentungen bzw. zum Frühberentungsgeschehen
generell von Migranten in Deutschland vor (Korporal, Dangel, 2004). Dabei ist bekannt, dass
die ab den 1960er Jahren angeworbenen Arbeitsmigranten überdurchschnittlich häufig in
physisch sehr belastenden Arbeitsbereichen tätig waren (BMFSFJ, 2005). Vor diesem Hintergrund wird untersucht, welche Bedeutung Erwerbsminderung bei den Migranten in
Deutschland im Berentungsgeschehen einnimmt und welche Charakteristika diese Personengruppe von den deutschen Erwerbsminderungsrentnern in Ost- und Westdeutschland
unterscheiden.
Datenbasis und Methodik
Auf Datenbasis des „Versichertenrentenzugangs 2003“ (einschließlich des Themenfiles Erwerbsminderung und Diagnosen, N=34.872, Zufallsstichprobe von 20 % der Zugänge in Erwerbsminderungsrente 2003) der Deutschen Rentenversicherung, einer systematischen Zufallsauswahl von 10 % aller Rentenzugänge 2003 (N=100.298) wird das Krankheitsspektrum
derjenigen Versicherten aufgezeigt, die in diesem Jahr aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig berentet wurden. Die Analysen werden getrennt für die alten und neuen Bundesländer
durchgeführt. In die Analyse eingeschlossen werden diejenigen Versicherten, die in
Deutschland leben und deren Staatsangehörigkeit bekannt ist.
207
Ergebnisse
Der Anteil der Erwerbsminderungsrenten an allen Rentenzugängen 2003 liegt bei den
Migranten (31,3 %) deutlich höher als bei Deutschen (17,8 %), wobei deutliche Ost-WestUnterschiede zu konstatieren sind: Der Anteil der Erwerbsminderungsrenten am Gesamtrentenzugang beträgt bei den Deutschen in Ostdeutschland 21 % und in Westdeutschland
17 %. Männer sind bei den aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig berenteten Migranten
überrepräsentiert gegenüber den deutschen Männern (61 % vs. 56 %). Die Erwerbsminderungsrentner mit Migrationshintergrund gehen rund 1 Jahr später als die Deutschen in Rente
(51,4 J. vs. 50,1 J.), wobei hier wiederum deutliche Ost-West-Unterschiede zu verzeichnen
sind (West: 50,2 J., Ost: 49,8 J.). An erster Stelle für den Übergang in eine Erwerbsminderungsrente stehen sowohl bei den Deutschen (in Ost und West) als auch bei den Migranten,
jeweils bei beiden Geschlechtern, psychische und Verhaltensstörungen (Anteil bei den
Deutschen: 29 %, Migranten: 34 %). Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems und des
Bindegewebes nehmen bei beiden Bevölkerungsgruppen Platz 2 ein (jeweils 20 %). Während Neubildungen die dritthäufigste Frühberentungsdiagnose bei den Deutschen sind
(15 %), nehmen bei den Migranten diesen Platz Kreislaufkrankheiten ein (14 %). Zwischen
Deutschen und Migranten gibt es erhebliche Unterschiede in der Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitationsleistungen in den letzten 5 Jahren vor Rentenbeginn. Während fast
jeder zweite Deutsche (48 %; West: 47 %, Ost: 51 %) medizinische Reha-Leistungen nutzte,
liegt der Anteil bei den Migranten nur bei 35 %. Auch unsere Analysen bestätigen, dass
Migranten häufiger in körperlich stark belastenden Tätigkeiten (via Reinigungskräfte, Baugewerbe, produzierendes und verarbeitendes Gewerbe) vor dem gesundheitlich bedingten
vorzeitigen Rentenbeginn beschäftigt waren als deutsche Erwerbsminderungsrentner.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Analysen zeigen, dass die Gruppe der Erwerbsminderungsrentner mit Migrationshintergrund in vielen Aspekten den deutschen Erwerbsminderungsrentnern in Ost- und Westdeutschland ähnelt. Allerdings zeigen sich bedeutsame Unterschiede im Krankheitsspektrum, in der Inanspruchnahme medizinischer Reha-Maßnahmen und im physischen Belastungsspektrum der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit. Die aufgrund der jahrzehntelang ausgeübten körperlich anstrengenden und oft unter schlechten Arbeitsbedingungen ausgeübten
Tätigkeiten gesundheitlich besonders vulnerable Gruppe der in den 1960er bis 1980er Jahren in der Türkei, Italien, Griechenland usw. angeworbenen Arbeitsmigranten kommen in
den nächsten Jahren verstärkt ins Rentenalter. Zudem wird der Anteil von Menschen mit
Migrationshintergrund in Deutschland weiter zunehmen. Eine Weiterverfolgung dieser Thematik erscheint daher lohnenswert.
Literatur
Autorenteam PRVE (2004): Prävention und Rehabilitation zur Verhinderung von Erwerbsminderung (PRVE). Köln.
BMFSFJ (2005): Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik
Deutschland. Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Beitrag älterer
Menschen zum Zusammenhalt der Generationen. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.
Höhne, A., Behrens, J., Schaepe, Ch., Schubert, M., Zimmermann, M. (2006): Soziale Determinanten eines krankheitsbedingten vorzeitigen Rentenbeginns. Erwerbsminderungs208
renten und medizinische Rehabilitation in regionaler Perspektive. In Medizintechnischer
und soziodemographischer Wandel. Herausforderungen an die psychosoziale Medizin.
Gemeinsamer Kongress - Deutsche Gesellschaft für Medizinische Psychologie (DGMP)
und Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS), Hrsg. von Yve StöbelRichter, A. Hinz et al. (2004): Lengerich: Pabst Science Publishers, (116).
Korporal, J., Dangel, B. (2004): Die Gesundheit von Migrantinnen und Migranten als Voraussetzung für Beschäftigungsfähigkeit im Alter. Expertise im Auftrag der Sachverständigenkommission "5. Altenbericht der Bundesregierung". Berlin.
Rehfeld, U.G. (2006): Gesundheitsbedingte Frühberentung. Robert Koch-Institut. Beiträge
zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Heft 30.
Prädiktoren von Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität ein Jahr nach
schweren Brandverletzungen
Renneberg, B. (1), Brenner, C. (2), Ripper, S. (2,3), Germann, G. (2)
(1) Goethe-Universität Frankfurt, (2) BG-Unfallklinik Ludwigshafen, (3) Universität
Heidelberg
Theoretischer Hintergrund
Brandverletzungen sind für Betroffene schwerwiegende, traumatische Erlebnisse. Sie führen
häufig zu verringerter Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit (Fauerbach et al., 2000). Viele
Brandverletzte erleben eine zügige und unproblematische Rückkehr ins Arbeitsleben. Bei
etwa 30 % der Betroffenen erweist sich der Wiedereingliederungsprozess jedoch als sehr
langwierig und schwierig. Der Heilungsverlauf wird erwartungsgemäß von medizinischen
Variablen wie z. B. der Verbrennungsschwere mitbestimmt (Helm, Walker, 1992). Dem Einfluss psychologischer Variablen, die sich auf das Gelingen des Rehabilitationsprozesses
auswirken, wurde bislang nur wenig Beachtung geschenkt. Für viele Betroffene ist das erste
Jahr nach dem Unfall durch die Anpassung an die Unfallfolgen und somit durch zahlreiche
soziale, familiäre und berufliche Veränderungen geprägt. Ziel dieser Studie ist, die langfristige Entwicklung von Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit zu prognostizieren. Als Prädiktoren
werden medizinische und psychologische Faktoren einbezogen, die unmittelbar nach dem
Unfall erfasst wurden.
Methodik und Studiendesign
In einer Multicenterstudie werden neben soziodemographischen, unfallbezogenen und medizinischen Aspekten auch psychosoziale Faktoren, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von
Brandverletzten erfasst. Die Datenerhebung erfolgt deutschlandweit in fünf BG-Kliniken.
Einbezogen werden stationäre Brandverletzte ab 16 Jahren. Katamneseerhebungen finden
6 und 12 Monate später statt. Zur Vorhersage von Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit werden regressionsanalytische Modelle erstellt.
Ergebnisse
Daten von über 190 Patienten liegen 6 Monate, von 100 Patienten 1 Jahr nach dem stationären Aufenthalt vor.
209
Arbeitsfähigkeit:
Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitsdauer von annähernd 20 Wochen liegt deutlich über
den aus dem angloamerikanischen Raum bekannten Angaben von ca. 10 Wochen (Brych et
al., 2001). Rund 2/3 der Betroffenen können nach relativ kurzem stationären Aufenthalt wieder ins Arbeitsleben integriert werden. ABSI-Score (Maß für die Verbrennungsschwere) und
die Depressivität kurz nach dem Unfall sind die besten Prädiktoren für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Lebensqualität:
Die körperliche Lebensqualität 1 Jahr nach dem Unfall wird durch die Verbrennungsschwere
(ABSI-Score) und die Schwere posttraumatischer Symptome als Reaktion auf das Unfallgeschehen vorhergesagt. Wesentliche Prädiktoren der psychischen Lebensqualität eines Patienten sind ein depressiver Verarbeitungsstil im Umgang mit dem Unfall sowie die Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals Neurotizismus. Insgesamt tragen psychische Faktoren,
die kurz nach dem Unfall erhoben wurden, bedeutsam zur Vorhersage der Lebensqualität
bei.
Diskussion
Neben der Verletzungsschwere sind psychische Faktoren für die Vorhersage der Dauer der
Arbeitsunfähigkeit und der körperlichen Lebensqualität Brandverletzter 1 Jahr nach dem Unfall unbedingt zu berücksichtigen. Die Varianz in der psychischen Lebensqualität lässt sich
zu einem erheblichen Teil allein durch psychische Faktoren aufklären, während die Verletzungsschwere hier keinen Einfluss hat. Somit kann durch die Aufnahme psychologischer
Variablen in die Regressionsmodelle eine Risikogruppe unter den Brandverletzten identifiziert werden, die besonders lange arbeitsunfähig bleibt und niedrige Lebensqualität berichtet.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Bei schwerverletzten Patienten mit erhöhter Depressivität ist verstärkt mit langer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Ein depressiver Krankheitsverarbeitungsstil, erhöhter Neurotizismus
und ausgeprägte posttraumatische Belastung nach einem Brandunfall gehen mit niedriger
Lebensqualität 1 Jahr später einher. Zur Prävention von psychischen Störungen nach
Brandverletzungen, zur Beschleunigung des Rehabilitationsprozesses und somit auch zur
Reduktion von Behandlungskosten ist eine möglichst frühzeitige Identifikation und therapeutische Unterstützung dieser Patienten indiziert.
Literatur
Brych, S.B., Engrav, L.H., Rivara, F.P., Ptacek, J.T., Lezotte, D.C., Esselman, P.C., Kowalske, K.J., Gibran, N.S. (2001): Time off work and return to work rates after burns: systematic review of the literature and a large two-center series. Journal of Burn Care Rehabilitation, 22, 401-405.
Fauerbach, J.A., Heinberg, L.J., Lawrence, J.W., Munster, A.M., Palombo, D.A., Richter, D.,
Spence, R.J., Stevens, S.S., Ware, L., Muehlberger, T. (2000a): Effect of early body dissatisfaction on subsequent psychological and physical adjustment after disfiguring injury.
Psychosomatic Medicine, 62, 576-582.
210
Helm, P.A., Walker, S.C. (1992): Return to work after burn injuriy. Journal of Burn Care &
Rehabilitation, 13, 53-57.
211
Reha-System
Rehabilitationsnachsorge: Empfehlungen, Umsetzung und Einfluss auf
das Outcome
Glattacker, M. (1), Farin, E. (1), Jäckel, W.H. (1,2)
(1) Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin,
(2) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
Hintergrund
Nachsorgeempfehlungen als obligatorischer Teil der Entlassberichte sollen den Übergang
zur nachinstitutionellen Rehabilitation strukturieren. Wissenschaftlich tauchte das Thema
„Rehabilitationsnachsorge“ jedoch lange kaum auf (Deck, Raspe, 2004), und insbesondere
zur „Standardpraxis“ der Nachsorge liegen wenige Arbeiten vor (Gerdes et al., 2005). In der
im Rahmen des Förderschwerpunkts „Rehabilitationswissenschaften“ durchgeführten Studie
„RENA“ analysierten Gerdes et al. daher für eine orthopädisch/kardiologische Stichprobe,
die sich überwiegend aus Patienten der Arbeiterrentenversicherung zusammensetzte, die
Nachsorgeempfehlungen und ihre Umsetzung. Einen Zusammenhang zwischen dem Umsetzungsgrad und den Langzeiteffekten der Rehabilitation konnten sie dabei nicht nachweisen.
Im vorliegenden Beitrag wird die Fragestellung auf von der gesetzlichen Krankenversicherung hauptbelegte Einrichtungen der Indikation Muskuloskelettale Erkrankungen übertragen.
Die Nachsorgeempfehlungen sowie deren Umsetzung und die Bewertung des Erfolgs der
Nachsorgemaßnahmen durch die Patienten werden analysiert und es wird untersucht, ob
die Umsetzung einen Einfluss auf das mittelfristige Reha-Outcome hat.
Methodik und Stichprobe
Das patientenseitige Outcome wurde mit dem IRES-3 (Bührlen et al., 2005) durch Messungen zu Rehabilitationsbeginn und sechs Monate nach Rehabilitationsende ermittelt. Zum
zweiten Zeitpunkt wurden die Rehabilitanden - in Anlehnung an Gerdes et al. (2005) - bezüglich 16 Nachsorgemaßnahmen gefragt, ob ihnen diese bei Rehabilitationsende empfohlen wurden, ob sie die Maßnahme umgesetzt haben und wie sie den Erfolg dieser Maßnahme bewerten (5-stufige Skala: „sehr hoch“ bis „gar kein Erfolg“). Zur Ermittlung des Einflusses der Umsetzung der Nachsorgemaßnahmen auf das Outcome wurden multiple Regressionsanalysen mit den IRES-Dimensionen als Outcomekriterien durchgeführt. Als unabhängige Variablen wurden Alter, Geschlecht, Reha-Motivation, Diagnosegruppe, Komorbidität,
Eingangsbelastung und die Umsetzung der Nachsorgemaßnahme (Dummy ja/nein) aufgenommen. Variablen mit einem auf dem 1 %-Niveau signifikanten Beta-Koeffizienten wurden
als stabile Prädiktoren interpretiert.
Die Stichprobe umfasst N=971 Rehabilitanden aus acht Kliniken. 62 % der Stichprobe sind
Frauen. Das Durchschnittsalter beträgt 69,8 Jahre (SD=8,9), der Rentneranteil liegt bei
212
89 %. 69 % der Patienten sind zu einer Anschlussrehabilitation/AHB in den Einrichtungen,
die häufigsten Diagnosen sind Koxarthrose (21 %) und Gonarthrose (20 %).
Ergebnisse
Am häufigsten wurden im Mittel „Gymnastische Übungen zu Hause“ (55,2 %), „Krankengymnastik (KG)“ (42,4 %), „gesunde Ernährung“ (33,3 %) und „Gewichtsreduktion“ (19,6 %)
empfohlen, allerdings variiert die Häufigkeit der Nachsorgeempfehlungen erheblich zwischen den Kliniken. Die Umsetzungsrate liegt für die ersten drei Maßnahmen bei 41,4 %
resp. 46,4 % resp. 37,5 % und bezüglich Gewichtsreduktion bei 28,4 %. Hinsichtlich der
letztgenannten Maßnahme wird auch der Erfolg am kritischsten bewertet (37,1 % „gering/gar kein Erfolg“), während die Erfolgsbewertung für die übrigen drei Maßnahmen positiver ausfällt (57 %-72 % „sehr hoch/hoch“). Die Umsetzung der Maßnahmen hängt überwiegend nicht mit dem Alter, Geschlecht, der Eingangsbelastung oder der Reha-Motivation der
Patienten zusammen, es finden sich lediglich zwei betragsmäßig sehr geringe Korrelationen
(Pearson): jüngere Patienten setzen eher gymnastische Übungen zu Hause (r=-.10; p=.022)
und Patienten mit geringerer Eingangsbelastung setzen eher KG um (r=.14; p=.006). In den
Regressionsanalysen zeigt sich, dass die Umsetzung von „gymnastischen Übungen zu
Hause“ zur Varianzaufklärung hinsichtlich des IRES-Summenscores Reha-Status’ und der
somatischen Gesundheit, die Umsetzung von „Krankengymnastik“ zur Vorhersage des Reha-Status’, der somatischen Gesundheit, der Funktionsfähigkeit im Alltag, des psychischen
Befindens, der Krankheitsbewältigung und der Schmerzen und die Umsetzung von „Gewichtsreduktion“ zur Varianzaufklärung bezüglich des Reha-Status’ beiträgt. Die Umsetzung
von „Gesunder Ernährung“ ist kein Prädiktor des Outcomes.
Diskussion
Von den Ergebnissen bei Gerdes et al. (2005) abweichend erweist sich die Umsetzung von
Nachsorgeempfehlungen in der vorliegenden Stichprobe als prädiktiv im Hinblick auf den
Gesundheitszustand 6 Monate nach Reha-Ende - neben der Eingangsbelastung sind die
Umsetzungsvariablen meist die stärksten Prädiktoren. Dieser Befund unterstreicht die Bedeutung der Nachsorge für die Langzeitergebnisse der Rehabilitation.
Literatur
Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung
eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Rehabilitation,
44, 63-74.
Deck, R., Raspe, H. (2004): Nachsorgeempfehlungen und ihre Umsetzung im Anschluss an
die Rehabilitation. In R. Deck, N. Glaser-Möller und O. Mittag (Hrsg.). Rehabilitation und
Nachsorge. Bedarf und Umsetzung (S. 55-69). Lage: Jacobs-Verlag.
Gerdes, N., Bührlen, B., Lichtenberg, S., Jäckel, W.H. (2005): Rehabilitationsnachsorge Analyse der Nachsorgeempfehlungen und ihrer Umsetzung. Regensburg: Roderer.
213
Evaluation eines telefonischen Nachsorgeprogramms im Rahmen einer
randomisierten, kontrollierten Studie in der orthopädischen
Rehabilitation
Mangels, M. (1), Schwarz, S. (1), Holme, M. (2), Rief, W. (1)
(1) Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Psychologie, (2) Rehazentrum Bad Pyrmont Klinik Weser
Hintergrund
2002 entstanden in Deutschland Kosten in Höhe von 25,2 Milliarden durch Krankheiten des
Muskel-Skelett-Systems (11 % der gesamten Krankheitskosten in diesem Jahr). Rückenschmerzen stellten 2004 bei in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland
behandelten Patienten die dritthäufigste Diagnose dar (Statistisches Bundesamt, 2006). Gerade zur Schmerzbewältigung haben sich verhaltenmedizinische Ansätze bewährt (Tulder et
al., 2000). Allerdings stehen gerade Patienten mit orthopädischen Beschwerden psychosomatischen Kliniken skeptisch gegenüber. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in ausgewählten orthopädischen Kliniken begonnen, so genannte "VMOAbteilungen" (Verhaltensmedizinische Orthopädie) zu etablieren (z. B. im Rehazentrum Bad
Pyrmont - Klinik Weser). Diese kombinieren bei einem Fortbestehen des orthopädischen
Behandlungsansatzes diesen mit verhaltensmedizinischen Komponenten. Allerdings fehlt es
im deutschen Sprachraum bisher an randomisierten, kontrollierten Studien und bei der Betrachtung der längerfristigen Effekte der stationären Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen in Deutschland fällt zudem eine unbefriedigende Nachhaltigkeit auf (Hüppe,
Raspe, 2005). Die meisten Effekte verschwinden nach der Rehabilitation wieder. Als eine
mögliche Erklärung für dieses Problem bietet sich die mangelnde Nachsorge an.
Es existieren bereits Nachsorgeansätze im Anschluss an eine stationäre orthopädische Rehabilitation (z. B. die "intensivierte Reha-Nachsorge" (IRENA) als Leistung der Deutschen
Rentenversicherung Bund). Allerdings fehlen bisher Nachsorgemaßnahmen, die gerade auf
die im Rahmen einer verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation erarbeiteten Rehabilitationsziele, v. a. eine verbesserte Schmerzbewältigung, abzielen.
Vor diesem Hintergrund prüft die vorliegende randomisierte, kontrollierte Therapiestudie im
Rehazentrum Bad Pyrmont, ob eine telefonische Nachbetreuung zu einer Steigerung bzw.
besseren Stabilisierung der Behandlungseffekte des verhaltensmedizinisch-orthopädischen
Ansatzes führt.
Methodik, Studiendesign
In die randomisierte, kontrollierte Verlaufsstudie mit drei Messzeitpunkten (Behandlungsbeginn, Behandlungsende, 1-Jahres-Katamnese) wurden insgesamt 232 Patienten (bei der
Deutschen Rentenversicherung Bund Versicherte, Behandlungsindikation "orthopädische
Reha") aufgenommen. Alle Patienten nahmen an der vierwöchigen verhaltensmedizinischorthopädischen Rehabilitationsbehandlung teil. Etwa die Hälfte der Patienten erhielt anschließend für ein Jahr eine telefonische Nachsorge durch zwei Diplom-Psychologinnen
(sieben Termine). Das Vorgehen erfolgte dabei manualisiert in Anlehnung an die verhaltensmedizinischen Bausteine der stationären Rehabilitation.
214
Als Erfolgsmaße dienten schmerzspezifische Merkmale (FESV, SES), psychische Beschwerden (BDI, BSI), Variablen des Bereichs Beeinträchtigung (PDI, SF-12) und Lebensqualität (FLZ). Auch Angaben der behandelnden Ärzte wurden berücksichtigt. Zu Behandlungsbeginn erfolgte strukturiert die Diagnostik komorbider psychischer Störungen.
Ergebnisse
Insgesamt zeigt sich eine hohe Akzeptanz des Nachsorgeprogramms bei den Teilnehmern
sowie subjektiv ein hoher Nutzen. Die Ergebnisse der Katamneseuntersuchung zeigen beim
Vergleich von Patienten mit versus ohne telefonische Nachsorge Vorteile für die nachbetreute Gruppe gerade im Bereich der schmerzbedingten Beeinträchtigung.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Für die Zukunft scheinen die Optimierung und Kombination bestehender Nachsorgeansätze
im Bereich der (verhaltensmedizinisch-) orthopädischen Rehabilitation sowie ein weiterer
Ausbau dieses Behandlungszweiges insgesamt als essentiell. Unter Berücksichtigung v. a.
ökonomischer Aspekte hat sich das vorgestellte Nachsorgeprogramm als praktikabel erwiesen und liefert Anhaltspunkte für eine Umsetzung neuer Ansätze, um dem Aspekt einer bisher mangelhaften Nachhaltigkeit von stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlungen Rechnung zu tragen.
Literatur
Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Zur Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitation
in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische
Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44, 24-33.
Tulder, M., Ostelo, R., Vlaeyen, J. (2000): Behavioral treatment for chronic low back pain - a
systematic review within the framework of the Cochrane Back Review Group. Spine,25,
2688-2699.
Reha-Erfolg ambulanter Nachsorge aus gesundheitsökonomischer Sicht
Brandes, I. (1), Beck, L. (2), Krauth, C. (1), Mau, W. (2)
(1) Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische
Hochschule Hannover, (2) Institut für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Fakultät der
Martin Luther-Universität-Halle-Wittenberg
Einleitung
Die dauerhafte Sicherung von Reha-Erfolgen bei chronischen Erkrankungen stellt eine der
wesentlichen Aufgaben der medizinischen Rehabilitation in Deutschland dar. In einer großen Anzahl von Studien konnte der Effektivitätsnachweis für die Rehabilitation erbracht
werden (Raetzell, 2004). Allerdings zeigte sich bei langfristiger Betrachtung ein Nachlassen
der Effekte (Hüppe, Raspe, 2003, 2005). Die Untersuchung von Nachsorgemaßnahmen als
eine Option zur langfristigen Sicherung des Reha-Erfolges wurde von den Rentenversicherungsträgern vermehrt unterstützt (Deck, Raspe, 2004).
215
Hypothese
Es wird davon ausgegangen, dass die Teilnahme an einer Nachsorgemaßnahme die Effekte
der Rehabilitation verbessert. Patienten mit Nachsorge realisieren einen größeren RehaErfolg, der gekennzeichnet ist durch einen günstigeren Erwerbsverlauf, geringere Kosten
aus Leistungsinanspruchnahme und eine bessere Lebensqualität.
Methodik
Patienten einer ambulanten Rehabilitation (AR) wurden nach fünf Jahren erneut angeschrieben und hinsichtlich ihres Reha-Erfolges untersucht. Die Stichprobe umfasste 591 Patienten mit Bewegungseinschränkungen, von denen 223 Patienten zusätzlich an einer ambulanten Nachsorgemaßnahme teilgenommen hatten. Die Bewertung des Reha-Erfolgs basiert auf den Outcomes Lebensqualität, Erwerbsverlauf, Kosten der Leistunginanspruchnahme und subjektive Einschätzung des Reha-Profits. Potenzielle Einflussfaktoren auf den
Reha-Erfolg wurden im Rahmen von mehrstufigen multivariaten linearen und binärlogistischen Regressionsanalysen untersucht. Die unabhängigen Variablen wurden dabei in Anlehnung an das Verhaltensmodell zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen von
Andersen und Mitarbeiter (Andersen, 1995) zusammengefasst in die Gruppen prädisponierende Charakteristika, Zugangsvariablen und Merkmale des Bedarfs.
Ergebnisse und Diskussion
Die angebotenen Nachsorge-Maßnahmen wurden von Patienten mit niedrigem Reha-Erfolg
signifikant seltener in Anspruch genommen als von den übrigen Patienten. Dennoch scheint
die Teilnahme an der Nachsorge kein wichtiger Einflussfaktor für den Reha-Erfolg zu sein.
Als signifikante Prädiktoren für niedrigen Reha-Erfolg konnten Variablen der prädisponierenden Charakteristika (Alter, Bildung, Beruf, Funktionsfähigkeit) und Merkmale des Bedarfs
(Lebensqualität, Schmerzen, allgemeiner Gesundheitszustand) identifiziert werden. Die Variablen des Zugangs und die Nachsorge zeigten keinen signifikanten Einfluss.
Bereits in der Ausgangssituation (Beginn der AR) unterschieden sich die Patienten mit niedrigem Reha-Erfolg von den übrigen Patienten auf hoch bzw. höchst signifikantem Niveau.
Sie sind älter, haben häufiger einen Hauptschulabschluss und sind überwiegend als Arbeiter
tätig. Zu Beginn der AR geben Sie ein geringeres Leistungsvermögen an, äußern häufiger
den Wunsch nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit und weisen schlechtere Lebensqualitätswerte und stärkere Schmerzen auf.
Fazit
Die eingangs formulierte Hypothese, dass Patienten mit Teilnahme an der Nachsorge einen
größeren Rehabilitationserfolg realisieren, konnte für die untersuchten Patienten nicht bestätigt werden.
Literatur
Raetzell, H.-E. (2004): Nachsorge in der Rehabilitation. Einführung in das Thema. Deck, R.,
Glaser-Möller, N. und Mittag, O. Rehabilitation und Nachsorge. Jacobs-Verlag. Lage.: 1316.
Hüppe, A. und Raspe, H. (2003): Die Wirksamkeit stationärer medizinischer Rehabilitation in
Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Eine systematische Literaturübersicht
1980-2001. Die Rehabilitation; 42: 154.
216
Hüppe, A. und Raspe, H. (2005): Zur Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitation in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation; 44: 24-33.
Deck, R. und Raspe, H. (2004): Nachsorgeempfehlungen und ihre Umsetzung im Anschluss
an die Rehabilitation. Deck, R., Glaser-Möller, N. und Mittag, O. Rehabilitation und Nachsorge. Jacobs-Verlag. Lage: 55-69.
Andersen, R.M. (1995): Revisiting the behavioral model and access to medical care: does it
matter? J Health Social Behavior; 36: 1-10.
Elektronisches Coaching - eine neue Methode zur Optimierung der
psychosomatischen Reha-Nachsorge mit Hilfe von Handheld-Computern
Bischoff, C., Schmädeke, S.
Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim
Hintergrund
Eine ganze Reihe körperlicher und seelischer Symptome sind eigenständige Störungen, die
maßgeblich durch psychische Faktoren - durch ungünstiges Erleben und Verhalten - getriggert werden. Ein Patient bekommt z. B. immer dann Kopfschmerzen, wenn er seine körperlichen oder seelischen Belastungsgrenzen missachtet und überschreitet. Im Rahmen einer
stationären psychosomatischen Behandlung können solche ungünstigen Erlebens- und
Verhaltensweisen identifiziert und durch günstigere ersetzt werden. Diese Umstellung des
Verhaltens einzuleiten, ist für den Patienten in der Regel nicht so schwierig, wie sie aufrechtzuerhalten. Besonders nach Abschluss der stationären Maßnahme, im Alltag zu Hause, ist die Gefahr groß, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. In der Tat ist eingeschränkte Nachhaltigkeit von Verhaltensänderungen das zentrale Problem bei der Therapie und
Rehabilitation chronischer Krankheiten überhaupt. Neben spezifischen ambulanten RehaNachsorge-Programmen (Bischoff et al., 2005; Kobelt et al., 2002) werden in jüngster Zeit
auch neue Medien (Internet, SMS) in der Nachsorge erprobt (Kordy, 2003; Okon und Meermann, 2003). Mit Handheld-Computern gibt es bis auf wenige Ausnahmen (Newman et al.,
1997) keine Anwendungen mit therapeutischem Anspruch.
Konzept
E-Coaching ist eine neue verhaltenstherapeutische Interventionsform zur Selbstregulation
des Verhaltens mit technischer Hilfe. Ein Handheld-Computer hat die Aufgabe, den Patienten beim Transfer des in der stationären Behandlung Gelernten, „bei der Eingewöhnung in
die Umgewöhnung“ zu unterstützen. Der Patient wird mehrmals am Tag programmgesteuert
aufgefordert, seine Aufmerksamkeit auf sein derzeitiges Verhalten und Erleben zu richten,
es daraufhin zu überprüfen, ob es die Entstehung des körperlichen oder seelischen Symptoms (z. B. Schmerzen) begünstigt, es gegebenenfalls im Sinne der in der Behandlung erarbeiteten Strategien zu korrigieren und nach einer von ihm über den E-Coach festgelegten
Zeitspanne zu überprüfen, ob diese Korrekturen erfolgreich waren.
217
Konzeptualisierung und Programmentwicklung sind abgeschlossen und sollen dargestellt
werden - zusammen mit Ergebnissen einer kontrollierten experimentellen Einzelfallstudie mit
einer chronischen Schmerzpatientin. Das Verfahren soll unter anderem in der RehaNachsorge von Patienten in psychosomatischen Fachkliniken eingesetzt werden.
Literatur
Bischoff, C., Gönner, S., Husen, E., Ehrhardt, M., Limbacher, K. (2005): Ambulante vor- und
nachbereitende Maßnahmen zur Optimierung der stationären psychosomatischen Rehabilitation - Ergebnisse des Bad Dürkheimer Prä-Post-Projekts. Verhaltenstherapie, 15, 7887.
Kobelt, A., Grosch, E., Schmidt-Ott, G., Künsebeck, H.W., Hentsche, l.H.J., Lamprecht, F.
(2002): Ein kombiniertes stationär-poststationäres Rehabilitationsprogramm in der Psychosomatik. Phys Med Rehab Kuror.
Kordy, H. (2003): Projekt "Internet-Brücke": Zur Effektivität von Chat-Gruppen als Brücke
zwischen Fachklinik und Alltag. Vortrag im Rahmen des 5. Kongresses der DÄVT, Bad
Pyrmont, 23.-26.10.2003.
Newman, M.G., Kenardy, J., Herman, S., Taylor, C.B. (1997): Comparison of palmtopcomputer-assisted brief cognitive-behavioral treatment to cognitive-behavioral treatment
for panic disorder. Journal of consulting and clinical psychology, 65, 178-183.
Okon, E., Meermann, R. (2003): Der Einsatz von SMS zur Nachsorge bei Bulimia nervosaPatientinnen. Vortrag im Rahmen des 5. Kongresses der DÄVT, Bad Pyrmont, 23.26.10.2003.
Erweiterung der Reha-Nachsorge - Ein Angebot für Patienten zur
wohnortnahen Aufnahme begleitender Freizeitaktivitäten
Ramos, G., Koch, J.
NeNa e.V. (Netzwerk Nachsorge), Berlin
Hintergrund und Problemdarstellung
Studien zur Nachsorge (z. B. Köpke, 2004; Gerdes et. al., 2005) zeigen, dass Rehabilitanden bei der Rückkehr in den Alltag häufig Schwierigkeiten haben, ihre Teilnahme an NachKlinik-Aktivitäten zu organisieren: Oft scheitern Patienten „schon an den Anrufbeantwortern,
die einen Rückruf versprechen, ohne dass in Einzelfällen jemals ein Rückruf erfolgt“ (Kobelt,
2000). Für manche Patienten kann die langwierige Suche ein wesentlicher Grund sein, die
in der Reha-Klinik gefassten Vorsätze nicht weiter zu verfolgen und die vorgesehenen Aktivitäten am Wohnort letztlich nicht aufzunehmen. Diese Patientengruppen, mit voraussichtlichen Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung und Kontaktaufnahme zur gesuchten
Aktivität im Anschluss an den Reha-Aufenthalt, erhalten über NeNa e.V. die Möglichkeit,
nach wohnortnahen Angeboten recherchieren zu lassen. Die bisherige Kooperation mit Reha-Kliniken (Schwerpunkte: Sucht und Psychosomatik) zeigt, dass das Rechercheangebot
regelmäßig und mit erkennbaren Zielsetzungen genutzt wird. Für diesen Beitrag haben wir
die Daten der Teilnehmer im Alter von 50 bis 65 Jahren untersucht.
218
Das Modell
In Ergänzung zur Nachsorgepraxis in Reha-Kliniken und zum Modell IRENA / Curriculum
Hannover, das sich auf die Einleitung indikationsbezogener Maßnahmen konzentriert, fördert das Modell von NeNa e.V. die Aufnahme von Aktivitäten aus dem Sport-, Sozial- und
kreativen Freizeitbereich für die Zeit nach der Rehabilitation. Die vom Patienten ausgewählten Aktivitäten bilden eine zusätzliche Möglichkeit zur Stabilisierung des Reha-Erfolges. Die
individuellen Stärken und Interessen der Patienten werden in den Nachsorgeprozess einbezogen. Vorwiegend handelt es sich um begleitende Aktivitäten, die bereits in der Klinik ausgeübt und als positiv erlebt wurden und zu Hause einen integrativen Rahmen und damit Alternativen zum gewohnten sozialen Umfeld bieten. Maßnahmen, die nicht explizit indikations- bzw. themenbezogen sind, werden als niederschwellige Angebote eher in Anspruch
genommen und langfristiger ausgeübt.
Erste Ergebnisse
Aus der Zusammenarbeit mit der Salus Klinik Lindow (Brandenburg, Fachklinik für Sucht
und Psychosomatik) und dem Therapiezentrum Römhild (Thüringen, Sucht) sind seit November 2003 mehr als 400 Patienten-Anfragen bei NeNa e.V. eingegangen (Stand: Oktober
2006), davon etwa ein Drittel von Patienten über 50 Jahre. Die 128 Anfragen der Überfünfzigjährigen zeigen folgende Verteilung (Mehrfachnennungen möglich):
Sucht - 95 Anfragen:
- Ehrenamt / Freiwilligenarbeit (u. a. Pflege, Tierheim, Büro) - 39 %
- Freizeitsport / Bewegung (u. a. Tischtennis, Tanz, Wandern) - 29 %
- Kreativ-Ergotherapeutische Kurse (Malen, Töpfern, Korbflechten) - 26 %
- Hobbys / Freizeitaktivitäten - (Dart, Kegeln, Modellbau) 20 %
- „Alternative Therapieformen“ (Tai Chi, Reiten, Bogenschießen) - 17 %
- Kurse (Computer, Musik, Kochen) - 10 %
- Selbsthilfegruppen (Adipositas, Angst, Borderline) - 8 %
- Begegnungsstätten: (alkoholfreie Cafés, Nachbarschaftshäuser) - 6 %
- Therapeutensuche / Beratungsstellen - 5 %
Psychosomatik - 33 Anfragen:
Insgesamt ähnliche Verteilung. Wesentlicher Unterschied: mehr Selbsthilfegruppen, weniger
ehrenamtliche Tätigkeiten.
- 52 % der Teilnehmer über 50 Jahre sind männlich, 48 % weiblich
- 66 % waren zur Teilnahme an einer Nachbefragung bereit
- 31 der seither angeschriebenen 72 Teilnehmer haben auf die von NeNa e.V. durchgeführte einmalige Nachbefragung jeweils 6 Monate nach Beendigung des Klinikaufenthalts geantwortet. 18 Personen gaben an, eine über NeNa e.V. vermittelte Aktivität aufgenommen zu haben; 3 Befragte antworteten, die gesuchte Aktivität aufgenommen zu
haben, jedoch nicht über die von NeNa e.V. vermittelten Angebote; die übrigen Befragten haben die gesuchte Aktivität nicht aufgenommen. Gründe u. a.: Zeit-/ Geldmangel,
schlechter allgemeiner Gesundheitszustand.
219
Schlussfolgerung und Ausblick
Die nachhaltigen Behandlungsziele in der Rehabilitation legen es nahe, die wohnortnahe
Vermittlung von allgemein als gesundheitsförderlich anerkannten, begleitenden Freizeitaktivitäten in ein umfassenderes Nachsorge-Konzept einzubeziehen. Das „NeNa-Modell“ soll
zukünftig auf die Bereiche Orthopädie, Herz-Kreislauf und Kinder-Rehabilitation ausgeweitet
werden. Eine wissenschaftliche Studie zur Einschätzung der langfristigen Effekte wird angestrebt.
Literatur
Gerdes, N., Bührlen, B., Lichtenberg, L., Jäckel, W.H. (2005): Rehabilitationsnachsorge.
Analyse der Nachsorgeempfehlungen und ihre Umsetzung. S. Roderer Verlag: Regensburg.
Klein, M. (2004): Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen durch Kooperation von Rehabilitation und Selbsthilfe. In: Borgetto, B., Hrgs: „Gesundheitswissenschaften und Gesundheitsselbsthilfe“, aus der Schriftenreihe der Deutschen Koordinierungsstelle für Gesundheitswissenschaften an der Abteilung für Medizinische Soziologie der Universität Freiburg, Band 15, 192-206.
Kobelt, A. (2004): Ambulante psychosomatische Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation (Curriculum Hannover). Artikel vom 20.10.2004 auf der Website der
DGVT unter http://www.dgvt.de
Köpke, K.-H. (2004): Nachsorge in der Rehabilitation. Eine Studie zur Optimierung von Reha-Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, Hausdruckerei der LVA Schleswig-Holstein Lübeck / Hamburg
220
Gender-Mainstreaming in der Rehabilitation
Gibt es eine geschlechtsspezifische leitlinienorientierte Versorgung in
unterschiedlichen Altersgruppen bei Rehabilitanden mit koronarer
Herzkrankheit?
Beckmann, U., Sommhammer, B., Grünbeck, P.
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Hintergrund
Mit der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) werden alle durchgeführten therapeutischen Leistungen im Reha-Entlassungsbericht der Rentenversicherung verschlüsselt
und routinemäßig einrichtungsbezogen im Rahmen der Reha-Qualitätsberichte von der
Deutschen Rentenversicherung Bund ausgewertet (Beckmann et al., 2005). Die Entwicklung
empirisch abgesicherter Reha-Leitlinien mit der Definition evidenzbasierter Therapiemodule
(ETM) stützt sich wesentlich auf diese dokumentierten Leistungen (Brüggemann, Klosterhuis, 2005). Als erste konnte die Leitlinie für die Rehabilitation bei koronarer Herzkrankheit in
die Reha-Qualitätssicherung eingebunden werden (Klosterhuis, 2005; Bitzer et al., 2006a).
Bisher wurde davon ausgegangen, dass keine alters- oder geschlechtsspezifischen Therapiestandards zu definieren sind. Diese Untersuchung soll klären, ob es geschlechtsspezifische Unterschiede in der leitliniengerechten Versorgung gibt, und ob sich die therapeutischen Leistungen in verschiedenen Altersgruppen unterscheiden.
Methodik
Ausgewertet werden 8.196 Reha-Entlassungsberichte des Jahres 2005 (6.347 männliche,
1.849 weibliche Rehabilitanden, Deutsche Rentenversicherung Bund) mit erster Entlassungsdiagnose Koronare Herzkrankheiten, Aortokoronarer Bypass oder Implantat/Transplantat nach koronarer Gefäßplastik und einer Behandlungsdauer zwischen 18 und
42 Tagen. Deskriptive Analysen der dokumentierten therapeutischen Leistungsdaten nach
Altersgruppen und Geschlecht werden vorgestellt, insbesondere Vergleichsanalysen der IstSituation in Bezug auf definierte Reha-Leitlinienvorgaben (Mindestbedarf pro ETM).
Ergebnisse
Insgesamt stellt sich die Erfüllung der Leitlinienvorgaben unterschiedlich dar bezogen auf
die ETM. Leitliniengerechte Versorgung zeigt sich bei „Ausdauertraining“, „Körperliches Fähigkeitstraining“, „Stressbewältigung“ und „Nichtrauchertraining“ in allen untersuchten Gruppen sowie „Psychologische Beratung, Psychotherapie“ bei unter 50jährigen Rehabilitandinnen. Das ETM „Nichtrauchertraining“ wird sowohl bei Frauen als auch bei Männern in der
Altersgruppe unter 50 Jahre mit ca. 30 % doppelt so häufig erbracht wie gefordert (15 %).
Das Modul „Basisschulung“ wird in allen untersuchten Gruppen nur bei einem Anteil von ca.
20% leitliniengerecht (Vorgabe: 95 %) erfüllt. Leistungen aus dem Bereich „Sport, Sportund Bewegungsspiele“ werden insgesamt nicht ausreichend erbracht, wobei am häufigsten
die Frauen unter 40 Jahren mit 33 % leitliniengerechte Therapie aus diesem Modul (Vorga221
be 60 %) erhielten. Bei „Kraft-, Muskelaufbautraining“ und „Ernährungsschulung“ zeigt sich
ein Altersgradient, je älter die Rehabilitanden sind, desto geringer die Leitlinienerfüllung.
Wohingegen das ETM „Risikogruppenschulung“ häufiger bei über 50jährigen (Frauen 17 %,
Männer 19 %) erfüllt wird. Beim ETM „Entspannungstraining“ fällt auf, dass v. a. die unter
40jährigen und über 50jährigen männlichen Rehabilitanden mit ca. 25 % die Leitlinienvorgaben (40 %) nicht erfüllen. Aus dem Bereich Klinische Sozialarbeit ist festzustellen, dass sowohl die „Unterstützung der beruflichen Integration“ aber auch die „Organisation der Nachsorge“ insbesondere bei den älteren Rehabilitanden ein zu geringer Anteil leitliniengerecht
Versorgter zu verzeichnen ist.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass einige Therapiemodule offensichtlich geschlechts- und altersunabhängig erfüllbar sind, z. B. „Ausdauertraining“. Andere ETM-Vorgaben werden bisher nur
in speziellen Untergruppen annähernd erreicht (z. B. „Psychologische Beratung, Psychotherapie“ bei unter 50jährigen Rehabilitandinnen). Die gefundenen geschlechts- bzw. altersspezifischen Unterschiede lassen sich einerseits dadurch erklären, dass bestimmte Leistungen von einzelnen Rehabilitandengruppen nicht wahrgenommen oder ihnen nicht angeboten werden. Andererseits Leistungen für diese Gruppen in etwas anderer Ausgestaltung
bzw. Form erbracht werden - wie Einzelberatungen, die bisher nicht adäquat dokumentiert
werden. Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass v. a. bei den älteren Rehabilitanden aufgrund einer ausgeprägten Multimorbidität weitere therapeutische Leistungen zu erbringen
sind, die den Anschein einer Reduzierung der ETM bei koronarer Herzkrankheit liefern
könnte.
Schlussfolgerungen
Bei der Entwicklung und Umsetzung der Reha-Leitlinien sollte bedacht werden, dass Patientengruppen spezifische Ausgestaltungen der rehabilitativen Leistungen benötigen z. B. aufgrund weiterer Teilhabestörungen. Dies ist ggf. bei der Definition des Mindestbedarfs zu berücksichtigen. Desweiteren müssen mögliche Fehldokumentationen vermieden werden. Mit
Einführung der Neuauflage der KTL (Bitzer et al., 2006b) ist zu erwarten, dass die Abbildung
der therapeutischen Leistungen valide möglich sein wird, auch in Bezug auf die evidenzbasierten Therapiemodule als Teil einer längerfristigen Strategie zur Verbesserung der Behandlungsqualität der medizinischen Rehabilitation.
Literaturverzeichnis
Beckmann, U., Klosterhuis, H., Mitschele, A. (2005): Qualitätsentwicklung durch Qualitätssicherung - Erfahrungen aus zehn Jahren Qualitätssicherung der Rehabilitation. Die Angestelltenversicherung 52 (9): 431-438.
Bitzer, E.M., Brüggemann, S., Klosterhuis, H.; Dörning, H. (2006a): Akzeptanz und Praktikabilität der Leitlinie für die Rehabilitation bei koronarer Herzkrankheit. Rehabilitation; 45:
203-212.
Bitzer, E.M., Dörning, H., Beckmann, U., Sommhammer, B., Zander, J., Klosterhuis, H.
(2006b): Verbesserte Dokumentation als Grundlage für Reha-Qualitätssicherung - Weiterentwicklung der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL). RV aktuell 53 (9/10):
398-496.
222
Brüggemann, S., Klosterhuis, H. (2005): Leitlinien für die medizinische Rehabilitation - eine
wesentliche Erweiterung der Qualitätssicherung. RV aktuell 52 (10/11): 467-475.
Klosterhuis, H. (2005): Rehabilitations-Leitlinien als Instrument der Qualitätssicherung der
Rehabilitation. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen 2005; 99 (1): 41-46.
Körperliche Aktivität von Frauen im Jahr nach akuter koronarer
Herzkrankheit: Ergebnisse einer Frauen-Interventionsstudie in der
kardiologischen Rehabilitation
Härtel, U. (1), Klein, G. (2)
(1) Humanwissenschaftliches Zentrum der LMU München, (2) Klinik Höhenried, Bernried
Hintergrund und Fragestellung
Der gesundheitliche Nutzen regelmäßiger körperlicher Aktivität in der Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen ist unbestritten. Obwohl Männer und Frauen nach
akuter koronarer Herzkrankheit gleichermaßen von körperlichem Training profitieren, scheint
es in der kardiologischen Rehabilitation schwieriger zu sein, Frauen dafür zu motivieren.
In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob ein schon während der stationären Anschlussheilbehandlung (AHB) durchgeführtes spezielles Bewegungsprogramm für Frauen
die spätere Teilnahme an ambulanten Herzgruppen und die körperliche Aktivität insgesamt
stärker fördert als das „usual care“- Programm in gemischten Männer-Frauen-Gruppen.
Methoden
Die Studienpopulation der Frauen-Interventionsstudie (gefördert durch BMBF und VDR) bildeten 162 Patientinnen der Klinik Höhenried (N = 81 Frauen in der Interventionsgruppe, N =
81 Frauen in der Kontrollgruppe). Die Einschlusskriterien waren: erster Herzinfarkt oder erstes angiographisch gesichertes akutes Koronarereignis, Alter bis 75 Jahre. Das Durchschnittsalter der Frauen in der Kontroll- und in der Interventionsgruppe betrug 55 Jahre. Um
eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Gruppen während der stationären AHB zu vermeiden, wurde zunächst konsekutiv die Kontrollgruppe rekrutiert, anschließend die Interventionsgruppe. Das Interventionsprogramm umfasste gesonderte (von Männern getrennte)
Frauengruppen mit frauenspezifischen Inhalten in der Bewegungstherapie, der psychologischen Betreuung und der Ernährungstherapie. Spezielle Inhalte der Bewegungstherapie waren: Besondere Beachtung frauenspezifischer Multimorbidität (z. B. Venenprobleme, Osteoporose und allgemein geringere Belastbarkeit), Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit (self-efficacy), genaues Protokollieren und Überwachen des persönlichen Fortschritts (einschließlich eines individualisierten Patientinnenpasses). Kontroll- und Interventionsgruppe wurden zu 3 Zeitpunkten mit den gleichen Methoden untersucht: Anfang und Ende der stationären AHB und 12 Monate nach Entlassung aus der AHB. Untersuchungsmethoden waren standardisierte medizinische Untersuchungen und Laborbefunde, standardisierte Interviews und Fragebögen zum Selbstausfüllen.
223
Ergebnisse
Am Ende der stationären AHB zeigte sich zunächst, dass die Zufriedenheit der Frauen in
der Interventionsgruppe mit allen Therapien statistisch signifikant höher war als bei Frauen
in der Kontrollgruppe. Dies betraf sowohl die Bewegungstherapie, als auch die Ernährungstherapie und die psychologische Betreuung. Die maximale ergometrische Belastbarkeit
(gemessen in Watt) erhöhte sich in der Interventionsgruppe stärker als in der Kontrollgruppe
(Anstieg der Mittelwerte um 9 Punkte in der Interventionsgruppe, um 4 Punkte in der Kontrollgruppe). Frauen in der Interventionsgruppe äußerten am Ende der AHB auch signifikant
öfter die Meinung, dass sie eine für sich passende sportliche Betätigung gefunden hätten.
Im 12-monatigen Follow-up zeigte sich, dass die Interventionsgruppe signifikant häufiger an
einer ambulanten Herzgruppe teilgenommen hatte als die Kontrollgruppe (45 % bzw. 33 %,
p < 0,05) und insgesamt sportlich aktiver ist. 82 % der Interventionsgruppe gegenüber 73 %
der Kontrollgruppe (p < 0,05) gaben an, dass sie regelmäßig mehr als eine Stunde pro Woche körperliches Training betreiben (z. B. Walking, Joggen, Schwimmen, Radfahren). Die
von den Hausärzten eingeholten Laborbefunde ergaben, dass sich die Lipidwerte (Trigliyceride und HDL-Cholesterin) in der Interventionsgruppe nach 12 Monaten tendenziell stärker
verbessert bzw. weniger verschlechtert hatten als in der Kontrollgruppe (stärkerer Anstieg
des HDL-Cholesterins, geringerer Anstieg der Triglyceride).
Schlussfolgerungen
Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass ein bereits während der stationären Reha durchgeführtes, frauenspezifisches Bewegungs- und Motivationsprogramm bei kardiologischen Patientinnen die physische Leistungsfähigkeit, die körperliche Aktivität und die Teilnahme an
Herzgruppen stärker fördert als das bisherige Standardprogramm in gemischten MännerFrauen-Gruppen. In der Klinik Höhenried wird derzeit evaluiert, ob sich die bisherigen Erfolge des Frauen-Interventionsprogramms auch in der Routineversorgung fortsetzen lassen.
Frauensport - Männersport? Ein Beitrag zum Gender-Mainstreaming in
der kardiologischen Rehabilitation
Dohnke, B. (1), Plonait, S. (2), Hartges, B. (2), Hess, N. (2)
(1) Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin,
(2) Rehazentrum Rankestraße
Hintergrund
Im ersten Jahr nach einer kardiologischen Phase II Rehabilitation nehmen häufig nur 2030 % der PatientInnen die Teilnahme an einer Herzgruppe auf. Darüber hinaus zeigen einige Studien, dass Frauen deutlich seltener eine Teilnahme aufnehmen als Männer (Keck,
Budde, 1999). Andere Studien hingegen finden keinen Geschlechterunterschied in der Teilnahmerate, weisen jedoch aus, dass Frauen andere Erwartungen und Barrieren mit einem
solchen Angebot verbinden (Bjarnason-Wehrens, 2005; Härtel et al. 2003; Ruland, Moore,
2001). Diese Befunde legen nahe, frauenspezifische Herzgruppen zu entwickeln und anzubieten.
224
Daher untersucht die vorliegende Studie das Bedürfnis nach einem geschlechterhomogenen
Herzsportangebot. Angenommen wurde, dass Frauen ein stärkeres Bedürfnis haben. Zudem wurde angenommen, dass Alter, Gesundheitszustand, Motivationsstadium und Selbstbild einen direkten sowie moderierenden Einfluss haben.
Methodik
Es wurde eine Querschnittsstudie im Rehazentrum Rankestraße durchgeführt und im September 2006 über drei Wochen alle TeilnehmerInnen am Herzsport schriftlich befragt
(N = 110). Der Rücklauf betrug 96 %. Die Hälfte der Befragten gab eine Teilnahmedauer
von maximal 2 Jahren an. Die Frauen (n = 34) waren mit 60 Jahren durchschnittlich fünf
Jahre jünger als die Männer (n = 72), schätzten ihren Gesundheitszustand jedoch marginal
signifikant schlechter ein. Die Verteilung der Herzgruppen-Indikationsdiagnose unterschied
sich nicht signifikant zwischen den Geschlechtern.
Ergebnisse
Der Mehrheit der Befragten ist es nicht wichtig, dass nur Personen ihres eigenen Geschlechts in der Herzgruppe sind (77 %). Erwartungsgemäß war jedoch mehr Frauen als
Männern eine geschlechterhomogene Gruppe wichtig. Das Alter der TeilnehmerInnnen erwies sich als nicht bedeutsam. Hingegen bestätigte sich, dass - insbesondere Frauen - eine
geschlechterhomogene Gruppe wichtiger war, je schlechter der eigene Gesundheitszustand
eingeschätzt wurde. Auch das Motivationsstadium spielte speziell bei Frauen eine Rolle: Ihnen war eine Frauengruppe wichtiger, je weniger ihnen der regelmäßige Herzsport bereits
zur festen Gewohnheit geworden war (unabhängig von ihrer Teilnahmedauer). Bei Männern
spielte das Selbstbild eine Rolle: Ihnen war eine Männergruppe wichtiger, je weniger sie
sich selbst als körperlich aktiv definierten und je mehr sie sich sozialem Druck gegen eine
Teilnahme ausgesetzt sahen.
Diskussion
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass die Herzsport-TeilnehmerInnnen keinen
ausgeprägten Wunsch nach einer geschlechterhomogenen Gruppe haben. Offen bleibt jedoch, inwieweit dies ein Selektionseffekt ist. Der postulierte Geschlechterunterschied erweist sich als komplexes Ursachengefüge: Frauen haben ein stärkeres Interesse nur mit
Herzkranken ihres eigenen Geschlechts körperlich aktiv zu sein. Allerdings finden wir dies
nur bei Frauen, die sich ihres gesundheitlichen Zustands und ihrer Teilnahme (noch) unsicher sind. Unsicherheit - hier bezüglich der eigenen Sportlichkeit - ist jedoch auch bei Männern mit dem Interesse an einer Männergruppe verbunden.
Schlussfolgerungen
Der Wunsch nach Frauen- und Männergruppen in der Phase III Rehabilitation scheint eher
Ausdruck eigener Unsicherheiten als tatsächliches Bedürfnis zu sein. Nur die Befragung von
TeilnehmerInnen einer Phase II-Rehabilitation kann zeigen, ob speziell Frauen frühzeitig
aus dem Rehabilitationsprozess aussteigen, da das derzeitige Angebot ihre Bedürfnisse
nicht anspricht.
225
Literatur
Bjarnason-Wehrens, B. (2005): Körperliches Training bei Frauen in der kardiologischen Rehabilitation und Nachsorge: Wie können Barrieren überwunden und die Akzeptanz gesteigert werden? Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 70, 253-260.
Härtel, U., Gehring, J., Klein, G. (2003): Untersuchung geschlechtsspezifischer, biomedizinscher und psychosozialer Einflüsse auf den langfristigen Erfolg von Reha-Maßnahmen
bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit. München: Humanwissenschaftliches Zentrum,
Ludwig-Maximilians-Universität.
Keck, M., Budde, H.G. (1999): Ambulante Herzgruppen nach stationärer kardiologischer
Rehabilitation. Rehabilitation, 38, 79-87.
Ruland, C.M., Moore, S.M. (2001): Eliciting exercise preferences in cardiac rehabilitation:
initial evaluation of a new strategy. Patient Educ Couns, 44, 283-291.
Rehabilitationsergebnisse nach Schlaganfall unter Genderaspekten
Kramer, S. (1), Raum, E. (2), Goldbecker, A. (3), Tountopoulou, A. (3), Weissenborn, K. (3)
(1) Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und
Gesundheitssystemforschung, (2) Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg,
(3) Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Neurologische Klinik
Hintergrund
Da das mittlere Erkrankungsalter beim Schlaganfall 60 Jahre beträgt, sind betroffene Frauen
zumeist Hausfrauen und können häufig in Abhängigkeit vom Grad ihrer Behinderung schrittweise einen Teil ihrer früheren Aufgaben im Haushalt wieder übernehmen. Erkrankte, häufig
noch berufstätige Männer hingegen erleiden oft den Verlust ihrer beruflichen Tätigkeit. Eine
japanische Studie fand bei Männern und Frauen nach Schlaganfall, die sich nicht
hinsichtlich mittlerem Alter, neurologischem Defizit und Mobilität unterschieden, eine signifikant höhere Alltagsaktivität bei den Frauen, obwohl diese signifikant weniger als die Männer
Ergotherapie und Krankengymnastik erhalten hatten (Hachisuka et al., 1998). Die als Pilotstudie durchgeführte retrospektive Analyse des Behandlungsergebnisses von Frauen und
Männern mit ischämischer Insultes zeigte - bei initial schwereren Bewegungseinschränkungen bei Frauen im Vergleich zu Männern - nach 1 Jahr keinen Gruppenunterschied mehr bei
vergleichbarer Behandlung. (Schmelz et al., 2000).
Unsere Hypothese lautet, dass Frauen nach einem Schlaganfall bei initial gleichem oder
höherem Grad der Behinderung ein größeres Maß an Selbständigkeit zurückerhalten als
Männer. Ziel der Studie ist es, den Einfluss der genderspezifischen Unterschiede der sozioökonomischen, familiären und gesellschaftlichen Situation auf das Rehabilitationsergebnis
nach Schlaganfall vergleichend zu untersuchen.
Methodik und Studiendesig
In die prospektive Kohortenstudie wurden inzidente Schlaganfallpatient(inn)en eingeschlossen, die seit 01.01.02 in einer von sechs der teilnehmenden neurologischen Kliniken wegen
226
eines Hemisphäreninfarktes behandelt wurden. Es erfolgen zwei Nachuntersuchungen (T1
nach 3 und T2 nach 12 Monaten). Die Zielgrößen sind, mittels mehrerer standardisierter
Tests erhoben, primär die Selbständigkeit der Patienten und die Differenz des neurologischen Defizits, sekundär die Lebensqualität, das seelische Befinden und die familiäre Unterstützung der Patienten.
Bisherige Ergebnisse
Zurzeit sind 209 Patienten rekrutiert, 187 Patienten zu T1 und 156 Patienten zu T2 nachuntersucht. Die Nachuntersuchungen sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Die derzeitige
Responsequote zu T1 liegt über 90 %. Es ist zu einer deutliche Abnahme des messbaren
neurologischen Defizites (100 Punkte= kein Defizit) im Follow-up bei beiden Geschlechtern
gekommen (s. Abb.1).
Abb. 1: Vergleich der Schwere des neurologischen Defizites ( ESS-Summenscores) zu T0, T1
und T2 bei bereits zu T2 nachuntersuchten
> 41 Pkt.
Patienten (n=153)
41 - 50 Pkt.
80
51 - 60 Pkt.
60
61 - 70 Pkt.
40
71 - 80 Pkt.
20
81 - 90 Pkt.
0
91 - 100 Pkt.
Anzahl der
Patienten
100
T0
T1
T2
fehlend
Bei der Modellbildung mittels multipler linearer Regression verbleiben mit einer erklärten Varianz von 48 % folgende erklärende Variablen für eine höhere Alltagsaktivität zu T1: weibliches Geschlecht, ambulante neurologische Betreuung nach Insult, geringerer Wert auf der
Depressionsskala, geringeres Alter, geringere Schwere des Insultes und höheres Niveau
des Schulabschlusses. Die Alltagsaktitivität der Frauen war allerdings bereits vor dem
Schlaganfall signifikant höher als die der Männer.
Diskussion
Die vor Insult höhere Alltagsaktivität der Frauen wirkt sich durch die schrittweise mögliche
Wiedereingliederung in das „Berufsfeld“ Hausarbeit zugunsten der Alltagsaktivität der Frauen drei Monate nach Insult aus. Vorhandene depressive Zustände nach Schlaganfall mindern die Eigenaktivitäten. Die Endergebnisse zu T2 bleiben aber noch abzuwarten.
Schlussfolgerungen
Auch Männern sollte die Möglichkeit einer schrittweisen (Wieder)Eingliederung in ihren Beruf oder die Hausarbeit ermöglicht werden. Depressive Zustände nach Insult bedürfen guter
Therapie.
227
Literatur
Hachisuka, K., Tsutsui, Y., Furusawa, K., Ogata, H. (1998): Gender Differences in Disability
and Lifestyle Among Community-Dwelling Elderly Stroke Patients in Kitakyushu, Japan,
Arch Phys Med Rehabil; 79:998-1002.
Schmelz, M., Ennen, J., Raum, E., Buser, K., Rückert, N., Weissenborn, K. (2000): Abhängigkeit des Behandlungsergebnisses von Schlaganfallpatienten von Geschlecht, sozialem und
familiärem Status. Akt. Neurologie; 27 (S 2),130, P197.
Wie ist eine geschlechtssensible Ernährungsberatung zu gestalten?
Plonait, S. (1), Dohnke, B. (2), Bastian, H. (1), Hess, N. (1)
(1) Rehazentrum Rankestrasse, (2) Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin,
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Hintergrund
Männer stellen mit etwa 75 % den Großteil der Patienten in der ambulanten kardiologischen
Rehabilitation. Übergewicht und das metabolische Syndrom sind als lebensstilabhängige
Risikofaktoren bei Männern häufiger als bei Frauen. Auch in der Zusammensetzung ihrer
Nahrung weichen Männer stärker von den Empfehlungen der DGE ab als Frauen (Bergmann, Mensik, 1999; Mensik et al., 1999). Männer gelten als schwerer durch Ernährungsberatung erreichbar als Frauen. Dies wird u.a. auf die traditionelle Aufgabenverteilung im Familienverbund und die Versorgung durch weibliche Familienangehörige zurückgeführt. Bedenkt man jedoch, dass von den 65-79jährigen im Jahr 2000 16 % alleine lebten und dieser
Anteil bis 2020 auf 23,3 % zunehmen soll, liegt auf der Hand, dass ein nicht unerheblicher
Anteil der männlichen Risikopatienten seine Ernährung selbst gestaltet. (BFSFJ, 2001)
Soll im Rahmen der Prävention eine nachhaltige Lebensstilmodifikation in die Wege geleitet
werden, müssen zuvor die Einflussnahmemöglichkeiten und Präferenzen der Betroffenen
hinsichtlich ihres Einkaufs-, Koch- und Essverhaltens bekannt sein.
Methode
In der vorliegenden Studie wurden 50 Patienten mit Adipositas (BMI>30) oder zu Rehabilitationsbeginn noch nicht ausreichend eingestelltem Cholesterin (Gesamt-Cholesterin >200
oder LDL-Cholesterin >100) aufgefordert, Ernährungsprotokolle anzufertigen. Außerdem
füllten sie einen Fragebogen zu ihrem Koch- und Einkaufsverhalten sowie zu Einflüssen ihres Umfeldes auf die Nahrungsaufnahme aus.
Das Alter der Patienten unterschied sich nicht wesentlich vom Durchschnittsalter der im Jahr
2006 behandelten Patienten.
Ergebnisse
Die Mehrzahl der Patienten gibt an, selbst „immer“ oder zumindest „häufig“ zu kochen bzw.
einzukaufen. Daneben gibt es eine kleinere Gruppe, die entweder auswärts isst oder versorgt wird. Im Einkaufsverhalten ist neben gesundheitlichen Aspekten der Preis der Nah-
228
rungsmittel ein relevantes Kriterium. Vorgaben des Umfeldes, mit dem die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen werden, scheinen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.
Diskussion
Die Ergebnisse erlauben es, Rückschlüsse auf verschiedene Typen von Rehabilitationsteilnehmern hinsichtlich ihres Essverhaltens zu ziehen.
Die Mehrzahl der Männer hat nicht nur durchaus einen direkten Einfluss auf die Gestaltung
ihrer Ernährung. Ein Großteil bestimmt die Auswahl der Nahrungsmittel selbst und viele bereiten Mahlzeiten zumindest "häufig" zu.
Dadurch ergeben sich Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Ernährungsberatung.
Ausblick
Die Erkenntnisse werden zur Entwicklung einer geschlechtssensiblen, weil gezielt auf Männer ausgerichteten Ernährungsberatung in der ambulanten Rehabilitation und nachfolgenden IRENA genutzt. Praktische Umsetzung finden die Ergebnisse in einem Einkaufstraining,
bei dem im Geschäft Produkte aus ernährungswissenschaftlicher Sicht, aber auch unter anderen Gesichtpunkten wie Preis und Geschmack verglichen werden. Eine weitere wichtige
Rolle kommt der Lehrküche zu, wo günstige Zubereitungsarten unter Anleitung erprobt werden können.
Die Analyse von Speisekarten geht auf die Bedürfnisse jener Patienten ein, die überwiegend
in Kantinen, Restaurants oder unterwegs Hauptmahlzeiten einnehmen.
Für die Subgruppe, die von Bezugspersonen versorgt wird, gilt es, Strategien zu entwickeln,
diese in noch größerem Ausmaß in die Schulungen mit einzubeziehen.
Eine weitere Untersuchung wird die Erwartungen von Frauen und Männern vor der Rehabilitation untersuchen, die Maßnahmen evaluieren und mit den Aktionsplänen und der Umsetzung durch die Patienten untersuchen.
Literatur
Bergmann, K.E., Mensik, G.B.M. (1999): Körpermasse und Übergewicht. Das Gesundheitswesen 61, Sonderheft 2:115.
Mensik, G.B.M., Thamm, M., Haas, K. (1999): Die Ernährung in Deutschland 1998. Das Gesundheitswesen 61, Sonderheft 2:200-206.
BFSFJ (2001): Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation.
229
Berufliche Orientierung 1
Systematisierung berufsbezogener Interventionen in der medizinischen
Rehabilitation
Gerlich, C., Neuderth, S., Vogel, H.
Universität Würzburg, Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie
Hintergrund
Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag der Rehabilitation der Rentenversicherung zeigt
sich in den vergangenen zehn Jahren ein zunehmender Trend zur Entwicklung berufsbezogener Angebote in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen. Allerdings fehlen häufig
eine empirische Fundierung und systematisch-begriffliche Einordnung in die RehaKonzepte. Im Rahmen der gemeinsamen Förderung der Umsetzung von Ergebnissen der
Rehabilitationsforschung in die Versorgungspraxis wurde daher ein Projekt mit dem Ziel
durchgeführt, Interventionen bzw. Interventionsbausteine zur gezielten Bearbeitung beruflicher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation systematisch zu sammeln und
wissenschaftlich zu bewerten Dies soll dazu dienen, die Transparenz zu erhöhen und die
Verwendbarkeit für interessierte Reha-Einrichtungen zu erleichtern.
Methode
In Form einer bundesweiten schriftlichen Erhebung12 in allen rentenversicherungseigenen
und von der Rentenversicherung federführend belegten Rehabilitationskliniken, -abteilungen
und ambulanten Reha-Zentren (N = 1.127) wurden aktuell eingesetzte berufsbezogene
Maßnahmen erfasst. Der Fragebogenrücklauf betrug 68 %.
Basierend auf den Ergebnissen dieser bundesweiten Befragung wurden 80 Einrichtungen,
die eine entsprechende Bereitschaft geäußert hatten, angefragt, differenzierte Beschreibungen ihrer berufsbezogenen Maßnahmen zur Verfügung zu stellen; insgesamt wurden 280
Maßnahmenbeschreibungen angefragt. Von 27 Einrichtungen wurden insgesamt 92 ausführliche Maßnahmenbeschreibungen zur Verfügung gestellt. Aus den ausführlichen Darstellungen der Einzelmaßnahmen wurden bislang strukturierte Beschreibungen für folgende
Interventionen abgeleitet:
- Arbeitstherapie
Um die Belastung der Rehabilitationseinrichtungen durch mehrfache Befragung von verschiedenen wissenschaftlichen Instituten zu vermeiden, wurde die Befragung von folgenden
Projekten gemeinsam durchgeführt: Zentrum Patientenschulung (Faller et al., Universität
Würzburg), PORTAL - PartizipationsOrientierte Rehabilitation zur Teilhabe am ArbeitsLeben
(Radoschewski et al., Charité Berlin), Entwicklung und Validierung eines generischen
Screening-Instruments zur Identifikation von beruflichen Problemlagen (Vogel et al., Universität Würzburg) und Sammlung und wissenschaftliche Bewertung von Interventionsbausteinen zu berufsbezogenen Maßnahmen (Neuderth et al., Universität Würzburg).
12
230
-
Interne Belastungserprobung
Externe Belastungserprobung
Bewerbungstraining
Berufsfindung/-orientierung
Sozialberatung
Aktuell beschrieben werden noch folgende Interventionen: Profilvergleiche, berufsbezogene
Gruppen, Praktika/Hospitationen, berufsbezogene Trainings zur Stressbewältigung, Kommunikation, Konfliktlösefähigkeit, sozialer Kompetenz, Ergonomie- und EDV-Trainings sowie
die speziell in Einrichtungen für Abhängigkeitskranke durchgeführte Maßnahme der Adaption.
Die strukturierten Beschreibungen beinhalten die Ziele der Maßnahme, wesentliche Inhalte
und Durchführungsmodalitäten, angewandte Methoden und Assessments, Dauer und Frequenz, Ein- und Ausschlusskriterien, beteiligte Berufsgruppen und Hinweise zur notwendigen Ausstattung. Die strukturierten Maßnahmenbeschreibungen wurden, unter Nutzung einer vereinfachten Delphitechnik, einem Expertengremium (n = 38 Vertreter aus Kliniken,
Forschungseinrichtungen und von Kostenträgern) mit der Bitte um Prüfung vorgelegt und
entsprechend der Rückmeldungen überarbeitet.
Ergebnisse
Die Kliniken bieten Maßnahmen zum Training beruflicher Schlüsselqualifikationen (z. B.
soziales Kompetenztraining), zur Steigerung von Belastbarkeit, Ausdauer und Motivation
(z. B. Arbeits- und Belastungserprobung) sowie aus den Bereichen Beratung, Interessenfindung und Vermittlung (z. B. Beratung durch den Sozialdienst) an. Die häufigsten Angaben
zu berufsbezogenen Maßnahmen kommen aus Kliniken mit den Indikationen
Psychosomatik
und
Abhängigkeitserkrankungen.
Bei
der
Anfrage
konkreter
Maßnahmenbeschreibungen von Kliniken zeigte sich, dass Curricula oder formalisierte
Prozessbeschreibungen
selten
vorliegen.
Aus
den
vorliegenden
Maßnahmenbeschreibungen der Kliniken wird die breite Varianz der Inhalte ebenso deutlich, wie
die unterschiedliche Verwendung von Begrifflichkeiten. Auch bei den (teilweise
heterogenen) Rückmeldungen der Experten zeigte sich, dass die eindeutige Benennung
und trennscharfe Abgrenzung der Maßnahmetypen eine wichtige Voraussetzung ist, um die
gewünschte Transparenz zu ermöglichen und Bewertungen vornehmen zu können.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Verbreitung berufsbezogener Maßnahmen kann als wichtiges Ziel des Projektes betrachtet werden. Um berufsbezogene Maßnahmen flächendeckend zu etablieren, müssen
die Projektergebnisse zielgruppengerecht aufbereitet und zugänglich gemacht werden. Als
eine Verbreitungsstrategie wurde eine Homepage zum Thema berufliche Orientierung erstellt (www.rehawissenschaft.uni-wuerzburg.de/bo/). Zudem wird ein Handbuch für Kliniken
konzipiert, in dem für jede Maßnahmenart eine systematische Beschreibung zu finden ist
und mögliche Ablaufprozesse anhand von „Good-Practice-Beispielen“ illustriert werden. Expertendefinierte Kriterien für die Bewertung von Maßnahmen (im Sinnen von Qualitätsanforderungen) werden genannt.
231
Literatur
Neuderth, S., Vogel, H. (Hrsg.) (2002): Berufsbezogene Maßnahmen in der medizinischen
Rehabilitation - bisherige Entwicklungen und aktuelle Perspektiven. Frankfurt: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation.
Beeinträchtigte Teilhabe am Berufsleben im Spiegel therapeutischer
Leistungen - Zum Stand medizinisch-beruflich orientierter Rehabilitation
Radoschewski, F.M. (1), Müller-Fahrnow, W. (1), Hansmeier, T. (2)
(1) Charité - Universitätsmedizin Berlin, (2) DRV-Bund
Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung
„Arbeits- und berufsbezogene Problemstellungen im Zusammenhang mit (chronischer)
Krankheit finden sich grundsätzlich bei allen Rehabilitanden, aber in unterschiedlicher Ausprägung und mit differierenden Auswirkungen auf rehabilitative Strategien (BFA, 2003)“.
Das von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderte PORTAL-Projekt (Partizipationsorientierte Rehabilitation zur Teilhabe am Arbeitsleben), hatte das Ziel, den erreichten
Stand der Entwicklung auf dem Gebiet der arbeitsbezogenen Orientierung der medizinischen Rehabilitation in ihren wesentlichen Komponenten zu ermitteln und zu bewerten. Dabei stand die Beantwortung zweier Fragen im Mittelpunkt:
Wie ist der Bedarf nach verstärkter beruflicher Orientierung in der medizinischen Rehabilitation differenzierter einzuschätzen?
Welchen Stellenwert haben gesundheitsassoziierte arbeits- und berufsbezogene Problemlagen im diagnostisch-therapeutischen Vorgehen der Rehabilitationseinrichtungen?
Methodik, Studiendesign
Zur Beantwortung der Fragen wurden zwei Datenkörper analysiert:
(1) Prozessdaten des QS-Programms der Deutschen Rentenversicherung (Anonymisierte
Daten der Patientenbefragung des Jahres 2003 verknüpft mit den ärztlichen Entlassungsberichten inkl. der KTL-Daten (BfA, 2000) des Jahres 2003, eingegrenzt auf die Zielgruppe
„Erwerbspersonen“ für den somatischen [N= 28.561] und den psychosomatischen
[N= 7.986] Indikationsbereich) und
(2) Daten einer standardisierten Befragung der Reha–Kliniken und ambulanten RehaEinrichtungen im Jahre 2004 (N=763), die gemeinsam mit Arbeitsgruppen der Universität
Würzburg (Transferprojekte C2 und C3) durchgeführt wurde.
Stärkere gesundheitsbedingte Einschränkungen oder Defizite der Teilhabe am Berufs- und
Erwerbsleben sind geeignete Indikatoren für einen erhöhten individuellen Bedarf an beruflicher Orientierung im Reha-Prozess. Unter der Voraussetzung, dass alle Patienten der Zielgruppe eine gesundheitsassoziierte „Allgemeine berufliche Problemlage“ aufweisen, wurde
eine „Besondere berufliche Problemlage“ mittels folgender Kriterien abgegrenzt:
- Leistungsfähigkeit in der letzten Tätigkeit < 3 Stunden und allgemeine Leistungsfähigkeit
> 3 Stunden,
232
- Leistungsfähigkeit i. d. letzten Tätigkeit < 6 Stunden und allgemeine Leistungsfähigkeit 3
bis 6 Stunden,
- AU-Zeiten innerhalb der letzten 12 Monate vor Aufnahme > 3 Monate und
- Arbeitslosigkeit vor Antragstellung.
Es wurde überprüft, wie sich die unterschiedlichen beruflichen Problemlagen in der Anwendung dokumentierter direkt berufs- und arbeitsbezogener und der weiteren therapeutischen
Leistungen widerspiegeln. Dies erfolgte übergreifend und indikationsspezifisch unter Einsatz
deskriptiv-analytischer, univariater und multivariater Verfahren.
Ergebnisse
Den verwendeten Kriterien entsprechend befindet sich etwa jeder dritte Patient im somatischen und jeder zweite im psychosomatischen Indikationsbereich in einer „Besonderen beruflichen Problemlage“. Die stationären und auch die ambulanten Reha-Einrichtungen
schätzen, dass mehr als 1/3 der Rehabilitanden besondere und nahezu jeder sechste stark
ausgeprägte beruflichen Problemlagen aufweist (Radoschewski et al., 2006). Über den geringen Einfluss der besonders ausgeprägten beruflichen Problemlagen auf den Einsatz direkt arbeits- und berufsbezogener Leistungen und den dominanten Einfluss der RehaEinrichtung auf den Leistungseinsatz wurde bereits berichtet (Thode et al., 2006).
Ein allein auf direkt berufsbezogene Leistungen beschränkter Vergleich birgt aber die Gefahr einer verzerrten Bewertung, da ein mehr oder minder ausgeprägter indirekter beruflicher Bezug (bis auf wenige Ausnahmen) auch den anderen therapeutischen Leistungseinheiten und Leistungen zuzubilligen ist. Mittels Clusteranalyse lassen sich an Hand der in
den E-Berichten nach KTL klassifizierten Leistungen und Leistungsmengen indikationsspezifisch „Leistungspakete“ identifizieren. Dabei ergeben sich z. B. in den am häufigsten frequentierten Fachgebieten, der Orthopädie und der Kardiologie je fünf und in der Psychosomatik vier nach Leistungsarten und -mengen relativ gleichartige „Leistungspakete“. Noch
stärker als beim Einsatz direkt berufsbezogener Leistungen zeigt sich auch in der Anwendung nicht direkt berufsbezogener Leistungsarten ein dominierender Einfluss des „Klinikfaktors“ auf die jeweils eingesetzten Leistungspakete. Die Ausprägung der beruflichen Problemlagen bei den Rehabilitanden hat in den meisten Fachgebieten zwar auch einen relevanten aber demgegenüber eher geringen Einfluss.
Das methodische Vorgehen, die Einzelergebnisse und die „Leistungspakete“ werden genauer dargestellt und charakterisiert.
Diskussion
Auswertungen des arbeitsbezogenen KTL-Spektrums hatten bereits gezeigt, dass sich der
inhaltliche Anspruch der Rentenversicherung der verstärkten Berücksichtigung arbeitsplatzbezogener Problemlagen im kodierten arbeits- und berufsbezogenen Interventionsspektrum
nicht angemessen wieder findet (Irle et al., 2005). Gemessen am Leistungseinsatz bei Vorliegen besonders ausgeprägter beruflicher Problemlagen relativiert sich diese Aussage noch
stärker. Der Einsatz (kodierter) therapeutischer Leistungen weist vor allem eine hohe Klinikspezifik auf, repräsentiert in gewisser Weise typische Leistungs- und Dokumentationsroutinen und besitzt zu geringe Bezüge zu den arbeitsplatzbezogenen Problemlagen der Patienten.
233
Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
In Auswertung der Projektergebnisse wurden Vorschläge zum Einsatz prozessdatengestützter Kriterien für die Ausprägung des arbeits- und berufsbezogenen Vorgehens auf der Klinikebene und ihre Nutzung im Rahmen des Qualitätssicherungsprogramms unterbreitet.
Literatur
BfA (2003): Eckpunkte arbeitsbezogener Strategien bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Berlin.
BfA (Hrsg.) (2000): KTL - Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen
Rehabilitation, 4. Auflage.
Radoschewski, F.M., Hansmeier, T., Müller-Fahrnow, W. (2006): Berufliche Orientierung in
der medizinischen Rehabilitation - Ergebnisse einer Befragung medizinischer RehaEinrichtungen. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): DRV-Schriften Band 64.
29-31.
Thode, N., Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T. (2006): Gesundheitsassoziierte berufliche Problemlagen von Rehabilitanden und ihr Einfluss auf den Einsatz
arbeits- und berufsbezogener therapeutischer Leistungen. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): DRV-Schriften Band 64. 33-35.
Irle, H., Sommhammer, B., Klosterhuis, H. (2005): Arbeitsbezug als Aufgabe der medizinischen Rehabilitation im Spiegel der KTL. In: VDR (Hrsg.): DRV-Schriften Band 59. 251253.
Berufliche Reintegration nach medizinisch-beruflicher Rehabilitation
Spranger, M., Sutter, M.
Neurologisches Rehabilitationszentrum Friedehorst
Hintergrund
Die Bedeutung der beruflichen (Re-)integration als Ziel der medizinischen Rehabilitation ist
in den letzten Jahren ins Blickfeld gerückt. Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass - anstelle einer sequentiellen Abfolge von zunächst medizinischer, danach beruflicher Rehabilitation - eine Integration beider Maßnahmen ein größtmögliches Maß an Partizipation erreicht. Bereits seit Anfang der 70er Jahre verfolgen Phase-II-Einrichtungen dieses Ziel und
erbringen Leistungen zur medizinischen, schulischen, beruflichen und psychosozialen Rehabilitation „unter einem Dach“ (BAG Phase II, 1992). Die Schnittstelle der medizinischberuflichen Rehabilitation zur anschließenden ambulanten Weiterversorgung bleibt jedoch
ein Problem.
Methode und Ergebnisse
Wir verfolgten daher insgesamt 95 Rehabilitanden, welche im Jahr 2000 nach einer
Erkrankung oder Verletzung des Zentralnervensystems eine Rehabilitationsleistung unter
Einschluss einer Arbeits- oder Berufstherapie erhielten. Das Durchschnittsalter betrug 23,9
Jahre; die Mehrzahl war männlich (n=58). Der häufigste Grund für die Rehabilitation war ein
Schädel-Hirn-Trauma (n=54). Während bei Aufnahme über 80 % der Rehabilitanden noch
234
schwer beeinträchtigt waren und pflegerische Hilfe im Alltag benötigten, waren bei
Entlassung 84,2 % lebenspraktisch selbstständig. Am Ende der Rehabilitation wurde für
20 % eine Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt, für weitere 32 % eine Ausbildung oder
Qualifizierung empfohlen (Abb. 1). Dieser Prozentsatz bestätigte sich ein Jahr nach
Entlassung mit einem höheren Anteil an Berufstätigen, 5 Jahre danach stieg er sogar auf
insgesamt 70 % der ehemaligen Rehabilitanden in Tätigkeit oder Ausbildung. Der Anteil der
Rehabilitanden, die nach der Rehabilitation eine Werkstatt für behinderte Menschen
besuchten, war deutlich geringer als ursprünglich empfohlen. Während ein Jahr nach
Entlassung noch ein Drittel ohne Beschäftigung war, sank dieser Anteil nach 5 Jahren auf
20 %. Von den Patienten, die bereits vor ihrer Hirnverletzung beruflich tätig waren, konnten
65 % auf gleichem Qualifikationsniveau beruflich wiedereingegliedert werden.
Entscheidend für die erfolgreiche Reintegration war nicht der Ausgangsbefund bei Aufnahme, sondern die Dynamik des Heilungsverlaufs während der Rehabilitations-Maßnahme.
Von Interesse für eine weitere Schnittstellenverbesserung war allerdings, dass die Mehrzahl
der Rehabilitanden ihre Beschäftigung durch Eigeninitiative und nicht mit Hilfe professioneller Wiedereingliederungsinstitutionen erhielt. Wurde ein Arbeitsplatz gefunden, so war die
Tätigkeit in 2/3 der Fälle nicht begleitet durch Berufshelfer oder andere Professionelle, obwohl alle Teilnehmer über Beeinträchtigungen und Probleme an der Arbeitsstelle klagten.
Dementsprechend hoch war die Zahl der Rehabilitanden, die nach einem Jahr schon den
Arbeitsplatz gewechselt hatten. Die professionelle Unterstützung am Arbeitsplatz stieg 5
Jahre später deutlich an.
bei
Entlassung
allg. Arbeitsmarkt
Ausbildung
nach 1 Jahr
Qualifizierung
WfBM
kein
nach 5 J
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Fazit
Die Ergebnisse demonstrieren einerseits den Vorteil eines integrierten medizinischberuflichen Rehabilitationsansatzes, mit dem unnötige und potentiell schädigende
Unterbrechungen und Wartezeiten im Rehabilitationsverlauf vermieden werden.
Andererseits zeigen sie auch die Notwendigkeit einer strukturierten Nachsorge, bzw. eines
nachstationären Netzwerkes zur beruflichen Integration, wie sie z. B. in Australien als
effektiv beschrieben worden ist (Russo, Innes, 2002). Am NRZ Friedehorst wurde daher ein
Nachsorgeprogramm installiert, in dem ehemalige Rehabilitanden bis zu einem halben Jahr
nach Entlassung an ihrem Arbeitsplatz betreut werden. Durch einen solchen Ansatz lassen
sich die oben genannten vergleichsweise guten Ergebnisse erzielen (Drechsler et al., 1995).
235
Literatur
BAG (1992): Phase II, Heft 5: Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen in Einrichtungen
der medizinisch-beruflichen Rehabilitation.
Drechsler, R., Padocan, F., Di Stefano, G., Conti, F.M. (1995): An integrated concept for vocational rehabilitation of brain injured patients. Rehabilitation, 34:193-202.
Russo, D., Innes, E. (2002): An organizational case study of the case manager´s role in a
client´s return-to-work programme in Australia. Occup Ther. Int. 9:57-75.
SIBAR - Screening-Inventar zur Erfassung des Bedarfs an
berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der Medizinischen
Rehabilitation - Ergebnisse zur Reliabilität und Validität
Bürger, W. (1), Deck, R. (2)
(1) Arbeitsgruppe Reha-Forschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg,
(2) Institut für Sozialmedizin, Lübeck
Hintergrund
Angesichts eines wachsenden Angebotes an berufsbezogenen Maßnahmen (vgl. Bürger,
2006) stellt sich für Rehabilitationseinrichtungen einerseits die Frage, inwieweit für ihr Klientel die Notwendigkeit der Etablierung eines solchen berufsbezogenen Angebotes sinnvoll
und notwendig ist und welche Schwerpunkte dieses Angebot umfassen soll, andererseits
ergibt sich bei Vorhandensein von berufsbezogenen Angeboten die Notwendigkeit einer
entsprechenden bedarfsgerechten und zielgenauen Zuweisung.
Mit SIBAR wurde ein kurzes (zweiseitiges) Screening-Instrument entwickelt, mit dessen Hilfe der Bedarf an berufsbezogenen therapeutischen Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation festgestellt werden kann. Wie berichtet (vgl. Bürger et al., 2006), wird der Bedarf
an entsprechenden Angeboten mittels SIBAR über das Frühberentungsrisiko, das Ausmaß
und die Art der beruflichen Belastung und die von Versicherten selbst eingeschätzte Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen erfasst.
Die Entwicklung des Screening-Instrumentes erfolgt im Rahmen der Transferphase des gemeinsamen Förderschwerpunktes „Rehabilitationswissenschaften“ der Rentenversicherung
und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie.
Im vorliegenden Beitrag werden erste umfassendere Ergebnisse zur Reliabilität, zur Validität
und zur Praktikabilität von SIBAR vorgestellt.
Methodik
SIBAR wurde bei Reha-Antragstellern der Rentenversicherungen Nord, Rheinland-Pfalz und
Braunschweig-Hannover sowie in verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen (Orthopädie,
Kardiologie, Psychosomatik, Onkologie) eingesetzt.
Bei diesen Befragungen wurden bis heute 2230 Antragsteller sowie 1054 Rehabilitanden
befragt. Für letztere liegen Daten aus Befragungen einerseits der Rehabilitanden zu Beginn
der Rehabilitation, teilweise vor der Reha, am Ende und ein halbes Jahr nach Ende der Re236
habilitation, sowie aus der Perspektive der Ärzte und den Reha-Entlassberichten vor. Für
einen größeren Teil der Antragsteller liegen Daten zur Inanspruchnahme berufsbezogener
Therapieangebote sowie zum Rentenantragsverhalten ein halbes Jahr nach der Befragung
vor.
Die Teilnahmequoten an den Befragungen lagen je nach Institution und Erhebungszugang
zwischen etwa 30 % bis über 90 %.
Ergebnisse und Diskussion
Die Skala zur Vorhersage des Frühberentungsrisikos beispielsweise umfasst 5 Items und
weist eine gute interne Konsistenz von .80 bis .90 (cronbach-alpha, je nach Stichprobe) sowie eine sehr gute Reteststabilität auf (r=.93) auf. Sie ist nur gering alters- und geschlechtsabhängig und hat eine hohe prädiktive Validität für das tatsächliche Antragsverhalten auf
Frühberentung.
Sie weist einen deutlichen Zusammenhang zum Ausmaß des beruflichen Belastungserlebens auf (r=.40). Erwartungsgemäß spielt das entsprechend erfasste Frühberentungsrisiko
für den von Versicherten eingeschätzten Bedarf an berufsbezogenen Angeboten nur eine
untergeordnete Rolle mit Ausnahme der Erwartung, Hilfe bei sozial- und arbeitsrechtlichen
Fragestellungen sowie bei der Suche nach beruflichen Alternativen zu erhalten.
Ein gewichtiger Teil der Versicherten (30-60 %) äußert Bedarf an verschiedenen berufsbezogenen Angeboten. Dieser wird am besten durch das von Versicherten benannte Vorhandensein spezifischer beruflicher Belastungen vorhergesagt.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die drei Komponenten von SIBAR einen jeweils unabhängigen Beitrag zur Feststellung des berufsbezogenen Bedarfs leisten und mithilfe von
SIBAR spezifische Empfehlungen zur Ausgestaltung des berufsbezogenen Angebotes einer
Rehabilitationseinrichtung einerseits sowie gezielte Zuweisungen zu einzelnen berufsbezogenen Angeboten andererseits möglich sind.
Literatur
Bürger, W., Deck, R., Fuhrmann, I. (2006): SIBAR - Ein Fragebogen zur Erfassung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der Medizinischen Rehabilitation.
In: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), DRV-Schriften Band 64 (4243), Frankfurt: VDR.
Bürger, W. (2006): Entwicklungsstand der berufsbezogenen Angebote in der medizinischen
Rehabilitation. In: Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T., Karoff, M. (Hrsg.) Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Lengerich. Pabst. S.
47-55.
237
Entwicklung und Einsatz arbeitsorientierter Aktivitätstests in der
medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation
Röhrig, A., Alles, T.
Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen
Sporthochschule Köln
Hintergrund
Anlass für die Entwicklung arbeitsorientierter Aktivitätstests war ein Gesamtprojekt in der
Rehabilitationsklinik Norddeich, in welchem das Ziel eine Optimierung des Rehabilitationsprozesses unter Einsatz von Assessments war. Eines der Hauptziele bei der Optimierung
war ein stärkerer Einbezug des beruflich-orientierten Therapiegedankens. Um zu Rehabilitationsbeginn bereits arbeitsorientierte Rehabilitationsziele zu formulieren, wurden die Eingangsdiagnostik und auch die Eingangsassessments arbeitsorientiert ausgerichtet. Um eine
medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBO) zu planen, werden entsprechende Assessments empfohlen (Hansmeier, 2006). Hierunter werden unter anderem Aktivitätstests
nach nordamerikanischen Vorbild, die so genannten FCE-Verfahren (FCE=Functional Capacity Evaluation), verstanden. Diese Verfahren schätzen in standardisierter Form Arbeitsaktivitäten wie Heben, Sitzen oder Knien ein. Mit den FCE-Verfahren werden 20 in der Arbeitswelt vorkommende physische Anforderungen eingeschätzt. Diese FCE-Verfahren bieten einen guten Überblick über physische Leistungsfähigkeiten. Allerdings sind sie zeitlich
gesehen recht aufwendig, da ein Testdurchlauf bis zu 4 Stunden dauern kann. Von uns wird
auch als nachteilig empfunden, dass die standardisierten Testaktivitäten häufig nicht den
geforderten Arbeitsbedingungen entsprechen. Daher wurden von uns FCE-Verfahren abgewandelt, um so ein relativ konkret arbeitsorientiertes Assessment zu Beginn eines Klinikaufenthaltes durchführen zu können. Folgende drei Hauptkriterien sollten durch die Testabwandlung erreicht werden. Erstens: Die Tests sollten möglichst konkret die Arbeitsanforderungen der Patienten überprüfen, da sich mit zunehmender Abstrahierung die Aussagekraft
der Testergbenisse verringert (Hansmeier, 2006). Zweitens: Die Tests sollten speziell auf
Rückenpatienten ausgerichtet werden. Unsere bisherigen Erfahrungen zeigten, dass die
FCE-Verfahren bei Rückenpatienten nicht sehr sensitiv sind. Und drittens sollten die Tests
ökonomisch in einen ca. 3-wöchigen-Rehabilitationsverlauf eingebettet werden können. Das
Ergebnis dieser Zielsetzungen ist die Testbatterie ELA (Einschätzung körperlicher Leistungsfähigkeiten bei arbeitsbezogenen Aktivitäten).
Testbeschreibung, Erfahrungsbericht und Diskussion
ELA ist eine Testbatterie von abgewandelten FCE-Aktivitätstests. Da die Zielgruppe Patienten mit Rückenleiden sind, wurden die Testaktivitäten so ausgerichtet, dass sie Aktivitäten
überprüfen, die v. a. für Rückenpatienten problematisch sind. Als Grundlage für die Testauswahl dienten die FCE-Verfahren nach Isernhagen Work Systems (1997), nach Roy Matheson und Associates (1998) und die Tests von ERGOS®. Im Folgenden die wichtigsten
Kennzeichen von ELA und des Einsatzes von ELA.
Patientenorientierte Testauswahl:
238
ELA-Tests schätzen, genau wie FCE-Verfahren, die 20 physischen Anforderungen von Arbeit ein. Es werden jedoch nicht immer alle 20 FCE-Aktivitäten überprüft sondern nur die Aktivitäten, bei denen Schwierigkeiten vermutet werden. Dies setzt eine arbeitsorientierte Eingangsdiagnostik als auch eine arbeitsorientierte Eingangsbefragung des Patienten voraus.
Sind voraussichtlich nur drei physische Anforderungen problematisch, dann werden auch
nur drei ELA-Aktivitätstests durchgeführt.
Anforderungsorientierte Testvariabilität:
Die Aktivitätstests haben ein einheitliches Grundgerüst, bieten jedoch für weitere Rahmenbedingungen große Spielräume, um die Testtätigkeit möglichst den existenten Arbeitsbedingungen anzupassen. Das heißt, dass z. B. beim Heben als einheitliches Grundgerüst vorgegeben ist, den zu hebenden Gegenstand fünf Mal zu heben und wieder abzulassen. Die
Arbeitshöhen und die zu hebenden Gegenstände sind bei den Tests jedoch variabel. Sie
werden je nach Arbeitsbedingungen des Patienten so gewählt, dass sie den realen Arbeitsbedingungen möglichst nahe kommen. Die Aktivität soll dann auch jeweils in der durch die
Arbeitsbedingungen geforderten bzw. bedingten Art und Weise ausgeführt werden.
Die ELA-Testbatterie wurde bisher in der Klinik Norddeich über mehrere Monate und bei gut
50 Patienten eingesetzt; das Projekt läuft noch weitere vier Monate. Diskutiert werden neben den Erfahrungswerten aus dem Einsatz die Vor- und Nachteile der geringeren Standardisierung der ELA-Tests im Vergleich zu den FCE-Verfahren sowie der Nutzen solcher
Tests für die Therapieplanung und -evaluation. Die Diskussion wird auch berücksichtigen,
inwiefern die Testgeräte und -materialien auch für ein Training genutzt werden sollten.
Literatur
Hansmeier, T. (2006): Assessments und Interventionen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus wissenschaftlicher Sicht. In: Müller-Fahrnow, W, Hansmeier T und
Karoff M (Hrsg.): Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten
Rehabilitation. Lengerich: Pabst Science Publishers. (77-87).
Roy Matheson, Associates (1998): The Industrial Rehabilitation. Professional Residency
Program. Manual. Roy Matheson and Associates, Inc., Keene.
Isernhagen Work Systems (1997): Functional Capacity procedure manual, 1st edn. Duluth,
MN.
iqpr - Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln (Hrsg.) (2006): ELA-LWS Einschätzung körperlicher Leistungsfähigkeiten bei arbeitsbezogenen Aktivitäten, LWS-Patienten. Testbeschreibungen
und Dokumentation. Köln.
239
Berufliche Orientierung 2
Probleme mit der Arbeitswelt - zunehmend ein Thema für Patienten?
Schneider, J., Michalak, U.
Edertal Klinik, Bad Wildungen
Theoretischer Hintergrund und Fragestellung
Themen wie Zeit- und Leistungsdruck am Arbeitsplatz, (drohende) Arbeitslosigkeit und unsichere Berufsperspektiven erfordern aus Praktikersicht zunehmende Berücksichtigung bei
der Patientenbehandlung. Aus Sicht der Kostenträger stellt die berufliche Wiedereingliederung das zentrale Ziel der Rehabilitation dar, sodass ein stärkerer Fokus auf die berufliche
Situation erforderlich scheint. Die vorliegende Studie ging der Frage nach, ob sich tatsächlich Änderungen der Arbeitssituation und des sozialmedizinischen Status im Patientengut
der letzten acht Jahren finden lassen.
Methode
Es wurden die Daten von annähernd 9.000 Patienten analysiert, die in den Jahren 1998 bis
2005 an einer stationären psychosomatischen Rehabilitation in der Edertal Klinik teilgenommen haben. Überprüft wurde, ob sich das Patientengut in soziodemographischen (Alter
und Geschlecht), sozialmedizinischen (AU-Zeiten, Arbeitslosigkeit, Rentenstatus, Rentenbedürftigkeit) und Variablen zur Beeinträchtigung (subjektive Beeinträchtigung, Depressivität, Chronifizierung) in den letzten acht Jahren verändert hat. Die Datenanalyse erfolgte mittels Varianzanalysen und Chi2-Tests.
Ergebnisse
Soziodemographische Variablen: Alter- (MW=49,09 Jahre; SD=8,52) und Geschlechtsverteilung (Anteil Frauen: 77,9 %) zeigten keine Änderungen im Untersuchungszeitraum.
Sozialmedizinische Variablen: Der Anteil der voll- oder teilzeitbeschäftigten Patienten ging in
den letzten acht Jahren von 69 % auf 46 % zurück; der Anteil arbeitsloser Patienten stieg
hingegen von 18 % auf 32 % an. Während in den Jahren 1998-2000 noch 40-50 % der Patienten arbeitsfähig zur Rehabilitation kamen, sank dieser Anteil bis zum Jahr 2005 auf unter
20 %. Der Anteil an kurzzeitig (bis 2 Monate) arbeitsunfähigen Patienten nahm von 8 % auf
18 % zu, ebenso stieg der Anteil längerer AU-Zeiten (mehr als 4 Monate) von 40 % auf
58 %. Bezüglich der subjektiven Rentenbedürftigkeit ließ sich keine systematische Entwicklung erkennen. Durchgängig erleben sich gut 35 % der Patienten als stark oder sehr stark
rentenbedürftig, 16 % als mittelmäßig rentenbedürftig und 49 % als nicht oder gering rentenbedürftig. Bezüglich des Rentenstatus zeigte sich in den letzten vier Jahren eine leichte
Zunahme von 20 % auf 25 % an Patienten mit ungünstigem Status (z. B. Rentenantrag gestellt oder Zeitrente).
Beeinträchtigung: Der Anteil an Patienten, die sich schwer oder massiv beeinträchtigt erlebten, nahm in verschiedenen Lebensbereichen um jeweils ca. 15 % zu und liegt nun im Bereich Arbeit/Ausbildung bei über 70 % und in den Bereichen Familienleben/häusliche Pflich240
ten sowie Freizeit/Sozialleben bei über 50 %. Im Bereich Depressivität (ADS-K) zeigten sich
durchgängig hohe Werte (MW=23,2; SD=10,0). Ebenso durchgängig zeigten sich hohe Werte in der behavioralen schmerzbedingten Beeinträchtigung (PDI; MW=5,2; SD=2,2), allerdings stieg der Anteil der Patienten, bei denen Schmerzen (subjektiv) relevant waren, von
39 % auf 88 % an. Während sich in der Erkrankungsdauer keine Änderungen zeigten
(MW=13,4 Jahre; SD=11,6), fanden sich im Schmerzchronifizierungsstadium zwischen den
Jahren 2002 und 2005 deutliche Verschiebungen: Der Patientenanteil im Stadium I sank
von 23 % auf 9 %, der Anteil im Stadium III stieg von 39 % auf 58 % an. Der Anteil im Stadium II lag konstant bei 35 %.
Schlussfolgerungen
Probleme wie Arbeitslosigkeit, lange AU-Zeiten und als massiv erlebte Beeinträchtigungen
bei der Arbeit betreffen einen zunehmend größeren Teil der Patienten der vorgestellten psychosomatischen Reha-Klinik. Im Rahmen bio-psycho-sozialer Behandlungsansätze kommt
daher der ‚sozialen’ Komponente psychischer und psychosomatischer Störungen eine zunehmend stärkere Bedeutung zu. Dies erfordert eine Ausweitung des ‚traditionellen’ therapeutischen Angebotes auf berufs- bzw. arbeitsbezogene Ansätze. Ob allerdings die Motivation sowohl von Therapeuten als auch von Patienten zur Bearbeitung beruflicher Schwierigkeiten im nötigen Maß vorhanden ist, bleibt zunächst offen.
Arbeitsplatzängste bei Patienten in der Psychosomatischen und in der
Orthopädischen Rehabilitation
Muschalla, B. (1), Linden, M. (1), Olbrich, D. (2)
(1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité, Universitätsmedizin
Berlin und dem Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund,
Teltow/Berlin, (2) Rehabilitationszentrum Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversicherung
Bund
Hintergrund
Nach klinischer Erfahrung wird eine Langzeit-Arbeitsunfähigkeit in vielen Fällen nicht durch
die im Vordergrund stehende organische oder psychiatrische Erkrankungen verursacht,
sondern durch im Hintergrund stehende arbeitsplatzbezogene Ängste, die bis zu einer phobischen Arbeitsplatzvermeidung führen können. Dieses Problem hat bislang nur ungenügend Aufmerksamkeit erfahren. Es gibt keine ausgearbeitete klinische Differentialdiagnostik
für dieses Problem (Linden, 2006; Linden, Muschalla, 2007).
Methode
Zur Erfassung arbeitsplatzbezogener Ängste wurde deshalb die Job-Angst-Skala (JAS)
entwickelt (Linden, Muschalla, 2006). Sie erlaubt eine Differenzierung arbeitsplatzbezogener
Ängste auf den folgenden Dimensionen:
1. Stimulusbezogene Ängste und Vermeidungsverhalten (antizipatorische Angst, phobische
Vermeidung, konditionierte Angst)
241
2. Soziale Ängste und Beeinträchtigungskognitionen (Ausbeutungsangst, Soziale Ängste,
Bedrohungs- und Beeinträchtigungsüberzeugungen)
3. Gesundheits- und körperbezogene Ängste (Hypochondrische Tendenzen, Panik und
körperliche Symptome, funktionsbezogene Ängste)
4. Insuffizienzerleben (allgemeine Insuffizienzgedanken, Veränderungsängste)
5. Arbeitsplatzbezogene Sorgen (Sorgen im Sinne arbeitsplatzbezogener GAD, Existenzangst)
In einer empirischen Studie an 90 Patienten einer Psychosomatischen und 100 Patienten
einer Orthopädischen Rehabilitationsklinik wurden Art und Ausmaß arbeitsplatzbezogener
Ängste untersucht. Es wurden zusätzlich wichtige berufsbezogene Daten erhoben.
Ergebnisse
Psychosomatische Patienten erreichten auf allen Job-Angst-Dimensionen signifikant höhere
Werte als orthopädische Patienten. Die höchsten Werte entfielen auf die Dimension „Arbeitsplatzbezogene Sorgen“, speziell Existenzängste, gefolgt von „Gesundheitsängsten“,
„Insuffizienzängsten“, „Stimulusbezogene Ängste und Vermeidung“ und „Soziale Ängste“
(Abb. 1).
Abbildung 1: Mittelwerte der Subskalen für Gesamtstichprobe, Psychosomatikpatienten und
Orthopädiepatienten
Subskalenmittelwerte der Teilstichproben und der Gesamtstichprobe
Subskalenmittelwerte
2,5
2
Gesamtstichprobe ( N = 190)
1,5
Psychosomatik ( N = 90)
1
Orthopädie ( N = 100)
0,5
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12 13 14
JAS-Subskalen
Anmerkungen: Subskalenbezeichnungen: 1 = Antizipatorische Angst; 2 = phobische Vermeidung; 3 = konditionierte Angst; 4 = Globalitems; 5 = Ausbeutungsangst; 6 = Soziale
Ängste; 7 = Bedrohungs- und Beeinträchtigungsängste; 8 = hypochondrische Tendenzen; 9
= Panik und körperbezogene Symptome; 10 = funktionelle Einschränkungen; 11 = allgemeine Insuffizienzgedanken; 12 = Veränderungsängste; 13 = arbeitsplatzbezogene Sorgen; 14
= Existenzangst
Der JAS-Score korrelierte sowohl bei Psychosomatikpatienten (r = .360**) als auch bei Orthopädiepatienten (r = .308**) mit den aktuellen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Geschlecht oder
Leitungsposition zeigten keinen konsistenten Zusammenhang mit den Ausprägungsgraden
von Job-Ängsten.
242
Fazit
Die Daten zeigen, dass arbeitsplatzbezogene Ängste ein wichtiges klinisches und sozialmedizinisches Phänomen sind und nicht nur bei Patienten mit primär psychischen Erkrankungen von großer Bedeutung sind.
Literatur
Linden, M. (2006): Arbeitsplatzängste und -phobien. In: Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T.,
Karoff, M. (Hrsg.): Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten
Rehabilitation. Papst Verlag, Lengerich, 181-192.
Linden, M., Muschalla, B. (2006, im Druck): Anxiety disorders and workplace-related anxieties. Journal of Anxiety Disorders.
Linden, M., Muschalla, B. (2007, im Druck): Arbeitsplatzängste und Arbeitsplatzphobie: Ätiologie, Empirie und Therapie. Der Nervenarzt.
Kurz- und langfristige Behandlungseffekte einer tiefenpsychologisch
fundierten Gruppentherapie für beruflich belastete Patienten in der
stationären psychosomatischen Rehabilitation
Zwerenz, R. (1), Knickenberg, R.J. (2), Schattenburg, L. (2), Beutel, M.E. (1)
(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Johannes
Gutenberg Universität Mainz, (2) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt
Hintergrund
Rehabilitationsmaßnahmen dienen nicht nur der Besserung der somatischen und psychischen Beschwerden der Patienten, sondern sollen vor allem auch hinsichtlich der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung sowie der Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben Erfolge erzielen. Trotzdem wird in der Literatur umfangreich darauf hingewiesen, dass
in der stationären psychosomatischen Therapie, bzw. in der Psychotherapie generell, zu
wenig auf die Arbeitssituation der Patienten eingegangen wird (Beutel et al., 2005, 2006;
Häfner et al., 2004; Koch et al., 1997). In der Psychosomatischen Klinik Bad Neustadt wurde
in einer multizentrischen Studie13 in Kooperation mit der Medizinisch Psychosomatischen
Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee in klinikübergreifenden Settings (verhaltenstherapeutisch vs. tiefenpsychologisch orientiert) untersucht, inwieweit die berufliche Integration dieser
Patienten durch eine berufsbezogene Therapiegruppe optimiert werden kann.
Methode
Im Rahmen der prospektiven Interventionsstudie (kontrolliertes quasiexperimentelles Studiendesign mit Zeitstichproben) haben beruflich belastete Patienten der Interventionsgruppe
während ihrer stationären psychosomatischen Therapie an einer tiefenpsychologisch fundierten Therapiegruppe teilgenommen (Berufsbezogene Therapiegruppe, BTG). Konzipiert
wurde eine geschlossene Gruppe mit acht Sitzungen à 90 Minuten über vier Wochen. Die
13
gefördert durch den VDR und das BMBF im Rahmen des Forschungsverbundes "Rehabilitationsforschung Bayern" (März 2002 bis April 2005, Förderkennzeichen: 01GD0115)
243
Interventionsgruppe wird verglichen mit einer Kontrollgruppe. Interventions- und Kontrollgruppe unterscheiden sich lediglich in der Applikation der BTG. Allen Patienten wurden mit
ihrem schriftlichen Einverständnis zur Aufnahme, im Therapieverlauf, bei Entlassung sowie
drei bzw. 12 Monate und 3 Jahre nach der Behandlung weitere Messverfahren (soziodemographische Merkmale [PsyBaDo], psychische Belastung [SCL-90], berufsbezogene Einstellungen [AVEM] etc.) vorgelegt
Ergebnisse
In der Psychosomatischen Klinik Bad Neustadt wurden N = 144 beruflich hoch belastete Patienten der Interventions- bzw. N = 135 der Kontrollgruppe zugewiesen. Akzeptanz und
Rücklaufquoten waren sehr gut (70 % - 100 %). Am deutlichsten unterscheiden sich die Teilnehmer der spezifischen berufsbezogenen Intervention in einer signifikant höheren Zufriedenheit mit der berufsbezogenen Behandlung in der Klinik. Teilnehmer der BTG waren gegenüber Patienten nach reiner Standardtherapie bei Entlassung und 12 Monate danach signifikant (p < .001; d = .26 bis .60) zufriedener mit der Behandlung beruflicher Problemlagen.
Darüber hinaus gaben Teilnehmer der Intervention 12 Monate nach Entlassung eine höhere
Arbeitszufriedenheit (p < .05), ein höheres Erfolgserleben im Beruf (p < .05) und eine geringere Erschöpfung (p < .05) an. In objektiven Erwerbstätigkeitsindikatoren wie der Inanspruchnahme von beruflichen Reha-Maßnahmen nach Entlassung schnitten die Teilnehmer
der berufsbezogenen Intervention sowohl nach 12 Monaten, als auch nach drei Jahren bedeutsam günstiger (p < .05) ab, während sich die subjektiven berufsbezogenen Einschätzungen nach drei Jahren nicht mehr unterschieden haben.
Diskussion
Insgesamt kann die Praktikabilität, die Wirksamkeit und der therapeutische Wert berufsbezogener Gruppentherapieprogramme in Ergänzung zur psychosomatischen Standardtherapie gezeigt werden. Die BTG als tiefenpsychologisch orientierte Gruppenpsychotherapie trifft eindeutig zentrale Anliegen der Patienten und schließt damit eine Lücke der ansonsten überwiegend symptomatisch ausgerichteten stationären Standardtherapie. Dabei sind
die Effekte spezifisch für berufsbezogene Inhalte, in persönlichen Anliegen wie gesundheitlichen Problemen oder der Partnerschaft ergeben sich keine Gruppenunterschiede. Bezüglich der tatsächlichen beruflichen Reintegration zeigen sich allerdings auch nach drei Jahren
lediglich geringe Effekte.
Literatur
Beutel, M.E., Knickenberg, R.J., Krug, B., Mund, S., Schattenburg, L., Zwerenz, R. (2006):
Psychodynamic focal group treatment for psychosomatic inpatients - with an emphasis on
work related conflicts. International Journal of Group Psychotherapy, 56(3), 285- 306.
Beutel, M.E., Zwerenz, R., Bleichner, F., Vorndran, A., Gustson, D., Knickenberg, R.J.
(2005): Vocational training integrated into inpatient psychosomatic rehabilitation - Short
and long-term results from a controlled study. Disability and Rehabilitation, 27(15), 891900.
Häfner, S., Haug, S., Kächele, H. (2004): Psychosozialer Versorgungsbedarf bei Arbeitnehmern. Psychotherapeut, 49, 7-14.
244
Koch, U., Bürger, W., Schulz, H., Glier, B., Rodewig, K. (1997): Berufbezogene Behandlungsangebote in der psychosomatischen Rehabilitation: Bedarf und Konzeption. Deutsche Rentenversicherung, 9-10, 548-574.
Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf (AGIL) - Konzeption und
kontrollierte Evaluation eines berufsspezifischen Therapieprogramms zur
Stressbewältigung und Gesundheitsförderung
Hillert, A. (1), Koch, S. (1), Lehr, D. (2), Sosnowsky, N. (3)
(1) Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee, (2) Institut für
Medizinische Psychologie, Universität Marburg, (3) Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Hintergrund und Fragestellung
Chronischer Stress am Arbeitsplatz und disfunktionale Muster der Arbeitsbewältigung sind
zentrale Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Störungen. Im Lehrerberuf kann ein
hohes Maß an sozialen Stressoren vorausgesetzt werden; viele LehrerInnen weisen risikobehaftete Muster der Arbeitsbewältigung auf (Schaarschmidt, 2005). Vor diesem Hintergrund ist die hohe Zahl von Lehrkräften, die sich in stationäre psychosomatische Behandlung begeben, zu diskutieren (Hillert, Schmitz, 2004). Ausgehend von berufsbezogenen
Gruppeninterventionen in der psychosomatischen Rehabilitation (Koch et al., 2006) und bekannten gesundheitlichen Risikofaktoren im Lehrerberuf (z. B. unspezifische Berufsziele,
resignativer Umgang mit Misserfolg, Perfektionismus, vgl. Lehr, 2004) lag es nahe, eine stationäre berufsspezifische Gruppenintervention für psychosomatisch erkrankte Lehrkräfte zu
konzipieren (AGIL, „Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf“, Hillert et al., 2005). Im vorliegenden Beitrag wird das Konzept vorgestellt und auf die Ergebnisse der kontrollierten Evaluation zum Entlassungszeitpunkt eingegangen.
Methode
Die von der Regierung von Oberbayern („Stiftung Bayern Aktiv“) geförderte laufende Längsschnittstudie dient der Entwicklung und kontrollierten Evaluation einer lehrerspezifischen berufsbezogenen Interventionsgruppe für die stationäre psychosomatische Behandlung. Es
erfolgten Befragungen bei Aufnahme und Entlassung sowie postalische Follow-up Befragungen drei und zwölf Monate nach Entlassung. Zur Messung von Behandlungserfolg und
therapeutischen Wirkfaktoren wurden etablierte und neu konzipierte Instrumente, u. a. zur
differentiellen Behandlungszufriedenheit, zur psychosomatischen Symptombelastung (SCL90-R, ADS), zu beruflichen Risiko- und Schutzfaktoren gegenüber chronischem Stress (u. a.
aus den „Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern (AVEM)“, dem „Maslach Burnout Inventory (MBI)“ und dem „Job Diagnostic Survey (JDS)“) eingesetzt.
Das Therapieprogramm AGIL liegt in manualisierter Form vor. AGIL hat einen modularen
Aufbau und beinhaltet acht Gruppensitzungen (á 100 Minuten / 6-8 Teilnehmer). Jeweils
zwei Gruppensitzungen können vier Behandlungsmodulen zugeordnet werden: (1) „Basismodul“, (2) „Kognitionsmodul“, (3) „Problemlösemodul“ und (4) „Erholungsmodul“. Ein Querschnittsmodul „Achtsamkeit“ erstreckt sich über alle vier Gruppenmodule.
245
Ergebnisse
Insgesamt konnten 104 erkrankte Lehrkräfte mit berufsspezifischer Therapiegruppe (AGIL)
zusätzlich zum stationären Standardprogramm sowie 58 stationäre behandelte Lehrkräfte
mit Standardtherapie (Kontrollgruppe) rekrutiert werden. Die Untersuchungsbedingungen
waren in Hinblick auf wesentliche soziodemographische und schulbezogene Merkmale parallel: Bei einem durchschnittlichen Alter von 51 Jahren lag der Frauenanteil bei 70 %. Die
Betroffenen wiesen durchschnittlich 25 Berufsjahre auf und waren überwiegend Vollzeit
(63 %) in der Mehrzahl an Hauptschulen tätig (69 %), bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit
von 43 Std./Woche. Die erkrankten Lehrpersonen berichteten von durchschnittlich 40
Krankheitstagen innerhalb von sechs Monaten vor Aufnahme, 81 % waren bei Aufnahme
krankgeschrieben.
Das AGIL-Gruppenprogramm fand eine hohe Patientenakzeptanz und erreichte in Bewertungen wie „Verbessertes Verständnis für die Entstehung chronischer Stressbelastung“,
„Entwicklung einer höheren Achtsamkeit für eigene Stress-Signale“ und „Möglichkeit zum
Austausch mit betroffenen Lehrerinnen und Lehrern“ die höchste Zustimmung (Werte >4 in
Einschätzungen von „gar nicht hilfreich (1) bis „sehr hilfreich (5)“). Bei Entlassung zeichnete
sich für AGIL-Teilnehmer gegenüber der Kontrollgruppe (Standardtherapie) eine höhere Arbeitszufriedenheit, günstigere Einschätzung berufsrelevanter Aspekte der Arbeitsbewältigung (Hierarchisierung von Zielen, Zweifel an eigenen Handlungen) sowie eine Verbesserung des Erfolgserlebens im Beruf und des Kontrollerlebens gegenüber beruflicher Stressbelastung ab.
Bewertung und Ausblick
Grundsätzlich sollten stationäre Therapiekonzepte, ergänzend zu symptombezogenen Behandlungsmaßnahmen, deutlich stärker als bisher die beruflichen Problemlagen der Patienten berücksichtigen; hierzu bieten sich strukturierte berufsbezogene Therapiegruppen an.
AGIL ist eines der ersten berufsspezifischen kognitiv-verhaltenstherapeutisch fundierten
Gruppentherapieprogramme dieser Art. Soweit es sich zum Entlassungszeitpunkt abzeichnet, gelingt es mit diesem Programm entsprechende Akzente zu setzen. Von den derzeit
laufenden Katamnesen sind weitergehende Aufschlüsse über die längerfristige Wirksamkeit
der berufsspezifischen Gruppenintervention zu erwarten.
Literatur
Hillert, A., Schmitz, E. (Hrsg) (2004): Psychosomatische Erkrankungen bei Lehrerinnen und
Lehrern. Ursachen, Konzepte, Prävention, therapeutische Ansätze. Stuttgart: Schattauer.
Hillert, A., Sosnowsky, N., Lehr, D. (2005): Idealisten kommen in den Himmel, Realisten
bleiben AGIL! Risikofaktoren, Behandlung und Prävention von psychosomatischen Erkrankungen im Lehrerberuf. Lehren und Lernen, 31, 17-27.
Koch, S., Hedlund, S., Rosenthal, S., Hillert, A. (2006): Stressbewältigung am Arbeitsplatz:
Ein stationäres Gruppentherapieprogramm. Verhaltenstherapie, 16, 7-15.
Lehr, D. (2004): Psychosomatisch erkrankte und „gesunde“ Lehrkräfte: auf der Suche nach
den entscheidenden Unterschieden. In: A. Hillert und E. Schmitz (Hrsg.), Psychosomatische Erkrankungen bei Lehrerinnen und Lehrern. Ursachen, Folgen, Lösungen (S. 120140). Stuttgart: Schattauer.
246
Schaarschmidt, U. (2005): Halbtagsjobber? Psychische Gesundheit im Lehrerberuf - Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes (2. Aufl.). Weinheim: Beltz.
Arbeitsbezogene Leistungen in der Sucht-Rehabilitation - eine Analyse
von dokumentierten therapeutischen Leistungen (KTL)
Zander, J., Lindow, B., Klosterhuis, H.
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Hintergrund
In der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung werden zunehmend Behandlungskonzepte, welche die gesundheitsbedingten beruflichen Belange der Rehabilitanden
berücksichtigen, entwickelt und eingesetzt (Streibelt et al., 2006). Mit der seit 1997 in der
Routine eingesetzten Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) und der Dokumentationsanleitung für die klinische Sozialarbeit werden die während einer Rehabilitation durchgeführten Leistungen für alle Rehabilitanden dokumentiert. Damit ist ein differenzierter, einrichtungsbezogener Vergleich der therapeutischen Leistungen möglich. Auch arbeitsbezogene
Leistungen sind in der KTL enthalten.
Die „sozialrechtliche Beratung zur beruflichen Situation“ und die „Beratung zur beruflichen
Rehabilitation“ zeigen sich über alle Indikationen hinweg als die am häufigsten dokumentierten Leistungen, der Anteil berufsbezogener Leistungen in den Sucht- und PsychosomatikEinrichtungen ist am höchsten und die Indikativen Gruppen zur beruflichen Orientierung
werden bei der Rehabilitation psychischer Erkrankungen insbesondere von Arbeitslosen in
Anspruch genommen (Irle et al., 2005). Die Ergebnisse der Untersuchung von Klosterhuis
und Zander (2006) zeigen u. a., dass Beratungen zur beruflichen Situation und zu möglichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Durchschnitt bei jedem zehnten Rehabilitanden durchgeführt wird. Werden spezielle Patienten-Gruppen, wie arbeitslose Rehabilitanden mit psychischen und Sucht-Erkrankungen betrachtet, so steigt dieser Anteil auf
knapp 40 %.
Methodik
Rehabilitanden der DRV Bund aus zehn großen Sucht-Einrichtungen (N=73 bis N=742) mit
Abschluss der Rehabilitation im Jahr 2005 werden vergleichend untersucht. Der Fokus der
deskriptiv-statistischen Analyse liegt auf den arbeitsbezogenen Leistungen der KTL 2000Kapitel „Ergotherapie“ und „Klinische Sozialarbeit“. Die Fragestellung bezieht sich auf die
einrichtungsbezogenen Unterschiede der Leistungserbringung und die Differenzierung nach
dem Erwerbsstatus (arbeitslos, erwerbstätig).
Ergebnisse
Die Dokumentation der Therapieangebote „Klinische Sozialarbeit“ erfolgt in den zehn großen Sucht-Einrichtungen unterschiedlich, der Anteil der behandelten Rehabilitanden liegt im
Durchschnitt bei 91 %, „Ergotherapie“ erhalten durchschnittlich 79 %. Deutliche Unterschiede zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen werden auf dieser Aggregationsebene nicht
gefunden. Betrachtet man die arbeitsbezogenen Therapien, so finden sich einrichtungsspe247
zifische Differenzen, nur in wenigen Reha-Einrichtungen erhalten Arbeitslose häufiger eine
entsprechende Leistung. Die am häufigsten dokumentierte arbeitsbezogene Leistung im
Kapitel „Ergotherapie“ ist das „Produktorientierte Arbeiten, z. B. Anfertigung eines Werkstücks“ (Anteil der behandelten Rehabilitanden 8 %), wobei sieben Reha-Einrichtungen diese Leistung gar nicht oder nur minimal verschlüsselt haben. Im Kapitel „Klinische Sozialarbeit“ haben neun von zehn Einrichtungen die „Sozialrechtliche Beratung - Berufliche Situation“ am häufigsten codiert (Anteil der behandelten Rehabilitanden 40 %). Zudem erhalten
deutlich mehr arbeitslose Rehabilitanden diese Beratungsleistung als erwerbstätige (59 %
versus 28 %). Leistungen wie "Hausbesuch und/oder Arbeitsplatzbesuch", "Klärung der wirtschaftlichen Sicherung, finanzielle Hilfen" oder "Arbeitsplatzbesuch, Dienstgang" spielen
bislang bei der Leistungserbringung und Codierung keine Rolle.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die gesundheitsbedingten beruflichen Belange der Rehabilitanden finden in der SuchtRehabilitation Berücksichtigung. Eine Aussage über eine bedarfsgerechte Versorgung der
Rehabilitanden kann auf Basis der empirischen Verteilungen nicht getroffen werden. Hierzu
wird zukünftig die von der DRV entwickelte Leitlinie für die stationäre Rehabilitation bei Alkoholabhängigkeit (Bottlender et al., 2005) genutzt werden können. Die Ergebnisse der untersuchten Kapitel „Ergotherapie“ und „Klinische Sozialarbeit“ deuten auf eine therapeutische Unterversorgung hin. Die gravierenden, inhaltlich nicht zu rechtfertigenden Unterschiede zwischen den einzelnen Sucht-Rehabilitationseinrichtungen in Bezug auf die Verschlüsselung von berufsorientierten Leistungen können zum einen auf unterschiedliche Behandlungskonzepte hinweisen, jedoch auch Indikator für unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten sein. Zudem können Dokumentationsmängel nicht ausgeschlossen werden. In
der Neuauflage der KTL wurde erstmals eine Verweisliste mit arbeitsbezogenen Leistungen
erstellt (Bitzer et al., 2006). Die in ihr enthaltenen Leistungen sind neben den bereits aus der
KTL 2000 stammenden Leistungen u. a. Ergebnisse aus aktuellen Studien zur beruflichen
Rehabilitation.
Literatur
Bitzer, E.M., Dörning, H., Beckmann, U., Sommhammer, B., Zander, J., Klosterhuis, H.
(2006): Verbesserte Dokumentation als Grundlage für Reha-Qualitätssicherung - Weiterentwicklung der Klassifikation therapeutischer Leistungen - RVaktuell, Jahrgang 53, Nr.
09/10. 398-406.
Irle, H., Sommhammer, B., Klosterhuis, H. (2005): Arbeitsbezug als Aufgabe der medizinischen Rehabilitation im Spiegel der KTL. DRV-Schriften, Band 59, 251-253.
Klosterhuis, H., Zander, J. (2006): Wie berufsorientiert ist die medizinische Rehabilitation? Auswertungen von Routinedaten der Rentenversicherung. In: Müller-Fahrnow W, Hansmeier T, Karoff M (Hrsg.): Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Assessments - Interventionen - Ergebnisse, Pabst Science Publishers, 293-305.
Bottlender, M., Köhler, J., Soyka, M. (2005): Effektivität psychosozialer Behandlungsmethoden zur medizinischen Rehabilitation alkoholabhängiger Patienten. Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie; 73 IV, 1-13.
248
Streibelt, M., Hansmeier, T., Müller-Fahrnow, W. (2006): Effekte berufsbezogener Behandlungselemente in der orthopädischen Rehabilitation der Rentenversicherung. Die Rehabilitation 45: 161-171.
249
Berufliche Orientierung 3
Implementierung eines kognitiv-behavioralen Gruppenangebots für MSKRehabilitanden mit besonderer beruflicher Problemlage: Ergebnisse einer
formativen Evaluation
Herbold, D. (1), Bethge, M. (2), Hansmeier, T. (3), Jacobi, C. (4), Müller-Fahrnow, W. (2)
(1) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (2) Lehrstuhl für
Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation,
Charité Universitätsmedizin Berlin, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, (4) ParacelsusRoswitha-Klinik, Bad Gandersheim
Hintergrund
Rund ein Drittel der Rehabilitanden in der orthopädischen Rehabilitation weisen besondere
berufliche Problemlagen auf (Müller-Fahrnow, Radoschewski, 2006). Unter der Bezeichnung
medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBO-Rehabilitation) wurde in den vergangenen Jahren eine größere Zahl von Projekten begonnen, die die beruflichen Teilhabedefizite besonders beeinträchtigter Rehabilitanden mit ungünstiger Erwerbfähigkeitsprognose zu
überwinden suchen. Die für solche Patienten mit besonderer beruflicher Problemlage konzipierten Behandlungsmodule beziehen sich in der orthopädischen Rehabilitation bisher jedoch eher auf das physische Fähigkeitsprofil, ohne dabei berufsbezogene psychosoziale
Belastungen gleichermaßen in Rechnung zu stellen.
Da neuere randomisierte kontrollierte Studien insbesondere die Wirksamkeit kognitivbehavioraler Gruppenangebote belegen (Linton, Andersson, 2000; Marhold et al., 2001; Linton et al., 2005), ist diese Situation durchaus kritisch zu bewerten. Die dort berichteten Größen der geschlossenen Gruppen von sechs bis zehn Personen sind bei einem angenommenen Bedarf von rund einem Drittel der orthopädischen Rehabilitanden und wöchentlichen
Anreisezahlen von unter 20 Personen aber nur dann zu realisieren, wenn Patienten mit beruflichen Problemlagen bereits gezielt einbestellt werden. Wohl nicht zuletzt aus diesem
Grund sind vergleichbare, international bewährte Angebote in der orthopädischen Rehabilitation hierzulande bislang die Ausnahme.
Die Paracelsus-Klinik an der Gande hat zum 1. August 2006 im Rahmen der integrierten
medizinisch-berufsorientierten orthopädischen Rehabilitation (IMBO-Rehabilitation) mit der
Implementierung eines berufsbezogenen kognitiv-behavioralen Gruppenkonzepts begonnen.
Ziel
Das die Implementierung der IMBO-Rehabilitation begleitende formative Evaluationsvorhaben ist durch drei wesentliche Aufgaben bestimmt: Erstens die Entwicklung und Validierung
eines Screening gestützten Verfahrens zur Patienteneinbestellung, zweitens die Manualisierung des Konzepts und drittens die Bestimmung der Innergruppeneffekte, um Aussagen zur
Wirksamkeit des Programms zu treffen.
250
Methodik
Das während der Implementierungsphase des Programms eingesetzte Screening ist eine
vereinfachte Version des von Streibelt und Müller-Fahrnow (2006) entwickelten SIMBO und
benutzt vier Kriterien zur Erfassung einer beruflichen Problemlage (Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit bei Aufnahme, vorangegangene Arbeitsunfähigkeit von mindestens 6 Monaten
oder eine subjektiv eingeschätzte Gefährdung der beruflichen Zukunft). Darüber hinaus
werden alle Eilfälle (Rehabilitationsaufforderung nach § 51 SGB V) dem Programm zugewiesen. Die Konstruktvalidität des eingesetzten Screenings wurde u. a. anhand der von
Fishbain et al. (1997) bestimmten Prädiktoren für die Entwicklung lang andauernder Arbeitsunfähigkeit überprüft. Neben dem prästationären Screening werden Daten zu Beginn
und Ende der Rehabilitation erhoben, um die Innergruppeneffekte der Maßnahme zu
bestimmen. Die Datenerhebung im Rahmen der formativen Evaluation ist bis Februar 2007
abgeschlossen.
Die Manualisierung des Konzeptes erfolgt auf Grundlage eines standardisierten Fragebogens, der Abschnitte zur Erfassung von Strukturmerkmalen, der theoretischen Fundierung,
Durchführung und kritischen Therapiesituationen umfasst.
Ergebnisse
Zwischen Anfang September 2006 bis Mitte Oktober 2006 begannen 95 Patienten ein durch
die Deutsche Rentenversicherung Bund getragenes Heilverfahren. 16,8 % der Patienten
wurden in diesem Zeitraum als so genannte Eilfälle ausgewiesen und konnten gezielt in die
Anreisewochen einbestellt werden, in denen das medizinisch-berufsorientierte Behandlungsprogramm angeboten wurde. Bei allen anderen Patienten hat sich eine gezielte Einbestellung auf Grundlage des prästationären Screenings als machbar erwiesen. Zwischen
Verschickung und Eingang des Screenings liegen durchschnittlich 7 Tage. 31,7 % der Patienten (ohne Eilfälle) konnten auf Grundlage des Screenings bedarfsgerecht als IMBORehabilitanden terminiert werden. Gemeinsam mit den so genannten Eilfällen erfüllen damit
rund 43 % der Patienten die Einschlusskriterien für das von der Klinik konzipierte Rehabilitationsprogramm. Die Konstruktvalidität des eingesetzten Screenings bestätigt sich in dem
häufigeren Verweis der positiv gescreenten Patienten auf eine sehr anstrengende körperliche Beanspruchung (35,7 % vs. 8,8 %; p=0,010), den häufigeren Verweis auf die fehlende
Intention nach der Rehabilitation, die gleiche oder eine ähnliche berufliche Tätigkeit wieder
aufzunehmen (25,9 % vs. 3,0 %; p=0,018), und einer ungünstigeren Einschätzung der Bewältigungsmöglichkeiten hinsichtlich beruflicher Problemlagen (p=0,027).
Erste Ergebnisse deuten mittlere Innergruppeneffekte für körperliche Funktionsfähigkeit,
Schmerzstärke und Selbstwirksamkeit an.
Schlussfolgerung
Die Implementierung des berufsbezogenen kognitiv-behavioralen Gruppenkonzepts hat sich
als machbar erwiesen. Die Wirksamkeit des Behandlungsprogramms wird nach Abschluss
der formativen Evaluation in einer randomisierten kontrollieren Studie überprüft.
251
Literatur
Fishbain, D.A., Cutler, R.B., Rosomoff, H.L. et al. (1997): Impact of Chronic Pain Patients'
Job Perception Variables on Actual Return to Work. The Clinical Journal of Pain 13 (3):
197-206.
Linton, S.J. und Andersson, T. (2000): Can chronic disability be prevented? A randomized
trial of a cognitive-behavior intervention and two forms of information for patients with spinal pain. Spine 25 (21): 2825-2831.
Linton, S.J., Boersma, K., Jansson, M. et al. (2005): The effects of cognitive-behavioral and
physical therapy preventive interventions on pain-related sick leave: a randomized controlled trial. Clin J Pain 21 (2): 109-119.
Marhold, C., Linton, S.J., Melin, L. (2001): A cognitive-behavioral return-to-work program:
effects on pain patients with a history of long-term versus short-term sick leave. Pain 91
(1-2): 155-163.
Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (2006): Theoretische Grundlagen der MBORehabilitation. In: Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T. und Karoff, M. (Hrsg.), Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Lengerich,
Pabst Science Publishers: 36-46.
Streibelt, M., Müller-Fahrnow, W. (2006): SIMBO: Ein Screening-Instrument zur Feststellung
des Bedarfs an berufsbezogenen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen - Analysen
zur Validität. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), DRV-Schrift Band 64.
Effizienz berufsbezogener Maßnahmen: Ökonomische Evaluation eines
Medizinisch Beruflich Orientierten Modells in der orthopädischen
Rehabilitation
Blume, C. (1), Streibelt, M. (1), Thren, K. (2), Müller-Fahrnow, W. (1)
(1) Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung f. Versorgungssystemforschung und
Qualitätssicherung, (2) Klinik Niedersachsen Bad Nenndorf
Einleitung
Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems stellen ein großes Gesundheitsproblem in
Deutschland dar und sind zugleich die häufigste Ursache für medizinische Rehabilitationsleistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung (Schmidt, 2005). Berufsbezogene Maßnahmen bilden eine effektive Alternative zu herkömmlichen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen, wenn es sich um Patienten mit erheblichen berufsbezogenen Problemlagen
handelt (Müller-Fahrnow et al., 2006). Für die in der Klinik Niedersachsen Bad Nenndorf
durchgeführte MBO-Rehabilitation konnte ein Erfolg auf der Ebene der schmerzbezogenen
Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der beruflichen Teilhabe nachgewiesen werden
(Streibelt et al., 2006).
Fragestellung
Es wurde eine Effizienzanalyse der MBO-Rehabilitation gemessen an Folgeeinnahmen und
-ausgaben der Gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt. Dadurch wird der Frage
252
nachgegangen, ob die MBO-Rehabilitation nicht nur eine wirksame Alternative zur rein medizinischen Rehabilitation ist, sondern sich - aus der Perspektive der Rentenversicherung auch als effizient erweist.
Methodik
Basis ist eine randomisierte Kohortenstudie, die gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen und der Klinik Niedersachsen Bad Nenndorf durchgeführt wurde. Eingeschlossen sind Patienten mit erheblichen berufsbezogenen Problemlagen, bei denen eine orthopädische Rehabilitation in der Klinik durchgeführt wurde. Insgesamt konnte
auf die Daten von 185 Patienten zurückgegriffen werden, von denen 90 die MBORehabilitation erhielten (U) und 95 in der Kontrollgruppe die medizinische Rehabilitation absolvierten (K).
Als Datengrundlage dienten (1) die Patientenbefragung zu Beginn der medizinischen Rehabilitation, (2) aus der Reha-Statistik-Datenbasis (RSD) ersichtliche weitere Leistungen zur
Teilhabe sowie bewilligte Frührenten und schließlich (3) gezahlte Beiträge aus den Versicherungsverläufen. Der Betrachtungszeitraum beträgt 18 Monate. Die Ausgaben für beide
Behandlungsalternativen wurden als gleich angenommen. Berichtete Gesamtsummen wurden für die Gruppe U auf N=95 gewichtet.
Das Durchschnittsalter beträgt 43 Jahre, 78 % sind männlich und 80 % weisen eine Erkrankung der Wirbelsäule und des Rückens (ICD10: M40-M54) auf. Zwischen den Vergleichsgruppen existieren trotz Randomisierung signifikante Unterschiede in Erwerbsstatus und
Aufnahmediagnose. Diese werden statistisch kontrolliert.
Effekte der MBO-Rehabilitation werden auf die Einnahmen, die Ausgaben sowie den daraus
resultierenden Saldo geschätzt. Aufgrund nicht erfüllter Voraussetzungen können keine linearen Regressionen verwendet werden. Stattdessen kommen logistische Regressionsmodelle zum Einsatz. Zielvariable sind die am Median (M) dichotomisierten Informationen der
Einnahmen (M=6.068 €), Ausgaben (M=3.271 €) und des Saldos (M=2.557 €).
Ergebnisse
Die Gesamtkosten sind mit 448.491 € (U) bzw. 455.618 € (K) in beiden Gruppen annähernd
gleich. Allerdings unterscheiden sich die Gesamteinnahmen erheblich. Nach Durchführung
einer MBO-Rehabilitation nimmt die DRV Westfalen im 18-Monats-Follow up 641.691 € ein,
nach Durchführung einer medizinischen Rehabilitation 546.771 €. Beide Bilanzen weisen
positive Salden aus. Für die MBO-Rehabilitation sind dies 193.200 € (2.064 € pro Patient),
für die medizinische Rehabilitation 91.153 € (960 € pro Patient). Der kontrollierte Effekt (adjustiertes Odds Ratio) der MBO-Rehabilitation auf die Gesamteinnahmen von ORadj=2,0 ist
statistisch signifikant. Auch für die Bilanzsumme ist ein MBO-Effekt von ORadj=2,3 nachweisbar. Hinsichtlich der Ausgaben ist kein statistisch signifikanter Effekt erkennbar.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die MBO-Rehabilitation der Klinik Niedersachsen für Patienten mit erheblichen beruflichen
Problemlagen erweist sich im Vergleich zur herkömmlich medizinischen Rehabilitation als
effizienter. Die Chance, im 18-Monats-Follow up Beitragseinnahmen von mehr als 6.068 €
zu erreichen, ist bei Teilnahme an der MBO-Rehabilitation doppelt so hoch. Mit der
253
2,3fachen Chance liegt bei Durchführung der MBO-Rehabilitation (im Vergleich zur medizinischen Rehabilitation) die Bilanzsumme über 2.557 €.
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass unter bestimmten Bedingungen auch höhere Kosten
der MBO-Rehabilitation hinnehmbar wären, da diese Form der Rehabilitation sowohl hinsichtlich Effektivität als auch Effizienz der medizinischen Rehabilitation überlegen ist. Eine
längerfristige Betrachtung würde die Ergebnisse vermutlich weiter untermauern (Loisel et
al., 2002; Linton, Nordin, 2006).
Literatur
Linton, S.J., Nordin, E. (2006): A 5-year follow-up evaluation of the health and economic
consequences of an early cognitive behavioral intervention for back pain: a randomized,
controlled trial. Spine 31(8): 853-8.
Loisel, P., Lemaire, J., Poitras, S., Durand, M.J., Champagne, F., Stock, S., Diallo, B.,
Tremblay, C. (2002): Cost-benefit and cost-effectiveness analysis of a disability prevention
model for back pain management: a six year follow up study. Occup Environ Med 59(12):
807-15.
Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T., Karoff, M., Eds. (2006): Wissenschaftliche Grundlagen
der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Assessments, Interventionen, Ergebnisse. Lengerich u. a., Pabst.
Schmidt, C.O., Kohlmann, T. (2005): Was wissen wir über das Symptom Rückenschmerz?
Epidemiologische Ergebnisse zu Prävalenz, Inzidenz, Verlauf, Risikofaktoren. Zeitschrift
für Orthopädie 143: 292-8.
Streibelt, M., Hansmeier, T., Müller-Fahrnow, W. (2006): Effekte berufsbezogener Behandlungselemente in der orthopädischen Rehabilitation der Rentenversicherung - Ergebnisse
einer randomisierten Verlaufsstudie. Die Rehabilitation 45: 161-71.
Evaluation des berufsbezogenen Schulungsprogramms
"Gesundheitstraining Stressbewältigung am Arbeitsplatz (GSA)“ in der
orthopädischen Rehabilitation: Ergebnisse bei Entlassung
Koch, S. (1), Hillert, A. (1), Zwerenz, R. (2), Beutel, M.E. (2), Holme, M. (3), Milse, M.W. (4)
(1) Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee, (2) Klinik und
Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Johannes GutenbergUniversität Mainz, (3) Reha-Zentrum Bad Pyrmont, Klinik Weser, Bad Pyrmont,
(4) Rehabilitationsklinik Dübener Heide, Bad Schmiedeberg
Hintergrund
Im Rahmen aktueller Konzeptentwicklungen für die stationäre Rehabilitation sind berufsbezogene Behandlungsangebote mit dem Ziel einer Förderung des Erhalts bzw. der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit von hohem Stellenwert (z. B. Müller-Fahrnow et al., 2005).
Ausgehend von positiven Ergebnissen berufsbezogener Therapiegruppen in der psychosomatischen Rehabilitation (Beutel et al., 2006; Hillert et al., 2005; Koch et al., 2006), lag es
nahe, diesen Ansatz weiter zu verfolgen. Dementsprechend beinhaltet ein im Rehabilitati254
onswissenschaftlichen Förderschwerpunkt von VDR und DFG durchgeführtes laufendes
Kooperationsprojekt die Konzeption und multizentrische kontrollierte Evaluation eines auf
die Anforderungen der Indikationsbereiche Orthopädie und Kardiologie adaptierten berufsbezogenen Schulungsprogramms („Gesundheitstraining Stressbewältigung am Arbeitsplatz
(GSA)“). Nach empirisch erprobten, am Ausmaß der beruflichen Belastung orientierten Indikationskriterien (Hillert et al. im Druck) wird das Programm niederschwellig beruflich belasteten Patienten angeboten. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse der kontrollierten
Therapieevaluation bei Entlassung für den Indikationsbereich der stationären orthopädischen Rehabilitation dargestellt.
Methode
Im Rahmen eines kontrollierten längsschnittlichen Designs mit Zeitstichproben wurden nach
Erfüllung von Einschlusskriterien beruflicher Belastung im „Würzburger Screening“ (vgl. Löffler et al., 2006) n = 240 Rehabilitationspatienten zweier stationärer orthopädischer Rehabilitationseinrichtungen der GSA-Intervention zusätzlich zur stationären Standardtherapie bzw.
n = 236 Patienten der Kontrollbedingung (Standardtherapie ohne GSA) zugewiesen (Rehabilitationsklinik Dübener Heide: n = 240; Klinik Weser: n = 236). Die Patienten wurden mit
etablierten berufsbezogenen Verfahren (u. a. aus AVEM, FBTM, IRES-2, subjektive Erwerbsprognose, siehe auch Koch et al., 2007, im Druck) und gesundheitsbezogenen Verfahren (u. a. HADS-D, SF-12) bei Aufnahme, Entlassung sowie postalisch sechs Monate
nach Entlassung befragt. Gruppenvergleiche bei Entlassung erfolgten anhand von Kovarianzanalysen (korrespondierender Baselinewert bei Aufnahme als Kovariate) bzw. ChiQuadrattests.
Die GSA-Gruppenintervention umfasste 5 Sitzungen à 90 Min. mit den Behandlungseinheiten (1) „Arbeit und Gesundheit“ (Motivationsmodul, Sitzung 1) (2) „Stressbewältigung“ (Sitzungen 2-3) (3) „Selbstsichere Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz“ (Sitzung 4) und (4) „Berufliche Perspektiven“ (Sitzung 5) (s. ausf. Hillert et al., im Druck).
Ergebnisse
Die in wesentlichen soziodemographischen Merkmalen und beruflichen Belastungen vergleichbaren Untersuchungsgruppen umfassten überwiegend Angestellte (91,5 %). Bei einem durchschnittlichen Alter von 47,9 Jahren (SD 7,4) lag der Frauenanteil bei 72,5 %. Bei
Aufnahme waren 68,5 % Vollzeit beschäftigt (22,7 % in Teilzeitbeschäftigung, 8,4 % Arbeitslose), die AU-Zeiten (12 Monate vor Aufnahme) lagen bei 44,8 Tagen (SD 60,2). Erwartet
wurde eine Überlegenheit der berufsbezogenen Intervention bezüglich der selbsteingeschätzten Arbeitsbewältigung sowie der berufsbezogenen Behandlungszufriedenheit.
Zwischen Aufnahme und Entlassung war für alle Befragen (Gesamtstichprobe n = 476) erwartungsgemäß eine Abnahme beruflicher Belastungseinschätzung (z. B. beruflicher Sorgen), sowie eine Abnahme risikobehafteter Muster der Arbeitsbewältigung (AVEM), eine
Verbessung der selbsteingeschätzten beruflichen Leistungsfähigkeit und der subjektiven
Erwerbsprognose festzustellen.
Bei Entlassung wiesen Teilnehmer der zusätzlichen GSA-Intervention (n = 240) gegenüber
Patienten nach Standardtherapie (n = 236) eine signifikant stärkere Reduktion von Perfektionismus und Resignationstendenz sowie einen stärkeren Zuwachs der Distanzierungsfähigkeit (AVEM, d = .10 bis .23, p<.01) auf. Infolge der GSA-Teilnahme konnte eine günstigere
255
Entwicklung von AVEM-Risikomustern der Arbeitsbewältigung erreicht werden. Teilnehmer
der GSA schätzten den stationären Aufenthalt in Hinblick auf wesentliche berufliche Problembereiche (z. B. beruflicher Stress, soziale Konflikte, Arbeitsorganisation) als signifikant
hilfreicher ein. Die aktuell durchgeführten 6-Monatskatamnesen werden zeigen, wieweit sich
diese Aspekte auf die berufliche Prognose und die gesundheitliche Belastung im Alltag
auswirkt.
Diskussion und Ausblick
Die vorliegende mulizentrische Evaluationsstudie leistet einen Beitrag zu Bewertung beruflicher Behandlungseffekte stationärer Rehabilitationsmaßnahmen (siehe auch den Beitrag
von Zwerenz et al. für den Indikationsbereich Kardiologie). Erste Evaluationsergebnisse der
Gruppenintervention GSA weisen auf Praktikabilität und Nutzen des Einbezugs eines berufsspezifischen Schulungskonzepts in Standardprogramme der medizinischen Rehabilitation hin.
Literatur
Beutel, M.E., Knickenberg, R.J., Krug, B., Mund, S., Schattenburg, L., Zwerenz, R. (2006):
Psychodynamic focal group treatment for psychosomatic inpatients - with an emphasis on
work related conflicts. International Journal of Group Psychotherapy, 56 (3), 285-306.
Hillert, A., Koch, S., Beutel, M.E., Holme, M., Knickenberg, R.J., Middeldorf, S., Wendt, T.,
Milse, M., Scharl, W., Zwerenz, R., Schröder, K. (im Druck): Berufliche Belastungen und
Indikationsstellung für ein berufsbezogenes Schulungsmodul in der medizinischen Rehabilitation: Bericht einer multizentrischen Evaluationsstudie. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation.
Hillert, A., Sosnowsky, N., Lehr, D. (2005): Idealisten kommen in den Himmel, Realisten
bleiben AGIL! Risikofaktoren, Behandlung und Prävention von psychosomatischen Erkrankungen im Lehrerberuf. Lehren und Lernen, 31, 17-27.
Koch, S., Hedlund, S., Rosenthal, S., Hillert, A. (2006): Stressbewältigung am Arbeitsplatz:
Ein stationäres Gruppentherapieprogramm. Verhaltenstherapie, 16, 7-15.
Koch, S., Hillert, A., Geissner, E. (2007, im Druck): Diagnostische Verfahren beruflichen Belastungs- und Bewältigungserlebens in der psychosomatischen Rehabilitation. Die Rehabilitation.
Löffler, S., Wolf, H.-D., Gerlich, Ch., Vogel, H. (2006): Eine bundesweite Bestandsaufnahme
von berufsbezogenen Screening-Verfahren in der medizinischen Rehabilitation. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg): DRV-Schriften (64): 38-39.
Müller-Fahrnow, W., Greitemann, B., Radoschewski, F. M., Gerwinn, H., Hansmeier, T.
(2005): Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben. Die Rehabilitation, 44, 287-296.
256
Evaluation des berufsbezogenen Schulungsprogramms
„Gesundheitstraining Stressbewältigung am Arbeitsplatz (GSA)“ in der
kardiologischen Rehabilitation: Ergebnisse bei Entlassung
Zwerenz, R. (1), Hillert, A. (2), Koch, S. (2), Wendt, Th. (3), Schröder, K. (4)
Beutel, M.E. (1)
(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Johannes
Gutenberg-Universität Mainz, (2) Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck, Prien am
Chiemsee, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, Reha-Zentrum Bad Nauheim, (4) Klinik
„Haus Franken“ GmbH, Fachklinik für Prävention und Rehabilitation von Herz-, Kreislaufund Gefäßerkrankungen
Hintergrund
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zählen neben psychosomatischen und orthopädischen Erkrankungen sowie den Neubildungen zu den Hauptursachen der Frühberentung
bei unter 50-jährigen (VDR, 2005). In kontrollierten Studien konnte für beruflich hoch belastete Patienten der stationären psychosomatischen Rehabilitation eine Verbesserung der
beruflichen Reintegration nachgewiesen werden (Beutel et al., 2005; Koch et al., 2006).
Auch in der kardiologischen Rehabilitation ist die berufliche Reintegration ein Hauptziel, subjektive Einschätzungen von Problemen bei der Rückkehr ins Berufsleben, sowie psychische
Belastungen spielen eine wichtige Rolle bei der Vorhersage der Rückkehr an den Arbeitsplatz (Budde, Keck, 2001). Ziel der Studie ist die Weiterentwicklung und Evaluation eines
stationären berufsbezogenen Schulungskonzepts („Gesundheitstraining Stressbewältigung
am Arbeitsplatz - GSA“) für kardiologische und orthopädische Indikationsbereiche. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse der kontrollierten Therapieevaluation bei Entlassung für den Indikationsbereich der stationären kardiologischen Rehabilitation dargestellt
(vgl. auch Beitrag von Koch et al. zum Indikationsbereich Orthopädie).
Methode
Im Rahmen eines prospektiven Kontrollgruppendesigns werden jeweils Patienten aus der
Interventions- (GSA Schulung zusätzlich zur Rehabilitationsbehandlung) und der Kontrollbedingung (klinikübliche Rehabilitationsbehandlung) verglichen. In einem Kohortendesign
werden alternierend beruflich belastete Patienten, die im „Würzburger Screening“ (Löffler et
al., 2006) die Einschlusskriterien erfüllen, in Zeitblöcken (A-B-A-B) der Interventions- (insgesamt N = 120 je Klinik) oder der Kontrollphase (insgesamt N = 120 je Klinik) zugewiesen.
Teilnehmer an der Studie werden bei Aufnahme, Entlassung sowie postalisch sechs Monate
nach Entlassung mit standardisierten Verfahren zu soziodemographischen, berufs- (z. B.
ABB, FBTM, AVEM) und gesundheitsbezogenen (z. B. HADS, SF-12) Merkmalen befragt.
Ergebnisse
In zwei Kliniken der kardiologischen Rehabilitation konnten insgesamt N = 169 Teilnehmer
der Kontrollgruppe und N = 149 Teilnehmer der Intervention in die Studie aufgenommen
werden. In den wesentlichen sozidemographischen Daten ergaben sich keine Unterschiede
zwischen den Untersuchungsgruppen. Das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren (SD = 6,53)
und der Männeranteil bei 68 %. Die Patienten waren zum überwiegenden Teil erwerbstätig
257
(82,4 % in Vollzeit; 9,7 % in Teilzeit) und als Angestellte (87,3 %) beschäftigt, die Arbeitsunfähigkeitsdauer im letzten Jahr betrug im Mittel 7,1 Wochen (SD = 8,9). In den Screeningkriterien ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Teilnehmern der Interventions- und
Kontrollgruppe, mit Ausnahme einer höheren berufsbezogenen Motivation bei den Interventionsteilnehmern, was bei den Folgeauswertungen kovarianzanalytisch kontrolliert wurde.
Insgesamt konnte beobachtet werden, dass sich im Laufe der Behandlung in der Gesamtstichprobe eine signifikante Abnahme berufsbezogener Einstellungen und Belastungseinschätzungen ergab (z. B. AVEM, IRES), allerdings gaben Teilnehmer der Intervention am
Ende der Behandlung signifikant häufiger Zusammenhänge zwischen beruflichen Belastungen und ihren Beschwerden (p < .001), Einschränkungen in ihrem Leistungsvermögen (p <
.05), Konflikte mit den Kollegen (p < .001) sowie Probleme bei der Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit an (p < .01) bei gleichzeitig höherer Zufriedenheit mit der beruflichen Situation (p < .01). Weiterhin waren die Teilnehmer an der Intervention signifikant zufriedener
mit der Behandlung beruflicher Problemlagen, insbesondere mit den Themen „Stress am
Arbeitsplatz“ (p < .001), „Konflikte mit Kollegen“ (p < .001), „Umgang mit Zeitdruck & Arbeitsorganisation“ (p <. 05), „berufliche Ziele & Neuorientierung“ (p < .001) und „berufliche
Wiedereingliederung“ (p < .05).
Diskussion
Die Ergebnisse bei Entlassung belegen, dass die Patienten mit Hilfe der GSA-Schulung sich
intensiver mit den Zusammenhängen zwischen ihren Beschwerden und den beruflichen Belastungen auseinandersetzen, was als Voraussetzung für einen konstruktiven Umgang mit
beruflichen Belastungen von zentraler Bedeutung ist. Die ersten Evaluationsergebnisse weisen auf die Praktikabilität und Wirksamkeit des Schulungsprogramms GSA in der kardiologischen Rehabilitation hin und belegen den Stellenwert von spezifisch berufsbezogenen Behandlungsmaßnahmen in der medizinischen Rehabilitation.
Literatur
Beutel, M.E., Zwerenz, R., Bleichner, F., Vorndran, A., Gustson, D., Knickenberg, R.J.
(2005): Vocational training integrated into inpatient psychosomatic rehabilitation - Short
and long-term results from a controlled study. Disability and Rehabilitation, 27(15), 891900.
Budde, H.-G., Keck, M. (2001): Prädiktoren der beruflichen Wiedereingliederung nach stationärer kardiologischer Rehabilitation im Rahmen der Arbeiterrentenversicherung. Rehabilitation, 40, 208-216.
Koch, S., Hedlund, S., Rosenthal, S., Hillert, A. (2006): Stressbewältigung am Arbeitsplatz:
Ein stationäres Gruppentherapieprogramm. Verhaltenstherapie, 16, 7-15.
Löffler, S., Wolf, H.-D., Gerlich, Ch., Vogel, H. (2006): Eine bundesweite Bestandsaufnahme
von berufsbezogenen Screening-Verfahren in der medizinischen Rehabilitation. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg): DRV-Schriften (64): 38-39.
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2005): VDR Statistik Rentenzugang des
Jahres 2004 einschließlich Rentenwegfall, Rentenänderung/ Änderung des Teilrentenanteils. Frankfurt/ Main: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger.
258
Effekte berufsorientierter Interventionen in der kardiologischen
Rehabilitation ein Jahr nach der Rehabilitation - Ergebnisse einer
randomisierten Kontrollgruppenstudie
Kittel, J.
Institut für Rehabilitationsforschung, Ennepetal
Ziel der Studie
Trotz einer deutlichen Verbesserung in der Akutversorgung kardiologischer Patienten hat
sich die berufliche Prognose in den letzten Jahrzehnten nicht verbessert. Mehrere Studien
konnten nur moderate Korrelationen zwischen der Schwere des kardialen Ereignisses und
„Return to Work“ zeigen. Den größten Einfluss auf die berufliche Reintegration haben psychosoziale Faktoren wie Depressivität, Selbstvertrauen, Selbsteinschätzung der eigenen
Leistungsfähigkeit, Motivation zur Arbeit, Alter, Geschlecht, Ausbildungsstand und arbeitsplatzbezogene Faktoren (Perk, Alexanderson, 2004). Ziel der Studie ist die Evaluation eines
berufsorientierten Rehabilitationsprogramms, das bei Patienten mit schlechter Prognose
hinsichtlich der beruflichen Reintegration während einer stationären Rehabilitation durchgeführt wurde. Neben psychologischen Einzelinterventionen wurden zur Entwicklung einer realistischen Selbsteinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und zum Aufbau von Selbstvertrauen die realitätsnahen arbeitsplatzbezogenen Übungen der Evaluation der funktionalen Leistungsfähigkeit (EFL) in das Therapieprogramm integriert. Die Durchführung der Tätigkeiten, wie Heben, Tragen oder Überkopfarbeit dauert rund 6 Stunden und verteilt sich
auf zwei aufeinander folgende Tage.
Eine postalische Befragung der Patienten zeigte positive Ergebnisse der berufsorientierten
Interventionen auf den Erwerbsstatus und die Arbeitsunfähigkeitszeiten nach der Rehabilitation (Kittel, Karoff, 2006). In der vorliegenden Studie werden Daten der DRV Westfalen zur
Objektivierung der Zielkriterien analysiert.
Methode
Mit Hilfe einer prospektiven, randomisierten Kontrollgruppenstudie sollen die Effekte des berufsorientierten Programms auf die berufliche Reintegration evaluiert werden. Das Hauptzielkriterium ist die Erwerbstätigkeit ein Jahr nach der Rehabilitation. Dieses für die Rentenversicherung (RV) sehr bedeutsame Outcome-Kriterium wird über die Auswertung der Versichertenkonten erfasst.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 300 Patienten an der Studie teil. Zur 12-Monatskatamnese liegen die
Versichertenkonten von 279 Patienten (93 %) vor. Ein Jahr nach der Rehabilitation sind
69,0 % der Patienten aus der berufsbezogenen Interventionsgruppe (IG) wieder berufstätig.
In der Kontrollgruppe (KG) sind es nur 54,0 % (chi2; p<0,05). Eine weitere Differenzierung
des Erwerbsstatus ist Tab. 1 zu entnehmen.
Berücksichtigt man nur jene Patienten, die zu Reha-Beginn ein Arbeitsverhältnis hatten,
konnten in der IG 75,4 % wieder zur Arbeit zurückkehren. In der KG lag die „Return to
Work“-Rate bei 62,4 %.
259
Tabelle 1: Erwerbsstatus 1 Jahr nach der Rehabilitation
Gruppe
erwerbstätig
geringfügig beschäftigt
arbeitslos
Kranken- oder Übergangsgeld
Rente
Total
IG
KG
n
92
69
161
%
64,8%
50,4%
57,7%
n
6
5
11
%
4,2%
3,6%
3,9%
n
28
40
68
%
19,7%
29,2%
24,4%
n
13
15
28
%
9,2%
10,9%
10,0%
n
3
8
11
%
2,1%
5,8%
3,9%
n
142
137
279
Diskussion
Die Ergebnisse zur 12-Monatskatamnese bestätigen die positiven Effekte einer berufsorientierten Rehabilitation hinsichtlich der beruflichen Prognose. Eine Erklärung für die guten Ergebnisse in der Interventionsgruppe kann in dem verhaltensorientierten Ansatz der EFL gesehen werden. Die Patienten werden dazu angeregt, berufsnahe Tätigkeiten durchzuführen.
Aus der Psychotherapieforschung ist bekannt, dass besonders bei Ängsten die Unterbindung von Vermeidungstendenzen und die direkte Konfrontation mit den angstauslösenden
Bedingungen effektiv sind.
Weitere Datenanalysen sollten eruieren, für welche Patienten das berufsbezogene Therapiekonzept gute Effekte erwarten lässt und für welche Patientengruppe Modifikationen sinnvoll sind.
Literatur
Kittel, J., Karoff, M. (2006): Berufsorientierte kardiologische Rehabilitation - welche Effekte
auf die Erwerbstätigkeit zeigen sich 12 Monate nach der Rehabilitation. DRV-Schriften
Band 64, 36-37.
Perk, J., Alexanderson, K. (2004): Sick leave due to coronary artery disease or stroke.
Scand J Public Health, 32 (Suppl 63).
260
Berufliche Orientierung (Poster)
Anforderungsorientierte Individualisierung in der medizinischen
Rehabilitation mit Hilfe von Assessment - Ergebnisse einer prospektiven
Studie
Alles, T. (1), Drüke, T. (2), Froböse, I. (1)
(1) Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen
Sporthochschule Köln, (2) Klinik Norddeich, Dr. Becker Klinikgesellschaft
Hintergrund
Bei der Weiterentwicklung der noch immer vorwiegend somatisch orientierten Rehabilitation
zur partizipationsorientierten Rehabilitation spielt die berufliche Orientierung eine zentrale
Rolle (vgl. Keck, 2006). Neben der ganzheitlichen Thematisierung der Lebenswelt Arbeit
stellt vor allem die anforderungsorientierte Individualisierung des Rehabilitationsprozesses
einen wichtigen Kernaspekt moderner medizinischer Rehabilitation der Rentenversicherung
dar (vgl. Müller-Fahrnow, Radoschewski, 2006). Eine anforderungsorientierte und individuelle Rehabilitation erfordert eine ökonomische und zielgerichtete Bedarfsermittlung und eine
darauf abgestimmte Intervention, um schnell, konkret und effektiv rehabilitieren zu können.
Im Rahmen des Projektes „Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben“, gefördert durch das
BMAS, wurde ein Konzept für die anforderungsorientierte Individualisierung in der medizinischen Rehabilitation entwickelt. APTEI-med (AssessmentProzedur zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in der medizinischen Rehabilitation) erlaubt mit Hilfe eines stufenweisen Assessments eine ökonomische und bedarfsgerechte Annäherung an die Bestimmung
konkreter Therapieziele auf Basis defizitärer körperlicher Aktivitäten in Bezug auf die arbeitsbezogene Anforderung. Kern des Einschätzungsprozesses sind das Profilvergleichsverfahren IMBA (BMAS, 1996) und eine neu entwickelte FCE-Testbatterie ELA (Einschätzung körperlicher Leistungsfähigkeiten bei arbeitsbezogenen Aktivitäten) (iqpr, 2006). Das
darauf abgestimmte neue Therapiemodul „Aktivitätstraining“ erlaubt mit Hilfe intensiver
Betreuung ein auf die individuelle Belastungssituation abgestimmtes therapeutisches Training.
Fragestellung
Kann eine mit Hilfe von APTEI-med eingeleitete und durch Aktivitätstraining ergänzte medizinische Rehabilitation bei Rückenpatienten eine im Vergleich zur herkömmlichen Vorgehensweise veränderte Anpassung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Funktionskapazität im Rahmen eines stationären Aufenthaltes bewirken?
Methodik
Mit einem quasiexperimentellen Kontrollgruppendesign wurden je 50 Patienten mit LWSBeschwerden der Klinik Norddeich rehabilitiert. Während die Vergleichsgruppe dem Ablauf
einer herkömmlichen Rehabilitationsmaßnahme folgte, wurde die Untersuchungsgruppe
nach der Vorgehensweise einer anforderungsorientierten Individualisierung unter Verwen261
dung von APTEI-med und ergänzendem Aktivitätstraining behandelt. Vor und nach der
Maßnahme wurden in Befragungen die körperliche Leistungsfähigkeit mit dem PACT (Erfassung der subjektiven Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Belastungstoleranz für verschiedene alltägliche/berufsrelevante körperliche Anforderungen) und
die körperliche Funktionsfähigkeit mit dem FFbH-R (Funktions-Fragebogen Hannover - Rücken) erfasst. Ergänzend wurde die allgemeine subjektive Gesundheit/Lebensqualität mit
dem SF12 erfasst.
Vorläufige Ergebnisse
Das Zwischenergebnis zeigt, dass beide Gruppen sich über den Therapiezeitraum in Bezug
auf alle erfassten Parameter verbessern. Vergleicht man die Gruppen bezüglich Ihrer Verbesserung, stellt man, mit Ausnahme des Parameters allgemeine Gesundheit, fest, dass die
Untersuchungsgruppe sich statistisch bedeutsam von der Vergleichsgruppe unterscheidet.
Die Effektstärke der neuen Methode liegt nach Cohen’s d in einem mittleren Bereich und als
absolute Effektgröße zwischen 5 % und 10 %. Darüber hinaus werden Informationen in Bezug auf die Praktikabilität eines solchen Konzeptes im Klinikalltag präsentiert.
Bis März 2007 werden voraussichtlich die endgültigen Ergebnisse mit einem N von jeweils
ca. 50 vorliegen.
Vorläufige Schlussfolgerung
Die bisher vorliegenden Zwischenergebnisse weisen darauf hin, dass die beschriebene
Vorgehensweise der anforderungsorientierten Individualisierung im Rahmen einer bedarfsorientierten medizinischen Rehabilitation die körperliche Leistungs- und Funktionsfähigkeit
deutlich gegenüber herkömmlicher Rehabilitation steigert.
Die erhöhte körperliche Leistungs- und Funktionsfähigkeit stellt für den physischen Bereich
eine zentrale Voraussetzung für die Rückkehr an und den dauerhaften Erhalt des Arbeitsplatzes dar.
Die endgültige Schlussfolgerung erfolgt im März 2007 nach Abschluss der Studie.
Literatur
Keck, T. (2006): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation als gesellschaftliche Aufgabe der Rentenversicherung. In: Müller-Fahrnow, W, Hansmeier T & Karoff M (Hrsg.):
Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Lengerich: Pabst Science Publishers. (25-35).
Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, M. (2006): Theoretische Grundlagen der MBORehabilitation. In: Müller-Fahrnow, W, Hansmeier T & Karoff M (Hrsg.): Wissenschaftliche
Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Lengerich: Pabst Science Publishers. (36-46).
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.) (1996): IMBA - Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt. Essen, Siegen.
iqpr - Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln (Hrsg.) (2006): ELA-LWS Einschätzung körperlicher Leistungsfähigkeiten bei arbeitsbezogenen Aktivitäten, LWS-Patienten - Testbeschreibungen
und Dokumentation. Köln.
262
Sind die Testbedingungen der EFL nach Isernhagen zu alltagsfern?
Büschel, C. (1), Schaidhammer, M. (1), Greitemann, B. (2)
(1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, e.V., (2) Klinik Münsterland, Bad
Rothenfelde
Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung
Die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit nach Isernhagen (EFL) ist als unterstützendes Assessment in der sozialmedizinischen Einschätzung international anerkannt; trotzdem ist ihre prognostische Validität bezüglich der erfolgreichen Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit umstritten (z. B. Gross et al., 2004). Kritisiert wird unter anderem die Alltagsferne der standardisierten Testbedingungen (King et al., 1998; Gatty, 2002). Führt sie zu Abweichungen zwischen dem EFL-Ergebnis und dem Urteil der behandelnden Ärzte, die vermutlich die Arbeitsbedingungen der Patienten in ihrer Einschätzung berücksichtigen? Was
bedeutet das für die Interpretation der Ergebnisse?
Methodik, Studiendesign
In die Studie eingeschlossen wurden alle stationären orthopädischen Reha-PatientInnen der
Klinik Münsterland in Bad Rothenfelde und des Reha-Zentrums in Bad Pyrmont, die zwischen Dezember 2004 und Juni 2006 einen EFL-Test durchlaufen haben.
Wir haben die EFL-Ergebnisse der Probanden mit den davon unabhängig getroffenen Einschätzungen der Leistungsfähigkeit durch die behandelnden Ärzte verglichen und anschließend die gefundenen Differenzen mit Angaben der Ärzte über belastende Arbeitsbedingungen der Probanden korreliert.
Ergebnisse
Die Probanden, 66 Männer und 4 Frauen, waren im Schnitt 39,37 Jahre alt (SD=8,29), 54
von ihnen (77,1 %) erwerbstätig.
Erwartungsgemäß waren den Ärzten viele belastende Arbeitsbedingungen ihrer Patienten,
insbesondere solche mit hoher orthopädischer Relevanz (z. B. Zwangshaltungen; MW=1,53
auf Skala 0=gar nicht bis 2=stark), aber auch psychische Stressoren (z. B. hohes Arbeitstempo/Zeitdruck; MW=0,94) bekannt.
Verglichen mit dem EFL-Ergebnis schätzten die Ärzte die allgemeine Leistungsfähigkeit der
Patienten nach REFA im Schnitt höher ein (p=.011*; ES= -0,36), wobei dieser Unterschied
nicht durch das Wissen der Ärzte um belastende Arbeitsbedingungen erklärbar war.
In den Einzelfähigkeiten hingegen trauten sie ihren Patienten fast durchgängig erheblich
weniger zu (ESmax=1,74; p=.000**; Rotation im Sitzen). Diese Abweichungen zeigten vielfältige Korrelationenen zu arbeitsbedingten Belastungen bis zu .48 (z. B. Hitze/Kälte ◄►
Knien; p=.000**) zu bekannten physischen und psychischen Zusatzbelastungen. Die häufigsten Prädiktoren waren Zwangshaltungen und Zeitdruck.
Diskussion
Offenbar erleben nicht nur Patienten die Testbedingungen der EFL als unrealistisch, wie in
Gesprächen immer wieder deutlich geworden ist. Auch die Ärzte scheinen bei ihrer sozial263
medizinischen Einschätzung die Interdependenz von Leistungsfähigkeit und Umgebungsbedingungen zu berücksichtigen - und zu anderen Ergebnissen als die EFL zu kommen. Unklar bleibt, weshalb die Ärzte die allgemeine Leistungsfähigkeit der Patienten höher, die einzelnen Fähigkeiten hingegen deutlich geringer einschätzen als die EFL.
Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Soll mit einem EFL-Test die optimale Leistungsfähigkeit eines Probanden ermittelt werden,
ist die standardisierte Testsituation sicherlich angemessen. Geht es hingegen um die (Wieder-)Aufnahme einer konkreten Tätigkeit, sollten die Testbedingungen an die realen Gegebenheiten angepasst werden. Im Fall relevanter Diskrepanzen liegt es in der Verantwortung
des erfahrenen Arztes, vermutete Leistungseinschränkungen durch Zusatzbelastungen zu
berücksichtigen und die EFL-Ergebnisse mit besonderer Vorsicht zu interpretieren.
Literatur
Gatty, M. (2002): FCEs: to use or not to use? Rehabilitation Management, 15, 8, 16-17.
Gross, D.P., Battié, M.C., Cassidy, J.D. (2004): The Prognostic Value of Functional Capacity
Evaluation in Patients With Chronic Low Back Pain. Part 1: Timely Return to Work. Spine,
29, 8, 914-919.
King, P.M., Tuckwell, N., Barrett, T.E. (1998): A Critical Review of Functional Capacity Evaluations. Physical Therapy, 78, 8, 852-866.
Rehabilitation und Arbeitswelt: Eine (computerlinguistische) Auswertung
von 67.599 Entlassungsberichten
Kaluscha, R., Leitner, A., Jacobi, E.
Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm
Einführung
Auch wenn das SGB IX die Zielsetzung der Rehabilitation über das klassische „Reha vor
Rente“ hinaus erweitert, bleibt die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit und des Arbeitsplatzes
eine ihrer zentralen Aufgaben. Dennoch ist die Interaktion von Rehabilitation und Arbeitswelt
ein schwieriges Feld: Betriebsärzte beklagen oft die mangelhafte Einbeziehung bei RehaVerfahren, der Reha-Mediziner kennt die beruflichen Anforderungen und Belastungen nicht,
bei Rentenbegehren oder Personalabbau kann auch eine erfolgreiche medizinische Rehabilitation den Arbeitsplatz nicht immer erhalten, Arzt und Patient sind sich über Arbeits- und
Leistungsfähigkeit nicht immer einig, etc. (Riedl, Haase, Birkholz, 2002).
Wir haben nun untersucht, inwieweit sich die Interaktion von Rehabilitation und Arbeitswelt
in den Entlassungsberichten widerspiegelt.
Methodik
Dazu wurden 67.599 anonymisierte Entlassungsberichte aus dem „Patientenkonto“, der
Forschungsdatenbank des rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Ulm
(Kaluscha, Jacobi, 2000), auf Informationen zur Arbeitssituation hin untersucht. Zunächst
wurden aus 200 zufällig ausgewählten Berichten gängige einschlägige Formulierungen ent264
nommen und diese in computerlinguistische Anfragen umgesetzt (Kaluscha, 2005). Dabei
wurde im Freitext des Blattes 2 - vor allem im Abschnitt Berufsanamnese - nach folgenden
Informationen gesucht:
- Betriebsarzt
- Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz / Betriebsklima
- Fortführung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses
- Arbeitslosigkeit
Abb. 1: Computerlinguistische Anfrage zur Fortführung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses
near( ($arbeit=$arbeitsplatz=$tätigkeit=$aufgaben,
$zurecht=$zurechtkommen=$zutrauen=$aufnehmen
=$durchführen=$ausüben=$zurückkehren=$nachgehen
=$bewältigen=$behalten), 7, FALSE)
within sentence'
Zusätzlich wurden aus Blatt 1 des Entlassungsberichtes Angaben zur Arbeitsfähigkeit bei
Entlassung und zu arbeitsplatzbezogenen Nachsorgeempfehlungen (stufenweise Wiedereingliederung, berufsfördernde Maßnahmen) ausgewertet.
Ergebnisse
62,6 % der Rehabilitanden wurden arbeitsfähig entlassen, 28 % arbeitsunfähig, bei 9,3 %
erfolgte keine Beurteilung (z. B. bei Hausfrauen/-männern oder mitversicherten Angehörigen). Bei 5,3 % der Rehabilitanden wurde eine stufenweise Wiedereingliederung und bei
16,6 % berufsfördernde Maßnahmen empfohlen.
Im Freitext fanden sich nur in 16,2 % der Fälle Angaben zum Betriebsarzt (einschließlich
negierter Aussagen wie z. B. „Betriebsarzt nicht vorhanden“).
In 14,6 % der Berichte gab es Hinweise auf Arbeitslosigkeit. Bei lediglich einem Drittel der
Berichte (33,4 %) fanden sich Aussagen, ob - auch aus Sicht des Betroffenen - ein bestehendes Arbeitsverhältnis fortgeführt werden soll bzw. kann. Angaben zur Arbeitsplatzzufriedenheit oder zum Betriebsklima erfolgten bei 14,3 % der Berichte.
Die Anteile der Entlassungsberichte, die die vorstehend genannten Informationen enthielten,
unterschied sich dabei zwischen den Kliniken z. T. deutlich.
Diskussion
Wenn man davon ausgeht, dass die Entlassungsberichte das Geschehen in der Klinik widerspiegeln, scheinen berufliche und arbeitsplatzbezogene Aspekte in der medizinischen
Rehabilitation noch zu kurz zu kommen. So finden sich nur in einem Drittel der Entlassungsberichte Angaben darüber, ob der Rehabilitand seine bisherige Tätigkeit fortführen
möchte.
Dabei wäre die Erhebung solcher Angaben kein reiner Selbstzweck: So böte z. B. die routinemäßige Frage des Arztes nach dem Betriebsarzt im Aufnahmegespräch einen Anknüpfungspunkt, den Rehabilitanden auf eine mögliche Unterstützung durch diesen hinzuweisen,
oft vorhandene Informationslücken und Ängste bez. Aufgaben und Möglichkeiten des Betriebsarztes auszuräumen und von einer intensivierten Zusammenarbeit zwischen Rehabilitation und Betriebsmedizin zu profitieren (Riedl et al., 2002).
265
Literatur
Kaluscha, R., Jacobi, E. (2000): Eine Datenbank zur Effektivitätsbeurteilung: Das Datenkonzept des rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Ulm. DRV-Schriften 20,
218-219.
Kaluscha, R. (2005): Informationsgewinnung aus Freitexten in der Rehabilitationsmedizin.
Dissertation, Medizinische Fakultät, Universität Ulm .Online: http://vts.uniulm.de/doc.asp?id=5265.
Riedl, G., Haase, I., Birkholz, B. (2002): Wie zuverlässig ist die Einschätzung eines Rehabilitanden bezüglich der Anforderungen an seinem Arbeitsplatz? DRV-Schriften 33, 43-44.
Riedl, G., Haase, I., Birkholz, B., Schäfer, A., Zellner, M. (2002): Effektivität und Effizienz
einer Zusammenarbeit von Rehabilitationsklinik und betriebsärztlichem Dienst. DRVSchriften 33, 226-227.
Entwicklung des Würzburger Screenings zu beruflichen Problemlagen
und dem Bedarf an berufsorientierten Rehabilitationsleistungen
Wolf, H.D., Löffler, S., Vogel, H.
Universität Würzburg, Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie,
Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften
Hintergrund
Im Rahmen der Umsetzungsprojekte des Forschungsschwerpunktes Rehabilitation des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Deutschen Rentenversicherung
wird zurzeit das Würzburger Screening entwickelt. Das Screening-Instrument soll sowohl im
Zugangsverfahren zur medizinischen Rehabilitation als auch in rehabilitativen Einrichtungen
zur frühzeitigen Erkennung von beruflichen Problemlagen und zur zeitgerechten Erfassung
des Bedarfs an berufsorientierten Rehabilitationsleistungen eingesetzt werden. Diese Faktoren sind wesentliche arbeitsbezogene Anforderungen an die medizinische Rehabilitation
(BfA, 2000).
Methode
Zur Konstruktion des Testentwurfs wurden in der wissenschaftlichen Literatur bekannte Items zu einem generischen Instrument integriert. Bisherige Studien weisen darauf hin, dass
insbesondere Angaben zur subjektiven Erwerbsprognose (Schott, 2005; Mittag, Raspe,
2003) eine hohe Relevanz als prädiktive Faktoren für die Rückkehr zur Arbeit besitzen. Neben medizinischen und soziodemographischen Fragen wurden daher in erster Linie Items
zur subjektiven Erwerbsprognose in das Screening aufgenommen. Im Rahmen mehrerer
Datenerhebungen wird der Testentwurf des Screenings unter psychometrischen Gesichtspunkten überprüft und u. a. auf seinen Vorhersagewert in Bezug auf die Rückkehr zur Arbeit
untersucht. Dabei kommt das Screening in acht Einrichtungen zur orthopädischen, kardiologischen, psychosomatischen und pneumologischen Rehabilitation sowie bei der sozialmedizinischen Begutachtung von Anträgen auf Rehabilitation bei der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken zum Einsatz.
266
Ergebnisse
Bisher liegen aus den Einrichtungen 3.252 zu Beginn der Rehabilitation ausgefüllte Screeningbögen und 392 aus der Katamneseerhebung sechs Monate nach der Rehabilitation vor.
Mit den Items des Würzburger Screenings wird versucht, die Rückkehr bzw. Nicht-Rückkehr
zur Arbeit sechs Monate nach Reha-Aufenthalt zu prognostizieren. Basierend auf einer multiplen logistischen Regression gehen drei Items des Würzburger Screenings in das Prognosemodell ein. Dies sind die Items „Wie bald nach Abschluss der Reha-Maßnahme hoffen
Sie, Ihre berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen?“, „Tragen Belastungen am Arbeitsplatz
zu Ihren gesundheitlichen Beschwerden bei?“ und die Frage nach der Erwerbstätigkeit zu
Beginn der Rehabilitation. Mit Hilfe der Regressionsanalyse gelang eine korrekte Klassifikation von 99 % der Rehabilitanden, die wieder in das Berufsleben zurückgekehrt sind (Spezifität). Von den Nichtrückkehrern konnten 71 % korrekt identifiziert werden (Sensitivität). Der
positive Vorhersagewert betrug 87 %, der negative Vorhersagewert 97 %.
Diskussion/Ausblick
Bei den oben genannten Angaben handelt es sich um vorläufige Zahlen. Zusammen mit
dem Würzburger Screening wurden die Fragebögen ABB (Kurzform), AVEM, B-Leist,
FBTM, HADS-D und SF-12 sowie die Skala „Berufliche Sorgen“ des IRES erhoben. Die Ergebnisse aus diesen Fragebögen werden noch in die Datenanalyse zum Würzburger
Screening miteinbezogen.
In einem weiteren Schritt wird das Entscheidungsverfahren entwickelt, anhand dessen in der
Praxis mit Hilfe des Würzburger Screenings die Probanden den Gruppen „berufliche Problemlagen“ bzw. „keine berufliche Problemlagen“ zugeordnet werden können. Dabei kann es
sich z. B. um einen Summenscore oder um einen Entscheidungsalgorithmus handeln.
Literatur
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (2000): Eckpunkte arbeitsbezogener Strategien
bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Mittag, O., Raspe, H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der
Erwerbstätigkeit. Rehabilitation, 42, 169-174.
Schott, T. (2005): Determinanten der Ausgliederung und Ansatzpunkte einer zielorientierten
Beratung zur Rückkehr zur Arbeit nach einer schweren Herzerkrankung. In: T. Schott,
(Hrsg.), Eingliedern statt ausmustern. Weinheim: Juventa, 151-164.
Arbeitsrelevante Kompetenzen Jugendlicher aus Förderschulen
Schwerpunkt Lernen: Ergebnisse eines Evaluationsprojektes
Hauser, A., Dreja, S., Förster, D., Niehaus, M.
Universität zu Köln, Lehrstuhl für Arbeit und Berufliche Rehabilitation
Hintergrund
Junge Menschen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen erleben die Schwellenproblematik des Übergangs von der Schule in den Beruf als Verdrängung von den Startplätzen
267
ins Erwerbsleben. Im Jahr 2000 initiierte das Bundesministerium für Schule, Wissenschaft
und Forschung das Modellprojekt „Hand-Werk-Lernen“ (HWL) an sechs Förderschulen
Schwerpunkt Lernen in Köln für einen Zeitraum von fünf Jahren. Das Modellprojekt „HandWerk-Lernen" hat zum Ziel, auf schulischer Ebene zur Abmilderung der bisherigen Problematik bei SchülerInnen der Förderschule Schwerpunkt Lernen und zu ihrer individuellen
Kompetenzerweiterung beizutragen. Zentraler Ansatz des Modellprojektes ist der Einsatz
von PraktikerInnen der Arbeitswelt, hier Handwerker und Vertreter aus dem Dienstleistungsbereich, in den Schulen. Ab Klasse 7 werden arbeitsweltnahe Settings in Form von
Projekten, praktischen Lernsituationen und wöchentlichen Praxistagen in Werkstätten und
Schülerfirmen von LehrerInnen und PraktikerInnen gestaltet. Weiterhin sollen die PraktikerInnen als Teil des Teams „Berufsorientierung und -vorbereitung“ mit ihrer spezifischen
Kommunikationskompetenz die Einrichtung von Netzwerken zwischen Schulen, Innungen,
Kammern und Betrieben erleichtern und zu einer Erweiterung der Kenntnisse und Einstellungen bei Arbeitgebern bezüglich der SchülerInnen mit Lernbehinderung beitragen. Das
von der Stiftung der Energiewirtschaft (GEW) in Köln geförderte Forschungsprojekt evaluiert
die Wirkung des Modellversuches HWL auf die arbeitsrelevanten Kompetenzen der Jugendlichen in der nachschulischen Phase.
Forschungsdesign
Die Daten von sechs Schulen des Modellprojekts (Experimentalgruppe) und sechs Schulen
ohne Modellprojekt (Alternativgruppe) der Entlassjahrgänge 2003/2004 und 2004/2005 wurden erhoben (N=592). Es werden zwischen Experimental- und Alternativgruppe die beruflichen Werdegänge über einen Zeitraum von zwei Jahren und die arbeitsweltrelevanten
Kompetenzen der Jugendlichen aus Sicht der nachschulischen Akteure in der nachschulischen Phase verglichen.
Die nachschulischen Werdegänge der Jugendlichen werden über eine Verbleibstatistik
durch Angaben der Schulen und der Agentur für Arbeit erfasst. Hinsichtlich der beruflichen
Werdegänge wird zwischen gelungenen, d.h. arbeitsweltnahen, und nicht gelungenen, d.h.
arbeitsweltfernen (sog. Maßnahmekarrieren), unterschieden. Gelungene Übergänge sind als
betriebliche Ausbildung, sofortige Arbeitsaufnahme oder Teilnahme an einer
Berufsvorbereitenden Maßnahme mit hohem Anteil an Arbeitstätigkeit (mind. zwei Praxistage im Betrieb pro Woche) operationalisiert. Als nicht gelungener Übergang gelten Berufsvorbereitende Maßnahmen mit geringem Anteil an Arbeitstätigkeit, Werkstatt für behinderte
Menschen oder keine Maßnahme.
In Anlehnung an den Kompetenzbegriff, Kompetenz als situationsbezogene Relation zwischen Umwelt und Person zu verstehen (Hof 2001), werden die arbeitsweltrelevanten Kompetenzen in der nachschulischen Phase aus der Sicht von betrieblichen Akteuren und pädagogischen Fachkräften erhoben, die die Jugendlichen situationsbezogen am Arbeitsplatz
erleben. Die arbeitsweltrelevanten Kompetenzen werden mit „Diagnostische Kriterien zur
Feststellung des individuellen Förderbedarfs und zur Steuerung von Maßnahmen, Version
2.0 2002“ (DIK 2.0) erhoben.
Zwischenergebnisse
Mit den bisherigen Ergebnissen kann insgesamt nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass
der Übergang ins Arbeitsleben bei Jugendlichen aus Förderschulen Schwerpunkt Lernen mit
268
dem Modellversuch „Hand-Werk-Lernen“ besser gelingt als bei Jungendlichen aus Schulen
ohne Modellversuch. Allerdings kann gezeigt werden, dass der Unterschied zwischen Jugendlichen des Modellprojektes und aus Schulen ohne HWL in der postulierten Richtung
liegt. Weiterhin wird deutlich, dass Jungen des Modellprojektes im Vergleich zu Jungen aus
Schulen ohne Modellversuch statistisch signifikant von Handwerkern in Schulen profitieren.
Bei Mädchen zeigt sich ein heterogenes Bild, was darauf schließen lässt, dass Mädchen nur
in geringem Maße von Handwerkern in Schulen angesprochen werden.
Literaturverzeichnis:
Edelmann, D., Tippelt, R. (2004): Kompetenz – Kompetenzmessung: ein (kritischer) Überblick. In: Durchblick, 2004(3), 7-10.
Hof, Ch. (2001): Wie lässt sich soziale Kompetenz konkreter bestimmen? Grundlagen der
Weiterbildung (GdWZ) – Praxis – Forschung – Trends. 12 (4), 151-154.
Kick, K. (2002): DIK-2 – Diagnostische Kriterien: Katalog berufsbezogener Personenmerkmale Version 2. In INBAS Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
GmbH, Kompetenzfeststellung Teil I: Grundlagen, Berichte und Materialien. Band 8.
Offenbach am Main.
Niehaus, M. (2006): Jugendliche aus Förderschulen - ausbildungsreif und kompetent?. In
Brand, W., Schulz, R. (Hrsg.): Berufliche Rehabilitation im Spannungsfeld von Politik,
Praxis und Wissenschaft. (S. 83-92). Hamburg: Feldhaus Verlag.
269
Betriebliches Eingliederungsmanagement
Pflichten des Integrationsamts zur Realisierung des
Eingliederungsmanagements nach § 84 SGB IX
Gagel, A.
Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen
Sporthochschule Köln
Problematik
Integrationsämter sind durch das Erfordernis der Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers (§ 85 SGB IX) bereits im Vorfeld einer Kündigung eingeschaltet.
Sie sollen darauf achten, dass bei den Überlegungen zur Kündigung die besonderen Interessen behinderter Arbeitnehmer hinreichend beachtet werden. Das Vorfeld der Kündigung
ist auch die Phase, in der dem Arbeitgeber aufgetragen ist, durch Nutzung und Vernetzung
aller betrieblichen und externen Möglichkeiten, bei schwerbehinderten Beschäftigten also
unter Einschaltung des Integrationsamtes, zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer nicht doch der
Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 84 SGB IX). Es wird untersucht, welche Pflichten genau das Integrationsamt bei seinem Tätigwerden im Zusammenhang mit § 84 SGB IX und
Zustimmungsverfahren zu beachten hat.
Untersuchung
Hintergrund der Verlagerung besonderer Bemühungen und Prüfungspflichten in das Vorfeld
einer Kündigung ist die Erkenntnis, dass einerseits das Kündigungsschutzverfahren selten
zur Erhaltung des Arbeitsplatzes führt und andererseits diese Erhaltung wegen der Schwierigkeiten, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, für behinderte Menschen von herausragender Bedeutung ist. Ansätze dazu gab es schon in dem Vorläufer des SGB IX, dem
Schwerbehindertengesetz. Damals wurde die Pflicht des Integrationsamts dahin interpretiert, dass es darauf zu achten habe, dass die schutzwürdigen Interessen des behinderten
Menschen gegenüber dem Gestaltungsinteresse des Arbeitgebers hinreichend zur Geltung
gebracht würden.
Heute ist diese Abwägung weitgehend im Gesetz konkretisiert worden. In § 84 SGB IX sind
Verfahren vorgeschrieben, die dazu dienen sollen, die betrieblichen Möglichkeiten für den
Erhalt des Arbeitsplatzes auszuschöpfen und mit möglichen externen Hilfen der Träger zu
vernetzen. In § 81 Abs. 4 SGB IX ist aufgeführt, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber
betriebsintern zuzumuten sind.
Die Pflicht des Integrationsamts, die Berücksichtigung der Belange der behinderten Arbeitnehmer zu kontrollieren, erfasst sachlogisch auch die Überprüfung, ob die genannten Bestimmungen des SGB IX beachtet und richtig angewandt wurden. Das Integrationsamt hat in
diesen Fällen eine Garantenstellung für das Wirksamwerden der gesetzlichen Vorgaben.
Das schließt ein, dass das Integrationsamt sich nicht auf die Kontrolle beschränken darf; es
hat vielmehr darüber hinaus aktiv die Durchführung zu fördern, zu beraten, zu unterstützen
270
und Anreize zu schaffen (§ 84 Abs. 3 SGB IX). Das gilt besonders bei kleinen oder mittleren
Unternehmen. Das Integrationsamt hat die Anträge auf Zustimmung zu einer Kündigung
dazu zu nutzen, den § 84 SGB IX zur Wirksamkeit zu bringen. Es hat im Einzelfall dem
Arbeitgeber zu helfen das Eingliederungsmanagement nachzuholen und ihm sowie den
betrieblichen Gremien Hilfestellung für den Aufbau von Managementstrukturen zu geben
(evtl. durch Betriebsvereinbarung und Integrationsvereinbarung). Das Integrationsamt kann
zudem - wo dies sachgerecht erscheint - das Eingliederungsmanagement auch selbst
durchführen; übergangen werden kann es jedenfalls nicht. Diese Sicht beginnt sich
allerdings nur zögernd durchzusetzen (wie hier: Großmann, GK-SGB IX § 85 Rz. 45; für
Prüfung des § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX: Trenk-Hinterberger HK-SGB IX, 2. Aufl. § 88 Rz. 14;
für freies Ermessen Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX § 85 Rz. 69 ff).
In Bezug auf § 81 SGB IX mag zwar eingewandt werden, dass es dem Integrationsamt
Schwierigkeiten bereiten wird, die im Betrieb möglichen Arbeitsgelegenheiten zu ermitteln.
Indes dient das ebenfalls zu prüfende und zu beachtende Eingliederungsmanagement nach
§ 84 SGB IX gerade dazu, diese Möglichkeiten zu erschließen (ähnl. BAG, Urt. v.
04.10.2006 - 9 AZR 633/04 -; dazu Faber, Diskussionsbeiträge B 10/2006 und B 11/2006 in
Diskussionsforum Teilhabe und Prävention, www.iqpr.de > Diskussionsforen).
Die Einführung des vornehmlich als arbeitsrechtliche Vorschrift zu qualifizierenden Eingliederungsmanagements berechtigt ferner zu dem Schluss, dass auch beim Fehlen sonstiger
arbeitsrechtlicher Voraussetzungen für die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung die
Zustimmung zu versagen ist (In der Literatur wird aber zur Zeit noch überwiegend allenfalls
eine Offensichtlichkeitsprüfung für erforderlich gehalten; wie hier: Großmann, GK-SGB IX
§ 85 Rz. 45; für Offensichtlichkeitsprüfung: Trenk-Hinterberger HK-SGB IX § 85 Rz. 12;
Kuhlmann in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX § 85 Rz. 40).
Ein Problem mit der Bearbeitungsfrist des § 88 Abs. 1 SGB IX (ein Monat) ergibt sich nicht,
da der Arbeitgeber einer gesetzlichen Verpflichtung, deren Erfüllung Voraussetzung der Zustimmung ist, noch nicht nachgekommen ist.
Auch die Festlegung der Ermessensgrenzen bei der Zulassungsentscheidung sind durch
das SGB IX mit neuem Inhalt ausgestattet worden. Sie sind zwar wörtlich aus dem Schwerbehindertengesetz übernommen worden, müssen aber nun im Kontext mit den sonstigen
Bestimmungen des SGB IX gelesen werden. So soll z. B. nach § 89 Abs. 2 SGB IX die Zustimmung erteilt werden, wenn ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist. Angemessen kann ein Arbeitsplatz nur sein, wenn er den Anforderungen des
SGB IX, insb. § 81 Abs. 4 SGB IX entspricht. Ferner soll nach § 91 Abs. 4 SGB IX die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung erteilt werden, wenn der Kündigungsgrund
nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Dies ist aber nach dem SGB IX nur
möglich, wenn durch ein Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 1 SGB IX alle Möglichkeiten durch interne Absprachen und Veränderungen sowie externe Hilfen ausgeschöpft
wurden, den Arbeitsplatz zu erhalten. Die Literatur hat sich bisher mit diesem Thema nicht
näher befasst.
271
Ergebnisse
1. Die Integrationsämter haben die Einhaltung der Bestimmungen des SGB IX zu prüfen,
die der Sicherung des Arbeitsplatzes schwerbehinderter Arbeitnehmer dienen (insb. § 81
Abs. 4 und § 84 SGB IX).
2. Sie haben zudem die Zustimmungsverfahren zu nutzen, auf die Nachholung eines erforderlichen Eingliederungsmanagements hinzuwirken und den Arbeitgebern dabei zu helfen.
3. Integrationsämter haben grundsätzlich auch die Begründetheit der Kündigung zu prüfen.
4. Ein Arbeitsplatz i. S. v. § 89 Abs. 2 SGB IX ist nur angemessen, wenn er den Anforderungen von § 81 Abs. 4 SGB IX entspricht.
5. Die Ermessensbeschränkung in § 91 Abs. 4 SGB IX (Kündigung ohne Zusammenhang
mit der Behinderung) ist nur anzuwenden, wenn zuvor ein Eingliederungsmanagement
nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt wurde; das Integrationsamt kann dieses auch
selbst nachholen.
Literatur
IQPR-Diskussionsforum Teilhabe und Prävention, Forum B (http://www.iqpr.de/iqpr/seiten
/diskussionsforen/forumb/forum-b-de.asp oder http://www.iqpr.de > Diskussionsforen).
Ernst/Adlhoch/Seel, Sozialgesetzbuch IX (Kommentar), Kohlhammer-Verlag, Loseblattausgabe, Stand: Juli 2006, Erläuterung zu den §§ 84, 85.
Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch IX (Kommentar), Erich Schmidt Verlag, Loseblattausgabe,
Stand: April 2006, Erläuterungen zu den §§ 84, 85.
Großmann/Schimanski, Gemeinschaftskommentar zum SGB IX (GK-SGB IX), Luchterhand
Verlag, Stand 2004, Erläuterungen zu den §§ 84, 85.
Lachwitz/Schellhorn/Welti, Handkommentar zum SGB IX (HK-SGB IX), Luchterhand Verlag,
2. Aufl. 2006, Erläuterungen zu den §§ 84, 85.
Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX (Kommentar), Beck Verlag, 11. Auflage 2005,
Erläuterungen zu den §§ 84, 85.
Wissen - Wertschätzung - Kompatibilität - Alternativen: Die Rehabilitation
aus betrieblicher Sicht
Heuer, J., Hesse, B., Gebauer, E.
Institut für Rehabilitationsforschung Norderney
Hintergrund
Rehabilitation wird besonders erfolgreich und in vielen Fällen überhaupt erst realisierbar
sein, wenn sie von den unmittelbar und mittelbar Beteiligten (Rehabilitanden, Betriebsräten,
Unternehmern, Betriebsärzten) als sinnvoll angesehen und geschätzt wird. Ein solch positives Verhältnis zur Rehabilitation setzt ausreichende Informationen und/oder gute Erfahrungen voraus. Herauszufinden, wie es um den Informationsstand, die Wertschätzung der Rehabilitation und die Kooperation zwischen den beteiligten Parteien und Partnern bestellt ist,
ist eine Aufgabe des Projektes KoRB (Kooperation Rehabilitation und Betrieb). Darüber hinaus sollen gegebenenfalls bestehende Informationsdefizite und Kooperationsschwächen
272
aufgedeckt, Möglichkeiten der Verbesserung eruiert, sowie über alternative Rehabilitationsangebote nachgedacht werden. Die Kompatibilität der Rehabilitation mit betrieblichen Erfordernissen soll verbessert und eine noch gezieltere Ausrichtung der Rehabilitationsmaßnahmen auf die ganz speziellen Anforderungen eines Arbeitsplatzes ermöglicht werden. Der
Fokus liegt dabei auf kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Westfalen mit weniger
als 250 Beschäftigten. KMU machen 99 % aller Betriebe aus und beschäftigen 68 % der Arbeitnehmer; sie gelten in Gesundheitsfragen als schwer erreichbare Gruppe. Ihr Wissen um
und ihre Wertschätzung der Rehabilitation sind bislang nicht untersucht.
Vorgehen
Zu Beginn der Untersuchung wurden 21 Interviews mit kleinen und mittleren Betrieben unterschiedlicher Branchen und Größen sowie mit 16 Betriebsärzten und Mitarbeitern von 4
Reha-Kliniken durchgeführt. Es fanden Gespräche mit Vertretern von Handwerkskammern,
Innungen, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften statt.
Ausgehend hiervon werden aktuell repräsentative Befragungen der verschiedenen Personenkreise durchgeführt. Betriebsinhaber, Geschäftsführer oder Personalverantwortliche von
mehr als 700 KMU in Westfalen wurden durch das Institut für Demoskopie Allensbach telefonisch interviewt. Auf Arbeitnehmerseite wurden 6.000 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Westfalen schriftlich befragt. Vermittelt durch die westfälischen Landesverbände und regionalen Büros der Gewerkschaften IG Metall, ver.di, IG BAU, NNG und IG BCE
wurden ca. 1.900 Fragebögen an Betriebsräte in kleinen und mittleren Unternehmen verschickt. Außerdem wurden ca. 100 Betriebsärzte bzw. Werkarztzentren in Westfalen schriftlich befragt.
Erste Ergebnisse
Die Auswertung der Interviews ergab, dass Betriebe (Inhaber, Geschäftsführer) kaum über
Rehabilitation informiert sind; insbesondere die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsplatz zu
Lasten der Rentenversicherung sind weitgehend unbekannt. Die Mehrheit der Befragten
wünscht sich eine zuverlässige Informationsquelle z. B. in Form einer Ansprechperson, die
schnell und unbürokratisch hilft und möglichst auch in den Betrieb kommt. Während mit Anschlussheilmaßnahmen überwiegend gute Erfahrungen gemacht wurden, sind Effekte der
allgemeinen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kaum wahrgenommen worden.
Die Antworten auf die Frage, ob andere Reha-Modelle, z. B. in Teilzeit und berufsbegleitend
sinnvoll wären, fielen sehr gemischt aus: sie wurden z. T. begrüßt, zum Teil als nicht vereinbar mit dem Betriebsablauf erlebt.
Die interviewten und schriftlich befragten Betriebsräte (z. Z. N=457) beurteilten die Erfolge
der medizinischen und beruflichen Rehabilitation überwiegend als gut bis befriedigend (nach
Schulnoten). 99 % der befragten Betriebsräte würden einem langfristig erkrankten Kollegen
empfehlen, eine Rehabilitation zu machen. Genauso viele würden auch selbst bei Bedarf
eine Reha in Anspruch nehmen. Obwohl Betriebsräte Kollegen gelegentlich in Reha-Fragen
beraten, schätzt mehr als ein Drittel seine Kenntnisse darüber, welche Reha-Leistungen es
gibt und wie sie beantragt werden, als mangelhaft bis ungenügend ein. Nahezu alle möchten besser informiert sein und bevorzugen als Informationsquelle einen persönlichen Ansprechpartner, gefolgt von Informationsbroschüren, dem Internet und Seminaren. Der Arbeitsausfall des Arbeitnehmers und eine Verlängerung des Reha-Aufenthaltes werden in
273
mehr als zwei Dritteln der Fälle als Probleme für den Betrieb bewertet. Knapp ein Drittel der
Betriebsräte attestiert den Betriebsleitungen eine schlechte Akzeptanz der Rehabilitation.
Gegenstand der Präsentation wird die Gegenüberstellung der Ergebnisse der repräsentativen Befragung von Arbeitgebern, Betriebsräten und Arbeitnehmern sein. Relevante Vergleichsebenen sind Erfahrungen und Wertschätzung, Informiertheit und die Bewertung alternativer Reha-Modelle.
Wie organisieren Arbeitgeber betriebliches Eingliederungsmanagement
und welche Hilfe erwarten sie von Rehabilitationsträgern?
Lawall, Ch., Lewerenz, M.
Deutsche Rentenversicherung Bund
Die Ausgangssituation
Arbeitgeber sind gemäß § 84 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu betrieblichem Eingliederungsmanagement verpflichtet. Um die Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern mit längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten zu sichern, müssen Arbeitgeber ein Frühwarnsystem und ein konkretes Maßnahmespektrum entwickeln. Ebenfalls ist die Unterstützung
durch die Rehabilitationsträger Bestandteil des Betrieblichen Eingliederungsmanagements.
Das Modellprojekt: Anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung
Die Deutsche Rentenversicherung Bund klärt mit einem eigenen Modellprojekt, in welchem
Umfang Arbeitgeber heute bereits betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen
und welche Hilfe sie von Rehabilitationsträgern dabei erwarten. In der Modellregion Teltow
und Berlin - Lichterfelde entwickelt die Deutsche Rentenversicherung Bund seit dem
01.04.2006 unter Beteiligung des trägereigenen Reha-Zentrums Seehof in Teltow ein aufsuchendes und niederschwelliges Beratungsangebot für Arbeitgeber, ein Assessmentverfahren zur Diagnostik von Fähigkeitsstörungen in Anlehnung an die Internationale Klassifikation
der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) sowie einen Konsiliarservice für
niedergelassene Haus- und Fachärzte. Im Rahmen der Arbeitgeberkontakte werden Bekanntheit, Akzeptanz und Verbreitung von Eingliederungsmanagement in den Betrieben, die
häufigsten Probleme bei Ein- und Durchführung sowie der Beratungsbedarf durch standardisierte Interviews erhoben. Das Modellprojekt ist auf ein Jahr befristet und wird durch den
Europäischen Sozialfond im Rahmen der Initiative „job - Jobs ohne Barrieren“ finanziell gefördert.
Die Modellregion
Die Modellregion besteht aus Teilen der Stadt Teltow (Land Brandenburg, Landkreis Potsdam-Mittelmark) sowie dem Gewerbegebiet in Berlin/Lichterfelde Ost. In der Modellregion
befinden sich etwa 400 Arbeitgeber mit etwa 5.000 Beschäftigten aus allen Branchen und
Wirtschaftszweigen (private Dienstleister, Groß- und Einzelhandel, Handwerk, produzierendes Gewerbe, öffentliche Verwaltung) sowie unterschiedlichen Betriebsgrößen (Handwerksbetriebe mit nur wenigen Arbeitnehmern, Produktionsbetriebe mit hoher Beschäftigtenzahl).
274
Befragung der Arbeitgeber durch standardisierte Interviews
Zwei Mitarbeiterinnen der Deutschen Rentenversicherung Bund befragen die Arbeitgeber
der Modellregion in standardisierten Interviews zur Betriebs- und Beschäftigtenstruktur, zu
bereits existierenden Unterstützungssystemen, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten im Betrieb, zum
betrieblichen Eingliederungsmanagement, zu betrieblicher Gesundheitsförderung, zu Erfahrungen mit Rehabilitation und zu aktuellem oder künftige Fachkräftemangel.
Einige vorläufige Ergebnisse im Überblick
Wirtschafts-, Betriebs- und Beschäftigtenstruktur
Die Wirtschaftstruktur der Modellregion weist einige Unterschiede, aber auch deutliche Parallelen im Hinblick auf Betriebsgrößen, Branchenverteilung, Beschäftigtenanzahl, Durchschnittsalter der Belegschaften und bestimmte betriebliche Belastungsfaktoren im Vergleich
zur Wirtschaftstruktur der gesamten Bundesrepublik Deutschland auf. Kleine und mittlere
Unternehmen dominieren das Bild. Etwa 75 % der befragten Arbeitgeber beschäftigen weniger als 50 Arbeitnehmer.
Bereits existierende Unterstützungssysteme
Die wenigsten Arbeitgeber können heute schon auf die innerbetrieblichen Strukturen oder
Akteure zurückgreifen, die der Gesetzgeber in § 84 Abs. 2 SGB IX genannt hat. Nur etwa
ein Viertel der Arbeitgeber verfügt überhaupt über eine Arbeitnehmervertretung, nur bei jedem achten Arbeitgeber ist eine Schwerbehindertenvertretung, ein Betriebs- oder Werksarzt
im Betrieb vorhanden.
Einschätzungen der Arbeitgeber zu Betrieblichem Eingliederungsmanagement
Betriebliches Eingliederungsmanagement ist noch kaum verbreitet. Mehr als die Hälfte der
befragten Arbeitgeber sieht keinen Bedarf dafür oder hat Vorbehalte gegen eine Einführung
wegen der Betriebsgröße oder wegen fehlender Kompetenz im Unternehmen, vereinzelt
auch aus Kostengründen.
Die Bedeutung der vom Gesetzgeber genannten Akteure für den Erfolg eines betrieblichen
Eingliederungsmanagements wird von den befragten Arbeitgebern sehr zurückhaltend
bewertet. Weniger als ein Drittel der Arbeitgeber halten eine Beteiligung der Arbeitnehmeroder Schwerbehindertenvertretungen für unverzichtbar oder wichtig. Ein bedeutenderer
Erfolgsfaktor ist aus Sicht der Arbeitgeber ein vertrauensvolles Klima zwischen den
Mitarbeitern selbst, im Verhältnis zu den unmittelbaren Vorgesetzten und zur Betriebs- oder
Geschäftsleitung. Jeweils mehr als 90 % halten das für unverzichtbar oder wichtig.
Deutlich mehr als 80 % der Arbeitgeber halten ein frühzeitiges Ansprechen arbeitsunfähiger
Mitarbeiter für unverzichtbar oder wichtig, aber nur etwa ein Drittel tut das auch innerhalb
der ersten Woche nach Eintritt der AU. Der unmittelbare Vorgesetzte ist aus Sicht der befragten Arbeitgeber dafür am ehesten geeignet.
Erwartungen an die Rehabilitationsträger
Etwa 80 % der befragten Arbeitgeber halten eine persönliche Beratung vor und während der
Einführung von betrieblichem Eingliederungsmanagement sowie bei der konkreten Eingliederung eines kranken Mitarbeiters für unverzichtbar oder wichtig. Etwas weniger hoch wird
275
die Bedeutung von schriftlichem Informationsmaterial oder geeigneten Informationen im Internet eingeschätzt.
Die Arbeitgeber billigen dabei den Rehabilitationsträgern hohe Kompetenz bei der Unterstützung ihres Eingliederungsmanagement zu. Die Mitarbeiter der Kranken-, Renten- und
der Unfallversicherung oder der Integrationsämter werden mit jeweils etwa 60 % als in jedem Fall oder überwiegend geeignet beurteilt.
Finanzielle Anreize im Sinn von § 84 Abs. 3 SGB IX sind dagegen von eher untergeordneter
Bedeutung. Fast 60 % halten sie für nicht so wichtig oder völlig unbedeutend.
Zusammenfassung und vorläufige Bewertung
Die Befragungsergebnisse vermitteln ein realistisches Bild der betrieblichen Situation in
Deutschland und machen den Bedarf für und die Anforderungen an effektive Beratung und
konkrete Hilfe durch die Reha-Träger deutlich.
Vor allem größere Arbeitgeber verfügen oft bereits über betriebliche Unterstützungssysteme, die die Eingliederung von Mitarbeitern erleichtern. In kleineren und mittleren Unternehmen finden sich dagegen derartige Unterstützungssysteme noch sehr selten, entsprechende
Kompetenzen sind aufgrund der kleinen Betriebsgrößen bisher kaum vorhanden. Gerade
diese Unternehmen sind auf professionelle Beratung am ehesten angewiesen.
Literatur
Balders, Lepping (2005): Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX,
NZA, 854.
Magin, Schnetter (2005): Die Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements Erste Erfahrungen in der Praxis, BehindertenR, 52.
Feldes (2004): Rehabilitation vor Entlassung, SozSich, 270.
Mehrhoff (2005): Betriebliches Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX - Neuland für
Betrieb und soziale Versicherungen, BG, 329.
Reha-/Case Management Support der Fachklinik im betrieblichen Eingliederungsmanagement
Maier, J., Riedl, G.
Fachklinik Enzensberg, Hopfen am See
Hintergrund
Die Praxis zeigt, dass im betrieblichen Eingliederungsmanagement komplizierte Fälle individuelle Lösungen brauchen. Hier setzt der Bereich "Reha-/Case Management Support“ der
Fachklinik Enzensberg an und bietet Betrieben sowie Leistungsträgern (Sozialversicherungsträger wie z. B. Berufsgenossenschaften und Deutsche Rentenversicherung) Unterstützung an, unter Nutzung flexibler Netzwerkressourcen die Situationsanalyse mit Leistungsdiagnostik durchzuführen, das Rehapotential zu ermitteln und passgenaue betriebliche
Einsatzmöglichkeiten zu erarbeiten.
276
Besonders vorteilhaft ist hierbei die Bündelung medizinisch-therapeutischer Fachkompetenzen - bei sozial- und arbeitsmedizinischem Schwerpunkt - und sozialpädagogischer Kompetenzen der Rehaberatung, mit Einbindung bestehender Regionalstrukturen im flexiblen
Netzwerk. Hierzu zählen unter anderen medizinischen Facheinrichtungen berufliche Bildungseinrichtungen, Betriebe, Fahrschulen und der Technische Überwachungsverein
(TÜV).
Ein aus Medizin und Klinischer Sozialarbeit/Rehaberatung - Disability Manager (CDMP =
Certified Disability Management Professional) besetztes Kernteam leitet und koordiniert den
übernommenen Auftrag und stellt das individuell erforderliche Programm zusammen.
Methodik
Die Personen dieser Studie durchliefen im untersuchten Reha-/Case Management Programm eine fallbezogene Situationsanalyse und Leistungsdiagnostik mit Rehapotentialermittlung unter Berücksichtigung der Arbeitsanforderungen und unter Einschluss individuell
erforderlicher Fachdisziplinen im Netzwerk - z. B. Amputationssprechstunde, EFL-Testung
(= Evaluation arbeitsbezogener funktioneller Leistungsfähigkeit), neuropsychologische Testung, Fahreignungsbegutachtung, schmerztherapeutisches Konsil.
Das Reha-/Case Management Programm wurde hinsichtlich der Aspekte „Patientenzufriedenheit“ und „Verbleib nach der Maßnahme“ in einem 12-Monats-Follow up bei 62 unfallverletzten Personen evaluiert. Die Teilnehmer waren zu 74 % männlich, 17 bis 66 Jahre alt.
Alle standen vor dem Unfall im Erwerbsleben und waren vor Beginn des Verfahrens zu 58 %
längerfristig wegen der Unfallfolgen arbeitsunfähig.
Ergebnisse
Aus dieser Problemgruppe konnten 19 % zum Zeitpunkt der Befragung wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen, weitere 14 % befanden sich in einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme und 22 % hatten eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen bekommen. Für
die Mehrheit dieser schwerstbetroffenen Personengruppe hatte sich der Erwerbsstatus
durch das Reha-/Case-Verfahren also verbessert oder zumindest geklärt. Entsprechend
hoch war ihre Zufriedenheit mit dem Programmablauf und -ergebnis (36 % „hervorragend“,
43 % „gut“, 11 % „teils/teils“, 10 % kein Urteil). Die empfohlenen Maßnahmen hielten 58 %
der befragten Personen für „eindeutig richtig“, 31 % für „im Allgemeinen richtig“ und nur 5 %
als „eigentlich nicht zutreffend“.
Diskussion
Versicherte und Leistungsträger erhalten durch das beschriebene Verfahren individuell zugeschnittene und neutrale Empfehlungen zu erforderlichen weiterführenden Maßnahmen
und einen zeitnahen Zugang zu fallbezogenen relevanten Informationen. Die Stärken des
Versicherten werden als Basis eines ressourcenorientierten Prozesses unter Berücksichtigung individueller Arbeitsanforderungen klar herausgearbeitet, mit gezielter Zusammenarbeit im flexiblen Netzwerk.
Fazit
Wie der Name „Reha-/Case Management Support“ deutlich macht, unterstützt dieser innovative Bereich das Rehamanagement der Leistungsträger für Versicherte mit komplexen,
chronifizierten Krankheitsverläufen und Unfallfolgen. Die Betonung liegt auf fallbezogener,
277
individueller Beratung und Betreuung in einem flexiblen, unabhängigen Netzwerk. Dadurch
kann das Verfahren zeitlich komprimiert, kontinuierlich und mit den im individuellen Fall optimierten Leistungen erfolgen - zum Nutzen aller Beteiligten.
Literatur
Haase, I., Riedl, G., Birkholz, L.B., Schaefer, A., Zellner, M. (2002): Verzahnung von medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration. ASU 37, 7, 331-335.
Mehrhoff, F., Schönle, P.W. (2005): Betriebliches Eingliederungsmanagement. Interdisziplinäre Schriften zur Rehabilitation, Gentner Verlag, Stuttgart.
Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement der SZST - Ein
innovatives Reha-Konzept für ältere Arbeitnehmer
Trowitzsch, L. (1), Büttner, S. (2), Fondahl, U. (4), Herbold, D. (2), Koch, B. (3),
Leineweber, B. (5)
(1) Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Paracelsus-Kliniken (IfAS), Bad Gandersheim,
(2) Paracelsus-Klinik an der Gande (PKadG), (3) SZST Arbeitsmedizin Salzgitter Service
und Technik GmbH, (4) GKV-Center Braunschweig, (5) BKK Salzgitter
Hintergrund
Aufbauend auf den bisherigen positiven Erfahrungen zur Medizinisch-Beruflich-Orientierten
Rehabilitation (MBOR) in der Medizinischen Rehabilitation (Müller-Fahrnow et al., 2006) und
den eigenen Erfahrungen mit Berufsorientierungen leistungsgewandelter Arbeitnehmer (AN)
(Trowitzsch et al., 2006) entwickelte das IfAS der PKadG mit den leitenden Ärztinnen der
Klinik ein Programm für ein professionelles Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement
(BWEM) für mittlere und große Betriebe. Bisher wurden Leistungen zur medizinischen oder
beruflichen Rehabilitation zu spät eingeleitet oder aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes
zu gering nachgefragt (Weber, 1999). Ziel des Projektes ist es, langzeiterkrankten, älteren
AN durch institutionelle Vernetzung frühzeitig sämtliche sozialmedizinischen und rehabilitativen Leistungen zukommen zu lassen, um Chronifizierungen und Ausgliederungen aus dem
Betrieb zu verhindern. Als zentrales Element nutzen wir den arbeitsmedizinischen Abgleich
der körperbezogenen Leistungsfähigkeit mit dem arbeitsplatzbezogenen Anforderungsprofil
über die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) nach S. Isernhagen. Konzentrative und kognitive Fähigkeiten werden durch psychologische Exploration und psychometrische Testungen geklärt und ein ganzheitliches Fähigkeitsprofil erstellt. In einem gemeinsamen Projektmanagement, unter Federführung der BKK Salzgitter und weiterer Beteiligung der Betriebsärzte der Salzgitter AG, den Personalabteilungen der Konzernbetriebe
der Salzgitter AG sowie dem MDK entwickelte sich ein innovatives Pilotprojekt zur frühzeitigen Erfassung arbeitsbezogener Problemlagen langzeitarbeitsunfähiger AN. Nach Festlegung von Zielkriterien, Prozessabläufen, Verfahrenskosten, Qualitätssicherung und mehrfachen Betriebs- und Klinikbesichtigungen, kam es nach ½-jähriger Projektplanung am
01.10.2005 zur schriftlichen Kooperationsvereinbarung aller Beteiligten. Seither läuft das
Projekt erfolgreich und ohne Korrekturen.
278
Zielgruppe
Der Kern des Projekts stellt eine Win-Win-Situation aller Beteiligten dar. Zielgruppe sind AN
mit Erkrankungen aus dem orthopädischen oder traumatologischen Sektor, mit oder ohne
psychosomatische Begleitererkrankungen. AN werden bei Erfüllung der Kriterien nach
§ 84,2 SGB IX direkt vom Fall-Manager der BKK Salzgitter auf die Teilnahme am BWEMProjekt angesprochen. Die Teilnahme ist absolut freiwillig. Kostenträger des fünftägigen stationären Aufenthalts in der Klinik ist die BKK Salzgitter. AN, Personalabteilung oder Betriebsarzt können ebenfalls ein BWEM anregen.
Interventionen bzw. Reha-Prozess
Die Klinikanmeldung erfolgt über den Fall-Manager der BKK Salzgitter mit gleichzeitiger Information des Haus- und behandelnden Facharztes, mit der Bitte um Übermittlung aktueller
OP-Berichte und Überlassung von MRT- oder CT-Bildern. Parallel hierzu leiten die Betriebsärzte die Arbeitsplatzprofile über Videodokumentation an die Klinik weiter. Zentraler
Bestandteil des BWEM ist der zweitägige EFL-Test in Kombination mit dem PACT-Test.
Psychologische Exploration, orthopädische, internistische und sozialmedizinische Begutachtungen werden fachärztlicherseits erhoben und fließen in die Gesamtbewertung mit ein. Ein
komplettes Laborscreening wird zur Präventionsberatung eingeleitet. Sozial- und ergotherapeutische Beratungen, Einführungen in die Bewegungskompetenz, Entspannungstherapieverfahren und Einführung in die Medizinische Trainingstherapie zeigen dem AN Möglichkeiten der weiteren Behandlungsstrategien auf. Die abschließende Stellungnahme vermittelt
dem AN, den Betriebsärzten sowie den beteiligten Haus- und Fachärzten umgehend das
Bild der aktuellen und langfristigen Leistungsfähigkeit, zeigt ein klares Profil der weiteren
Einsatzfähigkeit im Betrieb auf und unterstützt den AN in der Einforderung seiner Rechte in
unserem sozialen Sicherungssystem, wobei das BWEM nachhaltig auch die Rechtsprechung im Falle einer Kündigung beeinflussen wird. Folgende Assessmentverfahren kommen
zum Einsatz: IRES II, AVEM, Mini DIPS, BDI, d2- Test, MPSS, FABQ, EFL- und PACT-Test,
EFL-spezifische Arbeitplatzanalyse. Betriebsärzte, Haus- und Fachärzte und der MDK erhalten umgehend den kompletten E-Bericht und das EFL-Fähigkeitsprofil zur weiteren beruflichen Reintegration. Bei erforderlich gesehener, stationärer Rehabilitation oder bei notwendiger Einleitung von beruflichen Reha-Maßnahmen ist 4 Tage später die Einbeziehung des
MDK vorgesehen. Die BKK Salzgitter erhält nur die diagnosebezogenen Empfehlungen zum
BWEM. Konzernintern erfolgt unter Leitung der Betriebsärzte die Umsetzung der vom AN
mitgetragenen und unterschriebenen Integrationsempfehlung.
Inanspruchnahme und Akzeptanz
Bisher wurden 12 leistungsgewandelte Mitarbeiter der Konzernbetriebe der Salzgitter AG in
das BWEM integriert. Die AU-Zeiten lagen derzeit im Mittel bei 88,6 Tagen, das mittlere Lebensalter bei 42 Jahren (Range 31 bis 56 Jahre). Trotz der frühen Intervention konnten bei
2/3 der Werksmitarbeiter mittels EFL-Test im Vergleich zum PACT-Test schon erste Chronifizierungszeichen gefunden werden. Ein Drittel zeigte im MPSS ein Schmerzchronifizierungs-Stadium II. Bei drei Patienten lag eine deutliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor,
die zur umgehenden Einleitung stationären Reha-Maßnahmen führte. Zwei Patienten wiesen ein spannungsreiches, kritisches Arbeitsverhältnis auf, mit der Empfehlung, eine psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen. Drei Mitarbeiter benötigten eine innerbetrieb279
liche Umsetzung, bzw. LTA-Leistungen. Die übrigen konnten unter stufenweiser Wiedereingliederung und MTT-Training in der konzerneigenen MTT der SZST GmbH oder über sofortige Arbeitsfähigkeit an den alten Arbeitsplatz entlassen werden. Erreichte Zielkriterien wie
Erhalt des Arbeitsplatzes, IRES II-Daten zum Aufnahmezeitpunkt = t0 und 6 Monate später
= t1, Daten der weiteren Assessments sowie Fragen zur Akzeptanz des Verfahrens durch
den AN, den Betriebsarzt und die BKK werden berichtet.
Diskussion
Nach Hüppe und Raspe lagen bis 2003 nur sehr wenige Studien mit der nötigen methodischen Qualität im deutschsprachigen Raum vor, die eine Evidenz berufsbezogener Rehabilitationsmaßnahmen belegen konnten. Streibelt et al. (2006) und anderen gelang es jetzt
erstmalig in randomisiertem Studiendesign, langfristige positive Effekte berufsbezogener
Strategien bei arbeitsbelasteten Patienten unter Einbeziehung der EFL-Testung zu belegen.
Unser Pilotprojekt untersucht eine Machbarkeitsstudie, das dargestellte Konzept von MBOR
auf einen noch früheren Zeitpunkt in den laufenden Arbeitsbetrieb zu übertragen, um Inaktivitäten und Chronifizierungserscheinungen während der Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden,
soziale Kompetenzen bei den Betroffenen zu steigern und sämtliche erforderlichen arbeitsplatzbezogenen, sozialmedizinischen und rehabilitativen Strategien, insbesondere bei älteren AN, frühzeitig in die Wege zu leiten. Die bisherigen Daten scheinen eine hohe Effizienz
und Effektivität dieses Konzepts zu belegen. Die Übertragbarkeit dieses Konzeptes auf
Klein- und Mittelbetriebe mit Unterstützung der BKK Salzgitter ist vollauf gegeben und geplant.
Literatur
Müller-Fahrnow, W. et al. (2006): Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich
orientierten Rehabilitation. Assessments-Interventionen-Ergebnisse. Pabst Science Publishers, Lengerich.
Weber, A., Weber, U., Raspe, H. (1999): Medizinische Rehabilitation bei Langzeitarbeitsunfähigkeit. Rehabilitation 38:220-226.
Trowitzsch, L. et al. (2006): “Who returns to work?“ 2-Jahresergebnisse nach berufsorientierenden Maßnahmen im BFW Goslar (1998-2001). Neue Konzeption von MBOR in den
drei Paracelsus-Kliniken Bad Gandersheim. In: Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Hrsg.: Müller-Fahrnow, W, Pabst Science
Publishers, Lengerich.
Streibelt, M. et al. (2006): Verbesserungen der Aktivitäten und beruflichen Teilhabe durch
ein EFL-zentriertes MBO-Modell in der MSK-Rehabilitation: Mittelfristige Ergebnisse einer
randomisierten Studie. In: Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Hrsg.: Müller-Fahrnow, W., Pabst Science Publishers, Lengerich.
280
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 1
Berufliche Rehabilitation in Deutschland im Spannungsfeld der
Sozialgesetzbücher II, III und IX
Rauch, A., Dornette, J.
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit
Hintergrund
Das Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches (SGB) II am 01.01.2005 brachte umfangreiche
Änderungen des Arbeitsmarktgeschehens in Deutschland mit sich. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und der damit einhergehenden Umstellung des Hilfesystems erfolgte auch eine Umstrukturierung auf organisationaler und administrativer Ebene. Neben der Reorganisation der Bundesagentur für Arbeit wurden neue lokale Betreuungseinrichtungen in Form von Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) und zugelassenen kommunalen Trägern eingerichtet. Parallel dazu wurden neue Verfahrensweisen und ebenfalls
neue Instrumente einer „aktiven/aktivierenden“ Arbeitsmarkt- bzw. Wiedereingliederungspolitik bereitgestellt. Der Grundsatz der Förderns und Forderns wurde dabei in den Vordergrund gestellt. Diese Umstrukturierung hat auch Auswirkungen auf die berufliche Rehabilitation. Nun wird die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe behinderter und von Behinderung
bedrohter Menschen in drei Sozialgesetzbüchern: II, III und IX geregelt. Die Rehabilitationsträgerschaft für SGB II-Klienten liegt bei der BA, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Rahmen des § 6 SGB IX zuständig ist. Die BA ist somit für eine einheitliche Steuerung der Rehabilitationsprozesse und -verfahren verantwortlich. Die zugelassenen kommunalen Träger und Arbeitsgemeinschaften sind hingegen zuständig für die Leistungserbringung nach § 16 SGB II in Verbindung mit § 22 Absatz 4 SGB III sowie verantwortlich für die
berufliche Integration.
Zielsetzung und Methodik
Welche Folgen sich im Bereich der beruflichen Rehabilitation durch die Einführung des
SGB II ergeben, ist eine offene empirische Frage. Im Auftrag des IAB wurde von der Universität Halle-Wittenberg eine qualitative Implementationsstudie durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie erfolgte mittels Experteninterviews eine detaillierte Untersuchung der Konsequenzen des Inkrafttretens des SGB II und den daraus folgenden Auswirkungen auf die
Förderpraxis im Rahmen der beruflichen Rehabilitation. Es wurden Vermittler und persönliche Ansprechpartner in 31 Arbeitsagenturen, ARGEn und zugelassenen kommunalen Trägern interviewt. In den Interviews wurden besonders die alltäglichen Arbeitsroutinen hinsichtlich der Identifizierung von und des Umgangs mit potentiellen Rehabilitanden bzw. die
Regelmäßigkeiten hinter den Entscheidungsprozessen für oder gegen berufliche Rehabilitation thematisiert. Zusätzlich wurde nach Erklärungen für den, vor allem seit 2004 erfolgten,
drastischen Rückgang von Maßnahmen der beruflichen Wiedereingliederung gesucht. Ein
weiteres Anliegen der Studie war die Wahrnehmung der Sozialstaatsreform durch die Vermittler und ihre Bewertung der Auswirkungen dieser Reform für die berufliche Rehabilitation.
281
Ergebnisse
Es zeigt sich, dass die Umstrukturierung des Hilfesystems zu großen Schwierigkeiten, v. a.
im Bereich der beruflichen Rehabilitation geführt hat. So waren Kommunikationswege zwischen den „alten“ und„neuen“ Vermittlungsinstitutionen nur gering ausgeprägt. Die oft neu in
der Materie befindlichen Vermittler in den ARGEn und Kommunen hatten zudem mit Wissensdefiziten hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen und daraus resultierenden Startschwierigkeiten bei der Identifizierung von potentiellen Rehabilitanden zu kämpfen. Aber
auch weitere Faktoren konterkarieren die Idee von Aktivierung und Arbeitsmarktintegration
des SGB II: Finanzielle Einschränkungen limitieren die Wahlmöglichkeiten von Vermittlern.
Dazu kommt eine Implementierung von Controllingsystemen, die durch die Konzentration
auf die Effizienz von Maßnahmen eine zunehmende Selektivität in der Allokation von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bewirkt.
In Konsequenz dessen war und ist das System der beruflichen Rehabilitation weitreichenden Veränderungen ausgesetzt. Dabei stellen diese offenbar kein vorübergehendes Symptom der Implementierungsphase des SGB II dar, sondern ein sich verfestigendes strukturelles Phänomen, das weiterhin Auswirkungen auf die berufliche Rehabilitation und in Folge
auf die weitere Arbeitsmarktintegration haben wird.
Das Aachener Profilmodul: Eine Analyse der prognostischen Validität
Schulze, S.E., Hofmann, I., Spijkers, W.
RWTH-Aachen, Institut für Psychologie; Berufliche Rehabilitation
Hintergrund
Die Qualität der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben muss umfassend und strukturiert
bewertet werden, damit diese möglichst kostengünstig und effizient eingesetzt werden. Es
ist empfehlenswert, über die Ergebnis- und Strukturqualität hinaus auch die Prozessqualität
zu dokumentieren, da nur so eine umfassende Gesamtbeurteilung der Leistungen erfolgen
kann. Zur Erfassung der Prozessqualität wurde ein Verfahren namens „Profilmodul“ (ProMo)
am Aachener Institut für Psychologie entwickelt. Dieses Verfahren bildet den individuellen
Rehabilitationsverlauf der Leistungsberechtigten in einem BFW transparent ab. Der ProMo
erfasst interdisziplinär die individuellen und ausbildungsbezogenen Aspekte der Leistungsberechtigten. Dies umfasst beispielsweise die Schlüsselqualifikationen, die disziplinären
Probleme und die soziale Situation. In vorangegangenen Studien wurden sehr hohe Reliabilitäts- und Validitätskennwerte nachgewiesen. Die Reliabilität wird anhand der Interraterübereinstimmung bestimmt, diese liegt zwischen r=0,63 und r=0,98. Für eine hohe Validität des Verfahrens sprechen die signifikanten Unterschiede in den ProMo-Beurteilungen
zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Leistungsberechtigten. Die prognostische
Validität ist unbedingt erforderlich, um Komplikationen im Reha-Verlauf schon frühzeitig aufzeigen zu können.
282
Methodik und Stichprobe
Das Verfahren wurde im Rahmen einer fortlaufenden Studie in zwei verschiedenen Berufsförderungswerken und in jeweils vier verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen erprobt.
Die Leistungsberechtigten der jeweiligen Qualifizierungsmaßnahmen wurden von den RehaTeams über ein halbes Jahr hinweg dreimal anhand des ProMos beurteilt. Im BFW „A“ wurden 71 und im BFW „B“ 96 Leistungsberechtigte beurteilt. Von den beurteilten Leistungsberechtigten waren 43 weiblich und 124 männlich. Der Altersdurchschnitt lag bei 33 Jahren. 34
der Leistungsberechtigten haben die Maßnahme nicht regulär beendet, dies entspricht 20 %
der Stichprobe. Weiterhin wurde zwischen End- (N= 72) und Anfangskursen (N= 95) unterschieden, wobei in jedem BFW zwei Anfangs- und zwei Endkurse vertreten waren.
Ergebnisse
Die Retest-Reliabilität wird mittels der Rangkorrelation nach Spearman’s Rho berechnet und
liegt zwischen 0,67 (Skala 8: aktuelles körperliches Befinden) und 1,0 (Skala 7: gesundheitsbewusstes Verhalten). Des Weiteren wurde für die Anfangs- und Endkurse getrennt die
Retest-Reliabilität berechnet, um zu untersuchen, ob die Beurteilung zu Anfang der Maßnahme die gleiche Zuverlässigkeit besitzt wie zum Ende der Maßnahme. Die Korrelationskoeffizienten der Anfangskurse liegen zwischen 0,56 und 0,98, die der Endkurse sind etwas
höher, sie liegen zwischen 0,86 und 1,0.
Die Profile der erfolgreichen Leistungsberechtigten unterscheiden sich signifikant auf jeder
Skala von den nicht erfolgreichen Leistungsberechtigten (s. Abb.1).
Abb. 1: Durchschnittliche Beurteilungswerte der erfolgreichen und nicht erfolgreichen (DropOuts) Leistungsberechtigten
Diskussion
Die Retest-Reliabilität der Anfangskurse liegt deutlich unter der Retest-Reliabilität der Endkurse. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sich die Leistungsberechtigten zu Beginn der
Maßnahme stärker ändern als zum Ende der Maßnahme. Oder die Beurteilungen der Leistungsberechtigten werden zuverlässiger, je besser die Reha-Teams die Leistungsberechtigten kennen. Die Überprüfung der Validität ergab, dass objektiv unterschiedliche RehaVerläufe auch objektiv unterschiedlich im ProMo beurteilt werden.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der fortlaufenden Untersuchung zeigen, dass das Profilmodul die psychometrischen Gütekriterien erfüllt. Es ist objektiv, reliabel und valide und kann daher zu Qualitätssicherungszwecken eingesetzt werden. Das Profilmodul gewährleistet ein wahrheitsge283
treues Abbild der Prozessqualität, damit ist die Basis für einen Vergleich zwischen verschiedenen Einrichtungen und Personen gegeben.
Literatur
Amelang, M., Zielinksi, W. (2002): Psychologische Diagnostik und Intervention. Berlin:
Springer.
Bengel, J., Koch, U. (2000): Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften - Themen, Strategien und Methoden der Rehabilitationsforschung. Berlin: Springer.
Hofmann, I. (2003): Evaluation eines Qualitätssicherungsinstruments - Der individuelle Förder - und Integrationsplan mit dem Außenkriterium Prüfungsergebnisse. Unveröffentlichte
Diplomarbeit, RWTH-Aachen.
Schulze, S.E. (2003): Evaluation eines Qualitätssicherungsinstruments - Der individuelle
Förder-und Integrationsplan mit dem Außenkriterium Abbruch. Unveröffentlichte Diplomarbeit, RWTH-Aachen.
Schulze, S.E. (2006): Das Aachener Modell zur Qualitätssicherung und Dokumentation. Die
Entwicklung und Evaluation von Instrumenten zur Erfassung und Sicherung der Prozessqualität in der beruflichen Rehabilitation. Dissertation, RWTH-Aachen.
Das Aachener Praktikumsmodul - Erste Untersuchungsergebnisse
Spijkers, W., Hofmann, I., Schulze, S.E.
RWTH-Aachen, Institut für Psychologie; Berufliche Rehabilitation
Hintergrund
Für die Qualitätssicherung in Berufsförderungswerken wurde an der RWTH Aachen bereits
das Profilmodul (ProMo) entwickelt, welches den individuellen Reha-Verlauf transparent und
standardisiert abbildet. Der ProMo deckt jedoch nicht die Dokumentation der Praktika ab.
Die Praktikumsbesuche werden bislang, trotz der Relevanz der Praktika im Hinblick auf die
berufliche Integration, nicht standardisiert dokumentiert. Ohne eine standardisierte Dokumentation ist es nicht möglich, zwischen starken und schwachen Praktikanten eines BFWs
zu unterscheiden oder die Gründe hierfür zu erfragen. In Anlehnung an den ProMo wurde
das Praktikumsmodul (PraMo) an der RWTH Aachen entwickelt. Ziel des Verfahrens ist, das
Praktikum standardisiert und transparent zu dokumentieren und ergänzend zum ProMo einzusetzen. Bei der Konzeption musste darauf geachtet werden, dass die Instrumente vergleichbar sind. Eine einfache und bequeme Handhabung des PraMos erfordert, dass er als
Interviewleitfaden gestaltet wird, denn die Praktikumsbetreuer brauchen vor Ort eine standardisierte Strukturhilfe; gleichzeitig muss er jedoch ohne großen Erklärungsbedarf einzusetzen sein.
Inhalt und Struktur
Die unterschiedlichen Kategorien, die im PraMo beurteilt werden sollen, beziehen sich zum
einen auf die Schlüsselqualifikationen, die sich aus der sozialen, der personalen und der
methodischen Kompetenz zusammensetzen, zum anderen sollen arbeitsbezogene Kompetenzen beurteilt werden. Die insgesamt angedachten 22 Kategorien sollen mittels einer
284
sechsstufigen Punkteverteilung (1=optimal; 6=sehr schlecht) beurteilt werden. Die einzelnen
Kategorien werden im Interviewleitfaden anhand einer ausformulierten Frage operationalisiert, so dass der Praktikumsbetreuer direkt diese Frage stellen kann oder sie nur zur Verdeutlichung nutzen kann. Des Weiteren muss fixiert werden, ob der Leistungsberechtigte
eine Anstellung erhält oder nicht, und falls nicht, muss dies begründet werden.
Methodik
Das Praktikumsmodul wurde in drei verschiedenen Maßnahmen eines BFWs im Anschluss
an das Profilmodul erhoben. Es wurden 42 Leistungsberechtigte anhand des Praktikumsmoduls bewertet. Wenn das Praktikumsmodul das Praktikum tatsächlich transparent dokumentiert, müssen objektiv unterschiedliche Praktikumsverläufe sich auch im Praktikumsmodul unterschiedlich darstellen. Ein objektiver Unterschied ist, ob ein Leistungsberechtigter im
Anschluss an das Praktikum übernommen wird vs. dass er aufgrund von eigenem Verschulden nicht eingestellt wird (z. B. hohe Fehlzeiten).
Ergebnisse
Zur Überprüfung der Annahme, dass Unterschiede in der Realität auch Unterschiede im
Praktikumsmodul bedeuten, werden die Beurteilungen mittels des Kruskal-Wallis Tests analysiert. Auf allen vier Skalen des Praktikumsmoduls zeigen sich signifikante Unterschiede
zwischen den übernommenen und den nicht übernommenen Leistungsberechtigten. Die
übernommenen Leistungsberechtigten werden durchweg signifikant positiver bewertet.
Ausblick
In weiteren Untersuchungen muss geklärt werden, ob es möglich ist, kritische Kategorien
festzulegen, auf die im Praktikum besonderes Augenmerk gelegt werden soll. Weiterhin
stellt sich die Frage, ob PraMo in allen Qualifizierungsmaßnahmen Einsatz finden kann und
auch ob Kategorien ergänzt werden müssen. Diese Ansätze gilt es zu klären, damit ein einheitliches, standardisiertes Instrument zur Dokumentation des Praktikums entstehen kann
und damit im weiteren Sinne auch die Integration der Leistungsberechtigten gefördert werden kann.
Literatur
Hofmann, I., Schulze, S.E., Spijkers, W. (2004): Qualitätssicherung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Weiterentwicklung und Evaluation eines Qualitätssicherungsinstruments. Vortrag beim Trägerübergreifenden Seminar Qualitätssicherung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation vom 16.-18.11.2004 in Bad Seebruch.
Egle, F. (2001): Regionale Beschäftigungsinitiative zur Überwindung des "gespaltenen Arbeitsmarktes" in der Grafschaft Bentheim: Arbeitskräfte-und Qualifikationsbedarf, Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik, Nordhorn.
IAB Kurzbericht (2004): Entwicklung des Arbeitsmarktes im Jahr 2005; Ausgabe Nr. 17.
Nürnberg.
Tews, H.P. (1986): Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförderungswerke (Hrsg.Schulz, R.
und Seyd, W.) Abbrüche beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen in Berufsförderungswerken. Hamburg: Buchwerkstatt.
285
Schulze, S.E. (2006): Das Aachener Modell zur Qualitätssicherung und Dokumentation. Die
Entwicklung und Evaluation von Instrumenten zur Erfassung und Sicherung der Prozessqualität in der beruflichen Rehabilitation. Dissertation, RWTH-Aachen.
Wie beurteilen Rehabilitanden ihre berufliche Bildungsmaßnahme?
Lindow, B., Mitschele, A., Erbstößer, S.
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Hintergrund
Seit dem 1. Juli 2006 werden im Rahmen der Qualitätssicherung der Rentenversicherung
erstmalig kontinuierlich auch Rehabilitanden befragt, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben absolviert haben. Damit stehen Daten zur Zufriedenheit aus Rehabilitandensicht
als Quelle zur Optimierung der Ergebnisse von beruflichen Bildungsmaßnahmen zur Verfügung. Die Integrationserfolge der beruflichen Bildungsmaßnahmen stehen im Blickpunkt der
Politik und der Öffentlichkeit. An der Befragung beteiligen sich 11 Regionalträger und die
beiden Bundesträger. Schrittweise wird die Qualitätssicherung für den Bereich der Leistungen zur Teilhabe entsprechend der gesetzlichen Vorgaben (SGB IX) und der gemeinsamen
Erklärung Qualitätssicherung der BAR vom 1. Juli 2003 verwirklicht.
Der eingesetzte katamnestische Fragebogen zur Teilnehmerzufriedenheit und zu den Ergebnissen beruflicher Bildungsmaßnahmen wurde in einem Forschungsprojekt an der Humboldt-Universität Berlin entwickelt und empirisch getestet.
Der Fragebogen bildet sowohl Angaben zur Vorgeschichte und zur Antragstellung als auch
zur Durchführung der Maßnahme, zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung und zum
Erfolg der Maßnahme ab.
Fragestellung und Methode
Entsprechend der Bedeutung der seit dem 1. Juli 2006 durchgeführten Befragung fokussiert
der Beitrag auf folgende Fragestellungen:
Einerseits werden das Antwortverhalten und die Zufriedenheit in den angesprochenen vier
Bereichen empirisch anhand der Daten der katamnestischen Befragung untersucht. Darüber
hinaus wird vergleichend die Zufriedenheit der Teilnehmer in Abhängigkeit von Alter und
Geschlecht sowie in Abhängigkeit von der Maßnahmeart, dem Maßnahmeergebnis und dem
Integrationserfolg analysiert.
Ergebnisse
Rehabilitandenstruktur
Die Rehabilitanden werden bzgl. soziodemografischer Merkmale beschrieben. Derzeit liegen exemplarische Auswertungen für die im August 2006 von der Deutschen Rentenversicherung Bund befragten Teilnehmer vor (n=1323). In dieser Stichprobe findet sich eine Verteilung von 34 % Männer und 66 % Frauen. Der überwiegende Teil der Angeschriebenen
(67 %) war über 40 Jahre alt, 12 % über 50 Jahre. Zum Zeitpunkt des Kolloquiums werden
Auswertungen der gesamten Rentenversicherung vorliegen.
286
Antwortverhalten
Die Fragen zu den Bereichen Vorgeschichte, Durchführung der Maßnahme, Vermittlung und
Integration werden in unterschiedlicher Häufigkeit beantwortet. Die Darstellung bildet das
Antwortverhalten in Abhängigkeit von der Maßnahmeart ab.
Zufriedenheit
Mit der Einbeziehung bei der Auswahl der Bildungseinrichtung waren die Teilnehmer überwiegend zufrieden (Skala 1 bis 5, 1= sehr unzufrieden, 5= sehr zufrieden). 65 % waren zufrieden oder sehr zufrieden, 21 % eher nicht oder gar nicht zufrieden. Ungünstiger stellt sich
aus Sicht der Teilnehmer die Einbeziehung in die Planung der Ausbildungsschritte dar. 37 %
beurteilen dies als eher oder voll und ganz zutreffend, für 41 % traf diese Aussage eher
nicht oder überhaupt nicht zu. Bei der Vorbereitung der Rückkehr ins Erwerbsleben fühlen
sich die Befragten durch die Bildungseinrichtung unzureichend unterstützt. Nur bei 22 % trifft
dies eher oder voll und ganz zu, bei 60 % eher nicht oder überhaupt nicht.
Maßnahmeerfolg
Die Befragung wird 6 Monate nach Abschluss der Maßnahme durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt sind oder waren 46 % der Befragten in einem Beschäftigungsverhältnis, 60 % davon
mit einer Tätigkeit, die der neuen Qualifikation entspricht, 18 % im alten Berufsfeld und 22 %
in einem völlig neuen Aufgabenfeld.
Diskussion
Die Ergebnisse der Auswertungen werden in Abhängigkeit der ausgewählten Parameter
diskutiert. Inhaltliche und methodische Fragestellungen, die sich daraus für das eingesetzte
Instrument selbst und für die Rückmeldung der Ergebnisse an die Reha-Träger und die Einrichtungen ergeben, werden vorgestellt.
Literatur
Hansmeier, Th., Radoschewski, M. (2005): Qualitätssicherung bei Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben: Entwicklung eines Rehabilitandenfragebogens. In: Deutsche Angestellten Versicherung, Jg 52, Heft 8: 371-379.
Nutzen und Belastungen qualifizierender Maßnahmen zur Teilhabe am
Arbeitsleben aus Sicht der Teilnehmer
Beck, L., Mau, W.
Institut für Rehabilitationsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Hintergrund und Ziele
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) beruhen vor allem auf der festgestellten Behinderung und den vorhandenen individuellen Ressourcen bis zum Zeitpunkt der Maßnahmebewilligung (positives und negatives Leistungsbild bzw. Abgleich von persönlichem Fähigkeitsprofil und Anforderungsprofil). Spätere Veränderungen und Wechselwirkungen zwischen Gesundheitszustand und LTA werden allenfalls begrenzt berücksichtigt.
287
Deshalb werden die Teilnehmer an verschiedenen qualifizierende LTA mit dem Ziel der beruflichen Integration chronisch Kranker derzeit in Sachsen-Anhalt im Rahmen der EQUALEntwicklungspartnerschaft BIBER (Berufliche Integration von Menschen mit BEhindeRungen in Sachsen-Anhalt) durch ein systematisches Monitoring-Verfahren begleitet. Mit Orientierung an der ICF-Klassifikation werden Veränderungen bzw. Wechselwirkungen von
Merkmalen der Körperfunktion, Aktivität, Teilhabe und Kontextfaktoren inkl. der LTA differenziert untersucht. Für das frühzeitige Erkennen potentiell ungünstiger Verläufe im Einzelfall und ggf. notwendiger Interventionen werden körperliche und psychische Belastungen
sowie mögliche Ressourcen während der LTA analysiert sowie Empfehlungen zur Prozessoptimierung abgeleitet. Das Projekt und die Ergebnisse der ersten Maßnahme werden im
Folgenden dargestellt.
Probanden und Methoden
Untersucht wurden bisher 18 Teilnehmer (83 % Männer) einer achtmonatigen Integrationsmaßnahme im Alter von 43-54 Jahren mit überwiegend orthopädischen Erkrankungen. Diese wurden im Verlauf der Maßnahme insgesamt viermal befragt (Maßnahmebeginn (T1), am
Ende einer sechswöchigen Unterrichtsphase (T2), nach der Hälfte der Praktikumsphase
(T3) sowie am Ende der Maßnahme (T4). Erfasst wurden u.a. die Lebensqualität über den
SF-36 (Bullinger, Kirchberger, 1998), Aspekte der Krankheitsbelastung anhand verschiedener Skalen des IRES (Leonhart, Gerdes, 2005), die Depressivität mittels des CES-D (Kohlmann, Gerbershagen, 2005) und Tätigkeitsmerkmale anhand des SALSA (Rimann, Udris,
1997). Zusätzlich wurden spezifische Belastungs- und Erfolgskriterien aus Teilnehmersicht
erfragt.
Ergebnisse
Bei der standardisierten Erfassung von Merkmalen der körperlichen und psychischen Gesundheit im Verlauf ergaben sich über die Gesamtgruppe im Vergleich zu den zu T1 bestehenden Einschränkungen wenige signifikante Veränderungen (α = 0.05): Hervor sticht eine
verbesserte Krankheitsakzeptanz sowie eine höhere Zufriedenheit mit der Gesundheit während des Praktikums (p < 0.05). In dieser Phase zeigen sich außerdem eine höhere Zufriedenheit mit der beruflichen und der finanziellen Situation (p < 0.05).
Zu T2 und T3 wurde die Maßnahme von 35 % bzw. 53 % als körperlich anstrengend eingestuft. Eine Überlastung gaben 13 % (T2) bzw. 6 % (T3) und gesundheitliche Beeinträchtigung 12 % (T2) bzw. 18 % (T3) an. Allerdings wurden die gesamte Überlastung und Beeinträchtigung nicht als so gravierend beurteilt, dass eine Anpassung der LTA notwendig wurde.
In Freitextangaben bewerteten die Teilnehmer als besonders positiv u. a. die Betreuung
während der Maßnahme, die sozialen Kontakte bzw. das Arbeitsklima sowie bestimmte Unterrichtselemente (EDV, Recht) und Physiotherapie. Für Unterrichtselemente wurden teilweise noch Vertiefungswünsche benannt. Als negativ wurde dagegen z. B. die Arbeitsmarktsituation im Zusammenhang mit unsicheren Zukunftsaussichten beurteilt.
Alle Teilnehmer gaben am Ende der Maßnahme an, dass sie sich ggf. wieder für diese entscheiden würden; 93 % bewerteten sie mit gut oder sehr gut.
288
Diskussion und Ausblick
In standardisierten Verfahren zeigen sich für die Gesamtgruppe keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich der körperlichen und psychischen Gesundheit. Obwohl eine körperliche Anstrengung aus Sicht der Teilnehmer sowohl während des theoretischen Unterrichts
als auch während der praktischen Tätigkeit besteht, wird diese nur von wenigen als Belastung empfunden. Dies spricht i. d. R. für geeignete Zuweisung von Teilnehmern sowie eine
krankheitsgerechte Gestaltung der Maßnahme während der Theorie- und Praxisphase.
Positive Verläufe zeigen sich insbesondere während der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Praktikum hinsichtlich des Umgangs der Teilnehmer mit der eigenen Erkrankung. Die
Teilnehmer selbst heben auch psychosoziale Aspekte als Maßnahme-Gewinn hervor. Aufgrund der formulierten Vertiefungswünsche für bestimmte Unterrichtsinhalte scheint eine regelmäßige Einbindung der Teilnehmer bei der Planung des Unterrichtsverlaufs empfehlenswert.
In Kürze werden die Ergebnisse der begrenzten Stichprobe durch Daten von drei weiteren
qualifizierenden Maßnahmen bei Bildungsträgern in Sachsen-Anhalt ergänzt. Nach Abschluss der Maßnahmen sowie einer geplanten 3-Monats-Follw-up-Befragung werden vergleichende Analysen durchgeführt und die Stabilität der beschriebenen Verläufe überprüft.
Zusätzlich wird die Einschätzung der zuständigen Betreuer einbezogen.
Literatur
Bullinger, M., Kirchberger, I. (1998): SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand. Handanweisung. Hogrefe: Göttingen.
Kohlmann, Th., Gerbershagen, H.U. (2005): Center of Epidemiological Studies Depression
Scale (CES-D). Deutsche Version. Download unter http://www.drk-schmerzzentrum.de/documents/infos/pdf/CES-D.pdf.
Leonhart, R., Gerdes, N. (Hrsg.) (2005): Der IRES-Fragebogen in Theorie und Praxis. Regensburg: Roderer.
Rimann, M., Udris, I. (1997): Subjektive Arbeitsanalyse: Der Fragebogen SALSA. In O.
Strohm und E. Ulich, E. (Hrsg.), Unternehmen arbeitspsychologisch bewerten. Ein MehrEbenen-Ansatz unter besonderer Berücksichtigung von Mensch, Technik und Organisation (281-298). Zürich: vdf Hochschulverlag.
289
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 2
Individualisierung von Qualifizierungsprozessen im Rahmen einer
ganzheitlich gestalteten Rehabilitation
Griesbach, A. (1), Dücomy, J. (1), Spijkers, W. (1), Lüdtke, J. (2)
(1) RWTH Aachen, Institut für Psychologie, Berufliche Rehabilitation, (2) BFW
Michaelshoven in Köln, Qualifizierungscenter
Hintergrund der Untersuchung
Im Berufsförderungswerk Michaelshoven werden im Rahmen eines Modellprojekts Möglichkeiten zur Individualisierung von Qualifizierungsprozessen erprobt. Die wissenschaftliche
Begleitung und Qualitätssicherung des Projekts obliegen dem Lehrstuhl für Berufliche Rehabilitation der RWTH Aachen. Im Folgenden werden Methoden und erste Ergebnisse der
Evaluation dargestellt.
Methodik
Das Projekt gliedert sich in eine Pilotphase und eine Phase der Projektfortführung. Dabei
werden die Ziele „Subjektorientierung”, “Herstellung von Beschäftigungsfähigkeit bzw. Orientierung am Arbeitsmarkt”, „Effizienz“ und „Erhöhung der Qualität der Maßnahme“ verfolgt.
Diese Ziele werden auf Basis eines kombinierten Evaluationsmodells nach Donabedian
(1966) und Kirkpatrick (1977) auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisebene evaluiert.
Der individuelle Ansatz des Projekts spiegelt sich im einzelfalldiagnostischen Vorgehen wieder. Formative und summative Datenerhebungen erfolgen durch Teilnehmer- und Mitarbeiterwochenberichte, Interviews, standardisierte psychologische Instrumente und Dokumentationsanalyse.
Ergebnisse
Im Vergleich zum regulären Qualifizierungsverlauf unterscheidet sich die Qualifizierung der
Teilnehmer aus der Pilotphase (n=11) in vielerlei Hinsicht. Alle Teilnehmer profitieren von
sog. „Einzelcoachings“, in denen neben der Besprechung individueller Integrationsstrategien
auch Bewerbungstrainings und fachliche Nachhilfe erfolgen. Die Teilnehmer absolvieren
außerplanmäßige Praktika und können durch berufliches Vorwissen Qualifizierungseinheiten einsparen sowie Zusatzqualifikationen erwerben. Flexible Anwesenheitszeiten ermöglichen es auch erkrankten Teilnehmern, die Ausbildung fortzusetzen.
Die Teilnehmer schätzen die Erfüllung der Projektziele positiver ein, wenn praktische Anteile
in der Qualifizierung zunehmen oder Zusatzqualifikationen erworben werden können. Dieser
Trend lässt sich auch im Rahmen der Projektfortführung beobachten.
Anhand von Mitarbeiterwochenberichten werden anfallende Aufgaben und ihr zeitlicher
Aufwand dokumentiert. Die Projektmitarbeiter (n=4) sind während der Pilotphase für die
konzeptuelle Arbeit und die Betreuung der Projektteilnehmer außerhalb der Qualifizierung
(sog. „Reha-Management“) zuständig. Diese Betreuung beinhaltet „Teilnehmerkontakte“,
290
„Besprechungen“ und „Organisation/Dokumentation“ und beansprucht 3,2 Wochenstunden
pro Teilnehmer.
In der Projektfortführung werden 14 Teilnehmer zu Bürokaufleuten ausgebildet, davon 11
Teilnehmer mit flexiblen blended-learning-Anteilen. Bei der kontinuierlichen Einschätzung
der Projektziele durch die Teilnehmer liegt der Median der „Subjektorientierung“ sowie der
„Effizienz“ bei 3,5 (Skala von 1-6, wobei niedrige Werte positive Einschätzungen beschreiben). Die „Orientierung am Arbeitsmarkt“ wird mit einem Median von 3 bewertet. Im zeitlichen Verlauf zeichnen sich positive Tendenzen für „Subjektorientierung“ und „Effizienz“ ab.
Diskussion
Es wird nachgewiesen, dass innerhalb der BFW-Struktur individuelle und insbesondere verkürzte Qualifizierungsverläufe möglich sind. Mit steigendem Praxisanteil und Möglichkeiten
auf zusätzliche Qualifikationen werden die Projektziele positiver durch die Teilnehmer eingeschätzt. Zudem können krankheitsbedingte Abbrüche durch flexible Anwesenheitszeiten
verhindert werden.
Der größte Anteil des Arbeitsaufwands zur Teilnehmerbetreuung ergibt sich aus Dokumentation, Organisation und Mitarbeiterbesprechungen. Um effektiver zu arbeiten, wurde die
Steuerung des Projekts in seiner Fortführung umorganisiert und Schnittstellen eingespart.
Erste Ergebnisse zeigen, dass eine Integration in den Arbeitsalltag gelingt und der tatsächliche Arbeitsaufwand durchschnittlich kaum von den geplanten Stunden abweicht.
Ausblick
Neben der formativen Evaluation erfolgen abschließende Betrachtungen der Daten zur Sicherung der Ergebnisqualität. Weiterhin ermöglicht eine korrelative Betrachtung zwischen
Teilnehmermerkmalen und Erfolgsvariablen die Ermittlung von Prädiktoren und die Entwicklung eines entsprechendes Assessments für zukünftige individualisierte Qualifizierungswege.
Literatur
Donabedian, A. (1966): Evaluation the quality of medical care. Milbank Memorial Fund
Quarterly, 44, 166-203.
Kirkpatrick, D. (1977): Evaluating Training Programs: Evidence vs. Proof. Training and Development Journal, 9-12.
Prädiktoren der Integration in das Erwerbsleben von Teilnehmern der
stationären beruflichen Rehabilitation
Köster, T., Fehr, M., Slesina, W.
Sektion Medizinische Soziologie, Universität Halle-Wittenberg
Hintergrund und Fragestellung
Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (SGB IX) umfassen u.a. Umschulungen in Berufsförderungswerken (BFWn) für Menschen, die aufgrund einer Erkrankung/Behinderung
zu einer beruflichen Umorientierung gezwungen sind und hierfür der besonderen Hilfen ei291
nes BFW bedürfen (VDR 1997). Bislang konnten vor allem soziodemographische und arbeitsmarktbezogene Variablen, aber auch GdB und Ausbildungsberuf als Prädiktoren für die
berufliche Wiedereingliederung umgeschulter Rehabilitanden identifziert werden (Beiderwieden, 2001). Die vorliegende Studie zur Qualität beruflicher Reha-Maßnahmen untersucht
ein breites Merkmalsbündel als mögliche Prädiktoren der Integration in das Erwerbsleben
zum Zeitpunkt 12 Monate nach Umschulungsabschluss.
Methodik
Aus drei Berufsförderungswerken (alte und neue Bundesländer) wurden die Rehabilitanden
einbezogen, die im Sommer 2003 eine stationäre zweijährige Umschulung begonnen haben. Die Daten der schriftlichen Rehabilitandenbefragungen liegen für T1 (Reha-Beginn)
von n=380 und für T5 (1 Jahr nach Umschulungsende) von n=192 Rehabilitanden vor; 65
Teilnehmer waren bis Umschulungsende aus der laufenden Maßnahme ausgeschieden
(17,1 %). Die Prüfung zahlreicher Variablen ergab für die T5-Teilnehmer im Vergleich zu
den Nonrespondern (ohne Abbrecher) mehr ältere Rehabilitanden (>40 Jahre; p=.001),
mehr Verheiratete (p<.001) und weniger Alleinlebende (p=.011; Χ2-Test). Wie ferner aus der
Verlaufsanalyse T4/T5 hervor geht, unterscheiden sich die Responder und Nonresponder
bei T5 nicht in der Erwerbstätigkeitsquote zum Zeitpunkt T4 (6 Monate nach Umschulungsende).
Prädiziert wurde die Erwerbslosigkeit zu T5 anhand von Merkmalen der T1-Befragung (Reha-Beginn) mit der logistischen Regression. Bei der Variablenselektion richtete sich die Vorgehensweise nach dem Algorithmus von Muche et al. (2005). Indizes der Anpassungs- und
Prognosegüte liegen für das endgültige Modell vor, interne Validierungsverfahren wurden
durchgeführt.
Ergebnisse
Zum Zeitpunkt ein Jahr nach Reha standen 55,0 % (n=105) der Umschulungsabsolventen in
einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis.
Nach der Prüfung des univariaten Prognosewerts von 17 zu T1 erhobenen Merkmalen gingen 10 Variablen in das Prognosemodell ein; zu den Variablen, die nicht das Signifikanzniveau von p ≤ .3 erreichten, zählten u.a. der Familienstatus (Anzahl der Kinder, Form des
Zusammenlebens), der Grad der Behinderung und die Art der gesundheitlichen Einschränkung. Mittels Backward-Selektion wurden nacheinander die Merkmale Geschlecht (p=.785),
Unterbringung im BFW (Internat/Pendler; p=.347) und das Alter (p=.115) aus dem Prognosemodell ausgeschlossen, so dass sieben Variablen in die endgültige Regressionsrechnung
eingingen.
Den stärksten Effekt zeigt der regionale Arbeitsmarkt: Gegenüber den Rehabilitanden, deren Wohnort in einem der westlichen Landesarbeitsamtsbezirke liegt, ist das Arbeitslosigkeitsrisiko (bei großer Streuung) für die im Landesarbeitsamtsbezirk Nord beheimateten Rehabilitanden ein Jahr nach Umschulungsende 19,4-fach und für die in den östlichen Landesarbeitsamtsbezirken wohnenden Rehabilitanden 12,9-fach erhöht. Rehabilitanden, die
höchstens einen Hauptschulabschluss besitzen, weisen gegenüber jenen, die die mittlere
Reife haben, ein 3-fach erhöhtes Risiko auf, zu T5 erwerbslos zu sein; auch das Erwerbslosigkeitsrisiko der wenigen Rehabilitanden mit (Fach-) Hochschulreife ist gegenüber jenen
mit mittlerer Reife erhöht. Bei Rehabilitanden, die einen Dienstleistungsberuf erlernt haben,
292
ist das Risiko einer Erwerbslosigkeit zu T5 im Vergleich zu den in Fertigungsberufe umgeschulten Rehabilitanden 2,8-fach erhöht. Weitere prognostische Effekte im Hinblick auf das
Risiko der Erwerbslosigkeit zeigen die Merkmale: geringe internale Kontrollüberzeugung
(p=.015), hohe gesundheitliche Belastung durch Schmerzen (p=.027) sowie geringe soziale
Unterstützung (p=.048). Adjustiert wurde für das Merkmal Erwerbsstatus vor der Umschulungsmaßnahme.
Variable
Ausprägung
Deskription
OR
(95%KI)
Landesarbeitsamtsbezirk
(p<0,001)
Bay. / NRW / Hes. / R-Pf-Saarl. / BW
Nord (MVP / Sl-H / HH)
Sa-Anh-Thür. / Berl-Br. / Sachsen
49%
23%
28%
1
19,35
12,93
(5,44-68,78)
(4,06-41,18)
internale Kontrolle (p=0,015)
1=hoch bis 5=gering
2,3
2,50
(1,20-5,24)
Schulabschluss (p=0,015)
mittlere Reife
höchstens Hauptschulabschluss
(Fach-)Hochschulreife
56%
36%
8%
1
3,00
9,41
(1,02-8,84)
(1,94-45,64)
gesundheitliche Beschwerden
durch Schmerzen (p=0,027)
0-8 Beschwerden
0
1,27
(1,03-1,58)
allgemeine soziale Unterstützung
(p=0,048)
1=hoch bis 5=gering
3,0
1,68
(1,004-2,82)
Fertigungsberuf
1
31%
Dienstleistungsberuf
(1,19-6,80)
2,85
54%
sonstige (v.a. technische) Berufe
(0,45-5,11)
1,51
15%
erwerbstätig
1
36%
Erwerbsstatus vor
Maßnahmebeginn (p=0,113)
(0,21-1,18)
nicht erwerbstätig
0,50
64%
Anmerkungen: Variablensortierung nach p-Wert; OR = Odds ratio; KI = Konfidenzintervall nach Wald; Unter
Deskription sind relative Häufigkeiten bzw. der Median abgetragen; Intercept = -6,43
Umschulungsberuf (p=0,054)
Mithilfe des logistischen Regressionsmodells können 78 % der ein Jahr nach Umschulungsende Erwerbslosen (Sensitivität) und 70 % der Erwerbstätigen (Spezifität) richtig zugeordnet werden (c=.83). Das spricht für eine hohe Prognosegüte des Modells, die nach Durchführung verschiedener Validierungsverfahren (Kreuzvalidierung, Bootstrap-Verfahren) nicht
überoptimistisch erscheint. Gleichwohl bedarf das Modell weiterer Validierungen an externen Stichproben. Der Hosmer-Lemeshow-Test weist auf kein Anpassungsproblem des Modells an die Daten hin (p=.62).
Diskussion/Schlussfolgerung
Wie das Studienergebnis zeigt, kann die Integration in das Erwerbsleben bereits zu Beginn
einer stationären Umschulung sehr gut vorhergesagt werden, wobei neben der herausragenden Bedeutung regionaler Kontextfaktoren auch psychologische und gesundheitsbezogene Variablen bedeutsam sind. Für die Berufsförderungswerke könnten sich daraus - nach
der Durchführung externer Validierungen des Modells und ergänzend zu ihren bereits bestehenden intensiven Aktivitäten - noch weitere Ansatzpunkte für eine gezielte Förderung
ergeben.
Literatur
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.) (1997): Abschlussbericht der RehaKommission-Berufsförderung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger.
DRV-Schriften, Bd.7. Frankfurt/M.:VDR.
Beiderwieden, K. (2001): Langfristige Wiedereingliederung nach der beruflichen Rehabilitation. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg.34/2, 182-206.
293
Muche, R., Ring, C., Ziegler, C. (2005): Entwicklung und Validierung von Prognosemodellen
auf Basis der logistischen Regression. Aachen: Shaker.
Tews, H.P., Schreiber, W.K., Schott, J. (2003): Berufliche Rehabilitation in Berufsförderungswerken und Ergebnisse der Berufsförderungswerk Heidelberg gGmbh. Die Rehabilitation, Bd. 42, 36-44.
Einfluss personaler Faktoren auf Bewerbungsaktivitäten und
Integrationserfolg von Umschulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern
Schmidt, C.
IQPR, Köln
Hintergrund
Der Übergang Rehabilitationsmaßnahme/Unternehmen wird sowohl von personalen (Alter,
Geschlecht, Erkrankung, Selbstkonzept, Mobilität, soziales Kapital, etc.) als auch situativen
(wirtschaftliche Entwicklung, Arbeitskräftenachfrage, Image einer Reha-Einrichtung bei Unternehmen, Ausbildungsorganisation, Beschäftigungsquote für behinderte Arbeitnehmer,
etc.) Faktoren beeinflusst. Ziel der folgenden Untersuchung ist es, jene Faktoren in den
Blick zu nehmen, die sich auf die vermittlungsorientierte Aktivierung der Umschüler auswirken und die sich durch Training und Beratung beeinflussen lassen.
Uhlendorff (2003) konnte den Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften (insbesondere internale Kontrollüberzeugung in Westdeutschland) und sozialen Ressourcen (soziales Engagement in Ostdeutschland) auf die Dauer der Arbeitslosigkeit nachweisen. Frese (1994) untersuchte personale Merkmale (u. a. Selbstwirksamkeit, Handlungsorientierung, Optimismus, Eigeninitiative) im Längsschnitt (vor, während und nach einer Arbeitslosigkeitsepisode)
und konnte nachweisen, dass Insbesondere Personen mit einer handlungsorientierten und
optimistischen Einstellung sowie hoher Eigeninitiative bei der Stellensuche erfolgreich sind.
Auf Basis von Nachbefragungen mehrerer Absolventenjahrgänge in Berufsförderungswerken hat Beiderwieden (2001) folgende Prädiktoren der Wiedereingliederung ermitteln: Alter,
Geschlecht, Grad der Behinderung, Vorarbeitslosigkeit als Rehagrund, Arbeitslosenquote im
Herkunftskreis und die Form des Zusammenlebens. Beiderwieden vermutet, dass „weiche
Merkmale“ von erheblicher Bedeutung sind.
Eine umfangreiche Befragung bei schwerbehinderten Menschen führte Schröder und Steinwede (2004) durch (Bestandsstichprobe 1.149 und Abgangsstichprobe 1.277 Personen).
Signifikanten Risikofaktoren für den Verbleib in Arbeitslosigkeit sind: Alter, fehlende berufliche Ausbildung, die Dauer der aktuellen Arbeitslosigkeit, das Vorliegen einer Mehrfachbehinderung, schlechter aktueller Gesundheitszustand, unzureichende Suchaktivität. Ein besonderes Vermittlungshemmnis stellt die unzureichende Bewältigung der Behinderung dar,
verbunden mit dem Mangel oder sogar dem Verlust an Zutrauen in die eigene Person. Darüber hinaus können Menschen mit einer Schwerbehinderung, die bei der Stellensuche erfolgreich sind, auch häufiger auf soziale Unterstützung zurückgreifen.
294
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass psychosoziale Faktoren den Prozess der Stellensuche im Anschluss an eine Rehabilitationsmaßnahme in vielfältiger Weise beeinflussen
können. Auf Basis der vorliegenden Untersuchungen werden deshalb folgende Wirkungszusammenhänge postuliert (siehe Abb. 1):
Abbildung 1: Wirkungsmodell der Befragung
Motivation
Umweltfaktoren
Selbstkonzept
berufl. Handlungskompetenz
Bewerbungsaktivitäten
Arbeitsstelle
Vorstellungsgespräch
Gesundheit
Soziales Kapital
Alter
Geschlecht
Erwerbsbiografie
...
Studiendesign
Nach der schriftlichen Prüfung (Mitte 2005) sind in sieben Berufsförderungswerken 308 Umschüler kaufmännischer Ausbildungsgänge befragt worden. Ein Jahr nach Abschluss der
Umschulung (September 2006) konnten mehr als 50 % der Teilnehmer ein zweites Mal befragt werden. Zu beiden Befragungszeitpunkten wurden verschiedene Selbstkonzeptskalen,
die soziale Einbindung bzw. Unterstützung sowie die Bewerbungsaktivitäten und der Erfolg
bei der Stellensuche erfragt.
Die Leithypothesen der Befragung sind: 1. Bewerbungsaktive Teilnehmer verfügen, im Vergleich zu inaktiven Teilnehmern, über ein stärker ausgeprägtes handlungsorientiertes
Selbstkonzept und eine intensivere soziale Einbindung. 2. Nur bewerbungsaktive Teilnehmer führen Vorstellungsgespräche und finden direkt im Anschluss an die Umschulung eine
Arbeitsstelle. 3. Jene Teilnehmer, die bereits zum ersten Befragungszeitpunkt als handlungsorientiert und aktiv eingestuft wurden, finden nach Abschluss der Umschulung häufiger
und schneller eine Arbeitsstelle. 4. Die Effekte zeigen sich sowohl in Arbeitsamtsbezirken
mit hoher als auch mit niedriger Arbeitslosenquote.
Ergebnisse
Für die Auswertung wurde die Gesamtgruppe in sechs Untergruppen (A - F) aufgeteilt. Die
Kriterien dazu waren: Anzahl verschickter Bewerbungen und geführter Vorstellungsgespräche sowie eine bereits vorliegende Arbeitsplatzzusage. Die Gruppenunterschiede bei den
psychologisch relevanten Skalen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Es liegen unterschiedlich stark ausgeprägte bewerbungs- und berufsspezifische Selbstkonzepte vor. Aktive und erfolgreiche Rehabilitanden verfügen in der Regel auch über ein handlungsorientiertes Selbstkonzept. Etwa 1/6 der Befragten (Gruppe A, „die Passiven“) setzen
295
sich nur gedanklich mit dem Thema Bewerbung auseinander, ohne dass es zu konkreten
Bewerbungsaktivitäten kommt. Die Gruppe B („die Unentschlossenen“) ist unterdurchschnittlich aktiv, die Aktivitäten haben noch nicht zu einem Erfolg geführt. Gruppe C zeigt
überdurchschnittliche Bewerbungsaktivitäten, dennoch kommen keine Vorstellungsgespräche zu Stande („die erfolglos Überaktiven“). Die Gruppen D und E („die aktiv Erfolgreichen“)
zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Aktivitäten bereits zu Vorstellungsgesprächen geführt
haben. Die D- und E-Gruppe benötigt im Durchschnitt sieben Bewerbungen für eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Die Mitglieder der F-Gruppe („die effizient Erfolgreichen“) führten Vorstellungsgespräche und hatten bereits eine Arbeitsstelle, trotz unterdurchschnittlicher Bewerbungsaktivitäten.
Tabelle 1: Gruppenunterschiede bei den psychologisch relevanten
Mittelwert der Untergruppen
Skala
Differenz
Bewertung der
statistisch
höchster/niedrigster Skalendifferenz nach signifikante GruppenSkalenwert
Lind (2005)
unterschiede
A
B
C
D
E
F
berufl. Selbstwirksamkeit
3,9
4,2
4,4
4,2
4,4
4,6
0,7
sehr bedeutend
A vs. C/E/F
Bewerb.-kompetenz Strategie
3,4
3,7
3,9
3,6
3,9
3,8
0,5
sehr bedeutend
A vs. C/E/F
Bewerb.-kompetenz Schrift
3,9
4,2
4,3
4,3
4,3
4,1
0,4
bedeutend
A vs. D/E
proaktive Einstellung
4,2
4,4
4,5
4,3
4,5
4,6
0,4
bedeutend
A vs.F
Soziales Kapital
3,3
3,6
3,6
3,8
3,7
4
0,7
sehr bedeutend
keine
Zufriedenheit Ausbilder/FD
3,3
3,5
3,6
3,6
3,6
3,8
0,5
sehr bedeutend
keine
Gesundheit
3,9
4
4,2
4,4
4,3
4,4
0,5
bedeutend
keine
berufl. Leistungsfähigkeit
6,5
6,9
7,4
6,9
7,2
7,3
0,8
bedeutend
keine
externale Kontrolle
3,5
3,3
3,3
3,1
3,1
3
0,5
bedeutend
keine
Optimismus
3,9
4
4,2
4
4,2
4,3
0,4
bedeutend
keine
Zufriedenheit eigene Person
3,5
3,7
3,8
3,8
3,8
3,7
0,3
bedeutend
keine
internale Kontolle
4,2
4,2
4,4
4,3
4,4
4,3
0,2
nicht bedeutsam
keine
Diskussion
Das Verhältnis von verschickten Bewerbungen zu geführten Vorstellungsgesprächen kann
als Leistungsindikator für eine erfolgreiche Prozessgestaltung der Stellensuche interpretiert
werden. Tendenziell sind Umschüler mit hoher beruflicher Selbstwirksamkeit und einer proaktiven Einstellung erfolgreicher bei der Stellensuche. Die psychologischen Variablen können jedoch den Erfolg der F-Gruppe nicht hinreichend erklären. Hierzu müssen die Ergebnisse der Auswertung des zweiten Befragungszeitpunktes herangezogen werden. Die Auswertung findet zurzeit statt. Die vorliegenden Ergebnisse weisen auf Ansatzpunkte für eine
stärker vermittlungsorientierte Aktivierung hin. Darüber hinaus ist eine Zielgruppendifferenzierung der Aktivierungsstrategien notwendig.
Literatur
Beiderwieden, K. (2001): Langfristige Wiedereingliederung nach der beruflichen Rehabilitation. MittAB; (2) 182-206.
Fillipp, S.H., Mayer, A.-K. (2005): Selbst und Selbstkonzept. In: H. Weber und T. Rammsayer (Hrsg.), Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie.
(266-276). Göttingen: Hogrefe.
296
Lind, G. (2005): Effektstärken: Statistische versus praktische und theoretische Bedeutsamkeit. In: http://www.uni-konstanz.de/ag-moral/pdf/Lind-2005_Effektstaerke-Vortrag.pdf.
Zugriff: November 2005.
Schröder, H, Steinwede, J. (2004): Arbeitslosigkeit und Integrationschancen schwerbehinderter Menschen. Nürnberg. BeitrAB 285.
Uhlendorff, A. (2003): Der Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften und sozialen Ressourcen auf die Arbeitslosigkeitsdauer. Diskussionspapier 338. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin.
Erfolge beruflicher Bildungsmaßnahmen im Einrichtungsvergleich Teilnehmerperspektive und Routinedaten
Bestmann, A., Grünbeck, P.
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Einleitung
Die Sicherung und Optimierung des Erfolges von beruflichen Bildungsmaßnahmen ist für die
Deutsche Rentenversicherung ein zentraler Bestandteil der externen Qualitätssicherung.
Zum einen erhält die Rentenversicherung durch das SGB IX und die ‚Gemeinsame Empfehlung Qualitätssicherung der Bundesarbeitsgemeinschaft’ (BAR, 01.07.2003) den Auftrag zur
Sicherung des Erfolges. Zum anderen existieren bislang kaum belastbare Daten über die
Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit von beruflichen Bildungsmaßnahmen, welche Fachöffentlichkeit und Politik dringend benötigen.
Die Methode der Einrichtungsvergleiche zielt in diesem Zusammenhang darauf ab, durch
die Rückmeldung von vergleichenden, einrichtungsbezogenen Ergebnissen einen Input - im
Sinne eines Optimierungsanreizes - für das interne Qualitätsmanagement der Einrichtung zu
liefern. Die Einrichtungen sollen hierbei möglichst mehrere Erfolgsindikatoren erhalten. Neben den so genannten objektiven, aus den Routinedaten der Rentenversicherung gewonnen, Erfolgsfaktoren ‚Maßnahmeergebnis’ und ‚berufliche Eingliederung’ wird den Einrichtungen daher auch die Beurteilung des Maßnahmeerfolges aus Sicht ihrer Rehabilitanden
zurückgemeldet. Denn die Ausrichtung der beruflichen Bildungsmaßnahmen am konkreten
individuellen Bedarf der Teilnehmer/innen sowie die aktive Einbeziehung der Rehabilitanden
in den Gestaltungsablauf und die Zielsetzung der Maßnahme sind zentral für ihren Erfolg.
Fragestellung und Methode
Ausgehend von der oben skizzierten Relevanz einer einrichtungsvergleichenden Qualitätssicherung des Erfolges untersucht der vorliegende Beitrag folgende Fragestellung: Unterscheiden sich die Erfolge beruflicher Bildungsmaßnahmen von verschiedenen Berufsförderungswerken?
Die empirische Grundlage zur Beantwortung der Frage bilden zum einen Routinedaten der
Rentenversicherung (RSD), zum anderen Daten des katamnestischen Berliner Fragebogen,
welcher seit Juli 2007 im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase von 13 Rentenversiche-
297
rungsträgern als schriftliches Erhebungsinstrument zur Messung von Aspekten der Prozessund Ergebnisqualität aus Teilnehmersicht 6 Monate nach Maßnahmeende eingesetzt wird.
Beide Datenquellen schließen Teilnehmer ein, die in einem Berufsförderungswerk (BFW) an
einer Weiter- oder Ausbildung, einer Teilqualifizierung oder einer Integrationsmaßnahme
teilgenommen haben.
Die routinebasierte Stichprobe betrachtet Teilnehmer/innen, die ihre Maßnahme im Jahre
2002 beendeten, um die berufliche Eingliederung im Anschluss an das Maßnahmeende
zwei Jahre lang verfolgen zu können. Die Stichprobe zum Berliner Fragebogen bezieht sich
auf Rehabilitanden mit Maßnahmeende im Jahr 2005.
Die Datenauswertung erfolgt deskriptiv. Anschließend werden die Daten dreier Berufsförderungswerke in einem anonymen Einrichtungsvergleich gegenübergestellt.
Ergebnisse
Rehabilitandenstruktur:
Die Rehabilitanden beider Stichproben der Deutschen Rentenversicherung (Routinedaten
basierte Stichprobe n= 5595, antwortende Teilnehmer/innen des Berliner Fragebogens n=
654) werden bzgl. des Geschlechts und Alters, ihres Familien- und Erwerbsstatuses vor Antragstellung sowie weiterer Merkmale beschrieben.
Die einrichtungsvergleichenden Auswertungen erfolgen anhand folgender Aspekte, welche
an dieser Stelle beispielhaft für die Gesamtstichproben referiert werden:
Routinedatenbasierter Maßnahmeerfolg:
66 % der Stichprobe schlossen ihre Maßnahme erfolgreich ab, 11 % bestanden die Prüfung
nicht und weitere 23 % brachen die Maßnahme vorzeitig ab. Nach 6 Monaten waren insgesamt 54 % der Teilnehmer/innen berufstätig, 25 % arbeitslos, 14 % langfristig arbeitsunfähig
und 5 % ohne aus den Routinedaten erkennbaren eindeutigen Status.
Zufriedenheit der Teilnehmer/innen mit an der Bildungsmaßnahme beteiligten Akteuren:
Die Teilnehmer/innen waren mit der Betreuung durch den Reha-Träger und die Bildungseinrichtung vergleichsweise zufrieden (Skala 1-5, 1= sehr unzufrieden, 5= sehr zufrieden, 82 %
mit dem Reha-Träger bzw. 75 % mit der Bildungseinrichtung „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“). Mit den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit sowie der Unterstützung durch die Bildungseinrichtung nach ihrer Qualifizierung waren die Rehabilitand/innen
hingegen eher unzufrieden (10 % BA bzw. 30 % Bildungseinrichtung „zufrieden“ bis „sehr
zufrieden“).
Teilnehmerbezogene Bewertung des Maßnahmeerfolges:
Zum Befragungszeitpunkt sind oder waren 42 % der antwortenden Teilnehmer/innen bereits
einmal nach Abschluss der Maßnahme berufstätig. Diese Tätigkeit entsprach zu 62 % der
neuen beruflichen Qualifikation, die anderen Anteile entfielen zu gleichen Teilen auf das alte
Berufsfeld bzw. einem ganz anderen Aufgabenbereich. Die Zufriedenheit mit dem eigenen
Abschlusszeugnis sowie dem Ergebnis der Bildungsmaßnahme insgesamt ist bei den Teilnehmer/innen hoch (79 % Zeugnis bzw. 70 % Ergebnis „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“). Die
Bedeutung des in der Maßnahme erworbenen fachlichen Wissens für die neue Berufstätigkeit wird von den Teilnehmer/innen zu 77 % als eine notwendige Voraussetzung oder als
298
eine wichtige Hilfe eingeschätzt. Knapp 20 % messen der Qualifizierung diesbezüglich eine
geringe bzw. keine Bedeutung zu.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für die externe Qualitätssicherung der
Deutschen Rentenversicherung diskutiert. Fokussiert wird hierbei insbesondere auf den Aspekt des Einrichtungsvergleichs sowie inhaltliche und methodische Probleme bei der Umsetzung von fairen Vergleichen. Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen der Deutschen Rentenversicherung im Bereich Qualitätssicherung von Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben werden aufgezeigt.
Literatur
Korsukéwitz, C. (1999): Berufsfördernde Leistungen der BfA aus sozialmedizinischer Sicht.
In: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Rehabilitation 1999. Fachtagung zur beruflichen Rehabilitation der BfA, Berlin, Buchdruckerei Günther Buck.
Reimann, A. (1999): Berufsfördernde Leistungen der BfA aus verwaltungsseitiger Sicht. In:
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Rehabilitation 1999. Fachtagung zur beruflichen Rehabilitation der BfA, Berlin, Buchdruckerei Günther Buck.
VDR (2001): Statistik Rehabilitation des Jahres 2000. Würzburg, Universitätsdruckerei H.
Stürz.
Abbruch von beruflichen Bildungsleistungen und die
Wiedereingliederung in das Erwerbsleben
Erbstößer, S., Grünbeck, P.
Deutsche Rentenversicherung Bund
Hintergrund
Leistungen zur beruflichen Bildung werden durchgeführt, um von Erwerbsunfähigkeit Bedrohten die Rückkehr ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Eine wichtige Weichenstellung für
die Wiedereingliederung ist der erfolgreiche Abschluss der Maßnahme. Auswertungen zu
den Einflussfaktoren auf die Wiedereingliederung nach der beruflichen Rehabilitation
(Erbstößer et al., 2006) zeigten, dass der Abbruch einer Maßnahme einen negativen Einfluss auf die Wiedereingliederung nach der Rehabilitation hat. Niehaus und Kurth-Laatsch
(2001) konnten für die berufliche Rehabilitation von Frauen zeigen, dass die Kriterien zur
Auswahl der Maßnahme einen Einfluss auf den Anteil von Abbrüchen (vornehmlich aus gesundheitlichen Gründen) haben. Bislang wurden Abbrüche häufig im Rahmen von Erstausbildungen von Jugendlichen betrachtet (beispielsweise Fassmann, 1998), so dass im vorliegenden Beitrag eine umfassende Beschreibung aller Abbrecher von Qualifizierungs- und
Weiterbildungsmaßnahmen der Rentenversicherung durchgeführt wird.
Methodik und Studiendesign
Es werden Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung ausgewertet (Reha-StatistikDatenbasis, RSD 1997-2004). Betrachtet werden die Rehabilitanden mit Leistungen zur
299
Qualifizierung und Aus- und Weiterbildung, die 2002 ihre Maßnahme abgeschlossen haben
(n=15.267). Für die Auswertungen werden die Gruppen der „Abbrecher“ („Abbruch durch
den Versicherten“, n=2.068) und die „erfolgreichen Rehabilitanden“ (mit erfolgreichem Abschluss: „staatlich anerkannt“ bzw. „Zeugnis/Prüfung der Bildungseinrichtung“, n=9.787)
vergleichend anhand einiger soziodemografischer Merkmale beschrieben sowie deren Wiedereingliederung in den folgenden zwei Jahren betrachtet.
Ergebnisse
70 % der Rehabilitanden haben ihre berufliche Bildungsmaßnahme mit Erfolg abgeschlossen, in 15 % der Fälle wurde die Maßnahme vom Rehabilitanden abgebrochen, davon wurden für 73 % dieser Rehabilitanden gesundheitliche Gründe, für 12 % persönliche Gründe
angegeben.
Abbrüche sind bei Männern wie Frauen, Arbeitern wie Angestellten gleichermaßen häufig.
Abbrecher sind durchschnittlich im gleichen Alter wie erfolgreiche Rehabilitanden (39,4 bzw.
39,7 Jahre). Die Maßnahmedauer bei Abbrechern entspricht in etwa der Hälfte der durchschnittlichen Maßnahmedauer von erfolgreichen Rehabilitanden. Häufiger sind Abbrüche in
den Berufsförderungswerken und bei Aus- und Weiterbildungen (20 %, bei Qualifikationen
12 %).
Rehabilitanden mit einer psychischen Erkrankung brechen häufiger ab (24 %) als Rehabilitanden mit einer Erkrankung des Muskel- und Skelettsystems. Knapp die Hälfte der Rehabilitanden einer beruflichen Qualifizierungs- oder Aus- und Weiterbildungsmaßnahme haben
in den zwei Jahren vorher eine medizinische Rehabilitation. Die Anzahl der Abbrüche ist bei
den Rehabilitanden ohne vorherige medizinische Reha am niedrigsten. Wurde vor der beruflichen Reha eine medizinische durchgeführt, dann sind die Abbruchquoten umso höher, je
länger die medizinische Reha zurückliegt. Alle dargestellten Unterschiede sind hochsignifikant (p<0.001).
Der Anteil gesundheitlicher Gründe nimmt mit zunehmendem Alter zu, sie werden etwas
häufiger bei Abbrüchen in Berufsförderungswerken und bei psychischen Erkrankungen angegeben. Liegt die medizinische Reha länger zurück, so werden auch hier häufiger gesundheitliche Gründe für einen Abbruch angegeben.
Die Wiedereingliederung von Abbrechern ist geringer als bei Rehabilitanden mit erfolgreichem Maßnahmeabschluss. Betrachtet man die Wiedereingliederung z. B. im 24. Monat
nach der Beendigung der Rehabilitation, so befinden sich 44 % der Abbrecher, aber 67 %
der erfolgreichen Rehabilitanden in pflichtversicherter Beschäftigung. Abbrecher arbeiten
innerhalb dieser zwei Jahre durchschnittlich ca. 9 Monate, nur 18 % von ihnen sind nahezu
die ganze Zeit (22-24 Monate) beschäftigt und 34 % arbeiten überhaupt nicht. Erfolgreiche
Reha-Absolventen arbeiten im gleichen Zeitraum durchschnittlich 15 Monate. Etwa 35 %
von ihnen sind durchgehend (22-24 Monate) beschäftigt, nur 14 % haben für diesen Zeitraum keine Beiträge aus versicherungspflichtiger Beschäftigung.
Schlussfolgerung
Abbrecher haben deutlich schlechtere Wiedereingliederungschancen. Sie unterscheiden
sich von erfolgreichen Rehabilitanden nicht hinsichtlich ihres Alters oder ihres Geschlechts.
Abbrüche steigen mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung, so z. B. bei Rehabilitanden,
300
die ihre Maßnahme in einem Berufsförderungswerk durchführen. Fast 50 % dieser Rehabilitanden benötigen Maßnahmen mit umfassenden rehabilitativen Hilfen (8 % in den „sonstigen Bildungseinrichtungen“). War im Vorfeld der beruflichen Rehabilitation eine medizinische Rehabilitation notwendig, so ist die erfolgreiche Durchführung der beruflichen Maßnahme umso wahrscheinlicher, je größer die zeitliche Nähe zur medizinischen Rehabilitation
ist. Die Wahrnehmung einer beruflichen Einschränkung in der medizinischen Rehabilitation
und die zügige Einleitung einer beruflichen Maßnahme im Sinne einer nahtlosen Versorgungskette wirken sich demzufolge günstig auf den erfolgreichen Maßnahmeabschluss aus.
Ausblick
Es ist angezeigt, Abbrüche so weit wie möglich zu vermeiden. Dabei soll jedoch verhindert
werden, dass zur Senkung der Abbruchzahlen und zur Steigerung der Wiedereingliederungsquoten eine Bestenauslese und Vernachlässigung von Risikogruppen erfolgt, wie
Faulstich et al. (2003) befürchten. Vielmehr zeigt sich erneut die Bedeutung von Schnittstellen. So sind im Vorfeld die Auswahlkriterien für bestimmte Maßnahmearten gerade hinsichtlich der gesundheitlichen Belastungen auch im Hinblick auf das Alter zu schärfen. Zur Steuerung während des Rehabilitationsprozesses sind Instrumente notwendig, die eine Wächterfunktion gerade hinsichtlich gesundheitlicher Problemkonstellationen wahrnehmen können.
Ein Einblick in die subjektive Sicht der Rehabilitanden, sei es hinsichtlich der Auswahl der
Reha-Leistung, des Reha-Prozesses wie auch der Reha- und Integrationsergebnisse, wird
durch die im Juni 2005 begonnene Rehabilitandenbefragung („Berliner Fragebogen“) möglich sein.
Literatur
Faßmann, H. (1998): Das Abbrecherproblem - die Probleme der Abbrecher: Zum Abbruch
der Erstausbildung in Berufsbildungswerken. Materialien aus dem Institut für empirische
Soziologie Nürnberg, Internetversion, Nürnberg: IfeS.
Erbstößer, S., Bestmann, A., Grünbeck, P., Zollmann, P. (2006): Einflussfaktoren auf die
Wiedereingliederung nach einer beruflichen Bildungsmaßnahme. DRV-Schriften Band 64.
Berlin, Deutsche Rentenversicherung Bund
Niehaus, M., Kurth-Laatsch, S. (2001): Modellprojekt: Wohnortnahe berufliche Rehabilitation
von Frauen. Synopse der Evaluationsergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung. BAR (Hrsg.), Frankfurt.
Faulstich, P., Gnahs, D., Sauter, E. (2003): Qualitätsmanagement in der beruflichen Weiterbildung: ein Gestaltungsvorschlag. Gutachten im Auftrag von: Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft, IG Metall, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft.
301
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Poster)
Faktoren zur Wiedereingliederung von Rehabilitanden in den allgemeinen
Arbeitsmarkt
Arling, V. (1), Lüdtke, J. (2), Spijkers, W. (1)
(1) Institut für Psychologie, RWTH-Aachen, (2) Berufsförderungswerk Michaelshoven, Köln
Theoretischer Hintergrund
Die vorliegende Studie widmet sich der Identifikation und Analyse von Faktoren, die die
Wiedereingliederung von Rehabilitanden nach Umschulungsmaßnahmen in den allgemeinen Arbeitsmarkt ggf. beeinflussen.
In diesem Sinne werden insbesondere Faktoren wie Geschlecht, Alter, Familienstand,
Schulabschluss, Staatsangehörigkeit, Umschulungsberuf, Berufsausbildung vor der Rehabilitationsmaßnahme, Dauer der Arbeitslosigkeit und psychische Erkrankung auf ihren Einfluss hin überprüft (vgl. Wöhrl, 1988; Beiderwieden, 2001, 2003; Tews, 2003). Die Einschätzung der eigenen Situation (z. B. Gesundheit etc.) und der eigenen Fähigkeiten (z. B. Kontaktfähigkeit etc.) finden ebenfalls Berücksichtigung (vgl. Pfeiffer, 2000). Des Weiteren wird
überprüft, ob eine Unterbrechung der Umschulungsmaßnahme und die abschließende IHKNote Einfluss auf die Vermittlung nehmen. Mittels kognitiver Leistungstests wie z. B. dem IS-T 2000 wird darüber hinaus der Einfluss kognitiver Faktoren auf die Vermittlungsquote
überprüft (vgl. z. B. Amelang, Bartussek, 2001).
Methode
In die Untersuchung wurden 156 Rehabilitanden (♀ = 39; ♂ = 117) mit einem durchschnittlichen Alter von 36,4 Jahren (SD=6.6) einbezogen, die zwischen 2000 und 2005 eine Umschulung im Berufsförderungswerk Michaelshoven erfolgreich absolviert hatten (kaufmännische Berufe: n=85; technische Berufe: n=71). Die entsprechenden Daten wurden vom Berufsförderungswerk erhoben und für die vorliegende Studie zur Verfügung gestellt.
Hinsichtlich der Zielsetzung der Studie wurde bei der Stichprobenzusammensetzung einerseits darauf geachtet, dass die entsprechenden Rehabilitanden auch das Reha-Assesment
im BFW Michaelshoven absolviert hatten und andererseits, dass erfolgreich (n=86) wie nicht
erfolgreich (n=70) vermittelte Rehabilitanden zu weitgehend gleichen Anteilen in der Stichprobe repräsentiert sind.
Ergebnisse
Es wurden mit der (a) Dauer der Arbeitslosigkeit, (b) Ausbildung vor der Umschulung, (c)
Schulabschluss und (d) Alter vier relevante Aspekte für den Vermittlungserfolg identifiziert.
1. Rehabilitanden, die nicht vermittelt wurden, waren mit durchschnittlich 2.13 Jahren signifikant länger arbeitslos vor Beginn der Umschulungsmaßnahme als die vermittelten, deren Arbeitslosigkeit durchschnittlich bei 1.54 Jahren lag.
302
2. Rehabilitanden, die vor der Umschulung eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hatten, wurden signifikant besser vermittelt (59.5 %) als Rehabilitanden ohne abgeschlossene Ausbildung (41.4 %).
3. Für Rehabilitanden, die über einen Hauptschulabschluss bzw. Realschulabschluss verfügen, wurde eine Vermittlungsquote von 55.3 % bzw. 57.7 % festgestellt. Die Vermittlungsquote für Abiturienten lag bei nur 34.8 %. Dagegen wurden acht von zehn Rehabilitanden ohne Schulabschluss vermittelt.
4. Rehabilitanden unter 45 Jahren wurden signifikant häufiger (57.9 %) vermittelt als ältere
(39.1 %).
Für die übrigen Aspekte berechnen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der
Gruppe der vermittelten und der Gruppe der nicht vermittelten Rehabilitanden.
Diskussion
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Risikofaktoren, die von bisherigen Forschungsarbeiten beschrieben werden, von der vorliegenden Studie teilweise bestätigt werden konnten. Für die so genannten Problemgruppen, wie psychisch Erkrankte und Frauen,
berechnen sich jedoch keine schwächeren Vermittlungsquoten als für die übrigen Rehabilitanden.
Bezüglich der psychisch erkrankten Rehabilitanden ist zu vermuten, dass es schon während
der Ausbildungszeit zu den entsprechenden Abbrüchen und damit zu einer Vorselektion
kommt.
Der fehlende Einfluss der IHK-Note auf die Vermittlung begründet sich in der Tatsache, dass
die Notenverteilung zu homogen ist. Mehr als die Hälfte der Rehabilitanden wurden mit „befriedigend“ bewertet, während nur 1,7 % mit „sehr gut“ abschlossen.
Ausblick
Bezüglich der Wiedereingliederung von Rehabilitanden auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist
über die betrachteten Faktoren hinaus die Situation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und
die Bemühungen des Reha-Teams bzw. des Vermittlungscenters bei der Stellensuche von
Relevanz. Der Einfluss dieser Faktoren bzw. die Interaktion derselben ist in weiterführenden
Untersuchungen zu thematisieren. Darüber hinaus geben die erläuterten Ergebnisse Hinweis darauf, dass die Zugangsvoraussetzungen des einzelnen Rehabilitanden zu den entsprechenden Maßnahmen zu überdenken sind.
Literatur
Amelang, M., Bartussek, D. (2001): Differenzielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Stuttgart, Kohlhammer
Beiderwieden, K. (2003): Ergebnisse der Zwei-Jahres-Nachbefragung 2003 der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförderungswerke. Eigenverlag Deutscher Berufsförderungswerke.
Tews, H., Schreiben, W., Schott, J. (2003): Berufliche Rehabilitation in Berufsförderungswerken und Ergebnisse der Berufsförderungswerk Heidelberg gGmbH. Rehabilitation, 42,
36-44.
Pfeiffer, I. (2000): Berufliche Umorientierung: Ressourcen und Risikofaktoren. www.diss.fuberlin.de/2000/122/ (03.11.2006).
303
Wöhrl, H. (1988): Eingliederungschancen von Behinderten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Stuttgart: Kohlhammer.
Coaching zur beruflichen Integration von schwerbehinderten Menschen
und Rehabilitanden: Ein erfolgreicher Modellversuch in Sachsen-Anhalt
Engelmann, K.
sbs-bildungsprojekte gmbh, Dessau
Hintergrund
Die Auswertung des Modellprojektes „Jetzt oder nie! Coaching zur beruflichen Integration
von schwerbehinderten Menschen und Rehabilitanden“ zeigt, wie mit relativ geringem finanziellen und organisatorischem Aufwand ein beispielgebendes Integrationsergebnis erzielt
werden kann. Die Darstellung erstreckt sich über einen Durchführungszeitraum von 18 Monaten und auf eine Teilnehmerkapazität von 40 Personen.
Das Coaching „Jetzt oder nie!“ richtet sich an arbeitslose, schwerbehinderte Menschen und
Rehabilitanden mit mehreren Vermittlungshemmnissen und individuellen gesundheitlichen
Einschränkungen, die besondere Hilfe und Unterstützung bei der Einbindung in den Arbeitsmarkt benötigen. Es ist ein Projekt zur Beratung und Unterstützung von behinderten
(leistungsgewandelten) Menschen bei der Stellenrecherche und bei der Erstellung aussagefähiger Bewerbungsunterlagen zur Optimierung der Eigenbemühungen und der Selbstvermarktungsstrategien. Zielstellung ist die Einbindung in den ersten Arbeitsmarkt.
Methodik
Teilnehmerakquise
Der große Vorteil des Projekts ist die Neutralität der Kostenträger. Die ausschließliche Finanzierung durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Sachsen-Anhalt aus Mitteln des
Landes Sachsen-Anhalt und des Europäischen Sozialfonds (ESF) bewirkt, dass kein Kostenträger durch eine Kofinanzierung in das Projekt eingebunden ist und somit alle Kostenträger die Leistung für ihre Kunden in Anspruch nehmen können.
Realisierung
Die Realisierung besteht aus drei Phasen: Start it! Train it! Do it!
Start it!: Teilnehmeranamnese. Das Training beginnt mit einer achtwöchigen Präsenzphase.
Train it!: Viermonatige Coachingphase bei individueller Anwesenheit
Den Teilnehmern steht täglich 8 Stunden ein Sozialpädagoge mit rehabilitationsspezifischer
Ausbildung (Certified Disability Management Professional, CDMP) zur Beratung und Unterstützung zur Verfügung. Dabei stehen die Erarbeitung individueller Selbstvermarktungsstrategien und die Kompensierung von Defiziten der Schlüssel- und Sozialkompetenzen im Vordergrund. Der Nachweis aller Bemühungen wird durch ein sog. Bewerbertagebuch geführt.
304
Do it!: Beratung und Begleitung des Arbeitnehmers und Arbeitgebers bei Aufnahme und Erhalt einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Tätigkeit
Die Teilnehmer können durch eine Arbeitserprobung in einem einstellungsorientierten Unternehmen ihre Leistungsbereitschaft, aber auch ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten unter
Beweis stellen, können das Unternehmen kennen lernen und am Ende der Arbeitserprobung einschätzen, ob die Anforderungen und der gesundheitliche Status eine erfolgreiche
Integration an diesem Arbeitsplatz ermöglichen.
Die Einbindung der Kostenträger erfolgt, wenn eine Einstellung vorbereitet wird. Alle
Einstellungen werden von den Kostenträgern durch einen angemessenen
Eingliederungszuschuss ohne bürokratische Hürden unterstützt. Im individuellen Fall wird
mit dem technischen Beratungsdienst der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt ein
Arbeitsplatz eingerichtet oder leidensgerecht umgestaltet.
Ergebnisse
Gesamtübersicht
01.05.2005 - 31.10.2006
Teilnehmer:
40
vermittelt:
28 = 70 %
1. Arbeitsmarkt
18
2. Arbeitsmarkt
5
Ausbildung
2
Existenzgründung 3
Gruppe 1
01.05.2005 - 31.10.2005
Teilnehmer:
14
vermittelt:
11 = 78 %
1. Arbeitsmarkt
5
2. Arbeitsmarkt
4
Ausbildung
1
Existenzgründung
1
Gruppe 2
01.11.2005 - 30.04.2006
Teilnehmer:
14
vermittelt:
10 = 71 %
1. Arbeitsmarkt
6
2. Arbeitsmarkt
1
Ausbildung
1
Existenzgründung 2
Gruppe 3
01.05.2006 - 31.10.2006
Teilnehmer:
12
vermittelt:
7 = 58 %
1. Arbeitsmarkt
7
2. Arbeitsmarkt
0
Ausbildung
0
Existenzgründung
0
Perspektive
Das Modellprojekt „Jetzt oder nie! Coaching zur beruflichen Integration von schwerbehinderten Menschen und Rehabilitanden“ wird aufgrund seiner sehr guten Relation von Kosten
und Nutzen durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Sachsen-Anhalt vom
01.11.2006 bis 31.12.2007 weiterhin aus Landesmitteln und aus ESF-Mitteln gefördert.
Literatur
Barthold, H.-M., Lorenz, G., Sommer-Otte, T., Scholz, J.F. (2001): Arbeitsmedizinische Berufskunde. Stuttgart: Gentner.
305
Coaching als Methode in der beruflichen Rehabilitation von
Schlaganfallpatienten aus besonders anspruchsvollem beruflichen
Umfeld
Fritzsche, D.
re:turn - zurück ins Leben, Hagen
Hintergrund
Das Ziel der beruflichen Wiedereingliederung von Schlaganfallpatienten steht mittlerweile
bei den Kostenträgern, den Renten- und Krankenversicherern an vorderster Stelle. Die Angebote des Systems sind vielfältig, die Beratung beginnt bereits in den Reha-Kliniken, ein
umfangreiches Netz von beruflichen Bildungseinrichtungen steht zur Verfügung, um Betroffene zu trainieren und gegebenenfalls umzuschulen. Dabei trifft es jedoch überwiegend diejenigen, die als Arbeiter und Angestellte in bestenfalls mittleren Positionen arbeiten.
Wen das System nicht erfasst, sind Höherqualifizierte, Führungskräfte, Manager, Freiberufler und Unternehmer. Ihnen werden keine adäquaten Maßnahmen angeboten.
Diese Gruppe bleibt weitgehend sich selbst überlassen und muss sich den Weg zurück in
den Beruf allein erkämpfen. Das Konzept „Coaching für Schlaganfallpatienten“ richtet sich
speziell an diese Zielgruppe mit dem Angebot, Betroffene aus besonders anspruchsvollem
beruflichen Umfeld individuell auf den Wiedereinstieg vorzubereiten.
Spezifika der Zielgruppe
Ob Manager, Freiberufler oder Unternehmer, sie alle wurden durch das auslösende Krankheitsereignis aus ihrer beruflichen Situation förmlich herauskatapultiert. Einer Situation, die
von hoher Arbeitsdichte, überdurchschnittlichem Arbeitseinsatz, permanenter Stressbelastung und vor allem durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung, nicht nur in der Sache, sondern auch in Bezug auf Mitarbeiter oder das Gesamtunternehmen geprägt war
(Looss, 2002; Lubbers, 2003). Dieser Klientel, die als Hochleistungsträger besondere
Merkmale und besondere Erwartungshaltungen wie auch spezifische Wahrnehmungsmuster
aufweist, benötigt eine ihren Bedarfen adäquate Unterstützung beim Wiedereinstieg in den
Beruf.
Coaching: Begriff und Anwendungsgebiete
Coaching ist eine Form der individuellen Beratung und Begleitung und ist seit über 20 Jahren auch in Deutschland in der Managementberatung anerkannt (Schreyögg, 2003). Es ist
gekennzeichnet durch eine klare Ziel und Aufgabensetzung und zeitliche Beschränkung. Es
ist keine Psychotherapie, obwohl sich Coaches in ihren Methoden aus verschieden Ansätzen der Psychotherapie bedienen. Ihr Thema ist aber deutlich auf Fragestellungen, die im
Zusammenhang mit der beruflichen Ebene bestehen beschränkt. Da Coaching in der Managementberatung inzwischen voll anerkannt ist und in allen größeren Unternehmen Teil der
Personalentwicklung ist, erscheint es auch im Zusammenhang der beruflichen Rehabilitation
der o. g. Zielgruppe besonders geeignet, da hier von einer entsprechenden Akzeptanz ausgegangen werden kann.
306
Ablauf in vier Phasen
Phase I: Rekonstruktion der beruflichen Anforderungssituation vor dem Krankheitsereignis
Freiberufler, Manager und Unternehmer stehen unter besonders hohen Anforderungen in
ihrem Berufsalltag. Diese gilt es genau zu analysieren, sie stellen die Grundlage zur Entwicklung eines individuellen Trainingsplans dar.
Phase II: Krankheitsbewältigung
Nur wer das Ereignis der Erkrankung psychisch verarbeitet hat, kann sich neuen Zielen zuwenden. Es gilt, Ursachen und Folgen der Erkrankung zu reflektieren und in die jeweils persönliche Lebensbetrachtung zu integrieren. Auf dieser Grundlage kann eine Neudefinition
von beruflichen Zielen und von Lebensentwürfen erfolgen.
Phase III: Training berufsrelevanter Fähigkeiten
Anhand der Ergebnisse aus Phase I und einem Set von Leitfragen wird ein detailliertes Fähigkeitsprofil entwickelt, das als Grundlage für ein individuelles Trainingsprogramm dient.
Das Training konzentriert sich auf die jeweils vom Klienten benötigten Skills und beinhaltet
auch eine Begleitung der ersten Arbeitstage des Klienten.
Phase IV: Work-Life-Balance-Coaching
Da bei der o. g. Zielgruppe häufig ein hohes Maß an Selbstausbeutung bei gleichzeitiger
Vernachlässigung der Privatsphäre und eines gesundheitsorientierten Lebensstils festzustellen ist, bedeutet das Work-Life-Balance-Coaching ein wichtiges Element im Programm.
Es wird eine neue Austarierung von Lebens- und Arbeitswelt erarbeitet (Seiwert, 2002; Fritz,
2003), Entspannungstechniken geübt und eine allgemein gesundheitsorientierte Lebensführung entwickelt. Ziel ist einer erneuten Erkrankung vorzubeugen.
Literaturverzeichnis
Fritz, H. (2003): Besser leben mit work-life-balance. Frankfurt: Eichborn Verlag.
Looss, W. (2002): Unter vier Augen. München: verlag moderne industrie.
Lubbers, B.W. (2003): Ich lasse mich coachen. Wiesbaden: Gabler.
Seiwert, L.J. (2002): Lifetime-Management. Offenbach: Gabal.
Schreyögg, A. (2003): Coaching. Eine Einführung in Praxis und Ausbildung. Frankfurt a. M.:
Campus Verlag.
307
„Fit im Kopf - Fit im Job“ Neuropsychologie in der beruflichen
Rehabilitation: Vorstellung einer neuropsychologischen
Rehabilitationssoftware
Müller, S.V. (1), Klaue, U. (1), Deibel, J. (1), Reimann, A. (2), Böhnke, K. (2), Werres, J. (2)
(1) Otto - von - Guericke Universität Magdeburg, FNW, Institut für Psychologie II,
(2) Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt, Staßfurt
Hintergrund
In einem sich wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Umfeld, welches durch einen verstärkten Wettbewerb um die knappen Arbeitsplätze gekennzeichnet ist, bedeutet die Teilhabe am Erwerbsleben ein besonders wertvolles Gut. Die berufliche Wiedereingliederung gilt
hierfür als ein objektiv feststellbares Kriterium (Brackhahne, 2001). Die Wiedereingliederungsraten bei hirnverletzten Patienten sind besonders niedrig, da die neuropsychologische
Beeinträchtigungen sich besonders empfindlich auf die Arbeitsleistung auswirken (Unverhau, 2005; Kursave, Pössel, 2002). Neuropsychologische Defizite sind ein wesentlicher Faktor für den Wiedereingliederungserfolg (Wehmann et al., 1995)
Bedarf an neuropsychologischer Förderung
Dass ein Bedarf an neuropsychologischer Förderung in der beruflichen Rehabilitation vorliegt, ergab unsere Prävalenzstudie im Bfw Sachsen-Anhalt: 69 Rehabilitanden wurden einem so genannten neuropsychologischen Screening unterzogen (Müller et al., 2007). Ziel
war es, die Teilnehmer mit neuropsychologischen Defiziten zu identifizieren. Je nach Funktionsbereich des Gehirns - Gedächtnis, Konzentration und planerisches Denken - wies jeder
3. bis 4. Umschüler entsprechende Beeinträchtigungen auf. Die häufigsten neuropsychologischen Defizite betrafen die Exekutivfunktionen, die Lernfähigkeit und die Aufmerksamkeit.
Entwicklung der Software
Auf diesem Hintergrund wurde von uns eine Software entwickelt, die sich von herkömmlichen neuropsychologischen Rehabilitationsprogrammen durch einen höheren kognitiven
Anspruch und die Berücksichtigung beruflicher Ausbildungsinhalte unterscheidet. Die Fördersoftware hält Aufgaben zu den Funktionsbereichen Gedächtnis, Aufmerksamkeit und
Exekutivfunktionen bereit. Es werden Programmmodule mit alltagsnahen Aufgaben vorgestellt, z. B. müssen Schichtpläne für den Einsatz von Mitarbeitern erstellt werden, Geschäftsbriefe korrigiert oder verschiedene Anrufer auf dem Anrufbeantworter in hektischen
Bürosituationen erinnert werden. Die Ergebnisse eines ersten Pilottests hinsichtlich Nützlichkeit, Bedienbarkeit und Ansprechbarkeit im BfW Sachsen-Anhalt zeigen positive Rückmeldungen und die Bereitschaft zur Nutzung eines solchen Programms der Umschüler.
Literatur
Brackhane, R.B. (2001): Berufliche Rehabilitation. Psychologische Medizin; 13: 216-220.
Müller, S.V., Specht, A., Klaue, U., Schulz, P. (2007) Neuropsychologie in der beruflichen
Rehabilitation: ein neues Interventionsfeld? Die Rehabilitation, (in press).
Kursawe, U., Pössl, J. (2002): Stufenweise Wiedereingliederung am Arbeitsplatz. In Goldenberg G, Pössl J, Ziegler W (Hrsg): Neuropsychologie im Alltag. Stuttgart: Thieme,
149-165.
308
Unverhau, S. (2005): Neuropsychologische Transfertherapie in der beruflichen Rehabilitation. In: C Dettmers, C Weiler (Hrsg.): Update neurologische Rehabilitation. Bad Honnef:
Hippokampus Verlag, 150-173.
Wehmann, P.H., West, M.D., Kregel, J., Sherron, P., Kreutzer, J.S. (1995): Return to work
for persons with severe traumatic brain injury: A data-based approach to program development. Journal of Head Trauma Rehabilitation 10: 27-39.
AD(H)S-Ambulanz am Berufsförderungswerk Hamburg
Reich-Schulze, E.
Berufsförderungswerk Hamburg
Einleitung und Hintergrund
Erwachsene mit einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (AD(H)S) scheitern
häufig in Schule, Ausbildung und Beruf aufgrund der beeinträchtigenden Symptomatik.
Eine adäquate Behandlung von AD(H)S führt auch bei Erwachsenen zu einer nachhaltigen
Verbesserung der psycho-sozialen Kompetenzen, der individuellen Autonomie und der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Häufige komorbide Störungen wie Depression, Sucht oder
Angststörungen zeigen dabei gleichermaßen eine Rückläufigkeit der Symptomatik, wodurch
sich die Lebensqualität und damit die Leistungsfähigkeit der betroffenen Patienten zusätzlich verbessert.
Die Studienlage bei dem Störungsbild im Erwachsenenalter ist im Gegensatz zu Studien
über ADHS im Kindesalter noch sehr dürftig, insbesondere liegen derzeit noch keine Langzeitstudien zur Wirksamkeit der verschiedenen Behandlungsmodule vor.
Inzwischen liegen mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie (DGPPN) Leitlinien zu Diagnostik und Therapie auf der Basis eines
Expertenkonsensus vor (Ebert et al., 2003)
Am 26. August verabschiedete der Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des
Wissenschaftlichen Beirates eine Stellungnahme zu ADHS (Langfassung seit Dez. 2005 abrufbar unter www.bundesärztekammer.de/30/Richtlinien/Wb/index.html).
Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen ist von
einer höheren Prävalenz von ADS/ADHS auszugehen als in der Normalbevölkerung. 2002
konnte im BFW Hamburg unter 248 Absolventen der Reha-Vorbereitungslehrgänge eine
zwei- bis viermal höhere Prävalenz von AD(H)S als in der Normalbevölkerung festgestellt
werden (Reich-Schulze, 2004).
Seit Jahren bewegt sich die Abbruchquote von berufsfördernden Maßnahmen auf relativ
hohem Niveau, ca. 1/5 der begonnenen Maßnahmen werden nicht beendet.
Es ist zu vermuten, dass ein Teil dieser Abbrüche auf ein bislang nicht diagnostiziertes und
damit unbehandeltes ADS/ADHS im Erwachsenenalter zurückzuführen ist.
Wegen der hohen beruflichen Relevanz des Störungsbildes ADS/ADHS für Ausbildung und
Berufstätigkeit wurde am BFW Hamburg ein interdisziplinäres Diagnose- und Therapiekon309
zept entwickelt, 2002 wurde eine spezielle AD(H)S-Ambulanz am BFW HH eingerichtet, erste Kasuistiken wurden vorgestellt (Reich-Schulze, 2002; 2004).
Im Folgenden werden die ersten Patientendaten aus dieser AD(H)S-Ambulanz vorgestellt
dargestellt.
Allgemeine Daten
Insgesamt suchten 117 (100 %) Patienten, davon 93 Männer und 24 Frauen die AD(H)SAmbulanz mit Fragen zu diesem Störungsbild auf, teils aus Eigeninitiative, teils auf Veranlassung durch Ausbilder, Sonderpädagogen, Psychologen oder Sozialpädagogen.
Alle Patienten hatten große Probleme in der Bewältigung der Reha-Maßnahme, die Mehrzahl fürchtete ein Scheitern der beruflichen Rehabilitation.
Zum Zeitpunkt der Erfassung befanden sich n = 23 (19,6 %) in einer laufenden Maßnahme.
102 (87 %) durchliefen eine reguläre Qualifizierungsmaßnahme in einen neuen Beruf, 14
(11,9 %) absolvierten eine berufliche Integrationsmaßnahme, bei n =1 wurde nur eine dreiwöchige Assessmentmaßnahme durchgeführt.
Bei n = 21 (17,9 %) war die Maßnahme vorzeitig abgebrochen worden, ohne dass bislang
eine Wiederaufnahme erfolgte.
Bei n = 11 (9,4 %) erfolgte nach einem Abbruch eine Wiederaufnahme.
Insgesamt 57 Patienten (48,7 %) schlossen ihre Qualifizierungsmaßnahme erfolgreich ab,
39 von ihnen ohne Besonderheiten im Reha-Verlauf wie Unterbrechung, Rückversetzung
oder Umsetzung in eine andere Ausbildung. 18 Patienten beendeten die Reha-Maßnahmen
erst erfolgreich nach einer Rückversetzung (n=9) oder einer Umsetzung in eine Ausbildung
auf einem niedrigeren (n =5), einem höheren (n =1) oder auf einem vergleichbaren (n =4)
Qualifikationsniveau.
Bei n= 5 Patienten war bereits im Vorfeld ein AD(H)S diagnostiziert worden. Die extern eingeleitete Therapie wurde fortgesetzt, bei Bedarf angepasst und/oder um zusätzliche Therapiemodule erweitert.
Bei n = 108 wurde eine ADS/ADHS-Diagnostik nach den genannten Leitlinien eingeleitet,
die Diagnosestellung erfolgte anhand der Kriterien nach DSM IV. 13 Patienten brachen die
Diagnostik vor endgültiger Diagnosestellung ab, bei 95 (100 %) Patienten konnte die Diagnostik vollständig abgeschlossen werden.
Bei n=79 (83 %) wurde die Diagnose eines ADS/ADHS gestellt, entweder als Residualsymptomatik, als Subtypus oder als Vollbild, davon waren n = 62 m, n = 17w.
16 (16,8 %) der untersuchten Patienten hatten kein ADS/ADHS.
Insgesamt wurden damit seit Einrichtung der AD(H)S- Ambulanz am BFW Hamburg 84 Patienten (100 %) mit AD(H)S ambulant betreut.
Bei n = 80 (95,2 %) wurde eine multimodale Therapie unterschiedlichen Umfangs durchgeführt.
- Alle Patienten erhielten eine ausführliche Information und individuelle Beratung im Anschluss an die Diagnostik.
- 30 Patienten erhielten initial eine Pharmakotherapie mit Methylphenidat (MPH),
- 18 von ihnen behielten MPH wegen guter Wirksamkeit auf die Kernsymptomatik bei,
310
- 3 wechselten zu einem Antidepressivum (MAO-Hemmer, SSRI),
- die übrigen 9 Patienten beendeten die MPH-Therapie nach einiger Zeit wegen nicht ausreichender Wirksamkeit, ohne auf ein Alternativpräparat umzusteigen.
- In den übrigen Fällen wurde ein mehrwöchiges individuelles Coaching und/oder eine
Verhaltensorientierte Psychotherapie durchgeführt.
- 23 AD(H)S-Patienten besuchten zusätzlich eine mehrwöchige Informations- und Trainingsgruppe.
Bei n = 4 (4,7 %) wurde nur eine individuelle Beratung durchgeführt.
Bei 13 ADS/ADHS-Patienten wurde wegen Teilleistungsstörungen (Dyskalkulie, Legasthenie) eine spezielle 6-monatige Vorbereitung vor der eigentlichen Qualifizierungsmaßnahme
durchgeführt, 2 weitere erhielten erst während ihrer Hauptmaßnahmen eine sonderpädagogische Förderung aufgrund einer festgestellten Teilleistungsstörung.
Von den 84 AD(H)S-Patienten befinden sich derzeit noch n =17 (20,2 %) in einer laufenden
Maßnahme, n = 47 (55,9 %) haben ihre Maßnahme inzwischen erfolgreich beendet. 20 Patienten (23,85 %) hatten vorzeitig abgebrochen.
Diskussion
Diese ersten Ergebnisse weisen daraufhin, dass die therapeutische Einbeziehung des Störungsbildes AD(H)S in der ambulanten Betreuung von Betroffenen während berufsfördernder Maßnahmen zur Sicherung des Reha-Erfolges beitragen kann. Bereits Diagnose und
Information über das Störungsbild AD(H)S beeinflussen den weiteren Verlauf der RehaMaßnahmen meist positiv. Unter multimodaler Therapie verbessern sich nachhaltig die
Strukturfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die Impulskontrolle der betroffenen Patienten. In vielen Fällen wird dadurch ein drohender Abbruch bzw. eine Umsetzung in eine niedrigere Qualifizierung verhindert. Es ist zu erwarten, dass mit der Behandlung der AD(H)S die
Betroffen auch nachhaltig erfolgreicher in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können.
In Nachbefragungen der Absolventen zum weiteren Integrationsverlauf nach Beendigung
der Reha-Maßnahmen ist dieser Frage noch nachzugehen.
Literatur
Reich-Schulze, E. (2002): Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom in der beruflichen Rehabilitation chronisch kranker Menschen; ZFA; 78:367-370.
Reich-Schulze, E. (2004): Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom in der beruflichen Rehabilitation- Behandlungsstrategien zur Verbesserung der Selbstkompetenz; DRVSchriften Band 52, 217-219.
Ebert et al. (2003): ADHS im Erwachsenenalter-Leitlinien auf der Basis eines Expertenkonsensus mit Unterstützung der DGPPN; Der Nervenarzt 10: 939-946.
Vorstand der Bundesärztekammer, (2005): Langfassung der Stellungnahme ADHS,
www.bundesärztekammer.de/30/Richtlinien/Wb/index.html.
311
Sozialmedizin
Anpassung des Erwerbsminderungsrentenverfahrens an die
Anforderungen des SGB IX
Wellmann, H., Schian, M., Hetzel, C., Flach, T.
Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen
Sporthochschule Köln
Ziel der Studie
Der § 8 SGB IX fordert die Rehabilitationsträger zur trägerübergreifenden Prüfung des Rehabilitationsbedarfs bei der Beantragung von Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung auf. Am Beispiel des Erwerbsminderungsrentenverfahrens
(EM-Verfahren) soll aufgezeigt werden, wie die Vorschrift in die Praxis umgesetzt werden
kann.
Hierzu wurde erstens das Verfahren der Antragsaufnahme erweitert. Die Antragsteller sollen
intensiver als bisher über Leistungen zur Teilhabe informiert, sensibilisiert und bei Bedarf
zur Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen motiviert werden. Der Rentenversicherungsträger soll eine breitere Entscheidungsbasis für die Bewilligung bzw. Ablehnung des Antrags
auf EM-Rente erhalten. Ziel ist die Identifizierung von Rehabilitationsbedarf.
Zweitens wurden Versicherte, deren Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wurde,
in Form eines Anschreibens auf die Möglichkeiten von Leistungen zur Teilhabe hingewiesen. Ziel ist die verstärkte Inanspruchnahme von diesbezüglichen Beratungsleistungen.
Beide Projektstränge wurden mit der Deutschen Rentenversicherung Rheinland umgesetzt.
Methodik
Als Grundlage diente die ‚Diskussionsgrundlage zur Gestaltung des Verfahrensablaufs in
Erwerbsminderungsrentenverfahren unter den Vorgaben des SGB IX (IQPR, 2004) und deren Weiterentwicklung zu einzelnen Modulen (Wellmann et al., 2006).
Im ersten Projektstrang wurde das Antragsverfahren
- um rehabilitative Aspekte erweitert (u. a. Erläuterungen zu § 8 SGB IX, Leistungen zur
Teilhabe), die nach einem formalisierten Ablaufplan eingefügt wurden (Vorbereitung des
Gesprächs, Gespräch, Nachbereitung). Ziele sind Information und Beratung, eine erweiterte Sachverhaltsaufklärung mit Zustimmung des Versicherten und die Besprechung
und Entscheidung des weiteren Vorgehens (Modul 1).
- um ein halbstandardisiertes Leitfadeninterview mit 22 Items erweitert (u. a. Fragen zum
Krankheitsverlauf, zu Einschränkungen und Kompensationsmöglichkeiten sowie über
das soziale Umfeld). Ziel ist auf Seiten der Rentenversicherung die frühzeitige Informationseinholung über die Situation des Versicherten. Letztere sollen für das Thema Rehabilitation sensibilisiert werden (Modul 2).
312
Im Zeitraum von Januar bis Juni 2006 wurden N=121 EM-Anträge in Form dieses erweiterten Verfahrens im Servicezentrum Köln aufgenommen. Durch den regelmäßigen Austausch
mit den Beratern wurde die Praxistauglichkeit der Module sichergestellt. Für eine abschließende Bewertung wurden die Berater interviewt.
Im zweiten Projektstrang wurden N=2000 Versicherte mit abgelehnten EM-Anträgen mit einer Infopost über Leistungen zur Teilhabe angeschrieben. Eine Kontrollgruppe (N=2000)
erhielt keine Infopost. Beide Gruppen erhielten postalisch jeweils drei Monate nach Erhalt
des ablehnenden Bescheids einen Fragebogen (u. a. Bekanntheitsgrad von Leistungen zur
Teilhabe und diesbezügliche Inanspruchnahme von Beratungsleistungen).
Ergebnisse
Im Rahmen des ersten Projektstranges wurden bei Modul 1 die Punkte der Vor- und
Nachbereitung deutlich weniger erledigt als die Punkte während des Aufnahmegesprächs.
Weitere Unterlagen (z. B. Arbeitgeberauskunft) lagen meistens nicht vor. Die Fragen des
Moduls 2 sind überwiegend gestellt und beantwortet worden, die offenen Fragen meistens
knapp. Die Anwendbarkeit der Module war für die Berater gewöhnungsbedürftig, konnte
aber das strukturelle Vorgehen erleichtern. Trotz einer vielfach ausgeprägten
Rentenfixierung seitens der Antragsteller konnte der Leitsatz ‚Reha vor Rente’ durch die
Module stärker hervorgehoben werden. Aus dem EM-Verfahen gingen acht bewilligte
Anträge auf Leistungen zur Teilhabe hervor (Wellmann, Dalitz, Schian, 2006).
Die Auswertung des zweiten Projektstranges steht noch aus, da der Fragebogenrücklauf bis
zum 31.10.2006 ausgewertet wird. Die Rücklaufquote liegt bei ca. 16 %.
Schlussfolgerungen
Der organisatorische Aufwand für die Implementierung der Module in den Verfahrensablauf
ist überschaubar. Die regelmäßige Durchführung der Module würde allerdings einen zu intensiven Personalbedarf mit sich bringen. Insofern ist zu diskutieren, wie die wesentlichen
Neuerungen der Module effizient in den EM-Verfahrensablauf dauerhaft integriert werden
können. Die Übertragbarkeit der Module auf andere Rentenversicherungsträger ist gegeben.
Literatur
IQPR (Hrsg.) (2004): Prävention und Rehabilitation zur Verhinderung von Erwerbsminderung. Projektbericht. 308-345.
Wellmann, H. et al. (2006): Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs im Erwerbsminderungsrentenverfahren. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): DRV-Schriften Band 64,
131-132.
Wellmann, H., Dalitz, S., Schian, H.M. (2006): Die Umsetzung von § 8 SGB IX im Erwerbsminderungsrentenverfahren. In: Das Gesundheitswesen 7 (68), 500.
313
Wollen psychisch erkrankte Versicherte, die eine befristete Rente wegen
voller Erwerbsminderung beziehen, wieder ins Erwerbsleben
eingegliedert werden?
Kobelt, A. (1), Hesse, B. (2), Grosch, E. (1), Gebauer, E. (2), Krähling, M. (1),
Gutenbrunner, C. (3)
(1) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, (2) Deutsche
Rentenversicherung Westfalen, (3) Koordinierungsstelle für angewandte
Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover
Hintergrund
Psychische Erkrankungen haben eine zunehmende Bedeutung bei Frühberentungen wegen
voller Erwerbsminderung. Im Jahr 2005 lag der Anteil der Renten wegen voller Erwerbsminderung aufgrund psychischer Störungen (F32-F60) gegenüber allen anderen Diagnosen
bundesweit bei 22,9 % (2000: 17,5 %). Mehr als ein Drittel (33,4 %) dieser Versicherten
nahm in den letzten fünf Jahren vor ihrer Berentung nicht an einer medizinischen Rehabilitation teil. Das Durchschnittsalter bei Rentenbeginn lag bei 47 Jahren (2000: 48 Jahre; Statistik der Deutschen Rentenversicherung, 2006, 2001).
Das Krankheitsbild der Versicherten ist häufig chronifiziert und mit einer deutlichen Einschränkung des Leistungsvermögens sowie mit einem Verlust der gesellschaftlichen Teilhabe verbunden (Hesse, 2001; Foerster, 1984). Apfel (2005) stellte in der Schweiz fest, dass
bei nur 50 % der Berenteten mit psychischen Erkrankungen die Arbeitsfähigkeit um mehr als
40 % eingeschränkt war. Dennoch kehren lediglich sechs Prozent der befristet Berenteten in
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zurück (Hesse, 2001). Unsere Untersuchung beschäftigt sich mit dem Gesundheitszustand und der Motivation von psychisch
erkrankten Versicherten mit Rente wegen voller Erwerbsminderung, ins Erwerbsleben zurückzukehren.
Hypothesen unserer Untersuchung
1. Psychisch erkrankte Versicherte, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, sind zwei Jahre nach Beginn der Berentung immer noch gesundheitlich deutlich
eingeschränkt.
2. Etwa ein Drittel der Versicherten, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, sind an einer Wiedereingliederung interessiert.
3. Der Wunsch, wieder eingegliedert zu werden, hängt vom Ausmaß der gesundheitlichen
Einschränkung und vom Alter ab.
Methodik
Als Stichprobe dienten alle psychisch erkrankten Versicherten der DRV BraunschweigHannover, die im Jahr 2004 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt
bekamen und unter 50 Jahren alt waren (n = 352). Die Versicherten bekamen einen vollständig anonymisierten Fragebogen mit Skalen zur Symptombelastung, zum Inkongruenzerleben und zur Alltagsaktivität zugeschickt (Responderrate 54 %). Mittels Faktorenanalyse
wurde eine Skala „Motivation, in das Erwerbsleben zurückzukehren“ gebildet (Erklärte Varianz = 67 %, chronbachs a = 0.82). Für Zusammenhangsanalysen wurden Korrelationen, für
314
Unterschiedshypothesen T- und Chi2-Tests gerechnet. Zur Einschätzung der gesundheitlichen Einschränkungen wurden die Skalenwerte Daten von Reha-Antragstellern (n = 66; vgl.
Kobelt et al., 2005) gegenüber gestellt.
Ergebnisse
Das Durchschnittsalter lag bei 47 + 7 Jahren, die mittlere Berentungsdauer betrug 2 Jahre.
Es antworteten 47,4 % Männer (n = 90) und 52,6 % Frauen (n = 100). Die Versicherten waren bzgl. ihrer psychischen Gesundheit deutlich eingeschränkter als die Reha-Antragsteller
aus dem gleichen Indikationsgebiet (Depressivität ES = 1,15; Somatisierung ES = 0,53;
Phobische Ängste ES = 1,31; SCL-Gesamtwert ES = 1,12). Bei der gesundheitlichen Belastung fand sich ein mittlerer Geschlechtseffekt. Frauen fühlten sich in ihrer Alltagsaktivität
eingeschränkter (ES = 0.5), fühlten sich ängstlicher (ES = 0.4) und somatisch belasteter
(ES = 0.5).
Etwa ein Drittel der antwortenden Versicherten (37 %) war motiviert, konkrete Unterstützung
zur Rückkehr ins Erwerbsleben in Anspruch zu nehmen. Die Motivation war in geringem
Maß von der gesundheitlichen Einschränkung (r = 0.16, p < 0.01) und der Somatisierungstendenz abhängig (r = 0.21, p < 0.01). Wir fanden keine korrelativen Zusammenhänge zum
Alter, zum Ausmaß der Depressivität, zum Inkongruenzempfinden oder zu den phobischen
Ängsten. Demgegenüber gab es deutliche Zusammenhänge zwischen dem Alter und der
symptomatischen Belastung (r = 0.3, p <0.01), sowie zu den Einschränkungen im Alltag
(r = 0.4, p < 0.01).
Diskussion
Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Ausmaß der gesundheitlichen Einschränkungen nur geringen Einfluss auf die Motivation hat, ins Erwerbsleben zurückzukehren (vgl.
u. a. Förster, 1984). Trotzdem ist der Anstieg der symptomatischen Belastung und der Einschränkungen im Alltag in Abhängigkeit vom Alter bei Initiativen zur Wiedereingliederung zu
berücksichtigen.
Ausblick
Vor dem Hintergrund, dass es kaum Unterstützungsangebote gibt, weist der von uns gefundene relativ hohe Anteil von Versicherten, die an einer Wiedereingliederung interessiert
sind, darauf hin, dass es hier möglicherweise Bedarf an speziellen Rehabilitations- und Integrationskonzepten, bspw. in Form eines Case-Managements, gibt, die zu einer deutlich
höheren Rückkehrquote führen könnten.
Literatur
Apfel, T., Riecher-Rossler, A. (2005): Werden psychisch Kranke zu schnell in die Rente „abgeschoben“? Psychiat. Prax., 32, 172-176.
Deutsche Rentenversicherung Bund (2006): Statistik der Deutschen Rentenversicherung.
Rentenzugang 2005. Frankfurt: Stürtz.
Förster, K. (1984): Neurotische Rentenbewerber. Psychodynamische Entwicklung und sozialer Verlauf aufgrund mehrjähriger Katamnesen. Enke: Stuttgart.
Hesse, B. (2001): Rehabilitation und Frühberentung bei jüngeren Antragstellern mit psychischen Erkrankungen. Unveröffentlichter Projektbericht. Institut für Rehabilitationsfor-
315
schung Norderney - Abteilung Sozialmedizin Münster. URL: http://www.rehaforschungnorderney.de/img/eigene/Abschlussbericht_projekt_90.pdf.
Kobelt, A., Grosch, E., Wasmus, A., Ehlebracht-König, I., Gutenbrunner, C. (2005): Erschöpfung und Rehabilitationsbedürftigkeit bei Rehabilitationsantragstellern. In: Petermann, F.
(Hrsg.) Barrieren, Kosten und Optimierung in der medizinischen Rehabilitation. Regensburg (Roderer), 37-55.
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2001): VDR Statistik Rentenzugang. Frankfurt: Stürtz.
Der vorläufige EUMASS-ICF Core Set für Personen mit längerfristigen
Beeinträchtigungen der beruflichen Leistungsfähigkeit in der
sozialmedizinischen Begutachtungspraxis
Timner, K.
Deutsche Rentenversicherung Bund
Hintergrund
Initiiert durch die Europäische Vereinigung von Medizinern in Versicherung und Sozialer Sicherheit (European Union of Medicine in Assurance and Social Security, EUMASS) trafen
sich Experten verschiedener Sozialleistungsträger, auch unter Beteiligung der Deutsche
Rentenversicherung, um ICF-Items zu bestimmen, die in der sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Übernahme, Ausführung und Erledigung einer
Arbeit wichtig sind. Die ausgewählten Items sollten zudem für Personen mit längerfristigen
Problemen in der beruflichen Leistungsfähigkeit relevant sein. Diese Itemzusammenstellung
wurde in verschiedenen Abstimmungsprozessen in einer Arbeitsgruppe der EUMASS auf 20
Items reduziert und schließlich im Juni 2006 als vorläufiger Core Set beschlossen. Dieser
Core Set soll nun in der Begutachtungspraxis erprobt werden.
Methodik
Der ICF Core Set wurde in einem Arbeitsbereich der Deutschen Rentenversicherung Bund
zur Auswertung von sozialmedizinischen Gutachten bei 302 Rentenanträgen wegen Erwerbsminderung angewandt. Nach abgeschlossener Leistungsbeurteilung wurden ICFItems dokumentiert, mit denen sich die Beeinträchtigungen beschreiben ließen und die vor
allem das negative Leistungsbild und ggf. auch die Einschränkungen in der zeitlichen Belastbarkeit bestimmten.
Ergebnisse
In 298 Begutachtungsfällen ließ sich mindestens ein Item aus dem ICF Core Set auswählen,
das der Leistungsbeeinträchtigung entsprach. In vier Fällen gelang dies nicht. Der Mehraufwand für einen Begutachtungsvorgang lag meistens unter 5 Minuten. Im Durchschnitt wurden 2,9 Items des Core Sets ausgewählt. In der Gruppe (n=110) mit einem Leistungsvermögen von unter 3 Stunden in der letzten Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
wurden durchschnittlich 4,1 Items angegeben. Dagegen wies die Gruppe (n=137) mit einem
Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr sowohl in der letzten Tätigkeit als auch auf
316
dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Mittel nur 1,9 Items auf. Probleme im Umgang mit Stress
(d240), Defizite in den Funktionen der Gelenkbeweglichkeit (b710) und Einschränkungen bei
der Übernahme von Mehrfachaufgaben (d220) waren am häufigsten, während Hörfunktion
(d115) und Sehfunktion (d110) am seltensten vertreten waren. Schmerz (b280) lag an 12.
Stelle der Häufigkeitsverteilung. Differenziert man die Stichprobe nach Diagnosegruppen
entsprechend der ersten ICD-10 Diagnose, weisen die ausgewählten Gruppen der bösartigen Neubildungen (C-Diagnosen), psychiatrischen Diagnosen (F-Diagnosen) und Bindegewebe-Muskel-Skelett-Erkrankungen (M-Diagnosen) Unterschiede auf. In der M-Diagnosegruppe wurden am häufigsten Beeinträchtigungen beim Heben und Tragen (d430), in der
Gelenkbeweglichkeit (b730) und in der Handfeinmotorik (d430) registriert. In der FDiagnosegruppe rangierte der Umgang mit Stress (d240) an erster Stelle der Beeinträchtigungen. Für die C-Diagnosegruppe wurden am häufigsten Beeinträchtigungen in der Feinmotorik der Hand (d430) und der Muskelkraft (b730) dokumentiert (Abb. 1).
Abb. 1: Verteilung ausgewählter ICF Core Set Items in verschiedenen Gruppen der 1. ICD10 Diagnose
C-Diagnosen
F-Diagnosen
M-Diagnosen
Häufigkeit in %
30
20
10
d4
50
d4
45
d4
40
Item Bezeichnung
d4
30
b2
80
b7
10
b7
30
d2
20
d2
40
d4
10
d4
15
0
Schlussfolgerungen und Ausblick
Der von der EUMASS generierte vorläufige Core Set für Personen mit längerfristiger Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit konnte bei der Begutachtung von Rentenantragstellern angewendet werden. Der erforderliche Zeitaufwand ist mit 5 Minuten gering. Die
Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die Leistungsminderung in der Zahl der ausgewählten Items widerspiegelt. Das Item-Profil, das Beeinträchtigungen und Leistungsdefizite charakterisiert, unterscheidet sich in einzelnen ICD-Diagnosegruppen. Dies deckt sich mit den
Erfahrungen aus der Begutachtungspraxis. Die Häufigkeit einzelner Items weist möglicherweise auf unterschiedliche Bedeutung oder Wichtigkeit hin. Schmerz würde nach dieser Untersuchung in den Auswirkungen auf das Leistungsvermögen keine wichtige Rolle spielen,
während die Stressbelastbarkeit eine größere Bedeutung zu haben scheint. Dies müsste in
317
einer weiteren bzw. größeren Stichprobe überprüft werden. Darüber hinaus sind weitere Untersuchungen zur Evaluierung des ICF Core Sets erforderlich.
Welche während der Anschlussheilbehandlung (AHB) erhobenen
(pathophysiologischen) Parameter lassen eine reliable
sozialmedizinische Beurteilung der Belastung von Koronarpatienten zu?
Montanus, H. (1), Montanus, U. (1), Hasemann, J. (1), Ringel, K. (2), Tandler, N. (1),
Hottenrott, K. (2)
(1) Elbe-Saale Kleink Barby, (2) Institut für Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
Hintergrund
Die allgemeine Belastbarkeit von Koronarpatienten wird limitiert durch die kardiale Funktionsbreite. Unter dem Primat der Praktikabilität haben sich in der kardiologischen Anschlussheilbehandlung das fahrradergometrische Belastungs-EKG und die Echokardiographie als Routine in den Funktionsprüfungen des Herzens und zur Bestimmung von Parametern zur Abschätzung der Belastbarkeit etabliert. So sind als Konsequenz für verschiedene Berufsgruppen Belastungsäquivalente in Watt definiert worden (Barmeyer, 1998). Die
fahrradergometrischen Belastungsergebnisse werden gewertet im Zusammenhang mit dem
echokardiographisch erhobenen Myokardfaktor (i. e. linksventrikuläre Funktion) und dem
Koronarfaktor (i. e. Ischämiereaktion) unter Beachtung der die Hämodynamik beeinflussenden Klappenfunktion und des Herzrhythmus (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 2003).
Zielsetzung und Methode
Aufgabe unserer Untersuchung ist die Evaluation, ob die genannten Parameter in der kardiologischen Anschlussheilbehandlung eine zuverlässige Beschreibung der Belastbarkeit
herzinsuffizienter Koronarpatienten ermöglichen.
Es wurden 40 Patienten mit Zustand nach operativer Myokardrevaskularisation und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion in die Studie eingeschlossen (48,6 +/- 6,5 Jahre,
LVEF 38 % +/- 8 %). 68 % der Probanden hatten kein aktuelles Beschäftigungsverhältnis,
39 % einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt.
Die Probanden wurden in der Anschlussheilbehandlung (20,5 +/- 2,5 Tage) einem kombiniertem Ausdauer-, Kraft-Ausdauer- und Koordinationstraining unterzogen.
Sie wurden vor Beginn des Trainings und nach Abschluss der Rehabilitation mittels Echokardiographie und Spiroergometrie mit Lactatbestimmung und Blutgasanalyse untersucht.
Zu beiden Messzeitpunkten erfolgte eine Kontrolle der BNP-Werte und der Befunde im
Langzeit-EKG inklusive Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität.
Während des Trainings wurden die Herzfrequenzen sowie die Herzfrequenzvariabilität in
Ruhe (S810 der Firma Polar Elektro) registriert.
318
Ergebnisse
Besonders beim Koordinations- und Spieltraining ergeben sich signifikante Abweichungen
der maximalen Herzfrequenzen bezüglich Absolutwert und relativer Dauer im Vergleich zu
den fahrradergometrisch ermittelten Daten. Gleiches gilt für subjektive Belastungsparameter
(Borg-Skala).
Die geleisteten Belastungen und erreichten Trainingseffekte im Kraft-Ausdauer-Training
können in keine Beziehung zu den fahrradergometrischen Daten gesetzt werden.
Am Ende des rehabilitativen Trainings konnte in der Spiroergometrie eine Verbesserung der
Belastbarkeit als Trainingseffekt nachgewiesen werden.
Der Zugewinn an Wattleistung korrelierte schwach mit der Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme und Verschiebung der anaeroben Schwelle, nicht jedoch mit den Veränderungen des Sauerstoffpulses. Keine Korrelationen ergaben sich im Vergleich der spirogergometrischen Parameter mit Veränderungen der linksventrikulären Funktion und den BNPWerten.
Der Vergleich der Zeitbereichsparameter der Herzfrequenzvariabilität der unterschiedlichen
Messzeitpunkte untereinander (SD 1, SD 2, RMSSD, pNN50) ließ einen positiven Trend erkennen, der nur schwach mit der Veränderung der fahrradergometrischen Wattleistung korreliert. Dies wird als ein von der in Watt gemessenen Belastbarkeit weitgehend unabhängiger, jedoch prognostisch bedeutsamer Trainingseffekt gewertet.
Fazit
Die Ergebnisse weisen daraufhin, dass die bei der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung
standardmäßig / traditionell berücksichtigten Parameter ein nicht ausreichend differenziertes
Bild der Belastbarkeit von Koronarpatienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion
ausweisen und durch weitere, in der sportmedizinischen / kardiologischen Diagnostik etablierte, differenziert zu betrachtende Parameter ergänzt werden sollten. Die Evaluation eines
Score-Systems (ggf. incl. weiterer praktikabler Untersuchungen) wird vorgeschlagen.
Literatur
Barmeyer, J. (1998): „Das kardiologische Gutachten“, Stuttgart.
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2003): „Sozialmedizinische Begutachtung
für die gesetzliche Rentenversicherung“, Heidelberg.
Aunola, S., Rusko, H. (1984): Reproducibility of aerobic and anaerobic thresholds in 20-50
year old men. Eur. J. Appl. Physiol. 53: 260-266.
319
Das Arbeitsbelastungsniveau - Standardisierte Selbstauskunft und
Messung im Vergleich
Glatz, A. (1), Anneken, V. (2), Heipertz, W. (3), Kraus, T. (4), Weber, A. (1)
(1) Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitationan der Deutschen
Sporthochschule Köln, (2) Institut für Rehabilitation und Behindertensport der Deutschen
Sporthochschule Köln, (3) Ärztlicher Dienst der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg,
(4) Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin der RWTH Aachen
Ziel der Studie
Bei motivierten Freiwilligen mit Gesundheitsstörungen im Bereich ‚Rücken oder Gelenke’ - in
einem ergebnisoffenen Setting ohne Aussicht auf finanzielle Vor- oder Nachteile - sollte das
Verhältnis von selbstauskunftsbezogener und messbezogener Einstufung der körperlichen
Leistungsfähigkeit geklärt werden.
Material und Methoden
Im Zeitraum von 11/03 bis 10/05 wurden 162 Probanden (Altersmedian 40, Männeranteil
77,2 ), bei denen Gesundheitsstörungen im Bereich ‚Rücken oder Gelenke’ vorlagen, anhand des PACT-Instrumentes (Performance Assessment Capacity Testing) hinsichtlich des
individuell möglichen Arbeitsbelastungsniveaus befragt. Dieses orientiert sich am ‚Dictionary
of occupational Titles - DOT’ des US Department of Labor und differenziert hinsichtlich der
Ausprägungen in die folgenden Arbeitsbelastungskategorien: 1 sehr leicht, 2 leicht, 3 mittelschwer, 4 schwer, 5 sehr schwer. Am selben Tag wurde darüber hinaus die körperliche
Leistungsfähigkeit der Probanden mit Hilfe des ERGOS WORK-Simulators aktivitätsdiagnostisch untersucht. Abschließend wurde anhand einer Datenbank des ERGOS-Systems
der Abgleich der individuellen Fähigkeiten mit tätigkeitsspezifischen Anforderungen vorgenommen.
Ergebnisse
Der Zusammenhang zwischen subjektiv und objektiv ermittelten Arbeitsbelastungskategorien betrug 0.47** (Spearmann-Rho, N = 149). Sowohl subjektive (Fs) als auch objektive
(Fm) Fähigkeitseinstufungen zum individuell möglichen Arbeitsbelastungsniveau lassen sich
mit messbezogen (objektiven) ermittelten Anforderungseinstufungen des individuell nötigen
Arbeitsbelastungsniveaus (Am) von Tätigkeiten vergleichen. Beide vorgenannten Fähigkeitseinstufungen zum Arbeitsbelastungsniveau (Fs und Fm) lassen sich mit messbezogen ermittelten Anforderungseinstufungen des Arbeitsbelastungsniveaus von Tätigkeiten (Am) vergleichen. In ca. 66 % der Fälle kommt es zu einer identischen Passungsaussage. Zu den
Unterschieden: Die Passung, die auf subjektiver Fähigkeitsermittlung basiert, weicht in ca.
2 % positiv und in ca. 32 % negativ von der Passung ab, bei der Anforderungen und auch
Fähigkeiten objektiv ermittelt wurden, d.h. anhand von subjektiver Fähigkeitsermittlung wird
die gesundheitliche Tätigkeitseignung in 32 % der Fälle verneint, während sie bei objektiver
Fähigkeitsermittlung bejaht wird.
Schlussfolgerungen
Selbst bei guter Motivation ist der Zusammenhang von subjektiv und objektiv ermittelter körperlicher Leistungsfähigkeit relativ gering.
320
Im Vergleich mit Arbeitsanforderungen zeigt sich eine deutliche Unterschätzung der tätigkeitsspezifischen gesundheitlichen Eignung.
Literatur
Ueberschär, I., Heipertz, W. (2002): Zur Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer aus arbeitsund sozialmedizinischer Sicht. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin
Jahr/Band/Seite 2002;37(10):490.
Heoüertu, W., Götz, U., Lorenz, H., Hartwig, Th., Toumi, I., Ueberschär, I., Berg, A., Trittelvitz, E., Nellessen, G. ( 2001): Die Ergos® - Studie des Ärztlichen Dienstes der Bundesanstalt für Arbeit (BA) - Erste Ergebnisse der zweiten Phase. In: DRV Schriften Band 33:
Frankfurt am Main, 79-81
Kaiser, H., Kersting, M., Schian, H.M. (2000): Der Stellenwert des Arbeitssimulationsgerätes
ERGOS als Bestandteil der leistungsdiagnostischen Begutachtung. Die Rehabilitation,
Vol. 39 (3), 175-184.
Matheson, L.N., Matheson, M.L. (1996): Spinal Function Sort. In: Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation SAR-Arbeitsgruppe „Ergonomie“: Selbsteinschätzung der
körperlichen Leistungsfähigkeiten. Bellikon.
321
Rehabilitationspsychologie
Klinische Symptomatik von depressiven Patienten nach der stationären
kardiologischen Rehabilitation - Welche Erfolge bleiben mittel- und
langfristig?
Barth, J. (1,2), Härter, M. (3), Bengel, J. (1)
(1) Universität Freiburg, Institut für Psychologie, (2) Universität Bern, Institut für Sozial- und
Präventivmedizin, (3) Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik Freiburg
Hintergrund
Depressive Symptome und depressive Störungen haben bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) einen negativen Effekt auf Morbidität und Mortalität (Barth et al., 2004). Eine psychopharmakologische Behandlung kann aufgrund vorliegender Studien nur für Patienten mit rezidividierenden depressiven Episoden dringend empfohlen werden. Psychotherapeutische Interventionen haben sich hinsichtlich depressiver Symptome als wenig klinisch
wirksam erwiesen. Die Ergebnisse der Interventionsstudie PROTeCD (Psychotherapeutic
Resource-Orientated Treatment for Cardiac Patients with Depression) zeigte, dass die stationäre kardiologische Rehabilitation sehr erfolgreich depressive Symptome reduzieren kann.
Die Effektstärken zum Zeitpunkt der Entlassung liegen zwischen 0,8 und 1,1 für depressive
Symptome (Barth et al., 2005) und sind vergleichbar mit anderen therapeutischen Methoden
zur Reduktion depressiver Symptome. Ein additiver Effekt einer Kurzzeitpsychotherapeutischen Intervention war nicht nachgewiesen worden. Die Frage der Stabilität dieser zunächst
günstigen therapeutischen Effekte der stationären Rehabilitation auf den mittelfristigen und
langfristigen Verlauf der klinisch-psychologischen Symptomatik war Teil der hier vorgestellten Analyseergebnisse.
Methodik und Durchführung
Patienten dreier Rehabilitationskliniken wurden mit der Hospital Anxiety and Depression
Scale (HADS) auf das Vorliegen einer erhöhten psychischen Belastung (HADS ≥17) untersucht. Personen mit einer depressiven Störung (N=59) erhielten eine dreiwöchige stationäre
Rehabilitationsmaβnahme. Die Depressivität wurde mit dem Beck-Depressions-Inventar
(BDI) erfasst. Weiterhin wurde die Ängstlichkeit und Depressivität mit der HADS erfasst und
die Lebensqualität (SF 12) geprüft. Diese Daten liegen 6 Monate nach der Rehabilitationsmaβnahme und in einer Langzeitkatamnese (6 Monate bis 2 Jahre) vor. Eine klinisch
relevante Symptomatik liegt für das BDI bei den Grenzwerten 11 (mild) und 18 (klinisch
relevant) vor. Grenzwerte für die HADS liegen bei 8 (Depressivität) bzw. 10 (Ängstlichkeit).
Bei der SF 12 entsprechen höhere Werte einer besseren Lebensqualität.
Ergebnisse
Patienten mit einer depressiven Störungen hatten zu Beginn im Mittel einen BDI-Wert von
19,78 und wiesen nach sechs Monaten weiterhin eine klinische relevante Symptomatik (M =
17,35) auf. Die Ängstlichkeit der Patienten reduzierte sich von Mprä = 12,5 nach sechs Mo322
naten auf Mpost = 10,07. Die Lebensqualität der Patienten verbesserte sich mittelfristig im
somatischen Bereich nur geringfügig im Vergleich zum Beginn der Rehabilitation (SF 12
somatisch Mprä = 34,88; Mpost = 35,37). Im psychischen Bereich war der Effekt ausgeprägter (SF 12 psychisch Mprä = 30,97; Mpost = 38,37). Sechs Monate nach der stationären
kardiologischen Rehabilitation ergaben sich bezüglich der klinisch-psychologischen Dimensionen Effektstärken zwischen 0,31 (BDI) und 0,65 (Ängstlichkeit, HADS). Damit war es im
Zeitraum sechs Monate nach der stationären Rehabilitation in etwa zu einer Halbierung des
Effekts der Intervention auf die klinisch-psychologische Symptomatik der Patienten gekommen.
Im langfristigen Verlauf zeigte sich hinsichtlich der depressiven Symptomatik eine Reduktion
der depressiven Symptome im Vergleich zu den Werten sechs Monate nach der
Rehabilitationsmaβnahme. Der Mittelwert des BDI lag bei 15,74 Punkten. Die Ängstlichkeit
der Patienten lag bei M=9,05. In der Lebensqualität wurde ebenfalls eine weitere Verbesserung im langfristigen Verlauf gefunden: Im SF 12 (somatisch) lag der Mittelwert bei 38,5
Punkten, im psychischen Bereich der SF 12 bei 41,4 Punkten. Langfristig lagen die Effektstärken der Rehabilitation hinsichtlich klinisch-psychologischer Maβe zwischen d=.54 (BDI)
und d=1.0 (HADS Ängstlichkeit).
Diskussion
Die stationäre kardiologische Rehabilitation erweist sich als effektiv in der mittel- und langfristigen Reduktion depressiver Symptome bei Patienten mit komorbiden depressiven Störungen. Der initiale Effekt der stationären Behandlung konnte mittelfristig zwar nicht stabilisiert werden, jedoch war langfristig eine weitere Reduktion der depressiven Symptome bei
den Patienten aufgetreten. Gleichzeitig weisen die Ergebnisse darauf hin, dass viele Patienten mittel- und langfristig weiterhin eine klinisch relevante depressive Symptomatik aufweisen. Trotz der durchschnittlich guten Wirkung der Rehabilitationsmaβnahme bleibt deshalb
die Frage, wie Patienten mit persistierender Symptomatik nach der stationären Rehabilitation ergänzend psychotherapeutisch und psychopharmakologisch behandelt werden können.
Die in der langfristigen Katamnese berichtete subsyndromale Symptomatik vieler Patienten
und die mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegende psychische Störung bei einer Teilgruppe
weiterer Patienten machen eine verbesserte mittelfristige Behandlung komorbider depressiver KHK Patienten notwendig.
Literatur
Barth, J., Schumacher, M., Herrmann-Lingen, C. (2004): Depression as a risk factor for mortality in patients with coronary heart disease: a meta-analysis. Psychosomatic Medicine,
66, 802-813.
Barth, J., Paul, J., Härter, M., Bengel, J. (2005): Inpatient psychotherapeutic treatment for
cardiac patients with depression in Germany: short term results. Psycho-Social-Medicine,
2, Doc 4.
323
Patienten-Arzt-Interaktion in der Rehabilitation: Wie bewerten Ärzte und
Patienten die gemeinsamen Gespräche?
Dibbelt, S., Fleischer, C., Schaidhammer, M., Greitemann, B.
Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde
Hintergrund
Die Beziehung zwischen Arzt und Patient hat eine Schlüsselfunktion in der medizinischen
Versorgung. Nachweislich nimmt sie Einfluss auf zahlreiche Parameter des Behandlungserfolges (Stewart, 1999; Di Blasi, 2001).
Ärzte in Rehabilitationskliniken sind mit spezifischen Kommunikationsaufgaben konfrontiert:
Patienten mit chronischen Erkrankungen haben neben den gesundheitlichen oft soziale, berufliche und psychische Probleme; außerdem besetzen die Ärzte als Gutachter und Behandler eine Doppelrolle, die zu Konflikten führen kann. Umso wichtiger ist es, dass Ärzte über
gute kommunikative Fertigkeiten verfügen.
Ziele des Projektes
Das Projekt PAINT (Patienten-Arzt-Interaktion) hat sich zum Ziel gesetzt:
1. die Qualität der gemeinsamen Gespräche (bei Aufnahme, Visite und Entlassung) mithilfe
eines Fragebogens in zwei Parallelformen für Arzt und Patient (Fragebogen zur Kontaktbewertung) messbar zu machen und
2. ein auf die Rehabilitation zugeschnittenes Konzept zum Training kommunikativer Fertigkeiten für Ärzte zu entwickeln, durchzuführen und zu evaluieren.
Instrumente und Messzeitpunkte
Das Konzept des Fragebogens orientiert sich an einem Vorschlag von Bensing (1991), nach
dem die Qualität eines Gespräches hinsichtlich des affektiven Verhaltens, des strukturellen
Vorgehens sowie der Beteiligung und Einbindung des Patienten beschrieben werden kann.
Der PAINT-FKB (Fragebogen zur Kontaktbewertung) erfasst die affektive Beziehungsgestaltung (Empathie und Wertschätzung), informatives und strukturierendes Verhalten (Information über die Behandlung und den Ablauf der Reha, Zielvereinbarungen, Entscheidungsfindung), Dominanz (Kontrolle des Gespräches durch Arzt und Patient) und störende Randbedingungen (Zeitdruck, Wartezeiten und Unterbrechungen). Ärzte und Patienten bewerteten
ihre gemeinsamen Gespräche bei Aufnahme, Entlassung und einer Visite. Patienten beantworteten außerdem den IRES 3 bei Aufnahme, Entlassung und zu einem Katamnesezeitpunkt 6 Monate später.
Teilnehmer
Den hier berichteten Ergebnissen liegen die Daten von 29 Stationsärzten und 298 Patienten
aus 4 Rehabilitationskliniken zugrunde, die die gemeinsamen Aufnahmegespräche mithilfe
des PAINT-Kontaktfragebogens (vor der Durchführung des Trainings) bewertet haben.
Ergebnisse: Vergleich der Bewertungen von Arzt und Patient
Bei einem Vergleich der Bewertungen der Aufnahmegespräche zeigte sich Folgendes: Die
affektive Ebene der Kontakte wird von Ärzten und Patienten übereinstimmed positiv eingeschätzt, während das informative und strukturierende Verhalten der Ärzte von den Patienten
324
signifikant als weniger ausgeprägt eingeschätzt wird als von den Ärzten selbst. Auch dominieren Ärzte die Gespräche nach Einschätzung der Patienten weniger als sie selbst glauben. Darüber hinaus nehmen Ärzte Kontaktbarrieren und Störungen (Zeitdruck, Unterbrechungen) ausgeprägter wahr als Patienten.
Weitere Fragestellungen
Weitere Analysen werden der Frage nachgehen, durch welche Faktoren die Bewertungen
beeinflusst sind: Finden sich Unterschiede in der Bewertung der Kontakte in Abhängigkeit
von der Situation (Vergleich von Aufnahme- und Entlassgesprächen)? Welchen Einfluss hat
die Betreuungskonstanz während des Aufenthaltes auf die Bewertung der gemeinsamen
Gespräche? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Qualität der Arzt-Patient-Kontakte
und dem Erfolg der Rehabilitation 6 Monate nach Entlassung?
Literatur
Bensing, J.M. (1991): Doctor-patient communication and the quality of care. Utrecht: NIVEL.
Academisch Proefschrift EUR.
Di Blasi, Z., Harkness, E., Est, E., Georgiou, A., Kleijnen, J. (2001): Influence of context effects on health outcomes: a systematic review. Lancet, 357(9258): 757-62.
Stewart, M., Brown, J.B., Boon, H., Galajda, J., Meredith, L., Sangster, M. (1999): Evidence
on patient-doctor communication. Cancer Prevention and Control, 25-30.
Bührlen, B., Gerdes, N. et al. (2002): Der IRES-Fragebogen Version 3: Aufbau und psychometrische Testung. DRV-Schriften, Band 33, 73-75.
Die Katamnese im Fokus: Das Auftreten von kritischen
Lebensereignissen und deren Einfluss auf das mittelfristige
Rehabilitationsoutcome
Glattacker, M. (1), Farin, E. (1), Jäckel, W.H. (1,2)
(1) Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin,
(2) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
Hintergrund
Die Analyse des mittel- oder langfristigen Outcomes nach einer Rehabilitationsmaßnahme
ist häufig eine zentrale Fragestellung rehabilitationswissenschaftlicher Studien. Je länger
jedoch der Katamnesezeitraum ist, umso schwieriger wird es in einem Ein-Gruppen-Design
angesichts verschiedener konfundierender Einflüsse, das Outcome auf die Rehabilitation
zurückzuführen. Als konfundierende Variablen werden - insbesondere in der psychosomatischen Medizin - häufig „kritische Lebensereignisse“ diskutiert (Fava, Sonino, 2005), deren
prädiktiver Wert für das langfristige Behandlungsoutcome z. B. bei depressiven Erkrankungen oder Fibromyalgie belegt ist (Wigers, 1996; Bühler, Pagels, 2003).
Im vorliegenden Beitrag wird der Katamnesezeitraum nach einer somatischen Rehabilitation
fokussiert. Es wird beschrieben, welche kritischen Lebensereignisse auftreten und wie belastet die Patienten hierdurch sind. Darauf basierend wird analysiert, ob das Auftreten kritischer Lebensereignisse das mittelfristige Rehabilitationsoutcome beeinflusst.
325
Methodik und Stichprobe
Zur Ermittlung des patientenseitigen Outcomes wurde der IRES-3 (Bührlen et al., 2005) zu
zwei Messzeitpunkten eingesetzt (Aufnahme, Sechsmonatskatamnese), die kritischen Lebensereignisse wurden zum Katamnesezeitpunkt in Anlehnung an den „LebensereignisFragebogen“ (Hänsgen, Oderich, 1985) erfasst. Hierbei wird für 14 Ereignisse (z. B. Unfall,
Tod des Partners) erfragt, ob sie im letzten halben Jahr aufgetreten sind und wie belastet
sich der Patient sich hierdurch fühlt (vierstufige Skala: „gar nicht“ bis „sehr“). Zur Erfassung
des Einflusses der Lebensereignisse auf das Outcome wurden multiple Regressionsanalysen durchgeführt, in denen die IRES-Dimensionen zum Katamnesezeitpunkt die Kriterien
bildeten. Als unabhängige Variablen wurden neben den kritischen Lebensereignissen soziodemographische Merkmale und medizinische Parameter (z. B. Diagnose, Komorbidität) sowie die Eingangsbelastung berücksichtigt. Nach einer Prüfung der Voraussetzungen der
Regression (Multikollinearität, Autokorrelation der Residuen) wurden diejenigen Variablen
als stabile Prädiktoren interpretiert, deren Beta-Koeffizient auf einem Niveau von p<0,01
signifikant wurde.
Die Stichprobe umfasst N=971 Rehabilitanden aus acht Kliniken der Indikation Muskuloskelettale Erkrankungen. 62 % der Stichprobe sind weiblich. Das Durchschnittsalter beträgt
69,8 Jahre (SD=8,9), entsprechend liegt der Rentneranteil bei 89 %. 69 % der Patienten
sind zu einer Anschlussrehabilitation/AHB in den Einrichtungen, die häufigsten Diagnosen
sind Koxarthrose (21 %) und Gonarthrose (20 %).
Ergebnisse
Am seltensten werden die Ereignisse „Umzug in ein Alten-/Pflegewohnheim (2,4 %) und entsprechend des hohen Rentneranteils - „Wechsel der Arbeitsstelle“ sowie „Arbeitslosigkeit“ (je 2,9 %) berichtet. Am häufigsten tritt ein erneuter Krankenhausaufenthalt (30,2 %)
bzw. die Erkrankung naher Angehöriger auf (21,7 %), wodurch sich 60 % resp. 66 % der Patienten „ziemlich“ bzw. „sehr“ belastet fühlen. 58 % der Patienten erleben im Katamnesezeitraum mindestens ein kritisches Lebensereignis, die mittlere Anzahl an Lebensereignissen liegt bei 1,6. Zwar unterscheiden sich Männer und Frauen nicht in der Anzahl berichteter Lebensereignisse, Frauen fühlen sich hierdurch jedoch stärker belastet (T=-2,454;
p=0,014). Das Alter der Patienten hängt hingegen nicht mit dem Berichten kritischer Lebensereignisse zusammen.
Bezogen auf das Outcome 6 Monate nach Behandlungsende werden insgesamt zwischen
15 % und 49 % der Varianz aufgeklärt, der Eingangswert des Kriteriums ist jeweils der
stärkste Prädiktor. Darüber hinaus erweist sich für alle Gesundheitsdimensionen mit Ausnahme der Krankheitsbewältigung und des Gesundheitsverhaltens als prädiktiv, ob Patienten ein kritisches Lebensereignis erlebt haben und wie belastet sie hierdurch sind. Dasselbe
gilt, wenn man das mit dem Gesundheitszustand per se konfundierte Ereignis „Krankenhausaufenthalt“ unberücksichtigt lässt. Die Vorhersagekraft der kritischen Lebensereignisse
übersteigt zumeist diejenige anderer Variablen wie Alter und Geschlecht, und bleibt i. d. R.
auch dann erhalten, wenn man im Hinblick auf weitere Confounder wie Diagnosegruppe oder Komorbidität adjustiert.
326
Diskussion
Der Gesundheitszustand sechs Monate nach Rehabilitationsende hängt neben der Eingangsbelastung davon ab, ob ein Patient im Katamnesezeitraum ein kritisches Lebensereignis erlebt und wie sehr ihn dieses belastet. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit der Rehabilitation sollte daher den „konfundierenden Ereignissen“ während des Katamnesezeitraums verstärkt Aufmerksamkeit entgegengebracht werden.
Literatur
Bühler, K.-E., Pagels, S. (2003): Der Einfluss von Biographie, Lebensereignissen und chronischen Schwierigkeiten auf den Verlauf stationärer Therapie Depressiver. Nervenheilkunde: Zeitschrift für interdisziplinäre Fortbildung, 22 (9), 475-481.
Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung
eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Rehabilitation,
44, 63-74.
Fava, G. A., Sonino, N. (2005): The clinical domains of psychosomatic medicine. Journal of
Clinical Psychiatry, 66 (7), 849-858.
Haensgen, K.-D., Oderich, X. (1985): Lebensereignis-Fragebogen - LEB. In K.-D. Haensgen
und T. Merten (Hrsg.) (1994), CORA. Computerbasiertes Ratingsystem zur Psychopathologie (2., veraenderte Auflage. Modulhandbuch. Testkurzbeschreibung. 237-238). Goettingen: Hogrefe.
Wigers, S.H. (1996): Fibromyalgia outcome: the predictive values of symptom duration, physical activity, disability pension, and critical life events - a 4.5 year prospective study.
Journal of Psychosomatic Research, 41 (3), 235-243.
Kausalattributionen und Kontrollüberzeugungen im Krankheits- und
Genesungsprozess chronisch Kranker
Lippmann, M. (1), Koch, H. (2), Balck, F. (1)
(1) Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, (2) Reha-Zentrum Mölln, Klinik
Föhrenkamp, Mölln
Hintergrund und Stand der Literatur
Bewertungs- und Verarbeitungsprozesse haben im Kontext von Krankheitsverläufen eine
große Bedeutung. Sie determinieren im Wesentlichen die Möglichkeiten und die Art und
Weise von Copingstrategien. Kontrollüberzeugungen und Attributionen gehören dabei zu
den Basisdimensionen dieser Bewertungs- und Verarbeitungsmechanismen. Annahmen
über Krankheitsursachen und Kontrollierbarkeit gehören nach Leventhal et al. (1984) zu den
maßgeblichen Kategorien, mit denen die kognitive Repräsentation von Krankheit beschrieben wird. Bisherige Ergebnisse der Forschung zu krankheitsspezifischen Kontrollüberzeugungen und Kausalattributionen (z. B. Beutel, 1988; Wagner, 1998) legen deren Bedeutung
für das therapeutische Vorgehen nahe.
327
Fragestellung
Im Kontext der Rehabilitationsforschung stellt sich die Frage, wie die Konstrukte Attribution
und Kontrolle bei Patienten in der medizinischen Rehabilitation ausgeprägt sind und ob sich
diese in Abhängigkeit von der Erkrankung unterscheiden.
Methodik
An der Untersuchung nahmen 336 Reha-Patienten (54 % männlich, Alter: M= 52 Jahre,
Range: 35-71 Jahre,) teil, die sich aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen (Wirbelsäulenund Gelenkerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen innerer Organe und
Viruserkrankungen) in der medizinischen Rehabilitation befanden. Zur Erfassung der interessierenden Variablen wurde der Fragebogen zu Kausalattributionen und Kontrollüberzeugungen im Krankheits- und Genesungsprozess (Balck, Ulbrich, 1999) eingesetzt. Der Fragebogen beinhaltet 39 Items, die acht Skalen zugeordnet werden können. Es werden die
Lokation der Kausalattribution, die Einschätzung von Kontrolle im Sinne der Beeinflussbarkeit sowie die wahrgenommene Stabilität und die Sinnhaftigkeit der Erkrankung erfasst. Annahmen zu Ursachen und Verlauf von Krankheitsprozessen werden separat betrachtet. Die
Items sind auf einer fünfstufigen Skala einzuschätzen, wobei die Endpunkte der Skala verbal definiert sind. Als Reliabilitätskennwerte für die Subskalen wurden interne Konsistenzen
(Cronbach’s α) und Guttmann-split-half-Koeffizienten berechnet. Die internen Konsistenzkoeffizienten bewegen sich zwischen r = .66 und r = .83. Die Werte beim Guttmann-split-halfKoeffizienten liegen mit r = .64 bis r = .81 ebenfalls im zufrieden stellenden Bereich.
Ergebnisse
In der untersuchten Patientenpopulation zeigten sich für Männer und Frauen unterschiedliche Attributionsstile, vor allem hinsichtlich der Lokation der Kausalität (Männer attribuieren
häufiger internal, Frauen hingegen häufiger fatalistisch). Auch in den Kontrollüberzeugungen
fanden sich geschlechtsspezifische Muster (Männer sind mehr davon überzeugt, Einfluss
auf die Ursachen und die Heilung der Erkrankung zu haben; Frauen beurteilen ihre Erkrankung als stabiler und weniger sinnhaft). Weiterhin zeigten sich Unterschiede bezüglich der
Kausalattributionen und Kontrollüberzeugungen in Abhängigkeit von der Erkrankungsart.
Patienten mit Stoffwechselerkrankungen attribuieren die Krankheitsursachen vor allem internal und sie haben das Gefühl, die Ursachen und die Heilung der Erkrankung beeinflussen
zu können. Im Gegensatz dazu zeigen die Patienten mit Viruserkrankungen eine hohe external-fatalistische Kausalattribution, die mit einer sehr geringen Wahrnehmung der Beeinflussbarkeit der Ursachen einhergeht.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Bei den befragten Reha-Patienten konnten unterschiedliche Attributionsstile und Kontrollüberzeugungen bezüglich der Erkrankung und der Genesung gefunden werden, vor allem in
Abhängigkeit vom Geschlecht und von der Art der Erkrankung. Da die theoretischen Konstrukte von Laien das Krankheitsverhalten mitbestimmen können, ist deren Berücksichtigung im rehabilitativen Behandlungsabschnitt von Bedeutung.
Literatur
Balck, F., Ulbrich, C. (1999): Kausalattributionen und Kontrollüberzeugungen im Krankheitsund Genesungsprozess chronisch Kranker. In F. Kröger & E.R. Petzold (Hrsg.). Selbstor328
ganisation und Ordnungswandel in der Psychosomatik. Frankfurt a. M.: Verlag für Akademische Schriften.
Beutel, M. (1988): Bewältigungsprozesse bei chronischen Erkrankungen. In: U. Koch
(Hrsg.). Psychologie in der Medizin. Weinheim: edition medizin.
Leventhal, H., Nerenz, D.R., Steele, D.J. (1984): Illness Representations and Coping With
Health Threats. In: A. Baum, S.E. Taylor und J.E. Singer (Hrsg.), Handbook of psychology and health. Hillsdale, New Jersey: Erlbaum.
Wagner, R.F. (1998): Der Einfluss subjektiver Theorien auf den Prozess der Krankheitsverarbeitung - dargestellt am Beispiel von Patienten mit chronischer Pankreatitis. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 48, 491-498.
Psychische, soziale und berufliche Auswirkungen einer
Lebendnierenspende auf Spender und Empfänger
Neuderth, S. (1), Lukasczik, M. (1), Köhn, D. (1), Lopau, K. (2), Faller, H. (1)
(1) Universität Würzburg, Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie,
(2) Universität Würzburg, Medizinische Klinik und Poliklinik I
Hintergrund
In der Transplantationsmedizin gewinnt die Option der Lebendnierenspende an Bedeutung,
zumal sie mit einer Reihe von Vorteilen für den Empfänger verbunden ist. Es gibt Hinweise
auf eine Verbesserung der Lebensqualität und der psychischen Befindlichkeit nach einer
Lebendtransplantation (z. B. Wright Pinson et al., 2000). Dies trifft teilweise auch für den
Spender zu (z. B. Giessing et al., 2004).
Fragestellung
Es wird untersucht, welche Rolle wahrgenommene Risiken, entscheidungsrelevante Motive
und psychische Belastung im Transplantationsprozess spielen und wie sich die Lebensqualität von Spendern und Empfängern postoperativ verändert. Der beruflichen Reintegration
wird insbesondere auf Seiten der Spender Beachtung geschenkt.
Methode
46 Spender-Empfänger-Paare, die im Vorfeld einer Lebendnierenspende psychologisch begutachtet worden waren, wurden schriftlich nachbefragt. Hierbei wurden transplantationsbezogene Aspekte, gesundheitsbezogene Lebensqualität, psychische Gesundheit, Selbstwerterleben und Benefit Finding erfasst. Die Spender wurden hinsichtlich ihres Entscheidungsprozesses, die Empfänger bezüglich ihrer Risikowahrnehmung befragt. Spender und
Empfänger beantworteten zudem Fragen zur sozialen und beruflichen Reintegration. Der
Rücklauf lag bei 72 % (n = 33 Spender, n = 33 Empfänger).
Ergebnisse
Spender und Empfänger fühlten sich gut über den Eingriff und mögliche Gesundheitsrisiken
informiert. Sorgen der Empfänger im Vorfeld der Transplantation bezogen sich primär auf
die Person des Spenders sowie auf die Funktion der Niere. 78 % der Spender gaben an,
329
dass ihnen die Entscheidung zu spenden leicht gefallen sei. Der Entscheidungsprozess
wurde v. a. durch die Zuneigung zum Empfänger und den Wunsch, dessen Lebensqualität
zu verbessern, beeinflusst.
Die psychische Symptombelastung (SCL-90-R) veränderte sich nach Transplantation bei
Spendern und Empfängern nicht signifikant; prä- und postoperative Werte waren unauffällig.
Spender und Empfänger unterschieden sich bzgl. der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-36) postoperativ nicht von der Normstichprobe. Die Empfänger gaben eine bessere
Lebensqualität an als eine Vergleichsgruppe chronisch Nierenkranker (körperlich: t=5,21,
p<.001; psychisch: t=3,79, p<.01). 7 Spender (21 %) berichteten über eine Steigerung ihres
Selbstwerts durch die Spende.
50 % der Spender bezeichneten sich 7 Wochen nach der Spende als voll leistungsfähig;
25 % der Spender benötigten mindestens 12 Wochen um wieder vollständige Leistungsfähigkeit zu erreichen (n = 32). Während 50 % der Spender nach 6 Wochen wieder arbeiteten,
konnte ein Viertel erst nach mehr als 10 Wochen wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren
(n = 19, da teilweise berentet/nicht berufstätig).
Schlussfolgerungen und Ausblick
Obwohl Empfänger einer Lebendnierenspende von positiven Auswirkungen auf Befinden,
Lebensqualität und körperliche Funktionsfähigkeit berichten, muss auch die Perspektive der
Spender im Fokus der Forschung stehen. So darf nicht vernachlässigt werden, dass ein
Viertel der Spender mehr als 12 Wochen nicht voll leistungsfähig ist, und dass die Spende in
Einzelfällen negative Auswirkungen auf die berufliche Reintegration haben kann. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Aufklärung über sozialversicherungsrechtliche Fragen im Vorfeld einer Lebendnierenspende an Bedeutung.
Literatur
Giessing, M., Reuter, S., Schönberger, B., Deger, S., Türk, I., Hirte, I., Budde, K., Fritsche,
L., Morgera, S., Neumayer, H.H., Löning, S.A. (2004): Quality of life of living kidney donors in Germany: A survey with the validated Short Form-36 and Giessen Subjective
Complaints List-24 questionnaire. Transplantation, 78, 864-872.
Wright Pinson, C., Feurer, I.D., Payne, J.L., Wise, P.E., Shockley, S., Speroff, T. (2000):
Health-related quality of life after different types of solid organ transplantation. Annals of
Surgery, 232, 597-607.
330
Essverhalten und Erziehungsverhalten von Müttern: Unterscheiden sich
Mütter übergewichtiger Kinder von Müttern normalgewichtiger oder
aufmersamkeitsgestörter Kinder?
Warschburger, P. (1), Hoff-Emden, H. (2)
(1) Psychologisches Institut, Universität Potsdam, (2) Rehabilitationsklinik für Kinder und
Jugendliche, Beelitz-Heilstätten
Hintergrund
Eltern spielen eine wichtige Rolle für die Gewichtsentwicklung des Kindes. Unterschiede
zwischen normal- und übergewichtigen Kindern wurden bspw. für das Erziehungsverhalten
der Eltern gefunden. So zeigen Mütter von Kindern mit einem höheren Gewicht ein stärkeres Ausmaß an Einschränkung des kindlichen Essverhaltens (Birch et al., 2001). Dieses
Verhalten sagt bei Kindern mit übergewichtigen Eltern einen höheren BMI vorher (Birch, Fisher, 2000; Faith et al., 2004; Fisher, Birch, 2002).
Fragestellung
Die Studie beschäftigt sich mit zwei Fragen: Erstens, finden sich Unterschiede im Erziehungsverhalten zwischen Müttern von übergewichtigen Kindern und Müttern von normalgewichtigen Kindern? Zweitens, sind Auffälligkeiten evtl. auch bei anderen klinischen Gruppen
(hier ADHD) zu finden?
Methodik
Insgesamt nahmen 90 Kinder und deren Mütter an der Studie teil. Die Kinderstichprobe
setzte sich aus 34 Übergewichtigen bzw. Adipösen und 27 Normalgewichtigen und 29 Kinder mit einer ADHD-Diagnose im Alter von 9 - 13 Jahren zusammen. Insgesamt nahmen 52
Jungen und 38 Mädchen an der Studie teil. Neben der Bestimmung des Gewichtsstatus
wurden mit Hilfe von validierten Fragebögen das Essverhalten von Mutter und Kind mit dem
Dutch Eating Behavior Questionnaire, der Umgang der Mütter mit Esssituationen (mit dem
Child Feeding Questionnaire) und das elterliche Erziehungsverhalten mit dem Erziehungsstilinventar (sowohl Eltern- als auch Kindersicht) erhoben. Die Unterschiedshypothesen
wurden mit multivariaten Verfahren getestet.
Ergebnisse
Es finden sich nur wenige Unterschiede zwischen normal- und übergewichtigen Kindern. Die
Eltern übergewichtiger Kinder werden als stärker einschränkend und inkonsistenter beschrieben. Diese Auffälligkeiten gelten aber noch stärker in der ADHD-Gruppe. Mütter
schätzen ihren Erziehungsstil insgesamt positiver ein, die Gruppenunterschiede bestätigen
sich im Wesentlichen.
Diskussion und Ausblick
Die hohe Ausprägung von Restriktion und Monitoring sowie das eigene Essverhalten der
Mutter stellen Ansatzpunkte für Elternschulungen dar. Längsschnittstudien müssen zeigen,
ob der mütterliche Erziehungsstil Folge oder eine Ursache für kindliche Adipositas ist.
331
Literatur
Birch, L.L., Fisher, J.O. (2000): Mothers child feeding practices influence daughters’ eating
and weight. American Journal of Clinical Nutrition, 71, 1054-1061.
Birch, L.L., Fisher, J.O., Grimm-Thomas, K., Markey, C.N., Sawyer, R., Johnson, S.L.
(2001): Confirmatory factor analysis of the Child Feeding Questionnaire: A measure of
parental attitudes, beliefs and practices about child feeding and obesity proneness. Appetite, 36, 201-210.
Faith, M.S., Berkowitz, R. I., Stallings, V.A., Kerns, J., Storey, M., Stunkard, A.J. (2004): Parental Feeding Attitudes and Styles and Child Body Mass Index: Prospective Analysis of a
Gene-Environment Interaction. Pediatrics, 114, 429-436.
Fisher,J.O., Birch, L.L. (2002): Eating in the absence of hunger and overweight in girls from
5 to 7 y of age. American Journal of Clinical Nutrition, 76, 226-231.
332
Rehabilitationspsychologie (Poster)
Was motiviert Therapeuten und Ärzte zur Durchführung einer
Behandlung? Erste Ergebnisse einer qualitativen Befragung im Rahmen
des Umsetzungsprojektes „RUM“
Fröhlich, S.M., Greitemann, B.
Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde
Hintergrund
Die Frage nach der Bedeutsamkeit motivationaler Faktoren ist in der Rehabiliationspsychologie bisher meist mit Ergebnissen über die Reha-Motivation der Patienten beantwortet worden. Da rehabilitative Maßnahmen in der Regel in Interaktionen mit Ärzten und Therapeuten
stattfinden und deren Einstellungen zu ihrer Arbeit für die Flexibilität und das Erscheinungsbild einer Klinik sehr wesentlich sind, möchten wir diesen bisher vernachlässigten Aspekt
genauer betrachten.
Methodik
Im Rahmen des Umsetzungsprojektes „RUM“ standen wir vor der Aufgabe, das multimodale
Behandlungsprogramm „Rückenfit“ in vier weitere Kliniken zu implementieren. Um uns besser in die zukünftigen Kooperationspartner hineinversetzen zu können, führten wir mit 14
„rückenfit“erfahrenen Therapeuten und Ärzten der Klinik Münsterland Interviews durch und
werteten diese qualitativ aus. In den Interviews baten wir die Befragten, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und zu schildern, was Sie motivieren würde, ein neues Behandlungsprogramm zu übernehmen und gerne durchzuführen.
Ergebnisse
Die Antworten spiegeln zum einen generell bedeutsame motivationale Faktoren wieder, zum
anderen ist der Bezug zu dem speziellen Behandlungsprogramm „Rückenfit“ unverkennbar.
Die insgesamt gesammelten 318 Statements fassten wir letztendlich zu 12 Faktoren zusammen: 1. Intensiver Patientenkontakt, 2. Erfolgreiche Verhaltensmodulation beim Patienten, 3. Selbstbestimmung, 4. Ganzheitliche Philosophie und Interdisziplinarität, 5. Abwechslung, 6. Informationsvermittlung, 7. Spaß, 8. Aufwertung der eigenen Tätigkeit, 9. Wirtschaftlichkeit, 10. Feedback, 11. Patientenzufriedenheit, 12. Wissenschaftlichkeit.
Diskussion
Die in dieser explorativen und qualitativen Untersuchung gefundenen motivationalen Faktoren weisen eine große Bandbreite auf. Für das medizinische Arbeiten scheinen besonders
die Nähe zum Patienten und das Wahrnehmen von Veränderungen wichtig zu sein. Die
Antworten lassen sich gut in die klassischen Motivationstheorien einbinden. Es finden sich
leistungs-, anschluss- und machtthematische Aussagen sowie Hinweise auf intrinsisch motivierende Tätigkeitsanreize.
333
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die gefundenen motivational bedeutsamen Faktoren können hilfreich sein für die Optimierung der Arbeitssituation in Kliniken, z. B. für die Förderung der Arbeitszufriedenheit. Zurzeit
führen wir im Rahmen einer Prozessevaluation des Umsetzungsprojektes „RUM“ eine
schriftliche Befragung mit Ärzten und Therapeuten aus den Kooperationskliniken durch, die
mittlerweile selbst Erfahrungen mit dem Programm „Rückenfit“ gemacht haben. Die von dieser Gruppe als positiv erlebten Aspekte des speziellen Behandlungskonzepts scheinen die
meisten der 12 Faktoren zu replizieren.
Literatur
Deci, E.L., Ryan, R.M. (1985): Intrinsic motivation and self-determination in human behaviour. New York: Plenum.
Heckhausen, J., Heckhausen, H. (2005): Motivation und Handeln. Berlin: Springer.
Kuhl, J. (2001): Motivation und Persönlichkeit. Die Interaktion psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe.
Rheinberg, F. (2004): Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.
Schneider, K., Schmalt, H.D. (2000): Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.
Längsschnittliche Zusammenhänge zwischen Kognitionen und Sportbzw. Ernährungsverhalten drei und zwölf Monate nach stationärer
Rehabilitation
Reusch, A., Ströbl, V., Faller, H.
Universität Würzburg
Hintergrund
Da in der Gesundheitsbildung häufig ein kausaler Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beeinflussung der Kognitionen und der daraus resultierenden Verhaltensänderung
angenommen wird, gibt es Versuche, eine Kausalrichtung zwischen Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura, 1982) bzw. wahrgenommenen Vor- und Nachteilen (Janis, Mann, 1977)
und Gesundheitsverhalten zu belegen. Hierzu gibt es widersprüchliche Ergebnisse. In einigen Arbeiten wurde erfolgreich mit Selbstwirksamkeitserwartung und wahrgenommenen
Vor- und Nachteilen jeweils Vorhersagen für die zukünftige körperliche Aktivität getroffen. In
cross-lagged panel-Analysen zeigten Velicer und Kollegen (1996) aber bei Rauchern und
Nigg (2001) zu sportlicher Aktivität, dass das Verhalten die Kognitionen zu einem späteren
Zeitpunkt vorhersagte, während der umgekehrte Zusammenhang nicht signifikant wurde.
Für Rehabilitanden und im Bereich der Ernährung liegen keine Erkenntnisse zu
längsschnittlichen Zusammenhängen zwischen diesen Variablen vor. Deshalb wurde in einem Projekt des Förderschwerpunktes Rehabilitationswissenschaften von BMBF und Deutscher Rentenversicherung (z. B. Reusch, Ströbl., 2006) untersucht, ob sich die beschriebene Vorhersagerichtung vom Verhalten auf Selbstwirksamkeitserwartung sowie wahrgenommene Vor- und Nachteile in den Verhaltensbereichen Sport und Ernährung replizieren ließe.
334
cross lagged panel-Design
3 Monate nach Reha
Verhalten t2
12 Monate nach Reha
β1a
Verhalten t3
β1b
βb
Kognition t2
Kognition t3
β2a
1. Lineare Regression: Kriterium Verhalten zu t3,
Prädiktoren Verhalten und Kognition zu t2
2. Lineare Regression: Kriterium Kognition zu t3,
Prädiktoren Verhalten und Kognition zu t2
Interpretation der Prädiktionsrichtung: Vergleich von β1b und β2b
Abbildung: Das cross-lagged panel-Design, nach Spector, 1981
Methode
In drei Rehabilitationskliniken wurden im längsschnittlichen Untersuchungsdesign die Kognitionen und Verhaltensvariablen u. a. drei (t 2) und zwölf Monate nach der stationären Maßnahme (t 3) erfasst. Insgesamt konnten Daten von 1.266 Patienten mit orthopädischen, endokrinologischen oder kardiologischen Erkrankungen erhoben werden. Die Auswertungen
wurden mit vollständigen Datensätzen von 753 Rehabilitanden vorgenommen. Es wurde
folgende Erwartung getestet: Der Zusammenhang zwischen Verhalten drei Monate (t 2) und
Kognitionen zwölf Monate nach der Rehabilitation (t 3) ist größer als der umgekehrte Zusammenhang. Hierzu wurden jeweils zwei lineare kreuzverschobene Regressionsanalysen
gerechnet (s. Abb.; nach Spector, 1981). Der Vergleich der standardisierten β-Gewichte der
jeweils kreuzverschobenen Regressionsanalysen (β1b vs. β2b) sollte Aufschluss über das relative Ausmaß der zeitlichen Zusammenhänge liefern (z. B. ob der prädiktive Einfluss der
Selbstwirksamkeitserwartung zu t 2 auf das Sportverhalten zu t 3 größer ist als der Einfluss
des Sportverhaltens zu t 2 auf die Selbstwirksamkeitserwartung zu t 3).
Ergebnisse
Weder im Bereich Sport noch im Bereich Ernährung zeigten sich insgesamt zwischen drei
und 12 Monaten nach Rehabilitation bedeutsame Unterschiede in der Höhe der Zusammenhänge zwischen Kognition und Verhalten bzw. Verhalten und Kognition. Alle standardisierten β-Koeffizienten hatten eine relativ geringe Höhe (maximal .21) bzw. wurden nicht
signifikant. Die Erwartung eines größeren Einflusses des Verhaltens auf die Kognitionen
zum späteren Messzeitpunkt ließen sich in drei der sechs untersuchten Beziehungen bestätigen: Hinsichtlich der sportbezogenen Nachteile und der ernährungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung und Vorteile waren die Zusammenhänge zwischen Verhalten zu t 2 und
Kognition zu t 3 größer als umgekehrt.
335
Schlussfolgerungen
Verhaltenserfahrungen scheinen demnach die Kognitionen zu beeinflussen, aber auch umgekehrte Zusammenhänge waren zu beobachten. Für die Maßnahmen der Rehabilitation
bedeutet dies, den Patienten neben kognitiven Vermittlungsmethoden auch positive Verhaltenserfahrungen und -erfolge zu ermöglichen, um eine langfristige Einstellungsänderung zu
fördern (s. a. Bandura, 1982).
Literatur
Bandura, A. (1982): Self-efficacy mechanism in human agency. American Psychologist, 37
(2), 122-147.
Janis, I.L., Mann, L. (1977): Decision Making: A Psychological Analysis of Conflict, Choice,
and Commitment. New York: The Free Press.
Nigg, C.R. (2001): Explaining adolescent exercise behavior change: a longitudinal application of the transtheoretical model. Annals of Behavioral Medicine, 23 (1), 11-20.
Reusch, A., Ströbl, V. (2006): Veränderungsmotivation in der medizinischen Rehabilitation
am Beispiel körperlicher Aktivität. In R. Nübling, F. A. Muthny und J. Bengel, RehaMotivation und Behandlungserwartung (58-75). Bern: Hans Huber.
Velicer, W.F., Rossi, J.S., Prochaska, J.M., DiClemente, C. (1996): A criterion measurement
model for health behavior change. Addicitve Behaviors, 21 (5), 555-584.
336
Reha-Ökonomie
Outcome-orientierte Vergütung in der Rehabilitation nach Schlaganfall Ergebnisse einer Erprobung des Verfahrens in 13 neurologischen
Fachkliniken
Gerdes, N. (1), Funke, U.N. (2), Schüwer, U. (3), Kunze, H. (4), Walle, E. (5),
Jäckel, W.H. (6)
(1) Hochrhein-Institut, Bad Säckingen, (2) Medizinischer Dienst der Krankenversicherung,
Dresden, (3) Klinik Schloss Pulsnitz, (4) Wittgensteiner Kliniken AG, Bad Grönenbach,
(5) m & i Klinikgruppe Enzensberg, Hopfen am See, (6) Abt. Qualitätsmanagement und
Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg/Brsg.
Hintergrund
„Vergütungssysteme erzeugen machtvolle Anreize, die das Verhalten der Leistungsanbieter
steuern“ (Sutton et al., 1996). So enthalten tagesgleiche Pflegesätze den Anreiz, die Aufenthaltsdauer zu verlängern und die erbrachten Leistungen so gering wie möglich zu halten;
Fallpauschalen dagegen fordern implizit dazu auf, die Aufenthaltsdauer zu verkürzen und
die Leistungen zu reduzieren. Offenkundig können diese Verhaltensweisen negative Auswirkungen für die Patienten haben. In den USA werden deshalb seit einigen Jahren Vergütungssysteme gefordert und z. T. bereits erprobt, die finanzielle Anreize für die Leistungserbringer enthalten, die Qualität der Patientenversorgung zu optimieren (vgl. z. B. Berwick et
al., 2003). Unter dem Stichwort „pay-for-performance“ werden dabei eine Reihe von Qualitätskriterien vorgegeben und zusätzliche Ressourcen so an die Leistungserbringer verteilt,
dass ein höherer Erfüllungsgrad der Kriterien mit einem entsprechenden Bonus belohnt wird
(z. B. Doran et al., 2006).
Da im Bereich der Rehabilitation zusätzliche Ressourcen nicht verfügbar und vordefinierte
Qualitätskriterien nicht einfach festzulegen sind, haben wir für die Rehabilitation nach
Schlaganfall einen anderen Ansatz entwickelt und erprobt, in dem die patientenseitigen
„Outcomes“ als Qualitätskriterium fungieren. Als Vergütungssystem wurde ein budgetneutrales Bonus/Malus-Verfahren konzipiert, in dem Kliniken mit überdurchschnittlichen Outcomes
einen entsprechenden Bonus erhalten, der von den Kliniken mit unterdurchschnittlichen Outcomes finanziert wird.
Methoden
In methodischer Hinsicht standen zwei Probleme im Mittelpunkt, und zwar erstens die Wahl
eines geeigneten Assessment-Instruments, das u. a. eine sehr gute Interrater-Reliabilität
aufweisen müsste, um die Messung der Outcomes ggf. extern kontrollieren zu können. Wir
haben dafür ein neues Assessment-Instrument entwickelt (‚Selbständigkeits-Index für die
Neurologische und Geriatrische Rehabilitation’ -SINGER), das mit 20 Items die Selbständigkeit im Alltagsleben misst. In einer Pilotstudie wurde der SINGER validiert und zeigte u. a.
sehr gute Kennwerte für die Interrater-Reliabilität, die deutlich über denen des FIM lagen
337
(Gerdes et al., 2005). Das zweite Hauptproblem betrifft die Frage, wie gewährleistet werden
kann, dass die Klinikvergleiche unter „fairen“ Bedingungen stattfinden und nicht von einem
günstigeren oder ungünstigeren „case-mix“ beeinflusst werden. Zur Lösung dieses Problems haben wir ein regressionsanalytisches Verfahren eingesetzt, bei dem die Outcomes
(SINGER-Score bei Entlassung) aufgrund von Patientenmerkmalen bei Aufnahme („Prädiktoren“) vorhergesagt werden (Erwartungswerte) und dann mit den tatsächlich erreichten
Werten (beobachtete Werte) verglichen werden. Die Differenz zwischen diesen beiden Werten wird als „Residualwert“ bezeichnet, der die prädiktorenbereinigte Abweichung vom
Durchschnitt darstellt und damit „faire“ Klinikvergleiche ermöglicht (vgl. Farin et al., 2004).
Um das outcome-orientierte Vergütungssystem zu erproben, wurde eine Feldstudie in 13
neurologischen Fachkliniken mit insgesamt 1.058 Patienten nach Schlaganfall durchgeführt.
Die Datenerhebung umfasste den SINGER-Bogen, der bei Aufnahme und Entlassung erhoben wurde, sowie einen Arztbogen mit medizinischen Angaben, der Stroke-Scale bei Aufnahme, Art und Schweregrad von Komorbiditäten, Dauer der Maßnahme und einigen anderen Variablen, die als mögliche Prädiktoren der Outcomes angesehen wurden.
Ergebnisse
Große Unterschiede zwischen den Kliniken gab es sowohl bei der Eingangsbelastung der
Patienten (Anteil Phasen B und C: 34 % - 90 %) als auch bei der Aufenthaltsdauer (MW
28,6 - 66,5 Tage). Als Basis für die Kontrolle des case-mix wurde ein Regressionsmodell mit
8 Prädiktorvariablen (incl. Dauer der Maßnahme) ermittelt, das den SINGER-Score bei Entlassung mit einer Varianzaufklärung von 83,3 % vorhersagt. Die klinikbezogenen Mittelwerte
der (unstandardisierten) Residuen reichen von -3,15 bis +3,90. Diese Residuen können mit
einem frei wählbaren Faktor multipliziert werden und stellen dann den Bonus bzw. Malus pro
Fall dar. Ein unerwartetes Ergebnis war, dass alle „Bonus-Kliniken“ (mit einer Ausnahme)
eine relativ hohe Quote von Patienten aufwiesen, die nachträglich aus der Studie ausgeschlossen worden waren (z. B. wegen Abbruchs der Maßnahme), und dass diese Rate in
allen „Malus-Kliniken“ extrem niedrig war.
Diskussion
Im Hinblick auf die nachträglichen Fallausschlüsse hat sich ein ganz ähnliches Ergebnis in
einer Studie von Doran et al. (2006) gezeigt, in der die Rate von Fallausschlüssen den
stärksten Prädiktor für die Höhe des Bonus in einem Pay-for-performance Programm darstellte. Um dieses Problem zu lösen, schlagen wir ein Verfahren vor, bei dem die Eingangswerte der Patienten online in eine zentrale Datenbank eingegeben und nicht mehr gelöscht
werden können. Fallausschlüsse müssten dann bei der Datenbank beantragt und begründet
werden, so dass sie extern (z. B. vom MDK) überprüft werden können. Mit diesen (und einigen weiteren) Änderungen aber wäre das hier vorgestellte Verfahren einer outcomeorientierten Vergütung durchaus realisierbar, weil es wegen seiner sehr hohen Varianzaufklärung bei der Vorhersage der Outcomes faire Klinikvergleiche gewährleisten kann. Ein
solches Verfahren regt die Kliniken an, bei jedem Patienten ein optimales Maß an Selbständigkeit zu erreichen. Zusätzlich beinhaltet es eine Qualitätskontrolle bei jedem einzelnen Patienten und wird insgesamt zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Rehabilitationsergebnisse für die Patienten beitragen.
338
Literatur
Berwick, D.M., DeParle, N.A., Eddy, D.M., Ellwood, P.M., Enthoven, A.C., Halvorson, G.C.,
Kizer, K.W. et al. (2003): Paying for performance: Medicare should lead. Health Affairs;
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Doran, T., Fullwood, C., Gravelle, H., Reeves, D., Kontopantelis, E., Hiroeh, U., Roland, M.
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Farin, E., Follert, P., Gerdes, N., Jäckel, W.H., Thalau, J. (2004): Quality assessment in rehabilitation centres: the indicator system ‘Quality Profile’. Disability and Rehabilitation;
26(18): 1096-1104.
Gerdes, N., Funke, U.N., Claus, B., Schüwer, U., Themann, P. (2005): „SelbständigkeitsIndex für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation“ (SINGER): Entwicklung und
Validierung eines neuen Assessment-Instruments. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.): 14. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. DRV-Schriften
Band 59; Frankfurt, 341-3.
Sutton, J.P., DeJong, G., Wilkerson, D. (1996): Function-based payment model for inpatient
medical rehabilitation: an evaluation. Arch Phys Med Rehabil, 77(7): 693-701.
REDIA II - Kurzfristige Auswirkungen der DRG-Einführung auf die
medizinische Rehabilitation
Klemann, A. (1), von Eiff, W. (1), Meyer, N. (1), Greitemann, B. (2), Karoff, M. (3)
(1) Institut für Krankenhausmanagement, Münster, (2) Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde,
(3) Klinik Königsfeld, Ennepetal
Fragestellung
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die DRG-Einführung im Akutbereich auch
die Rehabilitation betroffen hat. Aus diesem Grund untersucht das Institut für Krankenhausmanagement (IKM) im Rahmen einer von den Deutschen Rentenversicherungen Bund und
der Deutschen Rentenversicherung Westfalen geförderten Studie, ob die 2004 in Deutschland eingeführten DRG eine Aufwandsverlagerung vom Akut- in den Reha-Bereich verursachen.
Methodik
Um eventuelle Veränderungen des Patientengutes und der Patientenströme festzustellen,
wurden in den Jahren 2003/04 und 2005/06 Daten von 1342 kardiologischen und orthopädischen AHB-Patienten erfasst. Diese umfassten Patienten aus den Diagnosefeldern HüftTEP (n=292), Knie-TEP (n=224), Bandscheiben-OP (n=211), Bypass-OP (n=251) und Myokardinfarkt (n=346), sowie eine Restgruppe von 18 kardiologischen Patienten. Neben
selbstentwickelten medizinischen Erhebungsinstrumentarien zur Erfassung von Informationen zum Akut- und Reha-Aufenthalt, zum Gesundheitszustand und zu den medizinischen,
pflegerischen und therapeutischen Aufwendungen, wurden Patientenselbstauskunftsbögen,
bestehend aus HADS und IRES-3, eingesetzt. Durch einen Vergleich der beiden Projekt339
phasen wurden kurzfristige Effekte der DRG-Einführung dokumentiert, um eventuelle Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen. Nachhaltige Effekte können erst zum Ende der DRGKonvergenzphase festgestellt werden, so dass für das Ende des Jahres 2008 eine dritte
Studienphase geplant ist.
Ergebnisse
Die durchschnittliche Dauer des Gesamtbehandlungsprozesses in der stationären Rehabilitation sank im orthopädischen Bereich signifikant von 47,06 auf 42,16 Tage, wobei sowohl
im Akutbereich (16,02 auf 14,42 Tage), als auch bei der Übergangszeit (7,39 auf 5,12 Tage)
und der Reha-Verweildauer (23,35 auf 22,59) eine Verkürzung zu beobachten war (vgl. Abbildung 1). Bei den ambulant behandelten Rehabilitanden wurde ein Rückgang von 41,29
auf 40,28 Tage dokumentiert. Auch in der Kardiologie war eine signifikante Verkürzung des
Gesamtbehandlungsprozesses feststellbar (stationär: von 47,18 auf 42,29 Tage (vgl. Abbildung 2); ambulant von 46,91 auf 39,46 Tage), der wiederum auf eine Verkürzung der Akut-,
Übergangs- und Rehazeiten zurück zu führen ist.
Abbildung 1:
Abbildung 2:
Bezüglich des Patientenzustands wurden bei den Hüft-TEP- und den Knie-TEP-Patienten
keine signifikanten Änderungen des Staffelsteinscores zwischen den Vergleichsgruppen
festgestellt. Wohingegen bei den Bandscheiben-Patienten eine signifikante Verschlechte340
rung des Oswestry-Scores nachgewiesen wurde (15,37 auf 17,83; p=0,043). Zudem traten
in der Orthopädie im Bereich der Eingriffskomplikationen mehr Wundheilstörungen und Hämatome auf.
In der Kardiologie war ein tendenzieller Rückgang bei den Komplikationen zu verzeichnen;
obwohl bei den Bypass-Patienten gehäuft Perikard- (12,2 % auf 21,9 %) und Pleuraergüsse
(28,5 % auf 32 %) sowie das Postkardiotomiesyndrom (4,9 % auf 13,3 %) dokumentiert
wurden. Während der Rehabilitation stieg der Anteil der Patienten mit diesen Komplikationen bei den Bypass-Patienten im Phasenvergleich sogar noch deutlicher an (4,1 % auf
19,5 %, von 8,9 % auf 22,7 % bzw. von 1,6 % auf 14,8 %).
Hinsichtlich der Therapiezeiten pro Patient war in allen Studiendiagnosen eine Zunahme zu
verzeichnen, was primär auf einen Anstieg bei den Gruppentherapien zurückzuführen war.
Ebenso nahmen der pflegerische Aufwand und die Gabe von Thromboseprophylaxe- sowie
Hochdruck-/KHK-Medikamenten in beiden Indikationen zu, während die diagnostischen
Leistungen und der Antibiotika-Verbrauch rückläufig waren.
Bei den Angstwerten, die im Rahmen der HADS-Befragung erhoben wurden, waren zwei
gegenläufige Entwicklungen zu beobachten. Während sich die Angstwerte der Hüft-TEP-,
Knie-TEP- und der Myokardinfarkt-Patienten zu allen drei Befragungszeitpunkten verbesserten, verschlechterten sich die Werte der Bandscheiben- und der Bypass-Patienten. Bis auf
die Hüft-TEP-Patienten, bei denen eine tendenzielle Verschlechterung zum Reha-Ende
nachgewiesen wurde, trifft diese Feststellung auch auf die Depressivitätswerte zu. Die Auswertung der IRES-3 Fragebögen zeigten in allen Diagnosen nur marginale Differenzen zwischen den beiden Projektphasen.
Schlussfolgerungen
Obwohl die Patienten an einer früheren Stelle des Gesundungsprozesses in die AHB aufgenommen werden, steht den Reha-Einrichtungen weniger Therapiezeit zur Verfügung. Eine
Verlagerung des Behandlungsaufwands vom Akutbereich in die Rehabilitation wurde nur in
Teilbereichen nachgewiesen. Insgesamt ergaben sich bei den Analysen des Datenmaterials
keine Hinweise auf eine eingeschränkte Reha-Fähigkeit der Patienten. Auf Grundlage der
vorliegenden Kurzfrist-Analyse ist es zusammen mit der geplanten dritten Phase (Ende
2008) möglich, die Entwicklungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation, und dabei
insbesondere die DRG-Auswirkungen, im Zeitverlauf detailliert darzustellen.
Literatur
Egner, U., Verbarg, A. (2001): Das DRG-System im Krankenhaus und seine Auswirkungen
auf die Rehabilitation, Deutsche Angestelltenversicherung, 11/2001, 418-423.
Eiff, W.,von, Klemann, A., Middendorf, C. (2005): REDIA-Studie - Analyse der Auswirkungen
der DRG-Einführung auf die medizinische Rehabilitation, Münster.
Haaf, H.-G. (2003): Vergütung mit DRG-Fallpauschalen im Krankenhaus und die Konsequenzen für die medizinische Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung, Jg. 59, 620631.
Haaf, H.-G., Volke, E., Schliehe, F. (2004): Neue Vergütungs- und Versorgungsformen und
ihre Auswirkungen auf die Rehabilitation, Die Rehabilitation, Jg. 43, 312-324.
Köhler, F. (2002): Auswirkungen des DRG-Systems auf Anschluss- und Rehabilitationsbehandlung in Sydney, New South Wales, Australien, Die Rehabilitation, Jg. 41, 10-13.
341
Discrete-Choice-Experimente zur Ausgestaltung der orthopädischen
Rehabilitation: Patientenpräferenzen und Nutzen berufsbezogener
Behandlungsmodule
Bethge, M. (1), Herbold, D. (2), Müller-Fahrnow, W. (1)
(1) Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in
der Rehabilitation, Charité Universitätsmedizin Berlin, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande,
Bad Gandersheim
Hintergrund
Die in den §§ 1 und 4 des SGB IX formulierte Leitidee von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe verlangt ein Umdenken hinsichtlich der Ausgestaltung medizinischer Rehabilitationsleistungen. Die Anerkennung der Rehabilitanden als Partner von Therapeuten
und Kostenträger erfordert ein verändertes Informationsmanagement und stärkere Mitwirkungsrechte der Rehabilitanden (Badura, 1999). Es gibt jedoch kaum Informationen darüber, welche Prioritäten Rehabilitanden bei der Ausgestaltung medizinischer Rehabilitationsleistungen setzen würden.
Ziel
Die vorliegende Studie untersucht Patientenpräferenzen zur Ausgestaltung der orthopädischen Rehabilitation hinsichtlich möglicher Behandlungsangebote.
Methodik
Seit Anfang der 1990er Jahre werden in der Gesundheitsökonomie Conjoint-Analysen eingesetzt, um komplexe Entscheidungspräferenzen zu untersuchen. Conjoint-Analysen fordern den Befragten üblicherweise auf, mehrere Merkmale eines Objektes gleichzeitig zu berücksichtigen (consider jointly) und die vorgestellten Objekte in eine Rangfolge zu bringen,
ihnen ein kardinales Nutzenmaß zuzuordnen oder eine Entscheidung zwischen mehreren
zur Wahl gestellten Objekten zu treffen (Ryan et al., 2001). Das in der gesundheitsökonomischen Forschung in den vergangenen Jahren am häufigsten angewandte conjointanalytische Verfahren, das Discrete-Choice-Experiment, nutzt paarweise Gegenüberstellungen von sich in verschiedenen Attributen unterscheidenden Objekten, um attributbezogene
Entscheidungen für eines der Objekte zu forcieren. Die von den Befragten getroffenen Entscheidungen lassen sich so als Funktion der Attributausprägungen interpretieren. Über die
Anwendung regressionsanalytischer Verfahren (Random-Coefficient-Modell) kann schließlich die Bedeutsamkeit der einzelnen Attribute bestimmt werden. Erste Ergebnisse zur Reliabilität und Validität conjoint-analytischer Anwendungen in der Gesundheitsökonomik deuten daraufhin, dass ein solches Vorgehen auch im Gesundheitsbereich grundsätzlich eine
valide und zuverlässige Methode zur Präferenzerhebung darstellt. Conjoint-analytische Studien liegen mittlerweile vor für die Analyse fachärztlicher Präferenzen bei der Entwicklung
klinischer Dienstleistungen (Farrar et al., 2000), die Evaluation medizinischer Produkte (Kellett et al., 2006) oder Präferenzen hinsichtlich der Ausgestaltung gesundheitsbezogener
Leistungen (Bryan et al., 2000; Maddala et al., 2003).
Gegenüber konventionellen Ratingverfahren bieten conjoint-analytische Methoden vier wesentliche Vorteile. Erstens lassen sich die bekannten Deckeneffekte numerischer Ratingska342
len in der Zufriedenheitsbewertung vermeiden. Zweitens steht der Wertschätzung eines Objekts üblicherweise der Nutzen entgegen, der sich aus anderen Objekten mit abweichenden
Attributausprägungen ergibt. Aussagen über multikonditionale Präferenzen sind demzufolge
plausibler, wenn sie den Befragten die Gelegenheit geben, den jeweils entgangenen Nutzen
anderer Objekte (Opportunitätskosten) in ihrem Urteil zu berücksichtigen. Drittens kann mittels conjoint-analytischer Verfahren die Bedeutsamkeit einzelner Attribute genau quantifiziert
und so die Bedeutung verschiedener Attribute zueinander in Beziehung gesetzt werden.
Viertens lassen die mit Hilfe der geschätzten Regressionsgleichung erhaltenen Attributgewichte Prognosen über die Bewertung weiterer möglicher Merkmalskombinationen zu.
Ergebnisse
Eine der Haupterhebung vorgelagerte Pretestphase hat die Anwendbarkeit des Erhebungsdesigns bestätigt. Die derzeit laufende Querschnittstudie umfasst Daten von voraussichtlich
280 Versicherten der Deutschen Rentenversicherung Bund, die eine stationäre orthopädische Rehabilitation in der Paracelus-Klinik an der Gande durchlaufen.
Abbildung 1: Entscheidungssituation zur Ausgestaltung der orthopädischen Rehabilitation
Erste Ergebnisse der Haupterhebung zeigen, dass die Bearbeitung der vorgelegten Entscheidungssituationen den Befragten eher leicht fällt. Mit den bereits vorliegenden Daten
zeichnet sich eine starke Präferenz für sozialrechtliche und berufliche Informationen sowie
ein berufsbezogenes Stressbewältigungstraining ab, zudem deuten sich moderierende Effekte bestimmter Patientenmerkmale, wie der Erwerbsprognose, an.
Ausblick
Die Auswertung der Ergebnisse ist bis Februar 2007 abgeschlossen. Damit liegen erstmalig
Ergebnisse darüber vor, welche Prioritäten Rehabilitanden bei der Ausgestaltung der orthopädischen Rehabilitation setzen würden.
Literatur
Badura, B. (1999): Patientenorientierung im Gesundheitswesen. Public Health Forum 7 (26):
2-3.
Bryan, S., Gold, L., Sheldon, R. et al. (2000): Preference measurement using conjoint methods: an empirical investigation of reliability. Health Econ 9 (5): 385-395.
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Farrar, S., Ryan, M., Ross, D. et al. (2000): Using discrete choice modelling in priority setting: an application to clinical service developments. Soc Sci Med 50 (1): 63-75.
Kellett, N., West, F., Finlay, A.Y. (2006): Conjoint analysis: a novel, rigorous tool for determining patient preferences for topical antibiotic treatment for acne. A randomised controlled trial. Br J Dermatol 154 (3): 524-32.
Maddala, T., Phillips, K.A., Johnson, F.R. (2003): An experiment on symplifying conjoint
analysis designs for measuring preferences. Health Econ 12 (12): 1035-1047.
Ryan, M., Scott, D.A., Reeves, C. et al., (2001): Elicting public preferences for healthcare: a
systematic review of techniques. Health Technol Asses 5 (5).
Untersuchung zur Effizienz und Kosteneffektivität der stationären
Rehabilitation bei Patienten nach Hüft- und Knie-TEP-Implantation
Müller, W.D. (1), Bak, P. (2), Smolenski, U.C. (2)
(1) m & i Fachklinik Bad Liebenstein, (2) Institut für Physiotherapie, Universitätsklinikum
Jena
Fragestellung
Ziel der Studie war es, die Effekte der stationären Rehabilitation auf den generischen und
spezifischen Gesundheitszustand sowie auf die Lebensqualität bei Patienten nach einer
primären, unilateralen Hüft- und Knie-TEP-Implantation zu bestimmen. Zusätzlich sollte über
die Ermittlung der direkten medizinischen Kosten bei beiden Patientengruppen die Kosteneffektivität der stationären Rehabilitation verglichen werden.
Methodik: In einer prospektiven Studie wurden longitudinale Effekte von 40 Hüft-TEPPatienten mit denen von 41 Knie-TEP-Patienten während und nach einer stationären Rehabilitationsbehandlung verglichen. Die Messparameter waren der generische Gesundheitszustand (SF-36), der spezifische Gesundheitszustand (WOMAC) und die Lebensqualität (EQ5D). Die Messinstrumente wurden den beiden Patientenkollektiven am Anfang, am Ende der
Rehabilitationsmaßnahme sowie drei Monate und 2 Jahre nach Entlassung aus der Rehaklinik vorgelegt. Zusätzlich erfolgte eine Erfassung der direkten medizinischen Kosten für
beide Patientengruppen über den gesamten Beobachtungszeitraum.
Ergebnisse
Beide Gruppen verbesserten sich signifikant hinsichtlich aller Messparameter bereits während der Rehabilitationsmaßnahme. Eine weitere Verbesserung wurde im Follow-up dokumentiert. Es wurden keine Gruppenunterschiede zu Beginn der Rehamaßnahme beobachtet. Die Unterschiede zugunsten der Hüft-TEP-Gruppe waren bei Entlassung in mehreren
Dimensionen signifikant und vertieften sich im Follow-up. Die direkten Kosten waren in der
Nachbeobachtungszeit für die Knie-TEP Gruppe doppelt so hoch als in der Hüft-TEP Gruppe.
Diskussion
Das Patientenkollektiv beschränkte sich auf Arthrosepatienten. Zahlreiche Studien belegen
zwar die Effizienz der Endoprothetik in Bezug auf Beweglichkeit, Muskelfunktion und
344
Schmerz. Die Zielparameter Gesundheitsstatus und Lebensqualität sind hingegen bisher
selten untersucht worden. Es gibt ferner keine verlässlichen Daten, wie sich Hüft-TEPPatienten im Vergleich mit Knie-TEP-Patienten hinsichtlich dieser Parameter im Verlauf der
Rehabilitation entwickeln. Relativ kleine Stichproben erlauben nur bedingt eine Generalisierung der Ergebnisse.
Schlussfolgerungen
Beide untersuchten Gruppen profitieren im unterschiedlichen Ausmaß von der stationären
Rehabilitation. Die schlechteren Outcomes bei der Knie-TEP-Gruppe schlagen sich in doppelt so hohen Gesamtfallkosten im Vergleich zur Hüft-TEP-Gruppe nieder. Es wäre sinnvoll,
beide Indikationen als unterschiedliche funktionale Entitäten zu betrachten und die Behandlungsstrategien auf die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppe zuzuschneiden. Weitere Forschung soll klären, ob sich mit anderer Behandlungsintensität oder zeitlicher Flexibilisierung
der Reha-Prozesse vergleichbare funktionale Ergebnisse für Patienten nach Hüft- und KnieTEP erzielen lassen, die dann auch eine höhere Kosteneffektivität nach sich ziehen.
Kosten und Lebensqualität bei ambulanter vs. stationärer kardiologischer
Rehabilitation - Gesundheitsökonomische Ergebnisse aus der SARAHStudie
Schweikert, B. (1), Hahmann, H. (2), Imhof, A. (3), Koenig, W. (3), Kropf, C. (3), Liu, Y. (4),
Muche, R. (5), Steinacker, J. (4), Leidl, R. (1)
(1) GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg, (2) Klinik
Schwabenland, Isny-Neutrauchburg, (3) Abteilung Innere II, Universitätsklinikum Ulm,
(4) Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Universitätsklinikum Ulm, (5) Abteilung
Biometrie und medizinische Dokumentation, Universität Ulm
Hintergrund
Koronare Herzerkrankungen zählen in westlichen Industriestaaten zu den größten Gesundheitsproblemen und häufigsten Todesursachen mit erheblichen ökonomischen Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft. Die Krankheitslast wird nach Berechnungen des Robert Koch Instituts aufgrund der demographischen Dynamik in Zukunft
noch an Bedeutung gewinnen (Wiesner et al., 2002). Vor dem Hintergrund enger werdender
Budgets wurden verstärkt seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts Modellprojekte
zum Vergleich ambulanter und stationärer Versorgungsformen in der kardiologischen Rehabilitation durchgeführt (Badura, 1995; Vom Orde et al., 2002). Ziel der SARAH Studie war
es, in einer kontrollierten Untersuchung die beiden Versorgungsformen hinsichtlich ihrer
medizinischen und gesundheitsökonomischen Vorteilhaftigkeit aus einer breiten gesamtgesellschaftlichen Perspektive zu vergleichen.
Methode
Einbezogen in die Studie wurden Patienten, die nach einem akuten koronaren Herzereignis
(akuter Myokardinfarkt, instabile Angina Pectoris) in der Universitätsklinik Ulm behandelt
wurden und eine ambulante Rehabilitation potentiell möglich war (Entfernung <50 km).
345
Die Studie folgte einem comprehensive cohort design, in dem neben den randomisierten
Armen auch nicht zur Randomisation bereite Probanden, die sich gemäß ihrer Präferenz für
ein Rehabilitationssetting entschieden, in die Studie einbezogen wurden (Muche et al.,
2003). Hauptzielgröße des ökonomischen Studienteils auf der Effektseite war die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die mit dem EQ-5D gemessen wurde. Die Kosten in der stationären und ambulanten Behandlung wurden über Klinikdaten, basierend auf KTL-Ziffern
und der Routinedokumentation gemessen.
Ergebnisse
Bis zum Ende der Rekrutierungsperiode konnten 163 Patienten in die Studie eingeschlossen werden, von denen 51 ambulant und 112 stationär rehabilitiert wurden. Die Auswertung
der Studie als Durchführung des geplanten Designs war aufgrund der geringen Randomisationsbereitschaft der Probanden nicht möglich. Insgesamt waren lediglich vier Patienten zur
Randomisation bereit, von denen jeweils zwei den beiden Armen zugewiesen wurden. Die
gesundheitsbezogene Lebensqualität verbesserte sich bei vergleichbarem Ausgangsniveau
in beiden Settings während der Rehabilitation um 13 Punkte stationär bzw. 10,4 ambulant.
Kontrolliert für Differenz in Baselinevariablen ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsformen.
Bei den Kosten während der Rehabilitation zeigten sich Unterschiede hauptsächlich in den
tagesgleichen (Hotel-)Kosten sowie in den Nebenkosten der Rehabilitation. So überstiegen
die durchschnittlichen tagesgleichen Kosten der stationären Rehabilitation, wie erwartet, jene der ambulanten Rehabilitation um das Zweifache, während im ambulanten Setting wesentlich höhere Fahrtkosten anfielen. Insgesamt waren die direkten Kosten und Nebenkosten der Rehabilitation im ambulanten Setting um knapp 600 € günstiger als bei den stationär
versorgten Probanden, die teilweise durch höhere indirekte Kosten bei ambulanten Patienten aufgewogen wurden. Die Differenz wird bei Kontrolle von konfundierenden Faktoren nur
geringfügig abgeschwächt
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Studie war ursprünglich als‚ comprehensive cohort design geplant, bei dem Unterschiede zwischen ambulanter und stationärer Versorgung durch einen Vergleich zwischen den
randomisierten Armen nachgewiesen werden sollten. Da aufgrund der geringen Randomisationsbereitschaft ein solcher Vergleich nicht möglich war, musste die Studie als Beobachtungsstudie mit den bekannten Nachteilen gegenüber einem randomisierten Versuch ausgewertet werden. Bei Kontrolle der Störvariablen zeigten sich bei den Effekten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
Wie erwartet zeigten sich in der ambulanten Rehabilitation deutlich geringere direkte medizinische Kosten. Die Differenz blieb auch bei Einbezug der nicht-medizinischen Kosten
deutlich. Die Ergebnisse dieses ersten Untersuchungsteils bestätigen mit einer vergleichbaren gesundheitlichen Effektivität und kostenmäßigen Vorteile der ambulanten Versorgungsform frühere (nicht randomisierten) Studien für die Rehabilitation. Die medizinischen und
ökonomischen Folgen in der Nachbeobachtungszeit sollen in weiteren Arbeiten untersucht
werden
346
Literatur
Badura, B. (1995): Qualitätsforschung im Gesundheitswesen : ein Vergleich ambulanter und
stationärer kardiologischer Rehabilitation. Weinheim u. a. :, Juventa-Verl.
Muche, R., Imhof, A., SARAH-Studiengruppe (2003): "Das Comprehensive Cohort Design
als Alternative zur randomisierten kontrollierten Studie in der Rehabilitationsforschung:
Vor- und Nachteile sowie Anwendung in der SARAH-Studie." Rehabilitation (Stuttg)
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Vom Orde, A., Schott, T., Iseringhausen, O. (2002): "Behandlungsergebnisse der kardiologischen Rehabilitation und Kosten-Wirksamkeits-Relationen: Ein Vergleich stationärer
und ambulanter Versorgungsformen." Rehabilitation (Stuttg) 41(2-3): 119-29.
Wiesner, G., Grimm, J., Bittner, E. (2002): "Vorausberechnungen des Herzinfarktgeschehens in Deutschland. Zur Entwicklung von Inzidenz und Prävalenz bis zum Jahre 2050"
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 45(5): 438-445.
Sozioökonomische Bedeutung einer konzeptintegrierten kardialen
Nachbetreuung - Erste sozioökonomische Ergebnisse aus der SeKoNaStudie
Kohlmeyer, M. (1), Redaèlli, M. (2), Seiwerth, B. (1), Stock, S. (2), Simic, D. (2), Lauterbach,
K.W. (2), Mayer-Berger, W. (1)
(1) Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen Roderbirken, Leichlingen, Deutsche
Rentenversicherung Rheinland, (2) Institut für Gesundheitsökonomie und klinische
Epidemiologie der Universität zu Köln
Hintergrund
In der Nachbetreuung von KHK-Patienten nach Anschlußheilbehandlung gibt es bisher kein
standardisiertes Vorgehen.
Die SeKoNa-Studie ist mit der Zielsetzung konzipiert, eine Verbesserung in der Sekundärprävention der KHK nach Anschlussheilbehandlung mittels konzeptintegrierter Nachsorge
zu erzielen. Die Auswirkungen dieses Vorgehens sollen neben der Verbesserung des Risikoprofils insbesondere auch die durch KHK bedingten Fälle von vorzeitigem Tod sowie vorübergehender oder andauernder Morbidität senken. Die vorgenannten Ereignisse belasten
besonders die Rentenkassen (Deutsche Rentenversicherung, 2006). Mit dem Hintergrund
der derzeitigen politischen Diskussionen um die Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf 67
Jahren erfährt die SeKoNa-Studie eine zusätzliche Bedeutung.
Methodik
Das Design der SeKoNa-Studie ist als unizentrische, prospektive, randomisierte und kontrollierte 18-monatige Studie konzipiert (Kohlmeyer et al., 2006). Insgesamt wurden entsprechend Ein- bzw. Ausschlusskriterien 600 Patienten eingeschlossen. Die Intervention besteht
nach der 3-wöchigen stationären AHB in strukturierten telefonischen Remindern (monatlich
in den ersten drei Monaten, danach 3-monatlich bis Studienende nach 18 Monaten) und einer 1-tägigen, ambulanten Nachschulung im Studienzentrum 6 Monate nach AHB-Ende. Zur
347
Outcomemessung werden zu Studienbeginn (Interventions- und Kontrollgruppe) zum Zeitpunkt 6 Monate nach AHB-Ende (Interventionsgruppe) und zum Studienende (beide Gruppen) herangezogen: Blutdruck, BMI, Triglyzeride, Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin,
HDL-Cholesterin, HbA1c sowie Raucherstatus. Ebenso erfolgt eine Messung der IntimaMedia-Dicke der Carotiden 1 cm präbifurkal zu Studienbeginn und Studienende. Die Lebensqualität wird mittels EUROQOL und HADS erhoben.
An gesundheitsökonomischen Daten werden am Ende der Studie für die Gesamtstudiendauer erhoben: direkte Kosten (Medikamentenverbrauch, ambulante und stationäre Kosten)
und indirekte Kosten (AU-Tage, Krankentagegeld, Rentenstatus).
Ergebnisse
Bei den 600 Studienteilnehmern ergibt sich ein Durchschnittsalter von 49 Jahren. Knapp
89 % der Teilnehmer sind männlich. Bezüglich der Schulbildung dominiert der Hauptschulabschluss mit 71 %. Interventionsgruppe und Kontrollgruppe unterscheiden sich in allen
somatischen und sozioökonomischen gemessenen Parametern zu Studienbeginn nicht signifikant.
Bei der 18-monatigen Nachbeobachtung von derzeit n=417 Patienten weisen die Parameter
vorzeitiger Tod und Berentung folgenden Trend auf. In der Kontrollgruppe (n=232) sind bereits 5 Patienten verstorben. Die Recherche zeigt, dass alle Todesfälle kardial bedingt sind.
In der Interventionsgruppe (n=185) ist noch kein Patient verstorben.
Bezüglich Berentung zeigt sich, dass die Kontrollgruppe bereits mehr bewilligte Berentungen (Erwerbsminderung) bzw. laufende Verfahren dazu aufweist als die Interventionsgruppe. Ebenfalls ist die Höhe der Morbidität der Kontrollgruppe deutlich ausgeprägter, die sich
durch die Anzahl der 100%igen Erwerbsminderungsrenten (EM-Rente) darstellt (Tabelle 1).
Tabelle 1: Absoluter und prozentualer Anteil
Rentenstatus
Interventionsgruppe
EM-Berentung (Gesamt):
4 (2,2 %)
- Renten Status: 50 %
2
- Renten Status: 100 %
2
EM-Verfahren
3 (1,6 %)
Kontrollgruppe
12 (5,2 %)
3
9
9 (3,9 %)
EM = Erwerbsminderung
Schlussfolgerungen
Die Baseline-Daten zeigen, dass es sich um junge, in der Regel männliche Patienten mit
niedrigem sozialen Status im Sinne einer Hochrisikogruppe handelt. Interventions-und Kontrollgruppe weisen zu Studienbeginn keine signifikanten Unterschiede auf.
Bei der 18-monatigen Nachbeobachtung somatischer und sozioökonomischer Daten ergeben sich erste Hinweise darauf, dass Rentenstatus und Sterblichkeit durch die Intervention
günstig beeinflusst werden können. Eine Verlängerung der Nachbeobachtung über 3 Jahre
ist beabsichtigt.
Literatur
Kohlmeyer, M., Redaèlli, M., Seiwerth, B., Stock, S., Lauterbach, K.W., Mayer-Berger, W.
(2006): Hintergrund, Design und Baseline-Daten aus der SeKoNa-Studie [Abstract].
348
Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.). Tagungsband: DRV-Schriften, Band 64,
(393-394). Frankfurt am Main.
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22.10.06).
349
Rehabilitationsrecht
Der Präventionsgedanke im SGB IX - Prävention durch medizinische
Rehabilitation
Liebold, D.
Hamburg
Nach § 3 SGB IX sollen Rehabilitationsträger darauf hinwirken, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird. Die Vermeidung einer
Behinderung und chronischen Krankheit wird zur Maxime der Leistungen zur Teilhabe. Als
zentrales Leistungsprinzip gilt der Vorrang von Prävention bei der Auslegung und Anwendung des gesamten Rehabilitationsrechts. Der entscheidenden Rolle der Prävention bei der
Vermeidung von Behinderung und Chronifizierung wird damit Rechnung getragen. Vor InKraft-Treten des SGB IX war ein präventiver Charakter der Leistungen in den einzelnen Sozialversicherungssystemen nur in Ansätzen erkennbar, obwohl die positiven Effekte von
Präventionsmaßnahmen wissenschaftlich mehrfach nachgewiesen wurden.
Für die Einleitung von präventiven Maßnahmen wird im SGB IX nicht an den Begriff der
„Krankheit“ angeknüpft, sondern an die Begriffe „Behinderung“ und „chronische Krankheit“.
Der Schwerpunkt der einzuleitenden Maßnahmen wird somit auf die Ebene der Krankheitsfolgen verlagert. Hierunter fallen solche Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich ein
nicht beherrschbares Krankheitsbild weiter verschlimmert, rezidiviert, chronifiziert und möglicherweise in Behinderung umwandelt. Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind
dafür das geeignete Mittel, da sie grundsätzlich darauf abzielen, Krankheitsfolgen zu bekämpfen. Prävention im Sinne des § 3 SGB IX wird daher vor allem durch medizinische Rehabilitation gewährleistet. Folglich hat das SGB IX den Präventionsgedanken ausdrücklich
bei den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX aufgegriffen, wenn durch sie Behinderungen und chronische Krankheiten abgewendet werden sollen.
Mit diesem Verständnis entspricht die Prävention nach § 3 SGB IX der medizinisch bekannten Stufe der Tertiärprävention. Der Vorrang von Prävention nach dem SGB IX geht aber
über die Tertiärprävention weit hinaus, da er für sämtliche Bereiche der Leistungen der Teilhabe gilt, um beispielsweise Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu bekämpfen.
Rechtlich ist der Vorrang von Prävention nur als Leistungsprinzip im SGB IX verankert. Der
Rehabilitand hat keinen direkten Anspruch auf eine vorrangige Berücksichtigung präventiver
Gesichtspunkte. Dementsprechend handelt es sich vor allem um eine das Ermessen bestimmende Vorschrift: Überall, wo dem Rehabilitationsträger ein Ermessen bei der Gestaltung der Leistungen zur Teilhabe eingeräumt ist, gelten nunmehr vorrangig präventive Gesichtspunkte. Zusätzlich können anhand dieses Grundsatzes unbestimmte Rechtsbegriffe
ausgelegt werden.
Für die Anwendung des Präventionsprinzips ist zwischen zeitlichen und inhaltlichen Komponenten der medizinischen Rehabilitationsleistungen zu unterscheiden. Medizinische Rehabi350
litationsmaßnahmen müssen bestenfalls so frühzeitig ansetzen, dass bereits das Eintreten
einer Behinderung oder die Folgen von chronischer Krankheit verhindert werden. Es handelt
sich also um die frühestmögliche Intervention (Welti, 2006). Der Leistungszeitpunkt wird
nach vorne verschoben. Im Schnittstellenbereich zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation führt dies zur Vorverlagerung des Rehabilitationsbeginns. Dies wird auch aus der Forderung des SGB IX deutlich, dass bereits die akutstationäre Behandlung die im Einzelfall
erforderlichen, frühestmöglichen Leistungen zur Frührehabilitation umfassen soll (§ 39
Abs. 1 Satz 3 2. Hs. SGB IX). Aber auch die Leistungsmittel haben sich an dem Präventionsprinzip auszurichten. Danach sind zunächst Risikofaktoren zu bekämpfen, die Auswirkungen auf der Schädigungsebene nach der ICF besitzen. Zudem müssen teilweise auch
Kontextfaktoren angepasst werden, in denen die Betroffenen leben.
Konkretisiert wird das Präventionsprinzip im SGB IX durch einen gesetzlich festgelegten
Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor Pflegeleistungen (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3 SGB IX).
Werden Leistungen zur Teilhabe frühzeitig eingeleitet und ein vorhandenes Rehabilitationspotential frühzeitig genutzt, kann dem Ziel näher gekommen werden, einem Patienten auch
noch im hohen Alter ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft frei von
Pflegebedürftigkeit zu gewährleisten (BMFSFJ, 2001 u. 2002). Pflegevermeidende Rehabilitation ist damit insbesondere im Bereich der Geriatrie das Mittel der Wahl.
Literatur
Welti, F. (2006): in: Lachwitz/Schellhorn/Welti (Hrsg.), Handkommentar zum Sozialgesetzbuch IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 2. Auflage, Neuwied.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2001 u. 2002):
Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Alter
und Gesellschaft. Berlin, 56 sowie Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der
Bundesrepublik Deutschland: Risiken, Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger - unter besonderer Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen, Berlin, 277.
Prävention und Gesundheitsförderung als Bestandteil der Rehabilitation
der Rentenversicherung?
Ritter, J.
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Ausgangslage
Wir leben in einer immer älter werdenden Gesellschaft mit einer steigenden Lebenserwartung und einem wachsenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig haben die gesellschaftlichen Entwicklungen zu einem veränderten Morbiditätsgeschehen
mit einem vermehrten Auftreten von chronischen Erkrankungen geführt. Für die sozialen Sicherungssysteme bedingen diese Entwicklungen zusätzliche Belastungen. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland bereits jetzt im internationalen Vergleich sehr hohe Pro-KopfAusgaben im Gesundheitssystem hat, stellt sich die Frage, wie auf die neuen Herausforderungen des demographischen Wandels, der Zunahme chronischer Erkrankungen und die
351
hieraus resultierenden Probleme für die sozialen Sicherungssysteme reagiert werden kann.
Mit dem vorbereiteten Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention (Präventionsgesetz - PrävG) hat sich die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode das Ziel gesetzt, einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen herbeizuführen. Gesundheitsförderung und Prävention und damit Themen, die in der Öffentlichkeit positiv besetzt sind, sollten
zur eigenständigen vierten Säule der gesundheitlichen Versorgung ausgebaut werden. Prävention soll danach quasi als „Wundermittel“ zur Bewältigung der neuen Herausforderungen
dienen; unter anderem soll mehr Geld in die gesundheitliche Prävention investiert werden.
Dem Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 ist zu entnehmen, dass in der neuen Legislaturperiode das Vorhaben, ein Präventionsgesetz zu schaffen, weiter verfolgt werden soll.
Stellung der Prävention im Versorgungsauftrag der Rentenversicherung
Die Aufgabe der Rehabilitation der Rentenversicherung (RV) orientiert sich am Grundsatz
„Rehabilitation vor Rente“. Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe werden von der RV
zur Wiederherstellung der aus gesundheitlichen Gründen gefährdeten oder geminderten
Erwerbsfähigkeit und zur Vermeidung von Frühverrentungen erbracht. Im Mittelpunkt der
Rehabilitationsleistungen der RV steht deshalb die Frage, wie gesundheitlich bereits beeinträchtigte Versicherte möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben integriert werden können.
Die Erbringung primärpräventiver Leistungen wird deshalb grundsätzlich nicht vom Leistungskatalog der RV erfasst. Nur ausnahmsweise kann die RV Leistungen zur Sicherung
der Erwerbsfähigkeit für Versicherte erbringen, die eine besonders gesundheitsgefährdende
Beschäftigung ausüben. Ungeachtet dessen wird die Stärkung der Prävention auch seitens
der RV als eine zentrale Aufgabe in der gesundheitlichen Versorgung betrachtet. Der Präventionsgedanke spielt eine große Rolle in der medizinischen Rehabilitation der RV und ist
seit Jahren in den Behandlungskonzepten fest verankert. Gerade bei Patienten mit chronischen Erkrankungen sind oft erhebliche Risikoprofile festzustellen, die nur durch Änderungen des Lebensstils modifiziert werden können. Dies beim Rehabilitanden zu initiieren und
ihn zum Selbstmanagement seiner Erkrankung zu motivieren und zu befähigen, ist eine der
schwierigsten und zentralen Aufgaben der Rehabilitation. Der therapeutische Prozess in der
Rehabilitation ist somit immer an längerfristigen Versorgungsstrategien orientiert und beinhaltet „Prävention“. Dazu werden u. a. Gesundheitstrainingsprogramme und RehaNachsorgestrategien eingesetzt, die nach modernen didaktischen und motivationspsychologischen Gesichtspunkten konzipiert sind. Neben der Umsetzung des Präventionsgedankens
in ihrem eigentlichen gesundheitspolitischen Aufgabengebiet der Rehabilitation und Teilhabe unterstützt die RV auch andere Aktivitäten zur Stärkung der Prävention, wie z. B. die
bundesweite Plattform „gesundheitsziele.de".
Position der RV zur beabsichtigten Stärkung der Prävention
Die RV hat bereits während der Beratungen des in der vergangenen Legislaturperiode eingebrachten Entwurfs des Präventionsgesetzes ihre Position formuliert und deutlich gemacht,
dass sie eine Stärkung der gesundheitlichen Prävention unterstützt, aber insbesondere die
in dem Entwurf vorgesehene Form der Finanzierung ablehnt. Aus Sicht der RV muss unter
dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit auch bei der Prävention der Grundsatz gelten, dass - soweit Beitragsmittel der Sozialversicherung für Präventionszwecke eingesetzt werden - Finanz- und Entscheidungsverantwortung in der Hand der Sozialversicherung bleiben. Von
352
der RV wurde deshalb deutlich gemacht, dass der Zusammenhang mit dem originären gesetzlichen Auftrag der einzelnen Sozialversicherungsträger erhalten bleiben und sich deutlich im Präventionsauftrag widerspiegeln muss. Um künftig präventive Leistungen in größerem Umfang als bisher durchführen zu können, sind von der RV Vorschläge zu neuen Regelungen für den Bereich des SGB VI unterbreitet worden.
Eckpunkte für die Behandlung des Themas
Im Rahmen des Beitrags wird aufgezeigt werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen
im Bereich der Rehabilitation der RV bestehen und welcher präventionspolitische Auftrag
sich hieraus für die RV ableiten lässt. Dabei wird auch auf die konzeptionellen Besonderheiten der Rehabilitation der RV eingegangen und dargestellt werden, in welchem Umfang diese bereits heute präventive Leistungen erbringt. Schließlich wird dargestellt werden, wie die
Prävention im SGB VI gestärkt werden kann, ohne dass es zu einem Auseinanderfallen von
Durchführungs- und Finanzierungsverantwortung und zum Aufbau neuer Strukturen kommt.
Literatur
Bundestag (2005): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention,
Drucksache 15/4833.
Gemeinsam für Deutschland - mit Mut und Menschlichkeit (2005): Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD.
Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Gutachten (2005): „Koordination und Qualität im Gesundheitswesen“.
Eckpunkte der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für ein Präventionsgesetz.
Apitz, R., Winter, St.F.: Potenziale und Ansätze der Prävention - aktuelle Entwicklungen in
Deutschland..
Beschluss des Bundeskabinetts vom 20. April 2005, Gesund in die Zukunft - Auf dem Weg
zu einem Gesamtkonzept zur gesundheitlichen Prävention.
Rechtliche Fragen zum Zusammenhang von medizinischer Rehabilitation
und strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP)
Lüßenhop, B.
Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa der Universität Kiel
Für spezielle chronische Krankheiten bieten die meisten Krankenkassen die Möglichkeit an,
an einem strukturierten Behandlungsprogramm (DMP)14 teilzunehmen. Im internationalen
Kontext werden DMP als eine Gesamtheit der koordinierten Maßnahmen zur optimalen und
standardisierten Behandlung eines gesamten Krankheitsbildes beschrieben (Schönbach,
2003).
Zu klären ist, inwieweit Rehabilitationsleistungen im Rahmen der geltenden DMPVorschriften berücksichtigt wurden, und wie notwendig es ist, insbesondere die medizinische Rehabilitation in die strukturierten Behandlungsprogramme einzubeziehen.
14
§ 137 f und g SGB V.
353
Nach den Vorgaben der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) bestehen rehabilitative
Anforderungen z. B. im Rahmen der DMP Brustkrebs lediglich dahingehend, dass zu prüfen
ist, ob die Patientinnen von einer Rehabilitationsleistung profitieren können15.. Ein wenig
ausführlicher wird indes bei den Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für
chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen16 auf die Rehabilitation eingegangen: hiernach ist Rehabilitation ein Prozess, bei dem asthmakranke Patienten mit Hilfe eines multidisziplinären Teams darin unterstützt werden, die individuell bestmögliche physische und
psychische Gesundheit zu erlangen und aufrechtzuerhalten sowie die Erwerbsfähigkeit zu
erhalten oder wiederherzustellen und selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der
Gesellschaft teilzuhaben. Rehabilitation ist in erster Linie bei schweren Asthmaformen mit
relevanten Krankheitsfolgen trotz adäquater medizinischer Betreuung zu erwägen, insbesondere bei Ausschöpfung der Therapie bei schwierigen und instabilen Verläufen17.
Die Notwendigkeit, Rehabilitation und Krankenbehandlung im Rahmen der DMP zu verbinden, wurde bei den Anforderungen an die strukturierten Behandlungsprogramme für die
chronisch obstruktive Atemwegserkrankung somit schon erkannt. Rehabilitationsmaßnahmen selbst sind aber kein Bestandteil der DMP. Eine Verpflichtung, zu überprüfen, ob Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich sind, wird indes bereits durch § 8 Abs. 1 SGB IX ausgelöst: Werden bei einem Rehabilitationsträger Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung beantragt oder erbracht,
prüft dieser unabhängig von der Entscheidung über diese Leistungen, ob Leistungen zur
Teilhabe voraussichtlich erfolgreich sind. Die Prüfung, ob Teilhabe-, bzw. Rehabilitationsmaßnahmen erfolgreich sind, hat somit auch ohne weitere Vorgaben in den strukturierten
Behandlungsprogrammen zu erfolgen.
Eine sektorenübergreifende Behandlung, bei welcher auch die medizinische Rehabilitation
einbezogen wird, ist besonders bei chronischen Krankheiten von höchster Relevanz: Aufgrund ihrer Komplexität erfordern chronische Erkrankungen Programme, mit denen die
sektoral begrenzte Patientenversorgung durch eine sektorenübergreifende Therapie ersetzt
werden kann. Tatsächlich sind chronisch Kranke aber besonders häufig von Schnittstellenproblemen betroffen (Koch, 2003). Die Verträge für die Programme sollten daher so ausgestaltet sein, dass auch Rehabilitationsträger, bzw. -einrichtungen Vertragspartner werden
können (vgl. Heine, 2004). Da gerade chronisch Kranke häufig zu spät Rehabilitationsmaßnahmen erhalten (vgl. von Törne, 2000), wäre die Verbindung von Krankenbehandlung und
Rehabilitation im Rahmen der DMP ein bedeutender Schritt, mit welchem Über- und Unterversorgung in der Rehabilitation chronisch Kranker vermieden werden könnten (vgl. Deck et
al., 2000).
Sofern die strukturierten Behandlungsprogramme im Rahmen von integrierten Versorgungsverträgen abgeschlossen werden, ist eine sektorenübergreifende Behandlung von chronischen Krankheiten beispielsweise möglich: zwar ist primäres Ziel der integrierten Versorgung die Beseitigung der Defizite und Strukturmängel innerhalb der medizinischen Akutver15
Glied.-Pkt. 1.8 der Anlage 3 zu §§ 28 b bis 28 g RSAV.
16
Anlage 9 zu §§ 28 b bis 28 g RSAV; BGBl I 2004, S. 3722.
17
Glied.-Pkt. 1.6.4 der Anlage 9 zu §§ 28 b bis 28 g RSAV.
354
sorgung. Da jedoch Abweichendes von den ursprünglichen Regelungen der §§ 140a ff.
SGB V zulässig ist, soweit es der Verbesserung der Versorgungsqualität dient, wäre eine
Kooperation mit Leistungserbringern aus anderen Bereichen des Sozialgesetzbuches unter
Heranziehung der § 21 SGB IX bzw. §§ 53 ff. SGB X möglich. Auf diesem Weg könnte man
Verträge mit anderen Rehabilitationseinrichtungen bzw. sogar mit anderen Rehabilitationsträgern schließen, wodurch eine Verbindung von akuter Krankenbehandlung und Rehabilitation möglich wäre. Maßgeblicher Vertrag bliebe dann immer noch der integrierte Versorgungsvertrag, während die Vorschriften der §§ 21 SGB IX sowie der §§ 53 ff. SGB X hilfsweise für die sektorenübergreifenden Vertragsgestaltungen heranzuziehen sind.
Hiermit kann eine Gesamtverbesserung der Versorgungsqualität von chronisch Kranken erreicht werden.
Literatur
Deck, R., Heinrichs, K., Koch, H., Kohlmann, T., Mittag, O., Peschel, U., Ratschko, K.H.,
Welk, H., Zimmermann, M. (2000): „Schnittstellenprobleme“ in der medizinischen Rehabilitation: die Entwicklung eines Kurzfragebogens zur Ermittlung des Informations- und
Kommunikationsbedarfs bei Hausärzten, Das Gesundheitswesen, 431-436.
Heine, W. (2004): SGB IX und Akutbehandlung, ZSR, 462-471.
Koch, U. (2003): Medizinische Rehabilitation - Versorgungsbereich im Wandel, Die BKK,
241-249.
Schönbach, K.-H. (2003): Qualität und Wirtschaftlichkeit durch Disease-ManagementProgramme in der GKV, in: Gesundheitsversorgung und Disease Management, 213-225.
von Törne, I. (2000): Sektorale Sonderrolle der Rehabilitation noch zeitgemäß?, Die BKK,
102-109.
Einsatz des Persönlichen Budgets für Leistungen nach § 40 SGB IX in
Verantwortung der Rentenversicherung
Wendt, S.
Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung
Ausgangssituation
Die Gesamtzahl der Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) von
227.000 (2003) ist bis 2005 um ca. 90.000 Personen gestiegen, mit hohen Zuwachsraten
von seelisch behinderten Personen mit Leistungen der Rentenversicherung (RV) nach § 40
SGB IX. Zu fragen ist, ob diese teilstationären Aufnahmen in geeigneten Fällen durch ambulante Angebote, finanziert durch ein Persönliches Budget (PB), ersetzt werden können.
Seit dem 01.07.2004 können Reha-Leistungen als trägerübergreifendes PB beansprucht
werden, nach § 17 Abs. 6 SGB IX bis zum 31.12.2007 mit einer Erprobung in Modellregionen. Bisher haben 43 v. H. der Budgetnehmer eine seelische Behinderung (Bericht nach
§ 66 Abs. 3 SGB IX, Zwischenauswertung vom 12.06.2006).
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat am 20.06.2006 eine Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung 06/2006 Nr.03 zur Inanspruchnahme des PB nach SGB III verab355
schiedet. Darin werden die örtlichen Arbeitsagenturen aufgefordert, das PB in geeigneten
Fällen zielgerichtet in den Beratungsprozess einzubringen. Dies gelte auch für den Leistungsbereich des Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich in WfbM.
Problemstellung
Eignet sich die Auszahlung eines Geldbetrags im Rahmen eines PB für die Finanzierung
von Leistungen nach § 40 SGB IX? Davon geht die BA aus, während von der RV noch keine
Empfehlungen vorliegen.
Nach der Handlungsempfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) für
trägerübergreifende Aspekte bei der Ausführung von Leistungen durch ein PB sind auch
Leistungen der WfbM budgetfähig, da es sich um verpreiste Sachleistungen handelt. Welche Vorteile bringt die Auszahlung der Vergütung nach §§ 40, 41 Abs. 3 SGB IX an den
Leistungsberechtigten als PB statt an die WfbM?
Rechtsanspruch auf Leistungsbewilligung durch ein PB
Die Inanspruchnahme des PB ist Ausdruck des Wunsch- und Wahlrechts des Leistungsberechtigten nach § 9 SGB IX. Wird die Leistung nach § 40 SGB IX als PB beantragt, muss
der Leistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über die Bewilligung entscheiden, auch
außerhalb der Modellregionen.
Bei der Ermessensentscheidung ist zu prüfen, ob durch das PB eine Reha-Dienstleistung in
gleicher Qualität wie durch eine vertragliche Vergütung an den Leistungserbringer erbracht
werden kann. Die Auswahl von Teilleistungen und die Wahl verschiedener Leistungserbringer (WfbM und ambulanter Ausbildungsträger) kann in einer Zielvereinbarung nach § 4
Budgetverordnung (BudgetV) geregelt werden.
Vorteile der Inanspruchnahme eines PB
Das PB ermöglicht die Erprobung neuer Beschäftigungsformen außerhalb der WfbM auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch eine „Unterstütze Beschäftigung“, für die es bereits
ausländische Vorbilder gibt. Die Ausbildung erfolgt auf Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarkts mit qualitätsgesicherter Begleitung durch ambulante Dienste. Das PB auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt führt zu Kostenersparnissen, weil keine institutionellen Einrichtungskosten anfallen. Dies belegt das Modell einer „virtuellen Werkstatt“ (bis 2009 gefördert
von dem saarländischen Sozialministerium). Die Rehabilitation ermöglicht eher die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Ende der Zuständigkeit der RV nach § 40 SGB IX,
es kann dann eine Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX beantragt werden. Dazu ist
die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft notwendig, über die im Streitfall gerichtlich
entschieden wird.
Literatur
Aktion Psychisch Kranke e.V. (2004): Individuelle Wege ins Arbeitsleben, Abschlussbericht
zum Projekt „Bestandsaufnahme zur Rehabilitation psychische Kranker“, Bonn.
Bieker, R. (2005): Teilhabe am Arbeitsleben, Wege der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung, Stuttgart.
Wendt, S. (2005): Einsatz des Persönlichen Budgets für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. WfbM, Kapitel A 3 Werkstatt-Handbuch der Bundesvereinigung Lebenshilfe,
Marburg.
356
Die Gewährleistung der Kommunikation bei behinderten Menschen am
Beispiel des Vermittlungsdienstes für Hörgeschädigte
Tallich, V. (1), Welti, F. (2)
(1) Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, Universität Kiel
Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung
Im Alltag unserer Gesellschaft hat die Kommunikation eine herausragende Bedeutung. Sie
ist nicht nur Bestandteil der Persönlichkeitsentfaltung, sondern auch im Bereich des Arbeitslebens von entscheidender Wichtigkeit. Die Kommunikation kann durch eine Behinderung
i. S. d. § 2 SGB IX beeinträchtigt sein. Es sind mehrere Behinderungen denkbar. Untersucht
wird, inwiefern verschiedene Kommunikationsbeeinträchtigungen vor allem durch Sozialleistungen kompensiert werden. Exemplarisch ausgewählt wurde der technische Vermittlungsdienst für Hörgeschädigte. Mittels diesem ist bei einem Telefongespräch zwischen zwei
Personen eine dritte Person als Gebärdendolmetscher mittels Bildtelefon „zwischengeschaltet“. Der Vermittlungsdienst lässt sich nicht einfach in das Leistungsspektrum des Sozialrechts einordnen, da er sich von herkömmlichen Leistungen in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht unterscheidet.
Methodik
Die möglichen Anspruchsnormen werden mittels juristischer Methoden ausgelegt. Zu untersuchen sind der historische Kontext einer Norm, ihre Systematik, ihr Wortlaut sowie Sinn
und Zweck. Für die Ermittlung von Sinn und Zweck werden insbesondere der an der ICF orientierte Behinderungsbegriff (§ 2 Abs. 1 SGB IX) und die Ziele des Gesetzes (§§ 1, 4
Abs. 1 SGB IX) herangezogen.
Ergebnisse
Bei der technischen Ausstattung und der Dienstleistung eines Vermittlungsdienstes handelt
es sich um eine Teilhabeleistung, die von verschiedenen Rehabilitationsträgern unter unterschiedlichen Voraussetzungen gewährt wird. Es ist notwendig zwischen der technischen
Ausstattung, die aus einem Schreib- oder Bildtelefon oder einem Computer besteht, und
dem Vermittlungsdienst als Dienstleistung zu unterscheiden. Die technische Ausstattung
kann im Rahmen einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich (§§ 33 SGB V, 31 SGB IX) gewährt werden. Bei einem Computer ohne
Zusatzausstattung kann dem aber entgegenstehen, dass es sich um einen allgemeinen
Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Diese Gegenstände können auch als
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als begleitende Hilfe im Arbeitsleben erbracht
werden. Die Inanspruchnahme des Vermittlungsdienstes kann einen gesetzlich vorgeschriebenen Annex zu anderen Sozialleistungen bilden, beispielsweise bei der Ausführung
von Sozialleistungen oder im sozialgerichtlichen Verfahren. Die Vermittlung zwischen zwei
Personen kommt aufgrund ihres Dienstleistungscharakters im Rahmen einer Leistung zur
medizinischen Rehabilitation nur als Heilmittel zum Behinderungsausgleich in Betracht. Dieses leitet sich aus den Zielen und Mitteln des SGB IX ab. Im Rahmen der Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben und als begleitende Hilfe im Arbeitsleben ist der Vermittlungsdienst notwendige Arbeitsassistenz. Darüber hinaus kommt eine Leistung zur Teilhabe am
357
Leben in der Gemeinschaft als Hilfe zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (§ 57
SGB IX) in Betracht. Auf sie kann ein Anspruch aus besonderem Anlass bestehen. Bei der
Bestimmung besonderer Anlässe sind grundrechtliche Wertungen zu berücksichtigen.
Diskussion
Ein technischer Vermittlungsdienstes für Hörgeschädigte ist trotz seiner Notwendigkeit für
umfassende Integration und für selbstbestimmtes Leben nicht vollständig gesichert. Hinsichtlich einer Leistungspflicht für den Vermittlungsdienst besteht in vielen Bereichen noch
Klärungsbedarf. Zu diskutieren ist, ob der Vermittlungsdienst weitergehend in das Sozialrecht integriert werden oder möglicherweise - wie in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.08.2006 beabsichtigt - im Telekommunikationsrecht verankert werden soll.
Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Die technische Entwicklung ermöglicht einen Fortschritt in der Rehabilitation. Rechtsetzung
und Rechtsauslegung müssen aber damit Schritt halten.
Literatur
Neumann, V. (2004): Handbuch SGB IX.
Gersdorf, H. (2003): „Errichtung eines Vermittlungsdienstes für hörbehinderte Menschen“,
TKMR, 85ff.
Lachwitz, Welti (2006): Handkommentar zum Sozialgesetzbuch IX, 2. Aufl., Neuwied.
Die Besonderheiten des teilhabe- und rehabilitationsrechtlichen
Leistungserbringungsrechts
Köster, P., Welti, F.
Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, Universität Kiel
Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung
Mit dem teilhabe- und rehabilitationsrechtlichen Leistungserbringungsrecht, geregelt in den
§§ 17-21a SGB IX, hat der Gesetzgeber ein besonderes System der Rechtsbeziehungen
zwischen den Rehabilitationsträgern und den Diensten und Einrichtungen der Rehabilitation
geschaffen.
Zwar ist das SGB IX bereits seit fünf Jahren in Kraft und hat das Rehabilitationswesen
nachhaltig verändert. Die Probleme und Chancen des Leistungserbringungsrechts sind aber
noch nicht adäquat juristisch aufgearbeitet. Auch die Interdependenzen zwischen dem
SGB IX und den übrigen Büchern des SGB sind weitgehend unbehandelt oder ungelöst.
Methodik
Anhand der juristischen Methoden werden die einschlägigen Normen ausgelegt. Es wird also nach dem Wortlaut, dem historischen Zusammenhang, dem Sinn und Zweck und dem
systematischen Kontext gefragt. Besonders betont wird bei den gefundenen Ergebnissen
der Sinn und Zweck des SGB IX, einen einheitlichen Leistungsrahmen für die bedarfsgerechte Versorgung mit Leistungen zur Teilhabe zu schaffen.
358
Ergebnisse
Für das Leistungserbringungsrecht in §§ 17-21a SGB IX gilt die Regel des § 7 S. 1 SGB IX.
Es ist damit, solange in den jeweiligen Leistungsgesetzen nichts explizit Abweichendes geregelt ist, von allen Rehabilitationsträgern anzuwenden.
Die §§ 17-21a SGB IX regeln, soweit der Rehabilitationsträger Leistungen nicht selber ausführt, ein besonderes Inanspruchnahmeverfahren. Die Rehabilitationsträger nehmen geeignete freie, gemeinnützige oder private Rehabilitationsdienste und -einrichtungen zur Ausführung von Leistungen in Anspruch (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX). Wer geeignet ist, mit
dem haben die Rehabilitationsträger einen Versorgungsvertrag abzuschließen (§ 21 Abs. 1
SGB IX). Ein solcher Versorgungsvertrag begründet keinen Anspruch auf Inanspruchnahme
im Einzelfall. Alle geeigneten Dienste und Einrichtungen sind bei einer Inanspruchnahme zu
berücksichtigen. Die Inanspruchnahme im Einzelfall richtet sich nach der besten Geeignetheit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit (§§ 17 Abs. 1 Satz 3, 19 Abs. 4 SGB IX). Die Kriterien der Geeignetheit sind von allen Rehabilitationsträgern nach einheitlichen Grundsätzen
anzuwenden (§ 21 Abs. 2 SGB IX). Hierüber sollen sie Rahmenverträge mit den Erbringern
schließen. Einer selektiven Auswahl, die sich nicht an der allgemeinen oder besonderen
Eignung der Dienste und Einrichtungen orientiert, setzt das Leistungserbringungsrecht
Schranken. Deutsches und europäisches Wettbewerbs- und Vergaberecht sind für das
Rechtsverhältnis zwischen Rehabilitationsträgern und Diensten und Einrichtungen der Rehabilitation aber nicht anwendbar, weil und soweit das Leistungserbringungsrecht einen abschließenden Wettbewerbsrahmen schafft und sich grundlegend von einem öffentlichen Auftrag unterscheidet.
Diskussion
Noch immer herrschen in der teilhabe- und rehabilitationsrechtlichen Leistungserbringung
Begriffe wie Zulassung und Belegung vor. Zentrale Begriffe sind nun - seit 2001 - Inanspruchnahme und Geeignetheit. Der Gesetzgeber hat ein System normiert, das die Ausgestaltung des Systems durch Verträge vorsieht, bei denen sich Rehabilitationsträger und Leistungserbringer auf gleicher Ebene begegnen. Die Verantwortung für die Leistung verbleibt
aber bei den Rehabilitationsträgern.
Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Das System des Leistungserbringungsrechts des SGB IX ist noch nicht vollständig in die
Praxis umgesetzt. Insbesondere fehlt es an Rahmenverträgen nach § 21 Abs. 2 SGB IX. Ihre Bedeutung auch für die Weiterentwicklung der Leistungen zur Teilhabe ist näher zu diskutieren.
Literatur
Neumann (Hrsg.) (2004): Handbuch SGB IX.
Bihr, Fuchs, Krauskopf, Ritz (Hrsg) (2006): Kommentar und Praxishandbuch zum SGB IX.
Bieritz-Harder (2005): „Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für
Arbeit als Teil der beruflichen Rehabilitation - Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder
Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis“, RsDE Nr. 59, 42 ff.
Kunze, Kreikebohm (2003): „Sozialrecht versus Wettbewerbsrecht - dargestellt am Beispiel
der Belegung von Rehabilitationseinrichtungen“, NZS: Teil I S. 5 ff., Teil II, 62 ff.
359
Eichenhofer (2002): „Das Rechtsverhältnis zwischen Rehabilitationsträger und Rehabilitationseinrichtungen“, NZS, 348 ff.
360
Rehabilitationsrecht (Poster)
Der Anspruch auf kenntnis- und fähigkeitsgerechte Beschäftigung nach
§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX im Zusammenhang mit dem betrieblichen
Eingliederungsmanagement
Beer, M.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen einklagbaren Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung und Ausstattung ihres Arbeitsplatzes (BAG, 10.05.2005 und BAG, 14.3.2006). Um diesen Anspruch zu gewährleisten,
kann der Arbeitgeber auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation und des Arbeitsumfeldes verpflichtet werden gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX, sofern im Betrieb die
Möglichkeit der Aufgabenumverteilung besteht. So kann sich für den Arbeitgeber aus
§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX beispielsweise die Verpflichtung ergeben, den Zugang zu
den Betriebsstätten barrierefrei zu gestalten sowie behinderungsgerechte Toiletten einzurichten oder die Arbeitszeit den Bedürfnissen des Schwerbehinderten anzupassen. Welche
Maßnahmen für eine behinderungsgerechte Gestaltung und Ausstattung des Arbeitsplatzes
notwendig sind, kann sich nur für den jeweiligen Einzelfall klären lassen.
Der schwerbehinderte Arbeitnehmer trägt die Darlegungslast dafür, welche Beschäftigungsmöglichkeiten seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen. Das betrifft Darlegungen zu den einzelnen Anforderungen an seinem Arbeitsplatz sowie Aussagen darüber,
welchen Anforderungen der schwerbehinderte Arbeitnehmer im Einzelnen gewachsen ist.
Aus diesen Darlegungen lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob eine Umorganisation der Arbeitsabläufe nötig ist.
Der Arbeitgeber kann jedoch nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX die Einrede geltend machen,
dass die Umorganisation unzumutbar bzw. mit unverhältnismäßigen hohen Aufwendungen
verbunden ist. Die Zumutbarkeit ist somit auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit des
Arbeitgebers abhängig (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen 2005 - Neumann § 81 Rn. 37).
Diese Einrede ist vom Arbeitgeber substantiiert vorzutragen (Kohte, 2006; Faber, 2006). Die
bloße Behauptung des Arbeitgebers genügt für die Wirksamkeit der Einrede nicht. Vielmehr
muss der Arbeitgeber hier konkrete Schätzungen über die Kosten der Umorganisation
vornehmen (BAG, 04.10.2005). Dabei soll der Arbeitgeber mit den Rehabilitationsträgern
etwaige Absprachen über eine Kostenübernahme der Maßnahmen treffen. Diese
Absprachen können im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfolgen.
Das Ziel des zum 01.05.2004 eingeführten betrieblichen Eingliederungsmanagements nach
§ 84 Abs. 2 SGB IX ist die dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses. Danach ist ein solches betriebliches Eingliederungsmanagement von dem Arbeitgeber dann
einzuleiten, wenn der Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank ist. Der Arbeitgeber wird verpflichtet, zusammen mit der Interessenvertretung sowie gegebenenfalls der Schwerbehindertenvertre361
tung und dem Arbeitnehmer, im Rahmen dieses Präventionsverfahrens möglichst frühzeitig
präventive Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben einzuleiten, die die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit (wieder-) herstellen, erhalten, verbessern bzw. fördern. Das Selbstbestimmungsrecht des behinderten Menschen gem. § 1 SGB IX ist dabei stets zu berücksichtigen (Gagel, NZA 2004, 1359, 1360).
Die Erörterung mit den fachkundigen Stellen, also den Rehabilitationsträgern sowie dem Integrationsamt, dient dazu, allen Beteiligten mögliche Lösungen aufzuzeigen. Hierzu gehören
somit ebenfalls Absprachen mit den Rehabilitationsträgern über die Kosten der beabsichtigten Maßnahmen. Es ist dabei zu klären, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber finanzielle Unterstützung von den Sozialleistungsträgern und dem Integrationsamt erhält gem.
§§ 84 Abs. 2 Satz 4, 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. a SGB IX.
Führt der Arbeitgeber das erforderliche Präventionsverfahren nicht durch, so muss ihm die
Einrede der Unzumutbarkeit bzw. der Unverhältnismäßigkeit der Kosten nach § 81 Abs. 4
Satz 3 SGB IX schon aus diesem Grunde verwehrt bleiben.
Literatur
BAG 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155 = AP Nr. 8 zu § 81 SGB IX
BAG 4.10.2005 - 9 AZR 632/04 - NZA 2006, 422 = AP Nr. 9 zu § 81 SGB IX.
BAG 14.3.2006 - 9 AZR 411/05.
Majerski-Pahlen, M. (2005): Kommentierung zu § 81 SGB IX in Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Kommentar, 11. Auflage, München.
Kohte, W. (2006): jurisPR-ArbR. Anm. 2.
Faber, U. (2006): Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 1 SGB IX und Anspruch auf
behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 SGB IX“, Beitrag in Diskussionsforum B auf www. iqpr.de.
Gagel, A. (2004): Betriebliches Eingliederungsmanagement, NZA, 1359.
362
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 1
Nachbehandlung nach Implantation von Hüfttotalendoprothesen derzeitiger Stand an deutschen Rehabilitationskliniken
Birk, K. (1), Gottfried, T. (2), Forst, R. (3), Beyer, W.F. (4)
(1) BHZ Vogtareuth, (2) Klinik Höhenried, (3) Orthopädische Klinik der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen, (4) Orthopädie-Zentrum Bad Füssing der Deutschen
Rentenversicherung Oberbayern
Hintergrund
Über Nachbehandlung im Rahmen einer stationären Rehabilitation nach Implantation einer
Hüfttotalendoprothese existieren nur sehr wenig evidenzbasierte Studien. Eine Folge davon
ist, dass in der Praxis keine anerkannten Therapiekonzepte existieren, und jede Einrichtung
ihre eigenen Standardtherapiepläne verfolgt.
Fragestellung
Untersucht werden sollte zunächst die Frage, welche Therapiearten für einen definierten
Musterpatienten als wichtig erachtet werden. Zusätzlich sollte erörtert werden, inwieweit
Kostenträger und Klinken unterschiedliche Vorstellungen von Therapien und deren Frequenzen haben und ob medizinische Notwendigkeit und tatsächliche Realität der Behandlungen hinsichtlich Therapieart und -frequenz große Unterschiede aufweisen.
Methodik
Im Rahmen einer empirischen Studie wurden Ende 2005 180 Rehabilitationskliniken und 21
Kostenträger deutschlandweit per Fragebogen befragt. Der Gesamtrücklauf betrug 51 %,
dabei antworteten 80 % der Kostenträger und 44 % der Kliniken.
Untersucht wurden Therapiekonzepte nach Implantation einer Hüfttotalendoprothese anhand eines vorgegebenen Musterpatienten. Darüber hinaus wurden reale Therapiepläne
und Standardtherapiekonzepte der jeweiligen Klinik angefordert.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zeigen, dass klassische Therapieformen, wie z. B. Krankengymnastik einzeln oder Bewegungsbad einen sehr hohen Stellenwert haben und flächendeckend angewendet werden. Hinsichtlich der Frequenz ergeben sich jedoch durchaus erhebliche Unterschiede.
Sämtliche andere Therapieformen wie z. B. Massage, Lymphdrainage, Ergotherapie werden
mit einer geringeren Frequenz genannt.
Es gibt ein breites Spektrum an Unterarten von Therapien, die innerhalb der Kliniken stark
variieren.
363
Evidenzbasierung wird sowohl von den Kliniken, als auch von den Kostenträgern als wichtig,
die individuelle Entscheidung zu einer Therapie wird jedoch als wesentlich wichtiger angesehen.
Längsschnittliche Therapieevaluation im Klinikalltag in der Rehabilitation
nach Hüftendoprothetik
Linke, M. (1), Dittmann, H. (1), Mayer, J. (2)
(1) Simssee Klinik GmbH, Bad Endorf, (2) Fachhochschule für angewandtes
Management, Erding
Einleitung
Therapie und deren Wirkung muss in einer Rehabilitationseinrichtung im Rahmen von qualitätssichernden Maßnahmen regelmäßig überprüft werden. Dies dient nicht nur dem Nachweis der Ergebnisqualität gegenüber den Kostenträgern, sondern in besonderem Maße
auch der Weiterentwicklung der internen Strukturen.
In der vorliegenden Studie wurde in einem Messwiederholungsdesign versucht, das Therapieoutcome nach Hüftendoprothetik im Rahmen der Qualitätssicherung zu evaluieren. Es
werden die Ergebnisse der Evaluation der Jahre 2003-2005 vorgestellt sowie Fragen für die
interne Therapieentwicklung daraus abgeleitet.
Methode
Versuchspersonen:
982 Patienten mit Z. n. Hüftendoprothetik (nur Erstimplantation)
Abhängige Variable:
Bei Fragen der Operationalisierung von Therapiewirkung ist die subjektive Einschätzung der
Patienten ein sehr relevantes Evaluationskriterium. In der vorliegenden Studie wurden in der
Selbsteinschätzung die Bewältigung von Alltagstätigkeiten sowie die psychische und physische Gesundheit als relevante Kriterien für Therapieerfolg herangezogen.
Instrumente:
Zur Erfassung der Funktionalität wurde der von Stucki et al. (1996) in die deutsche Sprache
übersetzte WOMAC (Skala Funktion), zur Erfassung der physischen und psychischen Gesundheit der SF12 nach Bullinger & Kirchberger (1998) eingesetzt.
Messzeitpunkte:
Messzeitpunkt-Pre: in der ersten physiotherapeutischen Behandlung
Messzeitpunkt-Post: in der letzten physiotherapeutischen Behandlung (in der Regel nach
ca. 18 Tagen)
Ergebnisse und Diskussion
Aus dem großen Datenpool von fast 1.000 Patienten wurde eine Vielzahl von Auswertungen
vorgenommen (u. a. nach den Variablen Alter, Geschlecht, Krankenhaus, in dem die Opera364
tion durchgeführt wurde, und Station in der Reha-Klinik). Hier ergaben sich vielfältige Fragestellungen, die zu weiteren Studien anregen.
Schwerpunkt der Auswertung waren jedoch zwei Themen:
1. Konnte eine stabile oder sogar ansteigende Ergebnisqualität erreicht werden?
2. Hat die Einführung des DRG Systems Einfluss auf die Nachbehandlung bzw. deren Ergebnis?
Es zeigen sich über 3 Jahre hinweg stabile positive Entwicklungsverläufe in den erhobenen
Variablen. Dies wird auch inferenzstatistisch belegt. Dies spricht für die Wirkung der therapeutischen Maßnahmen im Haus. Eine wesentliche Verbesserung konnte jedoch nicht erzielt werden. Mögliche Ursache dafür sind die Ergebnisse zur Abklärung des Einflusses des
DRG Systems. Es scheint eine erste Tendenz sichtbar zu werden, wonach ein signifikanter,
moderater negativer Zusammenhang (-0,260**) zwischen dem Jahr, in dem die Operation
durchgeführt wurde und der Differenz zwischen Operationsdatum und Aufnahme in der Rehabilitationseinrichtung besteht (Auswirkung DRG System, frühere Verlegung).
Dies scheint zudem brisant, da eine weitere schwache Tendenz bemerkbar ist, wonach die
Patienten allgemein mit schlechterer Ausgangsbedingung in die Rehabilitationseinrichtung
kommen (0,101*).
Fazit
Da trotz früherer Verlegung und schlechterer Ausgangslage das Behandlungsergebnis
gehalten werden konnte, ist insgesamt von einer Verbesserung des Behandlungsprozesses
auszugehen. Dieser Trend wird durch weitere Analysen sowie besonders durch die weitere
konsequente Datenerhebung zu prüfen sein.
Literatur
Stucki, G., Meier, D., Stucki, S., Michael, B.A., Tyndall, A.G., Dick, W., Theiler, R. (1996):
Evaluation einer deutschen Version des WOMAC (Western Ontario und McMaster Universities): Arthroseindex. Zeitschrift für Rheumatologie, 5, 40-49.
Bullinger, M., Kirchberger, I. (1998): Der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF36): Handbuch für die deutschsprachige Fragebogenversion. Göttingen: Hogrefe.
Evaluation der Integrierten Versorgung - Zukunftspotential für Hüft- und
Knie-Endoprothetik
Güldensupp, H., Dolderer, M.
Institut für Strategieentwicklung in Kooperation mit der Universität Witten
Hintergrund
Als zentrales Reformelement der deutschen Gesundheitsversorgung, gesetzlich verankert in
§ 140 a-d SGB V, tritt die Integrierte Versorgung (IV) seit ihrer Weiterentwicklung im GMG
2004 mit verstärkter Kraft an, die qualitativen und wirtschaftlichen Defizite sektoral getrennter Leistungsstrukturen zu beheben und leistungsfähige Alternativstrukturen zur klassischen
365
Regelversorgung zu etablieren. Ob dies gelingt, hängt vor allem davon ab, wie die Akteure
den Gestaltungsraum mit innovativen Versorgungskonzepten ausfüllen.
Das Institut für Strategieentwicklung hat in Kooperation mit der Universität Witten/Herdecke
eines der größten IV-Projekte des Indikationsbereichs Hüft- und Knie-Endoprothetik wissenschaftlich evaluiert. Das IV-Projekt „Endoprothetik Münster“ wurde von der BARMER Ersatzkasse, der St. Franziskus-Stiftung Münster und der Inoges AG Krefeld im Jahr 2003 als
eines der ersten deutschen IV-Projekte ins Leben gerufen. Bis Juni 2006 wurden hier mehr
als 300 Patienten versorgt.
Fragestellung
Wie ist die Versorgung im IV-Projekt im Vergleich zur Regelversorgung zu bewerten? Von
Interesse waren hier die Qualität der Versorgungsstrukturen und die Wirtschaftlichkeit relativ
zur Regelversorgung, wobei insbesondere die Bewertungen subjektiv empfundener Versorgungsqualitäten von IV-Patienten auf der einen und Nicht-IV-Patienten auf der anderen Seite untersucht werden sollten.
Methodik
Neben einer umfassenden Datenanalyse und 25 qualitativen Interviews mit Schlüsselpersonen des IV-Projekts wurde eine fragebogengestützte Befragung aller IV-Patienten durchgeführt, deren Behandlung bis zum Evaluationszeitpunkt abgeschlossen war (Vollerhebung:
243 Patientenbefragungen). Gleichzeitig wurde eine nach soziodemographischen, regionalen und krankenhausspezifischen Kriterien zusammengestellte Vergleichsgruppe von NichtIV-Patienten befragt (Stichprobe: 400 Patientenbefragungen).
Ergebnisse
Die Evaluationsergebnisse sind bemerkenswert und positiv zu bewerten. Im IV-Projekt „Endoprothetik Münster“ entstehen bei einer signifikant besseren subjektiven Versorgungsqualität deutlich geringere Kosten. Es zeigt sich, dass integrierte Versorgungsstrukturen nicht nur
eine wirtschaftlichere, sondern auch eine bessere Versorgung ermöglichen.
Die Auswertung der Tiefeninterviews hat eine im Vergleich zur Regelversorgung gesteigerte
Qualität der internen Strukturen belegt. Es wurde insbesondere deutlich, dass Kommunikation und Koordination zwischen den Leistungserbringern kooperativer und somit stärker an
den Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet sind. Dazu gehören beispielsweise kurze
Kommunikationswege, die individuelle Anpassungen des Versorgungsprozesses kurzfristig
möglich machen.
Die Wirtschaftlichkeitsanalyse auf Grundlage tatsächlich angefallener Kosten pro Patient
zeigt Einsparungen gegenüber der Regelversorgung von über 10 %. Einzelne Kostenpositionen lassen sich jedoch nicht abschließend indikationsspezifisch isolieren.
In der IV verkürzen sich sowohl die durchschnittlichen Liegezeiten im Krankenhaus (um 1,3
Tage) als auch der durchschnittliche Aufenthalt in der Rehabilitation (um 1,7 Tage) deutlich.
Von insgesamt 643 versendeten Fragebögen (243 IV-Patienten sowie 400 Nicht-IVPatienten) wurden 325 Fragebögen beantwortet und ausgewertet (Rücklaufquote IVGruppe: 61 % = 149 Fragebögen, Rücklaufquote Vergleichsgruppe: 44 % = 176 Fragebögen).
366
Im Ergebnis bewerten IV-Patienten ihren Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalt sowie
den gesamten Versorgungsprozess über alle Versorgungsphasen hinweg signifikant besser
als die Patienten der Vergleichsgruppe.
IV-Patienten bewerten ihren „Gesundheitszustand nach Behandlung“ auf einer Skala von 1
(sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) signifikant besser als Nicht-IV-Patienten. Bei einem fast
identischen Ausgangswert „Gesundheitszustand vor Behandlung“ ergibt sich daraus, dass
IV-Patienten auch die Entwicklung ihres Gesundheitszustands signifikant besser
einschätzen. Die Ergebnisse wurden durch die gleichzeitige Kontrolle für Alter, Geschlecht
und Gesundheitszustand vor Behandlung (Schätzmodell “linear regression“, ausgelegt für
metrische Skalen) abgesichert, so dass potentielle Einzeleffekte statistisch separiert sind.
8
Bewertung des Gesundheitszustandes
7.36
4.53
4
Mittelwert
6
6.68
3.90
IV
2.82
0
2
2.77
NIV
vor Behandlung
nach Behandlung
Verbesserung
Trotz der signifikant höheren durchschnittlichen Zufriedenheit der IV-Patienten mit ihrem
Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalt haben die IV-Teilnehmer laut Fragebogen weder im Krankenhaus noch in der Rehabilitation das Gefühl, anders behandelt zu werden als
andere Patienten. Der einzelne IV-Patient ist zwar im Durchschnitt zufriedener, kann diese
höhere Zufriedenheit aber nicht an konkreten Unterschieden zur Regelversorgung festmachen.
Fazit und Ausblick
63,8 % der befragten IV-Patienten sind „sehr zufrieden“, weitere 28,4 % „eher zufrieden“ mit
dem Versorgungsprozess in der IV. Diese Zufriedenheit wird vor allem an der guten Betreuung, der Behandlungsstruktur und dem Case Management festgemacht. Trotz der signifikant besseren Bewertung des gesamten Versorgungsprozesses sowie jeder einzelnen Versorgungsstufe fühlt sich ein großer Teil der Patienten in der IV nicht besonders behandelt
oder ist nicht in der Lage, konkrete Unterschiede zu benennen. Hier liegen für die beteiligten
Vertragspartner Potentiale, eine bessere und gleichzeitig günstigere Versorgung gegenüber
den Patienten bzw. Versicherten deutlicher zu kommunizieren, um sich so gegen den Wettbewerb zu positionieren.
Integrierte Versorgungsstrukturen stellen ein wirksames Element dar, um sich im Gesundheitswesen wettbewerbsfähiger zu positionieren, ohne Einschnitte bei den Versorgungsleistungen vornehmen zu müssen. Ein gelebtes Konzept Integrierter Versorgung bietet zahlreiche Möglichkeiten, Gesundheitsversorgung in Deutschland zum Wohle aller Beteiligten zu367
kunftsfähiger zu gestalten. Leistungserbringer und Kostenträger sind gut beraten, die Möglichkeiten heute zu nutzen, um morgen davon zu profitieren.
Gibt es unterschiedliche Ergebnisse nach endoprothetischem Ersatz der
Hüfte durch Geschlecht oder Alter?
Kalwa, M., Greitemann, B.
Klinik Münsterland der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, Bad Rothenfelde
Hintergrund
2006 wurde durch uns gezeigt, dass im Rahmen einer stationären Anschlussheilbehandlung
nach alloarthroplastischem Gelenkersatz der Hüfte ein messbarer Erfolg erreicht werden
kann. Einfach und strukturiert dokumentierbar ist das Ergebnis mit dem Staffelstein-Score
(Wilhelm et al., 2005). In der Originalarbeit aus Staffelstein (Middeldorf et al., 2000) wurde
beschrieben, dass das Ergebnis sowohl vom Alter der Patienten als auch vom Geschlecht
abhängig sei. Dies sollte nun überprüft werden. Relevant ist diese Fragestellung insbesondere im Hinblick auf evtl. unterschiedliche Therapiekonzepte für unterschiedliche Patientengruppen. Sozialmedizinische Bedeutung erlangt die Frage auch dadurch, dass die Endoprothesen-Patienten zu einem großen Teil noch im Erwerbsleben stehen.
Methodik
Verwertet wurden die Daten von 1.176 Patienten nach Hüft- TEP- Implantation, die sich im
Rahmen einer stationären Anschlussheilbehandlung in den Jahren 2004 bis 2006 in unserer
Klinik befanden. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 21,63 Tage. Es wurde zu
Beginn und zum Ende der AHB der Staffelstein-Score angewendet. Berücksichtigt wurden
die Gesamtpunktzahl sowie die Items Schmerz, ADL und Funktion. Unterschieden wurde
sowohl nach Geschlecht als auch nach Alter.
Ergebnisse
Der Anteil der Frauen in unserer Gruppe lag bei 56,64 % und entspricht in etwa dem Anteil
an unserem Patientengut allgemein. Unter 40 Jahre alt waren 2,55 % der Patienten, zwischen 40 und 50 Jahren 11,05 %, zwischen 50 und 60 Jahren 26,53 % , zwischen 60 und
70 Jahren 30,10 % und über 70 Jahre 29,76 %. Bei den weiblichen Patienten stieg die Anzahl der Patientinnen mit dem Lebensalter deutlich an bis zu einem Maximum von 35,84 %,
die über 70 Jahre alt waren. Bei den männlichen Patienten lag der Altersgipfel zwischen 50
und 60 Jahren mit 31,05 %, um danach wieder abzufallen. In der Gruppe der Hochbetagten
betrug so das Verhältnis Frauen: Männer 17:8.
Die Gesamtpunktzahl sowohl bei Aufnahme als auch bei Entlassung zeigte kaum geschlechtsspezifische Unterschiede, tendenziell lagen die Männer etwas höher. Auch das Alter spielte keine wesentliche Rolle, eine Ausnahme hiervon stellt die Aufnahmepunktzahl bei
Patienten unter 40 Jahren dar. Diese lagen rund 6 Prozentpunkte (Frauen) bzw. 8,5 Prozentpunkte (Männer) höher als in den übrigen Altersgruppen.
368
Hinsichtlich des Schmerzes bei Aufnahme zeigte sich bei den Patientinnen eine kontinuierliche Zunahme der Schmerzen mit zunehmendem Lebensalter. Bei Männern war diese Altersabhängigkeit nicht durchgehend nachweisbar, im Vergleich gaben diese etwas geringere
Schmerzen bei Aufnahme an. Der Alterseffekt bei den Frauen glich sich jedoch zur Entlassung nahezu vollständig aus, der Geschlechtsunterschied blieb hingegen bei Entlassung
bestehen.
Funktionell ergaben sich bei Aufnahme bei den über 50jährigen weder geschlechts- noch
altersabhängige Unterschiede. Die Gruppe der unter 40 Jährigen lag jedoch etwas höher,
vor allem bei den Männern wurden in dieser Untergruppe 3 Prozentpunkte mehr gemessen.
Überraschenderweise schnitt bei der Funktion am schlechtesten die Gruppe der 40-50 Jährigen ab. Beide Effekte nivellierten sich bis zur Entlassung vollständig.
Die Gesamtpunktzahl ADL lag bei Aufnahme bei den jungen Patienten erwartungsgemäß
etwas höher, darüber hinaus konnten zu beiden Messzeitpunkten keine nennenswerten Unterschiede festgestellt werden.
Diskussion
Die in anderen Studien beobachteten Geschlechtsspezifischen Unterschiede konnten in der
jetzigen Untersuchung an über tausend Patienten nicht bestätigt werden. Lediglich beim
Schmerz fanden sich bei den weiblichen Patienten etwas ungünstigere Werte. In der Geschlechtsverteilung über die einzelnen Altersgruppen spiegelte sich die allgemeine demografische Entwicklung wieder: mit zunehmendem Alter stiegt der prozentuale Anteil der
Frauen am Kollektiv erheblich an.
Eher unerwartet war, dass sich auch nur geringe Differenzen in den einzelnen Altersgruppen abbildeten. Lediglich die Gruppe der jungen Patienten (unter 40 Jahre) stellte sich in
allen Bereichen bei Aufnahme deutlich besser dar. Diese Unterschiede glichen sich jedoch
bis zur Entlassung fast vollständig aus. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die älteren
Patienten häufig auch eine höhere Therapiedichte, insbesondere eine größere Anzahl an
Einzelkrankengymnastischer Therapie benötigten, um dieses Ziel zu erreichen.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Vermutung, dass die Ergebnisse nach endoprothetischem Gelenkersatz der Hüfte altersabhängig sind, konnte nicht bestätigt werden. Um bei den betagten Patienten jedoch ein
gleich gutes Resultat zu erzielen, ist oft ein höherer therapeutischer Aufwand erforderlich.
Dies muss bei der Rehabilitationsplanung berücksichtigt werden (s. auch Oehlert et al.,
2004). Geschlechtsspezifische Anpassungen scheinen nicht erforderlich zu sein. Etwa die
Hälfte der Patienten, die in unserer Klinik zur AHB nach Hüft-TEP waren, befinden sich in
erwerbsfähigen Alter. Daher sollte auf deren berufliche Belange besonders eingegangen
werden. Es ist geplant, diese Gruppe gezielt im Hinblick auf ihre bisherige und künftige
Einsatzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu untersuchen.
Literatur
Middeldorf, S., Casser, H.-R. (2000): Verlauf- und Ergebnisevaluation stationärer Rehabilitationsmaßnahmen nach alloarthroplastischem Hüft- und Kniegelenkersatz mit dem Staffelstein-Score. Orthopädische Praxis 36, 4; 230-238.
369
Oehlert, K., Hassenpflug, J. (2004): Koordinative Defizite von Endoprothesenpatienten Wirksamkeit eines Koordinationstrainings. Zeitschrift für Orthopädie und ihre Grenzgebiete,142; 679-684.
Wilhelm, B., Blau, J.R., Dohnke, B. (2005): Änderungssensitivität verschiedener Assessments für die Verlaufskontrolle der Rehabilitation nach Kniegelenkersatz - ein Methodenvergleich. Physikalische Medizin - Rehabilitationsmedizin - Kurortmedizin, 15.
Score-gesteuerte Dauer der Anschlussheilbehandlung nach Hüft- und
Knie-TEP-Implantationen
Peters, K.M. (1), Krämer, A. (2)
(1) Orthopädie und Osteologie, Rhein-Sieg-Klinik, Nümbrecht, (2) Klinik für Operative
Orthopädie und Traumatologie, Gemeinschaftskrankenhaus Bonn
Hintergrund
Die Bewilligung einer Anschlussheilbehandlung erfolgt durch den Rentenversicherungsträger vor Antritt der Maßnahme. Der bewilligte Zeitraum beträgt für orthopädische Anschlussheilbehandlungen in der Regel drei Wochen. Derzeit beträgt die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten zur orthopädischen Anschlussheilbehandlung in unserer Klinik 20,6
Tage.
Der vorliegenden Untersuchung lag eine Individualisierung der Rehabilitationsdauer in Abhängigkeit vom Erreichen des Rehabilitationszieles zugrunde. Das Rehabilitationsziel wurde
durch eine zu erreichende Zielpunktzahl des zur Ergebnisevaluation eingesetzten Scores
definiert.
Methodik
Bei jeweils 100 Patienten nach Hüft-TEP- und Knie-TEP-Implantation erfolgte eine wöchentliche Erfassung des Staffelstein-Scores Hüftgelenk bzw. Kniegelenk. Somit lagen vier Erfassungszeitpunkte vor: Beginn der Anschlussheilbehandlung (T1), nach einer Woche (T2),
nach zwei Wochen (T3), nach drei Wochen (Ende der Anschlussheilbehandlung) (T4).
Als Zielpunktzahl für den erfolgreichen Abschluss der stationären Rehabilitation wurden jeweils 86 Punkte auf dem Staffelstein-Score für Patienten nach Hüft- bzw. Knie-TEPImplantation definiert.
Ergebnisse
Der durchschnittliche Staffelstein-Score Hüfte betrug bei Aufnahme (T1) 75,9 Punkte, zum
Zeitpunkt T2 79,1 Punkte, zum Zeitpunkt T3 93,6 Punkte und zum Zeitpunkt (T4) 98,0 Punkte.
Nach Knie-TEP-Implantation ergab sich folgender Score-Verlauf: 70,7 Punkte zum Zeitpunkt
T1, 72,6 Punkte zum Zeitpunkt T2, 85,4 Punkte zum Zeitpunkt T3 und 91,1 Punkte zum
Zeitpunkt T4.
Es zeigte sich sowohl bei den Knie- als auch Hüft-TEP-Patienten der größte durchschnittliche Punktezuwachs im Zeitraum zwischen T2 bis T3, d. h. zum Abschluss der zweiten Wo370
che. Zwischen den Zeitpunkten T3 und T4 kam es wieder zu einer deutlichen Abflachung
des durchschnittlichen Punktezuwachses.
Bei einer zu erreichenden Zielpunktzahl des Staffelstein-Scores von jeweils 86 Punkten erreichten die Patienten nach Hüft-TEP-Implantation diese Zielpunktzahl nach zwei Wochen in
72 %, nach Knie-TEP-Implantation in 45 %.
Diskussion
Das Festlegen einer Zielpunktzahl des Staffelstein-Scores stellt eine wichtige Hilfe zur Planung der Dauer der Anschlussheilbehandlung dar. Entsprechend den Rehabilitationszielen
von Patient und Arzt sollte diese Zielpunktzahl zu Beginn der Rehabilitation festgelegt werden, das Erreichen der Zielpunktzahl bedeutet das Ende der stationären Anschlussheilbehandlung. Hierdurch ist eine individuellere Steuerung des Rehabilitationsprozesses unter
Mitwirkung des Patienten möglich sowie in einem Teil der Fälle auch eine Verkürzung der
stationären Rehabilitation auf deutlich unter 21 Tage. In Zeiten knapper finanzieller Ressourcen lassen sich hierdurch Mittel einsparen, die dann für andere Rehabilitandengruppen
zur Verfügung stehen. Es ist allerdings zu bedenken, dass es keine idealen RehabilitationsScores gibt und der Patient in die Entscheidung über die Dauer der Rehabilitation immer aktiv mit einzubeziehen ist.
Evaluation des WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities)
Osteoarthritis Index als Outcome-Instrument in der Rehabilitation bei
Patienten mit Hüft- und Kniegelenksendoprothesen
Müller, E. (1), Gülich, M. (1), Jäckel, W.H. (1,2)
(1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg,
(2) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
Hintergrund
Zentrale Erwartungen von Patienten mit Hüft- bzw. Kniegelenksendoprothesen sind die Reduktion von Schmerzen sowie eine Verringerung der Funktionseinschränkungen durch die
Operation. Die standardisierte Erfassung dieser Parameter aus Patientenperspektive ist sowohl im Sinne einer individuellen Diagnostik und Therapieplanung als auch für die Beurteilung der Ergebnisqualität in der Rehabilitation von großer Bedeutung.
In internationalen Studien ist der WOMAC Osteoarthritisindex zur Outcome-Messung bei
Patienten mit Erkrankungen des Hüft- bzw. Kniegelenks weit verbreitet und ausgiebig validiert (Bellamy, 2003; Stucki et al., 1996; Ryser et al., 1999).
Ziel der vorliegenden Datenanalyse ist die Evaluation der deutschen Version des Fragebogens im speziellen Kontext der Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenksendoprothese.
Methodik
Im Original umfasst der WOMAC 24 Items, die zu den Skalen „Schmerz“ (5 Items), „Steifigkeit“ (2 Items) sowie „Schwierigkeiten bei Alltagstätigkeiten“ (17 Items) bzw. einem Gesamtscore zusammengefasst werden.
371
Folgende Testgütekriterien wurden überprüft: (1) Konstruktvalidität anhand einer Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Promax-Rotation, Auswahl Faktorenzahl anhand des
Screeplot), (2) Innere Konsistenz (Cronbach´s Alpha), (3) Kriterienbezogene Validität durch
Pearson-Korrelationen mit den IRES-3-Dimensionen und (4) Änderungssensitivität anhand
der SRM-Effektstärken.
Ergebnisse
Der WOMAC und der IRES-3 (Bührlen et al., 2005) wurden bei Reha-Beginn 520 konsekutiven Patienten der AOK Baden-Württemberg (260 Hüft-TEP/260 Knie-TEP) in 11 Rehabilitationskliniken vorgelegt (Altersdurchschnitt 70,7 Jahre (sd=6,1), 64,5 % Frauen). Der Rücklauf bei Reha-Ende betrug 95,2 % (495 Patienten).
Bei Reha-Beginn waren nur 56,3 %, bei Reha-Ende 58,2 % der WOMAC-Fragebögen vollständig ausgefüllt. Bei fünf Items, die Tätigkeiten betreffen, die während der Rehabilitation
nicht unmittelbar relevant sind, ist der Anteil der fehlenden Werte höher als 10 % (z. B. 26 %
bei „Wie schwierig war es für Sie, einkaufen zu gehen?“). Schließt man diese Items aus der
Auswertung aus, sind 78,4 % der Fragebögen zu Reha-Beginn und 84,2 % zu Reha-Ende
komplett ausgefüllt.
Die Berechnung der weiteren Kennwerte erfolgte für den Gesamtfragebogen (WOMAC) sowie eine um die oben genannten fünf Items reduzierte Version (WOMAC-REHA).
In der Faktorenanalyse wird sowohl für den WOMAC als auch für den WOMAC-REHA ein
dominanter Faktor extrahiert, der den indikationsspezifischen Gesundheitszustand beschreibt und 49,3 % der Varianz aufklärt (54,2 % WOMAC-REHA).
Die innere Konsistenz des Gesamtscores ist mit α=0,96 für den WOMAC (α=0,96 WOMACREHA) sehr hoch. Mit Effektstärken des Gesamtscores von SRM=0,90 (SRM=0,86 WOMAC-REHA) weisen beide Fragebogenversionen eine hohe Änderungssensitivität auf.
Bei der Überprüfung der Validität ergeben sich hypothesenkonsistent die höchsten Korrelationen des WOMAC-Gesamtscores mit den Dimensionen „Somatische Gesundheit“ (r=-0,46
WOMAC; r=-0,44 WOMAC-REHA) und „Funktionsfähigkeit im Alltag“ (r=-0,40 WOMAC; r=0,36 WOMAC-REHA) des IRES-3. Die geringsten Korrelationen finden sich mit „Gesundheitsverhalten“ (r=-0,28 WOMAC; r=-0,29 WOMAC-REHA) und „Sozialer Integration“ (r=0,23 WOMAC; r =-0,24 WOMAC-REHA).
Schlussfolgerungen
Sowohl der WOMAC als auch die reduzierte Form (WOMAC-REHA) weisen eine hohe interne Konsistenz auf, sind änderungssensitiv und valide.
Die drei Skalen „Schmerz“, „Steifigkeit“ und „Schwierigkeiten bei Alltagstätigkeiten“ konnten
in der Faktorenanalyse nicht reproduziert werden. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass die Patienten sehr früh im Verlauf des Heilungsprozesses befragt werden und der
Zusammenhang zwischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen zu diesem Zeitpunkt
noch besonders hoch ist. Vergleichbare Ergebnisse fanden Ryser et al. (1999) in einer
Rasch-Analyse des WOMAC, bei der die Schmerz- und Funktionsitems ebenfalls eine gemeinsame Skala bildeten.
Die Praktikabilität des Fragebogens bei Patienten in der Rehabilitation nach Hüft- bzw.
Knieglenksendoprothesen ist aufgrund des hohen Anteils fehlender Werte stark einge372
schränkt. Für den Einsatz zur Messung der Ergebnisqualität kann letztendlich nur der WOMAC-REHA empfohlen werden. Die Vollversion bietet allerdings - für die individuelle Diagnostik und Therapieplanung - den Vorteil, dass von den meisten Patienten auch Tätigkeiten, die nach der Entlassung relevant werden, eingeschätzt werden.
Literatur
Bellamy, N. (2003): WOMAC Osteoarthritis Index. User Guide VI. Queensland (Australia).
Selbstverlag.
Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung
eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Rehabilitation
44, 63-74.
Ryser, L., Wright, B.D., Aeschlimann, A., Mariacher-Gehler, S., Stucki, G. (1999): A New
Look at the Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index Using Rasch
Analysis. Arthritis Care and Research 12 (5), 331-335.
Stucki, G., Meier, D., Stucki, S., Michel, B.A., Tyndall, A.G., Dick, W., Theiler, R. (1996): Evaluation einer deutschen Version des WOMAC (Western Ontario und McMaster Universities) Arthroseindex. Zeitschrift für Rheumatologie 55, 40-49.
373
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 2
Welche Faktoren beeinflussen die Selbsteinschätzung des globalen
Gesundheitszustandes bei Vorliegen einer muskuloskeletalen
Erkrankung?
Haselwander, E. (1), Frey, C. (1), Dudeck, A. (1), Fleitz, A. (1), Farin, E. (1),
Jäckel, W.H. (1,2)
(1) Universitätsklinikum Freiburg i.Br., Abt. Qualitätsmanagement und Sozialmedizin
(AQMS), (2) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung
Einleitung
Die Perspektive der Patientenorientierung nimmt im Rehabilitationsbereich wie im Gesundheitswesen allgemein einen zentralen Stellenwert ein. Im Qualitätssicherungsverfahren der
gesetzlichen Krankenkassen (QS-Reha®-Verfahren) (Farin et al., 2003) wird zur Erhebung
des Gesundheitszustandes aus Patientensicht der aus acht Dimensionen bestehende IRES3-Fragebogen (Bührlen, Gerdes,Jäckel, 2005) eingesetzt. In einem zur Dimension „Somatische Gesundheit“ gehörenden Item wird eine Selbsteinschätzung des globalen Gesundheitszustands erfragt: „Wie würden Sie Ihren gegenwärtigen Gesundheitszustand beschreiben?“.
Ziel dieser Untersuchung ist es, den Einfluss soziodemografischer, somatischer, funktionaler
und psychosozialer Faktoren auf den allgemeinen Gesundheitszustand darzustellen. Damit
wird der Frage nachgegangen, welche Personenmerkmale und welche Komponenten des
subjektiv erlebten Gesundheitsstatus das Gesamturteil beeinflussen.
Methodik und Durchführung
Patientenseitig wurden die Prädiktoren mit dem IRES-3 erhoben, arztseitig mit einem Arztbogen. Der IRES-3 (144 Items) bildet den subjektiv empfundenen Gesundheitsstatus auf
somatischer, funktionaler und psychosozialer Ebene ab; der Arztbogen erfasst soziodemografische Variablen, medizinische Basisdaten und Diagnosen. In die Regressionsanalyse
zur Vorhersage der globalen Gesundheitseinschätzung gehen die Daten von 3.291 Patienten aus 20 Kliniken ein, die während eines Jahres mit der Indikation „Muskuloskeletale Erkrankungen“ am QS-Reha®-Verfahren teilgenommen haben. Die Patienten unterscheiden
sich nach Art der Maßnahme wie folgt: 2.926 Patienten (66,9 % Frauen, 33,1 % Männer;
Durchschnittsalter: 70,1 Jahre, SD=8,7) haben an einer Anschlussheil-Rehabilitation (AR)
teilgenommen, 365 (60,7 % Frauen, 39,3 % Männer; Durchschnittsalter: 64,9 Jahre,
SD=11,2) an einer allgemeinen Rehabilitationsmaßnahme (ALLGR).
Zur Beantwortung der Fragestellung wurde eine Kombination aus explorativem und theoriegeleitetem Vorgehen gewählt. In mehreren schrittweise linearen Regressionsanalysen erwiesen sich verschiedene Variablen aus dem IRES-3 und dem Arztbogen als signifikant. Mit
diesen sowie mit theoriegeleitet ausgewählten Variablen wurde die endgültige Regressions-
374
analyse getrennt für beide Maßnahmearten gerechnet, da aufgrund der unterschiedlichen
Patientenstruktur unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten sind.
Ergebnisse
Die Varianzaufklärung des Kriteriums (globale Selbsteinschätzung der Gesundheit) beträgt
bei der Gruppe der AR-Patienten 32,1 %, bei der Gruppe der ALLGR-Patienten 37,7 %.
Sowohl die Einschätzung der AR- als auch der ALLGR-Patienten wird von fünf Variablen
(„Krankheitsbewältigung“, „Schmerz“, „Herz-Kreislauf“, „Symptome Bewegungsapparat“ und
„Informationsstand über Krankheit“) beeinflusst. Bei den AR-Patienten erwiesen sich zusätzlich die Skalen „Vitale Erschöpfung“, „Verhaltenskonsequenzen aus Informationen“, „Alltagsaktivitäten“ und „Selbstwertgefühl“ als bedeutsam, bei den ALLGR-Patienten die Skala
„Symptome Kognitive Leistung“. Ein hoher Skalenwert bedeutet sowohl bei den Prädiktoren
als auch beim Kriterium eine günstige Merkmalsausprägung bzw. eine minimale Belastung.
Bis auf zwei Skalen („Selbstwertgefühl“, „Symptome Kognitive Leistung“) liegen positive Koeffizienten vor. Keine Bedeutung kommt den Skalen Depressivität und Ängstlichkeit sowie
soziodemografischen Variablen wie Alter und Geschlecht zu.
Zentral für die Einschätzung des Gesundheitszustandes ist bei den AR-Patienten der Einfluss der Krankheitsbewältigung (Beta=0,156) sowie der „vitalen Erschöpfung“ (Beta=0,149).
Von den zur Adjustierung mit in die Regressionsanalyse aufgenommenen ICD-10Diagnosen erwiesen sich für die AR-Patienten die Diagnosen M16 (Koxarthrose; Beta=0,195) und M17 (Gonarthrose; Beta=0,186) als bedeutsam. Andere Diagnosen wie z. B.
M51 (sonstige Bandscheibenschäden), S72 (Fraktur des Femurs) und M54 (Rückenschmerzen) haben keinen bedeutsamen Einfluss. Bei den ALLGR-Patienten, die im Allgemeinen eine langjährige Chronifizierung der Symptome aufweisen, ist eine adäquate Krankheitsbewältigung (Beta=0,287), eine geringe Belastung durch die Symptome des Bewegungsapparats (Beta=0,216) und durch Schmerzen (Beta=0,195) bedeutsam.
Zusammenfassung und Diskussion
Das Ergebnis macht deutlich, dass die globale Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands von verschiedenen somatischen, funktionalen und psychosozialen Variablen abhängt
und sich nicht auf wenige Aspekte reduzieren lässt. Depressivität und Ängstlichkeit haben
keinen substantiellen Einfluss. Gleiches gilt für soziodemografische Variablen.
Der Umstand, dass die Patienten viele verschiedene Aspekte der subjektiven Gesundheit in
ihr Urteil einfließen lassen, unterstreicht das Erfordernis einer differenzierten Datenerhebung, wie sie im IRES-3 verwirklicht ist.
Literatur
Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung
eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Rehabilitation,
44: 63-74.
Farin, E., Gerdes, N., Jäckel, W.H., Follert, P., Klein, K. u. Glattacker, M. (2003): „Qualitätsprofile“ von Rehabilitationskliniken als Modell der Qualitätsmessung in Einrichtungen des
Gesundheitswesens. Gesundheitsökonomie und Qualitätsmanagement, 8, 191-204.
375
Auswirkungen der EFL nach Isernhagen auf Selbsteinschätzung und
berufliche Perspektiven der Patienten
Büschel, C. (1), Schaidhammer, M. (1), Greitemann, B. (2)
(1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, e.V., (2) Klinik Münsterland, Bad
Rothenfelde
Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung
In erster Linie dient die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit nach Isernhagen
(EFL) Ärzten dazu, eine Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit eines Patienten
zu erhalten. Hilft sie auch den Patienten - häufig nach langer Arbeitsunfähigkeit und verminderter körperlicher Aktivität - die eigenen Fähigkeiten realistischer zu beurteilen und adäquate berufliche Perspektiven zu entwickeln?
Methodik, Studiendesign
In die Studie eingeschlossen wurden alle stationären orthopädischen Reha-PatientInnen der
Klinik Münsterland in Bad Rothenfelde und des Reha-Zentrums in Bad Pyrmont, die zwischen Dezember 2004 und Juni 2006 einen EFL-Test durchlaufen haben. Neben den EFLBerichten einschließlich PACT gingen Prä- und Post-Angaben der Patienten zu Gesundheit
und beruflichen Perspektiven in die Auswertung ein.
Berechnet wurden Veränderungen in den Selbsteinschätzungen der Leistungsfähigkeit, den
beruflichen Perspektiven und der Übereinstimmung des PACT mit den EFL-Ergebnissen.
Ergebnisse
Die Probanden, 69 Männer (95,8 %) und 3 Frauen (4,2 %), waren im Schnitt 39,19 Jahre alt
(SD=8,42); laut EFL-Bericht waren 61 erwerbsunfähig, am ersten EFL-Tag im Mittel 244,8
Tage (SD=254,1).
Ein Großteil der Patienten gab an, durch den EFL-Test ihre Fähigkeiten (66 Probanden) und
Grenzen (68 Probanden) besser kennen gelernt zu haben.
Tatsächlich korrigierten viele die Selbsteinschätzung ihrer Fähigkeiten. So stieg der mittlere
PACT-Indexwert von 143,79 (SD=40,50) auf 155,58 (SD=39,09) signifikant an (p=000**).
Die Anzahl der Patienten, bei denen er dem EFL-Ergebnis entsprach, verdoppelte sich von
21 auf 40 Probanden. 49 Patienten trauten sich laut PACT nach der EFL mehr, 21 Patienten
weniger zu als vorher. 37 Probanden sahen sich nach der EFL weniger, 3 Probanden stärker durch ihre Krankheit in ihrem Beruf beeinträchtigt. Ihre maximale Arbeitsschwere korrigierten 14 Probanden nach oben, 12 nach unten.
Auch bezüglich ihrer beruflichen Perspektiven gab es Fortschritte: 44 Patienten erlebten den
Test als Orientierungshilfe bei der Arbeitsplatzsuche. Die konkreten beruflichen Pläne hingegen erfuhren deutlich weniger Veränderung: Nur 13 Patienten glaubten nach der EFL an
einen anderen Erwerbstatus in einem Jahr als vorher, und nur 8 änderten ihre Pläne im Hinblick auf einen Wechsel von Firma oder Tätigkeit.
376
Diskussion
Viele Patienten profitieren von der EFL als Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten strukturiert
auszuprobieren. Einige ändern daraufhin sogar ihre beruflichen Perspektiven, andere scheinen sich in ihrer Planung eher bestärkt zu fühlen. Unsere Ergebnisse bestätigen die Vermutung von Erbstößer et al. (2003), dass ein FCE-Test durchaus zu einer realistischeren
Selbsteinschätzung des Patienten führen kann - ein positiver und sicherlich bislang unterschätzter Nebeneffekt.
Beachtet werden muss, dass die Veränderungen unterschiedlich gerichtet sein können, so
dass die übliche Betrachtung von Effekten in zentralen Tendenzen nicht ausreicht.
Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Gerade Patienten mit einer mangelhaften Selbstwahrnehmung kann ein EFL-Test helfen,
ihre Fähigkeiten und Grenzen kennen zu lernen und angemessene Perspektiven zu entwickeln. Sie könnten vermutlich von (abgespeckten?) Retests profitieren, die ihnen ihre Behandlungsfortschritte aufzeigen und auf diese Weise ihre Motivation erhöhen.
Literatur
Erbstößer, S., Nellessen, G., Schuntermann, M. (2003): FCE-Studie. FCE-Systeme zur Beurteilung der arbeitsbezogenen Leistungsfährigkeit. Abschlussbericht. DRV-Schriften,
Band 44.
Zur Relevanz der Bereitschaft einer Verhaltensänderung in der
orthopädischen Rehabilitation
Streibelt, M. (1), Thren, K. (2), Müller-Fahrnow, W. (1)
(1) Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung f. Versorgungssystemforschung und
Qualitätssicherung, (2) Klinik Niedersachsen Bad Nenndorf
Hintergrund
Orthopädische Rehabilitationsmaßnahmen sind v. a. dann erfolgreich, wenn sie durch psychosoziale Elemente ergänzt werden (Waddell, Burton, 2001). Dies gründet auf der Annahme, dass der Reha-Erfolg erheblich von der jeweiligen Motivation des Patienten, sein Verhalten zu ändern, abhängt (Jensen, Nielson et al., 2003). Dem transtheoretischen Modell
folgend ist die Annahme berechtigt, dass Patienten mit unterschiedlicher Änderungsbereitschaft nicht gleich stark von der Rehabilitation profitieren werden (Glenn, Burns, 2003; Jensen, Nielson et al., 2004). Eine empirische Überprüfung dieses vermuteten Einflusses auf
den Reha-Erfolg bei Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparats steht jedoch bisher aus.
Fragestellung
Folgende Hypothesen sind zu prüfen: Die orthopädische Rehabilitation beeinflusst die Änderungsbereitschaft der Patienten positiv (H1). Die Verbesserung der Änderungsbereitschaft
führt zu besseren kognitiv-verhaltensbezogenen Entwicklungen (H2). Die Verbesserung der
Änderungsbereitschaft ist ein relevanter Prädiktor des Reha-Erfolgs (H3).
377
Methodik
Die Daten entstammen einer Patientenbefragung, welche in der Klinik Niedersachsen in Bad
Nenndorf durchgeführt wurde. Versicherte der DRV Westfalen, die von Juli 2005 bis Juni
2006 eine orthopädische Rehabilitation antraten, wurden vor der Maßnahme (T1), nach Ende (T2) sowie im 6-Monats-Follow up (T3) befragt. Momentan liegen die Daten bis T2 vor.
Die Änderungsbereitschaft wurde über die Einzelskalen des FF-STABS, „Sorglosigkeit“
(SL), „Vorbereitung“ (VB), „Handlung“ (H) und „Aufrechterhaltung“ (AE), operationalisiert
(Maurischat, Harter et al., 2002). Der Fragebogen zur Erfassung der Schmerzverarbeitung
operationalisiert die kognitiven Einstellungen und das Schmerzverhalten (FESV-K, FESV-B).
Als Outcomevariablen fungieren die Schmerzintensität (NRS) sowie schmerzbezogene Depressionen und Hilflosigkeit (FESV). Die verwendete Stichprobe ist zu 80 % männlich, das
Durchschnittsalter beträgt 46 Jahre (SD=9) und rund 86 % weisen eine Erkrankung des Rückens (M40-M54) auf.
H1 wird über den t-Test für gepaarte Stichproben gestestet. Für H2 werden multiple OLSRegressionen moduliert, wobei FESV-K und FESV-B zu T2 als Zielvariablen - kontrolliert für
den Baseline-Wert sowie die Schmerzintensität - in einem ersten Schritt die T1-Werte der
Skalen des FF-STABS, in einem zweiten Schritt zusätzlich die Differenzen dieser Skalen
von T1 zu T2 integriert werden. Die Modelle für H3 sind analog aufgebaut, jedoch mit
Schmerzintensität sowie Depressionen zu T2 als Zielvariablen.
Ergebnisse
H1 wird bestätigt: Es zeigen sich signifikante Veränderung für VB (t=3,37, p<.01), H (t=6,35, p<.01) und AE (t=-3,46, p<.01). Dabei wird eine Verringerung auf VB (d=.31) und eine
Steigerung auf H (d=.58) und AE (d=.32) festgestellt.
Auch H2 wird bestätigt: Die Ergebnisse zeigen einen geringen Einfluss der Änderungsbereitschaft zu T1 und einen großen Effekt der Differenz derselben von T1 zu T2 auf FESV-K
und FESV-B: Die Differenzen der Änderungsbereitschaft erklären jeweils etwa 20 % zusätzliche Varianz, während der Startwert der FF-STABS-Skalen kaum Varianz erklärt. Die Differenzen von H und AE zeigen signifikant positive Effekte.
H3 wird ebenfalls bestätigt: Für die T1-Werte der Skalen SL und AE wird ein signifikant positiver Effekt auf Schmerzintensität und Depressionen nachgewiesen. Der entscheidende
Prädiktor ist jedoch auch die Differenz der Änderungsbereitschaft. Eine zusätzliche Varianz
von 19 % (Schmerzintensität) und 13 % (Depressionen) wird erreicht, wobei die Differenzen
von SL und AE einen signifikanten Effekt zeigen.
Diskussion und Schlussfolgerung
Es konnte gezeigt werden, dass
- die Änderungsbereitschaft, mithin also die Compliance der Patienten, zwar einen Einfluss auf den Reha-Erfolg bei MSK-Erkrankungen besitzt,
- jedoch v. a. die Änderung der Änderungsbereitschaft einen hohen prädiktiven Wert für
den Reha-Erfolg hat (Biller, Arnstein et al., 2000; Burns, Glenn et al., 2005),
- insbesondere bestehendes positives Schmerzverhalten durch die Rehabilitation verstärkt
wird und so den Reha-Erfolg erhöht,
378
- zwar auch die kognitive Änderung weg von einer externalisierenden Einstellung und hin
zu einer aktiven Selbstbewältigung der Schmerzen den Reha-Erfolg erheblich beeinflusst, die Rehabilitation hier jedoch kaum Änderungen bewirkt.
Literatur
Biller, N., Arnstein, P., Caudill, M.A., Federman, C.W., Guberman, C. (2000): Predicting
completion of a cognitive-behavioral pain management program by initial measures of a
chronic pain patient' s readiness for change. Clin J Pain 16(4): 352-9.
Burns, J.W., Glenn, B., Lofland, K., Bruehl, S., Harden, R.N. (2005): Stages of change in
readiness to adopt a self-management approach to chronic pain: the moderating role of
early-treatment stage progression in predicting outcome. Pain 115(3): 322-31.
Glenn, B., Burns, J.W. (2003): Pain self-management in the process and outcome of multidisciplinary treatment of chronic pain: evaluation of a stage of change model. J Behav
Med 26(5): 417-33.
Jensen, M.P., Nielson, W.R., Kerns, R.D. (2003): Toward the development of a motivational
model of pain self-management. J Pain 4(9): 477-92.
Jensen, M.P., Nielson, W.R., Turner, J.A., Romano, J.M., Hill, M.L. (2004): Changes in readiness to self-manage pain are associated with improvement in multidisciplinary pain
treatment and pain coping. Pain 111(1-2): 84-95.
Maurischat, C., Harter, M., Auclair, P., Kerns, R.D., Bengel, J. (2002): Preliminary validation
of a German version of pain stages of change questionnaire. Eur J Pain 6(1): 43-8.
Waddell, G., Burton, A.K. (2001): Occupational health guidelines for the management of low
back pain at work: evidence review. Occup Med (Lond) 51(2): 124-35.
Wirksamkeit eines integrierten verhaltensmedizinischen orthopädischen
Rehabilitationskonzepts hinsichtlich psychosozialer Erfolgsparameter eine multizentrische Evaluationsstudie
Mehnert, A. (1), Büttner, S. (2), Sauer, C. (2), Willmann, U. (3), Bernhardt, R. (3), Höcker, A.
(1), Jacobi, C. (4), Herbold, D. (2), Koch, U. (1)
(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (3) Paracelsus-Klinik Am
Schillergarten, Bad Elster, (4) Paracelsus Roswitha-Klinik, Bad Gandersheim
Hintergrund
Orthopädische Erkrankungen haben eine große Bedeutung innerhalb der Gesundheitssysteme der westlichen Industrienationen. Die Rolle psychosozialer Risikofaktoren für chronische Schmerzen und hier vor allem Rückenschmerzen wurde in der internationalen Literatur
zunehmend untersucht. Die Ergebnisse weisen auf eine hohe Bedeutsamkeit psychosozialer Merkmale für die Auftretenshäufigkeit und die Chronifizierung von Rückenschmerzen gegenüber somatischen Befunden hin. Übersichts- und neuere empirische Arbeiten zeigen als
Risikofaktoren vor allem die Merkmale Depressivität, Ängste, Somatisierungssymptome, einen subjektiv schlechten Gesundheitszustand, weiterhin dysfunktionale Stressbewältigungsstrategien und eine geringe Zufriedenheit mit der beruflichen Situation (Hoogendoorn
379
et al., 2000; Kerr et al., 2001). Darüber hinaus zeigen Untersuchungen bei Patienten mit
chronischen Schmerzerkrankungen übereinstimmend ein erhöhtes Risiko für und eine hohe
Prävalenz einer komorbiden psychischen Störung wie Depressivität und Substanzabusus
(Härter et al., 2003, 2004). Vor diesem Hintergrund wurde in der Paracelsus Klinik an der
Gande ein Behandlungskonzept „Integrative Orthopädischen Rehabilitation“ (IOR) implementiert. Zielgruppe dieser in die allgemeine orthopädische Rehabilitation integrierten Intervention sind Patienten mit einer orthopädischen Erkrankung und einer komorbiden psychischen Störung sowie Patienten mit unklarer Rehabilitationsindikation in den Bereichen Orthopädie und Psychosomatik (z. B. Patienten mit begrenzter Rehabilitationsmotivation und
unklarer Erfolgsaussicht in Bezug auf die Integration ins Erwerbsleben).
Zielsetzungen
Zielsetzung dieser multizentrischen Evaluationsstudie ist die Überprüfung der Wirksamkeit
des Integrativen Orthopädischen Rehabilitationskonzepts hinsichtlich somatischer, psychosozialer und sozialmedizinischer Erfolgsparameter. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf
die kurzfristige Wirksamkeit hinsichtlich des psychosozialen Outcomes am Ende der orthopädischen Rehabilitation.
Methodik
Die Untersuchung wird als prospektive Studie mit drei Messzeitpunkten durchgeführt. Patientinnen und Patienten werden in zwei onkologischen Rehabilitationskliniken zu Beginn
(T0), am Ende (T1) und ein Jahr nach Rehabilitation (T2) mit standardisierten Erhebungsinstrumenten befragt. In einer Klinik wird die Intervention durchgeführt, die zweite Klinik dient
zur Rekrutierung der Vergleichsgruppe. Eingesetzt werden u. a. das Distress-Thermometer
(DT), die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D), die Somatisierungsskala des
SCL-90-R, der Short Form-8 Health Survey (SF-8), das Hamburger Krankheitsbewältigungsinventar (HKI) und die Skalen zur Sozialen Unterstützung bei Krankheit (SSUK).
Ergebnisse
Die Stichprobe setzt sich aus 334 Patienten der Interventionsgruppe, 259 klinikinternen und
99 klinikexternen Vergleichspatienten zusammen. Die Patienten sind durchschnittlich 50
Jahre alt (SD = 7,0; Range: 26-62), 80 % sind Frauen; 61 % sind verheiratet wobei ein größerer Anteil von 89 % in einer Partnerschaft lebt; 48 % haben einen Realschulabschluss
und 76 % sind zu Beginn der Rehabilitation erwerbstätig (von diesen: 67 % Vollzeit). Es bestehen keine signifikanten Unterschiede in soziodemografischen Variablen zwischen Interventions- und Vergleichsgruppe. Patienten der Interventionsgruppe sind entsprechend der
intendierten differentiellen Zuweisung zu Beginn der Rehabilitation signifikant psychisch belasteter (P < 0,05). Bezüglich psychosozialer Ergebnisparameter verbessern sich sowohl
Interventions- als auch Vergleichsgruppe in der allgemeinen Belastung (Distress) vom Beginn bis zum Ende der Rehabilitation signifikant (P < 0,004) mit hohen Effekten (d > 0.8).
Hier gibt es am Ende der Rehabilitation zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Gruppenunterschiede mehr (P = 0,23), die zu Beginn der Rehabilitation bestanden (P = 0,04).
Vergleichbare Ergebnisse können für die Variablen Ängstlichkeit, Depressivität und Lebensqualität beobachtet werden. Beide Gruppen verbessern sich vom Beginn bis zum Ende der
Rehabilitation mit kleinen bis mittleren Effekten im Merkmal Ängstlichkeit (d > 0.2), Depressivität (d > 0.5) und gesundheitsbezogene Lebensqualität (d > 0.2). Berichtet werden dar380
über hinaus multivariate Analysen der nach psychosozialer Belastung gematchten Stichproben.
Diskussion
Die Ergebnisse bestätigen zum einen die Wirksamkeit der allgemeinen orthopädischen Rehabilitation. Zum anderen zeigen die Analysen die Effektivität des evaluierten integrativen
Interventionskonzepts für psychisch besonders belastete Patienten hinsichtlich psychosozialer Parameter. Weitere differenzierte Analysen bezüglich der längerfristigen Wirksamkeit
sowie der somatischen und sozialmedizinischen Ergebnisparameter sind notwendig, um eine abschließende Bewertung der Interventionsmaßnahme vornehmen zu können.
Literatur
Härter, M., Weisser, B., Reuter, K., Bengel, J. (2003): Prevalence and risk factors of psychological burden and mental disorders in patients with musculoskeletal diseases -- a review
of empirical studies. Schmerz;17(1):50-9. Review.
Härter, M., Woll, S., Reuter, K., Wunsch, A., Bengel, J. (2004): Recognition of psychiatric
disorders in musculoskeletal and cardiovascular rehabilitation patients. Arch Phys Med
Rehabil.;85(7):1192-7.
Hoogendoorn, W.E., van Poppel, M.N., Bongers, P.M., Koes, B.W., Bouter, L.M. (2000):
Systematic review of psychosocial factors at work and private life as risk factors for back
pain. Spine. 15;25(16):2114-25. Review.
Kerr, M.S., Frank, J.W., Shannon, H.S., Norman, R.W., Wells, R.P., Neumann, W.P., Bombardier, C. (2001): Ontario Universities Back Pain Study Group. Biomechanical and psychosocial risk factors for low back pain at work. Am J Public Health.91(7):1069-75.
Langzeitevaluation eines verhaltensmedizinischen Ansatzes in der
orthopädischen Rehabilitation - eine randomisierte, kontrollierte Studie
Schwarz, S. (1), Mangels, M. (1), Holme, M. (2), Rief, W. (1)
(1) Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Psychologie, (2) Rehazentrum Bad PyrmontKlinik Weser
Hintergrund
Schmerzsymptome aus dem orthopädischen Bereich, oftmals mit unklarer organischer Ursache, stellen ein gesundheitliches Hauptproblem in unserer Gesellschaft dar (Rief, Hessel,
Brähler, 2001). Es liegen verschiedene Studien zur Wirksamkeit der Rehabilitation bei orthopädischen Beschwerden vor, die auch in einer Literaturübersicht zusammengefasst sind
(Hüppe, Raspe, 2003, 2005). Darin führen die Autoren jedoch aus, dass es einen Mangel an
randomisierten, kontrollierten Studien gibt. Außerdem erweist sich die stationäre Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen nur mäßig wirksam, da im Katamneseintervall oftmals wieder Verschlechterungen auftreten. Hauptinterventionsziel in der Rehabilitation ist
weniger die kurative Behebung, sondern die Reduktion der Krankheitsfolgen (Beeinträchtigung durch die Beschwerden, verbesserte Schmerzbewältigung). Der wissenschaftliche Effektivitätsnachweis verhaltensmedizinischer Ansätze sowie die hohe Komorbidität von chro381
nischen orthopädischen Krankheiten mit psychischen Störungen haben die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) dazu veranlasst, bei einem Fortbestehen des klassischorthopädischen Behandlungsansatzes diesen mit verhaltensmedizinischen Komponenten zu
kombinieren, wie beispielsweise im Reha-Zentrum Bad Pyrmont-Klinik Weser. Neben dem
klassisch-orthopädischen Ansatz (OR; mit u. a. orthopädischer Basisversorgung, physikalischen Reha-Maßnahmen, Rückenschule) wird hier verhaltensmedizinisch-orthopädische
Rehabilitation (VOR) angeboten, die zusätzlich zum Programm der OR eine Basistherapiegruppe zur Schmerzbewältigung, Einzelpsychotherapie sowie bei Indikation Stressbewältigungs- und soziales Kompetenztraining anbietet.
Allerdings steht der wissenschaftliche Nachweis eines längerfristigen Vorteils einer solchen
Kombination noch aus. Die vorliegende randomisierte, kontrollierte Therapiestudie im RehaZentrum Bad Pyrmont-Klinik Weser überprüft die Langzeiteffektivität der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation gegenüber der klassisch-orthopädischen Rehabilitation.
Methodik, Studiendesign
Die Fragestellung wurde innerhalb einer randomisierten, kontrollierten Therapiestudie mit
drei Messzeitpunkten (Behandlungsbeginn, Behandlungsende, Katamnese ein Jahr nach
Entlassung) an einer Stichprobe von 363 Patienten mit orthopädischen Beschwerden untersucht. Unabhängig von der Behandlungsempfehlung durch beratende Ärzte der DRV-Bund
erfolgte eine zufällige Zuweisung der Patienten (nach schriftlicher Einwilligung in die Studienteilnahme) zu den Behandlungsbedingungen. Die behandelnden Mitarbeiter der Klinik
waren gegenüber der ursprünglichen Behandlungsempfehlung blind.
Zur Überprüfung des Behandlungserfolgs wurden zu allen drei Messzeitpunkten schmerzspezifische Fragen (FESV, SES, PDI) und subjektiver Gesundheitszustand (SF12) sowie
Depression (BDI) und subjektive Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome (BSI) erhoben. Zu Behandlungsbeginn wurde eine strukturierte Diagnostik komorbider psychischer Störungen mittels IDCL durchgeführt.
Ergebnisse
Der Prä-Post-Vergleich von Behandlungsbeginn und Behandlungsende zeigt eine vergleichbare Effektivität beider Ansätze bezüglich der Beeinträchtigung durch Schmerz und
gegen Ende der Behandlung einen Rückgang psychischer Belastung. VOR-behandelte Patienten konnten in Schmerzbewältigungskompetenzen und in Teilaspekten der Schmerzempfindung größere Erfolge erzielen. Die Katamnesebefunde unterstützen weitestgehend
diese Ergebnisse, detaillierte Daten werden vorgestellt.
Diskussion
Nach den vorliegenden Ergebnissen erscheint eine Ergänzung klassisch-orthopädischer
Behandlungsansätze in der Rehabilitation durch verhaltensmedizinische Elemente sinnvoll,
um im Sinne einer tertiären Prävention längerfristigen Verschlechterungen vorzubeugen und
die Kompetenzen der Patienten im Bereich der Schmerzbewältigung zu erweitern.
Literatur
Hüppe, A., Raspe, H. (2003): Die Wirksamkeit stationärer medizinischer Rehabilitation in
Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: eine systematische Literaturübersicht
1980-2001. Die Rehabilitation, 42, 143-154.
382
Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Zur Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitation
in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische
Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44, 24-33.
Rief, W., Hessel, A., Brähler, E. (2001): Somatization symptoms and hypochondriacal features in the general population. Psychosomatic Medicine, 63, 595-602.
383
Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation 3
Komorbidität und amplifizierte Rückenschmerzen - Ergebnisse aus zwei
multizentrischen Kohortenstudien (eine populationsbezogene und eine
Reha-Stichprobe)
Raspe, H., Hüppe, A.
Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck
Hintergrund
Anstelle einer vereinfachenden Definition chronischer Rückenschmerzen (RS) allein über
die Schmerzdauer (wie z. B. noch im telephonischen Gesundheitssurvey 2003 des RKI),
schlägt das Lübecker Amplifikationsmodell eine multidimensionale Definition vor (Raspe et
al., 2003; Hüppe, Raspe, 2005). Sie ermöglicht eine Klassifikation verschiedener hypothetischer Entwicklungsstadien (nur Schmerzen im Rücken, RS mit zeitlicher und/oder räumlicher Ausweitung, RS mit Somatisierung oder psychischem Distress und RS mit Somatisierung und psychischem Distress). Amplifikation und ihre Komponenten könnten durch
(Ko)morbiditäten (mit)bedingt sein. Eine Analyse des Zusammenhangs zwischen RSChronifizierung und berichteter Komorbidität soll zur Aufklärung beitragen.
Methode
Studie 1: Eine populationsbasierte prospektive Kohortenstudie erfasst im Rahmen des
Deutschen Forschungsverbundes RS Chronifizierungsprozesse über 2 Jahre. In 4 westdeutschen Städten wurden postalisch 11750 Einwohner (18-75 Jahre) zu RS befragt (Responserate 60.1 %). Ein zweiter Fragebogen (Responserate 75 %) erfasste bei allen
Respondern mit RS sowie einer Zufallsauswahl von Probanden ohne RS u. a. 6 Amplifikationskomponenten (zeitliche Ausbreitung, räumliche Ausstrahlung, Vitalitätsverlust, Somatisierung, Katastrophisieren und Depressivität ) zur Bestimmung des Chronifizierungsstadiums. Komorbidität wurde mit einer Liste von 14 Krankheiten erhoben (nach Sangha et al.,
2003). Anzugeben war, ob eine vorgegebene Krankheit(sgruppe), z. B. Bronchialasthma
„jemals ärztlich festgestellt“ worden wäre, ob sie „zurzeit behandelt“ werde und ob der Betroffene „in der eigenen Aktivität eingeschränkt“ sei. Vollständige Datensätze liegen für
3.731 Probanden vor (55 % Frauen).
Studie 2: In 4 orthopädischen Reha-Kliniken in Schleswig-Holstein wurden in den Jahren
2003/04 insgesamt 466 Rehabilitanden (48 % Frauen) mit Hauptindikation unspezifische
Rückenschmerzen vor sowie 12-Monate nach Reha zu ihrem Gesundheitszustand befragt.
Mit dem Fragebogen wurde zugleich das Chronifizierungsstadium über die 6 Amplifikationskomponenten bestimmt. Es konnte für bis zu 6 Krankheiten angegeben werden, ob sie
„ein Arzt jemals festgestellt“ habe.
Ergebnisse
Studie 1: Probanden mit RS am Untersuchungstag (N=1726) erreichen bei allen erfragten
Krankheiten (ausgenommen Diabetes) signifikant höhere Prozentwerte bei den Aspekten
384
„ärztlich diagnostiziert“, ärztlich behandelt“ und „mit Einschränkungen verbunden“ als Probanden ohne RS (N=1910). Unter Kontrolle von Alter, Geschlecht und Schulbildung erweist
sich der Chronifizierungsgrad der aktuellen RS in der logistischen Regression als relevanter
Prädiktor für die Angabe einer Komorbidität (neben RS mindestens eine behandlungsbedürftige Krankheit). So zeigen bspw. Probanden im Stadium 3 eine im Vergleich zum Stadium 0 um das 16fach erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit einer Komorbidität (95 % KI: 833).
Studie 2: Nicht mehr als 43 % der Rehabilitanden geben zu Reha-Beginn an, ihr gesundheitliches Hauptproblem bestünde „nur aus den RS“; 31 % benennen keine weitere durch einen
Arzt diagnostizierte Erkrankung. Es zeigt sich ein hochsignifikanter Zusammenhang für Komorbidität (Anzahl diagnostizierter Erkrankungen, 0 bis 6) und Chronifizierung (Kovarianzanalyse unter Kontrolle von Alter, Geschlecht und Schulbildung mit den 4 Chronifizierungsstadien als Faktor und der Anzahl von Krankheiten als AV). Im Vergleich zu Patienten
im Chronifizierungsstadium 0 ergibt sich für Patienten im Stadium 3 ein OR von 6 (95 % KI:
2-15) für die Angabe mindestens einer weiteren ärztlich diagnostizierten Erkrankung (logistische Regression unter Kontrolle von Geschlecht, Alter und Schulbildung).
In beiden Studien konnten unter den Teilnehmern ohne Komorbidität ebenfalls alle 4 Stadien amplifizierter RS beobachtet werden. Auch bei Berücksichtigung der Komorbidität als
weiterer Confounder erweist sich die RS-Amplifikation als bedeutsamer Einflussfaktor bspw.
auf Funktionseinschränkungen.
Diskussion
In beiden Studien zeigt sich ein enger Zusammenhang zwischen dem aktuellen Amplifikationsstadium von RS und der subjektiven Komorbidität. Amplifikationsprozesse sind dabei
nicht wesentlich auf die Wirkung von Komorbiditäten zurückführbar. Die Beobachtung, dass
Komorbidität ein ernstzunehmendes Problem bei RS darstellt, sollte bei der Rehabilitation
stärker berücksichtigt werden. Sie kann, ausgehend von Patientenangaben, standardisiert
erfasst werden und hat prognostische wie therapeutische Bedeutung. Die Schwierigkeit, bei
hochchronifizierten RS-Patienten Verbesserungen zu erzielen, könnte auch durch ihre ausgeprägte Komorbidität mitbedingt sein.
Literatur
Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Konzepte und Modelle zur Chronifizierung von Rückenschmerzen. In: Hildebrandt J, Müller G, Pfingsten M (Hrsg.). Lendenwirbelsäule. Ursachen, Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen. München: Elsevier / Urban und
Fischer, 328-340.
Raspe, H., Hüppe, A., Matthis, C. (2003): Theorien und Modelle der Chronifizierung: Auf
dem Weg zu einer erweiterten chronischer Rückenschmerzen. Schmerz, 17: 359-366.
Sangha, O., Stucki, G., Liang, M.H., Fossel, A.H., Katz, J.N. (2003): The self administered
comorbidity questionnaire: a new method to assess comorbidity for clinical and health
services research. Arthritis & Rheumatism 2003, 49:156-163.
385
Rückenschmerzchronifizierung: Reha-Erfolg bei unterschiedlich weit
amplifizierten Rückenschmerzen
Hüppe, A., Mittag, O., Raspe, H.
Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck
Hintergrund
In der klinischen und epidemiologischen Forschung zu Rückenschmerzen wird in der Regel
davon ausgegangen, dass nach einer festgelegten Zeitspanne (Variation zwischen 4 Wochen und 12 Monaten) aus einem akuten ein chronischer Rückenschmerz wird. Neben einer
solchen vereinfachenden Definition wurden in Deutschland mit dem Mainzer Stadienmodell
der Schmerzchronifizierung (Gerbershagen et al., 1996) und dem Lübecker Amplifikationsmodell (Raspe et al., 2003; Hüppe, Raspe, 2005) zwei konzeptionell unterschiedliche Modelle vorgeschlagen. Sie beziehen neben zeitlichen Aspekten weitere Merkmale wie z. B.
kognitive, emotionale und behaviorale Beeinträchtigungen ein und ermöglichen eine abgestufte Erfassung des Chronifizierungsprozesses:
Die Stärke beobachtbarer Reha-Effekte scheint auch vom Chronifizierungsausmaß abzuhängen (z. B. Dibbelt et al., 2006). Es stellt sich die Frage nach der prognostischen Aussagekraft des Amplifikationsmodells, das Rückenschmerzen nach ihrem Ausgreifen in Zeit und
Raum sowie auf weitere körperliche und seelische Systeme beurteilt und das Ausmaß dieser Amplifikation als Basis der Stadieneinteilung wählt.
Methode
In 4 orthopädischen Reha-Kliniken in Schleswig-Holstein wurden in den Jahren 2003/04
insgesamt 466 Rehabilitanden mit Hauptindikation unspezifische Rückenschmerzen vor sowie 12-Monate nach Reha zu ihrem Gesundheitszustand befragt. Mit dem Fragebogen wurde zugleich das Chronifizierungsstadium über 6 Amplifikationskomponenten (zeitliche Ausbreitung, räumliche Ausstrahlung, Vitalitätsverlust, Somatisierung, Katastrophisieren, Depressivität) bestimmt. Die Klinikärzte füllten unmittelbar nach der Aufnahme- und der Abschlussuntersuchung einen Fragebogen aus.
Ergebnisse
Von 291 Patienten (62.4 %) liegen vollständige Fragebogendaten vor. Die Responder sind
signifikant älter sind als die Nonresponder (49 vs 45 J.), in den anderen geprüften Parametern wie z. B. Geschlecht (je 48 % Frauen), Schulbildung (58 % vs 56 % Hauptschulabschluss) und Funktionskapazität (FFbH-R 64 % vs 63 %) zeigen sich keine Unterschiede.
76 % der Stichprobe sind mindestens halbtags erwerbstätig, 13 % arbeitslos.
Bei Reha-Antritt zeigen 11 % der Patienten keine Amplifikationsanzeichen (Stadium 0),
44 % befinden sich im Stadium 1 (Anzeichen für zeitliche und/oder räumliche Ausbreitung),
zusätzliche somatische oder psychische Beeinträchtigungen lassen sich bei 22 % der Rehabilitanden erkennen (Stadium 2). 16 % berichten weitere körperliche Beschwerden und
kognitive bzw. emotionale Störungen (Stadium 3). Nicht modellkonforme Muster (z. B. ausschließlich hohe Depressivitätswerte) werden als Sondergruppe geführt (7 %).
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Die verschiedenen Erfolgsparameter zeigen (adjustiert nach Alter, Geschlecht, Bildung,
Ausgangslage) eine deutliche Abhängigkeit vom Chronifizierungsstadium. Der globale Reha-Erfolg ist im Arzturteil am Reha-Ende ebenso wie im Patientenurteil (1 Jahr später) umso
größer, je geringer sich die Chronifizierung bei Reha-Antritt zeigt. Patienten im Stadium 0
und 1 profitieren am stärksten, wie z. B. die als Prä-Post-Effektstärken dargestellten Veränderungen über ein Jahr im selbst beurteilten allgemeinen Gesundheitszustand sowie in der
Funktionskapazität zeigen (Tab.1).
Chronifizierung/
Amplifikation
Stadium 0
Stadium 1
Stadium 2
Stadium 3
„Sondergruppe“
Effektstärke (Reha-Beginn - 12 Monate nach Reha)
Subj. allg. Gesundheitszstand Funktionskapazität (FFbH-R)
0.45
0.32
0.63
0.48
- 0.04
0.10
- 0.06
- 0.42
0.34
0.18
Die Mehrheit der Patienten befindet sich ein Jahr nach Rehabilitation im gleichen Chronifizierungsstadium wie zu Reha-Beginn (48 %), 34 % wechseln in ein niedrigeres Stadium,
18 % verschlechtern sich.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse bestätigen die vorliegenden Hinweise auf eine begrenzte Wirksamkeit der
orthopädischen Rehabilitation bei Patienten mit stärker chronifizierten Rückenschmerzen.
Fehlende Kontrollgruppen mit „usual care“ verbieten aber eine vorschnelle Dateninterpretation (z. B. in Richtung Indikationsstellung oder Bedarfsermittlung). Studiendaten aus einer im
Rahmen des Deutschen Forschungsverbundes Rückenschmerz 2003 bis 2005 durchgeführten bevölkerungsbezogenen Kohortenstudie geben Aufschluss über den „natürlichen Verlauf“ amplifizierter Rückenschmerzen und erlauben eine Abschätzung des „Nettonutzens“
der Reha-Teilnahme.
Literatur
Dibbelt, S., Büschel, C., Greitemann, B. (2006): Chronische Rückenschmerzen: Profitieren
stärker chronifizierte Patienten weniger von der orthopädischen Rehabilitation? DRVSchriften; 64: 355-357.
Gerbershagen, H.U. (1996): Das Mainzer Stadienkonzept des Schmerzes: Eine Standortbestimmung. In: Klingler, D. Morawetz, A., Thoden, U., Zimmermann, M., (Hrsg) Antidepressiva als Analgetika. Wien: Aarachne.
Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Konzepte un