24. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium
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24. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium
07 1 d Sonderausgabe der DRV n a nB fte ri ch -S 24. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung Psychische Störungen – Herausforderungen für Prävention und Rehabilitation vom 16. bis 18. März 2015 in Augsburg März 2015 Deutsche Rentenversicherung DRV-Schriften Band 107 · 24. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium in Augsburg V DR Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung Bund Vorankündigung: Das 25. Rehabilitationswissenschaftliche Kolloquium Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung wird vom 29. Februar bis 2. März 2016 in Aachen Kongresszentrum Eurogress Aachen stattfinden. Veranstalter: Deutsche Rentenversicherung Bund Deutsche Rentenversicherung Rheinland in Zusammenarbeit mit Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) Weitere Informationen: Tagungsort: Deutsche Rentenversicherung Bund Bereich Reha-Wissenschaften 10704 Berlin Eurogress Aachen Monheimsallee 48 52062 Aachen Telefon: 030 865-39336 Telefax: 030 865-28879 E-Mail: [email protected] www.reha-kolloquium.de 24. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung Psychische Störungen – Herausforderungen für Prävention und Rehabilitation vom 16. bis 18. März 2015 in Augsburg Deutsche Rentenversicherung Bund Deutsche Rentenversicherung Schwaben in Zusammenarbeit mit Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) Wissenschaftliche Leitung Dr. Rolf Buschmann-Steinhage, Dr. Hans-Günter Haaf, Deutsche Rentenversicherung Bund Prof. Dr. Dr. Uwe Koch, Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) Programmkomitee Prof. Dr. H.H. Bartsch (Freiburg), Prof. Dr. C.P. Bauer (Gaißach), Prof. Dr. Dr. J. Bengel (Freiburg), Prof. Dr. W.F. Beyer (Bad Füssing), Prof. Dr. E.M. Bitzer (Freiburg), Dr. S. Brüggemann (Berlin), Dr. I. Ehlebracht-König (Bad Eilsen), Prof. Dr. Dr. H. Faller (Würzburg), Dr. D. Girbig (Stuttgart), Prof. Dr. G. Grande (Leipzig), Prof. Dr. B. Greitemann (Bad Rothenfelde), Dr. A. Günthner (Speyer), Prof. Dr. C. Gutenbrunner (Hannover), Prof. Dr. Dr. M. Härter (Hamburg), Prof. Dr. P. Hampel (Flensburg), Prof. Dr. M. Karoff (Ennepetal), Dr. R. J. Knickenberg (Bad Neustadt), Prof. Dr. V. Köllner (Blieskastel), Prof. Dr. T. Kohlmann (Greifswald), Prof. Dr. W. Kohte (Halle), Prof. Dr. G. Krischak (Bad Buchau), Prof. Dr. M. Linden (Teltow), Prof. Dr. W. Mau (Halle), Prof. Dr. M. Morfeld (Stendal), Prof. Dr. R. Muche (Ulm), Prof. Dr. M. Niehaus (Köln), Prof. Dr. F. Petermann (Bremen), Prof. Dr. K. Pfeifer (Erlangen), Dr. H. Pollmann (Bad Neuenahr), Prof. Dr. M. Sailer (Magdeburg), Dr. W. Schupp (Herzogenaurach), Prof. Dr. B. Schwaab (Timmendorfer Strand), Prof. Dr. W. Spijkers (Aachen), Prof. Dr. H. Völler (Rüdersdorf), Prof. Dr. U. Walter (Hannover), Prof. Dr. J. Wasem (Essen), Prof. Dr. K. Wegscheider (Hamburg), Dr. S. Weinbrenner (Berlin), Prof. Dr. F. Welti (Kassel). Kongresskomitee Maja Höfemann, Astrid Rosendahl, Kerstin Seidel (Organisation) Daniela Sewöster, Stefanie Märtin (Wissenschaft), Deutsche Rentenversicherung Bund Anja Neupert-Schreiner, Barbara Gläsel, Johann Ebenhöh, Monika Gutmann, Thomas Lacher, Monika Rivola, Angela Schantini, Ludwig Wiedemann (Organisation), Deutsche Rentenversicherung Schwaben Tagungsband Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung Bund, Geschäftsbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation. Verantwortlich für den Gesamtinhalt: Hauptschriftleiter: Dr. Axel Reimann, Schriftleiter: Dr. Dirk von der Heide, Telefon: 030 86589178, Telefax: 030 86589425. Die Zeitschrift DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG erscheint 4-mal jährlich und ist über die Deutsche Rentenversicherung Bund, Geschäftsbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation, – Vertrieb –, Postanschrift: 10704 Berlin, E-Mail: [email protected], Telefon: 030 86524536, für 21,00 Euro (Ausland 28,00 Euro) inkl. Versandkosten, jährlich zu beziehen, das Einzelheft 5,50 Euro (Ausland 7,00 Euro) inkl. Versandkosten. Das Abonnement kann nur bis zum 30. September für das folgende Jahr gekündigt werden. Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Deutschen Rentenversicherung Bund wieder. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernehmen wir keine Gewähr. Nachdruck ist unter Quellenangabe nur mit Genehmigung der Schriftleitung zulässig. Satz und Druck: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Berlin. Die DRV-Schriften sind kostenfreie Sonderausgaben der Zeitschrift „Deutsche Rentenversicherung“. ISBN 978-3-00-048796-5 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum 24. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Augsburg begrüßen wir Sie herzlich. Das Rehabilitationswissenschaftliche Kolloquium ist als Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung das wichtigste Forum für praxisrelevante Ergebnisse zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Jährlich nehmen etwa 1.500 Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis, Medizin, Psychologie und Therapie, Gesundheitsmanagement, Verwaltung und Politik teil. Das 24. Kolloquium 2015 veranstaltet die Deutsche Rentenversicherung Bund gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Schwaben und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW). Experten sehen in psychischen Störungen die wichtigste Herausforderung für die Gesundheitsversorgung des 21. Jahrhunderts. Die wachsende Bedeutung von psychischen Erkrankungen lässt sich sowohl an den Rehabilitations- und Berentungsstatistiken als auch an den Arbeitsunfähigkeitszeiten ablesen. Viele Rehabilitandinnen und Rehabilitanden mit somatischen Erkrankungen leiden auch unter psychischen Belastungen und Störungen. In Fachkreisen wird eine reale Zunahme psychischer Erkrankungen bezweifelt. Vielmehr wird auf eine Sensibilisierung in der Öffentlichkeit, verbesserte Diagnostik sowie zunehmende Entstigmatisierung und veränderte Anforderungen an die psychische Belastbarkeit in der Arbeitswelt verwiesen. Psychische Störungen sind für die betroffenen Menschen häufig mit einer erheblich eingeschränkten Lebensqualität verbunden. Oft ist ihre berufliche Leistungsfähigkeit deutlich beeinträchtigt. Die psychosomatisch-psychotherapeutische Rehabilitation ist ein wichtiges Glied in der Behandlungskette. Nach den vorliegenden reha-wissenschaftlichen Ergebnissen hilft sie vielen Betroffenen wieder erwerbstätig zu sein und sichert so ihre weitere Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Immer drängender wird dennoch die Frage, wie psychische Erkrankungen vermieden oder zumindest früher erkannt und behandelt werden können, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Der Tagungsband kann auf www.deutsche-rentenversicherung.de heruntergeladen werden. Dr. Rolf Buschmann-Steinhage Dr. Hans-Günter Haaf 3 Prof. Dr. Dr. Uwe Koch Inhaltsübersicht Plenarvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 DGRW-Update . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Reha-System und Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Rückkehr zur Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Rückkehr zur Arbeit (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Assessmentinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Assessmentinstrumente (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Qualitätssicherung (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Epidemiologie und Reha-Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Reha-Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Reha-Nachsorge (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Patientenschulung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Patientenschulung (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Reha-Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Psychische Komorbidität in der Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Psychische Komorbidität in der Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Rechtswissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Bewegungstherapie (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Neurologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Neurologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Kardiologische Rehabilitation I – in Kooperation mit der DGPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Kardiologische Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Kardiologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Onkologische Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Onkologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Pneumologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4 Rehabilitation bei psychischen Störungen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Rehabilitation bei psychischen Störungen II – in Kooperation mit der DGPPN . . . . . . . 319 Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Prozessqualität in der psychosomatischen Rehabilitation – in Kooperation mit der DGPPR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Orthopädische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Orthopädische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Gastroenterologische Rehabilitation – in Kooperation mit der GRVS . . . . . . . . . . . . . . 404 Autorenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Verzeichnis der Erstautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 5 Inhaltsverzeichnis Plenarvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychische Traumatisierung und chronischer Schmerz – neurobiologische Zusammenhänge und ihre Konsequenzen für die Versorgung Egle, U. T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 DGRW-Update. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DGRW-Update „Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung“ Horn, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Reha-System und Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zugang in die Anschlussheilbehandlung aus ärztlicher Sicht: Eine Analyse von Informationsstand und Optimierungsbedarf Gottschling-Lang, A., Egen, C., Sturm, C., Gutenbrunner, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 23 24 27 Angebote stationärer Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen für pflegende Angehörige – Befragungsergebnisse aus dem Gutachten für das BMG Hertle, D., Lüken, F., Trümner, A., Veit, C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Versorgungsunterschiede zwischen deutschen und ausländischen Rehabilitanden? Erbstößer, S., Zollmann, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Vernetztes MBOR-Konzept zwischen Bergwerkbetrieb und Reha-Klinik – medizinische und ökonomische Ergebnisse Müller, W.-D., Derlien, S., Knufinke, R., Kleinhans, W., Smolenski, U.C. . . . . . . . . . 33 „Um den mache ich mir Sorgen“ – Kooperationsprojekt Grundfos-Aukrug zur Erhaltung der Beruflichen Integration (GABI) Specht, T., Roese, I., Usdrowski, G., Breiholz, J., Feddersen, D., Mux, B., Glaser-Möller, N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Validität des SIMBO-C bei inneren Erkrankungen – Ergebnisse einer multizentrischen Studie Streibelt, M., Franke, W., Kiwus, U., Schittich, I., Reichel, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 38 Umsetzung der Strategie des Erwerbsbezugs in der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover – eine Routinedatenanalyse Gerdau-Heitmann, C., Gutenbrunner, C., Miede, J., Schwarze, M. . . . . . . . . . . . . . . 40 Realisierung beruflich orientierter Leistungen in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen Mitteldeutschlands Golla, A., Saal, S., Mau, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 FieZ-Studie der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz: Gelingt die Förderung einer grundlegenden erwerbsbezogenen Orientierung in Rehabilitationskliniken? Bürger, W., Nübling, R., Kriz, D., Kretschmer, P., Masius, U., Zucker, A., Rudolph, F.M., Stirn, A.V., Siefken-Kaletka, H., Stapel, M., Weisenburger, R. . . . . . 44 6 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation in der Orthopädie – Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung Lindow, B., Grünbeck, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluation von MBOR in der stationären psychosomatischen Rehabilitation Mestel, R., Zimmerhackl, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 50 50 Stationäre Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) – ein Bericht aus der Praxis Peters, A., Fischer, Th.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Konzeption und Evaluation der beruflich orientierten Intervention „Perspektive Job“ für onkologische Rehabilitanden Kähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Hängt der Erfolg arbeitsbezogener Leistungen in der Rehabilitation neurologischer Erkrankungen von der Wiedereingliederungsprognose ab? Eine Re-Analyse von zwei kontrolliert randomisierten Studien Streibelt, M., Menzel-Begemann, A.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 MBO®-Kompakt-Neurowoche: Maßnahmenbewertung, Return to Work und Die berufliche Leistungsfähigkeit nach 6 bzw. 12 Monaten Neuderth, S., Lukasczik, M., Knörzer, J., Laterveer, H., Weilbach, F., Presl, M., Presl, M., Schuler, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instrumente und Verfahren zur Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – Erhebung und Systematisierungsansätze Penstorf, C., Bade, S., Gleisberg, D., Jonßon, L., Lentz, R., Morfeld, M., Robinson, K., Schubert, M., Seel, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 60 60 Änderung der subjektiven Prognose zur Reintegration während des RehaAssessments aus Teilnehmerperspektive Arling, V., Birringer, N., Spijkers, W.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sind Vollqualifizierungen wirklich besser als Teilqualifizierungen? Ergebnisse einer Propensity-Score-gematchten Analyse Bethge, M., Streibelt, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Arbeit und Krankheit im Lebensverlauf – eine qualitative Verlaufsstudie zu berufsbiografischen Brüchen und beruflicher Neuorientierung Bartel, S.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Transparenz des Leistungsgeschehens?! – Ergebnisse der Erprobung der LBR-Klassifikation Radoschewski, F.M., Klosterhuis, H., Lay, W., Lindow, B., Mohnberg, I., Zander, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 7 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Teilnehmer unterschiedlicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Kaluscha, R., Schmid, L., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychische Erkrankungen bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Zander, J., Lindow, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Determinanten der Anerkennung als berufliche/r Rehabilitand/in der Bundesagentur für Arbeit zum Zweck der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Reims, N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognose von Integrationserfolg und Prüfung integrationsbezogener Effekte einer Förderung arbeitsbezogener Bewältigungsmuster in der beruflichen Rehabilitation Baumann, R.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Relevanz hat die freiwillige Teilnahme von Rehabilitanden an einer wissenschaftlichen Studie im Umschulungskontext? Arling, V., Spijkers, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Rückkehr zur Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sind stufenweise Wiedereingliederungen nach medizinischer Rehabilitation erfolgreich? Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie Bürger, W., Streibelt, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effekte stufenweiser Wiedereingliederung: Ergebnisse einer Propensity-Scoregematchten Analyse mit dem Scientific Use File der Rentenversicherung Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss des sozialen Status auf die Rückkehr zur Arbeit bei Prostatakrebspatienten nach onkologischer Rehabilitation Ullrich, A., Rath, H.M., Otto, U., Kerschgens, C., Raida, M., Hagen-Aukamp, C., Koch, U., Bergelt, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Return to Work in der Onkologie aus Patientensicht nach einem Jahr Reuss-Borst, M., Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., Krischak, G., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Schmidt, J., Toepler, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Fit für Inklusion im Beruf“ – Gesundheitsförderung durch Bewegung bei der Arbeit Bebenek, M., Kramer, C., von Stengel, S., Kemmler, W.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befristete Erwerbsminderungsrente und Rückkehr ins Erwerbsleben – Themen und Erwartungen von ErwerbsminderungsrentnerInnen Zschucke, E., Hessel, A., Paech, J., Storm, V., Lippke, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 72 74 76 78 80 83 85 87 89 91 93 Rückkehr zur Arbeit (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach einer Wirbelsäulen-Operation Bosse, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Welche Bedeutung hat die klinikspezifische Empfehlungsquote zur stufenweisen Wiedereingliederung auf die Rückkehr der Rehabilitanden an den Arbeitsplatz? Schmid, L., Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Entwicklung eines Screeningverfahrens für die Beschwerdenvalidierung von Erkrankungen mit depressiver Symptomatik Walter, F., Petermann, F., Kobelt, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 8 Assessmentinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Psychische Belastung in der Rehabilitation – der Nutzen von Verfahren aus der SCL-90-Familie Franke, G.H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 RiRes – Patienten- und Therapeuteneinschätzung zu Risiken und Ressourcen für den Behandlungs(miss)erfolg in der psychosomatischen Rehabilitation Brütt, A.L., Magaard, J., Niedrich, J., Schulz, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Die SCSC-Skala zur Erfassung der Stressbewältigungsstrategien Selbstpflege und Verausgabungsbereitschaft Otto, J., Linden, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Scheidegger Reha-Ziel-Erfassungsbogen – verbessertes Reha-Ziel-Assessment und Screeningmethode zur Detektion und Analyse spezifischer Folgestörungen und Etablierung therapeutischer Behandlungskonzepte in der onkologischen Rehabilitation Hass, H.G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Können Mitarbeiter oder Patienten voraussagen, ob sich die 6-MinutenGehstrecke bei einem Wiederholungs-6-Minuten-Gehtest relevant verbessert? Wingart, S., Lehbert, N., Sachse, C., Leithäuser, A., Wittmann, M., Jelusic, D., Schuler, M., Schultz, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Assessmentinstrumente (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Psychodiagnostik bei Menschen mit geistiger Behinderung Jagla, M., Augustin, M., Baumeister, A., Franke, G.H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Zusammenhänge von objektiven, klinischen und patientennahen Assessments zur Beurteilung der körperlichen Funktionsfähigkeit Buchholz, I., Szczotkowski, D., Schnalke, G., Jacobs, A., Kohlmann, T.. . . . . . . . . . 114 6-Minuten-Gehtest (6MGT) und Sit-to-Stand Test (STST) als Outcome-Parameter der Pneumologischen Rehabilitation bei COPD Lehbert, N., Wingart, S., Sachse, C., Leithäuser, A., Jelusic, D., Wittmann, M., Schultz, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Validierung eines neu entwickelten Fragebogens zur Erfassung der Patientenzufriedenheit im ambulanten Durchgangsarztverfahren der Deutschen Unfallversicherung Szczotkowski, D., Nolting, H., Brodowski, H., Haase, T., Kohlmann, T. . . . . . . . . . . 118 Mini-ICF-Work: Ein Fremdrating zur Erstellung von Fähigkeitsanforderungsprofilen an Arbeitsplätzen Muschalla, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Die prädiktive Validität des SIMBO-C bei psychischen Erkrankungen Streibelt, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9 Qualitätssicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Durchführung von Therapieleistungen – Anforderung und Realität im Vergleich KTL 2007 und KTL 2015 Mitschele, A., Kranzmann, A., Lindow, B., Schmid, L., Kaluscha, R. . . . . . . . . . . . . . 124 Ergebnisqualität, Patientenzufriedenheit und Prozessqualität – Resultate der Patientenbefragung 2013 im QS-Reha®-Verfahren der gesetzlichen Krankenversicherung Kutschmann, M., Grothaus, F.J.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Entwicklung und psychometrische Prüfung eines Erfolgsindexes aus der Rehabilitandenbefragung der Deutschen Rentenversicherung Bund Nowik, D., Zeisberger, M., Meyer, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Effekte internen Qualitätsmanagements – Ergebnisse der „Reha-QM-OutcomeStudie“ des Qualitätsverbunds Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Toepler, E., Kaluscha, R., Nübling, R., Kaiser, U., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Müller, G., Martin, H., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Checklisten zur Prüfung und Bewertung von Konzepten medizinischer Reha-Einrichtungen Schmale, R., Wagener, W., Huber, J., Theißen, U. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Qualitätssicherung (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Nebenwirkungen von Ergotherapie Flöge, B., Linden, M., Muschalla, B., Jöbges, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Epidemiologie und Reha-Bedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Welche Faktoren beeinflussen die Absicht zur Beantragung medizinischer Rehabilitation? Mohnberg, I., Spanier, K., Radoschewski, F.M., Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Der Work Ability Index – Ein Indikator für Rehabilitationsbedarf? Bethge, M., Spanier, K., Neugebauer, T., Mohnberg, I., Radoschewski, F.M.. . . . . . 140 Sind administrative Daten geeignet, um Rehabilitationsbedarf zu erkennen? Spanier, K., Mohnberg, I., Radoschewski, F.M., Streibelt, M., Bethge, M.. . . . . . . . . 142 Exploration von Problemlagen in der orthopädischen Rehabilitation zur Optimierung der Zuweisungs- und Behandlungsadäquanz Schwarz, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Regionale Variationen bei Anschlussrehabilitationen Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Reha abgelehnt und dann? Vergleichende Beobachtungsstudie zum weiteren gesundheits- und berufsbezogenen Verlauf der Versicherten Deck, R., Walther, A.L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 10 Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Wie verändern sich die allgemeinen und psychischen Beschwerden von Vätern im Verlauf einer stationären Vater-Kind-Maßnahme? Barre, F., Otto, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Ein motivationspsychologisches Modell der Rehabilitationsantragstellung Spanier, K., Mohnberg, I., Radoschewski, F.M., Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Möglichkeiten zur Ermittlung des Erwerbsstatus aus Routinedaten und Rehabilitandenbefragung am Beispiel der „Reha-QM-Outcome-Studie Baden-Württemberg“ Kaluscha, R., Nübling, R., Holstiege, J., Krischak, G., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Kaiser, U., Toepler, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Die Verknüpfung von Erhebungs- und Routinedaten – Nutzungspotenziale für die Analyse der Fragebogen-Response Holstiege, J., Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Zurück in die Zukunft: Aktuelle Ergebnisse einer qualitativen Befragung zu Bedarf, Akzeptanz und Implementierung internetbasierter Nachsorge Hennemann, S., Rudolph, F.M., Waldeck, E., Beutel, M.E., Zwerenz, R. . . . . . . . . . 159 Reha-Nachsorge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Wirksamkeit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten verschiedener Indikationen der Rehabilitation Becker, J., Beutel, M.E., Gerzymisch, K., Holme, M., Kiwus, U., Knickenberg, R.J., Spörl-Dönch, S., Zwerenz, R.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge: Langfristige Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Multicenter-Studie Briest, J., Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Begleitende Sozialberatung während der stufenweisen Wiedereingliederung – Evaluation eines Nachsorgeangebotes Bommersbach, P., Becker, V., Krampen, G., Munz, H., Stock, S., Müller, D. . . . . . . 165 Passung der Nachsorgeempfehlungen zwischen Hausarzt und Rehabilitationsklinik sowie deren Effekt auf die Nachsorgeaktivität Jankowiak, S., Ritter, S., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 www.nachderReha.de – Aufbau einer Homepage für Reha-Nachsorgeangebote auf Basis einer systematischen Übersicht Parzanka, S., Himstedt, C., Deck, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Reha-Nachsorge (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Nutzung und Zufriedenheit mit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSAOnline“ für beruflich belastete Patienten und Schlussfolgerungen für die Implementierung Zwerenz, R., Becker, J., Gerzymisch, K., Holme, M., Kiwus, U., Knickenberg, R.J., Spörl-Dönch, S., Beutel, M.E.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 TeNoR: Telefonische Nachsorge in der orthopädischen Rehabilitation – Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes für MBOR-Rehabilitanden Fröhlich, S.M., Niemeyer, R., Greitemann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 11 Patientenschulung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Kurzfristige Effektivität einer Patientenschulung „Curriculum Brustkrebs“ in der onkologischen Rehabilitation Richard, M., Meng, K., Strahl, A., Niehues, C., Derra, C.,Schäfer, H., Worringen, U., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Entwicklung generischer Selbstmanagement-Module als Ergänzung zum Gesundheitstraining für Patienten in der Rehabilitation Seekatz, B., Meng, K., Musekamp, G., Reusch, A., Zietz, B., Altstidl, R., Haug, G., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Effektivität einer Patientenschulung zur Förderung von Selbstmanagementkompetenzen bei Rehabilitanden mit Herzinsuffizienz Meng, K., Musekamp, G., Schuler, M., Seekatz, B., Glatz, J., Karger, G., Kiwus, U., Knoglinger, G., Schubmann, R., Westphal, R., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Intervention zur Förderung der Selbstregulation bei chronischer Krankheit: Umsetzungsbezogene Ergebnisse einer formativen Evaluation Heyduck, K., Jakob, T., Glattacker, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 „Dann haben die untereinander teilweise die Probleme gelöst“ – Schulungsleitererfahrungen mit der Implementierung einer Rückenschule Peters, S., Faller, H., Pfeifer, K., Meng, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Patientenschulung (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Die Bedeutung von Schulungsleiterdeterminanten für die Einführung standardisierter Patientenschulungen in die Routineumsetzung Meng, K., Opeskin, J., Peters, S., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Gut informiert in die Reha? Welche Informationen haben Rehabilitanden vor der Reha gesucht, erhalten oder vermisst? Walther, A.L., Schreiber, D., Deck, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Ein Wegweiser für Migranten in die medizinische Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung Reissmann, L.-M., Schwarz, B., Markin, K., Salman, R., Gutenbrunner, C. . . . . . . . 191 Reha-Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Kurzintervention zur Verbesserung der interprofessionellen Teamarbeit in der Rehabilitation – eine Prozessevaluation Körner, M., Müller, C., Becker, S., Rundel, M., Zimmermann, L. . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Optimierung der pflegerischen Patientenkontakte: Effekte eines Kommunikationstrainings für Pflegende in der Rehabilitation Dibbelt, S., Wulfert, E., Greitemann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Materialien zur Reha-Zielarbeit aus medizinischen Reha-Einrichtungen in Deutschland – Strukturierung eines Praxisfeldes Bredehorst, M., Dibbelt, S., Quaschning, K., Farin-Glattacker, E., Glattacker, M., Greitemann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Organisationales Commitment und seine Bedeutung im Reha-Prozess Kockert, S., Schott, T.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 12 Erfahrungen von Medizinerinnen und Medizinern mit Migrationshintergrund in der stationären medizinischen Rehabilitation (EMMI-R) Artzt, M.-L., Stamer, M., Meyer, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Formative Evaluation des Fortbildungscurriculums „Fachspezifische Beiträge zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung" Hoppe, A., Schwabe, M., Worringen, U.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Psychische Komorbidität in der Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Psychische Belastungen zu Beginn und am Ende der Reha-Maßnahme in einer orthopädisch-rheumatologischen Rehabilitationsklinik: Vollerhebungen in den Jahren 2009 bis 2014 Schlittenhardt, D., Gerdes, N., Hauptvogel, D., Knüttel, U., Schiel, A., Schniz, E., Wild, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Resilienz und psychosoziale Belastungen bei Rehabilitanden der Orthopädie und Psychosomatik: Eine Querschnittstudie Küch, D., Rank, C., Herbold, D., Jacobi, C., Franke, G.H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit in der verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation – eine Fragebogenvalidierung mithilfe des SKID Roch, S., Küch, D., Meyer, J., Rabe, K., Besch, D., Worringen, U., Hampel, P. . . . . 209 „Dick und auch noch depressiv!?“ – Auswirkung von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg in der stationären Adipositastherapie Kleinknecht, C., Kleinert, J., Pollmann, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste im Rahmen einer dreiwöchigen stationären medizinischen Rehabilitation – Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Therapiestudie Muschalla, B., Fay, D., Ayhan, H., Jöbges, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Gegenwärtige Praxis im Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der somatischen und psychosomatischen Rehabilitation Schlöffel, M., Funke, W., Pollmann, H., Köhler, J., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Psychische Komorbidität in der Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Psychische Begleitbeeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation – Wie werden sie therapeutisch berücksichtigt und welche Relevanz haben sie für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung am Rehabilitationsende? Brünger, M., Schöpflin, M., Spyra, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Rechtswissenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 UN-Behindertenrechtskonvention und deutsches Rehabilitationsrecht Welti, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Epilepsie und Arbeit – Herausforderungen und Fortschritte im Rehabilitationsrecht Kohte, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen Düwell, F.J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 13 Budget für Arbeit – Übergang Schule-Beruf und WfbM-allgemeiner Arbeitsmarkt Nebe, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Eingliederungshilfe für seelisch, körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche: Aktuelle Probleme eines alten Zuständigkeitsdilemmas Schimank, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung – Vergleich der Jahre 2007 und 2012 Brüggemann, S., Sewöster, D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen Schuler, M., Blümke, M., Meng, K., Faller, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Effektivität einer Multikomponenten-Intervention auf die körperliche Freizeitaktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten: 6-Monats-Follow-up einer randomisierten kontrollierten Studie Schaller, A., Dejonghe, L., Kavelaars, B., Froböse, I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Entwicklung einer Person-orientierten Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation Sudeck, G., Belizer, W., Bosch, R., Huber, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Psycho- in der Physiotherapie? Machbarkeit psychosozialer Therapiebausteine zur Therapiemotivation und Körperwahrnehmung in der Bewegungstherapie Ott, I., Hasenbring, M., Kellmann, M., Levenig, C., Mierswa, T., Kleinert, J. . . . . . . . 240 Bewegungstherapie (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Teilnehmerstruktur und Akzeptanz einer Multikomponenten-Intervention zur nachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten Schaller, A., Grieben, C., Froböse, I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Neurologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Strukturen und Praxis der psychologischen Abteilungen in der neurologischen Rehabilitation nach Schlaganfall Kampling, H., Reese, C., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Folgen von Fatigue bei Multiple Sklerose- und Schlaganfall-Patienten – Teilhabe und Vorhersage des beruflichen Status durch subjektive vs. objektive Fatigue-Erhebungsweisen Claros-Salinas, D., Koch, E., Dettmers, C., Greitemann, G., Schönberger, M. . . . . . 247 Systematische Übersichtsarbeit zu Korrelaten und Determinanten der körperlichen Aktivität von Personen mit Multipler Sklerose Streber, R., Peters, S., Pfeifer, K.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Pilotstudie: Volitionale Schulungsmaßnahmen fördern das Walking bei Patienten mit Schlaganfall im Vergleich zur MS Ludwig, L., Kuderer, B., Dettmers, C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Sportmotive bei Personen mit Multipler Sklerose Geidl, W., Streber, R., Tallner, A., Pfeifer, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 14 Neurologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Patienten mit Multipler Sklerose profitieren bei der Messung phasischer Alertness weniger vom Warnton als Patienten mit Schlaganfall – ein Schlüssel zum Verständnis der Fatigue? Calandriello, B., Schwarzer, S., Claros-Salinas, D., Gütler, R., Dettmers, C. . . . . . . 256 Kardiologische Rehabilitation I – in Kooperation mit der DGPR . . . . . . . . . . . . . . . 259 Verändern Zielvereinbarungen das Gesundheitsverhalten von kardiologischen Patienten in der Phase-III-Rehabilitation? Ergebnisse der CARO-PRE-II-Studie Stamm-Balderjahn, S., Michel, A., Spyra, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Adhärenz zur Therapie bei intermittierendem Tai Chi-Training zur Verbesserung der Herz-Kreislaufgesundheit und der kognitiven Leistungsfähigkeit Weber, U., Wieczorrek, G.,Schlitt, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Psychische Komorbidität in der kardiologischen Rehabilitation – Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung Lindow, B., Naumann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Bewegungsangst bei chronischer Herzinsuffizienz – Ergebnisse zur Entwicklung eines Messinstruments Spaderna, H., Hellwig, S., Hennig, D., Anastasopoulou, P., Hey, S. . . . . . . . . . . . . . 265 Fernbetreuung zur Behandlung von Depression bei Herzpatienten Schulz, S.M., Braig, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Veränderung des Rauchverhaltens von Frauen nach Herzinfarkt – Ergebnisse einer Follow-up-Studie mit Reha-Patientinnen Härtel, U., Symannek, C., Wex, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Kardiologische Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Multimodale Rehabilitation von Patienten mit Marfan-Syndrom Benninghoven, D., Schroeder, F., von Kodolitsch, Y., Hoberg, E. . . . . . . . . . . . . . . . 270 Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie zum Vergleich von kohlenhydratreduzierter mit leitliniengemäßer Ernährung in der Therapie des Typ-2-Diabetes Karoff, J., Kittel, J., Wagner, A.M., Karoff, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Die prognostische Bedeutung des Übergewichts auf das langfristige Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen nach Herzinfarkt – Ergebnisse einer Follow-up-Studie Härtel, U., Filipiak, B., Symannek, C., Bongarth, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Aussagekraft spiroergometrischer Parameter im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung kardiovaskulär erkrankter Patienten Völler, H., Salzwedel, A., Reibis, R., Kaminski, S., Buhlert, H., Eichler, S., Wegscheider, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Auswirkungen eines 12-monatigen progressiven gerätegestützten Krafttrainings auf die Kraftfähigkeiten von Herzpatienten in der Rehabilitationsphase III Serowy, A., Gollan, R., Mauch, E., Schmitz, S., Bjarnason-Wehrens, B. . . . . . . . . . 277 15 Kardiologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Verändern sich Depressionserleben und Angststörungen von Patienten durch Verwendung eines Audience-Response-Systems während der stationären kardiologischen Rehabilitation? Eichel, J., Weber, A. Schlitt, A.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Akzeptanzanalyse für die Nutzung des Internetportals herzwegweiser.de durch Rehabilitanden und Fachkreise Michel, A., Wilke, K., Stamm-Balderjahn, S., Spyra, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Onkologische Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen: Strukturen und Praxis der psychologischen Tätigkeit Reese, C., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Krankheitsvorstellungen, Behandlungserwartungen und psychoonkologische Versorgung bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in der Rehabilitation Yilmaz-Aslan, Y., Spallek, L., Gök, Y., Kolip, P., Spallek, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brustkrebs – Ergebnisse der INOP-Studie Exner, A.-K., Kähnert, H., Leibbrand, B.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Nachhaltige Steigerung der körperlichen Aktivität bei Brustkrebspatientinnen ist möglich – 2 Jahres-Katamnese der KIRA-Studie Reuss-Borst, M., Peters, E., Wentrock, S., Lemmerich, D., Baumann, F. . . . . . . . . 290 Zurück in den Beruf nach Krebs: Beratungsbedarf in der ambulanten psychosozialen Krebsberatung Faust, T., Giesler, J.M., Ernst, J., Kuhnt, S., Mehnert, A., Weis, J. . . . . . . . . . . . . . . 292 Onkologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Patientenkompetenz bei Patienten mit Mamma-, Kolon-/Rektum- oder Prostatakarzinom: Verändert sie sich in der onkologischen Rehabilitation? Giesler, J.M., Zeiss, T., Weis, J.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Pneumologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Lungenfunktionsergebnisse der RIMTCOR-Studie – eine randomisierte real life-Studie Schultz, K., Jelusic, D., Wittmann, M., Huber, V., Krämer, B., Fuchs, S., Wingart, S., Lehbert, N., Stojanovic, D., Schuler, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Psychische Komorbidität bei COPD-Patienten: Welche Langzeiteffekte zeigen sich nach einer stationären pneumologischen Rehabilitation? Schwaighofer, B., Jelusic, D., Wittmann, M., Schuler, M., Schultz, K. . . . . . . . . . . . . 298 Unterstützung der Lebensstiländerung von COPD-Patienten durch ein Planungskompetenztraining Arling, V., Kienast, K., Slavchova, V., Pütz, D., Hartenfels, S., Spijkers, W. . . . . . . . 299 16 Effekt der pädagogisch-didaktischen Weiterentwicklung des Curriculums „Asthma bronchiale“ der Deutschen Rentenversicherung Bund auf die Verständlichkeit der Patientenschulung Bäuerle, K., Feicke, J., Spörhase, U., Scherer, W., Bitzer, E.M. . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Davoser-Outcome-Studie (DOS) – Ergebnisse stationärer pneumologischer und dermatologischer Heilbehandlungen im Spiegel von drei Nacherhebungen Schmidt, J., Nübling, R., Kriz, D., Kaiser, U. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Rehabilitation bei psychischen Störungen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Wie sieht eine patientengerechte Vorbereitung auf die stationäre psychosomatische Rehabilitation aus? – Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung Gerzymisch, K., Beutel, M.E., Schmädeke, S., Bischoff, C., Hagen, K., Knickenberg, R.J., Zwerenz, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Ergebnisse zu simulierten Symptomen in der medizinisch-psychiatrischen Rehabilitation Senft, B., Platz, T., Bernögger, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Nebenwirkungen von Gruppenpsychotherapie in der psychosomatischen Rehabilitation Linden, M., Fritz, K., Walter, M., Muschalla, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Arbeitsunfähigkeit und psychische Belastung – eine Herausforderung für die psychosomatische Rehabilitation Frege, I., Vollmer, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 „Kombi-Reha 2-plus-4“: Erfahrungen mit einem neuen Modell der psychosomatischen Rehabilitation bei Erwerbstätigen mit besonderer beruflicher Problemlage Grulke, N., Hub, J., Schäfer, A., Bailer, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Psychische Beeinträchtigung und Empfehlung sowie Inanspruchnahme von Psychotherapie nach medizinischer Rehabilitation – weitere Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ Nübling, R., Kaluscha, R., Krischak, G., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Schmidt, J., Kaiser, U., Toepler, E.. . . . . . . . . . . . . . 315 Rehabilitation bei psychischen Störungen II – in Kooperation mit der DGPPN . . 319 Die sozialmedizinische Beschreibung von arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen psychosomatischen Patienten im klinischen Urteil und standardisierten Mini-ICF-APP-Rating Linden, M., Muschalla, B., Poguntke, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Langfristige Erwerbsverläufe ausgewählter Erkrankungsbilder in der psychosomatischen Rehabilitation Holstiege, J., Kaluscha, R., Müller, G., Jankowiak, S., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben dank Supported Employment – 5-Jahres-Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Untersuchung Hoffmann, H., Jäckel, D., Glauser, S., Mueser, K., Kupper, Z. . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 17 Medizinisch-berufliche Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) in Deutschland: Analyse der Aufnahme- und Entlassungsdaten Stengler, K., Kauffeldt, S., Theißing, A., Bräuning-Edelmann, M., Becker, T. . . . . . . 325 Soziale Rehabilitation: Ergebnisqualität in der Eingliederungshilfe Steinhart, I., Höptner, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Aggressionsphantasien bei Verbitterungszuständen Linden, M., Noack, I.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Anträge auf Psychosomatische Rehabilitation – Häufigkeit, Qualität und Befürwortungsrate Ahnert, J., Schuler, M., Legner, R., Berger, H., Vogel, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Recht einfordern oder selbst aktiv werden? Eine experimentelle Untersuchung zur Akzeptanz von Persönlichkeitsstörungen am Arbeitsplatz bei Wiedereingliederung Muschalla, B., Fay, D., Seeman, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Sportliche Aktivität nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation: „MoVo-Luise“ Bailer, H., Grulke, N., Fuchs, R., Dietsche, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Prozessqualität in der psychosomatischen Rehabilitation – in Kooperation mit der DGPPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Routine-Assessment in der psychosomatischen Rehabilitation – Behandlungsergebnisse auf der Grundlage eines EDV-gestützten Routine-Assessment-Systems Nübling, R., Schmidt, J., Kriz, D., Kobelt, A., Bassler, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Wie valide ist die Diagnostik in der psychosomatischen Rehabilitation? Kaminski, A., Bassler, M., Pfeiffer, W., Kobelt, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Wirksamkeit eines nichtrückgekoppelten Atemtrainings im Vergleich zu einer Biofeedbackbehandlung Zimmermann, J., Richter, R., Bassler, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Berufsgruppenspezifische oder störungsspezifische Rehabilitation bei Beschäftigten in Pflegeberufen? Neu, R., Brendel, C., Köllner, V.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Kriteriumsbezogene Validierung von KTL-Qualitätspunkten in der psychosomatischen Reha Preuss, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Daten der stationären Suchtrehabilitation 1993–2013: Bedeutung von Suchtmitteln, Lebensalter, Komorbiditäten für die Rehabilitation der Zukunft Hinze-Selch, D., Weitzmann, P., Zentner, S., Voigt, W., Englert, I., Nebe, R. . . . . . . 347 Evaluation der stationären Behandlung bei Alkoholabhängigkeit – Ergebnisse von fünf Entlassungsjahrgängen 2007-2011 Bachmeier, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 18 Prognostische Bedeutung der RMK-Bedarfsgruppen für die stationäre Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger – Aktuelle Ergebnisse der 1-Jahres-Katamnese Spyra, K., Egner, U., Fahrenkrog, S., Köhn, S., Lindenmeyer, J., Missel, P.. . . . . . . 351 Ergebnisqualität einer Web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer Rehabilitation Alkoholabhängiger Missel, P., Arens, J., Kramer, D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis: Ergebnisse der Multicenterstudie Lindenmeyer, J., Rinck, M., Becker, E., Mühlig, S., Wiers, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“ zur S3-Leitlinie alkoholbezogener Störungen Missel, P., Arens, J., Koch, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Orthopädische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Standortbestimmung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation (VMO) – zwischen orthopädischer und psychosomatischer Rehabilitation? Krischak, G., Schurr, S., Jankowiak, S., Dannenmaier, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Wie relevant ist Komorbidität für den sozialmedizinischen 6-Monats-Verlauf nach stationärer Rehabilitation wegen muskuloskelettaler Erkrankungen und psychischen Störungen? Gutt, S., Parthier, K., Mau, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Verhaltensbezogene Bewegungstherapie zur Optimierung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation bei chronisch nichtspezifischem Rückenschmerz Semrau, J., Hentschke, C., Geidl, W., Pfeifer, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Evaluation einer intensivierten Rehabilitation nach lumbalen Wirbelsäulenoperationen Schröter, J., Lechterbeck, M., Hartmann, F., Gercek, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Eingangsbelastungen und kurzfristige Reha-Effekte bei 1.802 Fibromyalgie-Patientinnen des Reha-Klinikums Bad Säckingen Gerdes, N., Schlittenhardt, D., Farin-Glattacker, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Qualitätssicherung und Ergebnismessung in der ambulanten orthopädischen Rehabilitation nach Hüft- und Knie-TEP-Versorgung Müller, M., Toussaint, R., Kohlmann, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Orthopädische Rehabilitation (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Der Zusammenhang von Kontrollüberzeugung und psychologischen Grundbedürfnissen bei Rückenschmerzpatienten Raven, H., Schaller, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Welche Bedeutung haben Gender, Alter, Hauptdiagnosegruppe und psychische Gesundheit für die Verlaufsprognose während und nach muskuloskelettaler Rehabilitation? Mattukat, K., Golla, A., Mau, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 19 Wünsche, Barrieren und Barrieremanagement von Rehabilitanden mit chronischem Rückenschmerz – eine qualitative Analyse Thomsen, S., Herbold, D., Wiezoreck, M., Geigner, B., Beddies, A., Worringen, U., Hampel, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Zur Interpretation von Veränderungen der Schmerzstärke Haase, I., Walz, J., Kladny, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Schmerzverarbeitung bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten im Vergleich zu Gesunden Krohn-Grimberghe, B., Lange, M., de Vries, U., Petermann, F.. . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Remi-Pro: Eine standardisierte Methode zur Dokumentation des Remissionsverlaufs und zur Therapiezielfindung bei Kindern und Jugendlichen nach schweren erworbenen Hirnschädigungen Romein, E., Hessenauer, M., Kluger, G., Berweck, S., Staudt, M.. . . . . . . . . . . . . . . 381 Transition – Erwachsen werden mit einer chronischen Erkrankung am Beispiel der Mukoviszidose Gebert, N., Bomba, F., Herrmann-Garitz, C., Thyen, U., Schmidt, S., Falkenberg, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Prädiktoren für den Nachsorgeerfolg bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas im Rahmen einer Telefonberatung: Eine qualitative Studie Pankatz, M., Stachow, R., Tiedjen, U., Hampel, P., Hornig, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Weg mit den Snacks, her mit dem Gemüse: Approach-Avoidance-Training (AAT) bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas Warschburger, P., Lieck, K., Morawietz, M., Rinck, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Was Eltern von der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen erwarten Berghem, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Regionale Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen Jankowiak, S., Dannenmaier, J., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Die Wirkung sozialer Ungleichheiten auf Zugang und Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in Mitteldeutschland Fach, E.-M., Schumann, N., Günther, S., Richter, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen – Perspektive der Allgemeinmediziner Berghem, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Aspekte der psychischen Befindlichkeit bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes in der stationären Rehabilitation Paape, F., Hermann, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Subjektives Behandlungskonzept und krankheitsbezogenes Selbstmanagement asthmakranker Jugendlicher in der Rehabilitation: Eine qualitative Analyse Heyduck, K., Bengel, J., Glattacker, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 20 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Förderliche und hinderliche Faktoren der Inanspruchnahme einer familienorientierten Rehabilitation bei krebskranken Kindern und ihren Familien Inhestern, L., Beierlein, V., Krauth, K., Schulte, Th., Berger, D., Koch, U., Bergelt, C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Gastroenterologische Rehabilitation – in Kooperation mit der GRVS . . . . . . . . . . 404 Rehabilitation bei Typ-2-Diabetes: Strukturen und Praxis der psychologischen Tätigkeit Reese, C., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Wirksamkeit einer stationären Schulung für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Weiland, R., Dreger, K., Gerlich, C., Tuschhoff, T., Mainos, D., Derra, C., Faller, H., Reusch, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Stuhlregulierende Maßnahmen als Beispiel partizipativer Therapiefindung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen aus der Perspektive des Klinikers Steimann, G.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Keine Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben durch patientenorientiertes Empowerment – Hinweis auf rehabilitative Unterversorgung? Langbrandtner, J., Hüppe, A., Raspe, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Einschränkungen der sozialen Teilhabe bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ohne und mit Reha-Inanspruchnahme Hüppe, A., Steimann, G., Langbrandtner, J., Zeuner, C., Eisemann, N., Bokemeyer, B., Raspe, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Autorenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Verzeichnis der Erstautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 21 Plenarvorträge Psychische Traumatisierung und chronischer Schmerz – neurobiologische Zusammenhänge und ihre Konsequenzen für die Versorgung Egle, U. T. Gengenbach Für die meisten Betroffenen – leider jedoch auch immer noch für sehr viele Ärzte – ist Schmerz ausschließlich ein Warnsignal für eine Gewebs- oder Nervenschädigung. Dieses auf den französischen Philosophen René Descartes zurückgehende Schmerzverständnis aus dem 17. Jahrhundert ist durch die neurobiologische Forschung der letzten 10 Jahre wissenschaftlich nicht mehr haltbar – insbesondere wenn es um chronische Schmerzzustände geht. Festgestellt wurde eine weitreichende Überlappung der für Schmerz und Stress zuständigen Hirnbereiche: Schmerz ist für das Gehirn nichts anderes als ein biologischer Stressor! Diese neurobiologischen Zusammenhänge erklären auch, warum psychosoziale Einflussfaktoren das subjektive Schmerzerleben bei nozizeptiven Reizen erheblich modulieren können und warum negative Affekte ebenso wie kognitive Bewertungen auch ohne nozizeptiven Input im Gehirn Schmerzen generieren können. Eine zentrale Rolle spielen dabei der vordere Gyrus cinguli (ACC) sowie Amygdala, Hippocampus und Bereiche des Präfrontalkortex. Die Wechselwirkungen in dieser „Schmerzmatrix“ entscheiden wesentlich über das individuelle Schmerzerleben. Bereits in der Kindheit einwirkende psychische Traumata (körperliche Misshandlung, sexueller Missbrauch, Bindungsstörungen und Ausgrenzungserleben) erhöhen durch neurobiologische Prägungen („Narben“) die spätere Schmerz- und Stressvulnerabilität im Erwachsenenalter. Anhaltende Belastungssituationen fungieren dann als Auslöser für eine Reihe psychischer Erkrankungen (depressive und Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, somatoforme Störungen) sowie für zahlreiche chronische Schmerzerkrankungen (z. B. unspezifischer Rückenschmerz, FibromyalgieSyndrom, chronischer Kopfschmerz, craniomandibuläre Dysfunktion). Diese neurobiologischen Erkenntnisse liefern die Grundlagen für eine differenzierte Behandlung chronischer Schmerzerkrankungen, während die gegenwärtig vorherrschenden unspezifischen Behandlungsstrategien – bei anästhesiologischen Schmerztherapeuten und Hausärzten zunehmend häufiger Opiate, bei psychologischen Schmerztherapeuten fast nur Schmerzbewältigungstraining – zu einer hohen Zahl von AU-Tagen und Frühberentungen führen. Dem steht eine nach zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen differenzierende psychosomatische Schmerztherapie gegenüber. Reha-Ergebnisse bei n=400 chronischen Schmerzpatienten einer psychosomatischen Fachklinik belegen: Bei mehr als 50 % aller chronischen Schmerzpatienten führt an solchen Mechanismen orientierte psychosomatische Schmerztherapie zu einer erheblichen Besserung bzw. zum vollständigen Verschwinden der meist viele Jahre bestehenden Schmerzen. 23 DGRW-Update DGRW-Update „Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung“ Horn, S. Berlin Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ist das Kernstück der Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung. Die gesetzliche Grundlage dazu findet sich im SGB VI. Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung umfasst ‒ das qualitative Leistungsvermögen ‒ das quantitative Leistungsvermögen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ‒ die Berücksichtigung therapeutischer Optionen einschließlich Rehabilitationsbedürftigkeit ‒ die Festlegung des Beginns einer Leistungsminderung und ‒ eine prognostische Aussage zur Dauer der Leistungsminderung mit Einschätzung der Besserungswahrscheinlichkeit. Im § 43 SGB VI wird seit 2001 für das quantitative Leistungsvermögen eine 3-stufige Zeitschiene (6 Stunden und mehr, 3 bis unter 6 Stunden und unter 3 Stunden) vorgegeben, ohne dass dafür ein exaktes Messinstrumentarium zur Verfügung steht. In die Beurteilung müssen darüber hinaus für die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einbezogen werden, die sehr offen definiert wurden. Die prognostischen Aussagen zu therapeutischen Optionen, zur Dauer einer Leistungsminderung und der Wahrscheinlichkeit einer Besserung orientieren sich an der Häufigkeit der Verläufe und dem Maß für die Neigung der Prozesse zu einem bestimmten Ergebnis. Sie sind abhängig von Kenntnissen, Erfahrung und Sozialisation der Gutachter, aber auch von auch Mitarbeit, Sozialisation und kulturellem Hintergrund des Probanden Die fehlende Operationalisierung an mehreren Stationen der Entscheidungsfindung führt dazu, dass die Reliabilität sozialmedizinischer Leistungsbeurteilungen häufig infrage gestellt wird. 2004 empfahl die SOMEKO (Kommission zur Weiterentwicklung der Sozialmedizin in der gesetzlichen Rentenversicherung) in ihrem Abschlussbericht ‒ die weitere Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten ‒ Entwickeln von Leitlinien, Standards und Empfehlungen für eine Optimierung der sozialmedizinischen Sachaufklärung. ‒ Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement: ‒ fachlich (klinisch, sozialmedizinisch) ‒ ablauf- und teilweise auch aufbauorganisatorisch ‒ ökonomisch, um bundesweit eine Gleichbehandlung aller Versicherten zu gewährleisten (VDR 2009). 24 Die Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten wurde in Form eines bundesweit gültigen sozialmedizinischen Glossars erreicht. Um möglichst einheitliche, gut nachvollziehbare sozialmedizinische Leistungsbeurteilungen zu erhalten, implementierte die Deutsche Rentenversicherung in den letzten 10 Jahren die Leitlinien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und zum Rehabilitationszugang. Sie sollen dazu führen, dass Gutachten formal möglichst einheitlich gestaltet und die medizinischen Ermittlungen zielgerichtet geführt werden. Inhaltlich werden die Grenzen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung möglichst klar definiert durch sogenannte harte Eckdaten zum Schweregrad einer Störung, bei denen grundsätzlich von einem Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden oder auch von einem Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden auszugehen ist. Für die weitere Differenzierung der Leistungsbeurteilung werden dann Folgen von Komorbiditäten einbezogen und die sogenannten weichen Daten wie Verlauf, Therapie, Beobachtungen neben dem Untersuchungsgang und Berichte über die Alltags- und Freizeitgestaltung. Im Rahmen der Qualitätssicherung wurde ein Peer-Review-Verfahren zur Qualitätssicherung der Begutachtung initiiert. Durch Anwendung einheitlicher Qualitätskriterien soll dieses Qualitätssicherungskonzept eine trägerübergreifende systematische Betrachtung der Gutachtenqualität ermöglichen und zur weiteren Verbesserung der Leistungsbeurteilungen beitragen. Forschungsprojekte wie das Projekt zur Erfassung der Einflussfaktoren auf die gutachterliche Leistungsbeurteilung im Antragsverfahren auf Erwerbsminderungsrente („PEgL“; Bahmer et al. 2010) und die qualitative Studie zur Untersuchung von Entscheidungsheuristiken bei ärztlichen Entscheidungen nach Aktenlage im Rentenantragsverfahren (Bartel et al. 2012) befassten sich mit den Wegen und Beeinflussungsfaktoren der gutachterlichen Entscheidungsfindung. Für die besonders schwer zu beurteilenden Folgen psychischer Störungen wurde das „MiniICF-Rating“ für psychische Störungen entwickelt, ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Erkrankungen (Linden/Baron, 2005). Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wird außerdem beeinflusst durch richterliche und höchstrichterliche Entscheidungen der Landesozialgerichte und des Bundessozialgerichts. Dazu werden bei der Deutschen Rentenversicherung Bund seit mehr als 10 Jahren regelmäßig alle LSG-Urteile ausgewertet und die Ergebnisse den Gutachtern mitgeteilt. Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung entwickelt sich fließend. Erste Maßnahmen zur Operationalisierung wurden ergriffen, um die Reliabilität zu erhöhen. Literatur Bahmer, J., Meisel, S., Hesse, B., Gebauer, E. (2010): Projekt zur Erfassung der Einflussfaktoren auf die gutachterliche Leistungsbeurteilung (PEgL) – Chancen sozialmedizinischer Begutachtung. Med Sach, 106 (6). 255-256. Bartel, S., Ohlbrecht, H., Kardorff, E., Tegethoff, D. 2012: Qualitative Methoden in der Rehabilitationsforschung. Eine Untersuchung von Entscheidungsheuristiken bei sozialmedizinischen Begutachtungen im Rentenantragsverfahren mittels der Think Aloud Methode. Dtsch med Wochenschr, 137 (13). DOI: 10.1055/s-0032-1323176. 25 Deutsche Rentenversicherung (DRV) (2007): Abschlussbericht der Projektgruppe „Qualitätssicherung der sozialmedizinischen Begutachtung“ (PGQSBEGUT). Berlin, DRV. Linden, M., Baron, S. (2005): Das „Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (MiniICF-P)“. Ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Erkrankungen. Die Rehabilitation, 44. 144-151. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2004): Abschlussbericht der Kommission zur Weiterentwicklung der Sozialmedizin in der gesetzlichen Rentenversicherung – SOMEKO. DRV-Schriften, Bd. 53. 26 Reha-System und Vernetzung Der Zugang in die Anschlussheilbehandlung aus ärztlicher Sicht: Eine Analyse von Informationsstand und Optimierungsbedarf Gottschling-Lang, A., Egen, C., Sturm, C., Gutenbrunner, C. Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover Hintergrund Die Anschlussrehabilitation (AHB) dient der Wiederherstellung der Funktions- und Erwerbsfähigkeit nach akuten Erkrankungen, Unfällen und medizinischen Eingriffen (Ballüer et al., 2013). Sie muss vom Krankenhaus beantragt werden. Zugangskriterien können dem AHBIndikationskatalog der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund, 2008) entnommen werden. Im Rahmen des von der DRV Bund geförderten Projektes „Wege in die Anschlussrehabilitation – Analyse des Antrags- und Bewilligungsprozesses im Akutkrankenhaus“ wurden Ärzte im Krankenhaus bezüglich ihres Informationsstandes über die AHB und deren Einleitung befragt. Methodik Die Datenerhebung erfolgte anhand eines onlinegestützten, anonymen, teilstandardisierten Fragebogens in 3 Akutkrankenhäusern. Neben Personenangaben (Alter, Geschlecht, Berufserfahrung) erfasste der Fragebogen in Anlehnung an den AHB-Indikationskatalog der DRV Bund folgende Themenkomplexe: Rehabilitationsindikationen und Optimierungsbedarfe im Rahmen der AHB-Einleitung (jeweils offene Fragen), Rehabilitationsziele, patientenseitige Rehabilitationsfähigkeit, Wunsch- und Wahlrecht, Informationsbeschaffung bezüglich des AHB-Prozesses sowie strukturelle und organisationsbezogene Aspekte der AHB (jeweils geschlossene Fragen). Überwiegend waren bei den Fragen Mehrfachantworten möglich. Zur Vermeidung pauschalen Ankreuzens wurden zusätzlich falsche Antwortmöglichkeiten integriert. Neben der deskriptiven Auswertung war es somit möglich, ein Punktesystem zur Bewertung der Antworten zu erstellen: Jede richtig benannte Antwortoption sowie jede richtigerweise nicht angekreuzte falsche Antwortoption wurde mit einem Pluspunkt bewertet, jede falsch benannte bzw. jede nicht angekreuzte richtige Antwortoption mit einem Minuspunkt. Ein höherer positiver Wert entspricht somit einem besseren Informationsstand zur AHB. Der Fragebogen wurde per E-Mail an 253 Ärzte versandt. Ergebnisse An der Befragung beteiligten sich 81 Ärzte (Response: 32,0 %). 28,4 % (n=23) davon waren Frauen. Die Befragungsteilnehmer waren durchschnittlich 36,7 Jahre (SD 8,4) alt und wiesen im Durchschnitt eine Berufserfahrung von 9,2 Jahren (SD 8,1) auf. Etwa die Hälfte der Befragungsteilnehmer (48,1 %) waren Assistenzärzte. 27 Als wichtigste Ziele der AHB (Antwort „sehr wichtig“) wurden die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit (72,0 %; n=54) sowie die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit für das Erwerbsleben (62,7 %; n=47) genannt. Lediglich 13,6 % (n=11) der Ärzte entnimmt die Information, bei welcher Indikation eine AHB angezeigt ist, dem Indikationskatalog der DRV. Der überwiegende Teil gewinnt entsprechende Information aus der Berufserfahrung und den damit verbundenen Informationen durch Kollegen heraus (86,4 %; n=70). Nur 14,7 % (n=11) der Befragten haben schon einmal an einem Fort- und Weiterbildungsangebot zum Thema AHB teilgenommen. 76,0 % (n=57) gaben an, dass ein adäquates Fort- und Weiterbildungsangebot nicht existiere. Hinsichtlich des generellen Informationsstandes zur AHB erreichten die Ärzte durchschnittlich 2,8 (SD 2,9) von möglichen +/− 6 Punkten zum Themenbereich Rehabilitationsfähigkeit, 1,9 (SD 1,1) von +/− 3 Punkten zum Thema Wunsch- und Wahlrecht und zum zeitlichen Aspekt des AHB-Beginns 0,5 (SD 1,3) von +/− 4 Punkten. Im Rahmen der Freitextangaben wurde die im Arbeitsalltag fehlende Zeit für die Antragserstellung (auch Befundberichterstellung) auf ärztlicher Seite als häufigstes Problem im Prozess der AHB-Einleitung identifiziert (20 Nennungen) sowie ein vereinfachter Prozess der AHB-Anmeldung (z. B. keine doppelte Erfassung von Patientendaten/Informationen, nichtärztliche AHB-Antragsverantwortliche) als Verbesserungsvorschläge genannt (12 Nennungen). Diskussion Krankenhausärzten ist die Bedeutung der AHB für die Wiederherstellung von Funktionsund Erwerbsfähigkeit insgesamt bewusst. Sie weisen jedoch einen objektiven Informationsbedarf zur AHB-Einleitung auf. Das existierende Fort- und Weiterbildungsangebot wird als unzulänglich eingeschätzt. Der AHB-Indikationskatalog der DRV ist als Orientierungshilfe allerdings wenig bekannt. Ärzte verlassen sich überwiegend auf ihre Berufserfahrung. Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick Es besteht offenbar ein Informationsdefizit bezüglich der AHB-Einleitung. Dieses könnte beispielsweise durch vermehrte Fort- und Weiterbildungsangebote kompensiert werden. Es ist denkbar, dass somit die Zuweisung in die AHB insgesamt verbessert werden könnte. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Ballüer, K., Rohland, D., Seger, W., Egen, C., Tecklenburg, A., Gutenbrunner, C. (2013): Ein Weg aus dem Dickicht des Formulardschungels bei der Einleitung von Anschlussrehabilitation bzw. Anschlussheilverfahren. Gesundheitswesen, 75. 848-852. DRV Bund (Hrsg.) (2008): ABH. Anschlussrehabilitation. Informationsschrift für Krankenhäuser.14. Aufl. Berlin. 28 Angebote stationärer Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen für pflegende Angehörige – Befragungsergebnisse aus dem Gutachten für das BMG Hertle, D., Lüken, F., Trümner, A., Veit, C. BQS-Institut für Qualität und Patientensicherheit Hintergrund Mit der Verabschiedung des Pflegeneuausrichtungsgesetzes (PNG) wurden 2012 die Rahmenbedingung für die Teilnahme von pflegenden Angehörigen an medizinischen Rehabilitations- und Vorsorgeleistungen verändert. So sind seitdem die „besonderen Belange pflegender Angehöriger“ (SGB V) bei der Beurteilung eines Antrags auf eine Maßnahme zu berücksichtigen. Zudem ermöglicht das PNG die Mitversorgung Pflegebedürftiger in den Rehabilitationseinrichtungen. Um festzustellen, welche Angebote in Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen in Deutschland mit spezifischer Ausrichtung auf die Gruppe der pflegenden Angehörigen existieren und inwieweit die Einrichtungen auf die Änderungen durch das PNG reagiert haben, beauftragte das Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 2013 das BQS-Institut mit einem Fachgutachten. Methodik Zur Identifikation von spezifischen Angeboten für pflegende Angehörige wurde eine bundesweite E-Mail-gestützte Befragung bei 1.167 Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt. Ergänzt wurde die Erhebung durch 28 leitfadengestützte Interviews mit Experten aus Wissenschaft (Pflege, Recht, Psychologie), Beratungspraxis, der Kostenträgerschaft sowie Betroffenen. Eine offene Internetrecherche lieferte weitere Hinweise auf spezifische Rehabilitationsmaßnahmen. Ergebnisse Es wurden 31 Rehabilitationseinrichtungen gefunden, die spezifische Maßnahmen für die Zielgruppe der pflegenden Angehörigen anbieten. Maßnahmen fanden sich in den Indikationsbereichen Geriatrie, Psychosomatik, Orthopädie, Neurologie, Kardiologie sowie als Vorsorgemaßnahmen des Müttergenesungswerkes und in Spezialkliniken für Demenzkranke. Konzeptionelle Standards existieren derzeit nicht. Die jeweiligen Konzepte werden von den Einrichtungen individuell erarbeitet und setzen unterschiedliche Schwerpunkte, die an die Spezifika des Indikationsbereiches anknüpfen. 57 Reha-Einrichtungen wurden ermittelt, die die Mitnahme von Pflegebedürftigen unterschiedlicher Pflegestufen ermöglichen. Die Versorgung wird dabei entweder intern oder mithilfe externer Kooperationspartner gewährleistet. Die Bereitstellung von stationären Reha- und Vorsorgeangeboten, die die Bedürfnisse pflegender Angehöriger konzeptionell berücksichtigen, ist nach Auskunft von Einrichtungen und Experten grundsätzlich gut machbar. Als problematisch werden jedoch hohe Zugangsbarrieren und damit zusammenhängend eine unzureichende Inanspruchnahme angesehen. Einige Einrichtungen haben Angebote deshalb wieder eingestellt. 29 Diskussion Die niedrige Zahl von Einrichtungen mit Angeboten für pflegende Angehörige im Zusammenhang mit einer Rücklaufquote von nur 8,2 % bei der E-Mail-Befragung wirft die Frage auf, ob alle Einrichtungen mit entsprechenden Angeboten gefunden wurden. Auffällig war, dass ganz überwiegend Einrichtungen mit Angeboten, jedoch kaum Einrichtungen ohne Angebote geantwortet haben, sodass hier von einem Bias zugunsten der Einrichtungen mit Angeboten auszugehen ist. Durch die ergänzende Internetrecherche und die Expertenbefragung konnten zwar weitere Angebote identifiziert werden. Von diesen waren aber viele bereits aus der Befragung bekannt. Schlussfolgerungen Die Bereitstellung von zielgruppenspezifischen Reha-Maßnahmen für pflegende Angehörige erscheint ohne großen Aufwand möglich, da sich viele der regelhaft vorhandenen Rehabilitationselemente wie psychosoziale Betreuung, die Durchführung von Schulungsmaßnahmen sowie die kontextfaktoren- und ressourcenorientierte Vorgehensweise gut auf die Zielgruppe der pflegenden Angehörigen ausrichten lassen. Allerdings setzt die Implementierung solcher Maßnahmen inkl. der Bereitstellung einer Mitversorgungsmöglichkeit des Pflegebedürftigen Planungssicherheit bei den Einrichtungen voraus und erfordert eine entsprechende Zahl an Zuweisungen. Die vom PNG geforderte „besondere Berücksichtigung“ bei der Antragstellung kann daher nur zum Tragen kommen, wenn die Hürden der Antragsstellung nicht zu hoch sind und wenn pflegende Angehörige und anbietende Einrichtungen entsprechend von den Kostenträgern identifiziert werden, sodass eine passgenaue Zusteuerung möglich wird. Förderung: Bundesministerium für Gesundheit Literatur Hertle, D., Lüken, F., Trümner, A., Tewes, C., Rohjans, M., Veit, C. (2014): Vom Bedarf zur Reha: Bestandsaufnahme zur medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige. Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Düsseldorf: BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit. Versorgungsunterschiede zwischen deutschen und ausländischen Rehabilitanden? Erbstößer, S., Zollmann, P. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund Fast ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, etwas weniger als die Hälfte davon mit einer anderen Staatsangehörigkeit (Statistisches Bundesamt, 2014). Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich in gesundheitlicher Hinsicht von Menschen ohne Migrationshintergrund. Sie sind z. B. häufiger von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten oder Erwerbsminderungsrenten betroffen (Robert Koch-Institut, 2008). 30 Dennoch nehmen sie seltener eine Rehabilitation in Anspruch (Voigtländer et al., 2013), die Rehabilitation ist bei ihnen im Durchschnitt weniger erfolgreich (Mösko et al., 2008). Diese Ergebnisse können nur zu einem Teil durch den Einfluss soziodemografischer und gesundheitlicher Faktoren erklärt werden (Brzoska et. al., 2013; zu etwas anderen Ergebnissen kommen Kobelt et al., 2013). Das Vorsorgungsgeschehen in der medizinischen Rehabilitation kann mit den Routinedaten der Rentenversicherung abgebildet werden; diese ermöglichen bislang allerdings nur Auswertungen nach Staatsangehörigkeit. Fragestellung Unterscheiden sich Rehabilitanden unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten hinsichtlich soziodemografischer Aspekte, der Reha-Versorgung oder der beruflichen Wiedereingliederung (Return to work)? Methodik Auf Basis der Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (RSD 2001 bis 2011) wurden pflichtversicherte RehabilitandInnen mit einer medizinischen Rehabilitation im Jahr 2009 ausgewählt. Die Staatsbürgerschaften wurden z. T. zusammengefasst: früheres Jugoslawien, frühere Sowjetunion und Südeuropa. Mithilfe von deskriptiven Auswertungen und multivariaten logistischen Regressionen (SPSS 22) wurden der Return to work (RTW) sowie die relevanten Einflussfaktoren ermittelt. Zur Operationalisierung des RTW wurden unterschiedliche Konzepte herangezogen. Ergebnisse RehabilitandInnen des Jahres 2009 besitzen weit überwiegend die deutsche Staatsbürgerschaft (94 %), nur 6 % haben eine andere Staatsbürgerschaft. Der Ausländeranteil unter den aktiv Versicherten der Deutschen Rentenversicherung liegt dagegen mit 10 % etwas höher. Im Hinblick auf soziodemografische Merkmale unterscheiden sich die RehabilitandInnen zum Teil erheblich: Bei den türkischen Versicherten sind der Frauenanteil und der Altersdurchschnitt vergleichsweise geringer. Auch südeuropäische Rehabilitanden sind häufiger männlich, Rehabilitanden aus dem früheren Jugoslawien sind durchschnittlich älter. Erhebliche Unterschiede zeigen sich auch für die Erwerbssituation: Versicherte mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit weisen häufig eine deutlich niedrigere Bildung auf und üben überwiegend niedrig qualifizierte Berufe aus. Im Jahr vor Reha-Beginn waren nur ca. 30 % der Versicherten aus der Türkei bzw. der früheren Sowjetunion durchgängig beschäftigt, dagegen ca. die Hälfte der deutschen RehabilitandInnen. Ein hoher Anteil der Rehabilitanden aus der Türkei und aus dem früheren Jugoslawien erhält Krankengeld (40 %), über 40 % der Versicherten aus der früheren Sowjetunion beziehen Arbeitslosengeld II/Hartz IV. Hinsichtlich der rehabilitativen Versorgung ergeben sich eher geringe Unterschiede: Türkische Versicherte nehmen häufiger eine medizinische Rehabilitation wegen psychischer Störungen in Anspruch. Therapiedichte und -zusammensetzung sowie die Empfehlungen sind für alle betrachteten Gruppen ähnlich. 31 Abbildung 1 stellt die berufliche Wiedereingliederung innerhalb der 2 Jahre nach dem Ende der Rehabilitation getrennt nach Staatsangehörigkeit dar. Sowohl der Anteil mit versicherungspflichtiger Beschäftigung als auch die durchschnittliche Anzahl von Beitragsmonaten unterscheidet sich je nach Staatsangehörigkeit teils erheblich: Für Versicherte mit deutscher Staatsangehörigkeit liegt der Anteil mit versicherungspflichtiger Beschäftigung am höchsten (75 %). Dies trifft mit 19,1 Monaten auch für die Dauer der Beschäftigung zu. Dagegen nehmen Versicherte mit türkischer Staatsangehörigkeit oder aus der ehemaligen Sowjetunion nur zu etwas mehr als der Hälfte wieder eine Beschäftigung auf. Bei türkischen RehabilitandInnen ist zudem auch die Dauer der Beschäftigung mit 16,5 Monaten am niedrigsten. 100% 80% deutsch n=683.247 F: 48%, Ø=49J. türkisch n=12.252 F: 37%, Ø=45J. ehem. SU n=2.659 F: 48%, Ø=48J. Südeuropa n=8.254 F: 36%, Ø=49J. 75% 70% 66% 57% 60% ehem. Jugosl. n=8.157 F: 47%, Ø=50J. 53% 40% 20% 0% ø19,1 ø16,5 ø 16,9 ø 17,3 Monate mit Beschäftigung ø 17,9 mind. 1 Monat beschäftigt Anm.: 15.621 RehabilitandInnen mit anderer bzw. unklarer Staatsangehörigkeit Abb. 1: Rehabilitanden mit mind. 1 Monat versicherungspflichtiger Beschäftigung im 2-Jahres-Verlauf nach Rehabilitation im Jahr 2009 nach Staatsangehörigkeit Diese Unterschiede im Return to Work sind allerdings nicht auf die Staatsangehörigkeit zurückzuführen: Sie erweist sich in den multivariaten logistischen Regressionen nicht als signifikanter und relevanter Einflussfaktor. Wesentliche Einflussfaktoren sind dagegen die Beschäftigungssituation vor Rehabilitationsbeginn, die sozialmedizinische Einschätzung der Leistungsfähigkeit in der letzten beruflichen Tätigkeit, das Alter (gruppiert) sowie das Entgelt pro Tag mit versicherungspflichtiger Beschäftigung im Jahr 2008. Diskussion Die gravierenden Unterschiede in der beruflichen Wiedereingliederung zwischen Versicherten mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit sind, wie die Regressionen belegen, im Wesentlichen nicht auf die Staatsangehörigkeit zurückzuführen, sondern auf die unterschiedliche Beschäftigungssituation vor der Rehabilitation. Gleichwohl ist die unterschied- 32 liche Beschäftigungssituation sicherlich auch Ausdruck der je nach Staatsangehörigkeit unterschiedlichen Bildungschancen, beruflichen Tätigkeiten bzw. Sozialschicht. Insgesamt lässt sich ableiten, dass die Erhaltung eines noch bestehenden Arbeitsplatzes für jeden Versicherten gleich welcher Nationalität von zentraler Bedeutung ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die relativ ähnliche Therapiedichte und -zusammensetzung zwingend als Indikator für eine gute Qualität der rehabilitativen Versorgung anzusehen ist. Literatur Brzoska, P., Voigtländer S., Spallek, J., Razum, O. (2013): Reha-Erfolg bei Migrant(inn)en: Herkunftsländer im Vergleich. In: Schott T., Razum O. (Hrsg.): Migration und medizinische Rehabilitation. Weinheim, Basel: Beltz Juventa Verlag. Kobelt, A., Goebber, J., Pfeiffer, W., Petermann, F. (2013): Die sozioökonomische Schicht ist wichtiger für das Behandlungsergebnis in der psychosomatischen Rehabilitation als der Migrationshintergrund. In: Phys Med Rehab Kuror, 23. 353-357. Mösko, M., Schneider, J., Koch, U., Schulz, H. (2008): Beeinflusst der türkische Migrationshintergrund das Behandlungsergebnis? Ergebnisse einer prospektiven Versorgungsstudie in der stationären Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Störungen. Psychother Psych Med Psych, 58 (3-4). 176-182. Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2008): Migration und Gesundheit. Berlin. Statistisches Bundesamt (2014): 15,3 Millionen Personen haben einen Migrationshintergrund. Pressemitteilung vom 3. Juni 2014 – 193/14. Voigtländer, S., Brzoska, P., Spallek, J., Exner, A.-K., Razum, O. (2013): Die Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation bei Menschen mit Migrationshintergrund. In: Schott T., Razum O. (Hrsg.): Migration und medizinische Rehabilitation. Weinheim, Basel: Beltz Juventa Verlag. Vernetztes MBOR-Konzept zwischen Bergwerkbetrieb und Reha-Klinik – medizinische und ökonomische Ergebnisse Müller, W.-D. (1), Derlien, S. (2), Knufinke, R. (3), Kleinhans, W. (4), Smolenski, U.C. (2) (1) m&i-Fachklinik Bad Liebenstein, (2) Institut für Physiotherapie, Universitätsklinikum Jena, (3) Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Bochum, (4) K+S KALI GmbH, Werk Werra Hintergrund und Zweck der Untersuchung Im Rahmen früherer Untersuchungen wurde in Zusammenarbeit mit Industriebetrieben und DRV Mitteldeutschland über ergebnisorientierte Optimierungsschritte ein Konzept zur Verzahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration entwickelt und in der Praxis erfolgreich erprobt (Müller et al., 2005; Müller et al., 2006; Maier, 2010). Dieses erfolgreiche Konzept wurde in einer weiteren Studie unter den spezifischen Bedingungen eines Bergwerkunternehmens hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht und im Anschluss erfolgreich implementiert (Müller et al., 2009; Müller et al., 2011). 33 Das im Konzept angewandte arbeitsplatzbezogene Profilvergleichssystem IMBA wurde Anfang 2011 auf die elektronische Form MARIE umgestellt, sodass ein problemloser OnlineAustausch von arbeitsplatzbezogenen Profildaten (Anforderungsprofile im Betrieb unterstützt durch Fotodokumentation der Arbeitsplätze, Fähigkeitsprofildaten sowie Profilvergleichsergebnisse der Klinik) erfolgen kann. Zusätzlich wurde das Reha-Team der Klinik im Betrieb vor Ort systematisch zu spezifischen Arbeitsplatzanforderungen im Bergwerkbetrieb geschult. Zweck der vorliegenden Arbeit war es, die medizinischen und ökonomischen Ergebnisse des MBOR-Projektes in den Jahren 2010 bis 2012 zu untersuchen. Methodik Im Rahmen einer seit 01/2006 laufenden prospektiven Fallkontrollstudie wurden in der Zeit von 01/2011 bis 12/2012 87 Mitarbeiter eines Bergwerkbetriebes mit gefährdeter Erwerbsfähigkeit wegen rezidivierenden Rücken- bzw. Gelenkbeschwerden zu einer durchschnittlich 3-wöchigen stationären MBOR unter Trägerschaft der DRV Knappschaft-Bahn-See mit gestrafftem Antragsverfahren eingewiesen. Vor Beginn der Reha erfolgte seitens des Betriebes die Übertragung des Arbeitsplatzanforderungsprofils nach IMBA via MARIE online an die Klinik. Zum Reha-Beginn wurde das Arbeitsplatzanforderungsprofil mit dem Patientenfähigkeitsprofil mittels EFL-Screening-Test und IMBA/MARIE verglichen und das RehaInterventionsprogramm auf die spezifischen Anforderungen des arbeitsbezogenen Leistungsvermögens abgestimmt. Am Reha-Ende erfolgte im Rahmen einer Fallkonferenz unter Beteiligung des Betriebes (regelhaft Teilnahme des Leiters betriebliches Gesundheits- und Eingliederungsmanagement) die nahtlose Wiedereingliederung von 65 Rehabilitanden in den Arbeitsprozess mit allen notwendigen Begleitmaßnahmen (z. B. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, ambulante Therapie). Bei 11 Rehabilitanden waren die Leistungsreserven erschöpft, sodass anschließend eine Berentung erfolgte. Den Patienten wurden SF-36, EQ5D, FFbHR und WOMAC am Anfang (T1), am Ende (T2) der Reha-Maßnahme und 6 Monate nach Entlassung (T3) vorgelegt. Ergebnisse Von den 76 im Erwerbsprozess verbliebenen Rehabilitanden wurden 65 Patienten eingeschlossen. Alle 65 Patienten wurden zum Zeitpunkt T3 nachbefragt, von denen 47 antworteten (72,3 %). Longitudinale Effekte wurden geprüft und mit den Stichproben aus früheren Studien verglichen. Seitens des Betriebes wurden in Zusammenarbeit mit dem Kostenträger die Arbeitsunfähigkeitszeiten (orthopädische Leiden betreffend) der eingeschlossenen Patienten 1 Jahr vor und 1 Jahr nach der stationären Rehabilitationsbehandlung ermittelt. Die Ergebnisse des Eingangsassessment zeigen einen komplexen Reha-Bedarf bei der gesamten Stichprobe auf. Im SF-36 zeigten sich während des Reha-Verfahrens im Bereich der körperlichen Skalen kleine bis mittlere Effektstärken; im Bereich der mentalen Skalen kleine Effekte. Die Verbesserungen konnten nach der stationären Phase im Bereich der körperlichen Skalen weiter ausgebaut werden, sodass über den Gesamtbetrachtungszeitraum mittlere bis große Effektstärken nachweisbar waren. In den mentalen Skalen konnten die im Reha-Verfahren erreichten Werte nicht gehalten werden, sodass sich über den Gesamtbetrachtungszeitraum lediglich kleine Effekte zeigten. 34 Bei Betrachtung des spezifischen Gesundheitszustandes konnten bei FFbHR während des Reha-Verfahrens nur kleine Effektstärken erreicht werden, welche sich in der Nachbehandlungsphase etwas verstärkten. Im WOMAC waren ebenfalls während des Heilverfahrens in den Items Schmerz, Steifigkeit und Funktion kleine Effektstärken zu verzeichnen, welche sich im Follow up verstärkten, sodass in allen 3 Items über den Gesamtbetrachtungszeitraum mittlere Effektstärken erreicht worden sind. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten konnten im Jahr nach der stationären Rehabilitation im Vergleich zum Jahr davor um 40 % gesenkt werden. Diskussion Die bessere Vernetzung zwischen Betrieb und Klinik hat zu einem reibungsloseren Ablauf des MBOR-Projektes geführt, da in allen Fällen zum Reha-Beginn alle Informationen zum jeweiligen Arbeitsplatzanforderungsprofil vorlagen. Im Vergleich zur letzten Stichprobenuntersuchung 2011 konnte der Rücklauf der Patientennachbefragung zum Zeitpunkt T3 von 50,9 % auf 72,3 % gesteigert werden. Die stationäre Rehabilitation zeigte messbare positive und nachhaltige Effekte, welche zwar im Vergleich zur Voruntersuchung von 2011, insbesondere in den mentalen Skalen der generischen Instrumente sowie im spezifischen Gesundheitszustand etwas geringer ausfielen, aber dennoch zu einem deutlichen Rückgang der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Rehabilitanden nach stattgehabter Rehabilitation führten. Die Fortschritte in der Vernetzung zwischen Klinik und Betrieb werden von allen Prozessbeteiligten als außerordentlich positiv und hilfreich bewertet. Schlussfolgerungen Das im Zuge systematischer und assessmentgestützter Optimierungsschritte entwickelte Reha-Konzept ist in Zusammenarbeit zwischen Reha-Klinik und Bergwerkbetrieb ein Routineverfahren geworden. Die Nutzung der Assessmentergebnisse zur Reha-Steuerung und zum Nachweis der Ergebnisqualität der stationären Rehabilitation sowie die Analyse der ökonomischen Effekte haben sich sowohl für die Klinik, als auch für den Betrieb als äußerst vorteilhaft erwiesen, sodass aus Sicht aller Prozessbeteiligten (Betrieb, Klinik und Kostenträger) eine routinemäßige Fortsetzung des Verfahrens festgelegt wurde. Literatur Maier, V. (2010): Verzahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigten der Automobilindustrie mit Rückenschmerzen. Ergebnisorientierte Optimierung der Rehabilitationskonzepte. Dissertation: Friedrich-Schiller-Universität Jena. Müller, W.-D., Bak, P., Maier, V., Lohsträter, A., Smolenski, U.C. (2005): Ergebnisorientierte Optimierung der Rehabilitationskonzepte bei berufstätigen Patienten mit rezidivierenden Rückenschmerzen – eine kontrollierte klinische Studie. DRV-Schriften, Bd. 59. 258-259. Müller, W.-D., Maier, V., Bak, P., Smolenski, U.C. (2006): Verzahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigten der Automobilindustrie mit Rücken- und Gelenkschmerzen. Phys Med Rehab Kuror, 16. 149-154. Müller, W.-D., Knufinke, R., Kleinhans, W., Smolenski, U.C., Bak, P. (2009): Verzahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigten eines Bergwerkbetriebes mit Rückenschmerzen – Implementierung eines optimierten Rehakonzeptes. DRV-Schriften, Bd. 83. 171-172. 35 Müller, W.-D., Knufinke, R., Kleinhans, W., Smolenski, U.C., Bak, P. (2011): Verzahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigten eines Bergwerkbetriebes – medizinische und ökonomische Ergebnisse eines optimierten Rehabilitationskonzeptes. DRV-Schriften, Bd. 93. 201-203. „Um den mache ich mir Sorgen“ – Kooperationsprojekt Grundfos-Aukrug zur Erhaltung der Beruflichen Integration (GABI) Specht, T. (1), Roese, I. (2), Usdrowski, G. (1), Breiholz, J. (2), Feddersen, D. (1), Mux, B. (2), Glaser-Möller, N. (3) (1) Fachklinik Aukrug der Deutschen Rentenversicherung Nord, Aukrug, (2) Grundfos Pumpenfabrik GmbH, Wahlstedt, (3) Deutsche Rentenversicherung Nord, Lübeck Hintergrund Die Firma Grundfos ist ein Maschinenbauunternehmen, das Spezialpumpen für den weltweiten Markt produziert. Im Werk in Wahlstedt sind ca. 650 Mitarbeiter beschäftigt. Es besteht ein hohes Interesse am Erhalt der beruflichen Integration insbesondere der älteren Kompetenzträger bis zum Erreichen der Altersgrenze. Die Fachklinik Aukrug der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Nord hat mit den Abteilungen Psychosomatik, Innere Medizin, Orthopädie und Schlafmedizin fächerübergreifende Versorgungsstrukturen aufgebaut, um dem steigenden Bedarf an Reha-Angeboten für ältere Multimorbide zu begegnen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Verbindung von Körper- und Seelenmedizin („Sowohlals-auch“). Methodik Mit dem von Firmenleitung, Betriebsrat und Klinik entwickelten Projekt GABI sollen die Mitarbeiter erreicht werden, bei denen oder bei deren Führungskräften „Sorgen“ bestehen, ob sie den beruflichen Anforderungen weiter gewachsen sein werden, ohne dass die Hintergründe dafür bereits klar sein müssen. Im Rahmen eines präventiven Ansatzes erfolgt eine 1- bis 2-tägige interdisziplinäre somatische und psychosomatische Diagnostik in der RehaEinrichtung einschließlich EFL-Testung (Evaluation der Funktionellen Leistungsfähigkeit nach Isernhagen), an deren Ende ein IMBA/MARIE-basierter, standardisierter Profilvergleich zwischen beruflichen Anforderungen und individueller Leistungsfähigkeit steht, verbunden mit konkreten Empfehlungen zu möglichen Integrationssichernden Maßnahmen. Die Kosten der Untersuchung trägt das Unternehmen. Personenbezogene Informationen wurden dabei ausschließlich zwischen Klinik und Betriebsärztin ausgetauscht. Ergebnisse Über einen Zeitraum von 10 Monaten wurden 12 Mitarbeiter eingeschlossen, die Hälfte davon war über 50 Jahre alt. Die Initiative dafür ging in 5 Fällen vom Vorgesetzten aus, in 3 Fällen vom Betriebsrat, in zweien vom Steuerkreis Betriebliches Gesundheitsmanagement und in zweien vom Mitarbeiter selbst. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten vor Einschluss waren sehr unterschiedlich gewesen. Sie lagen bei 8 Mitarbeitern unter 6 Wochen, bei vieren darüber. Im Work-Ability-Index (WAI) lag die Arbeitsfähigkeit bei 6 Teilnehmern im 36 „kritischen“ Bereich, bei fünfen im „mäßigen“ (1 Fall ohne WAI), was darauf hinweist, dass die Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes berechtigt war. Folgende Ergebnisse wurden im Verlauf von der Betriebsärztin mit einem Follow-up zwischen 2 und 8 Monaten erhoben: Als relevant für die berufliche Reintegration erschienen achtmal somatische und fünfmal psychosomatische Aspekte, sechsmal psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz und dreimal sonstige psychosoziale Belastungen (Mehrfachnennung möglich). In allen Fällen erfolgten nach GABI konkrete Maßnahmen: dreimal Anpassungen am Arbeitsplatz, fünfmal betriebsinterner Wechsel des Arbeitsplatzes, sechsmal ambulante Behandlung, zweimal Rehabilitation, viermal Unterstützung durch EAP und fünfmal „Sonstiges“ (Mehrfachnennung möglich). Alle Teilnehmer sind weiter im Unternehmen tätig, kein Arbeitsverhältnis wurde beendet. Der berufliche Verlauf in der Beurteilung durch die Betriebsärztin zeigt in 10 Fällen „stabile Tätigkeit im Betrieb“ und in je 4 Fällen „Erhalt der Arbeitsfähigkeit“ bzw. „Verbesserung der Arbeitsfähigkeit“ (Mehrfachnennung möglich). In keinem Fall kam es zu einer Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit. Diskussion Als wesentlich für das Gelingen des Projektes erschienen das gemeinsame übergeordnete Ziel aller Beteiligten und das im Verlauf entstandene Vertrauen der Mitarbeiter in den fürsorglichen und sinnhaften Charakter des Angebotes. Daneben zeigte sich, dass die Integration des psychosomatischen Blickwinkels in die Projektkonzeption in vielen Fällen wesentlich zur Klärung der zugrunde liegenden Problematik beigetragen hat. Schlussfolgerungen und Ausblick Das weiterlaufende Projekt GABI zeigt praxisnah, wie der Weg von ersten (subjektiven) Anzeichen der Gefährdung über integrierte Diagnostik bis hin zu konkreten Maßnahmen gelingen kann. Aus Sicht der Arbeitsgruppe wesentlich sind dabei nicht ein hoher Ressourceneinsatz, sondern eine sinnvolle Zusammenführung von Kompetenzen und ein gemeinsames Wollen. Die Erfahrungen mit GABI zeigen, dass eine enge Kooperation einer breit gefächerten Reha-Einrichtung mit einem Unternehmen aus der Region eindeutige Vorteile für die betroffenen Mitarbeiter und die Kooperationspartner bringt. 37 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I Die Validität des SIMBO-C bei inneren Erkrankungen – Ergebnisse einer multizentrischen Studie Streibelt, M. (1), Franke, W. (2), Kiwus, U. (3), Schittich, I. (4), Reichel, C. (5, 6) (1) Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Reha-Zentrum Bad Kissingen, (3) Reha-Zentrum Bad Nauheim, (4) Reha-Zentrum Schömberg – Klinik Schwarzwald, (5) Reha-Zentrum Bad Brückenau – Klinik Hartwald, (6) Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit/Public Health, Universität Bonn Einleitung Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsleistungen (MBOR) sind effektiv, wenn es darum geht, Personen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) wieder in das Erwerbsleben zu integrieren (Kittel, Karoff, 2008; Streibelt; Bethge 2014a). Kriterien der BBPL werden insbesondere über sozialmedizinische Informationen wie Fehlzeiten oder Erwerbsstatus sowie subjektive Angaben der Patienten abgebildet (DRV Bund, 2012). Mit dem SIMBO-C existiert ein Screeninginstrument, welches solche Indikatoren in sich vereint und so eine Aussage über die Stärke der arbeitsbezogenen Probleme aufgrund der chronischen Erkrankung macht (Streibelt, 2009). Der SIMBO-C wurde an einer indikationsübergreifenden Stichprobe entwickelt und ist insbesondere in der Orthopädie auf seine Validität getestet worden (Streibelt, Bethge, 2014b). Aus diesem Grund setzt ihn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund in der Orthopädie regelhaft zur Unterstützung der Steuerung in MBOR-Behandlungskonzepte ein. Aus der Praxis stellte sich die Frage, ob der SIMBO-C auch bei inneren Erkrankungen valide berufsbezogene Probleme vorhersagen kann. Methoden Gemeinsam mit 12 Reha-Zentren der DRV Bund wurde eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten mit inneren Erkrankungen im Alter von 18–65 Jahre. Ausgeschlossen wurden Patienten der Anschlussrehabilitation. Zusätzlich wurden Vergleichsstichproben aus der Orthopädie und der Psychosomatik rekrutiert. Die Patienten wurden zu Beginn der Rehabilitation (t1) und 3 Monate nach Ende (t2) schriftlich befragt. Neben dem SIMBO-C kamen der Work Ability Score (WAS), die Skalen Körperliche und Emotionale Rollenfunktion des SF-36, die Einschätzung des aktuellen Gesundheitszustandes und die Skala zur Subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit (SPE) zum Einsatz. Zusätzlich wurden die Daten der ärztlichen Entlassungsberichte erhoben. Die Konstruktvalidität wurde mittels Korrelationsanalysen, die Vorhersagegüte durch ROCKurven getestet. Als vorherzusagendes Outcome wurde eine dichotome Kombination verschiedener kritischer beruflicher Ereignisse verwendet (Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit >5 Wochen, EM-Rentenantrag, LTA-Antrag, Teilnahme Stufenweise Wiedereingliederung, Streibelt, 2009). 38 Ergebnisse Von ursprünglich 2.200 rekrutierten Patienten konnten 2.134 Fragebögen zugeordnet und von diesen wiederum (nach Prüfung der Ausschlusskriterien) 1.927 Datensätze zu t1 verwendet werden. 87 % davon antworteten auch in der Katamnese (n=1.673). Die vorliegenden Ergebnisse konzentrieren sich auf die größten Indikationen Kardiologie (KHK, n=471), Stoffwechsel/Verdauung (ST/VD, n=417), Pneumologie (PN, n=252) und Onkologie (CA, n=183). Die Indikationsgruppen waren durchschnittlich 51 (ST/VD) bis 55 (KHK) Jahre alt. Der Anteil an Frauen variierte zwischen 34 % (KHK) und 70 % (CA). Die Korrelationen zwischen dem SIMBO-Score und den anderen gemessenen Instrumenten lag im niedrigen bis moderaten Bereich. Einzig zum WAS wurden konstante Korrelationskoeffizienten um .50 ermittelt. Auffällig waren die geringen Zusammenhänge bei den CA-Patienten (.08 bis .29, außer WAS: .47). Die Vorhersagegüte für kritische berufliche Ereignisse nach Ende der Rehabilitation war dagegen sehr gut. Es wurden AUC von .87 (KH) bis .89 (PN) ermittelt. Die optimalen Cutoff lagen bei 20 (KHK, CA) bzw. 23 (PN, ST/VD) Punkten. Damit wurden Sensitivitäten von 84–92 % erreicht. Allerdings waren die positiven Vorhersagewerte mit 58–84 % teilweise geringer. Bei Verwendung eines SIMBO-Cutoffs von 20 Punkten betrug die Prävalenz einer BBPL 24 % (PN) bis 32 % (KHK) bzw. 51 % (CA). Die tatsächlichen Prävalenzen für kritische berufliche Ereignisse lagen etwa 10 Prozentpunkte darunter. Diskussion Der SIMBO-C hat bei inneren Erkrankungen eine moderate Konstruktvalidität. Insbesondere bei onkologischen Patienten können kaum substanzielle Zusammenhänge zu vergleichbaren Instrumenten ermittelt werden. Dagegen gelingt die Vorhersage kritischer beruflicher Ereignisse sehr gut. Die bereits in der Orthopädie ermittelte Grenze von 20 Punkten wählt, wie im Falle eines Screeninginstruments auch gewünscht, eine Gruppe von Patienten aus, in der fast alle Patienten mit späteren beruflichen Problemen enthalten sind. Allerdings ist diese Auswahl niedrigschwellig und geht auf Kosten eines eher mittelmäßigen positiven Vorhersagewertes. Auch die Prävalenzen verdeutlichen, dass mit diesem SIMBO-Cutoff mehr Personen ausgewählt werden als letztlich „MBOR-bedürftig“ sind. Weitere Analysen müssen zeigen, ob sich die positiven Ergebnisse auch auf Ebene einzelner Erkrankungen replizieren lassen. Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Berlin. Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorientierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kontrollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47 (1). 14-22. Streibelt, M. (2009): Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennung besonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Die Rehabilitation, 48 (3). 135-144. 39 Streibelt, M., Bethge, M. (2014a): Effects of intensified work-related multidisciplinary rehabilitation on occupational participation: a randomized-controlled trial in patients with chronic musculoskeletal disorders. Int J Rehabil Res., 37 (1). 61-66. Streibelt, M., Bethge, M. (2014b): Prospective Cohort Analysis of the Predictive Validity of a Screening Instrument for Severe Restrictions of Work Ability in Patients with Musculoskeletal Disorders. Am J Phys Med Rehabil. [Epub ahead of print] Umsetzung der Strategie des Erwerbsbezugs in der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover – eine Routinedatenanalyse Gerdau-Heitmann, C. (1), Gutenbrunner, C. (1), Miede, J. (2), Schwarze, M. (1) (1) Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen Hintergrund Der demografische Wandel und die Zunahme chronischer Erkrankungen erfordern eine stärker an die Anforderungen der Arbeitswelt ausgerichtete Rehabilitationsstrategie (Egner et al., 2011; Schwarze et al., 2014). Der Arbeits- und Berufsbezug sollte dabei den gesamten Rehabilitationsprozess prägen (Bethge, 2010). Die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover (DRV BS-H) hat die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) sowie ein anschließendes Fallmanagement (FM) eingeführt. Diese Strategie wird als Erwerbsbezug definiert. Ziel der Studie ist es zu klären, wie weit die Umsetzung der MBOR in den Rehabilitationskliniken bereits erfolgt ist und inwieweit die Umsetzung der neuen Strategie zu einer bedarfsorientierteren Versorgung geführt hat bzw. welchen Einfluss Subparameter dabei haben? Methodik Es wurden Versichertendaten berücksichtigt und die Umsetzung der MBOR anhand von therapeutischen Leistungen (KTL) bestimmt. Die Kategorisierung resultierte auf Grundlage des MBOR-Anforderungsprofil (Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), 2012) und einer Abstimmung mit Vertreter/-innen der DRV BS-H. Die Definition der besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) erfolgte nach Müller-Fahrnow und Radoschewski (2009). Es wurde ein abgestufter „Index des Erwerbsstatus“ (IDE) anhand versicherungspflichtiger Zeiten neu entwickelt, der Ausprägungen zwischen 0 und 1 aufweist. Die Analysen wurden zunächst deskriptiv stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Indikation durchgeführt. Die Berechnung der Risikoschätzer (OR) erfolgte anhand einer logistischen Regression mit SAS® 9.3. Ergebnisse Die Stichprobe umfasste 5.883 Versicherte (46 % Frauen) (2008: 3.149 Datensätze; 2012: 2.734). Eine randomisierte Ziehung war für die Indikationen Orthopädie und Psychosomatik möglich. Bei den anderen Diagnosegruppen handelt es sich um eine Vollerhebung. Die Jahrgänge 2008 und 2012 unterscheiden sich weder nach Alter (p-Wert >0,10) noch nach Geschlecht (p-Wert >0,23). In beiden Stichproben weisen über die Hälfte der Rehabilitand/ 40 -innen eine BBPL auf (2008 = 54,5 % und 2012 = 52,3 %). Im Jahr 2008 nahmen ca. 15 % der Versicherten mit BBPL auch MBOR-Maßnahmen in Anspruch. Im Jahr 2012 sind es etwa 77 %. Nahezu 35 % erhielten im Jahr 2008 MBOR-Maßnahmen ohne dass eine BBPL vorliegt. Im Jahr 2012 steigt dieser Anteil auf ca. 40 % an. Im Jahr 2012 wurde bei etwa 20 % der untersuchten Rehabilitand/-innen ein Fallmanagement eingeleitet. Die Durchführung einer MBOR senkt das Risiko eines verringerten Index des Erwerbsstatus (OR=0,81 KI-95 %: 0,71–0,93) (siehe auch Abb. 1). Das Vorliegen einer BBPL (OR=5,06 KI95 %: 4,50–5,70) wirkt sich prognostisch negativ auf den Erwerbsstatus aus. Die Durchführung des Fallmanagements zeigt in dieser Stichprobe keinen positiven Effekt (OR=2,29 KI95 %: 1,84–2,87). 1,00 0,95 0,90 0,85 0,80 0,75 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Median Index 1,00 0,88 0,86 1,00 0,91 0,96 Abb. 1: Verlauf der medianen Indizes bezogen auf beide Untersuchungszeiträume 2007 bis 2009 und 2011 bis 2013 Schlussfolgerungen Die Strategie des Erwerbsbezugs wurde erfolgreich in den Kliniken der DRV BraunschweigHannover eingeführt. MBOR-Leistungen werden 2012 im Vergleich zu 2008 verstärkt umgesetzt. Eine Überprüfung hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung wird empfohlen. Das FM befindet sich derzeit in der Implementierungsphase, sodass die Ergebnisse weiter untersucht werden sollten. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover Literatur Bethge, M. (2011): Erfolgsfaktoren medizinisch-beruflich orientierter orthopädischer Rehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 145-151. 41 Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Stand August 2012. Berlin. Egner, U., Schliehe, F., Streibelt, M. (2011): MBOR. Ein Prozessmodell in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 143-144. Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (2009): Grundlagen. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 1-14. Schwarze, M., Ehlebracht-König, I., Kobelt, A., Rodewald, J., Gutenbrunner, C., Miede, J. (2014): Strategisches Konzept für ein berufliches Reintegrationsmanagement der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. Gemeinsames Papier der Medizinischen Hochschule Hannover und der Deutschen Rentenversicherung BraunschweigHannover, Hannover, Nord Ost West Informationstechnik, KC Produktion trägereigener Druck. Realisierung beruflich orientierter Leistungen in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen Mitteldeutschlands Golla, A. (1), Saal, S. (2), Mau, W. (1) (1) Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (2) Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Hintergrund Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) strebt die indikationsübergreifende und flächendeckende Einführung beruflich orientierter Leistungen in die medizinische Rehabilitation an (DRV Bund, 2014). Zur Ausprägung der beruflichen Orientierung in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen gibt es bisher nur wenige Studien (Radoschewski et al., 2006; Gerlich et al., 2008; Streibelt, Brünger, 2014). Ziel der DRV Mitteldeutschland (MD) geförderten Studie „Bestandsaufnahme, Systematisierung und Perspektiven der arbeitsplatzbezogenen Leistungen und der Medizinisch-Beruflich Orientierten Rehabilitation (MBOR) in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen Mitteldeutschlands“ (Förderzeitraum: 02/2013 bis 03/2014) war es, aktuell vorgehaltene beruflich orientierte Leistungen in den DRV MD belegten Einrichtungen zu erfassen und den MBOR-Umsetzungsgrad zu beschreiben. Ergänzend wurden förderliche und hemmende Faktoren der MBOR-Implementierung aus Sicht der Rehabilitationsmediziner identifiziert. Methodik Im September 2013 erfolgte dazu eine anonymisierte standardisierte schriftliche Befragung von ärztlichen Leitern (n=137) aus DRV MD belegten medizinischen Rehabilitationseinrichtungen (n=82) in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Angeschrieben wurde jeweils der Chef- bzw. leitende Oberarzt in den Abteilungen Orthopädie (n=66), Kardiologie (n=22), Onkologie (n=16), Psychosomatik (n=19) und Neurologie (n=14). Der eingesetzte 6-seitige Fragebogen orientierte sich inhaltlich an den Kernpunkten des MBOR-Anforderungsprofils. 42 In der Auswertung der Daten wurden die beruflich orientierten Leistungen in Anlehnung an das MBOR-Stufenmodell (DRV Bund, 2012) kriteriengestützt in die MBOR-Stufen A (2 Kriterien), B (7 Kriterien) und C (8 Kriterien) klassifiziert. Begleitend erfolgten leitfadengestützte telefonische Experteninterviews mit verantwortlichen Ärzten aus DRV MD federführend belegten Einrichtungen (n=14). Ergebnisse Die Rücklaufquote der schriftlichen Befragung betrug 61 % (n=84; orthopädische Abteilungen 73 %, übrige Abteilungen: 47–56 %). Die durchschnittliche Abteilungsgröße lag bei 98 ± 57 Betten/Plätzen (Range: 20–280). 93 % der Abteilungen (n=78) gaben Leistungen an, die den formellen Kriterien des MBOR-Basisangebot entsprachen. Angebote im Sinne des MBOR-Kernangebots (Stufe B) wurden bei 42 % (n=36) vollständig vorgehalten und bei 30 % (n=25) waren die Voraussetzungen für spezifische MBOR-Angebote (Stufe C) gegeben. Am häufigsten erfüllten psychosomatische Abteilungen (67 %) die Kriterien der Stufe B, gefolgt von onkologischen (44 %), orthopädischen (42 %), kardiologischen (36 %) und neurologischen Abteilungen (29 %). Zur vollständigen Erfüllung der Stufe-B-Kriterien fehlten am häufigsten berufsbezogene Gruppenangebote und/oder mindestens ein externer Kooperationspartner (z. B. Betriebsarzt, Reha-Fachberatung oder Berufsförderungswerk). Als Ursachen berichteten hierzu Klinikleiter in den Experteninterviews, dass eine Implementierung von Gruppenangebote durch die geringe Anzahl an geeigneten Rehabilitanden sowie die Heterogenität der beruflichen Problemlagen erschwert wird. Als Barrieren externer Kooperationen beschrieben die Interviewten häufig eine fehlende Motivation aufseiten der externen Kooperationspartner (z. B. Arbeitgeber) sowie einen eingeschränkten Zugang (z. B. Verfügbarkeit/Zuständigkeitsbereiche der Reha-Fachberatung). Insgesamt bewerteten 17 % der Fachabteilungen ihr vorgehaltenes beruflich orientiertes Leistungsangebot als ausreichend, 42 % befanden sich bereits aktiv in der Planung weiterer berufsbezogener Leistungen und 41 % sahen eine weitere Planung in Abhängigkeit einer Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen. Diskussion und Ausblick Zusammenfassend legen die Ergebnisse nahe, dass erwerbsbezogene Belange der Rehabilitanden einen festen Bestandteil in den regionalen Einrichtungskonzepten darstellen und die Basis für eine flächendeckende MBOR-Versorgung gegeben ist. In den Fachabteilungen fehlt es häufig nur an einzelnen Maßnahmen bzw. Elementen zur Erbringung der formellen MBOR-Anforderungen (Stufe B). Die Unterschiede im Umsetzungsgrad zwischen den Indikationsbereichen sind vermutlich auch in variierenden indikationsspezifischen Bedarfen an beruflichen Leistungen begründet, wie auch die Experteninterviews vermuten lassen. Ein MBOR-Konzept für alle Indikationsbereiche braucht demzufolge eine höhere Flexibilität, um den indikationsspezifischen Voraussetzungen und Bedarfen gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund zu erwartender hoher BBPL-Anteile in der Region ist eine Ergänzung von Ressourcen entsprechend dem tatsächlichen Mehraufwand zu diskutieren, um eine hohe Qualität der MBOR in Mitteldeutschland zu gewährleisten. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland 43 Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. 3. Aufl. Berlin: DRV Bund. Deutsche Rentenversicherung Bund (2014): Aktionsprogramm der Deutschen Rentenversicherung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Vielfalt durch Rehabilitation. Berlin: DRV Bund. Gerlich, C., Neuderth, S., Vogel, H. (2008): Systematische Sammlung und wissenschaftliche Bewertung von Interventionsbausteinen zur gezielten Bearbeitung beruflicher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation. Abschlussbericht. Würzburg: Universität Würzburg. Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W., Thode, N., Temser, I. (2006): PORTAL – Partizipations-Orientierte Rehabilitation zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ergebnisse einer bundesweiten Versorgungssystemanalyse für den von der Gesetzlichen Rentenversicherung verantworteten Bereich der medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Abschlussbericht. Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin. Streibelt, M., Brünger, M. (2014): Wie viele arbeitsbezogene Leistungen bekommen Patienten mit besonderen beruflichen Problemlagen? Analyse einer repräsentativen indikationsübergreifenden Stichprobe von Rehabilitanden. Die Rehabilitation. Published ahead of print; DOI: 10.1055/s-0034-1375643. FieZ-Studie der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz: Gelingt die Förderung einer grundlegenden erwerbsbezogenen Orientierung in Rehabilitationskliniken? Bürger, W. (1), Nübling, R. (2), Kriz, D. (2), Kretschmer, P. (3), Masius, U. (4), Zucker, A. (4), Rudolph, F.M. (5), Stirn, A.V. (6), Siefken-Kaletka, H. (7), Stapel, M. (7), Weisenburger, R. (7) (1) fbg – Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, Karlsruhe, (2) GfQG – Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, Karlsruhe, (3) Edith-Stein-Fachklinik, Bad Bergzabern, (4) Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am Stein, (5) Mittelrhein-Klinik, Bad Salzig, (6) St. Franziska-Stift, Bad Kreuznach, (7) Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Speyer Hintergrund Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz fördert mit dem FieZ-Projekt (Förderung individueller erwerbsbezogener Zielorientierung) die Entwicklung eines innovativen Interventionsansatzes, der als berufsbezogenes Kernangebot für Rehabilitationskliniken indikationsübergreifend darauf abzielt, in den Kliniken eine grundlegende erwerbsbezogene Orientierung zu fördern (vgl. Bürger et al., 2012). Eine möglichst frühzeitige Orientierung an konkreten erwerbsbezogenen Zielen (vgl. auch Gerlich et al., 2009; Hanna, 2009) soll eine kognitive und motivationale Fokussierung sowohl des Rehabilitanden als auch des Rehabilitationsteams auf die erwerbsbezogene Zielsetzung unterstützen. FieZ ist im Stufenmodell 44 der MBOR am ehesten der Stufe A zuzuordnen (vgl. Streibelt, Buschmann-Steinhage, 2011; Egner et al., 2011), geht konzeptuell aber weit über die übliche Entwicklung von Einzelinterventionen mit beruflichem Schwerpunkt hinaus. Das FieZ-Konzept wurde in der Umsetzung in 4 Modellkliniken erprobt. Die Erfahrungen bei der Umsetzung in die Routineversorgung waren auch maßgeblich für die Weiterentwicklung des Ansatzes. Um Effekte der Einführung von FieZ zu überprüfen, wurde in den 4 beteiligten Modellkliniken vor und nach der Implementierung eine Mitarbeiter- und Klinikleiterbefragung durchgeführt, um aus dieser Perspektive Hinweise auf den Grad der Umsetzung der erwerbsbezogenen Orientierung der Klinik zu erhalten. Im vorliegenden Beitrag werden abschließende Ergebnisse zur Frage vorgestellt, ob es im Rahmen des FieZ-Projektes gelungen ist, eine stärkere erwerbsbezogene Fokussierung der Rehabilitation zu etablieren. Methodik Mitte 2013 fand eine erste Mitarbeiterbefragung im Rahmen des Projektes statt, an der sich 143 Mitarbeiter aus dem ärztlichen, psychologischen, dem pflegerischen und sozialtherapeutischen sowie anderen therapeutisch tätigen Funktionsbereichen beteiligten. In einer zweiten Befragung 1 Jahr danach konnten 127 Mitarbeiter erreicht werden. Die Beteiligungsquote an den Befragungen lag in den Kliniken zwischen 30–65 %. In den beiden standardisierten Befragungen wurden Mitarbeiter zur berufsbezogenen Ausrichtung der Klinik und ihrer Tätigkeit befragt, mittels direkter und indirekter Veränderungsmessung wurden Veränderungen der berufsbezogenen Orientierung und der Arbeitszufriedenheit im Verlauf des Projektes erfasst. Ergänzend wurde zeitgleich mit der zweiten Mitarbeiterbefragung eine Klinikleiterbefragung durchgeführt, in der der Stand der Umsetzung der im Rahmen des Projektes entwickelten Interventionsbausteine erfasst wurde. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen in allen Modellkliniken Hinweise auf eine signifikante gesteigerte berufsbezogene Orientierung. Mitarbeitereinschätzungen und Klinikleiterbefragungen zum Ausmaß der Umsetzung der erwerbsbezogenen Orientierung korrespondieren dabei weitgehend. Laut Mitarbeiter- und Klinikleiterbefragung werden im Verlauf der Implementierung des Konzeptes nicht alle FieZ-Einzelinterventionen in gleichem Umfang realisiert. Fallkonferenzen mit erwerbsbezogenem und sozialmedizinischem Fokus werden von 96 % der Mitarbeiter und allen Klinikleitern als regelhaft implementiert bewertet, während beispielsweise die Diskussion und Formulierung eines FieZ-orientierten Klinikleitbildes deutlich seltener (65 %) als umgesetzt beschrieben wird. Auch der Vorschlag im FieZ-Konzept, in den E-Berichten Aussagen zu konkreten Wiedereingliederungsbarrieren und den therapeutischem Erfolg zum Abbau dieser Barrieren aufzunehmen, wurde kaum aufgegriffen. Die Kliniken unterscheiden sich im Ausmaß der Umsetzung des FieZ-Ansatzes und den in den Mitarbeitereinschätzungen deutlich gewordenen Veränderungen vom Zeitraum vor Implementierung von FieZ 2013 zum zweiten Befragungszeitpunkt 1 Jahr danach. 45 Abb.1: Mitarbeiterangaben zur Vermittlung der erwerbsbezogenen Schwerpunktsetzung der Behandlung – Mittelwerte im Vergleich Prä-Post und Effektstärken nach Klinik Während der Einführung von FieZ verändert sich die Mitarbeiterzufriedenheit in allen beteiligten Modellkliniken leicht positiv; die in den Mitarbeitereinschätzungen beobachtbaren Veränderungen sind von kleiner bis mittlerer Effektstärke. Die Klinik mit der deutlichsten Veränderung der erwerbsbezogenen Ausrichtung weist dabei den deutlichsten Zufriedenheitszuwachs auf. Über die Hälfte aller befragten Mitarbeiter geben an, in den letzten 12 Monaten mit Einführung des FieZ-Konzeptes deutlich mehr über das erwerbsbezogene Rehabilitationsverständnis diskutiert zu haben, in den entsprechend relevanten Berufsgruppen der Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter liegt die entsprechende Quote deutlich darüber. Diskussion und Schlussfolgerung Die Mitarbeiter- und Klinikleiterbefragungen deuten darauf hin, dass es im Rahmen der Implementierung von FieZ gelungen ist, in allen beteiligten Modellkliniken einen deutlich stärkeren Fokus auf die Erwerbsorientierung der Rehabilitation zu etablieren. Im Zuge der Dis46 kussionen und Veränderungen ist die Mitarbeiterzufriedenheit tendenziell eher gestiegen. Auch die begleitenden Gruppendiskussionen und Rückmeldungen von Mitarbeitern deuten auf fruchtbare Entwicklungsprozesse hin. Die Implementierung des FieZ-Ansatzes in einer Klinik erfordert anspruchsvolle Konzeptdiskussionen sowie Prozess- und Verhaltensänderungen bei den Beteiligten, kann sich aber im Sinne der Arbeit an einem zielbezogenen Optimierungsprozess offenbar förderlich auf das Entwicklungs- und Veränderungsklima in einer Rehabilitationseinrichtung auswirken. Eine umfassende Evaluierung der patientenseitig erlebten Veränderungen und der Rehabilitationsergebnisse im Zuge der Einführung von FieZ steht noch aus und sollte unter Beteiligung einer größeren Zahl von Kliniken erfolgen. Die vorliegende Studie zeigt zunächst, dass eine Implementierung des FieZ-Ansatzes in Kliniken auch unter Alltags- und Routinebedingungen gelingen kann. Literatur Bürger, W., Nübling, R., Kriz, D. (2012): Machbarkeitsstudie: Entwicklung und erste Erprobung eines innovativen Konzeptes zur Förderung von individuellen, erwerbsbezogenen Zielorientierungen in der Medizinischen Rehabilitation. FieZ-Studie. Unveröffentlichter Abschlussbericht. Karlsruhe. Egner, U., Schliehe, F., Streibelt, M. (2011): MBOR – Ein Prozessmodell in der Medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 143-144. Gerlich, C., Neuderth, S., Botterbusch, I. (2009): Einfluss von Shared-Decision-Making (SDM) auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen in der medizinischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 64-65. Hanna, R., Fiedler, R.G., Dietrich, H., Greitemann, B., Heuft, G. (2009): Zielanalyse und Zieloperationalisierung (ZAZO): Evaluation eines Gruppentrainings zur Förderung beruflicher Motivation. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 59. 1-10. Streibelt, M., Buschmann-Steinhage, R. (2011): Ein Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus der Perspektive der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 50. 160-167. Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation in der Orthopädie – Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung Lindow, B., Grünbeck, P. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund und Fragestellung Mit dem Konzept „Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation“ (MBOR) hat die Deutsche Rentenversicherung ein spezifisch auf Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen abgestelltes Rehabilitationsangebot entwickelt (Manteuffel, 2013). Das Konzept sieht sowohl eine frühzeitige und trennscharfe Identifizierung der Zielgruppe als auch ein intensives, an der individuellen Problemlage orientiertes Behandlungsprogramm vor (Streibelt, Buschmann-Steinhage, 2011): Therapieinhalte und -mengen sind in einem Anforderungspro- 47 fil beschrieben (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2012). Die Reha-Qualitätssicherung konnte bisher die Zielgruppe unter allen Rehabilitanden nicht eindeutig abgrenzen. Mit der Schaffung spezifischer Fachabteilungen unter dem Fachabteilungsschlüssel 2397 konnten für das Jahr 2012 erste Auswertungen vorgenommen werden. Es wird sowohl die Frage einer zielgenauen Rehabilitandenzuweisung als auch einer am spezifischen Konzept ausgerichteten Therapie untersucht. Zukünftig wird MBOR durch ein unter „besondere Behandlungsformen“ eingerichtetes Merkmal des RV-einheitlichen ärztlichen Entlassungsberichts erkennbar sein. Methoden Auf der Grundlage von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung, die für Auswertungen zur Rehabilitandenstruktur des Jahres 2012 aufbereitet wurden und umfangreiche soziodemografische und krankheitsbezogene Merkmale enthalten, werden empirische Auswertungen vorgestellt. Retrospektiv ergeben sich so Anhaltspunkte für eine bedarfsgerechte Abteilungsauswahl. Die Ergebnisse aller orthopädischen Rehabilitanden im Antragsverfahren (n=202.245) werden deskriptiv denen von MBOR-Rehabilitanden gegenübergestellt. Auswahlkriterium war die Durchführung der Rehabilitation in einer MBOR-Fachabteilung (n=488). Einrichtungsunterschiede lassen sich durch einen Vergleich von 4 MBOR-Abteilungen mit Fallzahlen zwischen n=35 bis n=163 darstellen. Auf der anderen Seite wird die Umsetzung spezifischer Therapiekonzepte auf der Basis erstmaliger Auswertungen von Daten nach der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) überprüft. Hier können ausgewählte Leistungen, die die besondere Zielstellung in dieser Gruppe unterstützen, interpretiert werden Ergebnisse Das Durchschnittsalter von MBOR-Rehabilitanden liegt mit 48,7 Jahren 2 Jahre unter dem aller orthopädischen Rehabilitanden im Antragsverfahren (50,7 Jahre). Mit 40 % ist der Frauenanteil geringer (Vergleichsgruppe 54 %).Es finden sich in MBOR-Abteilungen mehr „Eiltfälle“ (28 % vs. 19 %). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden in den MBORAbteilungen wesentlich häufiger vorgeschlagen (28 %, 15 % in der Vergleichsgruppe). Der Anteil der Rehabilitanden, der nach der Rehabilitation einen entsprechenden Antrag stellt, unterscheidet sich nicht so deutlich (17 %) von dem in der Vergleichsgruppe (14 %). Berufe mit körperlichen Belastungen sind in MBOR-Abteilungen häufiger vertreten. So beträgt der Anteil der Angestellten 31 % und liegt in der Vergleichsgruppe bei 49 %. Der mit 29 % hohe Anteil an Rehabilitanden mit einer Arbeitsunfähigkeit von sechs und mehr Monaten im Jahr vor der Rehabilitation (16 % in der Vergleichsgruppe) spricht für eine gezielte Zuweisung. Die Unterschiede für Empfehlungen nach der Rehabilitation können als Ausdruck einer größeren Krankheitsschwere interpretiert werden. So wird 25 % der MBOR-Rehabilitanden eine psychologische Behandlung empfohlen, in der Vergleichsgruppe lediglich 12 %. Die sozialmedizinische Beurteilung für ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist mit 98 % bzw. 97 % in beiden Gruppen sehr hoch. Im Bezugsberuf werden dagegen nur 67 % der MBOR-Gruppe vollschichtig beurteilt, in der Vergleichsgruppe dagegen 81 %. Auf der Ebene der ausgewählten Einrichtungen variieren die Merkmale 48 erheblich: Das Durchschnittsalter z. B. zwischen 47,3 und 53,2 Jahren, der Anteil der Langzeitarbeitsunfähigen zwischen 17 % und 25 %. Für den Vergleich der therapeutischen Versorgung konnten Auswertungen von 454 MBORRehabilitanden 201.738 orthopädischen Rehabilitanden gegenübergestellt werden. Nennenswerte Unterschiede zeigen sich bei den ergotherapeutischen Leistungen und denen des Sozialdienstes (Streibelt, Brünger, 2014). Hier findet sich in MBOR-Abteilungen ein deutlich höherer Anteil von Rehabilitanden, die Leistungen erhalten (Ergo: 93 %, 59 %, Soz: 98 %, 75 %). Die Leistungsdauer pro Woche ist deutlich höher. Für Leistungen des Sozialdienstes werden im Durchschnitt 1,4 Therapiestunden pro Woche verschlüsselt, in der Vergleichsgruppe sind es 0,4. Schulungen werden ebenfalls intensiver durchgeführt (4,2 h vs. 3,4 h), wogegen physiotherapeutische Leistungen geringer ausfallen. Diskussion Erste Ergebnisse lassen Unterschiede zwischen orthopädischen Rehabilitanden und solchen in MBOR-Abteilungen sowohl bezüglich der Rehabilitandenmerkmale als auch der therapeutischen Versorgung erkennen. Soziodemografische Merkmale von Rehabilitanden weisen auf eine gezielte Abteilungsauswahl hin. Die KTL-Analysen zeigen deutliche Therapieschwerpunkte bei MBOR-Rehabilitanden und anderen orthopädischen. Eine berufsorientierte therapeutische Ausrichtung kann anhand detaillierter Auswertungen nachvollzogen werden. Für das Entlassungsjahr 2013 sind wesentlich höhere Fallzahlen zu erwarten. Die Ergebnisse hierzu werden Ende 2014 vorliegen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Ergebnisse auf der aktualisierten Grundlage bestätigen. Einrichtungsunterschiede werfen die Frage nach standortspezifischen Konzepten auf. Auch der mögliche Einfluss der Abteilungsgröße oder Fallzahl auf die Leistungsgestaltung läßt sich darstellen. Die Übertragbarkeit auf andere Indikationen ist ebenfalls eine aktuelle Frage. Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/20702 4/ publicationFile/50641/mbor_datei.pdf. Manteuffel, L. v. (2013): Medizinische Rehabilitation: Arbeitswelt wird zum Kernthema. Dtsch Arztebl, 110 (46). A2196/B-1931/C-1876. Streibelt, M., Brünger, M. (2014): Wie viele arbeitsbezogene Leistungen bekommen Patienten mit besonderen beruflichen Problemlagen? Analyse einer repräsentativen indikationsübergreifenden Stichprobe von Rehabilitanden. DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-00341375643. Streibelt, M., Buschmann-Steinhage, R. (2011): Ein Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus der Perspektive der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 50. 160-167. 49 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II Evaluation von MBOR in der stationären psychosomatischen Rehabilitation Mestel, R., Zimmerhackl, F. HELIOS Klinik Bad Grönenbach Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation ist eine zentrale Anforderung auch an psychosomatische Rehabilitationskliniken. Gefordert wird die Einführung eines MBOR-Screenings und die Begleit-Evaluation von MBOR-Maßnahmen. Fragestellungen 1. Wie viel Bedarf besteht für berufsbezogene Angebote, für Diagnostik und Motivation bezogen auf berufsbezogene Themen und „Prophylaxe“? 2. Wie stark verändert sich die subjektiv eingeschätzte Arbeitsfähigkeit im Vergleich von Beginn zum Ende der Behandlung hin für verschiedene Untergruppen berufsbezogener Probleme? Methodik 552 Reha-Patienten einer psychosomatischen Klinik wurden 2014 zu den Fragestellungen untersucht. 63,8 % waren Frauen, die DRV-Bund war bei 60,6 % Kostenträger, DRV-Land zu 15,9 %. 69,3 % wurden in einer allgemeinen Reha-Station behandelt, die übrigen in einer Station für strukturelle Störungen (z. B. Borderline-Persönlichkeitstörung). 51 % hatten als Hauptdiagnose eine affektive Störung, 11 % eine „neurotische Störung“ (F4 im ICD-10) und 16 % eine Persönlichkeitstörung. Die Patienten waren im Mittel 44,2 Jahre alt (SD: 12,3). Die berufliche Situation war nach SIBAR (Item 11; Bürger & Deck, 2009) für 49,2 % stark belastend, für 15,2 % etwas belastend, für 25 % teils/teils, für 7,9 % eher erfüllend und für 2,8 % sehr erfüllend. Für 38,2 % wären berufliche Therapieangebote sehr hilfreich (Item 12 des SIBAR), für 33,7 % etwas und für 28,1 % nicht hilfreich. Der SIBAR-Rohsummenwert lag bei 6,4 (SD: 3,9), der WAI-Kurzform bei 23,9 (SD: 8,5). Das Therapiekonzept der Klinik ist integrativ, wobei das Rahmenmodell psychodynamischhumanistisch zu beschreiben ist. Ergänzend werden bei depressiven Patienten „Emotionale Kompetenz“-Gruppen (nach dem Konzept von Claude Steiner) und eine „Kognitive Depressions“-Gruppe (nach Hautzinger) und umfassende körperliche Aktivierungsmaßnahmen angeboten. Die Behandlungsdauer betrug im Mittel 44,2 Tage (SD: 21,1). Im Mittel über alle Patienten erhielten sie 7,45 Stunden (SD: 7,2) berufsbezogene Angebote nach den KTLVorgaben der DRV. Patienten, für die berufsbezogene Angebote nach dem ScreeningAlgorithmus von SIBAR (Bürger & Deck) indiziert waren, erhielten 9,8 Stunden entsprechende Angebote. Verwendet wurde neben einer üblichen Basisdokumentation der SIBAR (Bürger, Deck, 2009) und zur Erfassung der Arbeitsfähigkeit der Work Ability Index (WAI, Netzwerk, 2013), 50 welcher auch anhand einzelner WAI-Items eine Evaluation der berufsbezogenen stationären Angebote zulässt. Emotionale Erschöpfung, das Kernkonstrukt von „Burnout“ wurde mit dem Maslach Burnout-Inventory (MBI; Enzmann, Kleiber, 1989) erfragt. Allen Patienten wurden ausgewählte Open-Source-Skalen des HEALTH-49 (Rabung et al., 2009; Selbstwirksamkeit, Wohlbefinden, Aktivität und Partizipation) vorgelegt. Ergebnisse Nach den SIBAR-Algorithmen bestand für 50,6 % der Patienten kein Bedarf an beruflichen Angeboten, für 15 % klarer Bedarf, da sowohl der SIBAR-Index auffällig war als auch der Beruf belastend erlebt und ein Hilfsangebot gewünscht wurde. Bei 23,4 % war „Diagnostik und Motivation“ bzgl. der Berufssituation angezeigt und bei 11 % wäre „Prophylaxe“ nach dem SIBAR nützlich. Alle Ergebnisskalen verbesserten sich von prä zu post hochsignifikant (p<.0001). Die zentrale Outcome-Skala, die änderungssensitiven Items des WAI-K (Nr. 1, 2, 6, 7), veränderten sich von prä zu post mit mittlerer Effektstärke für die Gesamtgruppe (d= .54) in erwünschte Richtung. Für „emotionale Erschöpfung“ des MBI wurde eine Effektstärke von d=.92 gefunden, für die HEALTH-49-Skalen „Wohlbefinden“ (d=1,2), „Partizipation/Teilhabe“ (d=.9) und „Selbstwirksamkeit“ (d=,75). Für die SIBAR-Gruppe „Berufsangebote sind nützlich“ ergab sich ein großer Effekt auf dem WAI von d=1,09 und vergleichbare Effektstärken auf den übrigen Skalen wie für die Gesamtgruppe. Jedoch konnte kein Zusammenhang zwischen der „Dosis“ der berufsbezogenen Angebote nach der DRV-Kategorisierung und dem prä-post-Differenzwert des WAI gefunden werden (r=.016; n.s.). Diskussion Die Befunde zeigen, dass verschiedene beruflich belastete Untergruppen alle von stationärer psychosomatischer Rehabilitation in aussagekräftigen Bereichen profitieren, man allerdings kaum Kausalschlüsse von der Menge und Häufigkeit berufsbezogener Angebote auf den berufsbezogenen Therapieerfolg ziehen kann. Literatur Bürger, W., Deck, R. (2009): SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48. 211-221. Enzmann, D., Kleiber, D. (1989): Helfer-Leiden. Stress und Burnout in helfenden Berufen. Heidelberg: Asanger. Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U., Wittchen, H.-U., Schulz, H. (2009): Psychometrische Überprüfung einer verkürzten Version der „Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis“ (HEALTH-49). Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55: 162-179. WAI-Netzwerk (2013): http://www.arbeitsfaehigkeit.uni-wuppertal.de/index.php?der-wai Zugriff: 27.10.14. 51 Stationäre Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) – ein Bericht aus der Praxis Peters, A., Fischer, Th. AHG Klinik Schweriner See, Lübstorf Hintergrund und Stand der Literatur In der stationären Entwöhnungsbehandlung steht mit dem Ziel der langfristigen Abstinenzsicherung und dem Erhalt der psychischen Stabilität nicht zuletzt die Re-Integration in das Erwerbsleben im Fokus. Der Ausbau der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) durch die Deutsche Rentenversicherung ist Ausdruck dieser Erkenntnis, welche sich im Bereich der Abhängigkeitserkrankung in der Entwicklung Evidenzbasierter Therapiemodule (ETM) zeigte. In der stationären Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen findet sich eine Vielzahl von Patienten mit gesundheitsbedingten besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) (Egner et al., 2014), was den Bedarf berufsbezogener Maßnahmen unterstreicht. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Möglichkeiten und Ergebnisse der Behandlung von Patienten mit BBPL darzustellen. Methodik Die Stichprobe umfasst alle zwischen dem 01.01.2013 und 30.06.2014 entlassenen Patienten der Abteilungen für Abhängigkeitserkrankungen der AHG Klinik Schweriner See (n=930). Die Kriterien für BBPL (Streibelt, 2010) waren (a) Arbeitsunfähigkeit von über 3 Monaten oder (b) Arbeitslosigkeit oder (c) Leistungsfähigkeit in der letzten beruflichen Tätigkeit von unter 6 Stunden. Mit Selbstbeurteilungsverfahren wurden die psychische Belastung (SCL-K-9; Klaghofer, Brähler, 2001) sowie die Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM; Schaarschmidt, Fischer, 2008) erhoben. Darüber hinaus werden ausgewählte Patientenmerkmale, der Leistungserhalt anhand der KTL sowie ausgewählte Befunde der Katamnese benannt. Patienten mit BBPL wurden Patienten ohne die genannten Merkmale gegenübergestellt. Ergebnisse Patienten mit BBPL sind in der AHG Klinik Schweriner See erwartungsgemäß sehr häufig (n=699; 75,2 %). In Bezug auf die Hauptdiagnose finden sich keine Häufigkeitsunterschiede, BBPL-Patienten sind jedoch durch eine höhere psychische Komorbidität gekennzeichnet (Anteil Nebendiagnosen aus Kap. F der ICD-10: nBBPL=454; 64,9 % vs. nnon-BBPL=113; 48,9 %). Patienten mit BBPL erleben sich bei Behandlungsbeginn entsprechend signifikant stärker psychisch belastet (SCL-prä: GSI T-Wert MBBPL=60; SDBBPL=14 vs. Mnon-BBPL=55; SDnon-BBPL=14), können im Behandlungsverlauf jedoch eine ebenso große Reduktion psychischer Belastung erzielen (SCL-post: GSI T-Wert MBBPL=56; SDBBPL=15 vs. MnonBBPL=51; SDnon-BBPL=15). Im AVEM zeigt sich, dass Patienten mit BBPL durch eine signifikant geringere Ausprägung in folgenden Bereichen gekennzeichnet sind: Subjektive Bedeutsamkeit von Arbeit, Resignationstendenz bei Misserfolg, Offensive Problembewältigung, Ausgeglichenheit, Erfolgserleben im Beruf und Lebenszufriedenheit. Bei Behandlungsende findet sich eine Leistungsfähigkeit von unter 6 Stunden für die letzte berufliche Tätigkeit bei 28,9 % der BBPL-Patienten (ohne BBPL: 7,3 %), auf den allgemeinen Arbeits- 52 markt bezogen sind es 10,6 % (ohne BBPL: 1,5 %). Schließlich erhalten BBPL-Patienten nahezu doppelt so viele arbeitsbezogene Leistungen in Form soziotherapeutischer Gespräche, Bewerbertraining und Arbeitstherapie (erbrachte Leistungen in Stunden pro Reha: MBBPL=21,9; SDBBPL=31 vs. Mnon-BBPL=12,5; SDnon-BBPL=24,3). Ein Jahr nach Behandlung geben 44,6 % der bei BBPL-Patienten eine Verbesserung ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit an (ohne BBPL: 54,8 %). Die Kriterien für BBPL sind zum Katamnesezeitpunkt bei nur noch 49,4 % der bis dato nachbefragten Patienten erfüllt. Diskussion und Schlussfolgerungen Die Tatsache, dass der Anteil der Patienten mit BBPL in der stationären Entwöhnungsbehandlung sehr hoch ist, stellt eine Herausforderung für die Praxis dar. Wie die hohe psychische Belastung und die ungünstigen arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern zeigen, scheint für eine gelungene berufliche Re-Integration eine Etablierung gesundheitsfördernder Arbeitsmuster notwendig zu sein. Denn es zeigt sich, dass Patienten mit BBPL das Arbeitsleben als für sich weniger bedeutsam, möglicherweise frustrierend erleben und sich in ihrer Lebenszufriedenheit eingeschränkt sehen. Eine gelungene berufliche Re-Integration scheint nur durch einen multi-modalen Behandlungsansatz aus psychotherapeutischen, sozialtherapeutischen und arbeitsplatzbezogenen Leistungen nachhaltig realisierbar. Die Verbesserung von Leistungsfähigkeit und die deutliche Verringerung des Anteils an BBPL-Patienten im Jahr nach Behandlung können als erste Schritte einer Rückkehr ins Erwerbsleben durch intensive medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation gewertet werden. Literatur Egner, U., Vorsatz, N., Grünbeck, P. Klosterhuis, H., Streibelt, M. (2014): Die medizinischberuflich orientierte Rehabilitation in der Suchtrehabilitation – Status Quo und Entwicklungsbedarf aus empirischer Perspektive. DRV-Schriften. Bd. 103. 482-484. Klaghofer, R., Brähler, E. (2001): Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzform der SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49/2. 115-124. Schaarschmidt, U., Fischer, A.W. (2008): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM). 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Frankfurt: Pearson. Streibelt, M. (2010): Steuerung besonderer beruflicher Problemlagen als Voraussetzung effektiv durchgeführter medizinischer Rehabilitationsleistungen. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 86/1. 5-14. 53 Konzeption und Evaluation der beruflich orientierten Intervention „Perspektive Job“ für onkologische Rehabilitanden Kähnert, H. (1), Exner, A.-K. (1), Leibbrand, B. (2) (1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abteilung Bad Salzuflen, (2) Salzetalklinik, Bad Salzuflen Hintergrund Die Rehabilitation verfolgt u. a. das Ziel, die berufliche Funktionsfähigkeit wiederherzustellen sowie eine vorzeitige Berentung zu verhindern. Daher sollten Medizinisch-beruflich orientierte Maßnahmen (MBOR) integrale Bestandteile einer Rehabilitation sein. Im Vergleich zur orthopädischen oder kardiologischen Rehabilitation existieren für die onkologische Rehabilitation nur wenige Informationen zu Inhalten, Prozess-/Strukturqualität und Wirksamkeit von MBOR-Maßnahmen (Bethge, 2010; Böttcher et al. 2013; Kittel & Karoff, 2008; Weiß et al. 2014). Aufgrund dieser unzureichenden Datenlage hatte die Studie das Ziel, beruflich orientierte Therapiemaßnahmen (MBOR-Modul „Perspektive Job“) für die onkologische Rehabilitation zu konzipieren sowie diese in die Routineversorgung zu implementieren. Der Entwicklungsprozess und das MBOR-Modul wurden mittels formativer Evaluation überprüft. Methodisches Vorgehen Die Entwicklung des MBOR-Moduls „Perspektive Job“ einschließlich der Prozessabläufe erfolgte im Reha-Team (Ärzte, Therapeuten, Mitarbeiter der Therapiesteuerung) und wurde durch 8 Experten-Sitzungen begleitet, die von den Forschungsmitarbeitern moderiert sowie vor- und nachbereitet wurden. Nach Abschluss der Entwicklungs- und einer Erprobungsphase wurde das MBOR-Modul in die Routineversorgung implementiert. Für die Bewertung des Gesamtprozesses und des MBOR-Moduls wurden mit Klinikmitarbeitern Experteninterviews und mit den Rehabilitanden Gruppeninterviews geführt, deren Auswertungen jeweils über qualitative kategoriegeleitete Textanalysen (Mayring, 2010) erfolgte. Zudem wurde eine Bewertung der beruflich orientierten Angebote aus Sicht der Rehabilitanden mittels Fragebogen zum Ende der Rehabilitation erfasst und zwar sowohl vor (Kontrollgruppe, n=115) als auch nach (Interventionsgruppe, n=130) Einführung von „Perspektive Job“. Befragungsteilnehmer waren jeweils erwerbstätige Rehabilitanden (Brustkrebs, gynäkologische Tumoren, maligne Systemerkrankungen) mit beruflicher Problemlage. Ergebnisse Die Entwicklung von „Perspektive Job“ konnte nach 7 Monaten abgeschlossen werden. Das Modul setzt sich aus berufsgruppenübergreifenden Therapien der Sozialberatung, Psychologie, Ernährungsberatung und Ergotherapie zusammen. Die Ergotherapie bietet zudem MBOR-Kernmaßnahmen für Büroarbeitsplätze und Reinigungskräfte und die Sport-/Physiotherapie arbeitsplatzbezogene Bewegungstherapien an. Die Auswertung der Experteninterviews verdeutlichte, dass trotz anfänglicher Bedenken der Mitarbeiter, die Entwicklung von „Perspektive Job“ im Reha-Team als positiv und zielführend bewertet wurde. Durch die gemeinschaftliche Konzeption konnten Schnittmengen ermittelt, Synergieeffekte genutzt und die abteilungsübergreifende Kommunikation gefördert werden. Die Patienteninterviews nach Einführung des MBOR-Moduls machten deutlich, dass die meisten Therapieangebote 54 als praxisnah eingestuft wurden. Insbesondere wurden die aktive Ansprache berufsbezogener Themen und das Aufzeigen von Wegen für den beruflichen Wiedereinstieg positiv hervorgehoben. Auch fällt die Beurteilung der beruflich orientierten Angebote nach Einführung von „Perspektive Job“ von der Interventionsgruppe (IG) positiver aus als von der Kontrollgruppe (KG). Auffällig ist, dass etwa 60% der KG aber nur 11% der IG angaben, während der Rehabilitation keine beruflich orientierten Therapien erhalten zu haben (Chi2=55,3, p<0,001). Die Organisation der beruflich orientierten Therapien wurde von 84% der IG und von 37% der KG mit „gut“ bis „sehr gut“ bewertet (Chi2=62,3, p<0,001). Zudem stellten 69% der IG gegenüber 38% der KG heraus, dass die eigenen Wünsche bei der weiterführenden beruflichen Planung mit berücksichtigt wurden (Chi2=30,1, p<0,001). Immerhin würden 62% der IG gegenüber 26% der KG diese Therapien weiterempfehlen (Chi2=57,8, p<0,001). Abschließend zogen 86% der IG aber nur 39% der KG eine positive Gesamtbilanz (Chi2=56,9, p<0,001). Zusammenfassung und Ausblick Die (Re-)Integration onkologischer Patienten in das Erwerbsleben stellt für die Rehabilitation eine besondere Herausforderung dar, denn hierfür ist eine gezielte Verzahnung von medizinischen und beruflich orientierten Maßnahmen notwendig. Dementsprechend wurde das MBOR-Modul „Perspektive Job“ bedarfsorientiert mit dem Reha-Team entwickelt. Die interdisziplinäre Konzeption von „Perspektive Job“ stieß bei allen Beteiligten auf große Zustimmung und konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Nach Einführung des Moduls wurden die MBOR-Therapien verstärkt von den Rehabilitanden als beruflich orientierte Angebote wahrgenommen und positiv bewertet. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der interdisziplinären Teamarbeit bei der Erarbeitung neuer Konzepte und Therapiemodule für die stationäre Rehabilitation. Im Rahmen einer Pilotstudie mit sequentiellem Interventions-/Kontrollgruppen-Design werden zurzeit Daten zur Wirksamkeit von „Perspektive Job“ erhoben, um Aussagen zur nachhaltigen Verbesserung berufsbezogener Outcomes treffen zu können. Förderung: Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney Literatur Bethge, M. (2010): Patientenorientierung und Wirksamkeit einer multimodalen medizinischberuflich orientierten orthopädischen Rehabilitation. Pabst Science Publishers, Lengerich. Böttcher, H.M., Steimann, M., Ullrich, M. Rotsch, M., Zurborn, R., Koch, U., Bergelt, C. (2013): Evaluation eines berufsbezogenen Konzepts im Rahmen der stationären onkologischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 52. 329-336. Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorientierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kontrollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47. 14-22. Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Mey, G., Mruck, K. (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. VS. 601-613. Weiß, J., Kuhn, R., Wentrock, S., Matitz, J., Reuss-Borst, M. (2014): Lassen sich junge Tumorpatienten beruflich integrieren? Ergebnisse eines Pilotprojektes zur Medizinisch-beruflichen Rehabilitation (MBOR). Versicherungsmedizin 65/4. 197-201. 55 Hängt der Erfolg arbeitsbezogener Leistungen in der Rehabilitation neurologischer Erkrankungen von der Wiedereingliederungsprognose ab? Eine Re-Analyse von zwei kontrolliert randomisierten Studien Streibelt, M. (1), Menzel-Begemann, A. (2) (1) Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Fachbereich Pflege & Gesundheit, Fachhochschule Münster Einleitung Insbesondere aus der Orthopädie ist bekannt, dass Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsleistungen (MBOR, DRV Bund, 2012) bei Personen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) dann besonders erfolgreich sind, wenn sie strukturiert auf die individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz fokussieren und diese in das Zentrum von Diagnostik und Therapie rücken (Streibelt, Bethge, 2014; Kittel, Karoff, 2008). Die bisherigen methodisch hochwertigen Studien bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen konnten bislang keinen überzeugenden Nachweis für diese These erbringen (Menzel-Begemann, 2012; 2014). Unterschiedliche Hypothesen könnten diesen Befund erklären. Insbesondere ist bislang ungeklärt, wie die Zielgruppe für eine MBOR in der Neurologie aussieht. Bisherige Analysen gehen davon aus, dass die im MBOR-Anforderungsprofil dokumentierten klassischen BBPL-Kriterien nur eingeschränkt gelten (Neuderth et al., 2014). Der vorliegende Beitrag versucht diese Frage zu erhellen. Es wird angenommen, dass Subgruppen mit einer schlechteren Return-to-work(RTW)-Prognose in der Neurologie stärker von einer MBOR-Intervention profitieren. Methoden Aus den beiden bisherigen randomisiert kontrollierten Studien in der Neurologie (BOMeN, BoReM-N) wurde eine gepoolte Stichprobe gebildet, die gemeinsame Daten zu den Erhebungszeitpunkten Beginn der Rehabilitation (t1) und 15 Monate nach Ende (t5) enthält. Als primärer Outcome wurden die Fehlzeiten im Follow-up sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität, gemessen mit der Körperlichen und Psychischen Summenskala des SF-36, definiert. Sekundäre Outcomes wurden über Strategien der Krankheitsbewältigung und arbeitsbezogene Einstellungen (Eigenkonstruktion) abgebildet. Durch ein logistisches Prädiktionsmodell wurde die individuelle Wahrscheinlichkeit (0– 100 %) ermittelt, zu t5 aktiv zu arbeiten. Über eine Interaktion dieses RTW-Prognosescore mit der Gruppenzuordnung erfolgte dann eine differentielle Effektprüfung der MBOR-Interventionen in multiplen linearen Regressionsmodellen. Die metrischen Skalen wurden dazu z-transformiert. Bei signifikanter Interaktion erfolgte im Falle der primären Outcomes eine Effektschätzung der Überlegenheit der MBOR-Behandlung für unterschiedliche RTW-Prognosen, indem der Score an verschiedenen Punkten zentriert wurde. Die Effektschätzer wurden in standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) transformiert, indem der unstandardisierte Regressionskoeffizient an der gepoolten Standardabweichung normiert wurde. Ergebnisse Die Analysestichprobe belief sich auf n=442. 216 Rehabilitanden ließen sich der Interventionsgruppe (IG) zuordnen, 226 der Kontrollgruppe (KG). Durchschnittlich waren die Patien56 ten 48 Jahre alt; 6 von 10 waren männlich. Bei 83 % lag das Krankheitsereignis nicht länger als 6 Monate zurück; 77 % hatten einen Schlaganfall erlitten. Für die Fehlzeiten und die Körperliche Gesundheit konnte keine Überlegenheit der MBOR ermittelt werden. Für die Psychische Gesundheit ergab sich eine signifikante Interaktion (b=−3,12; p=.003). Der signifikante Interaktionsterm zeigt, dass eine um eine Standardabweichung erhöhte RTW-Prognose den Behandlungseffekt, d. h. den Gruppenunterschied, um 3 Punkte reduziert. Bis zu einer RTW-Prognose von 50 % wurde eine signifikante Überlegenheit der MBOR-Interventionen in Bezug auf die Psychische Summenskala nachgewiesen. Die Effektstärken stiegen mit geringer werdender RTW-Prognose der betrachteten Stichprobe an. Sie lagen bei 25 % und niedriger im mittleren bis hohen Bereich (SMD >.50), bis 50 % im kleinen Bereich. Für die Skalen „Krankheitsbewältigung“ und „Arbeit als Ressource“ wurden ebenfalls signifikante Interaktionsterme identifiziert. Analog zur Psychischen Summenskala ergaben sich auch hier bei niedriger RTW-Prognose Diskrepanzen in den Outcomes zugunsten der IG, wobei die Effektstärken bei unter 40 % im mittleren bis hohen Bereich lagen. Diskussion Patienten scheinen in der neurologischen Rehabilitation um so eher von komplexen MBORInterventionen zu profitieren, je kritischer ihre RTW-Prognose ist. Allerdings muss dieser Befund aktuell auf die psychische Gesundheit reduziert werden. Damit werden bisherige Erkenntnisse aus anderen Indikationsbereichen bestätigt, die eine differentielle Wirkung der MBOR nahelegen. Die Verwendung der klassischen BBPL-Kriterien ist auf dieser Basis auch in der Neurologie zu empfehlen. Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Berlin. Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorientierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kontrollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47 (1). 14-22. Menzel-Begemann, A. (2012): Berufliche Orientierung in der medizinischen Neurorehabilitation. Problemstellung – Intervention – Ergebnisse. Weinheim: Beltz Juventa. Menzel-Begemann, A. (2014): Beruflich orientiertes Reha-Modul für die Neurologie (BoReM-N) – Ergebnisse zum Katamnesezeitpunkt 12 Monate nach Reha. DRV-Schriften, Bd. 103. 45-47. Streibelt, M., Bethge, M. (2014): Effects of intensified work-related multidisciplinary rehabilitation on occupational participation: a randomized-controlled trial in patients with chronic musculoskeletal disorders. Int J Rehabil Res., 37 (1). 61-66. Neuderth, S., Lukasczik, M., Schuler, M., Laterveer, H., Weilbach, F., Presl, M., Presl, M., Knörzer, J. (2014): Eignen sich etablierte Kriterien zur Bestimmung einer besonderen beruflichen Problemlage für die Zuweisung neurologischer Rehabilitanden in die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation? DRV-Schriften Bd. 103. 57-59. 57 Die MBO®-Kompakt-Neurowoche: Maßnahmenbewertung, Return to Work und berufliche Leistungsfähigkeit nach 6 bzw. 12 Monaten Neuderth, S. (1), Lukasczik, M. (1), Knörzer, J. (2), Laterveer, H. (2), Weilbach, F. (2), Presl, M. (2), Presl, M. (2), Schuler, M. (1) (1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg, (2) Klinik Bavaria, Bad Kissingen Hintergrund Die MBO® Kompakt-Neurowoche in der Klinik Bavaria in Bad Kissingen zielt darauf ab, neurologischen Rehabilitanden mit Diskrepanzen zwischen beruflichen Anforderungen und aktueller Leistungsfähigkeit die Rückkehr in den Beruf erleichtern. Das 7-tägige berufsorientierte Behandlungskonzept wird im Anschluss an die reguläre neurologische Rehabilitation durchgeführt und umfasst psychosoziale und kognitive Behandlungsbausteine sowie Trainingsangebote zur besseren Bewältigung körperlicher Arbeitsplatzanforderungen (Lukasczik et al., 2012; Presl et al., 2012). Mittels formativer Evaluation wurden (1) Unterschiede zwischen Maßnahmenteilnehmern und Nicht-Teilnehmern, (2) die sozialmedizinische Situation der Teilnehmer 6 und 12 Monate nach der Maßnahme und (3) die Beurteilung der Maßnahme durch die Teilnehmer untersucht. Methode Es wurden über 25 Monate Fragebogendaten zu 4 Messzeitpunkten erhoben und ausgewertet: T0 = Screening auf besondere berufliche Problemlage (BBPL) zu Beginn der regulären Reha, T1 = Maßnahmenbeginn, T2 = Maßnahmenende, T3 = 6-Monats-Katamnese, T4 = 12-Monats-Katamnese. Ergebnisse Von 244 Maßnahmenteilnehmern (75 % Männer, Durchschnittsalter 48 Jahre, meist Schlaganfall) waren 7 % vor Reha-Beginn arbeitslos, 78 % waren Vollzeit beschäftigt, 66 % waren im Jahr vor der Reha krankgeschrieben (AU-Dauer M = 12 Tage, Mdn = 9 Tage). 44 % sehen zu Maßnahmenbeginn ihre berufliche Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt, 16 % überlegen, einen Rentenantrag zu stellen, 21 % weisen depressive Symptome auf (PHQ-2). Im Vergleich zu den Nicht-Teilnehmern (n=202, nur T0-Daten vorliegend) weisen Maßnahmenteilnehmer signifikant eine höhere berufsbezogene Behandlungsmotivation (r=0,27) und eine bessere subjektive Erwerbsprognose auf (r=0,23), sind seltener arbeitslos (r=0,18), haben seltener Abitur (5 % vs. 12 %) und sind häufiger Arbeiter (74 % vs. 59 %). Von der Maßnahme erwarten die Teilnehmer primär eine Verbesserung der körperlichen und beruflichen Leistungsfähigkeit sowie eine Vorbereitung auf die Rückkehr in das Arbeitsleben. Am meisten wird befürchtet, im Beruf das geforderte Arbeitstempo nicht einhalten zu können, schnell zu ermüden, Konzentrationsschwierigkeiten zu haben und die eigene Leistungsfähigkeit falsch einzuschätzen. Zu T3 (T4) liegen Daten von n=191 (180) Maßnahmenteilnehmern vor. Hiervon schätzen sich 24 % (16 %) als voll leistungsfähig, 37 % (47 %) als leicht eingeschränkt leistungsfähig und 26 % (18 %) als erheblich eingeschränkt ein. 13 % (18 %) geben an, nicht erwerbsfähig 58 zu sein. 65 % (67 %) gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach, 9 % (7 %) sind arbeitslos, 6 % (5 %) haben einen Rentenantrag gestellt, 24 % (29 %) denken über Rentenantragstellung nach. Die mittlere AU-Dauer beträgt M=9 (10) Wochen (Mdn=4 (4)). 57 % der zu T4 berufstätigen Teilnehmer berichten von erhöhter Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten (47 %) und Problemen mit dem Arbeitstempo (44 %). 39 % sind besorgt, ob ihre Fähigkeiten für den Beruf noch ausreichen. Diese beruflichen Schwierigkeiten können von den Studienteilnehmern bereits bei Maßnahmenende (T2) gut vorhergesagt werden. Mit der Maßnahme sind 76 % (78 %) der Teilnehmer ziemlich/sehr zufrieden. Als besonders hilfreich werden Angebote zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, des Gedächtnisses und zur Testung der Arbeitsfähigkeit bewertet. Über 80 % geben an, durch die Maßnahme besser auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz vorbereitet worden zu sein und besser mit beruflichen Belastungen umgehen zu können. Optimierungspotential wird in einem umfassenderen Angebot zum Erarbeiten beruflicher Alternativen und zum Umgang mit psychosozialen Problemen gesehen. Diskussion In die MBO® Kompakt-Neurowoche werden Rehabilitanden mit beruflicher Problemlage und guter berufsbezogener Behandlungsmotivation aufgenommen. Die Stichprobe ist mit denen anderer Studien vergleichbar (Menzel-Begemann, 2012). Die Gesamtmaßnahme sowie einzelne Elemente werden als hilfreich für die Rückkehr an den Arbeitsplatz und die Bewältigung von Arbeitsplatzproblemen angesehen. Basierend auf den Evaluationsdaten wurden die psychologischen Behandlungsmodule mittlerweile weiter ausgebaut. Die meisten Rehabilitanden konnten wieder in ihren Beruf zurückkehren, über 60 % geben nach 12 Monaten keine nennenswerten Leistungseinschränkungen an. Dauerhafte Probleme mit Ermüdbarkeit, Konzentration und Arbeitstempo weisen jedoch darauf hin, dass Nachsorgeangebote wie individuelle Fallbegleitung oder auch Intervalltherapie hilfreich wären (vgl. Schupp, 2011). Förderung: Klinik Bavaria Bad Kissingen Literatur Lukasczik, M., Löffler, S., Schuler, M., Weilbach, F., Laterveer, H., Knörzer, J., Presl, M., Neuderth, S. (2012): Intensivierte beruflich orientierte medizinische Rehabilitation bei neurologischen Erkrankungen: Formative Evaluation der MBO® Kompakt-Neurowoche. DRV-Schriften, Bd. 98. 172-173. Menzel-Begemann, A. (2012): Berufliche Orientierung in der Medizinischen Neurorehabilitation. Problemstellung, Intervention, Ergebnisse. Weinheim: Beltz/Juventa. Presl, M., Weilbach, F., Knörzer, J., Laterveeer, H., Presl, A., Hipler, C., Kiesel, J. (2012): MBO®-Kompakt Neurologie in den Kliniken Bavaria Bad Kissingen, Freyung und Kreischa. In: Löffler, S., Gerlich, C., Lukasczik, M., Wolf, H.D., Vogel, H., Neuderth, S.: Praxishandbuch Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation. 3. Aufl. 300-307. Schupp, W. (2011): DGRW-Update: Neurologie – Von empirischen Strategien hin zu evidenzbasierten Interventionen. Die Rehabilitation, 50. 354-362. 59 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben I Instrumente und Verfahren zur Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – Erhebung und Systematisierungsansätze Penstorf, C. (1), Bade, S. (2), Gleisberg, D. (2), Jonßon, L. (2), Lentz, R. (3), Morfeld, M. (2), Robinson, K. (3), Schubert, M. (1), Seel, H. (1) (1) Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Frankfurt, (2) Hochschule Magdeburg-Stendal, (3) Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke, Berlin Hintergrund und Fragestellung Anforderungen an die Ermittlung und Feststellung von Teilhabebedarf stehen aktuell im Kontext der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes in der fachlichen Diskussion. Dabei werden verschiedene übergreifende Kriterien diskutiert, die an ein Bedarfsfeststellungsverfahren anzulegen sind und so mit zur Bedarfsermittlung eingesetzten Instrumenten/Verfahren korrespondieren. Wie ein Bedarf ermittelt wird, liegt dabei in der Hand der für die Bedarfsermittlung zuständigen Akteure. Um jedoch überhaupt eine Übersicht zu bei LTA eingesetzten Instrumente/Verfahren zu erlangen, wurde eine Studie durchgeführt, welche Fragen zu den aktuellen Bedarfsermittlungsprozessen und deren Optimierungsmöglichkeiten in leistungsträger- und leistungserbringerübergreifender Perspektive nachging (Schubert et al., 2014a). Der Beitrag präsentiert Ergebnisse zur Fragestellung: Welche Verfahren zur Bedarfsermittlung werden von den verschiedenen Akteuren im Verlauf des Rehabilitationsprozesses im Bereich LTA eingesetzt? Methodik Es wurden alle Leistungsträger (DRV, BA, DGUV, SVLFG, Sozialhilfe, Versorgungsverwaltung, Integrationsämter) sowie zentrale Leistungserbringer (BFW, BBW, BTZ, RPK, IFD, Phase-II-Einrichtungen, WfbM) von LTA mittels Fragebogen mit geschlossenen, halboffenen und offenen Fragentypus befragt. Die Rücklaufquote bei Leistungsträgern (n=68) und -erbringern (n=190) lag bei je knapp 30 %. Die Studie wurde gefördert vom BMAS. Ergebnisse Prozesse und Vorgehen bei der Bedarfsermittlung stehen im Kontext einer wesentlichen Heterogenität des Gesamtfeldes der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die sich u. a. durch eine Vielfältigkeit der Personengruppen und individuellen Bedarfslagen sowie der möglichen Leistungsträger (LT) und Leistungserbringer (LE) charakterisiert. Ferner sind bei der Bedarfsermittlung unterschiedliche Ziele der institutionellen Akteure und Zeitpunkte im Rehabilitationsprozess zu berücksichtigen. Mit über 1.100 Einzelnennungen und daraus ermittelten 429 Verfahren/Instrumenten wird deutlich, wie diversifiziert Bedarfsermittlung sowohl bei Leistungsträgern und -erbringern durchgeführt wird. 60 Die benannten Instrumente/Verfahren wurden anhand von Strukturmerkmalen und Zielrichtung zu 8 Kategorien verdichtet (diagnostische Verfahren, Assessments, Maßnahmen, Profiling, Konzepte, Planung/Dokumentation, Trainings sowie Diagnostik Dritter). Viele Verfahren können dem Bereich diagnostischer Instrumente/Verfahren zugeordnet werden, wobei LE (74 %) diese deutlich häufiger nutzen als LT (41 %). Dafür nutzen LT häufiger Maßnahmen (13 %), Konzepte (14 %), Instrumente zur Planung oder Dokumentation (13 %) sowie die Diagnostik Dritter (9 %) zur Bedarfsermittlung. Als häufigste Verfahren, die im Rahmen der Bedarfsermittlung eingesetzt werden, benennen LT das Reha-Management der DGUV, MELBA, HAMET und 4PM/DELTA. Darüber hinaus werden ärztliche Untersuchungen und FCE-Verfahren häufig angegeben. Bei LE werden ebenfalls MELBA und HAMET besonders häufig benannt, des Weiteren Aufmerksamkeits- und Intelligenztests wie d2 und I-S-T 2000, der Selbstbeurteilungsbogen SCL-90 sowie AVEM. In der Initiierungsphase, die insbesondere durch Prozesse mit dem Ziel der Leistungsbemessung durch die LT gekennzeichnet ist, lassen sich 5 Ansätze unterscheiden: Einzelinstrumente bzw. -verfahren (z. B. Screenings, Gutachten), Erhebungsverfahren bei LT (Assessments/Profiling) und im Auftrag von LT bei LE (z. B. EFL), Maßnahmen bei LE (z. B. DIA-AM) und Prozessverfahren der LT (4PM, Reha-Management). In der Durchführungs- sowie der Abschlussphase von LTA finden sich bei LE insbesondere Einzelinstrumente (z. B. HAMET, d2/d2-R) und Erhebungsverfahren (z. B. Assessment, MELBA, AVEM). Erhebungsverfahren der Bedarfsermittlung können in allen Phasen wiederum Einzelinstrumente enthalten. Eine Reihe der Verfahren werden zur Kommunikation nach außen eingesetzt. Durch Nutzung verschiedener Bedarfsermittlungsverfahren mit ihren z. T. unterschiedlichen Begriffsgefügen wird eine notwendige akteursübergreifende Kommunikation bei und zwischen LT und LE erschwert. Diskussion und Schlussfolgerungen Die systematische Erhebung bestätigt den Praxiseindruck einer wesentlichen Varianz beim Instrumenten-/Verfahrenseinsatz, der zu einem heterogenen, diversifizierten Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Bedarfsermittlung führt. Es ergeben sich insbesondere Ansatzpunkte für konvergenzorientierte Weiterentwicklungen von Prozessen der Bedarfsermittlung. Die strukturierte Erhebung aktueller Ansätze der Bedarfsermittlung ist dabei Ansatzpunkt für eine Entwicklung übergreifender Grundlagen (Schubert et al., 2014b) und für Umsetzungsüberlegungen zu Anforderungen an Bedarfsermittlungsprozesse. Literatur Schubert, M., Penstorf, C., Seel, H., Morfeld, M., Bade, S., Gleisberg, D., Jonßon, L., Lentz, R., Robinson, K. (2014a): Prüfung von aktuellem Stand und Potential der Bedarfsermittlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Berücksichtigung der ICF. Abschlussbericht. www.bar-frankfurt.de Schubert, M., Bade, S., Gleisberg, D., Jonßon, L., Lentz, R., Morfeld, M., Penstorf, C., Robinson, K., Seel, H. (2014b): Optimierungspotenziale und Entwicklungsperspektiven der Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. DRV-Schriften, Bd. 103. 93-95. 61 Änderung der subjektiven Prognose zur Reintegration während des RehaAssessments aus Teilnehmerperspektive Arling, V., Birringer, N., Spijkers, W. RWTH Aachen Hintergrund Berufliche Rehabilitation zielt auf die Wiederherstellung bzw. signifikante Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit von Behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen, um diesen (weiterhin) eine Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen (vgl. Ellger-Rüttgardt et al., S. 10, 2009). In diesem Sinne gilt es, mit Beginn des Rehabilitationsprozesses Fähigkeiten und Bedarfe der Betroffenen gezielt festzustellen. Eine solche bedarfsgerechte Diagnostik findet im Rahmen des sog. RehaAssessements© (Reha-AC) statt. Hier wird vonseiten eines Berufsförderungswerkes die Eignung eines Rehabilitanden für eine Umschulung überprüft bzw. der Rehabilitand hat die Möglichkeit sich in verschiedenen Berufsbereichen zu erproben. In diesem Sinne fokussiert die vorliegende Studie auf die Fragestellung, inwiefern sich die Einschätzung eines Rehabilitanden bezüglich seiner Wiedereingliederungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einer Überprüfung und Erprobung seiner Fähigkeiten verändert. Unterschieden wird zusätzlich inwiefern sich Unterschiede zwischen einer 3- und einer 10-tägigen Erprobung feststellen lassen. Methode und Stichprobe An der Studie nahmen insgesamt 10 Frauen und 42 Männer mit einem Durchschnittsalter von 36,6 Jahren (SD = 7,5) teil. 43 Personen absolvierten ein 10-tägiges Assessment, 9 eine 3-tägige Kurzmaßnahme. Zusätzlich zum standardisierten Vorgehen im RehaAssessment wurden die Teilnehmer zu Beginn und am Ende der Maßnahme gebeten, eine Selbsteinschätzung bezüglich ihrer subjektiven Reintegrationsprognose auf einer Skala von 0– 100 % anzugeben (SPR; Hagemeyer et al., 2013). Darüber hinaus wurden sie nach ihrer beruflichen Selbstwirksamkeitserwartung (BSW, Abele et al., 2000) und proaktiven Copingstrategien (PCI, Schwarzer et al., 2000) gefragt. Ergebnisse Für die Teilnehmer des 10-tägigen Reha-AC lässt sich über die Maßnahme hinweg eine signifikante Verbesserung der Einschätzung der subjektiven Reintegrationsprognose feststellen (MWprä = 66,63 %; SD = 23,22 %; MWpost = 73,63 %; SD = 23,91 %; t[39] = −2,25, p = 0,03, d = 0.72). Für die 3-tägige Kurzmaßnahme bildet sich eine Tendenz dahin gehend ab, dass sich die Prognose verschlechtert [MWprä = 77,22 %, SD = 18,89 %; MWpost = 67,78 %, SD = 27,74 %; t[8] = 2,13, p = 0,07, d = 1.5). Bezüglich der beruflichen Selbstwirksamkeit lässt sich für die Teilnehmer des 10-tägigen Reha-AC eine signifikante Verbesserung der Einschätzung über die Maßnahme hinweg feststellen (t[36] = −2,44, p = 0,02, d = −0.96). Für die Teilnehmer der 3-tägigen Maßnahme lässt sich keine signifikante Veränderung feststellen. 62 Zur Ermittlung der Relevanz von beruflicher Selbstwirksamkeit und proaktiven Copingstrategien für die subjektive Reintegrationsprognose wurden für das 10-tägige Reha-AC (Beginn und Ende) lineare Regressionsanalysen berechnet (Methode: schrittweise Selektion). Zu Beginn der Maßnahme wird 36,9 % der Gesamtvarianz in der subjektiven Prognose durch proaktive Copingstrategien aufgeklärt. Berufliche Selbstwirksamkeit spielt zu Beginn des Reha-AC keine Rolle. Am Ende des Reha-AC wird die BSW hingegen relevant und klärt gemeinsam mit den proaktiven Copingstrategien 59,30 % Varianz bezüglich der Prognose auf (vgl. Tab. 1). Einflussvariablen ȕ Standard -fehler Bootstrap für Koeffizienten1 p (95% -KI) R 2 Verzerrung Standardfehler p 0,14 2,50 0.001 Subjektive Reintegrationsprognose zu Beginn der Maßnahme * PCI 0.22 0.05 < .001 0.12- 0.32 0.37 Subjektive Reintegrationsprognose zu Ende der Maßnahme ** BSW 0.43 0.09 < .001 0.25 -0.61 0.48 -0.01 0.08 < .001 PCI 0.14 0.04 0.004 0.05 -0.23 0.59 0.001 0.04 0.004 * Durbin-Watson: 2.07, Toleranz = 1, VIF = 1 ** Durbin-Watson = 2.31, Toleranz = 0,89, VIF = 1,13 Tab. 1: Lineare Regressionsanalysen mit PCI und BSW zur Vorhersage der subjektiven Reintegrationsprognose Diskussion Ausschließlich für das 10-tägige Reha-AC zeichnen sich positive Veränderungen hinsichtlich der Einschätzung der subjektiven Reintegrationsprognose bzw. der beruflichen Selbstwirksamkeit ab. Die Regressionsanalysen zeigen, dass über das Reha-AC hinweg unterschiedliche Aspekte die Reintegrationsprognose beeinflussen. Diese Ergebnisse lassen sich dahin gehend interpretieren, dass zu Beginn des Reha-AC aufgrund der (noch) unsicheren beruflichen Situation der Betroffenen vor allem allgemeine zukunftsbezogene Bewältigungsdispositionen von Relevanz sind. Konkretisiert sich hingegen in der Maßnahme die berufliche Zielsetzung, gewinnt die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung an unmittelbarer Bedeutung. Das systematische Erfassen und Berücksichtigen teilnehmerspezifischer Einstellungen über den Reha-AC-Verlauf hinweg ist in diesem Sinne bedeutsam für die Absicherung des Assessmenterfolges. Literatur Abele, A., Stief, M., Andrä, M. (2000): Zur ökonomischen Erfassung beruflicher Selbstwirksamkeitserwartungen – Neukonstruktion einer BSW-Skala. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 44. 145-151. Ellger-Rüttgardt, S., Karbe, H., Niehaus, M., Rauch, A., Riedel, H.-P., Schian, H.-M., Schmidt, C., Schott, T., Schröder, H., Spijkers, W., Wittwer, U. (2009): Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zur Zukunft der beruflichen Rehabilitation in Deutschland. Deutsche Akademie für Rehabilitation e.V. Bonn. 63 Hagemeyer, A., Arling, V., Frost, M., Kleon, S., Schellmann, C., Spijkers, W. (2013): Subjektive Prognose der Reintegration bei Rehabilitanden. DRV-Schriften, Bd. 101. 293-294. Schwarzer, R., Greenglass, E., Taubert, S. (2000): PCI – Fragebogen zu allgemeiner und proaktiver Stressbewältigung – Deutsche Testversion 1 (2000) des Proactive Coping Inventory. http://userpage.fu-berlin.de/~health/pcigerman1.htm. Abruf: 23.10.2014. Sind Vollqualifizierungen wirklich besser als Teilqualifizierungen? Ergebnisse einer Propensity-Score-gematchten Analyse Bethge, M. (1), Streibelt, M. (2) (1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund Hintergrund Umschulungen zum Erwerb einer völlig neuen beruflichen Qualifikation bilden noch immer den Großteil berufsbildender Qualifizierungsleistungen. Seit einigen Jahren werden jedoch auch kürzere Teilqualifizierungen angeboten (Deutsche Rentenversicherung, 2012). Diese bieten aufbauend auf den individuellen Vorerfahrungen berufliche Spezialisierungen an, um die Teilnehmer zielgenau und schnell ins Erwerbsleben zu reintegrieren. Ungeklärt ist, ob sich die Reintegrationsergebnisse von Voll- und Teilqualifizierungen unterscheiden. Methodik Die Analysen wurden auf Basis des Scientific Use File „Abgeschlossene Rehabilitation im Versicherungsverlauf 2002-2009“ des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung (FDZ-RV – SUFRSDLV09B) realisiert. Eingeschlossen wurden Personen im Alter von 18– 59 Jahren, die im 1. Halbjahr 2005 eine Voll- oder Teilqualifizierung angetreten hatten. Teilnehmer von Voll- und Teilqualifizierungen wurden mittels Propensity Score gematcht (Guo, Fraser, 2010). Zur Berechnung des Propensity Scores wurden 23 Variablen ausgewählt. Davon erfassten 7 soziodemografische Merkmale (einschließlich Bildung und Berufsgruppe). Mit 16 Variablen wurden das zwischen 2001 und 2004 dokumentierte Entgelt und die Bezugsdauer von Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II sowie sonstige Leistungen, v. a. Krankengeld und Übergangsgeld) abgebildet. Als Zielkriterien wurden das zwischen 2005 und 2009 dokumentierte versicherungspflichtige Entgelt, die Dauer von Transferleistungen sowie Zugangsraten in Erwerbsminderungsrente geprüft. Ergebnisse Die mittels Propensity Score gematchte Stichprobe umfasste 1.028 Personen (Teilqualifizierung: n=514; Vollqualifizierung: n=514). Das Sample war hinsichtlich aller berücksichtigen Ausgangsvariablen balanciert (mittleres Alter: 43,5 Jahre; 31,8 % Frauen; 57 % arbeitslos). 67 % hatten muskuloskeletale Erkrankungen, 14,1 % waren psychisch erkrankt. Im 4. und 5. Jahr nach Beginn der berufsbildenden Rehabilitationsleistung waren hinsichtlich des erreichten Entgeltes aus versicherungspflichtiger Beschäftigung und der Dauer von Transferleistungen keine Unterschiede zwischen Teilnehmern von Teil- und Vollqualifizie- 64 rungen beobachtbar (Abb. 1). Auch das Risiko eines Erwerbsminderungsrentenzugangs war für beide Teilnehmergruppen vergleichbar (Teilqualifizierung: 7 %; Vollqualifizierung: 8,4 %). Das für 2005 bis 2009 kumulierte, durch versicherungspflichtige Beschäftigung erzielte Entgelt war für Teilnehmer einer Teilqualifizierung jedoch 9.294 EUR (95 % KI: 3.656 EUR bis 14.932 EUR) höher. Unterschiede zeigten sich auch bei der kumulierten Dauer von Transferleistungen. Teilnehmer von Teilqualifizierungen bezogen über den gesamten Zeitraum länger Arbeitslosengeld (Teil- vs. Vollqualifizierung: 24 Tage; 95 % KI: 3 Tage bis 45 Tage) und Arbeitslosengeld II (Teil- vs. Vollqualifizierung: 103 Tage; 95 % KI: 39 Tage bis 166 Tage), Teilnehmer von Vollqualifizierungen länger sonstige Leistungen (Teil- vs. Vollqualifizierung: −310 Tage; 95 % KI: −345 Tage bis −274 Tage). Insgesamt waren Teilnehmer von Vollqualifizierungen deutlich länger auf Transferleistungen angewiesen. 12.000 Jährliches Entgelt in Euro 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 2004 2005 2006 Vollqualifizierung 2007 2008 2009 Teilqualifizierung Abb. 1: Jährliches Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung Diskussion Obwohl die langfristigen jährlichen Vergleiche keine Unterschiede zwischen Teil- und Vollqualifizierungen zeigen, ist die Teilnahme an Vollqualifizierungen im Vergleich zur Teilnahme an Teilqualifizierungen mit negativen kumulativen Effekten assoziiert. Dies ist v. a. durch den 1 Jahr längeren Ausschluss vom Arbeitsmarkt während einer Vollqualifizierung erklärbar. Langfristig scheint sich der längere Bezug von Transferleistungen jedoch nicht durch höhere Entgelte und verbesserte Beschäftigungschancen auszuzahlen. Möglicherweise ist ein längerer Nachbeobachtungszeitraum notwendig, um einen solchen Vorteil zu zeigen. 65 Eine abschließende vergleichende Bewertung bedarf weiterer subjektiver Angaben von Teilnehmern, um bislang nicht berücksichtigte Unterschiede, die sich auf den Erfolg auswirken, im Propensity Score abbilden zu können (Sears et al., 2014). Die Etablierung einer großen versorgungsepidemiologischen Kohorte mit Teilnehmern von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dürfte vor diesem Hintergrund eine der wichtigsten rehabilitationswissenschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre sein. Schlussfolgerungen Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ist die derzeit noch deutlich häufigere Bewilligung von Vollqualifizierungen kritisch zu reflektieren. Literatur Deutsche Rentenversicherung (2012): Reha-Bericht Update 2012. Die medizinische und berufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Berlin, Deutsche Rentenversicherung Bund. Guo, S., Fraser, M. W. (2010): Propensity score analysis: statistical methods and applications. Los Angeles, Sage Publications. Sears, J.M., Rolle, L.R., Schulman, B.A., Wickizer, T.M. (2014): Vocational Rehabilitation Program Evaluation: Comparison Group Challenges and the Role of Unmeasured Return-to-Work Expectations. J Occup Rehabil, doi:10.1007/s10926-014-9509-6. Arbeit und Krankheit im Lebensverlauf – eine qualitative Verlaufsstudie zu berufsbiografischen Brüchen und beruflicher Neuorientierung Bartel, S. Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V., Berlin Hintergrund Sowohl gesellschaftspolitisch, als auch für die Biographie und die Existenzsicherung des Einzelnen, ist die Teilhabe am Arbeitsleben in einer modernen Arbeitsgesellschaft von zentraler Bedeutung. Erwerbsarbeit ermöglicht neben einer Existenzsicherung den Zugang zu anderen gesellschaftlichen Bereichen, vermittelt soziale Anerkennung und Wertschätzung sowie das Gefühl, gebraucht zu werden. Für Personen, die aufgrund ihrer Erkrankung in ihrem ursprünglichen Beruf nicht mehr arbeiten können, stellt diese neue Situation einen großen Einschnitt im Leben dar und erfordert seitens der Betroffenen und Angehörigen enorme Bewältigungsarbeit (Corbin, Strauss, 2004). In diesem Zusammenhang spielen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine herausragende Rolle; die berufliche Rehabilitation wird – zur Sicherung sozialer und beruflicher Teilhabe – immer bedeutsamer (BMAS, 2013). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen immer die gesamte Lebenssituation berücksichtigen (Kardorff, Ohlbrecht, 2013), eine Anforderung, die innerhalb des arbeitsteilig organisierten Hilfesystems nicht immer gelingt (Schubert et al., 2013). 66 Fragestellungen und Design der Studie Die vorliegende Studie richtet ihren Blick auf die gesamte Lebenssituation der Betroffenen und geht der Frage nach, wie der Prozess einer durch die Erkrankung „erzwungenen“ beruflichen Neuorientierung erlebt und gestaltet wird und vor welchen Dimensionen sich dieser Prozess vollzieht. Ziel der Analyse ist die Herausarbeitung von Strukturen der Wechselwirkung zwischen der Erkrankung, der damit verbundenen Bewältigungsarbeit und dem Selbsterleben in der beruflichen Neuorientierung. Die Studie ist als qualitative Untersuchung angelegt, gerahmt und geleitet durch den Forschungsstil der Grounded Theory (Glaser, Strauss, 2010); ein ganzheitliches, d. h. alle Phasen des Forschungsprozesses (u. a. konzeptioneller Rahmen, Fallauswahl, Auswertung, Ergebnisdarstellung) einschließendes Verfahren. Es wurden 10 Personen, die aufgrund einer Erkrankung eine berufsbiografische Veränderung erlebten, zu 2 Zeitpunkten leifadengestützt interviewt, um den Verlaufscharakter des komplexen Veränderungsprozesses zu erfassen. Ergebnisse Der Prozess beruflicher Neuorientierung ist durch 3 übergeordnete Konzepte bestimmt: Dimensionen von Arbeit, Bruch der Berufsbiografie sowie Rekonstruktion und Neuentwurf. Die „Richtung“ und Intensität des Neuorientierungsprozesses und entsprechend eingesetzte Strategien unterliegen einem komplexen Gefüge unterschiedlicher Faktoren. Diese sind angesiedelt auf individueller Ebene (z. B. Alter, soziale Unterstützung), im Bereich externer Kontextbedingungen (Arbeitsplatzbedingungen, Arbeitsmarkt) sowie bestimmt durch den Charakter der Erkrankung und dessen Verlauf. Dieses Bedingungsgefüge ist dynamisch, d. h. veränderte Rahmenbedingungen (z. B. Verschlechterung der Erkrankung oder begrenzter beruflicher Gestaltungsspielraum) führen zu veränderten Relevanzen bestimmter Aspekte für die/den Einzelnen. Ausblick Die bisherigen Erkenntnisse verweisen auf ein vielschichtiges Spektrum beruflicher Teilhabe. Der Verlaufscharakter beruflicher Neuorientierung kann als nichtlinear beschrieben werden und erfordert einen besonderen Bedarf flexibel aufeinander abgestimmter multimodaler Unterstützungsangebote sowie eine biografische Fallberatung (Dern, Hanses, 2001). Diese muss auf individuelle Bedeutungskontexte von Arbeit und Gesundheit sowie (berufs)biografische Erfahrungswerte der Menschen aufbauen und dabei die jeweiligen Krankheitsverlaufskurven berücksichtigen. Literatur Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2013): Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. Bonn: BMAS. Dern, W., Hanses, A. (2001): Berufsfindung und Biografie – Biografische Diagnostik als Zugang zu den Sinnhorizonten und Ressourcen der Menschen in der beruflichen Rehabilitation. Rehabilitation 40(5). 289-303. Glaser, B.G., Strauss, A.L. (2010): Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung (3. unv. Aufl.). Bern: Verlag Hans Huber. 67 Kardorff, E. v., Ohlbrecht, H. (2013): Erwerbsarbeit für psychisch kranke Menschen im gesellschaftlichen Wandel. In: Mecklenburg, H., Storck, J. (Hrsg.): Handbuch berufliche Integration und Rehabilitation. Bonn: Psychiatrie-Verlag. 18-29. Schubert, M., Parthier, K., Kupka, P., Krüger, U., Holke, J., Fuchs, P. (2013): Menschen mit psychischen Störungen im SGB II. (IAB-Forschungsbericht, 12/2013), Nürnberg: IAB. Transparenz des Leistungsgeschehens?! – Ergebnisse der Erprobung der LBR-Klassifikation Radoschewski, F.M. (1), Klosterhuis, H. (2), Lay, W. (1), Lindow, B. (2), Mohnberg, I. (1), Zander, J. (2) (1) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Ausgangssituation In Ergänzung und Ausbau des Qualitätssicherungsprogramms der Deutschen Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) wurde in den zurückliegenden Jahren, unter Einbezug zahlreicher Bildungsträger, in einem mehrstufigen Auswahl-, Ergänzungs-, Differenzierungs- und Testverfahren die Pilotversion einer Leistungsklassifikation für die berufliche Rehabilitation (LBR) entwickelt (Radoschewski et al., 2012). Mit der LBR sollen die den LTA-Prozess strukturierenden Leistungen erhoben, im Rahmen der Qualitätssicherung ausgewertet und die Transparenz des Leistungsgeschehens innerhalb der Bildungsleistungen erhöht werden (Lindow et al., 2011). Darauf aufbauende Rückmeldungen an die Bildungseinrichtungen unterstützen das interne Qualitätsmanagement. Mit ihrer nach Kompetenzbereichen aufgebauten Gliederung und der Definition von Qualitätsmerkmalen der für die Rehabilitanden erbrachten Leistungen wurden in der LBR die aktuellen Entwicklungen in der beruflichen Rehabilitation (Kompetenzorientierung Individualisierung, Integrationsorientierung) aufgegriffen. Die Pilotversion umfasst in 13 Kapiteln 628 Einzelleistungen, wobei mit 481 Einzelleistungen die 5 Kapitel der Leistungen zur Entwicklung der Fachkompetenz mit der vielfältigen Differenzierung nach Berufen und Tätigkeitsbereichen die umfangreichsten sind. Im letzten Quartal 2013 wurde ein Pilotprojekt mit der nunmehr rehabilitandenbezogenen Dokumentation der für sie erbrachten Leistungen begonnen. An der von Februar bis Anfang Oktober 2014 durchgeführten Dokumentationsphase waren letztlich 29 Bildungseinrichtungen, darunter 17 Berufsförderungswerke beteiligt. Der Dokumentationszeitraum wurde auf 8 Monate begrenzt. Erste Ergebnisse und Analysen der Leistungsdokumentationen Von den Bildungseinrichtungen wurden für ca. 1.000 RehabilitandInnen mehr als 37.000 Einzelleistungen dokumentiert. Lediglich 0,4 % der dokumentierten Leistungen konnten die Bildungseinrichtungen keinem angemessenen LBR-Code zuordnen. Die Dokumentationen betreffen zu 58 % 3 Bildungsmaßnahmen, am häufigsten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (41 %), gefolgt von Integrationsmaßnahmen (11 %) und Qualifizierungen (6 %). Reha68 bilitationsvorbereitungslehrgänge stellen 16 %, Eignungsabklärungen und Arbeitserprobung je 10 % sowie Leistungen des Beruflichen Trainings in Beruflichen Trainingszentren (BTZ) 6 % der Maßnahmen. Zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit werden mit der LBR neben dem 4-stelligen Leistungscode auch die Dauer, die Anzahl der Leistungen und die Art der Leistungserbringung dokumentiert. Am häufigsten wurden mit ca. 14.000 Leistungen zur Entwicklung der Fachkompetenz dokumentiert (Kapitel D–H), gefolgt von jeweils mehr als 6.000 qualifizierungsvorbereitenden und -unterstützenden Bildungsleistungen (Kapitel C) und Leistungen im Bereich Kompetenzdiagnostik, Assessment und Förderplanung (Kapitel A), das Kapitel bei dem auch nahezu alle in der LBR zur Verfügung stehenden Codes genutzt wurden. Berufliches Training Qualifizierung Aus-/ Weiterbildung Integration RehaVorbereitung Kapitel Eignungsabklärung Arbeitserprobung Die einzelnen Maßnahmearten zeichnen sich durch zweifellos typische Leistungsstrukturen aus, wie Tab. 1 aufzeigt. Anteil der Leistungen – Spalten-% A Kompetenzdiagnostik, Assessment, Förderplanung 71,1 65,8 8,2 14,9 4,8 6,7 22,0 B Leistungen zur beruflichen Orientierung und Berufserkundung 18,1 21,3 4,7 9,6 1,8 0,8 5,5 C Qualifizierungsvorbereitende, -unterstützende Bildungsleistungen 0,3 0,0 64,2 15,3 2,2 2,8 7,5 I: Umschulung mit anerkanntem Berufsabschluss 0,3 - 0,1 0,7 25,5 49,4 0,0 II: Fortbildung mit geregeltem Abschluss - - - 0,2 0,2 0,4 - III: Zusatz-, Anpassungsqualifizierung mit Zertifikat - - 0,1 0,1 44,5 3,4 0,2 IV: Individuelle Förderung in der Qualifizierung (ohne Zertifikat) - 0,1 5,4 1,5 4,7 10,3 1,6 E F G Leistungen zur Fachkompetenz D - - - 3,6 0,4 1,1 20,2 K Leistungen zu den Schlüsselkompetenzen 4,3 7,2 8,3 12,7 4,3 7,7 16,7 Leistungen zur Gesundheitskompetenz und fachtherapeutische Leistungen 2,9 2,4 7,1 11,4 5,3 9,1 8,5 M Leistungen zur Integrationskompetenz 0,4 1,5 0,8 23,0 5,9 6,8 11,0 Leistungen bei besonderen FunktionseinN schränkungen 2,2 0,4 0,3 0,1 0,1 0,3 1,9 Weitere Leistungen zur beruflichen Rehabilitation 0,5 1,4 0,7 6,8 0,3 1,2 4,9 H L P Berufspraktisches Training Tab. 1: Anteile der Leistungen nach Kapiteln in den verschiedenen Maßnahmearten 69 So dominieren bei Arbeitserprobungen und Eignungsabklärungen die Leistungen aus Kapitel A: Kompetenzdiagnostik, Assessments und Förderplanung, bei Rehabilitationsvorbereitungslehrgängen hingegen qualifizierungsvorbereitende und -unterstützende Bildungsleistungen (Kapitel C). Ein großer Anteil der Leistungen wird individuell, für den einzelnen Rehabilitanden erbracht. Dies betrifft erwartungsgemäß in hohem Maße Eignungsabklärungen, Arbeitserprobungen, Integrationsmaßnahmen und Berufliche Trainings. Bei Reha-Vorbereitungslehrgängen, Qualifizierungen und insbesondere Aus-/Weiterbildungen hat der Einsatz besonderer didaktischer Methoden (z. B. Projektlernen) einen besonderen Stellenwert. Maßnahmeart Einzeln Projektlernen - Gruppengröße Gruppengröße 2-8 9 - 15 16 - 25 >25 2-8 9 - 15 16 - 25 - - - Selbstlernen Zeilen-% Eignungsabklärung 44,8 % 32,9 % 21,9 % 0,4 % Arbeitserprobung 52,4 % 14,5 % 28,9 % 3,7 % 0,1 % - 0,3 % 0,1 % RehaVorbereitung 14,4 % 5,3 % 7,7 % 40,4 % 2,0 % 1,0 % 19,5 % 0,8 % 8,8 % Qualifizierung 15,5 % 14,5 % 20,4 % 12,3 % 1,3 % 7,3 % 6,1 % 21,7 % 1,0 % Aus-/ Weiterbildung 40,8 % 17,7 % 22,8 % 13,6 % 2,0 % 1,8 % 0,6 % 0,1 % 0,5 % Integration 49,6 % 22,5 % 25,0 % 1,9 % 0,0 % 0,7 % Berufliches Training 63,2 % 23,4 % 8,4 % 2,3 % 0,3 % 0,6 % 0,0 % - - 0,3 % - 1,7 % Tab. 2: Art der Leistungserbringung nach Maßnahmearten Zwischen den Leistungserbringern bestehen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Struktur der von ihnen realisierten Maßnahmearten und der eingesetzten Leistungsarten. Der für die einzelnen RehabilitandInnen aufgebrachte Umfang und zeitliche Leistungseinsatz variiert erheblich. So liegt beispielsweise die Zeitdauer eines Bewerbungstrainings in der gleichen Bildungseinrichtung für einzelne Rehabilitanden zwischen 20 und 300 Minuten mit z. T. wiederholter Leistungserbringung. Diskussion und Ausblick Während im Rahmen der Qualitätssicherung bislang lediglich relativ grob nach Maßnahmearten und ihrer Gesamtdauer unterschieden und analysiert werden kann, wird mit dem Einsatz der Leistungsklassifikation ein differenziertes, transparentes Bild der Leistungserbringung sichtbar. Das betrifft nicht zuletzt auch die Umsetzung der mit dem Reha-Modell angestrebten Ziele der Individualisierung und Integrationsorientierung. Die Ergebnisse der Pilot-Studie werden für die Überarbeitung und Präzisierung der LBR genutzt. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund 70 Literatur Lindow, B., Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I., Zander, J. (2011): Qualitätssicherung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – bewährte Instrumente und neue Fragestellungen. RVaktuell, 58. 166-172. Radoschewski, F.M., Klosterhuis, H., Lay, W., Lindow, B., Mohnberg, I., Zander, J. (2012): Leistungsklassifikation in der beruflichen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 98. 237-239. Zander, J., Lay, W., Mohnberg, I. (2012): Was sagen die Anwender zu einer neuen Leistungsklassifikation für die berufliche Rehabilitation? DRV-Schriften, Bd. 98. 239-241. 71 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben II Vergleich der Teilnehmer unterschiedlicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Kaluscha, R. (1), Schmid, L. (1), Krischak, G. (1, 2) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Hintergrund Das zentrale Ziel bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) der Rentenversicherung stellt die berufliche (Wieder-)Eingliederung der Teilnehmer dar. Allerdings existiert ein breites Spektrum an LTA-Maßnahmen, sodass sich die Frage stellt, welcher Maßnahmentyp für welche Rehabilitandengruppe am erfolgversprechendsten ist („Welche Maßnahme für wen?“) und welche Parameter für die Prognose relevant sind (Streibelt, Egner, 2013). Dieser Frage wird in einem gemeinsamen Projekt der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV-BW), der Berufsförderungswerke (BFW) Schömberg und München und dem Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm nachgegangen. Methodik Als erster Schritt wurden retrospektiv vorhandene Routinedaten zu im BFW Schömberg durchgeführten LTA-Maßnahmen der DRV-BW aus dem Zeitraum 2004 bis 2012 ausgewertet. Sowohl BFW als auch DRV-BW übermittelten ihre Daten ohne personenidentifizierende Angaben separat an das Institut, wo sie über ein Pseudonym datenschutzgerecht zusammengeführt werden konnten (n=4.120). Da die unterschiedlichen Maßnahmen in den BFWDaten feiner differenziert waren als in der Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) der DRVBW, wurde erstere zur Identifikation der durchgeführten Maßnahmen bei den Auswertungen zugrunde gelegt. Anhand der RSD-Daten wurden Alters- und Geschlechtsverteilung, der Erwerbsstatus, die gewichtete Beitragszahlung, Tage mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und das Einkommen daraus sowie Kosten (einschließlich Übergangsgeld) und Dauer der Maßnahmen analysiert. Ergebnisse Die Wiedereingliederungsquoten variieren ebenso wie Dauer und Kosten deutlich zwischen den verschiedenen LTA-Maßnahmen. Auch bei den Teilnehmerkreisen zeigen sich auffällige Unterschiede: So sind etwa Teilnehmer an Vollausbildungen im Durchschnitt 8 Jahre jünger als bei Integrationsmaßnahmen (36,5 vs. 44,7 Jahre) und häufiger Männer (92 % vs. 79 %). Für 225 Teilnehmer an Vollausbildungen konnte die Entwicklung des sozialversicherungspflichtigen Einkommens jeweils 2 Jahre vor und nach der Maßnahme beobachtet werden. Abbildung 1 zeigt exemplarisch für diese Gruppe die Entwicklung des durchschnittlichen jährlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommens in Abhängigkeit davon, ob die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen oder abgebrochen wurde. 72 Diskussion Beim Teilnehmerkreis fällt zunächst ein hoher Männeranteil auf. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass es sich bei der untersuchten Stichprobe um Versicherte der ehemaligen Arbeiterrentenversicherung überwiegend aus dem gewerblich-technischen Bereich handelt, während Versicherte mit typischen Frauenberufen zumeist in der früheren Angestelltenversicherung verblieben. Bei der Einkommensentwicklung zeigt sich im Jahr vor der Maßnahme ein deutlicher Einbruch. Hier dürften bereits Probleme im Erwerbsleben aufgetreten sein und daher eine medizinische Rehabilitation oder vorbereitende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Assessments zur Berufsfindung) ablaufen. In den beiden Jahren danach ist die Einkommensentwicklung für erfolgreiche Absolventen (n=146) deutlich positiver als für Abbrecher (n=47) oder Teilnehmer ohne Angaben zum Abschluss (n=32). Häufig gelingt ersteren zu diesem Zeitpunkt sogar, das Einkommen 2 Jahre vor der Maßnahme zu übertreffen. Insofern bildet eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildungsmaßnahme die Grundlage für den gelungenen Wiedereinstieg in das Erwerbsleben. 10.000 € 5.000 € 12.940 € 11.701 € 18.687 € 10.015 € 6.878 € 15.000 € 4.331 € 6.143 € 5.649 € 20.000 € 10.244 € 14.358 € 14.563 € 25.000 € 22.805 € 30.000 € k.A. (N=32) Abbrecher (N=47) Absolventen (N=146) 0€ 2 Jahre davor 1 Jahr davor 1 Jahr danach 2 Jahre danach Abb. 1: Entwicklung des durchschnittlichen jährlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommens der Teilnehmer an einer Vollausbildung nach Abschluss Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Literatur Streibelt, M., Egner, U. (2013): Eine systematische Übersichtsarbeit zu den Einflussfaktoren auf die berufliche Wiedereingliederung nach beruflichen Bildungsleistungen. Die Rehabilitation, 52 (02). 111-118. 73 Psychische Erkrankungen bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Zander, J., Lindow, B. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund und Fragestellung Die Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) hat gerade für Personen mit psychischen Erkrankungen eine große Bedeutung (APK, 2004). Grund hierfür ist der positive Einfluss der Erwerbsfähigkeit auf die Betroffenen, nämlich u. a. die Möglichkeit, persönliche Erfolge und Sicherheit durch Bewältigung der äußeren Anforderungen zu erreichen und somit einer Chronifizierung entgegenzuwirken (Brieger et al., 2006). Psychische und Verhaltensstörungen haben mehr Auswirkungen als somatische Erkrankungen auf Aktivitäten und eine mögliche Teilhabe der Betroffenen (DRV, 2014). Deshalb bedürfen Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig konzeptionell besonderer LTA-Leistungen. Zur Leistungserbringung steht ein differenziertes System von Einrichtungen zur Verfügung. So gibt es neben den Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken, Werkstätten für behinderte Menschen, Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) sowie Berufliche Trainingszentren (BTZ). Letztgenannte sind speziell für psychisch behinderte Menschen konzipiert worden und führen im Wesentlichen Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen durch, in geringem Umfang auch Arbeitserprobung, Berufsfindung und in Einzelfällen auch Ausbildungen. Der Anteil der Rehabilitanden mit psychischen Erkrankungen (ohne Abhängigkeitserkrankungen), der in den letzten 8 Jahren (2006 bis 2013) eine berufliche Rehabilitation von der Deutsche Rentenversicherung erhalten hat, liegt relativ konstant bei 12–13 %. In den letzten 10 Jahren hat die Rentenversicherung Instrumente und Verfahren zur Qualitätssicherung (QS) für die berufliche Rehabilitation entwickelt (Lindow et al., 2011). Die Ergebnisse zu den Qualitätsindikatoren werden von der Rentenversicherung an die beruflichen Bildungseinrichtungen und Rentenversicherungsträger zurückgemeldet. So gibt es bisher QS-Berichte zur Teilnehmerbefragung nach beruflicher Bildung, den Sozialmedizinischen Status nach beruflicher Bildung und zum Abschluss der beruflichen Bildungsleistungen (Zander et al., 2013). Wie stellen sich die Ergebnisse aus der Reha-Qualitätssicherung für die psychisch erkrankten Rehabilitanden im Vergleich zu allen Rehabilitanden dar? Methodik In die deskriptiven Auswertungen werden die RV-Teilnehmer mit der 1. Diagnose aus dem Kapitel V – Psychische und Verhaltensstörungen (ICD-10-GM) einbezogen, die an der Teilnehmerbefragung (Abschlusszeitraum 01.07.2012 bis 30.06.1013, n=1.322) teilgenommen haben und im Bericht zum Sozialmedizinischen Status (SMS, Abschlusszeitraum 01.01.2010 bis 31.12.2010, n=5.345) erfasst sind. Zusätzlich werden beim Sozialmedizinischen Status alle Teilnehmer betrachtet, die ihre LTA in BTZ durchgeführt haben. Teilnehmerbefragung: Die Absolventen einer Bildungsleistung werden ein halbes Jahr nach Abschluss befragt, nach 6 Wochen erfolgt eine 1-malige Erinnerung. Der eingesetzte Berliner Fragebogen dient der Erfassung der Zufriedenheit und der Reha-Ergebnisse. Er ist für Rehabilitanden konzipiert, die eine Bildungsleistung abgeschlossen haben. Er umfasst 9 Themenbereiche, die sich in 31 Fragen und 98 Items gliedern. Dem SMS liegen Daten aus der 74 Routinestatistik der Rentenversicherung zugrunde. Es wird zu 3 Messzeitpunkten (6., 12., 24. Monat nach Beendigung der Bildungsleistung) untersucht, ob eine Wiedereingliederung der Rehabilitanden in das Erwerbsleben erfolgt ist. Erstmals wird der SMS für alle Rehabilitanden, die ihre LTA in BTZ erhalten haben, ausgewertet. In der Vergleichsgruppe finden sich alle Rehabilitanden mit einer beruflichen Bildungsleistung. Ergebnisse Bezüglich ausgewählter Merkmale zu den Teilnehmern ist festzuhalten, dass die Rehabilitanden mit psychischen Störungen (n=5.345) mit 43,4 Jahren geringfügig jünger sind als die der Vergleichsgruppe (alle Rehabilitanden, n=29.460, 43,7 Jahre). Der Frauenanteil bei den Rehabilitanden mit psychischer Erkrankung liegt mit 55 % weitaus höher als in der Vergleichsgruppe (38 %). Die psychisch erkrankten RV-Rehabilitanden sind zu 37 % arbeitslos, in der Vergleichsgruppe sind es 34 %. Dreiviertel der Rehabilitanden in der Vergleichsgruppe haben ihre LTA mit Erfolg abgeschlossen, die psychisch erkrankten Rehabilitanden zu 70 %. Bei der Betrachtung der Ergebnisse zum Sozialmedizinischen Status (im 24. Monat) ist festzuhalten, dass die Wiedereingliederung psychisch Beeinträchtigter in das Erwerbsleben mit 44% um 9 Prozentpunkte niedriger liegt als in der Vergleichsgruppe. Bei den psychisch Erkrankten ist auffällig, dass bei ihnen häufiger EM-Renten nach einer LTA bewilligt werden (20 %) als in der Vergleichsgruppe (11 %). Die Ergebnisse der BTZ-Rehabilitanden fallen noch ungünstiger aus: Hier liegt die Wiedereingliederung bei 34 % und der EM-Rentenzugang bei 24 %. Hinsichtlich der Teilnehmerbefragung sind die psychisch Erkrankten mit der ganzheitlichen individuellen Förderung (2,3), der Integrationsvorbereitung (3,2) und der Bedeutung der Reha für die Arbeitsstelle (2,1) genauso zufrieden wie alle Rehabilitanden, leicht kritischer sind sie hinsichtlich der Strukturqualität (2,5 vs. 2,4) und dem allgemeinen Kompetenzgewinn (2,9 vs. 2,7). Schlussfolgerungen und Ausblick Die Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung wurden erstmals für die Gruppe der psychisch erkrankten RV-Rehabilitanden ausgewertet. Die Teilnehmermerkmale, wie Alter oder Arbeitslosigkeit, unterscheiden sich nicht gravierend zur Vergleichsgruppe, jedoch ist der hohe Frauenanteil der psychisch Erkrankten deutlich höher. Anhand der Auswertungen wird deutlich, dass sowohl die Integration in das Erwerbsleben als auch der Anteil der psychisch erkrankten Rehabilitanden mit einem erfolgreichen Abschluss niedriger ist. Zudem ist diese Gruppe der Rehabilitanden leicht kritischer in der Rehabilitandenzufriedenheit. Um nicht nur Informationen zur Ergebnisqualität zu erhalten, werden die Rehabilitanden aus den BTZ zukünftig auch in die Teilnehmerbefragung der RV einbezogen. Hierzu erfolgte eine Prüfung des Fragebogens durch die entsprechende Bundesarbeitsgemeinschaft. Der Geltungsbereich der Leistungsklassifikation für die berufliche Rehabilitation bezieht sich ebenfalls auf die konzeptionellen Leistungen für die psychisch Erkrankten. An der Entwicklung und Pilotierung der Leistungsklassifikation waren auch die BTZ beteiligt. Literatur Aktion Psychisch Kranke e. V. (2004): Individuelle Wege ins Arbeitsleben. Abschlussbericht zum Projekt „Bestandsaufnahme zur Rehabilitation psychisch Kranker". URL: http:// www.apk-ev.de/publikationen/0013_Individuelle%20Wege_gesamt.pdf. 75 Brieger, P., Watzke, S., Galvao, A., Hühne, M., Gawlik, B. (2006): Wie wirkt berufliche Rehabilitation und Integration psychisch kranker Menschen? Ergebnisse einer kontrollierten Studie. Bonn, Psychiatrie Verlag GmbH. 11-12. Deutsche Rentenversicherung (2014): Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/339288/ publicationFile /64601/pospap_psych_Erkrankung.pdf. Lindow, B., Radoschewski, M., Lay, W., Mohnberg, I., Zander, J. (2011): Qualitätssicherung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – bewährte Instrumente und neue Fragestellungen. RVaktuell, 58, 5/6. 166-172. Zander, J., Kehl, P., Rister-Mende, S., Lindow, B. (2013): Reha-Träger fragen – Rehabilitanden antworten: teilnehmerzentrierte Qualitätsbewertung in der beruflichen Rehabilitation von DRV und DGUV. DRV-Schriften, Bd. 101. 298-300. Determinanten der Anerkennung als berufliche/r Rehabilitand/in der Bundesagentur für Arbeit zum Zweck der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Reims, N. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg Hintergrund, Motivation und Forschungsstand Die berufliche Rehabilitation behinderter Menschen ist ein sozialpolitisches Instrument zur Förderung sozialer Teilhabe durch Integration in den Arbeitsmarkt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist einer der größten Träger beruflicher Rehabilitation. Neben jungen Menschen ohne Erstausbildung, werden auch Personen gefördert, die zwar bereits Erwerbserfahrung aufweisen, aber weniger als 15 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Letztere Personengruppe, die im vorliegenden Beitrag fokussiert wird, kann ihre bisherige Tätigkeit entweder gar nicht mehr oder nicht mehr in dergleichen Form ausüben und strebt deshalb Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) an. Um diese Leistungen zu erhalten, muss zunächst ein Antrag auf LTA gestellt werden. Hinsichtlich des Zugangs zu besonderen Leistungen der beruflichen Rehabilitation und den damit zusammenhängenden Selektionsprozessen bei der Anerkennung als beruflicher Rehabilitand liegen bis dato nur sehr wenige, meist qualitative Forschungsergebnisse vor (Ekert, Schubert et al., 2007). Auf Basis einer umfassenden quantitativen Datengrundlage untersucht der vorliegende Beitrag nun erstmals die Anerkennungsprozesse bei der Beantragung von LTA für die Personengruppe der beruflichen Rehabilitand(inn)en in Wiedereingliederung in finanzieller Zuständigkeit der BA. Es soll analysiert werden, welche Personen eine Bewilligung als beruflicher Rehabilitand erhalten und von welchen Charakteristika und Bedingungen dies abhängig ist. In einem weiteren Schritt sollen die weiteren Erwerbsbiografien von anerkannten und nichtanerkannten Antragstellern vergleichend betrachtet werden. 76 Daten und Methodik Die Analyse der Anerkennungsprozesse findet im Rahmen des Projektes „Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“ (LTA) statt, das durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert ist. Das LTA-Projekt stellt das Anschlussprojekt zur Basisstudie „Reha-Prozessdatenpanel“ dar (Dony et al., 2012) und ist als Mischung zwischen qualitativer Befragung beruflicher Rehabilitanden und quantitativer Analysen eigens erschlossener Prozessdaten der BA konzipiert. Der Anerkennungsprozess auf Förderung im Rahmen beruflicher Rehabilitation wird mithilfe von Prozessdaten der BA quantitativ analysiert. Die Daten umfassen alle Personen, die seit Mitte 2006 einen Antrag auf LTA in Zuständigkeit der BA gestellt haben. Die Analysen beschränken sich dabei lediglich auf Personen, die zwischen 2007 und 2013 einen Antrag auf LTA gestellt haben und eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt anstreben (etwa 150.000 Rehabilitationsfälle). Zu dieser Personengruppe liegen detaillierte Informationen über die Erwerbs-, Leistungs- und Maßnahmebiografie vor, während und nach der beruflichen Rehabilitation vor. Neben persönlichen Charakteristika, wie dem Geschlecht, dem Alter, dem Behinderungsstatus etc. finden sich auch regionalspezifische Informationen zum Wohnort und dem Arbeitsmarkttypus am Wohnort (Hirschenauer, Springer, 2014). Etwa 20 Prozent der Antragsteller/innen auf LTA in der Wiedereingliederung wird dabei abgelehnt. Mithilfe von logistischen Regressionen werden diese Anerkennungen bzw. Ablehnungen in Abhängigkeit von persönlichen Merkmalen und strukturbedingten Merkmalen des Wohnorts der Antragsteller differenziert, um mögliche Selektionen bei der Antragsbewilligung herauszuarbeiten. Ergebnisse Die Resultate zeigen, dass Anträge auf LTA bei Männern erfolgreicher verlaufen als bei Frauen. Sehr junge Personen und Personen ohne Hauptschulabschluss werden am wahrscheinlichsten erfolgreich anerkannt. Personen, die einen offiziell anerkannten Schwerbehindertenstatus (oder eine Gleichstellung) aufweisen, erhalten ebenfalls häufiger einen positiven Bescheid. Des Weiteren finden sich Gruppenunterschiede für Personen mit unterschiedlich langer Arbeitslosigkeits-, Maßnahme- und Erwerbserfahrung und für Personen mit unterschiedlich hohen Krankheitszeiten. Die Anerkennung als berufliche/r Rehabilitand/in der BA wird außerdem von der Arbeitsmarktstruktur am Wohnort determiniert, aber auch durch den Erwerbsstatus bei Antragstellung. Diskussion und Ausblick Es finden sich verschiedene Gruppenunterschiede zwischen erfolgreichen und nichterfolgreichen Antragstellern auf LTA. Es bleibt nun zu klären, wie sich die weiteren Erwerbsbiografien dieser beiden Personengruppen entwickeln und voneinander unterscheiden. Förderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 77 Literatur Dony, E., Gruber, S., Alaa, J., Rauch, A., Schmelzer, P., Schneider, A., Titze, N., Thomsen, U., Zapfel, S., Zimmermann, R. (2012): Basisstudie zur Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben * Basisstudie „Reha-Prozessdatenpanel“. Zusammenfassender Bericht (Teil A). In: Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Berlin. Ekert, S., Frank, W., Gericke, T., Matthes, S., Sommer, J. (2012): Implementationsstudie 1 zur Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Zusammenfassender Bericht (Teil B). In: Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Berlin. Hirschenauer, F., Springer, A. (2014: Vergleichstypen 2014. Aktualisierung der SGB-III-Typisierung. In: IAB-Forschungsbericht. 48. Schubert, M., Behrens, J., Hauger, M., Hippmann, C., Hobler, D., Höhne, A., Schneider, E., Zimmermann, M. (2007): Struktur- und Prozessänderungen in der beruflichen Rehabilitation nach der Einführung des SGB II: eine qualitative Implementationsstudie. In: Dornette, J., Rauch, A. (Hrsg.): Berufliche Rehabilitation im Kontext des SGB II. Nürnberg. 7-83. Prognose von Integrationserfolg und Prüfung integrationsbezogener Effekte einer Förderung arbeitsbezogener Bewältigungsmuster in der beruflichen Rehabilitation Baumann, R. Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation, Universität zu Köln Hintergrund und Fragestellung Nach der AVEM-Typologie (Fragebogen von Schaarschmidt und Fischer, 2008) können 4 arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster unterschieden werden: G „Gesund“, S „Schonung“, A „Überengagiert“, B „Burnout“. A- und B-Muster gelten als Gesundheitsrisikomuster und G- und S-Muster als Nichtrisikomuster. Grundgedanke der vorliegenden vom iqpr durchgeführten Studie war, dass eine geringe Bedeutsamkeit der Arbeit (S-Typ) und hohes Anforderungs- und geringes Ressourcenerleben (B-Typ) die Integrationschancen mindern. Ein hohes Arbeitsengagement gepaart mit einer guten Erholungsfähigkeit (G-Typ) schien dagegen geeignet, gute Integrationschancen zu gewährleisten, während ein exzessives Arbeitsengagement (A-Typ) aufgrund der hohen Motivation einen integrationsförderlichen, aufgrund der eigenen Ressourcenberaubung aber auch einen integrationshemmenden Aspekt zu haben schien (Baumann, 2007). Untersucht werden sollten die Effekte einer passgenauen Förderung für A-, B- und S-Muster auf den Integrationserfolg. Dazu sollte auch überprüft werden, ob sich die Integrationschancen ohne spezifische Intervention je nach AVEM-Muster unterscheiden. In früheren Analysen konnte gezeigt werden, dass die arbeitsbezogene Belastbarkeit je nach AVEM-Muster variiert und bei Personen mit B-Muster durch die in der Studie entwickelten Interventionen verbessert werden kann (Baumann et al., 2012). 78 Methodik Die Daten wurden von 2009 bis 2013 in den Berufsförderungswerken Hamburg und Köln erhoben, aus denen je 3 Kohorten betrachtet wurden. Zum Start (T0) wurden alle Personen gebeten, an einer Fragebogenuntersuchung teilzunehmen. Personen der Kontrollgruppe bekamen nach jeder Fragebogenerhebung ihr AVEM-Ergebnis mit Interpretationshinweisen ausgehändigt und das Angebot, sich bei Fragen an einen Projektmitarbeiter wenden zu können. Personen der Interventionsgruppe erhielten nach der ersten und zweiten Fragebogenerhebung das AVEM-Ergebnis und ein Feedbackgespräch. A- und B-Muster erhielten außerdem eine AVEM-Muster-spezifische Gruppenintervention, S-Muster ein Coachingangebot und G-Muster kein weiteres Angebot. Ein Jahr (T5) nach Qualifizierungsende wurde bei Personen mit regulärem Maßnahmeabschluss der Erwerbsstatus erhoben. Zunächst wurde in der Kontrollgruppe die prognostische Relevanz des AVEM-Musters für den Erwerbstatus überprüft. Danach wurden jeweils die gleichen Muster in Kontroll- und Interventionsgruppe anhand von Chi²-Tests bezüglich der Integrationshäufigkeit miteinander verglichen. Beim Vergleich wurden in der Interventionsgruppe A- und B-Muster einbezogen, die mindestens an 4 (von max. 10) Gruppenmodulen teilgenommen haben. S-Muster sollte an mindestens einem Coachinggespräch teilnehmen. Ergebnisse In der Gesamtstichprobe (n=1.064) befinden sich zu T0 19,7 % G-Muster, 20,8 % S-Muster, 22,5 % A-Muster und 37,0 % B-Muster. Die Rücklaufquote zu T5 beträgt 37,3 %. Von den Personen, zu denen zu T5 eine Angabe vorlag, gaben 61,5 % an, erwerbstätig zu sein. In der Kontrollgruppe (n=500) ergeben sich keine auf dem 5-%-Niveau signifikanten musterspezifischen Unterschiede bezüglich der Erwerbsquoten. G-Muster: 60,7 %; S-Muster: 67,3 %; A-Muster: 67,3 %; B-Muster: 60,3 % (Ӽ²=1,177; df=3; p=0,758). Signifikante Prädiktoren für Erwerbstätigkeit zu T5 sind dagegen die subjektive Gesundheit zu T0 und der Bildungsträger (Baumann, 2014a). Weitere Untersuchungen zeigen (allerdings nur bei Betrachtung der Gesamtstichprobe), dass im Falle von Erwerbstätigkeit zu T5, Personen mit T0-Risikomuster (n=135) im Vergleich mit T0-Nichtrisikomustern (n=107), zu T5 signifikant häufiger eine unsichere Erwerbsprognose äußern (30,4 % vs. 17,8 %; Ӽ²=5,093; df=1; p=0,024). Beim Vergleich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe bei gleichem AVEM-Muster ergeben sich keine signifikanten Integrationsunterschiede. So waren z. B. B-Muster der Interventionsgruppe zu T5 nicht häufiger erwerbstätig als B-Muster der Kontrollgruppe (Interventionsgruppe 56,8 % (21/37) vs. Kontrollgruppe 60,3 % (47/78). Bei A- und S-Mustern sind die Fallzahlen in der Interventionsgruppe jedoch sehr klein (S-Muster: n=25, A-Muster: n=15, siehe auch Baumann, 2014b), sodass auf eine Ergebnisdarstellung verzichtet wird. Diskussion Nach den Studienergebnissen haben AVEM-Muster bei 2-jährigen Qualifizierungen keine prognostische Relevanz für den zeitnahen Integrationserfolg. Darüber hinaus konnten die im Projekt durchgeführten Interventionen nicht die Chancen für die zeitnahe Integration verbessern. Die geringen Fallzahlen in der Interventionsgruppe schwächen jedoch die Aussagekraft dieses Ergebnisses. Auffällig sind die Befunde zur Relevanz der subjektiven Gesundheit zu Qualifizierungsbeginn für den Integrationserfolg 3 Jahre nach Qualifizierungsbeginn und zur 79 möglichen Relevanz eines AVEM-Risikomusters zu Qualifizierungsbeginn für die dauerhafte Wiedereingliederung. Hier ergeben sich neue Forschungsansätze. Förderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales Literatur Baumann, R. (2007): Das IMBA-basierte Verfahren ASKOR zur Erfassung von Schlüsselqualifikationen in der Praxis der beruflichen Rehabilitation – Entwicklung und empirische Untersuchung des Verfahrens. iqpr-Forschungsbericht, 1. 45-66. Baumann, R., Begerow, B., Frohnweiler, A., Kochowski, G., Mbombi, A., Pechtold, S., Reffelmann, T., Wiegers, P. (2012): Wirksamkeit eines psychologischen Gruppenprogramms in der beruflichen Rehabilitation für Rehabilitanden mit hohem Erleben von Erschöpfung und Resignation. DRV-Schriften, Bd. 98. 245-246. Baumann, R. (2014a): Der Beitrag des AVEM zur Vorhersage von Gesundheitsentwicklung und Wiedereingliederung bei Bildungsleistungen in der beruflichen Rehabilitation. Dissertation. Hamburg: Verlag Dr. Kovac. Baumann, R. (2014b): Förderung arbeitsbezogener Bewältigungsmuster zur Verbesserung des Integrationserfolgs bei Rehabilitandinnen und Rehabilitanden. Projektabschlussbericht Teil A. Köln: iqpr-Forschungsbericht. Schaarschmidt, U., Fischer, A. (2008): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster – Manual. London: Pearson. Welche Relevanz hat die freiwillige Teilnahme von Rehabilitanden an einer wissenschaftlichen Studie im Umschulungskontext? Arling, V., Spijkers, W. RWTH Aachen Hintergrund Nach SGB IX (§ 4 Abs. 3 und 4; vgl. Ellger-Rüttgart et al., 2009, S. 14) gilt es im Kontext der beruflichen Rehabilitation den Betroffenen bezüglich Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft gemäß seinen Neigungen und Fähigkeiten angemessen zu fördern. In der Literatur werden im Sinne einer zielorientierten Gestaltung eines Rehabilitationsprozesses neben demografischen auch kognitive (z. B. Kreuzpointer, 2009) und Persönlichkeitsvariablen (z. B. Slesina et al., 2010) als relevante Einflussgrößen diskutiert. So wurde mit der vorliegenden Studie untersucht, inwiefern Persönlichkeits- und Motivationsaspekte Einfluss auf den Rehabilitationserfolg nehmen. Aufgrund der Beobachtung, dass der Umstand einer (freiwilligen) Teilnahme an einer wissenschaftlichen Studie als solcher von Interesse für ein Studienergebnis sein kann, liegt der Fokus der nachfolgenden Darstellung auf der Analyse von freiwilliger Studienteilnahme bzw. Nicht-Teilnahme, unter Berücksichtigung demografischer Routinedaten (Gaul et al., 2006). Methode Im Rahmen des Projekts „Prozessprofiling & Prozessmonitoring“ (Kooperation von 19 BFW und dem Institut für Psychologie der RWTH Aachen; 2009 bis 2012; vgl. Arling et al. 2012), 80 waren die Teilnehmer angehalten, zusätzlich einen Selbsteinschätzungsbogen (Persönlichkeits- und Motivationsaspekte) zu beantworten. Insgesamt beteiligten sich aus 15 Berufsförderungswerken von 773 Umschüler 605 an der Studie. 168 Personen beteiligten sich nicht. Teilnahme wie Nicht-Teilnahme verteilt sich unsystematisch über alle 15 Berufsförderungswerke. Ergebnisse In Zusammenhang mit der freiwilligen Teilnahme an der zusätzlichen Bearbeitung der Fragebogenbatterien berechneten sich signifikante Unterschiede zu Gunsten der Frauen (χ2 [1] = 4,73; p≤0,05), des Realschulabschluss (vs. kein Abschluss; χ2 [5] = 15,92; p≤0,01), zugunsten eines niedrigeren Behinderungsgrades und zugunsten einer kürzeren Arbeitslosigkeit vor Umschulungsbeginn (t [122,807] = 2,17; p ≤ 0,05). Darüber hinaus brachen freiwillige Studienteilnehmer die Maßnahme signifikant weniger ab als diejenigen, die die Teilnahme verweigerten (χ2 [1] = 41,71; p ≤ 0,001). Eine Prognoseanalyse wurde unter Einbezug von 49 (20,59 %) Teilnehmern, die nicht teilnahmen und 189 (79,41 %), die teilnahmen unter Berücksichtigung der mittels univariater Regressionen identifizierter Variablen (vgl. Tab. 1) durchgeführt. Bootrap für Koeffizienten Einflussvariablen ɴ Standardfehler p OR (95%-KI) R Maßnahmeabschluß (N=773) 1,168 0,186 0,000 3,215 2,233 – 4,630 Geschlecht (N=752) 0,446 0,206 0,031 1,562 Behinderungsgrad (GdB; N=388) -0,026 0,004 0,000 Arbeitslosigkeit (Monate; N=481) -0,023 0,010 0,019 2 Verzerrung Standardfehler p 0,075 0,007 0,186 0,001 1,043 – 2,341 0,010 0,007 0,214 0,028 0,975 0,967 – 0,983 0,158 0,000 0,004 0,001 0,977 0,958 – 0,006 0,018 0,000 0,011 0,025 Anm.: Die Bootstrap-Ergebnisse beziehen sich auf 1000 Bootstrap-Stichproben. Tab. 1: Modelle zur Vorhersage des Teilnahmeverhaltens mittels unterschiedlicher Variablen (univariate logistische Regressionen) Im Modell verblieben zwei Variablen (vgl. Tab. 2). Es berechnet sich eine Varianzaufklärung von 19,3 % (Nagelkerkes R2 = 0,193; χ2 [2] = 31,226; p≤0,001). Mittels des Hosmer-LemeBootrap für Koeffizienten ɴ Standardfehler p OR (95%-KI) Maßnahmeabschluß 0,620 0,368 0,092 1,859 0,905 – 3,822 Behinderungsgrad (GdB) -0,027 Einflussvariablen 2 R Verzerrung Standardfehler p -0,009 0,388 0,098 -0,001 0,006 0,001 0,193 0,006 0,000 0,973 0,963 – 0,984 Anm.: Die Bootstrap-Ergebnisse beziehen sich auf 1000 Bootstrap-Stichproben. Tab. 2: Modell zur Vorhersage des Teilnahmeverhaltens mittels „Umschulungserfolg“ und „Behinderungsgrad“ (multivariate logistische Regressionen; Methode: schrittweise; N = 238) show-Test konnte die Anpassungsgüte des Modells belegt werden (χ2 [7] = 8,690; p=0,276). Es wird eine Sensitivität des Modells von 32,7 % (keine Teilnahme) bei einer Spezifität von 81 96,8 % (Teilnahme) erreicht (Youden-Index = 0,295). Das Modell weist einen positiven prädiktiven Wert (PPW) von 72,6 % und einen negativen prädiktiven Wert (NPW) von 84,7 % auf. Unabhängig von der Prävalenzrate berechneten sich ein PPW von 72,6 % und ein NPW von 27,2 %. Diskussion Die Ergebnisse weisen daraufhin, dass im Kontext einer freiwilligen Studienteilnahme teilnehmerspezifische Aspekte wie (späterer) Umschulungserfolg und Behinderungsgrad insofern von Relevanz sind, als dass der gesündere und insgesamt erfolgreichere Teilnehmer eher bereit ist an einer entsprechenden Untersuchung mitzuwirken. Den Bootstrap-Ergebnissen sind geringe Verzerrungen und konstante Standardfehler zu entnehmen, was für das zugrunde liegende Modell spricht. Auf eine eher beschränkte Aussagekraft deuten die prävalenzunabhängigen Werte und der Youden-Index hin. Zusammenfassend lassen sich diese Ergebnisse als Hinweis darauf werten, dass bei einer freiwilligen Studienteilnahme, im Gegensatz zu einer Vollerhebung im Kontext von Routinedaten, die Teilnahmebereitschaft als solche schon als potentieller Risiko- bzw. positiver Prognosefaktor mit einzukalkulieren ist. Literatur Arling, V., Frost, M., Hagemeyer, A.-L., Kleon, S., Schellmann, C., Spijkers, W. (Hrsg.) (2012): Abschlussbericht zum Projekt Prozessprofiling und Prozessmonitoring. Aachen: Printclub. Ellger-Rüttgardt, S., Karbe, H., Niehaus, M., Rauch, A., Riedel, H.-P., Schian, H.-M., Schmidt, C., Schott, T., Schröder, H., Spijkers, W., Wittwer, U. (2009): Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zur Zukunft der beruflichen Rehabilitation in Deutschland. Deutsche Akademie für Rehabilitation e.V. Bonn. Gaul, C., Schmidt, T., Helm, J. Hoyer, H., Haerting, J. (2006): Motivation und Barrieren für die Teilnahme an klinischen Studien. Medizinische Klinik, 101. 873-879. Kreuzpointer, L. (2009): Vorhersage des Umschulungserfolgs durch die Berufseignungsdiagnostik. Die Rehabilitation, 48. 103-110. Slesina, W., Rennert, D., Patzelt, C. (2010): Prognosemodell zur beruflichen Wiedereingliederung von Rehabilitanden nach beruflichen Bildungsmaßnahmen. Die Rehabilitation, 49. 237-247. 82 Rückkehr zur Arbeit Sind stufenweise Wiedereingliederungen nach medizinischer Rehabilitation erfolgreich? Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie Bürger, W. (1), Streibelt, M. (2) (1) fbg – Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, Karlsruhe, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund Stufenweise Wiedereingliederungen (STW) sind ein etabliertes Instrument, um arbeitsunfähige Versicherte nach längerer Erkrankung schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen. Seit 2004 werden STW im Anschluss an eine medizinische Rehabilitation auch in Trägerschaft der Gesetzlichen Rentenversicherung (STW-GRV) durchgeführt. Trotz der starken Verbreitung ist die Evidenzlage zu STW gering (Wasilewski et al., 1995; Bürger 2004). Erste Erkenntnisse über STW-GRV konnten im Rahmen einer retrospektiv angelegten Studie gewonnen werden (Bürger et al., 2011; Bürger, Streibelt, 2011). Seitdem fand eine deutliche Zunahme von STW in Trägerschaft der GRV statt. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der methodischen Einschränkungen der Vorgängerstudie wurde eine umfassende prospektive Langzeitstudie initiiert, um Informationen über Wirksamkeit, Kosteneffektivität und differentielle Effekte für STW-GRV zu erhalten. Der vorliegende Beitrag stellt erste Ergebnisse dieser Studie vor. Fragestellung Weisen STW-Teilnehmer günstigere Wiedereingliederungsverläufe, geringere Berentungsquoten und günstigere Fehlzeitenverläufe im Vergleich mit Rehabilitanden ohne STW auf? Methodik Im Sommer 2012 wurden 40.262 berufstätige Versicherte der DRV Bund und RheinlandPfalz (Alter max. 60 Jahre) vor Beginn der Rehabilitation zu ihrem gesundheitlichen, beruflichen und sozialmedizinischen Status befragt. Ergänzend wurden Versicherungskontodaten für den Zeitraum von 2 Jahren vor dem Rehabilitationsjahr erhoben. 15 Monate nach Rehabilitationsende erfolgte eine katamnestische Befragung und die Verknüpfung mit Entlassungsberichtsdaten. Für die Effektschätzungen wurden ausschließlich Versicherte mit Vorliegen der formalen Voraussetzungen für eine STW (arbeitsunfähig, aber vollschichtig belastbar aus der Rehabilitation entlassen) berücksichtigt. Mithilfe von Propensity-ScoreVerfahren (Bacher, 2002) erfolgte eine Parallelisierung hinsichtlich aller Variablen, die einen Unterschied von p<0,10 für die Gruppenzuordnung aufwiesen. Ergebnisse Die Beteiligungsquote der Eingangsbefragung lag bei 47 % (n=18.973). Von 15.727 katamnestisch angeschriebenen Versicherten antworteten 12.566 (Rücklaufquote: 80 %). Auf der Basis aller 4.961 Versicherten, die die formalen STW-Voraussetzungen erfüllten (39 %), 83 wurde mittels statistischer Parallelisierung (47 Variablen) eine Stichprobe von 1.585 STWTeilnehmern und 1.585 KG-Versicherten zusammengestellt, die hinsichtlich ihres gesundheitlichen, beruflichen und sozialmedizinischen Status, ihres Beitragsstatus 2 Jahre vor Rehabilitation und zentraler Risikofaktoren für eine erfolgreiche Wiedereingliederung (SIBAR, vgl. Bürger, Deck, 2009; RI-EMR, vgl. Bethge et al., 2011) vergleichbar sind. Unter den 1.585 STW-Teilnehmern befanden sich 452 Versicherte, die eine STW in Trägerschaft der Gesetzlichen Krankenversicherung (STW-GKV) durchführten. STW-Teilnehmer wiesen gegenüber der KG günstigere Wiedereingliederungsverläufe, günstigere Rentenentwicklungen und günstigere Fehlzeitenentwicklungen auf. 84 % der STW-Teilnehmern befanden sich zum Katamnesezeitpunkt in sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit, in der KG lag die Quote bei 62 % (p<.01). Der Anteil der Versicherten, die bis zum Befragungszeitpunkt der Katamnese nicht wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt waren, lag in der STW-Gruppe bei 4 % gegenüber 36 % in der Kontrollgruppe (p<.01). STW-Teilnehmer kehrten inkl. der Dauer der STW im Mittel 22 Tage später an ihren Arbeitsplatz zurück als Versicherte der KG (56 Tage vs. 34 Tage, p<.01). Anträge auf Erwerbsminderungsrente waren mit 8 % in der STW-Gruppe deutlich seltener im Vergleich zur KG (21 %, p<.01). Die Fehlzeiten reduzierten sich bei STW-Teilnehmern von 19 Wochen im Jahr vor der Rehabilitation auf 7 Wochen zum Jahr nach der Rehabilitation signifikant deutlicher gegenüber der KG (20 Wochen auf 11 Wochen). STW-DRV schnitten hinsichtlich der Fehlzeitenentwicklung günstiger ab als STW-GKV (−14 Wochen vs. −10 Wochen, p<.01). Auch prognostische Indikatoren für den weiteren Verbleib im Erwerbsleben (SIBAR) veränderten sich in der STW-Gruppe signifikant günstiger (p<.01) im Vergleich mit der KG. Diskussion und Schlussfolgerung Den vorliegenden Daten zufolge sind STW hinsichtlich der grundlegenden Zielstellung ein effektives Instrument. Aufgrund der großen repräsentativen Stichprobe und den umfassenden Parallelisierungen auf der Basis der Daten vor Beginn der Rehabilitation erscheinen die Ergebnisse verlässlich. Die STW-Teilnahme erhöht die Chance der beruflichen Wiedereingliederung und senkt die Fehlzeiten sowie den EM-Rentenzugang nach der Rehabilitation. Weitere Analysen sind insbesondere zur Frage der Kosten und zu differentiellen Effekten notwendig, um die Kosteneffektivität des Instruments abzuschätzen und geeignete und weniger geeignete Zielgruppen für STW zu identifizieren. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Bacher, J. (2002): Statistisches Matching: Anwendungsmöglichkeiten, Verfahren und ihre praktische Umsetzung in SPSS. ZA-Informationen, 51. Jg. 38-66. Bethge, M., Egner, U., Streibelt, M., Radoschewski, F.M., Spyra, K. (2011): Risikoindex Erwerbsminderungsrente (RI-EMR). Eine prozessdatenbasierte Fall-Kontroll-Studie mit 8.500 Männern und 8.405 Frauen. Bundesgesundheitsblatt, 54. 1221-1228. Bürger, W. (2004): Stufenweise Wiedereingliederung nach orthopädischer Rehabilitation – Teilnehmer, Durchführung, Wirksamkeit und Optimierungsbedarf. Die Rehabilitation, 43. 152-161. 84 Bürger, W., Deck, R. (2009): SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48. 211-221. Bürger, W., Streibelt, M. (2011): Wer profitiert von Stufenweiser Wiedereingliederung in Trägerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung? Die Rehabilitation, 50. 178-185. Bürger, W., Glaser-Möller, N., Kulick, B., Pallenberg, C., Stapel, M., (2011): Stufenweise Wiedereingliederung zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung – Ergebnisse umfassender Routinedatenanalysen und Teilnehmerbefragungen. Die Rehabilitation, 50. 74-85. Wasilewski, R., Oertel, M., Faßmann, H. (1995): Maßnahmen zur Stufenweisen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.). Forschungsbericht 249: Bonn. Effekte stufenweiser Wiedereingliederung: Ergebnisse einer PropensityScore-gematchten Analyse mit dem Scientific Use File der Rentenversicherung Bethge, M. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck Hintergrund Während die Effekte stufenweiser Wiedereingliederung (STW) auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz und den nachhaltigen Verbleib im Erwerbsleben bei Personen mit chronischen Rückenschmerzen konsistent positiv sind (Hoefsmit et al., 2012), sind sie für andere Indikationen widersprüchlich, teils sogar negativ (Noordik et al., 2013). Retrospektive Analysen zu der in Deutschland realisierten STW in Trägerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung konnten Effekte auf die berufliche Teilhabe bis zu 1 Jahr nach Beendigung der STW zeigen (Bürger et al., 2011; Bürger, Streibelt, 2011). Allerdings fehlen bislang längerfristige Nachbeobachtungen zu erwerbsminderungsbedingten Rentenzugängen und versicherungspflichtiger Beschäftigung. Methodik Die Analysen wurden auf Basis des Scientific Use File „Abgeschlossene Rehabilitation im Versicherungsverlauf 2002-2009“ des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung (FDZRV – SUFRSDLV09B) realisiert. Eingeschlossen wurden Personen im Alter von 18–60 Jahren, die im 1. Halbjahr 2007 eine orthopädische, kardiologische, onkologische oder psychosomatische Rehabilitation erhielten und die formalen Voraussetzungen einer STW erfüllten. Rehabilitanden mit und ohne STW wurden mittels Propensity Score gematcht (Guo, Fraser, 2010). Zur Berechnung des Propensity Scores wurden 16 Variablen ausgewählt. Drei Merkmale repräsentierten soziodemografische Merkmale. Acht Variablen bildeten das in den Jahren 2005 und 2006 erzielte Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung und die Bezugsdauer von Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II sowie sonstige Leistungen, v. a. Krankengeld und Übergangsgeld) ab. Fünf Variablen bezogen sich auf die abgeschlossene medizinische Rehabilitation. Als Zielkriterien wurden die Zugangsraten in Erwerbsminderungsrente, das bis 2009 dokumentierte versicherungspflichtige Entgelt sowie die Dauer von Transferleistungen geprüft. 85 Ergebnisse Die mittels Propensity Score gematchte Stichprobe umfasste 1.875 Rehabilitanden mit STW und 1.875 Rehabilitanden ohne STW. Das Sample war hinsichtlich aller berücksichtigten Ausgangsvariablen balanciert (mittleres Alter: 44,7 Jahre; 49,8 % Frauen). 65,4 % waren in den 12 Monaten vor der Rehabilitation mindestens 3 Monate arbeitsunfähig. 17,7 % absolvierten die Rehabilitation nach vorangegangener Aufforderung durch die Krankenkasse. 64,2 % hatten muskuloskeletale, 9,2 % kardiovaskuläre, 20,9 % psychische und 5,7 % onkologische Erkrankungen. Das Risiko eines erwerbsminderungsbedingten Rentenzugangs war für Rehabilitanden mit STW um rund 40 % reduziert (8,6 % vs. 5,4 %; HR = 0,62; 95 % KI: 0,49 bis 0,80). Subgruppenanalysen zeigten, dass der Effekt auf einen verminderten Erwerbsminderungsrentenzugang bei einer vorangegangenen Aufforderung zur Rehabilitation durch die Krankenkasse besonders deutlich war. Bei einer solchen Aufforderung reduzierte die Durchführung einer STW das Risiko eines Erwerbsminderungsrentenzugangs um knapp 70 % (12,2 % vs. 4,3 %; HR = 0,34; 95 % KI: 0,18 bis 0,62). Der Effekt auf erwerbsminderungsbedingte Rentenzugänge wurde zudem durch die Rehabilitationsdiagnose moderiert. Effekte zeigten sich nach muskuloskeletaler (HR = 0,55; 95 % KI: 0,39 bis 0,79) und psychosomatischer (HR = 0,65; 95 % KI: 0,43 bis 0,99), nicht aber nach kardiologischer Rehabilitation (HR = 0,98; 95 % KI: 0,48 bis 2,00). Das zwischen 2007 und 2009 erzielte kumulierte Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung war für Teilnehmer einer STW um 12.920 EUR höher (95 % KI: 10.054 EUR bis 15.786 EUR) (Abb. 1). Die kumulierte Dauer von Transferleistungen war deutlich verringert. 35.000 Jährliches Entgelt in Euro 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 2005 2006 2007 2008 keine STW Anm.: STW = stufenweise Wiedereingliederung Abb. 1: Jährliches Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung 86 STW 2009 Diskussion Die STW zeigt langfristige Effekte im Sinne verminderter Erwerbsminderungsrentenzugänge und vermehrter versicherungspflichtiger Beschäftigung. Die Datenanalyse auf Basis des FDZ-RV – SUFRSDLV09B erlaubt mittels Propensity Score gematchter Analysen die langfristige Bewertung von Rehabilitationseffekten, allerdings ist die Zahl möglicher Variablen für ein solches Matching begrenzt. Schlussfolgerungen Insbesondere nach einer Rehabilitationsaufforderung durch die Krankenkasse sowie bei muskuloskeletalen und psychosomatischen Erkrankungen sollte eine STW bei noch arbeitsunfähigen Rehabilitanden geprüft werden. Literatur Bürger, W., Glaser-Möller, N., Kulick, B., Pallenberg, C., Stapel, M. (2011): Stufenweise Wiedereingliederung zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung: Ergebnisse umfassender Routinedatenanalysen und Teilnehmerbefragungen. Rehabilitation, 50. 74-85. Bürger, W., Streibelt, M. (2011): Wer profitiert von Stufenweiser Wiedereingliederung in Trägerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung? Rehabilitation, 50. 178-185. Guo, S., Fraser, M.W. (2010): Propensity score analysis: statistical methods and applications. Los Angeles, Sage Publications. Hoefsmit, N., Houkes, I., Nijhuis, F.J. (2012): Intervention characteristics that facilitate return to work after sickness absence: a systematic literature review. J Occup Rehabil, 22. 462-477. Noordik, E., van der Klink, J.J., Geskus, R.B., de Boer, M.R., van Dijk, F.J., Nieuwenhuijsen, K. (2013): Effectiveness of an exposure-based return-to-work program for workers on sick leave due to common mental disorders: a cluster-randomized controlled trial. Scand J Work Environ Health, 39. 144-154. Einfluss des sozialen Status auf die Rückkehr zur Arbeit bei Prostatakrebspatienten nach onkologischer Rehabilitation Ullrich, A. (1), Rath, H.M. (1), Otto, U. (2), Kerschgens, C. (3), Raida, M. (4), Hagen-Aukamp, C. (5), Koch, U. (1), Bergelt, C. (1) (1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, (2) Klinik Quellental, Bad Wildungen, (3) Vivantes Rehabilitation, Berlin, (4) HELIOS-Klinik Bergisch-Land, Wuppertal, (5) Niederrhein-Klinik, Korschenbroich Hintergrund Internationale Studien weisen auf die Bedeutung sozialer Ungleichheit bei der Rückkehr zur Arbeit nach einer Krebserkrankung hin. So beeinflussen sozioökonomische Kriterien wie Bildungsstatus, körperliche Arbeitsbelastung und Einkommen die Wiedereingliederungsprognose (Taskila-Brandt et al., 2009; van Muijen et al., 2013). In Deutschland können etwa 80 % der onkologischen Patienten wieder in den Beruf eingegliedert werden (Mehnert, Koch, 2012; 87 Böttcher et al., 2013). Inwieweit der soziale Status Einfluss auf die Rückkehrrate und weitere arbeitsbezogene Outcomes hat, wurde bisher nicht systematisch analysiert. Methoden Im Rahmen einer Multicenterstudie wurden erwerbstätige Prostatakrebspatienten zu Beginn (T1), am Ende (T2) und 12 Monate nach Abschluss der Rehabilitation (T3) befragt. Zu T3 lagen vollständige Daten von 711 Patienten (85 %) vor. Die Rückkehr zur Arbeit sowie der Zeitpunkt wurden zu T3 erhoben. Zur Erfassung weiterer berufsbezogener Outcomes wurden das Screeninginstrument für Arbeit und Beruf (SIBAR), die Fragebögen zur Erfassung beruflicher Gratifikationskrisen (ERI) und arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) sowie studienspezifische Items herangezogen. Der soziale Status wurde anhand der Indikatoren Bildungsstatus, berufliche Position und Einkommen zu T1 gebildet (Winkler, Stolzenberg, 2009; Unterschicht 20 %, Mittelschicht 53 %, Oberschicht 27 %). Die Analysen erfolgten nonparametrisch, anhand von Varianzanalysen mit und ohne Messwiederholung sowie mittels binärer logistischer Regressionen (sozialer Status als Hauptprädiktor, Confounder: Alter, UICC-Tumorstadium, Komorbidität). Ergebnisse Bei Rehabilitationsantritt betrug das Durchschnittsalter 57 Jahre. Die Patienten waren durchschnittlich 2,8 Monate zuvor und überwiegend mit den Tumorstadien I oder II (80 %) diagnostiziert worden. 12 Monate nach Rehabilitationsende (T3) sind insgesamt 618 Patienten (87 %) mit einer medianen Dauer von 8 Wochen zur Arbeit zurückgekehrt. Patienten der Unterschicht haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, 1 Jahr nach Abschluss der Rehabilitation nicht zu arbeiten (OR=2,2). Darüber hinaus erweist sich die Zugehörigkeit zur Unter- (OR=3,5) oder Mittelschicht (OR=2,6) als signifikanter Prädiktor für eine späte berufliche Rückkehr (>8 Wochen). Eine stufenweise Wiedereingliederung nach Abschluss der Rehabilitation erhalten signifikant mehr Patienten der Unter- und Mittelschicht. Bezüglich der Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit (SIBAR, T1–T3) sowie Rentenbegehren, AU-Zeiten > 5 Wochen und Bewertung der Arbeitssituation zu T3 weisen Patienten mit niedrigerem sozialem Status signifikant ungünstigere Ergebnisse auf. Arbeitszeitreduzierungen aufgrund der Erkrankung werden statusübergreifend selten berichtet. Gruppenunterschiede im Umgang mit beruflichen Belastungen (AVEM, T1–T3) erweisen sich als marginal und klinisch nicht relevant. Patienten berichten eine sinkende Verausgabungsbereitschaft im Beruf (ERI, T1–T3), dies zeigt sich jedoch unabhängig vom sozialen Status. Diskussion Ein Jahr nach Rehabilitationsende ist ein substanzieller Anteil der Prostatakrebspatienten zur Arbeit zurückgekehrt. Hier zeigt sich der Erfolg der onkologischen Rehabilitation, Patienten durch ein multimodales Behandlungskonzept bei der beruflichen Reintegration zu unterstützen. Gleichzeitig unterstreichen die Ergebnisse, dass Voraussetzungen und Modalitäten der beruflichen Rückkehr durch die soziale Lage der Patienten beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund sollte der soziale Status bei der Entwicklung von beruflichen Beratungsangeboten, MBOR und weiteren Maßnahmen, die Patienten auf die Rückkehr zur Arbeit vorbereiten, berücksichtigt werden. Förderung: Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen 88 Literatur Böttcher H.M., Steimann M., Ullrich A., Rotsch M., Zurborn K.-H., Koch U., Bergelt C. (2013): Evaluation eines berufsbezogenen Konzepts im Rahmen der stationären onkologischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 52. 329-336. Mehnert, A., Koch, U. (2012): Predictors of employment among cancer survivors after medical rehabilitation – a prospective study. Scand J Work Environ Health, 39. 76-87. Taskila-Brandt, T., Martikainen, R., Virtanen, S.V., Pukkala, E., Hietanen, P., Lindbohm, M.L. (2009): The impact of education and occupation on the employment status of cancer survivors. Eur J Cancer, 40. 2488-2493. van Muijen P., Weevers N.L., Snels I.A., Duijts S.F., Bruinvels D.J., Schellart A.J., van der Beek A.J. (2013): Predictors of return to work and employment in cancer survivors: a systematic review. Eur J Cancer Care, 22. 114-160. Winkler, J., Stolzenberg, H. (2009): Adjustierung des Sozialen-Schicht-Index für die Anwendung im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) 2003/2006. Wismar: Hochschule Wismar. Return to Work in der Onkologie aus Patientensicht nach einem Jahr Reuss-Borst, M. (1), Nübling, R. (2), Kaiser, U. (3), Kaluscha, R. (4), Krischak, G. (4), Kriz, D. (2), Müller, G. (5), Martin, H. (6), Renzland, J. (7), Schmidt, J. (2), Toepler, E. (8) (1) Reha-Zentren der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, (2) GfQG, Karlsruhe, (3) Hochgebirgsklinik Davos, (4) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (5) Schlossklinik Bad Buchau, (6) Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, (7) Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau, (8) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Einleitung Die Rückkehr ins Erwerbsleben (Return to Work, RTW) wird für onkologische Rehabilitanden zunehmend zum zentralen Behandlungsziel, wodurch auch die Bereitstellung spezifischer berufsorientierter Maßnahmen an Bedeutung gewinnt (z. B. Mehnert, Koch, 2012). Die Überprüfung der Behandlungsergebnisse solcher Maßnahmen stellt einen wichtigen Baustein des Qualitätsmanagements der Rehabilitationseinrichtungen dar. Im Rahmen der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (Nübling et al., 2014) wurde daher ein besonderes Augenmerk auf das Outcome und die RTW-Quote der onkologischen Patienten, auch im Vergleich zu anderen Hauptindikationen, gelegt. Methoden Im Rahmen dieser Studie wurden insgesamt n=7.616 Versicherte der DRV Baden-Württemberg etwa 1 Jahr nach ihrer stationären Rehabilitation um Mitwirkung an der Erhebung gebeten. Von insgesamt n=4.162 Studienteilnehmern waren n=2.947 zum Zeitpunkt des Rehabilitationsantrags erwerbstätig gewesen. Diese Substichprobe wird im Folgenden betrachtet. 36,1 % der Teilnehmer waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug M=52,6 Jahre (SD=8,1). 65,5 % gaben als ihren höchsten Schulabschluss den Hauptschulabschluss an, eine abgeschlossene Berufsausbildung hatten 82,3 %. Unter den Hauptindikationen waren rheumatolo89 gische/orthopädische Diagnosen mit 45,0 % am häufigsten vertreten, onkologische Patienten machten 12,6 % der Stichprobe aus. Die Krankheitsdauer betrug bei 29 % der Teilnehmer weniger als 1 Jahr, bei 41 % 1–5 Jahre und dauerte bei 30 % schon länger als 6 Jahre an. Eine Rehabilitation dauerte im Schnitt M = 3,57 Wochen (SD=1,5). Patientenseitig wurde ein Katamnesefragebogen eingesetzt, der neben RSD-Daten der DRV BW sowie Qualitätskennzahlen der Klinken die Datengrundlage bildete (vgl. ebd.). Die Teilnehmer waren aufgefordert, sowohl retrospektive Einschätzungen zum Zeitpunkt der Aufnahme als auch zum aktuellen Zeitpunkt der Befragung 1 Jahr nach der Reha zu geben. Ergebnisse Die gesundheitliche Belastung zum Zeitpunkt der Aufnahme wurde von 92.2 % der Teilnehmer (n=2.816) auf einer 4-stufigen Skala als „extrem stark“ oder „stark“ angegeben, eine berufliche Belastung von 74,3 % der Teilnehmer (n=2.707). Die RTW-Quote nach der Reha lag in der Gesamtgruppe (n=2.484) zwischen 75–82 % (Zeitpunkt- vs. Zeitverlaufsquote; vgl. Streibelt, Egner, 2012), bei den onkologischen Patienten zwischen 66–75 %. Zu den Prädiktoren für die RTW-Quote der onkologischen Patienten gehören Alter und Krankschreibtungstage vor der Reha (R2 ~ .45). Der subjektive Nutzen der Reha wurde von insgesamt 71,2 % als „deutlicher“ oder „großer Nutzen“ eingeschätzt, in der onkologischen Teilstichprobe sogar von 81,2 %. Schlussfolgerung Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass die erfasste Stichprobe der Rehabilitanden gesundheitlich und beruflich stark belastet ist. Die RTW-Quoten liegen sowohl in der Gesamtgruppe als auch bei den onkologischen Patienten höher als im Vorfeld erwartet. Insbesondere von den onkologischen Patienten wurde der Nutzen der stationären Rehabilitation als sehr hoch eingeschätzt, was sich, wie in der Gesamtgruppe, auch in der subjektiven Leistungsbeurteilung widerspiegelt. Die Ergebnisse unterstreichen insgesamt die Effektivität der medizinischen Reha, insbesondere im Hinblick auf das Ziel der weiteren Partizipation im Erwerbsleben. Magen-Darm/Stoffw (n=144) 87,5 Orthopädie (n=1212) 85,1 Kardiologie (n=302) 84,8 Atemwege/Haut (n=138) 84,4 Psyche (n=289) 82,0 Onkologie (n=263) 74,5 Neurologie (n=158) 70,3 0,0 20,0 40,0 Abb. 1: RTW-Zeitverlaufsquoten nach Indikationsgruppen 90 60,0 80,0 100,0 Onkologie (n=293) 81,2 Atemwege/Haut (n=148) 76,3 Kardiologie (n=333) 73,5 Orthopädie (n=1328) 68,6 Psyche (n=317) 65,3 Magen-Darm/Stoffw (n=154) 61,1 Neurologie (n=173) 59,0 0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 Abb. 2: Anteile der Indikationsgruppen, die den Nutzen der Reha als deutlich/groß beurteilten Literatur Mehnert, A., Koch, U. (2012): Soziodemografische, medizinisch-funktionelle, psychosoziale, rehabilitations- und arbeitsbezogene Merkmale von Krebspatienten mit und ohne Antrag auf Berentung im Verlauf der onkologischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 92. 412-413. Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., Krischak, G., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Schmidt, J., Toepler, E. (2014): Ergebnisqualität medizinischer Rehabilitation – Katamnestische Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRVSchriften, Bd. 103. 188-190. Streibelt, M., Egner, U. (2012): Eine Meta-Analyse zum Einfluss von Stichprobe, Messmethode und Messzeitpunkt auf die berufliche Wiedereingliederung nach beruflichen Bildungsleistungen. Die Rehabilitation, 51. 398-404. „Fit für Inklusion im Beruf“ – Gesundheitsförderung durch Bewegung bei der Arbeit Bebenek, M. (1), Kramer, C. (2), von Stengel, S. (1), Kemmler, W. (1) (1) Institut für Medizinische Physik, Friedrich-Alexander Universität, Erlangen-Nürnberg, (2) Behinderten und Rehabilitations-Sportverband Bayern e. V., München Hintergrund Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung haben schlechtere Zugangschancen zu Gesundheitsangeboten und zeigen ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Muskel91 Skelett- und Herzkreislauf-Systems (US Department of Health & Human Services, 2002). Ziel die Studie „Fit für Inklusion im Beruf“ ist die Wirksamkeitsüberprüfung spezifischer Arbeitsplatzprogramme aus dem Handlungsfeld „Bewegung“. Die Maßnahmen richten sich speziell an die Beschäftigten mit einer geistigen oder psychischen Behinderung. Methodik Die Untersuchung ist eine randomisiert-kontrollierte Studie mit 3 Studienarmen: RückenTrainingsgruppe (R-TG, n=22), Herz-Kreislauf-Trainingsgruppe (HK-TG, n=22) vs. Kontrollgruppe (KG, n=21). Die Teilnehmer der beiden Trainingsgruppen absolvierten für 6 Monate, 2 spezifische Trainingseinheiten (Bebenek et al., 2014) pro Woche für jeweils 30 Minuten. Die Programme wurden am Arbeitsplatz in den Pausenzeiten angeboten. Erfasst wurden u. a. die statische Maximalkraft der Bauch- und Rückenmuskulatur (BackCheck, Dr. Wolff GmbH, Arnsberg Deutschland), die ausdauerspezifische Leistungsfähigkeit (Ergobike, Fa. DaumElectronic, Fürth Deutschland) sowie die körperlichen Einschränkungen durch Beschwerden an der Lendenwirbelsäulenregion (mod. Oswestry-Index) (Fairbank, Pynsent, 2000). Ergebnisse Nach 6 Monaten konnte die R-TG die Maximalkraft der Rückenmuskulatur um +64,3 ±106,4 % (p=0,001) (HK-TG: +1,8±41,7 %, KG: −0,6±33,2 %) und Rumpfbeugemuskulatur um +39,2±40,1 % (p<0,001) (HK-TG: +9,3±61,2 %, KG: +12,4±27,6 %) steigern. Zwischen der R-TG und der KG zeigen sich nachweisliche Gruppenunterschiede (Rückenkraft: 64,9 %, p=0,01; Bauchkraft: 26,8, p=0,02). Die ausdauerspezifische Leistung verbesserte sich in der HK-TG um +17,7±26,6 % (p<0,001). Korrespondierend erhöhte sich der Parameter „TUL“ um +25,6±37,8 % (p<0,001). Zur R-TG zeigt sich hierbei ein hochsignifikanter Gruppenunterschied von 22,5 % (p=0,01). Für den Oswestry-Index zeigen sich, bei basal durchschnittlich minimaler Einschränkung innerhalb der 3 Gruppen, keine signifikanten Veränderungen (R-TG: 3,3±6,4 %, HK-TG: 4,8±9,6 %, KG: 12,5±13,8 %). Diskussion Die vorgestellten Arbeitsplatzprogramme verbessern einschlägig ausgewählte Parameter der körperlichen Fitness. Die Leistungszuwächse der Rücken- und Bauchkraft deuten auf ein enormes Optimierungspotential der arbeitsbegleitenden Maßnahmen im Handlungsfeld „Bewegung“ hin. Berücksichtigt man die geringe Aussteiger- (<10 %) und gute Bindungsrate (>70 %) beider Programme, scheint die zielgruppenspezifische Ausrichtung und Anpassung der Inhalte der Belegschaft mit geistiger und psychischer Behinderung zu entsprechen. Förderung: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Literatur US Department of Health & Human Services (2002): Report of the Surgeon General’s conference on health disparities and mental retardation. Closing the gap. Washington, DC: US Public Health Service. 92 Bebenek, M. et al. (2014): Arbeitsplatzprogramm „Rückenzirkel“. Ein Modellprojekt zur Verbesserung der Rückengesundheit. 45. Deutscher Sportärzte Kongress. Frankfurt 2014. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 63 (7/8). 205. Fairbank, J.C.T., Pynsent, P.B. (2000): The Oswestry Disability Index. Spine, 25/22. 2940-2953. Befristete Erwerbsminderungsrente und Rückkehr ins Erwerbsleben – Themen und Erwartungen von ErwerbsminderungsrentnerInnen Zschucke, E. (1), Hessel, A. (2), Paech, J. (1), Storm, V. (1), Lippke, S. (1) (1) Jacobs Center on Lifelong Learning and Institutional Development, Jacobs University Bremen, (2) Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, Bremen Hintergrund, Stand der Literatur und Zweck der Untersuchung Der Anteil psychischer Erkrankungen ist bei den Zugängen zur Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) seit den 90er-Jahren stark angestiegen (2011: 41 %). Studien zeigen, dass das berufliche Umfeld von EM-RentnerInnen oft von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung, geringer Autonomie und hohen Arbeitsanforderungen bei zugleich geringer Gratifikation geprägt war (Mika, 2013), was psychischen Stress begünstigt. Zugleich stellen psychische Belastungen und Erkrankungen ein Hindernis zur Rückkehr ins Erwerbsleben dar (O’Neil et al., 2010). Andere Untersuchungen konnten hingegen zeigen, dass psychische Belastung per se nicht ausschlaggebend für die Motivation zur Wiedereingliederung ist (Kobelt et al., 2009). Insbesondere bei Personen mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen ist es für die Rückkehr ins Erwerbsleben zentral, subjektive Motive und Barrieren adäquat zu adressieren. Berufsfördernde Maßnahmen haben sich dabei in Studien bereits als hilfreich erwiesen (Hoefsmit et al., 2012; Bürger et al., 2011). Gleichzeitig liegen trotz zahlreicher Angebote wenige Erkenntnisse über subjektive Pläne, Erwartungen und Erfahrungen von EMI-RentnerInnen mit und ohne psychische Erkrankungen vor. Methodik und Studiendesign Im Mai 2014 kontaktierte die Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen alle ihre 4.221 befristeten EM-RentnerInnen mit der Bitte um Studienteilnahme. Diejenigen, die in die Teilnahme einwilligten (n=577), wurden mittels eines strukturierten Leitfadeninterviews telefonisch von MitarbeiterInnen der Jacobs University Bremen befragt. Neben psychischen und körperlichen Beschwerden, Lebensqualität und soziodemografischen Daten wurden auch bisherige Arbeitsbedingungen und zukünftige Arbeitsmotivation erfragt. Zusätzlich wurden subjektive Erfahrungen mit medizinischen und berufsbezogenen Reha-Maßnahmen sowie Wünsche, Ziele, Ressourcen und subjektive Barrieren bei der Rückkehr ins Erwerbsleben erhoben. 93 Ergebnisse Die in die Auswertung einbezogenen Personen (n=438; 54 % Frauen) hatten ein Durchschnittsalter von 50,2 Jahren und bezogen im Schnitt seit 40 Monaten EM-Rente. Als häufigste Erkrankungen wurden Skelett-/Muskel-/Gelenks-/Bindegewebserkrankungen genannt (67 %), dicht gefolgt von psychischen Erkrankungen (62,3 %). Auffallend war die hohe Komorbidität: 80 % der Befragten berichteten, unter zwei oder mehr Erkrankungen zu leiden. Bei einem Drittel der Befragten war die psychische Erkrankung ausschlaggebend für die Bewilligung der EM-Rente. Zusätzlich zu allen anderen Erkrankungen spielte Übergewicht in der Untersuchungsgruppe eine bedeutsame Rolle: 66 % der Befragten waren übergewichtig, 40 % sogar adipös. Die Lebenszufriedenheit der befragten EM-RentnerInnen war bei 63 % der Befragten deutlich eingeschränkt. EM-RentnerInnen, die unter psychischen Erkrankungen litten, gaben dabei eine signifikant geringere Lebenszufriedenheit an als EM-RentnerInnen ohne psychische Erkrankungen (Chi2 = 28.8, df=3, p˂.001). Der Anteil der Befragten, der vor der Rentenbewilligung an einer medizinischen Rehabilitation teilgenommen hatte, war bei aus psychischen Gründen berenteten Personen deutlich niedriger als bei körperlich Erkrankten (49 % vs. 68 %). Von der medizinischen Rehabilitation profitierten die Befragten v. a. im Hinblick auf den Umgang mit ihrer Erkrankung (57 %), weniger in Bezug auf seelische Symptome (39 %) oder Arbeitsfähigkeit (11 %). Ungeachtet dessen hatten 57 % die feste Absicht zur Rückkehr ins Erwerbsleben oder schon konkrete Vorbereitungen getroffen, wobei sich psychisch Erkrankte nicht von körperlich Erkrankten unterschieden. Diskussion Unsere Daten zeigen, dass EM-RentnerInnen mit psychischen Erkrankungen ihre Lebensqualität geringer einschätzen als die Vergleichsgruppe ohne psychische Erkrankungen. Auch nehmen sie weniger an medizinischen Reha-Maßnahmen teil. Wie bereits in früheren Studien gezeigt wurde (z. B. Kobelt, 2008), gibt es jedoch keine Unterschiede hinsichtlich der Rückkehrmotivation ins Erwerbsleben und der subjektiv eingeschätzten Wichtigkeit der eigenen Berufstätigkeit. Damit bestätigen unsere Ergebnisse frühere Erhebungen, geben aber darüber hinaus Aufschluss über psychologische Faktoren wie Lebenszufriedenheit und Rückkehrpläne ins Erwerbsleben. Das starke Übergewicht ist ein Faktor, der sich zusätzlich auf Lebensstil und Gesundheit auswirkt. Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick Auf Grundlage der Wünsche, Erfahrungen und Pläne von EM-RentnerInnen lassen sich wichtige Empfehlungen für Angebote zu deren Wiedereingliederung ins Erwerbsleben ableiten. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen 94 Literatur Bürger, W., Glaser-Möller, N. Kulick, B. Pallenberg, C., Stapel, M. (2011): Stufenweise Wiedereingliederung zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung – Ergebnisse umfassender Routinedatenanalysen und Teilnehmerbefragungen. Die Rehabilitation, 50. 74-85. Hoefsmit, N., Houkes, I., Nijhuis, F.J.N. (2012): Intervention characteristics that facilitate return to work after sickness absence: a systematic literature review. J Occup Rehabil, 22. 462-477. Kobelt, A., Grosch, E., Hesse, B., Gebauer, E., Gutenbrunner, C. (2009): Wollen psychisch erkrankte Versicherte, die eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wieder ins Erwerbsleben eingegliedert werden? Psychosom Med Psychol, 59 (7). 273-280. Mika, T. (2013): Risiken für eine Erwerbsminderung bei unterschiedlichen Berufsgruppen. Bundesgesundheitsblatt, 56. 391-398. O’Neil, A., Sanderson, K., Oldenburg, B. (2010): Depression as a predictor of work resumption following myocardial infarction (MI): a review of recent research evidence. Health and Quality of Life Outcomes, 8 (95). 1-11. 95 Rückkehr zur Arbeit (Poster) Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach einer Wirbelsäulen-Operation Bosse, A. Orthopädie-Zentrum Bad Füssing Hintergrund Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerdebildern des menschlichen Bewegungssystems. Viele Arbeitsunfähigkeitstage und Arbeitsausfallzeiten verursachen enorme Kosten für das Gesundheitssystem. Bereits 2003 nahmen die durch Rückenbeschwerden entstandenen Arbeitsunfähigkeitskosten mit 65 Mrd. Euro 21,4 % des Gesundheitshaushalts ein (Wollweber, 2009). Bei Arbeitnehmern über 50 Jahren sind Beschwerden am Muskel-Skelett-System die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und der häufigste Frühberentungsgrund bei Männern (Baum, 2009). Ob bei Rückenbeschwerden eine Operation oder eine konservative Behandlung angebracht ist, sollte im Vorfeld genau analysiert werden (Hellum et al., 2012). Im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit bzw. Sport und Freizeit nach einer Erst-Operation an der Lendenwirbelsäule wurde im Orthopädie-Zentrum Bad Füssing (OZBF) in Zusammenarbeit mit 4 weiteren orthopädischen Rehabilitationskliniken eine Untersuchung mit stationären AHB-Patienten durchgeführt. Hypothese Die Arbeitsfähigkeit und das Sport-/Freizeitverhalten werden durch einen operativen Eingriff an der Wirbelsäule nicht eingeschränkt. Methodik Die 84 freiwilligen Studienteilnehmer (48,2 Jahre) wurden am Ende der stationären Anschlussheilbehandlung sowie 6 (t2) und 12 Monate (t3) nach Entlassung zu ihrer Arbeitsfähigkeit (WAI, SPE-Skala), zum Sport- und Freizeitverhalten (selbst formulierter Fragebogen) sowie zum Gesundheitszustand (SF-12, ODI) befragt. Eingeschlossen wurden folgende OP-Verfahren an der Lendenwirbelsäule: Nukleotomie (n=31), Interlaminäre Fensterung (n =21), Bandscheiben-Prothese (n=9), Spondylodese/Fusion/Cage (n=23). Für die Teilnehmerrekrutierung konnten zusätzlich zum OZBF 4 orthopädische Rehabilitationskliniken als Kooperationspartner gewonnen werden. Ergebnisse Die durch Rückenbeschwerden verursachten Arbeitsunfähigkeitstage haben sich 6 bzw. 12 Monate post AHB im Vergleich zur präoperativen Zeit höchst signifikant reduziert (p=0,000). Vor der OP waren die Teilnehmer durchschnittlich „10 bis 24 Tage“ arbeitsunfähig, zu t2 und t3 „höchstens 9 Tage“. 96 Bei 23,8 % (t2) bzw. 29,8 % (t3) der Teilnehmer ergab sich eine Änderung der beruflichen Situation. Die „innerbetriebliche Umsetzung“ wurde mit 50,0 % (t2) bzw. 56,5 % (t3) am häufigsten genannt. Die größten Einschränkungen bei der Berufsausübung wurden durch „Schmerzen“ (t2: n=41, t3: n=39) verursacht, gefolgt von „eingeschränkter Beweglichkeit“ (t2: n=38, t3: n=37) „mangelnder Kraft“ (t2: n=25, t3: n=16) und „Angst vor neuerlichen Beschwerden“ (t2: n=21, t3: n=22). 60 % der Teilnehmer wollten zu ihrem Sport zurückkehren oder eventuell zu einer weniger anspruchsvollen Sportart wechseln (insgesamt 55 %). Der Sportumfang pro Woche belief sich zu allen 3 Zeitpunkten auf durchschnittlich „1 bis 2 Stunden“. Nach der OP gaben 38,1 % „keine Veränderung“ des Sportverhaltens an, 32,1 % (t2) bzw. 22,6 % (t3) eine „Reduzierung von Umfang und/oder Intensität“. Die meisten Einschränkungen entstanden durch mangelnde Beweglichkeit (t2: n=40; t3: n=34), Angst (t2: n=27 bzw. t3: n=23) und Schmerzen (t2: n=25 bzw. t3: n=19). 75 % der Probanden wollten nach der Operation wieder ihren früheren Hobbys nachgehen oder auch ein weniger anspruchsvolles Hobby ausüben (40 %). Die „eingeschränkte Beweglichkeit“ war zu t2 und t3 mit jeweils 42 Nennungen der häufigste Grund für eine Einschränkung der Freizeitaktivitäten. Die körperliche Summenskala des SF-12 zeigte zwischen t1 und t2 (p=0,000) sowie zwischen t1 und t3 (p=0,000) eine höchst signifikante Verbesserung. Die Werte der psychischen Summenskala wurden zu t2 signifikant schlechter (p=0,039), verbesserten sich aber bis zu t3 wieder. Der prozentuale Behinderungsgrad (Oswestry Disability Index) reduzierte sich von 43,0 % (t2) auf 41,5 % (t3). Schlussfolgerung Die vorliegende Studie zeigte für die Kriterien Arbeitsfähigkeit sowie Sport- und Freizeitverhalten insgesamt eine positive Entwicklung nach einem operativen Eingriff an der Lendenwirbelsäule in einem Zeitraum bis 12 Monate nach der stationären Anschlussheilbehandlung. Für Aussagen über die längerfristige Entwicklung wären Untersuchungen mit noch längerem Nachbeobachtungszeitraum wünschenswert. Förderer: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd Literatur Baum, D.S. (2009): Versorgungsstrategien von Wirbelfrakturen des thorakolumbalen Übergangs – Grenzen der alleinigen dorsalen Stabilisierung. Medizinische Fakultät der GeorgAugust-Universität Göttingen. Hellum, C., Johnsen, L.G., Gjertsen, Ö., Berg, L., Neckelmann, G., Grundnes, O., Rossvoll, I., Skouen, J.S., Brox, J.I., Storheim, K. (2012): Predictors of outcome after surgery with disc prothesis and rehabilitation in patients with chronic low back pain and degenerative disc: 2-year follow-up. Eur Spine J, 21. 681-690. Wollweber, N. (2009): Individueller Umgang mit dem Problem Arbeitsunfähigkeit bei ambulanten Patienten. Medizinische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 97 Welche Bedeutung hat die klinikspezifische Empfehlungsquote zur stufenweisen Wiedereingliederung auf die Rückkehr der Rehabilitanden an den Arbeitsplatz? Schmid, L. (1), Jankowiak, S. (1), Kaluscha, R. (1), Krischak, G. (1, 2) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Einleitung Eine stufenweise Wiedereingliederung wird häufig bereits während der medizinischen Rehabilitation mit der Angabe einer entsprechenden Nachsorgeempfehlung im Entlassungsbericht eingeleitet. In einer zuvor durchgeführten Untersuchung konnte gezeigt werden, dass sich die Empfehlungsquoten bei vergleichbarer Patientenklientel zwischen den Einrichtungen teils deutlich unterscheiden. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass Einrichtungen in der Aussprache einer Empfehlung unterschiedliche Kriterien heranziehen (Schmid et al., 2014). Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die unterschiedlichen Kriterien zur Aussprache einer Empfehlung in den Einrichtungen auf die erfolgreiche Rückkehr der Rehabilitanden an den Arbeitsplatz auswirken. Methodik Grundlage dieser Untersuchung bildet eine anonymisierte Version der Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV-BW). Diese enthält alle Rehabilitationsleistungen der DRV-BW im Zeitraum von 2005 bis 2012. In diese Untersuchung wurden ausschließlich erwerbstätige Rehabilitanden im Alter von 18–64 Jahren mit einer Erkrankung der ICD-Diagnosegruppe M „Bewegungsapparat und Bindegewebe“ eingeschlossen. Um aussagekräftige Ergebnisse zu gewährleisten, wurden zudem nur Einrichtungen berücksichtigt, die im Untersuchungszeitraum mindestens 1.000 Rehabilitanden der DRV-BW behandelten. Zur Analyse der Auswirkung der Empfehlungsquote auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz wurde eine logistische Regression mit der Zielgröße „zurückgekehrt“ vs. „nicht zurückkehrt“ berechnet. Als „zurückgekehrt“ wurden all diejenigen gewertet, die im 12. Monat nach Rehabilitationsende sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Als Maß für die Höhe der Empfehlungsquote einer Einrichtung wurden die klinikbezogenen Schätzer aus einer zuvor berechneten Regressionsanalyse zur Vorhersage der Aussprache einer Empfehlung herangezogen (Schmid et al., 2014). Diese bilden ein um Patientenmerkmale adjustiertes Maß für die Höhe der Empfehlungsquote. Die Kliniken wurden anhand ihrer Schätzer in 3 Gruppen eingeteilt (<1. Quartil = niedrig; 1.–3. Quartil = mittel; >3.Quartil = hoch). Ergebnisse In der vorliegenden Untersuchung konnten die Daten von 110.244 Rehabilitanden aus 38 Rehabilitationseinrichtungen berücksichtigt werden. In der Stichprobe befanden sich mit 68,04 % (n=75.008) deutlich mehr Männer als Frauen. Das Durchschnittsalter der Rehabili98 tanden lag bei 49,7 Jahren. Im 12. Monat nach der medizinischen Rehabilitation waren 77,71 % (n=85.666) der Rehabilitanden wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt. Die Kliniken mit niedriger Empfehlungsquote (10 Kliniken mit 36.789 Rehabilitanden) sprachen durchschnittlich 3,3 % ihrer Rehabilitanden eine entsprechende Empfehlung aus, während in der mittleren Klinikgruppe (18 Kliniken mit 64.260 Rehabilitanden) bei 5,3 % der Rehabilitanden eine stufenweise Wiedereingliederung angeregt wurde. In der Klinikgruppe mit hoher Empfehlungsquote (10 Kliniken mit 9.195 Rehabilitanden) betraf dies durchschnittlich 12,7 % der Rehabilitanden. Unter Einschluss von Patientenmerkmalen und der auf Basis der adjustierten Empfehlungsquote festgelegten Gruppenzugehörigkeit der Kliniken wurden Regressionsanalysen zur Vorhersage der Rückkehr an den Arbeitsplatz durchgeführt. Hier zeigten sich keine Effekte der Gruppenzugehörigkeit auf die Zielgröße (Modellgüte: c=0,773). Weitere, im Rahmen von Sensitivitätsanalysen durchgeführte Regressionen ergaben ebenfalls keine klaren Effekte der Empfehlungsquote auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Diskussion In den Regressionsanalysen konnte kein Effekt der um Patientenmerkmale adjustierten Höhe der Empfehlungsquote auf die erfolgreiche Rückkehr der Rehabilitanden an den Arbeitsplatz nachgewiesen werden. Eine höhere Empfehlungsquote und damit ein höherer Anteil an Rehabilitanden, die eine stufenweise Wiedereingliederung absolvieren, geht folglich nicht mit einer entsprechend verbesserten Rückkehr an den Arbeitsplatz einher. Mögliche Erklärungen für dieses Ergebnis wären Ungleichverteilungen bei nicht in den Routinedaten abgebildeten, aber relevanten Patientenmerkmalen oder die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung auch bei solchen Rehabilitanden, die womöglich nicht von dieser Maßnahme profitieren. Literatur Schmid, L., Kaluscha, R., Groß, M., Krischak, G. (2014): Anregungen zur stufenweisen Wiedereingliederung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben? Welche Unterschiede existieren dabei zwischen den Rehabilitationseinrichtungen? DRV-Schriften, Bd. 103. 95-97. 99 Assessmentinstrumente Entwicklung eines Screeningverfahrens für die Beschwerdenvalidierung von Erkrankungen mit depressiver Symptomatik Walter, F. (1), Petermann, F. (1), Kobelt, A. (1, 2) (1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen Hintergrund Die Begutachtung von psychischen Störungen stellt eine Herausforderung dar, da es durch Fehlerquellen zu Verzerrungen in der Beschwerdedarstellung kommen kann (Dohrenbusch et al., 2011). Bisherige Verfahren sind meist transparent, dadurch ist die Intention des Fragebogens für den Patienten durchschaubar. Es fehlen validierte Beschwerdenvalidierungstests (BVT) für die Patienten in der sozialmedizinischen Begutachtung, um etwaige negative Antwortverzerrungen zu erfassen. Studien (Walter et al., 2013) zeigen, dass sich instruierte Simulanten (IS) in ihrem Antwortverhalten in Symptomfragebögen von Depressiven dahin gehend signifikant unterscheiden, dass die IS zu Extremantworten und Übergeneralisierungen neigen, in ihrem Antwortprofil jedoch eine Varianz zeigen. Die Ergebnisse lieferten Erkenntnisse für die Entwicklung eines BVT. Methodik Für die Erfassung von negativen Antwortverzerrungen liegt kein Goldstandard vor, daher wurde sich für Konstruktion (K) und Validierung (V), für ein Analogstudiendesign entschieden. Gesunde Teilnehmer (Depression: K: n=60; V=100; Schmerz: K: n=50; V=90) sollten auf der Grundlage eines Szenarios eine Depression oder Schmerzstörung im BVT vortäuschen. Ihr Aufgabenverständnis wurde durch 2 Fragebögen kontrolliert. Zudem füllten eine Kontrollgruppe (K: n=78; V: n=89), depressive Patienten (KS: n=58; VS=162) sowie Schmerzpatienten (KS: N=34; VS=46) nach ihren derzeitigen psychischen Befinden die Fragebogen aus. Die Rekrutierung fand mittels Pressemitteilungen (gesunde Teilnehmer) sowie in psychiatrischen Kliniken und in Rehabilitationskliniken (Patienten) statt. Die Depressivität wurde anhand des BDI-II (Hautzinger et al., 2009) erhoben. Ausgeschlossen wurden depressive Patienten mit einem Summenwert unter 20, gesunde Teilnehmer mit einem Summenwert über 19 sowie Schmerzpatienten mit einem Summenwert unter 14. Ergebnisse Mithilfe von paarweisen Bonferroni-post-hoc-Analysen in der Konstruktionsstichprobe konnten signifikante Unterschiede von 53 der 76 Items zwischen den Gruppen IS, Patienten bzw. gesunde Kontrollgruppe gezeigt werden. Durch eine anschließende ROC-Analyse wurde ein Cut-Off-Wert von 105 für die depressiven Patienten bestimmt. In der Validierungsstichprobe wurden bei dieser Gruppe 76 % korrekt als Teilnehmer mit negativen Antwortverzerrungen erkannt, wobei 95 % korrekt als Teilnehmer ohne negative Antwortverzerrungen erkannt wurden. Die ROC-Analyse für die Schmerzpatienten ergab einen Cut-Off-Wert von 77. In der Va- 100 lidierungsstichprobe wurden bei dieser Gruppe 87 % korrekt als Teilnehmer mit negativen Antwortverzerrungen erkannt, wobei 93 % korrekt als Teilnehmer ohne negative Antwortverzerrungen erkannt wurden. Die Reliabilitätsanalyse ergab ein Cronbach’s alpha = .97. Diskussion Das entwickelte Screening weist eine gute Reliabilität sowie Sensitivität und Spezifität auf. Die Autoren zeigen auf, dass der Fragebogen Unterschiede in der Beschwerdedarstellung zwischen IS und Patienten messen kann und somit geeignet scheint, um negative Antwortverzerrungen zu messen. Ausblick Gutachter bzw. Kliniker sind im diagnostischen Prozess für das Stellen einer Diagnose oder die Einschätzung der Leistungsfähigkeit auf die Beschwerdedarstellung der Patienten angewiesen. Das Screening kann für das Messen etwaiger negativer Antwortverzerrungen genutzt werden, um den Diagnostiker in seinem Entscheidungsprozess zu unterstützen. Zusätzliche Validierungsstudien mit einem Known-Group-Design sind nötig, um den Fragebogen in einer realitätsnäheren Stichprobe zu überprüfen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover Literatur Dohrenbusch, R., Henningsen, P., Merten, T. (2011): Die Beurteilung von Aggravation und Dissimulation in der Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen. Versicherungsmedizin, 63. 81-85. Hautzinger, M., Keller, F., Kühner, C. (Hrsg.) (2009): Beck-Depressions-Inventar (BDI-II). Revision (2. Aufl.). Frankfurt: Pearson Assessment. Walter, F., Petermann, F., Dietrich, D.E., Kobelt, A. (2013): Wie können Beschwerden im Rahmen der medizinischen Rehabilitation validiert werden?. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 23. 334-340. Psychische Belastung in der Rehabilitation – der Nutzen von Verfahren aus der SCL-90-Familie Franke, G.H. Hochschule Magdeburg-Stendal, Rehabilitationspsychologie Hintergrund und Fragestellung Die psychische Belastung ist ein Kernkonstrukt in Rehabilitation und Psychotherapie, denn in beiden Fällen ist es Aufgabe der (Rehabilitations-)Psychologie, sie zu erfassen (= messen), durch Interventionen zu reduzieren sowie diesen Effekt zu belegen (= evaluieren). Weltweit wird die psychische Belastung recht häufig mit Verfahren aus der Familie der Symptomchecklisten erfasst, deren Entwicklung auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die Möglichkeiten und Grenzen im Einsatz von SCL-90®-S, BSCL-53 und BSI-18 in Rehabilitation und Psychotherapie werden anhand aktueller Norm-, Vergleichs- und Patientendaten diskutiert. 101 Ergebnisse Im deutschsprachigen Raum begann der Einsatz von Verfahren aus der SCL-90-Familie zur Erfassung der psychischen Belastung der vergangenen 7 Tage in der Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die 90 Fragen umfassende Symptomcheckliste wird vor allem in psychosomatisch-psychotherapeutischer Rehabilitation eingesetzt. Im Einzelnen werden die Skalen Aggressivität/Feindseligkeit (AGGR), Ängstlichkeit (ANGS), Depressivität (DEPR), Paranoides Denken (PARA), Phobische Angst (PHOB), Psychotizismus (PSYC), Somatisierung (SOMA), Unsicherheit im Sozialkontakt (UNSI) und Zwanghaftigkeit (ZWAN) sowie 3 globale Kennwerte ausgewertet. Aktuelle, bevölkerungsrepräsentative Norm- (N1=2.025) sowie Vergleichsdaten von Studierenden (N2=1.0161), einer nach dem Schneeballprinzip erhobenen Zufallsstichprobe (N3=389), von stationären Psychotherapie(P1=1.263) und orthopädischen Rehabilitationspatienten (P2=237) zeigen befriedigende, gute bis sehr gute Belege (Tab. 1). Normwerte liegen aus N1 (16–75 Jahre, Erhebung 2011 bis 2012) sowie aus N2 vor. Inhaltliche stimmige Korrelationen mit korrespondierenden Verfahren sprechen für die Validität der SCL-90®-S (Franke, 2014). Skala N1 N2 N2-1 N3 P1 P2 N=2.025 N=1.061 N=76 N=398 N=1.263 N=237 r(tt) AGGR ,78 ,76 ,79 ,77 ,76 ,76 ANGS ,88 ,86 ,74 ,86 ,87 ,91 DEPR ,91 ,90 ,82 ,89 ,89 ,92 PARA ,82 ,76 ,86 ,82 ,81 ,85 PHOB ,78 ,81 ,86 ,86 ,87 ,82 PSYC ,85 ,81 ,79 ,81 ,80 ,85 SOMA ,85 ,82 ,78 ,85 ,86 ,89 UNSI ,87 ,83 ,87 ,86 ,88 ,90 ZWAN ,88 ,85 ,83 ,88 ,88 ,91 GSI ,98 ,97 ,88 ,98 ,97 ,98 Tab. 1: Cronbachs und Test-Retest-Reliabilität r(tt) der Skalen der SCL-90®-S bei N1 (N=2.025, bevölkerungsrepräsentative Eichstichprobe), N2 (N=1.061, studentische Normstichprobe), N3 (N=389, Schneeball), P1 (N=1.263, Psychotherapieklienten) sowie P2 (N=237, Orthopädiepatienten). Die Notwendigkeit der Erhebung weiterer rehabilitationspsychologischer Konstrukte, aus Gründen der Qualitätssicherung, führt zum Einsatz der 53 umfassenden Kurzversion (BSCL-53 oder auch BSI), mit den gleichen, verkürzten 9 Skalen und globalen Kennwerten. Die BSCL-53 wird bei Rehabilitationspatienten und oft bei chronisch niereninsuffizienten sowie -transplantierten Patienten eingesetzt; aktuelle Norm- und Vergleichsdaten werden diskutiert (Franke, 2015). In jüngster Zeit steigt das Interesse am Einsatz des nur 3 Skalen (SOMA, DEPR, ANGS) umfassenden BSI-18 (Franke et al., 2010, 2011; Spitzer et al., 2011) in Rehabilitation und Psychotherapie. 102 Diskussion und Schlussfolgerungen Neben den üblichen Messfehlergrenzen findet sich die bekannte Problematik der Replikation der 9 SCL-90-Skalen auch bei der BSCL-53, deutlich weniger aber beim BSI-18; was dort auf die geringe Skalenanzahl zurückgeführt werden kann. Verfahren aus der Familie der Symptomchecklisten sind populär und werden weltweit in einem breiten Spektrum klinischer Forschung und Anwendung als Screening- und Outcome-Instrumente genutzt. Für die Individualdiagnostik eignet sich, aufgrund der Informationsvielfalt sowie der guten Reliabilitätswerte, besonders die SCL-90®-S. Für Screening-Untersuchungen kann sowohl auf BSCL-53 (BSI) als auch auf BSI-18 zurückgegriffen werden. Literatur Franke, G.H. (2014): SCL-90®-S. Symptom-Checklist-90®-Standard – Manual. Göttingen: Hogrefe. Franke, G.H. (2015): BSCL-53®-S. Brief Symptom-Checklist – Standard – Deutsches Manual. Göttingen: Hogrefe, in Vorbereitung. Franke, G.H., Ankerhold, A., Haase, M., Jäger, S., Tögel, C., Ulrich, C., Frommer, J. (2011): Der Einsatz des Brief Symptom Inventory 18 (BSI-18) bei Psychotherapiepatienten. Psychosomatik, Psychotherapie, medizinische Psychologie, 61, 82-86. Franke, G.H., Jäger, S., Morfeld, M., Salewski, C., Reimer, J., Rensing, A., Witzke, O., Türk, T. (2010): Eignet sich das BSI-18 zur Erfassung der psychischen Belastung von nierentransplantierten Patienten? Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 19, 30-37. Spitzer, C., Hammer, S., Löwe, B., Grabe, H., Barnow, S., Rose, M., Wingenfeld, K., Freyberger, H., Franke, G.H. (2011): Die Kurzform des Brief Symptom Inventory (BSI-18): Erste Befunde zu den psychometrischen Kennwerten der deutschen Version. Fortschritte Neurologie Psychiatrie, 79. 517-523. RiRes – Patienten- und Therapeuteneinschätzung zu Risiken und Ressourcen für den Behandlungs(miss)erfolg in der psychosomatischen Rehabilitation Brütt, A.L., Magaard, J., Niedrich, J., Schulz, H. Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Hintergrund Bisher profitieren nicht alle Patienten gleichermaßen von der stationären psychosomatischen Rehabilitation. Wird die Reduktion der Symptomatik als Kriterium herangezogen, können krankheitsbedingte Variablen wie der Schweregrad der Erkrankung und Beeinträchtigung, aber auch die Motivation und Arbeitsunfähigkeitszeiten den Erfolg der Behandlung vorhersagen (Lange et al., 2012). Mit der Orientierung an der ICF rücken vermehrt Rehabilitationsziele und damit Erfolgskriterien in Bezug auf Aktivitäten und Teilhabe in den Vordergrund, zudem wird die Bedeutung der umwelt- und personbezogenen Faktoren, die einen Behandlungserfolg erschweren oder fördern, hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund soll103 ten in unserem Projekt Kontextfaktoren genauer untersucht und ihr Zusammenhang mit teilhabeorientierten Rehabilitationsoutcomes geprüft werden. In der ersten Projektphase wurde eine Risiko- und Ressourcenliste (RiRes) entwickelt, die Fragen zum sozialen- und Arbeitsumfeld, zur beruflichen Perspektive, zum Umgang mit der Erkrankung und zu Erwartungen an die Behandlung sowie persönliche Angaben umfasst. Ziel der 2. Projektphase war es, die Patientenversion und die Therapeutenversion der RiRes hinsichtlich ihrer prognostischen Validität zu überprüfen. Methodik Dazu wurden n=712 Patienten sowie ihre Therapeuten mit den entsprechenden RiRes-Versionen (Patientenversion (RiRes-P): 20 Items, Therapeutenversion (RiRes-T): 10 Items) zu Behandlungsbeginn befragt. Zudem wurden Daten zur psychosozialen Gesundheit (HEALTH-49; Rabung et al., 2009) und zu Beeinträchtigungen in Aktivitäten und Teilhabe (ICF-PsychA&P; Brütt et al., 2014) zu 3 Messzeitpunkten (Behandlungsbeginn, Behandlungsende, 6-Monats-Follow-up) erhoben. Zur Vorhersage wurden lineare Regressionen berechnet, außerdem wurden Cut-off-Werte mittels ROC-Analysen bestimmt. Ergebnisse Mit den 20 Items der Patientenversion der RiRes können 36 %bzw. 39 %, mit der Therapeutenversion 13 % der Varianz im ICF-PsychA&P-Gesamtwert zum Follow-up erklärt werden. Außerdem wurden 3 Möglichkeiten zur Auswertung der Patientenversion der RiRes sowie zur Definition von Cut-off-Werten als Grundlage für therapeutische Empfehlungen abgeleitet. Wird ein Summenscore (Range: 0 bis 60) aus den 20 Items der RiRes-P gebildet, so werden 66 % der Patienten mit einem ungünstigen ICF-PsychA&P-Follow-up-Wert bei einem Cut-Off-Wert von 24 identifiziert (Sensitivität), jedoch sind auch „falsch Positive“ (1-Spezifität) zu erwarten. Dies spiegelt sich auch in dem berechneten Youden-Index von 0,33 wider. Diskussion In diesem Projekt entstanden die Patienten- und die Therapeutenversion der RiRes, die Fragen zu umweltbezogenen (soziales- und Arbeitsumfeld, beruflichen Perspektive) sowie personbezogenen Faktoren (Umgang mit der Erkrankung, Erwartungen an die Behandlung, persönliche Angaben) enthalten. Mit der RiRes-P können die Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der Teilhabe sechs Monate nach Behandlungsende mit einer Varianzaufklärung von bis zu 39 Prozent vorhergesagt werden. Anhand der identifizierten Cut-off-Werte kann zudem das Risiko für einen Patienten mit späterem ungünstigerem Verlauf gezielter eingeordnet werden. Ausblick Auf Basis dieser RiRes-Versionen könnten Behandlungsempfehlungen ausgesprochen und Interventionen zugewiesen oder gegebenenfalls speziell für diese Gruppen entwickelt werden, um auch denjenigen Patienten, die bisher nicht nachhaltig von der psychosomatischen Rehabilitation profitierten, eine möglicherweise effektivere Behandlung anbieten zu können. Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, MecklenburgVorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr) 104 Literatur Brütt, A.L., Schulz, H., Andreas, S. (2014): Replikation der psychometrischen Gütekriterien des ICF-PsychA&P. Die Rehabilitation. doi: 10.1055/s-0034-1384600. Lange, M., Franke, W., Petermann, F. (2012): Wer profitiert nicht von der psychosomatischen Rehabilitation? Die Rehabilitation; 51. 392-397. Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U., Wittchen, H.U., Schulz, H. (2009): Psychometrische Überprüfung einer verkürzten Version der „Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis“ (HEALTH-49). Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55. 162-179. Die SCSC-Skala zur Erfassung der Stressbewältigungsstrategien Selbstpflege und Verausgabungsbereitschaft Otto, J. (1), Linden, M. (1, 2) (1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am RehaZentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow/Berlin Hintergrund Psychosomatische Rehabilitanden berichten häufig über verminderte Belastbarkeit und Überforderungserleben aufgrund von Stress, was sich meist nicht auf außergewöhnliche, sondern eher lebensübliche Ereignisse bezieht. Dies kann als Ausdruck einer reduzierten Stressbewältigungsfähigkeit verstanden werden und ein wichtiges Therapieziel darstellen. Je nach Patientenhaltung, und -erwartung, aber auch vorhandener Ressourcen sind therapeutisch differente Schwerpunkte zu setzen. Im Hinblick auf die zu erlernenden Strategien lässt sich zwischen Selbstpflege bzw. Regenerationsorientierung, sowie Verausgabungsbereitschaft im Sinne einer „Resilienzorientierung“ unterscheiden. Beide lassen sich den störungsübergreifenden Ansatz der Salutotherapie zuordnen (Linden, Weig, 2009). Zur Messung der Einstellung und Anwendung beider Strategien wurde die SCSC-Skala entwickelt, welche die oben genannten Dimensionen Selbstpflege („Self-Care“) und Selbstherausforderung („Self-Challenge“) beinhaltet. Der erste Aspekt beinhaltet, inwieweit die Befragten bei Belastungen Schon- und Genussverhaltensweisen als wichtig erachten und therapeutisch mithilfe von Aufmerksamkeitslenkung/Ablenkung, Aufbau angenehmer Aktivitäten, Genussfähigkeit, Spiritualität oder der Verbesserung des ersten Eindrucks bearbeitet werden kann (Linden, Weig, 2009). Eine Alternative ist die Förderung der Verausgabungsbereitschaft, d. h. der Widerstandsfähigkeit, Hardiness oder Distresstoleranz (Zvolensky et al, 2011; Kobasa, 1979), welche der zweiten Dimension zuzuordnen ist. Konkret wird hingegen das Ausmaß der Einstellung bei Belastungen und negativer subjektiver Befindlichkeit an einer konsequenten Zielerreichung zu arbeiten und handlungsfähig zu bleiben, erfasst. Anders als mit dem Fragebogen zu Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuter (AVEM, Schaarschmidt, Fischer, 1996/2003) werden mit diesem Instrument gezielt Einstellungen und Strategien zur aktiven Selbstpflege und Selbstherausforderung im Umgang mit 105 allgemeinen (und nicht berufsbezogenen) Belastungen gemessen. In der Selbstpflegedimension finden sich darüber hinaus genussorientierte Verhaltensweisen, was über die Dimension „Resignationstendenz“ im AVEM hinausgeht. Darüber hinaus erlaubt die Kürze des Instruments eine zeitökonomischere Durchführung. Es werden erste Daten berichtet, mit Schwerpunkt von itembezogenen deskriptiven Kennwerten und psychometrischen Gütekritierien. Methodik Aus einem größeren Itempool wurde im Rahmen von Vorerhebungen an 58 Patienten und mittels statistischer Item- und Faktorenanalysen eine Skala mit 2-mal 10 Items entwickelt. (Otto, Linden, 2014). Das Rating erfolgt 5-stufig von 1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimme voll und ganz zu“. In die vorliegende Untersuchung wurden 342 Patienten einbezogen (67,5 % Frauen, Altersmittel 49,8 Jahre), welche die SCSC-Skala und die SCL-90 im Rahmen der Routinediagnostik einer psychosomatischen Reha-Klinik beantworteten. Ergebnisse Es fand sich für die Patientengruppe eine mittlere Ausprägung von 3,35 (Range: 1–5, SD=0.79) für Regenerationsorientierung/Selbstpflege und 3.43 (Range: 1–5, SD=0.69) für Verausgabungsbereitschaft/Selbstherausforderung. Die Mittelwerte der Einzelitems der Skala Regenerationsorientierung schwankten von 2.55 bis 4.37 und für Verausgabungsbereitschaft von 2.96 bis 3.82. Cronbachs Alpha als Reliabilitätsschätzer zeigte sehr gute Werte von 0.85 für Regenerationsorientierung und 0.82 für Verausgabungsbereitschaft. Es fanden sich signifikante negative Zusammenhänge von Regenerationsorientierung mit allen Skalen der SCL-90, sowie signifikante negative Zusammenhänge von Verausgabungsbereitschaft mit „Unsicherheit im Sozialkontakt“, „phobischer Angst“ und „Psychotizismus“ und ein signifikant negativer Zusammenhang mit der Intensität der Antworten in der SCL-90. Geschlecht oder Alter der Befragten hatten keinen Einfluss auf das Antwortverhalten. Diskussion und Schlussfolgerungen Die vorliegenden Daten zeigen, dass das Instrument Regenerationsorientierung und Verausgabungsbereitschaft differentiell und reliabel zu messen erlaubt. Der Fragebogen hat sich im klinischen Einsatz als hilfreich erwiesen, um im Therapieplanungsprozess entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Weitere Untersuchungen werden den Zusammenhang dieser Stressbewältigungsorientierungen mit unterschiedlicher Psychopathologie und im Verlauf gezielter therapeutischer Interventionen, sowie im Hinblick auf die Veränderbarkeit untersuchen müssen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Kobasa, S. (1979): Stressful Life Events, Personality, and Health: An Inquiry Into Hardiness. Journal of Personality and Social Psychology, 37/1. 1-11. Linden M, Weig W (Hrsg.): Salutotherapie. Deutscher Ärzteverlag, Köln 2009. 106 Otto, J., Linden, M. (2014): Die DIRE-Skala (Umgang mit Distress durch Resilienz- und Regenerationsorientierung). Posterpräsentation auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Berlin. Schaarschmidt, U., Fischer, A. (1996/2003): AVEM – Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster. Handanweisung. Frankfurt: Swets & Zeitlinger. Computerform: Mödling b. Wien: Schuhfried. Zvolensky, M.J., Leyro, T.M., Bernstein, A., Vujanovic, A.A. (2011): Historical Perspektives, Theory, and Measurement of Distress Tolerance. In Distress Tolerance: Theory, Research and Clinical Applications. The Guilford Press. New York, London. 3-27. Scheidegger Reha-Ziel-Erfassungsbogen – verbessertes Reha-ZielAssessment und Screeningmethode zur Detektion und Analyse spezifischer Folgestörungen und Etablierung therapeutischer Behandlungskonzepte in der onkologischen Rehabilitation Hass, H.G. Paracelsus-Klinik Scheidegg Hintergrund Die Erfassung von individuellen Reha-Zielen ist seit Jahren zentraler Bestandteil im Rehabilitationsprozess (Vogel et al., 1994). Ziele sind neben einer mit dem Rehabilitanden abgestimmten Therapie auch die praktische Umsetzung der ICF. Des Weiteren soll durch eine Festlegung von Zielen deren Erreichbarkeit bzw. der Erfolg der Therapie objektiviert und der Rehabilitand besser zur langfristigen Mitarbeit motiviert werden (Locke, Latham, 2002). Allerdings erscheinen standardisierte Ziel-Assessment-Instrumente häufig zu allgemein und nur bedingt auf spezifische Patientengruppen übertragbar. Durch neue Operationsmethoden und onkologische Medikamente zeigt sich gerade in der onkologischen Rehabilitation ein deutlicher Wandel von Therapie-bedingten Folgestörungen (Lymphödeme, Polyneuropathie, Hauttoxizität, Verdauungsstörungen etc.). Diese neuen Therapieformen können daher die individuellen Reha-Ziele onkologischer Patienten beeinflussen. Des Weiteren – so die Hypothese – kann durch eine Erfassung von typischen, standardisierten Reha-Zielen zukünftig die Rehabilitation und das therapeutische Angebot besser auf die Bedürfnisse der Rehabilitanden abgestimmt sowie eine quantitative Veränderung von Therapie-bedingten Folgestörungen für die Versorgungsforschung besser erfasst werden. Methoden In aktuellen, mit der Universität Würzburg durchgeführten retrospektiven Studien wurde das Vorkommen von Therapie-induzierten Folgestörungen in den 3 onkologischen Schwerpunktbereichen der Klinik (Brustkrebs, gynäkologische und gastrointestinale Onkologie) evaluiert (Hass et al., 2013; Zabieglinski et al., 2013) und anhand der Daten ein seit Jahren etabliertes Reha-Ziel-Assessment (Mehnert, Koch, 2006) v. a. um spezifische, somatische Reha-Ziele (z. B. Arthralgien, PNP, Schlaf- und Ernährungsstörungen) erweitert. Der neu 107 konzipierte Ziel-Assessmentbogen umfasst nun 23 spezifische Reha-Ziele (vormals 19) in 4 Unterkategorien (somatische, psychische, informative und berufsorientierte Ziele). Der ZielErfassungsbogen wurde in einer Pilotphase bei 500 Patienten eingesetzt, als Kontrolle diente ein Vergleich mit 100 Patienten, welche zu Reha-Beginn mit dem etablierten Ziel-Assessment befragt wurden. Ergebnis Gegenüber dem etablierten Assessment wurden mithilfe des neuen Ziel-Erfassungsbogens signifikant mehr Ziele (v. a. im somatischen Bereich) angegeben (7,1 Ziele vs. 5,8 Ziele; p=0,02). Demgegenüber nahm die zusätzlich mögliche Angabe von freien, individuellen Therapiezielen signifikant ab (12 % vs. 4,2 %; p=0.008). Somatische Ziele wurden von allen Patienten angegeben, gefolgt von Zielen aus der Kategorie „Informative Ziele“ (80,1 %), „Psychische Ziele“ (66,8 %) und „berufs-orientierte Ziele“ (53,1 %). Das am häufigsten angegebene Reha-Ziel war „Steigerung der (körperlichen) Kraft“ mit 86,9 %. Als zweithäufigstes Ziel wurde das neu aufgenommene Ziel „Verbesserung von Gelenkbeschwerden“ in 60,8 % angegeben, gefolgt von „Linderung von Schlafstörungen“ (36,9 %). Weitere, via. Therapie-bedingte somatische Reha-Ziele s. Abbildung. 100 86,9 80 60,8 60 36,9 40 32,6 23,9 20 17,4 15,2 13 uu ng Ve rd a LÖ Sc hm er ze n Kl im ak te riu m PN P n ru n ge en al gi Sc hl af st ö Ar th r Kr af t/L ei st un g 0 Abb. 1: Häufige somatische Reha-Ziele in der onkologischen Rehabilitation Generell bildeten die von den Patienten angegebenen Reha-Ziele sehr deutlich die in den retrospektiven Studien quantitativ erfassten, Therapie-bedingten Folgestörungen (z. B. Vorkommen von Lymphödemen und PNP) ab. Des Weiteren konnten so den evaluierten Patienten die schon etablierten Therapie-Konzepte und Behandlungspfade besser angeboten werden (z. B. Scheidegger Schmerz-, Adipositas-Konzept) 108 Zusammenfassung Mit dem neu konzipierten Reha-Zielbogen lassen sich spezifischer Reha-Ziele, welche eine hohe Korrelation mit den zugrunde liegenden, Therapie-bedingten Folgestörungen aufweisen, erfassen. Anhand der so zu Beginn erhobenen Daten sollen die schon etablierten Behandlungspfade verbessert sowie neue Therapieangebote (z. B. zum Thema „Schlafstörungen“) etabliert werden. Des Weiteren eignet sich der Bogen – n. M. der Autoren – zur Evaluation typischer, Therapie-bedingter Folgestörungen im Rahmen der Versorgungsforschung. Literatur Vogel, H., Tuschhoff, T., Zillessen, E. (1994): Die Definition von Reha-Zielen als Herausforderung an die Qualitätssicherung. Deutsche Rentenversicherung 49 (11). 751-765. Locke, E.A., Latham, G.P. (2002): Building a practically useful theory of goal setting and task motivation. A 35-year odyssey. Am Psychol. 57/9. 705-17. Hass, H.G., Kunzmann, V., Rinas, N. (2013): Somatische Folgestörungen und Rehabilitationsbedarf bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom – Unicenter-Erfahrungen bei 165 Patientinnen im Rahmen einer retrospektiven Studie. GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2: Doc03 (20130926). Zabieglinski, T., Kunzmann, V., Hass, H.G. (2013): Influence of tumorbiology and subclassification of breast cancer for posttherapeutic impairment and rehabilitation. 13th St. Gallen Breast Cancer Conference 2013, Abstract P255. Mehnert, A., Müller, D., Lehmann, C., Koch, U. (2006): Die deutsche Version des NCCN Distress-Thermometers. Empirische Prüfung eines Screening-Instruments zur Erfassung psychosozialer Belastung bei Krebspatienten. Z Psychiatr Psychol Psychother 54 (3), 2006. 213–223. Können Mitarbeiter oder Patienten voraussagen, ob sich die 6-MinutenGehstrecke bei einem Wiederholungs-6-Minuten-Gehtest relevant verbessert? Wingart, S. (1), Lehbert, N. (1), Sachse, C. (1), Leithäuser, A. (1), Wittmann, M. (1), Jelusic, D. (1), Schuler, M. (2), Schultz, K. (1) (1) Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie, Fachbereich Pneumologie, (2) Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Abteilung für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg Hintergrund Der 6-Minuten-Gehtest (6MGT) ist eine zentrale diagnostische Maßnahme der pneumologischen Rehabilitation. Ein Wiederholungs-6-Minuten-Gehtest (W-6MGT) zu Beginn und Ende einer Intervention wird in der Literatur zunehmend gefordert, um Ergebnisverfälschungen durch Lerneffekte zu minimieren (Hernandes et al., 2011; Chandra et al., 2012), würde jedoch einen erheblichen personellen Mehraufwand bedeuten. Als relevant werden Unter109 schiede von ≥10 % Differenz zwischen beiden Gehtests angesehen (Puhan et al., 2008). Im eigenen Patientengut an 502 COPD-Patienten (Wingart et al., 2014) zeigte sich bei der Durchführung von einem oder zwei 6MGT kein Unterschied in der mittleren Verbesserung () der 6-Minuten-Gehstrecke (6MGS) am Ende der Reha ( jeweils 1. Test: T0 T1 = 81,7 m, jeweils bester von 2 Tests: T0 T1 = 81,3 m). Zu T0 war der W-6MGT jedoch bei 16,1 % der Patienten relevant (um ≥10 %) besser als der erste (zu T1 in 10,8 %). Dies kann im Einzelfall wichtig sein. In dieser Studie wird nun geprüft, ob erfahrene 6MGT-Mitarbeiter oder die Patienten voraussagen können, ob ein W-6MGT relevant besser sein wird. Methode Zu Beginn (T0) und Ende (T1) der Reha erfolgten bei 273 konsekutiven COPD-Patienten je zwei 6MGT im Abstand von 1 Stunde. Nach dem jeweils 1. Gehtest erfolgte eine standardisierte Befragung anhand einer 5-stufigen Antwortskala („Glauben Sie, dass der zweite Test mindestens 10 % besser sein wird?“). Neben der Darstellung der Antworthäufigkeit wurden Sensitivität, Spezifität, negativer und positiver Vorhersagewert berechnet. Ergebnisse In Abb. 1 ist die Antworthäufigkeit auf die Frage nach einer 10%igen Verbesserung beim W-6MGT bei den Patienten, mit tatsächlich ≥10-%-Verbesserung zu T0 und T1 dargestellt. 48 von 273 Patienten (17,6 %) erzielten bei T0 im zweiten 6MGT eine relevante Verbesserung. Bei T0 beträgt die Sensitivität 56 % (Mitarbeiter) bzw. 50 % (Patient). Die Spezifität ist hingegen mit 72 % (Mitarbeiter) und 81 % (Patient) deutlich höher. Bei T1 erzielten 25 Patienten (9,2 %) beim zweiten 6MGT eine relevante Verbesserung. Hier liegt die Sensitivität bei den Mitarbeitern mit 85 % deutlich höher, bei den Patienten mit 44 % niedriger als bei T0. Die Spezifität verschlechtert sich bei T1 auf 52 % (Mitarbeiter) und 79 % (Patient) (Tab. 1). T0 T1 Mitarbeiter Patient Mitarbeiter Patient Sensitivität 56,1 % 50,0 % 85,0 % 43,8 % Spezifität 71,9 % 81,2 % 51,6 % 79,2 % negativer Vorhersagewert 87,0 % 88,7 % 96,4 % 93,1 % positiver Vorhersagewert 32,9 % 35,6 % 18,3 % 17,9 % Tab. 1: Sensitivität, Spezifität, negativer und positiver Vorhersagewert bei T0 und T1 110 Abb. 1: Antworthäufigkeiten bezüglich einer relevanten Verbesserung beim W-6MGT bei Patienten mit mind. 10-%-Verbesserung bei T0 und T1 Diskussion 48 (T0) bzw. 25 (T1) von 273 Pat. (17,6 %/9,2 %) erzielten im zweiten 6MGT eine relevante Verbesserung. Daher erscheint ein routinemäßiger zweiter 6MGT in der Routine und zur Qualitätssicherung entbehrlich, kann jedoch im Einzelfall therapeutische Konsequenzen (z. B. Trainingssteuerung) haben. Im Einzelfall wäre daher ein Algorithmus zur Voraussage einer relevanten Verbesserung im zweiten 6MGT hilfreich, der diese Patienten voraussagt. Die Voraussage einer Verbesserung durch Mitarbeiter oder Patient ist hierzu offensichtlich nicht geeignet, wobei zu T1 der Mitarbeiter eine Verbesserung gut voraussagen kann. Der Verzicht auf einen zweiten 6MGT ist dann sinnvoll, wenn Patienten eine Verschlechterung beim zweiten Test voraussagen. Literatur Chandra, D., Wise, R.A., Kulkarni, H.S., Benzo, R.P., Criner, G., Make, B., Slivka, W.A., Ries, A.L., Reilly, J.J., Martinez, F.J., Sciurba, F.C., NETT Research Group (2012): Optimizing the 6-min walk test as a measure of exercise capacity in COPD. Chest. Dec; 142/6. 1545-52. Hernandes, N.A., Wouters, E.F., Meijer, K., Annegarn, J., Pitta, F., Spruit, M.A. (2011): Reproducibility of 6-minute walking test in patients with COPD. Eur Respir J. Aug; 38/2. 261-267. Puhan, M.A., Mador, M.J., Held, U., Goldstein, R., Guyatt, G.H., Schünemann, H.J. (2008): Interpretation of treatment changes in 6-minute walk distance in patients with COPD. Eur Resp J, 32: 637-643. Wingart, S., Lehbert, N., Krämer, B., Huber, V., Fuchs, S., Wittmann, M., Jelusic, D., Schuler, M., Schultz, K. (2014): Is a double 6-minute walk test required as part of the routine assessment of pulmonary rehabilitation in COPD patients? ERS International Congress 2014. Munich. 111 Assessmentinstrumente (Poster) Psychodiagnostik bei Menschen mit geistiger Behinderung Jagla, M. (1, 2), Augustin, M. (2), Baumeister, A. (2), Franke, G.H. (2) (1) AWO Fachkrankenhaus Jerichow, (2) Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften, Hochschule Magdeburg-Stendal, Stendal Hintergrund Die Prävalenz psychischer Störungen liegt in der Allgemeinbevölkerung bei ca. 22 % und kann bei Menschen mit einer geistigen Behinderung auf bis zu 60 % ansteigen (Schanze, 2014). Die Diagnostik mit Selbstbeurteilungsinstrumenten ist aufgrund der Intelligenzminderung zumeist nicht möglich; psychische Störungen werden fast ausschließlich über Verhaltensbeobachtung und Fremdbeurteilung diagnostiziert (Schanze, 2014). Im deutschsprachigen Bereich liegen bislang keine Selbstbeurteilungsinstrumente vor, die körperliche und psychische Symptome bzw. Störungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung erfassen. Um adäquate Interventionen ableiten zu können, ist die Diagnostik der psychischen Störung, auch auf Selbstbeurteilungsebene, unabdingbar (Cayne, Hatton, 1998). Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Modifikation der Symptom-Checklist-90®-Standard (SCL-90®-S; Franke, 2014), um diese als Selbstbeurteilungsinstrument für Menschen mit einer geistigen Behinderung einsetzbar zu machen. Methode Die SCL-90®-S (Franke, 2014) besteht aus 90 Items, die sich den 9 Skalen Aggressivität/ Feindseligkeit, Ängstlichkeit, Depressivität, Paranoides Denken, Phobische Angst, Psychotizismus, Somatisierung, Unsicherheit im Sozialkontakt und Zwanghaftigkeit sowie 3 globalen Kennwerten zuordnen lassen, und besitzt gute psychometrische Eigenschaften. Um die SCL-90®-S für Menschen mit einer geistigen Behinderung zu modifizieren, wurden die Einleitung des Verfahrens sowie die Items der Skalen Depressivität, Somatisierung, Paranoides Denken und Psychotizismus sprachlich überarbeitet und in leichte Sprache „übersetzt", unterstützend wurden Piktogramme genutzt. Das 5-stufig likertskalierte Antwortformat wurde auf ein 3-stufiges geändert und ebenfalls mit Piktogrammen unterlegt. Neben der Originalversion der SCL-90®-S und der modifizierten Version wurde in der vorliegenden Studie der IQ mithilfe des Wechsler Intelligenztests für Erwachsene (WIE; Aster et al., 2006) erhoben. Die Praktikabilitätsprüfung wurde mit 11 Patienten im Alter von 34 Jahren (SD=12; 64 % männlich; IQ=60) für die Skala Depressivität, mit 23 Patienten im Alter von 30 Jahren (SD=8; 54 % männlich; IQ=50) für die Skala Somatisierung und mit 11 Patienten im Alter von 43 Jahren (SD=13; 52 % männlich; IQ=49) für die Skalen Paranoides Denken und Psychotizismus, die jetzt eine gemeinsame Skala bilden, durchgeführt. 112 Hierbei wurde neben dem Antwortverhalten selbst vor allem der Unterstützungsbedarf, der während der Bearbeitung der Items notwendig war, erhoben. In einem Nachgespräch mit den Probanden wurden weitere Vorschläge für eine Erleichterung der Darbietung erfasst. Ergebnisse Die Prüfung der Praktikabilität zeigte insgesamt eine gute Akzeptanz der modifizierten Skalen der SCL-90®-S. Die Patienten benötigten beim Bearbeiten nur wenig Hilfe, bei einigen Items waren weiterführende Erklärungen notwendig. Insgesamt waren bei einigen Items leichte Schwächen in der Darbietung mittels leichter Sprache und mithilfe der Piktogramme erkennbar. Diskussion Die Praktikabilitätsstudie zeigte, dass die Selbstbeurteilung psychischer Symptome bei Menschen mit einer geistigen Behinderung gut möglich ist. Die modifizierten Skalen Depressivität, Somatisierung sowie Paranoides Denken/Psychotizismus zeigten leichte Schwächen in der Darbietung einiger Items. Verbesserungsvorschläge wurden im Nachhinein mit den Patienten erarbeitet und umgesetzt; eine erneute Prüfung wird durchgeführt. Mit der Modifikation der 4 Skalen der SCL-90®-S wurde ein erster Schritt getan, um für Menschen mit einer geistigen Behinderung ein Screeningverfahren zur Selbstbeurteilung körperlicher und psychischer Symptome zur Verfügung zu stellen. Die Modifikation der weiteren Skalen sowie die psychometrische Prüfung des überarbeiteten Verfahrens werden die nächsten Arbeitsschritte sein. Literatur Aster, v. M., Neubauer, A, Horn, R. (2006): Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (WIE). Frankefurt: Harcourt Test Services. Caine, A., Hatton, C. (1998): Working with people with mental health problems. In: Emerson, E., Dickson, K., Gone, R., Hatton, C., Bromley, J., Cayne, A. (Eds.): Clinical psychology and people with intellectual disabilities. Chichester, West Sussex: John Wiley & Sons Ltd. 210-230. Franke, G.H. (2014): SCL-90®-S – Symptom-Checklist-90®-Standard. Göttingen: Hogrefe. Schanze, C. (2014): Intelligenzminderung und psychische Störung – Grundlagen, Epidemiologie, Erklärungsansätze. In: Schanze, C. (Hrsg.): Psychiatrische Diagnostik und Therapie bei Menschen mit Intelligenzminderung. Stuttgart: Schattauer. 21-29. 113 Zusammenhänge von objektiven, klinischen und patientennahen Assessments zur Beurteilung der körperlichen Funktionsfähigkeit Buchholz, I. (1), Szczotkowski, D. (1), Schnalke, G. (2), Jacobs, A. (2), Kohlmann, T. (1) (1) Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, (2) Bundesverband für EFL e. V. Hintergrund Der Erhalt der beruflichen Leistungsfähigkeit sowie die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sind zwei wesentliche Ziele von Rehabilitation. Zur Erfassung der funktionellen Leistungsfähigkeit stehen verschiedene messmethodische Ansätze zur Verfügung. Neben der Erhebung der körperlichen Funktionskapazität aus Arzt- und Patientensicht gibt es mittlerweile eine Reihe von tätigkeitsnahen funktionellen Assessments zur objektiven Beurteilung der erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit. Von diesen ist die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) nach Isernhagen eines der in Deutschland am häufigsten eingesetzten Verfahren (Frank et al., 2011). Während die verschiedenen Messansätze einzeln für sich mehr oder weniger gut untersucht worden sind, gibt es bislang kaum Evidenz dazu, wie sie untereinander korrespondieren (van Abbema et al., 2011). Die vorliegende Arbeit überprüft, in welchem Zusammenhang Einschätzungen der funktionellen Leistungsfähigkeit durch den Patienten, den Arzt und EFL stehen. Methodik Den vorgestellten Analysen liegen die Baselinedaten einer multizentrischen prospektiven Kohortenstudie zugrunde. Die Teilnehmer bilden einen natürlichen Querschnitt von Patienten mit muskuloskelettalen Erkrankungen, die während des Studienzeitraums einen EFLTest oder ein EFL-Screening in einer von 12 kooperierenden Reha-Einrichtungen erhielten. Verschiedene subjektive und objektive Indikatoren der funktionellen Leistungsfähigkeit und des Gesundheitszustandes wurden bei 300 Patienten mittels standardisierter etablierter und in der Reha-Forschung häufig verwendeter Erhebungsinstrumente (Patient/subjektiv: SF-36, FFbH, PACT, objektiv: EFL, Arzteinschätzung zum Grad der funktionellen Funktionsfähigkeit (0–10) vor und nach EFL) erfasst. Um zu überprüfen wie diese miteinander korrespondieren wurden Korrelationskoeffizienten nach Pearson berechnet. Aus dem EFL-Screening wurde der schon in vorherigen Arbeiten als „Leittest“ dienende und in der vorliegenden Stichprobe für 95% der Studienteilnehmer arbeitsplatzrelevante Subtest „Heben Boden-zuTaillenhöhe“ (max. Hebegewicht) gewählt. Ergebnisse Die überwiegend männlichen (83,5 %) und ganztags erwerbstätigen (60 %) Patienten waren im Mittel 47 ± 11 (Range: 18–68) Jahre alt. Etwa 2/3 waren Arbeiter. Während die Patientenangaben moderat bis stark untereinander (r=.331 bis .811, Tab. 1) korrelierten, zeigten sich zwischen dem max. Hebegewicht von „Boden-zu-Taillenhöhe“ und den anderen betrachteten Größen nur schwache bis mäßige Zusammenhänge. Dabei konnten die größten Korrelationen mit dem PACT (r=.566) und dem FFbH (r=.462) beobachtet werden. Eher geringe Zusammenhänge ergaben sich mit den Skalen des SF-36 (ROLPH: r=.291, PFI: r=.222), keine oder nur schwache mit dem Arzturteil (r=.082 vor EFL, r=.240 nach EFL). Das 114 Arzturteil korrespondierte vor dem EFL mit keinem der erhobenen Assessments (r<.100), zeigte nach Hinzunahme der durch EFL gewonnen Informationen jedoch leicht größere Zusammenhänge mit den anderen betrachteten Größen. EFL EFL Arztvor Arztnach .082 PACT FFbH .240 .566 .462 .222 .291 .735 .004 -.007 .077 .073 Arztvor .082 Arztnach .240 .735 PACT .566 .004 .170 FFbH .462 -.007 .069 .570 SF-36PFI .222 .077 .126 .359 .636 SF-36ROLPH .291 .073 .093 .395 .548 .170 SF-36PFI SF-36ROLPH .069 .126 .093 .570 .359 .395 .636 .548 .618 .618 Anm.: PACT = Performance Assessment and Capacity Testing, (Indexwert vor dem EFL); FFbH = Funktionsfragebogen Hannover; PFI = Körperliche Funktionsfähigkeit; ROLPH = Körperliche Rollenfunktion; EFL= max. Hebegewicht Subtest „Boden-zu-Taillenhöhe“ Tab. 1: Ergebnisse der Korrelationsanalysen (Korrelationskoeffizient r nach Pearson) Diskussion Die höchstens moderaten Korrelationen mit dem max. Hebegewicht von „Boden-zu-Taillenhöhe“ lassen vermuten, dass durch EFL zusätzliche Informationen bereitgestellt werden können, die nur z. T. durch Selbsteinschätzungen der Funktionskapazität (PACT, FFbH) durch den Patienten abgebildet werden können. In Bezug auf das Arzturteil scheinen die durch EFL gewonnenen Informationen nur ein Baustein im Rahmen der individuellen Beurteilung der arbeitsplatzbezogenen Leistungsfähigkeit zu sein. Weiterführende Längsschnittanalysen sollen zeigen, welche prognostische Wertigkeit den unterschiedlichen Informationsquellen im Hinblick auf die Rückkehr ins Erwerbsleben sowie eine integrative Leistungsbeurteilung zukommen. Förderung: Bundesverband für EFL e. V., Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr) Literatur Frank, M., Hallak, G., Stahl, C., Wölke, G., Ekkernkamp, A. (2011): Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit nach Isernhagen. Assessmentverfahren in der berufsgenossenschaftlichen Rehabilitation. Trauma Berufskrankh, 13. 18-22. van Abbema, R., Lakke, S.E., Reneman, M.F., van der Schans, C.P., van Haastert, C.J.M., Geertzen, J.H.B., Wittink, H. (2011): Factors associated with functional capacity test results in patients with non-specific chronic low back pain: a systematic review. J Occup Rehabil, 21 (4). 455-473. 115 6-Minuten-Gehtest (6MGT) und Sit-to-Stand Test (STST) als OutcomeParameter der Pneumologischen Rehabilitation bei COPD Lehbert, N., Wingart, S., Sachse, C., Leithäuser, A., Jelusic, D., Wittmann, M., Schultz, K. Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie der DRV Bayern Süd Hintergrund Ein wichtiger Test der körperlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation ist der 6-Minuten-Gehtest. Da für seine Durchführung im ambulanten Bereich häufig die räumlichen Voraussetzungen fehlen, könnte der einfachere Sit-to-Stand Test eine Alternative darstellen (Ozalevli et al., 2007; Puhan et al., 2013). Untersucht wurde, ob und wie stark sich die Leistung in beiden Tests durch die pneumologische Rehabilitation verändert und inwiefern die Ergebnisse miteinander korrelieren. Methode Bei 132 konsekutiven COPD-Patienten der GOLD-Schweregrade 2–4 (Aufnahme 02-06/ 2014, Ø Alter: 57,5 Jahre, m=64,4 %, Ø FEV1 48,9 % pred.) wurde zusätzlich zum 6-Minuten-Gehtest zu Beginn (T0) und am Ende (T1) der Reha der Sit-to-Stand Test durchgeführt. Mit dem Test wird erfasst wie oft ein Patient in einer Minute von einem 48 cm hohen Stuhl aufstehen kann. Zur Analyse von Veränderungen über die Zeit wurden T-Tests mit abhängigen Stichproben durchgeführt. Zum Vergleich der beiden Tests wurden Pearson-Korrelationen durchgeführt. Ergebnisse Über 80 % der Patienten konnten beide Tests zu T0 und T1 absolvieren. Gründe für Nichtdurchführung waren zumeist orthopädischer Art oder Infekte. Im 6-Minuten-Gehtest erzielten 94,4 %, im Sit-to-Stand Test 82,1 % der Patienten eine Verbesserung ( >0). Die Veränderung der Leistungsfähigkeit ist in Tab. 1 dargestellt. 6MGT STST T0 (MW ± SD) 452,5 ± 105,9 24,9 ± 6,9 T1 (MW ± SD) 534,8 ±103,9 28,7 ± 7,4 (MW ± SD) 78,7 ± 53,4 3,7 ± 4,1 SRM 1,48 0,91 p < 0,001* < 0,001* Anm.: SRM (Standardized Response Mean) = Effektstärke (0,2–0,5 schwacher Effekt, 0,5–0,8 mittlerer Effekt, >0,8 starker Effekt) Tab. 1: Veränderung der Leistungsfähigkeit Der Sit-to-Stand Test und der 6-Minuten-Gehtest korrelieren sowohl zu T0 (r=0,61*) als auch zu T1 (r=0,64*) miteinander. Für die Veränderung (T1-T0) zeigt sich jedoch kein linearer Zusammenhang (r=0,18) (vgl. Abb. 1). 116 Abb.1: Korrelation von 6MGT und STST (zu T0, T1) sowie der Differenzen (T1-T0) Diskussion Aufgrund der vorliegenden Daten erscheinen beide Tests gut änderungssensitiv, mit einem leichten Vorteil für den 6-Minuten-Gehtest. Der Sit-to-Stand Test war einfach und komplikationslos zu erheben. Die hohe Korrelation der Testergebnisse spricht für eine ähnliche Aussagekraft bezüglich der Leistungsfähigkeit wie die des 6-Minuten-Gehtests. Obwohl die verschiedenen Parameter der Leistungsfähigkeit in unterschiedlicher Ausprägung von den 2 Tests erfasst werden, wird der Sit-to Stand Test als Alternative für den 6-Minuten-Gehtest angesehen (Ozalevli et al., 2007). Fazit Der Sit-to-Stand Test kann im ambulanten Bereich unkompliziert als Alternative zum 6-Minuten-Gehtest durchgeführt werden und Hinweise auf die Leistungsfähigkeit der Patienten geben. Zudem könnte dadurch eine Verlaufskontrolle nach Reha im ambulanten Bereich möglich werden, da hier der 6MGT in der Regel nicht durchgeführt werden kann. Im Rahmen der stationären Rehabilitation ist durch die Kenntnis beider Tests eine gezieltere Trainingssteuerung denkbar. Literatur Ozalevli, S., Ozden, A., Itil, O., Akkoclu, A. (2007): Comparison of the Sit-to-Stand Test with 6 min walk test in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Respiratory Medicine, 101. 286-293. Puhan, M.A., Siebeling, L., Zoller, M., Muggensturm, P., Ter Riet, G. (2013): Simple functional performance tests and mortality in COPD. European Respiratory Journal, 42. 956-963. 117 Validierung eines neu entwickelten Fragebogens zur Erfassung der Patientenzufriedenheit im ambulanten Durchgangsarztverfahren der Deutschen Unfallversicherung Szczotkowski, D. (1), Nolting, H. (2), Brodowski, H. (1), Haase, T. (3), Kohlmann, T. (1) (1) Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, (2) Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Berlin, (3) Durchgangsarzt, Berlin Hintergrund Bei der Neustrukturierung des Heilverfahrens der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) richtet sich ein Augenmerk auf die Neuordnung des Durchgangsarztverfahrens (D-Arzt-Verfahren). Die Qualitätssicherung im ambulanten D-Arzt-Verfahren nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein. Gegenstand der vorliegenden Studie war die Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur Messung der Patientenzufriedenheit im ambulanten D-Arzt-Verfahren. Material und Methoden Die Studie umfasst 3 Phasen. In Phase I wurde der Item-Pool zusammengestellt. Zunächst wurde hierfür mithilfe einer Literaturrecherche nach geeigneten, bereits existierenden Instrumenten zur Erhebung der Patientenzufriedenheit gesucht. Weiterhin wurden leitfadengestützte Patienteninterviews durchgeführt. Darüber hinaus fanden Einschätzungen eines projektbegleitenden Expertenpanels, bestehend aus D-Ärzten und Verwaltungsspezialisten der DGUV, Berücksichtigung. In Phase II wurde die Pilotversion des Fragebogens mit 59 Items anhand einer Stichprobe von 112 ambulant behandelten und als wieder arbeitsfähig gemeldeten Patienten erprobt und anschließend auf 38 Items reduziert. Im Rahmen einer Implementierung im Landesverband Nordost der DGUV wurde die Endversion des Fragebogens in Phase III unter Praxisbedingungen getestet und ihre psychometrischen Eigenschaften überprüft. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf Phase III. Ergebnisse Über 6 Unfallversicherungsträger wurden 1.799 Versicherte angeschrieben, von denen 1.106 Personen einen gültigen Fragebogen zurücksandten (Rücklaufquote: 61,5 %). Durch eine explorative Hauptkomponentenanalyse wurde eine übergeordnete vierdimensionale Faktorstruktur sichtbar: Die Zufriedenheit mit A) der Behandlung durch den D-Arzt (15 Items), B) dem Praxispersonal, der Praxisorganisation und der Praxisinfrastruktur (10 Items), C) der Steuerung des Heilverfahrens (5 Items) sowie D) mit der Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und Physiotherapeuten (8 Items). Innerhalb der vierdimensionalen Faktorstruktur wurden weitere zehn Subskalen identifiziert. Die Anteile fehlender Werte auf der Ebene der Subskalen betrugen nicht mehr als 3 %, wenn bei der Berechnung der Skalenwerte eine fehlende Antwort erlaubt wird. Kein fehlender Wert wurde bei der nur aus 2 Items bestehenden Subskala „Überweisungen“ mit einem Anteil von 13 % Missings zugelassen. Bei 7 der insgesamt 10 Subskalen traten keine relevanten Deckeneffekte auf (<50 %). Im Bereich der „Koordination und Organisation des Heilverfahrens“ wurden jedoch selten Probleme genannt, weshalb dieser durch sehr hohe Deckeneffekte gekennzeichnet ist. Die für die Subskalen berechneten Reliabilitätskoeffizienten (Cronbachs Alpha) erreichten mit einer 118 Ausnahme (Subskala „Koordination und Organisation des Heilverfahrens“) moderate bis sehr gute Werte. Die Korrelation der Subskalen mit dem Global-Item „Wie zufrieden sind Sie mit der Behandlung insgesamt?“ ergab Koeffizienten zwischen 0,32 und 0,75. Diskussion Der Rücklauf, die Vollständigkeit der Daten und die statistische Analyse zeigen, dass mit vorliegendem Fragebogen ein Messinstrument vorliegt, das psychometrische Gütekriterien erfüllt und sich für den praktischen Einsatz im ambulanten D-Arzt-Verfahren eignet. Die Stärke des Fragebogens liegt in der Berücksichtigung unfallversorgungsspezifischer Aspekte wie Überweisungen und der Zusammenarbeit mit weiterbehandelnden Spezialisten. Gleichzeitig zeigte sich, dass schwere Koordinations- und Organisationsprobleme bei der Steuerung des Heilverfahrens – wie Doppeluntersuchungen, Zeitverluste durch schlecht geplante Behandlungen und nicht vorliegende medizinische Befunde bei einem Arztbesuch – eher seltene Ereignisse sind. Schlussfolgerung Der in dieser Studie neu entwickelte und getestete Fragebogen stellt ein geeignetes Instrument zur Messung der Patientenzufriedenheit im ambulanten D-Arzt-Verfahren dar. Er erlaubt Vergleiche zwischen den Leistungserbringern und leistet somit einen wichtigen Beitrag innerhalb der Qualitätssicherung der DGUV. Förderung: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Mini-ICF-Work: Ein Fremdrating zur Erstellung von Fähigkeitsanforderungsprofilen an Arbeitsplätzen Muschalla, B. (1, 2) (1) Arbeits- und Organisationspsychologie Universität Potsdam, (2) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin Hintergrund Bei der sozialmedizinischen Begutachtung geht es vor allem bei Fragen der Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit um die Einschätzung, ob jemand krankheitsbedingt in einer Tätigkeit oder einem Beruf noch verantwortbar eingesetzt werden kann. Dabei gilt nicht, dass Arbeit krank (ge)macht (hat), sondern dass mangelnder Person-Environment-Fit, d. h. unpassende Arbeitsplatzanforderungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen zu Problemen und Arbeitsunfähigkeit führen kann. Für die Arbeitsfähigkeitsbeurteilung ist im Sinne des ICF-Modells (WHO, 2001) auf der einen Seite das Fähigkeitsniveau des Patienten relevant, auf der anderen Seite aber auch eine genaue Vorstellung über den Kontext, d. h. die Anforderungen, die eine Tätigkeit an den Arbeitenden stellt. Bislang liegen ICF-basierte Selbst- und Fremdratinginstrumente zur Einschätzung von Fähigkeits- und Partizipationsstatus der Person vor (Buchholz, Brütt, 2013). Praktikable Instrumente zur Beschreibung des Fähigkeitsanforderungsniveaus der Arbeitstätigkeit können für die sozialmedizinische Beurteilungspraxis eine wichtige Ergänzung darstellen. 119 Methode Angelehnt an das Fähigkeitsrating Mini-ICF-APP (Linden et al., 2009) welches die Beeinträchtigungsschwere der Person beschreibt, wurde das Mini-ICF-Work entwickelt. Das MiniICF-Work ist ein analoges fähigkeitsorientiertes Rating für die Beschreibung des Arbeits-Anforderungs-Kontextes. Das Rating wurde bei 166 Rehabilitations-Patienten erstmals erprobt. Die Einschätzung der Anforderungen geschah auf Grundlage der Patientenantworten im halbstrukturierten Interview. Mittels Interviewer- und Beobachter-Beurteilungen wurde eine erste Reliabilitätsprüfung vorgenommen. Mittels Freitextantworten aus dem qualitativen Interview wurden die Kategorien inhaltlich validiert. Ergebnis Das Mini-ICF-Work-Rating kann als ein Beurteilungsleitfaden verstanden werden, mit dem auf einen konkreten Arbeitskontext bezogen beurteilt werden kann, in welchem Maße eine Tätigkeit die verschiedenen Fähigkeiten erfordert. Die Einschätzung der Anforderungen ist auf 2 Beurteilungsskalen vorzunehmen: 1) Für die qualitative Beurteilungsskala wurde entsprechend den medizinethischen Grundsätzen das Gebot der Nichtschädigung bzw. Gefahrenvermeidung gewählt (Beauchamp, Childress 2008). Die Ratingstufen wurden entsprechend diesem Kriterium definiert. Die Frage ist: Was könnte bei der Tätigkeit an Schaden passieren, wenn der Tätigkeitsausübende die Fähigkeit nicht oder nur eingeschränkt hat. 2) Die quantitative Beurteilungsskala beschreibt das zeitliche Ausmaß, in dem die Fähigkeit bei der Tätigkeit gefordert wird. Die Einschätzung der Anforderungen erfolgte auf den folgenden Fähigkeitsdimensionen. Die Interrater-Reliabilitäten (qualitativ, quantitativ) sind in Klammern angegeben. 1) Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen (r=.542, r=.685) 2) Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben (r=.678, r=.712) 3) Flexibilität (r=.740, r=.534) 4) Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit (r=.761, r=.755) 5) Durchhaltefähigkeit (r=.795, r=.806) 6) Kontaktfähigkeit (r=.859, r=.906) 7) Gruppenfähigkeit (r=.733, r=.786) 8) Selbstbehauptungsfähigkeit (r=.786, r=.715) 9) Verkehrsfähigkeit (r=.656, r=.668) 10) Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenzen (r=.814, r=.706) Mit dem Mini-ICF-Work-Rating kann zunächst das Tätigkeits-Anforderungs-Profil eingeschätzt werden. Danach erfolgt (bspw. mit dem Mini-ICF-APP) die Beurteilung des Patienten hinsichtlich der Beeinträchtigungen, die sich ergeben würden, wenn der Patient unter diesem Anforderungsprofil arbeiten sollte. 120 Diskussion Das Mini-ICF-Work-Rating ermöglicht eine fähigkeitsorientierte strukturierte Erfassung der Arbeitsanforderungen. Differenzierte Kenntnis und Beschreibung der Arbeitsanforderungen ist für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung unerlässlich. Sie spielt auch eine Rolle bei der Empfehlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, oder Maßnahmen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Das Mini-ICF-Work-Rating soll in weiteren Untersuchungen in verschiedenen betrieblichen und sozialmedizinischen Settings erprobt und mithilfe etablierter arbeitspsychologischer Arbeitsanalyseverfahren (Dunckel, 1999) weiter validiert werden. Literatur Beauchamp, T.L., Childress, J.F. (2008): Principles of Biomedical Ethics. 6. Aufl., Oxford: Oxford University Press. Buchholz, A., Brütt, A.L. (2013): Assessment zur Operationalisierung der ICF im Kontext von psychischen Störungen – Ein systematisches Review. DRV-Schriften, Bd. 101. 96-97. Dunckel, H. (Hrsg.) (1999): Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren. Zürich: vdf Hochschulverlag AG. Linden, M., Baron, S., Muschalla, B. (2009): Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (Mini-ICF-APP). Ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeits- bzw. Kapazitätsstörungen bei psychischen Störungen. Göttingen: Hans Huber. (Neuauflage im Druck). WHO (2001): International Classification of Functioning, Disability and Health: ICF. Geneva: World Health Organization. Die prädiktive Validität des SIMBO-C bei psychischen Erkrankungen Streibelt, M. Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Einleitung Medizinisch beruflich orientierte Rehabilitationsleistungen (MBOR) sind erfolgreich, um Patienten mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) wieder in das Arbeitsleben zu reintegrieren (Kittel, Karoff, 2008; Streibelt, Bethge 2014a). Zur Identifikation von BBPL-Patienten wurden Screeninginstrumente entwickelt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat aufgrund der guten Ergebnisse in umfassenden Validierungsstudien in der orthopädischen Rehabilitation den SIMBO-C in die Antragsunterlagen integriert (Streibelt, 2009; Streibelt, Bethge, 2014b). Er wird in der Orthopädie bereits regelhaft zur Unterstützung der Steuerung in MBOR-Behandlungskonzepte eingesetzt. Offen ist, ob der SIMBO-C auch bei psychischen Erkrankungen valide berufsbezogene Probleme vorhersagen kann. Methoden Die verwendeten Daten entstammen 2 Studien zur Validität des SIMBO-C (Studie „Bad Gottleuba“ 2009, Studie „DRV Bund“ 2014). Das Studiendesign war identisch. Die Patienten 121 (Alter: 18–65 Jahre) wurden zu Reha-Beginn und 3 Monate nach Ende der Rehabilitation schriftlich befragt. Neben dem SIMBO-C kamen der Work Ability Score (WAS), die Skalen Körperliche und Emotionale Rollenfunktion des SF-36, die Einschätzung des aktuellen Gesundheitszustandes und die Skala zur Subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit (SPE) zum Einsatz. Zusätzlich wurden die Daten der ärztlichen Entlassungsberichte erhoben. Als primäres Outcome wurde eine dichotome Kombination folgender kritischer beruflicher Ereignisse im Follow-up verwendet (Streibelt 2009): keine aktive Erwerbstätigkeit (nojob), Arbeitsunfähigkeit >5 Wochen (au), LTA-Antrag bzw. Stufenweise Wiedereingliederung (leist), EM-Rentenantrag (rente). Der Test der prädiktiven Güte erfolgte durch ROC-Analysen und die Kalkulation von AUC-Kriterien. Mittels Optimierung des Youden-Index erfolgte die Festlegung des optimalen Cutoff und damit eine Schätzung der Prävalenz sowie der Vorhersage des primären Outcomes in einem logistischen Regressionsmodell. Ergebnisse 127 der eingeschlossenen Patienten stammen aus dem Gesundheitspark Bad Gottleuba, 136 aus dem Reha-Zentrum Bad Kissingen. Durchschnittlich waren die Patienten 48 Jahre alt; 68 % waren weiblich. 27 % litten unter einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10: F33), 23,6 % unter einer depressiven Episode (F32) und 21,7 % unter einer Belastungs- und Anpassungsstörung (F43). 47,1 % aller Patienten wiesen im Follow-up ein kritisches berufliches Ereignis auf. Das häufigste Ereignis stellte fehlende aktive Erwerbstätigkeit dar (43,1 %), gefolgt von längeren Fehlzeiten (35 %), der Inanspruchnahme von weiteren Leistungen der Rentenversicherung (26,6 %) und einem EM-Rentenantrag (8,4 %). Das kombinierte Kriterium wurde sehr gut durch den SIMBO-C vorhergesagt (AUC = .88, .84–.92). Die Vorhersage der Einzelkriterien fiel geringer aus (nojob: AUC = .84, .79–.88; au: AUC = .78, .73–.83; leist: AUC = .72, .66–.78; rente: AUC = .68, .62–.73). Der optimale Cutoff für die Vorhersage des kombinierten Kriteriums lag bei 27 Punkten (Youden-Index J = 0,67). 83,1 % der Patienten konnten richtig vorhergesagt werden (Sensitivität: 86,7 %; Spezifität: 79,8 %). Der positive Vorhersagewert lag bei 79 %. Die BBPLPrävalenz unter Verwendung des Cutoff wurde in der Stichprobe mit 50,2 % angegeben. Bei Existenz einer BBPL gemäß dieser Definition war die Chance eines kritischen beruflichen Ereignisses im Follow-up 26-fach erhöht (OR = 25,9, 12,9–51,8; Nagelkerke R2 = .35). Diskussion Kritische berufliche Ereignisse nach der Rehabilitation treten bei psychischen Erkrankungen in mehr als der Hälfte der Fälle auf. Die Vorhersage dieser Ereignisse gelingt durch den SIMBO-C sehr gut. Der identifizierte Schwellenwert liegt mit 27 Punkten leicht über den Erkenntnissen aus der Orthopädie. 87 % der Rehabilitanden mit späteren beruflichen Problemen werden damit korrekt vorhergesagt. Umgedreht weisen auch knapp 80 % der durch den SIMBO-C identifizierten BBPL-Patienten 3 Monate nach der Rehabilitation berufliche Probleme auf. Damit ist der SIMBO-C diesen Analysen zufolge bei psychischen Erkrankungen als Screeninginstrument sowohl im klinischen Setting wie auch bei Reha-Trägern zur Steuerung von MBOR-Patienten in entsprechende Behandlungskonzepte geeignet. 122 Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Berlin. Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorientierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kontrollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47 (1). 14-22. Streibelt, M. (2009): Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennung besonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Die Rehabilitation, 48 (3). 135-144. Streibelt, M., Bethge, M. (2014a): Effects of intensified work-related multidisciplinary rehabilitation on occupational participation: a randomized-controlled trial in patients with chronic musculoskeletal disorders. Int J Rehabil Res., 37 (1). 61-66. Streibelt, M., Bethge, M. (2014b): Prospective Cohort Analysis of the Predictive Validity of a Screening Instrument for Severe Restrictions of Work Ability in Patients with Musculoskeletal Disorders. Am J Phys Med Rehabil. [Epub ahead of print] 123 Qualitätssicherung Durchführung von Therapieleistungen – Anforderung und Realität im Vergleich KTL 2007 und KTL 2015 Mitschele, A. (1), Kranzmann, A. (1), Lindow, B. (1), Schmid, L. (2), Kaluscha, R. (2) (1) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau Hintergrund und Fragestellung Seit 1997 ist die Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) für die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung ein bewährtes Instrument, durchgeführte therapeutische Leistungen in den Reha-Einrichtungen zu dokumentieren (DRV, 2007). Die KTL-Dokumentation ist Bestandteil der Reha-Entlassungsberichte und hat das Ziel, die therapeutischen Prozesse möglichst vollständig abzubilden (Zander et al., 2009). Die sachgerechte Erbringung einer therapeutischen Leistung setzt die Erfüllung bestimmter Mindeststandards, die für jede Leistung in Form spezifischer Qualitätsmerkmale definiert sind, voraus. Diese Mindeststandards beinhalten u. a. Parameter wie Mindestdauer und Wiederholungsfrequenz. Die KTL gilt gleichermaßen für alle Bereiche der medizinischen Rehabilitation. Sie ist sowohl in der stationären als auch der ambulanten Rehabilitation anzuwenden. Sie bildet die Basis der Leistungserfassung in der Rehabilitation von Erwachsenen als auch in der Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation. Die Einführung neuer Konzepte oder Änderung von Rahmenbedingungen der Rehabilitation machen regelmäßige Anpassungen der KTL erforderlich. Aus diesem Grund wurde die KTL 2007 von der DRV Bund gemeinsam mit dem Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm im Rahmen des Projekts „Aktualisierung der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL)“ vollständig überarbeitet. Bestandteil des Projektes war eine bei allen von der DRV belegten Reha-Einrichtungen sowie Fach- und Berufsverbänden durchgeführte Anwenderbefragung. Insgesamt konnten 1.868 Anregungen zur Weiterentwicklung der KTL gesammelt werden. Die Befragung erfolgte von November 2013 bis Januar 2014. Der Einsatz der überarbeiteten KTL-Version (KTL, 2015) ist für Anfang 2015 mit einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2015 geplant. In diesem Zusammenhang wurde der Frage nachgegangen, ob Veränderungen des Codierverhaltens in der Anwendungszeit der KTL 2007 Anpassungen der Mindestanforderungen von Dauer und Wiederholungsfrequenz erforderlich machen. Methodik In einer deskriptiv-statistischen Analyse wurde geprüft, wie sich in der Vergangenheit die Dokumentationspraxis (KTL, 2007, 5. Aufl.) bezüglich der Mindestdauern und Frequenzen verhält. Dazu wurden alle in den Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (RSD 2005 bis 2012, RYD 2012, RYD 2013) vorliegenden KTL-Daten, der in den Jahren 2008 bis 2013 abgeschlossenen Rehabilitationen, untersucht. Pro Jahr liegen Daten aus durchschnittlich 680.000 124 Entlassungsberichten mit 17,3 Millionen KTL-Codes vor. In den Auswertungen wurden jeweils für ein Entlassungsjahr die KTL-Codierungen ermittelt, welche die Mindestdauer zu mindestens 20 % unterschritten. Von diesen wurden KTL-Codes, die über alle 6 Jahren auffällig waren und in einer ausreichend großen Anzahl von Entlassungsberichten dokumentiert wurden (n >4.000), daraufhin untersucht, wie sich die dokumentierten Leistungsdauern verteilen. Zusätzlich wurde untersucht, ob bei KTL-Codes, die im Rahmen der Anwenderbefragung häufig im Zusammenhang mit Änderungswünschen zu Dauer und/oder Frequenz genannt wurden, auch in der Dokumentation deutliche Abweichungen von der geforderten Mindestdauer oder der Wiederholungsfrequenz auftreten. Ergebnisse In der Anwenderbefragung haben 360 Einsender Rückmeldungen zu den einzelnen Codes, den Kapiteln, den Dokumentationshinweisen oder zur Weiterentwicklung allgemein abgegeben. Die eingegangenen Vorschläge wurden zunächst sofern möglich einem Kapitel zugeordnet. Anschließend wurden entsprechend dem thematischen Schwerpunkt der Vorschläge Kategorien gebildet. Ein Vorschlag konnte jeweils nur einer Kategorie zugeordnet werden. Insgesamt wurden 68 Kategorien gebildet, davon lag die Kategorie Flexibilisierung von Dauer und, oder Frequenz mit 19 Rückmeldungen anzahlmäßig auf dem 13. Rang. Von den 19 Rückmeldungen bezogen sich 11 Antworten, auf ein konkretes Kapitel der KTL 2007. Genannt wurden die Kapitel Physiotherapie (B), Information, Motivation, Schulung (C), Ergotherapie, Arbeitstherapie und andere funktionelle Therapie (E) sowie Psychotherapie (G). Die Auswertung der in der Vergangenheit dokumentierten KTL-Codes zeigt, dass eine mindestens 20%ige Unterschreitung der Mindestdauer in allen Kapiteln der KTL 2007 außer in den Kapiteln Rekreationstherapie (L) und Ernährung (M) vorkam. Werden nur Codes, die in mindestens 4.000 Entlassungsberichten pro Jahr dokumentiert wurden, betrachtet, zeigt sich bei nahezu allen Kapiteln eine solche Unterschreitung in mindestens 5 der 6 untersuchten Jahren. Abweichungen von den Vorgaben zu Dauer und Frequenz wurden auch in Richtung Überschreitung beobachtet, insbesondere im Kapitel C zur Leistungseinheit „C11- Lehrküche praktisch". Der Code „C114 – Lehrküche bei Reduktionskost“ wurde im Jahr 2013 insgesamt 39.412-mal mit unterschiedlichen Dauern und Frequenzen dokumentiert. Die Mindestdauer von 60 Minuten wurde zu 80 % überschritten, bei 65 % der dokumentierten Leistungen lag die Dauer sogar bei mindestens 120 Minuten. Die geforderte Frequenz von 2-mal pro Reha wurde dagegen bei 70 % der Rehabilitanden unterschritten. Auch in der Anwenderbefragung bezogen sich von insgesamt 10 Verbesserungsvorschlägen zu der Leistungseinheit „C11 – Lehrküche praktisch“ 9 auf eine Veränderung der Dauer und/oder der Frequenz. Schlussfolgerungen und Ausblick Die Ergebnisse zeigen, dass die Dokumentationspraxis bei einigen KTL-Codes deutlich von den Anforderungen an Dauer und Frequenz abweicht. Auch wenn eine Veränderung der KTL-Qualitätsmerkmale nicht allein auf Basis statistischer Analysen erfolgen darf, geben diese doch Hinweise auf Handlungsbedarf. Zusätzlich sind in jedem Fall inhaltliche Fragen 125 einer angemessenen rehabilitativen Versorgung und der strukturellen Anforderungen der Rentenversicherung zu berücksichtigen. Anwendererfahrungen und Auswertungen zum Dokumentationsverhalten wurden im Projekt „Aktualisierung der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL)“ genutzt, um die Angaben zu den Mindestanforderungen für einzelne KTL-Codes zu optimieren. Die Umsetzung kann mit den bereits eingeführten Auswertungsroutinen überprüft werden. Literatur Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): KTL – Klassifikation therapeutischer Leitungen in der medizinischen Rehabilitation. (5. Aufl.). Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2014): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung. (2. Aufl.). 13-15. Zander, J., Beckmann, U., Sommhammer, B., Klosterhuis, H. (2009): Therapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation – mehr Transparenz mit der Klassifikation therapeutischer Leistungen. RVaktuell, 56, 5/6. 186-194. Ergebnisqualität, Patientenzufriedenheit und Prozessqualität – Resultate der Patientenbefragung 2013 im QS-Reha®-Verfahren der gesetzlichen Krankenversicherung Kutschmann, M., Grothaus, F.J. BQS Institut für Qualität & Patientensicherheit GmbH, Düsseldorf Hintergrund Medizinische Rehabilitationseinrichtungen sind dazu verpflichtet, sich an einem bundesweit einheitlichen Verfahren der externen Qualitätssicherung zu beteiligen. In den von den gesetzlichen Krankenkassen hauptbelegten Rehabilitationseinrichtungen wird das QS-Reha®Verfahren durchgeführt, in dessen Rahmen im Jahr 2013 die patientenseitig erhobene Ergebnis- und Prozessqualität sowie die Patientenzufriedenheit überprüft wurden. Jede teilnehmende Einrichtung erhielt einen Ergebnisbericht, aus dem hervorgeht, in welchen Bereichen sich die Versorgungsqualität bereits auf einem vergleichsweise hohen Niveau befindet bzw. wo noch Handlungsbedarf besteht. Außerdem wurden risikoadjustierte Ergebnisse dargestellt, die faire indikationsspezifische Einrichtungsvergleiche ermöglichen. Methodik Die Ergebnis- und Prozessqualität sowie die Patientenzufriedenheit wurden in 309 stationären Einrichtungen aus den Indikationsbereichen Dermatologie (n=3, 1 %), Gastroenterologie, Nephrologie und Stoffwechselerkrankungen (n=16, 5 %), Kardiologie (n=62, 20 %), Muskuloskeletale Erkrankungen (n=123, 40 %), Neurologie (n=66, 21 %), Onkologie (n=5, 2 %), Pneumologie (n=15, 5 %) und Psychische/psychosomatische Erkrankungen (n=19, 6 %) erhoben. Dazu wurden von den Patienten zu Rehabilitationsbeginn sowie 6 Wochen nach Rehabilitationsende entsprechende Fragebögen ausgefüllt. Zur Erfassung patientenbezogener Basisdaten von Drop-Outs sowie der für die Risikoadjustierung notwendigen konfundierenden Variablen war arztseitig ein Fragebogen zu bearbeiten. 126 Je Einrichtung und Indikationsbereich umfasste die Patientenbefragung bis zu 150 von Juli 2013 bis Mai 2014 konsekutiv aufgenommene Patienten. Alle Teilnehmer mit einer Fallzahl von mindestens 50 auswertbaren Fragebögen erhielten einen Bericht mit einrichtungsvergleichenden Ergebnisdarstellungen. Bei Einrichtungen/Fachabteilungen mit einer kleineren Fallzahl enthielten die Berichte nur einrichtungsindividuelle Ergebnisse. Da die Resultate der Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit nicht nur von der Qualität der Versorgung in den einzelnen Einrichtungen, sondern auch von patientenbezogenen Risikofaktoren abhängen, wurde zum einen eine auf linearen Regressionsmodellen beruhende, risikoadjustierte Datenauswertung durchgeführt. Zum anderen sind zusätzlich auch nichtrisikoadjustierte Ergebnisse von Interesse, da sie das Qualitätsniveau ohne Relativierung abbilden. Hinsichtlich der Ergebnisqualität wurden nichtadjustierte Effektstärken berechnet, so dass sich die Größe des Unterschieds zwischen Rehabilitationsbeginn und Nachbefragung beurteilen lässt. Für die Patientenzufriedenheit und die Prozessqualität wurden die nichtadjustierten Durchschnittswerte der jeweiligen Unterdimensionen dargestellt. Ergebnisse Bei den Unterdimensionen der Ergebnisqualität liegt der Anteil der Einrichtungen/Fachabteilungen, deren risikoadjustierte Resultate signifikant unter dem Durchschnitt aller Einrichtungen des gleichen Indikationsbereichs liegen, zwischen 0 % und 22 %. Bei den Unterdimensionen der Patientenzufriedenheit liegen maximal 43 % der Einrichtungen mit ihrem risikoadjustierten Ergebnis unterhalb des Durchschnitts. In den somatischen Indikationsbereichen sind hinsichtlich der Ergebnisqualität die kleinsten Gesamteffektstärken (−0,03 bis 0,05) in der Qualitätsunterdimension „Soziale Integration“ zu beobachten. Die größten Gesamteffektstärken (0,46 bis 0,59) finden sich in der Qualitätsunterdimension „Somatische Gesundheit“. Bei den psychischen/psychosomatischen Erkrankungen liegen sie zwischen 0,64 und 0,98. Alle Gesamtmittelwerte der Qualitätsunterdimensionen der Patientenzufriedenheit sind größer als 7 (Skala von 0–10). Die Ausnahme bilden hier nur die „Freizeitmöglichkeiten“ mit Werten zwischen 5,6 und 6,8. Bei der Prozessqualität wurde die Qualitätsunterdimension „Therapie und Pflege“ (bzw. „Therapieablauf“ bei den psychischen/psychosomatischen Erkrankungen) insgesamt am besten bewertet. Hier sind in allen Indikationsbereichen die Gesamterfüllungsgrade größer als 90 %. Diskussion Durch die indikationsspezifischen fairen Einrichtungsvergleiche wird die Qualität der Leistungserbringung transparent gemacht und objektiv bewertet. Dies soll zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Versorgungsqualität in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen beitragen. Ausblick Der nächste Durchlauf des QS-Reha®-Verfahrens beginnt im Mai 2015. Dann kann u. a. analysiert werden, inwieweit sich die Versorgungsqualität in den von den gesetzlichen Krankenkassen hauptbelegten Rehabilitationseinrichtungen verändert hat. 127 Entwicklung und psychometrische Prüfung eines Erfolgsindexes aus der Rehabilitandenbefragung der Deutschen Rentenversicherung Bund Nowik, D., Zeisberger, M., Meyer, T. Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin & Gesundheitssystemforschung; Medizinische Hochschule Hannover Hintergrund Im Rahmen des von der Deutschen Rentenversicherung Bund finanzierten Projekts „MeeR – Merkmale einer erfolgreichen Rehabilitationseinrichtung“ (Meyer et al., 2013) wurde auf Basis der Rehabilitandenbefragung ein Fall-Mix-adjustiertes Ranking von orthopädischen und kardiologischen Rehabilitationseinrichtungen in Bezug auf den mittleren RehaErfolg erstellt und die jeweils erfolgreichsten und am wenigsten erfolgreichen Einrichtungen miteinander qualitativ kontrastiert. Ziel dieses Beitrags ist es, die Entwicklung und psychometrische Prüfung des hierzu verwendeten Erfolgsindexes darzustellen. Methodik Datengrundlage war eine Stichprobe von 30.299 Rehabilitanden/innen aus 86 kardiologischen und 112.895 Rehabilitanden/innen aus 273 orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen. Die Analyse basierte auf den Routinedaten und Daten aus der Rehabilitandenbefragung mit dem modifizierten Rehabilitandenfragebogen der DRV Bund. Relevante Beschwerden bzw. deren Veränderung wurden identifiziert und theoriegeleitet in inhaltlich abgrenzbaren Dimensionen zusammengeführt. Anschließend wurden diese Dimensionen gewichtet in einem Index zusammengeführt. Die psychometrische Prüfung umfasste die Faktorenstruktur (Hauptfaktorenanalyse mit Oblimin-Rotation), Reliabilität (Cronbach's α) und konvergente Validität. Letztere wurde anhand der ärztlichen Einschätzung des Verlaufs der Erstdiagnose überprüft. Dazu wurde die Effektstärke zwischen der Gruppe, die sich ärztlich eingeschätzt verbessert hat und der Gruppe ohne Verbesserung bzw. mit Verschlechterung berechnet. Ergebnisse Sowohl für die Orthopädie, als auch die Kardiologie wurden 5 Indikatoren identifiziert – „Somatische Beschwerden“, „Alltagsaktivitäten“, „Psychisches Befinden“, „Berufliche Teilhabe“ und „Gesundheit allgemein“. Nur der Indikator „Somatische Beschwerden“ unterscheidet sich inhaltlich zwischen den Indikationsbereichen. „Berufliche Teilhabe“ wurde mit dem Faktor 3 gewichtet, „Somatische Beschwerden“ und „Alltagsaktivitäten“ gingen mit doppelter Gewichtung ein. Die Faktorenanalyse stützte in beiden Bereichen klar die Zusammenfassung der Indikatoren zu einem Index. In der Orthopädie lag der Eigenwert des ersten Faktors bei 3,64. Dieser Faktor klärte 72,7 % der Varianz auf. Es lag kein weiterer Eigenwert >1 vor. Auch der Screeplot sprach für die Einfaktorenlösung. Die Ergebnisse im Bereich Kardiologie waren nahezu identisch. Der Eigenwert des ersten Faktors betrug 3,44 mit 68,8 % Varianzaufklärung und auch der Screeplot verwies auf eine Einfaktorenlösung. 128 Die Reliabilität lag in der Orthopädie mit einem Cronbach's α von 0,904 (95 % KI 0,903-0,905) im sehr guten Bereich. In der Kardiologie zeigte sich eine vergleichbar hohe Reliabilität (α = 0,885; 95 % KI 0,883-0,888). Die ärztliche Einschätzung des Verlaufs der Erstdiagnose korrespondierte mit der Einschätzung durch den Erfolgsindex. In der Orthopädie fanden sich substanzielle Unterschiede im Erfolg zwischen Rehabilitanden/-innen mit gebesserter Erstdiagnose einerseits und verschlechterter oder gleichgebliebener Erstdiagnose andererseits (Indikation Knie-Hüft-TEP: d=0,62; Indikation Chronische Rückenschmerzen: d=0,83). In der Kardiologie fanden sich diese Unterschiede auch in erwarteter Richtung, jedoch geringer ausgeprägt (d=0,21). Diskussion Für den entwickelten Erfolgsindex sprechen ein theoriegeleitetes, an der ICF orientiertes Vorgehen sowie positive psychometrische Ergebnisse. Einschränkend ist zu beachten, dass aufgrund der gemeinsamen Methodenvarianz durch die direkte Veränderungsmessung von einem Bias in Richtung einer 1-faktoriellen Lösung auszugehen ist. Schlussfolgerungen Ein solcher Erfolgsindex kann sicherlich nicht alle Nuancen von Rehabilitationserfolg abbilden, für viele Fragestellungen ist eine Verdichtung zu einer einzigen Kennzahl jedoch sinnvoll und notwendig. So wird es ermöglicht, die Perspektive der Rehabilitanden/-innen über reine Zufriedenheit oder eine globale Einschätzung hinausgehend zu erfassen und auf verschiedene Arten (z. B. Einrichtungsvergleiche; vgl. Zeisberger et al., 2013) zu berücksichtigen. Auch Struktur-, Prozess- und/oder Kostendaten können über einen entsprechenden Index in Bezug zum Erfolg gesetzt werden. Literatur Meyer, T., Brandes, I., Zeisberger, M., Stamer, M. (2013): Merkmale einer erfolgreichen Reha-Einrichtung – Hintergrund und Vorgehen im Projekt MeeR. In Arbeitskreis Klinische Psychologie in der Rehabilitation BDP (Hrsg.): (Selbst-)Konzepte bei veränderten Lebensbedingungen, Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin. 66-79. Zeisberger, M., Nowik, D., Stamer, M., Brandes, I., Meyer, T. (2013): Einrichtungsunterschiede im Rehabilitationserfolg und personenbezogene Prognosefaktoren aus den Qualitätssicherungsdaten der Deutschen Rentenversicherung. DRV-Schriften, Bd. 101. 173-185. 129 Effekte internen Qualitätsmanagements – Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbunds Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Toepler, E. (1), Kaluscha, R. (2), Nübling, R. (3), Kaiser, U. (4), Renzland, J. (5), Reuss-Borst, M. (6), Müller, G. (7), Martin, H. (8), Krischak, G. (2) (1) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, (2) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (3) GfQG, Karlsruhe, (4) Hochgebirgsklinik Davos, (5) Zentrum für Prävention und Rehabilitation Bad Rappenau, (6) Reha-Zentren der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, (7) Schlossklinik Bad Buchau, (8) Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Hintergrund Internes Qualitätsmanagement (QM) wurde spätestens 2007 mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einem wesentlichen Bestandteil der stationären medizinischen Rehabilitation (Petri, Stähler, 2008). Seit dem Auslaufen der Übergangsfrist am 01.10.2012 verfügen alle durch einen gesetzlichen Rehabilitationsträger belegten stationären Einrichtungen über ein, den Anforderungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation entsprechendes, zertifiziertes QM-System. Vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen personellen und finanziellen Ressourcen, die die Einführung und der dauerhafte Betrieb eines rehaspezifischen QM-Systems erfordert, stellt sich die Frage nach dem Nutzen und der Wirksamkeit des internen Qualitätsmanagements in der Reha und es wird insgesamt eine stärkere theoretische Fundierung gefordert (Farin, Jäckel, 2011). Auf dem Rehawissenschaftlichen Kolloqium 2011 wurde das Erfordernis einer Begleitforschung zum § 20 des SGB IX, § 20 Abs. 2a als gesetzlicher QM-Grundlage diskutiert (Petri, Toepler, 2011). Im Rahmen der vom Qualitätsverbund Gesundheit Baden-Württemberg und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg initiierten Reha-QM-Outcome-Studie können u. a. die Effekte des internen Qualitätsmanagements untersucht werden. Die Verbundkliniken haben in den Jahren 2005 bis 2006 das QM-System QMS-Reha® (Herausgebende Stelle Deutsche Rentenversicherung Bund) eingeführt und wenden es seitdem in der Routine an. Zum Konzept des Verbundes gehört das Benchmarking wesentlicher Qualitätsparameter und das Von-einander-Lernen durch gegenseitige Audits und weitere Unterstützungsleistungen (Toepler et al., 2010). Methodik Das Untersuchungsdesign der Studie umfasst 3 methodische Stränge, die hier in Bezug auf die Teilthematik des QM skizziert werden. Einen Strang stellen die QS- und QM-Daten der Verbundkliniken dar (u. a. Personalqualifikation, Belegung, Patientenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit). Den zweiten Strang bildet eine katamnestische Befragung der Rehabilitanden (n=4.162) aus den Verbundkliniken 1 Jahr nach der Reha zur Ermittlung des Behandlungserfolges (vgl. Nübling et al., 2014.). 130 Als dritten Strang stellte die Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg aus ihrer Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) anonymisierte Angaben zu 500.000 Rehabilitanden mit einem Zeitfenster von 8 bzw. 11 Jahren zur Verfügung, sodass eine vergleichende Analyse der Zeitpunkte vor der QM-Einführung 2005 und nach der QM-Einführung 2011 durchgeführt werden konnte. Durch die Bildung von 4 Teilstichproben konnten die zeitlichen Veränderungen des in Beitragstagen und Beitragshöhe gemessenen Reha-Outcomes mit Nichtverbundkliniken verglichen werden. Dabei erfolgte eine Adjustierung der Daten im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Indikation sowie Beitragshöhe vor Rehabilitation. In diesem Beitrag wird auf die Auswertung der QM-relevanten Zusammenhänge zwischen den Patientenangaben und den QS-Daten eingegangen. Ergebnisse Die Auswertung ergibt für den Behandlungserfolg und die Patientenzufriedenheit nach 12 Monaten eine deutliche Verknüpfung mit QM-relevanten Klinikmerkmalen. Kliniken, die in diesen Parametern eine überdurchschnittliche Position einnehmen, weisen z. B. ein besseres Ergebnis im Peer-Review-Verfahren oder eine geringere Beschwerdequote auf. Die Auswertung hinsichtlich der Effekte auf die Beitragszahlungen liefert einen deutlichen Hinweis auf die Zunahme der Effektivität der stationären medizinischen Rehabilitation. Wie aus Abb. 1 hervorgeht, haben sich die Beitragszahlungen der Rehabilitanden der DRV Baden-Württemberg, die 2011 an einer Reha-Maßnahme teilgenommen haben, gegenüber 2005 deutlich verbessert. Bezogen auf die Effektivität des systematischen Qualitätsmanagements im Verbund zeigen sich erkennbare Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang. Zwischen den Verbundkliniken und den Nichtverbundkliniken ergibt sich im Jahr 2011 hinsichtlich der gewichteten Beitragszahlungen im Jahr nach Rehabilitation ein kleiner Unterschied, der im Jahr 2005 noch nicht vorhanden war. Der Unterschied zwischen den Verbundkliniken und den Nichtverbundkliniken weist – bei adjustierten Stichproben – ein mittleres Signifikanzniveau auf. Abb. 1: Veränderung der gewichteten Beitragszahlungen im Zeit- und Einrichtungsvergleich 131 Diskussion Bezogen auf die eingangs gestellte Frage nach dem Nutzen von internem QM in der Rehabilitation, erscheinen die identifizierten Vorhersagemerkmale für Behandlungserfolg und Patientenzufriedenheit interessant. Das in den Verbundkliniken eingesetzte Verfahren setzt im Vergleich zu anderen zugelassenen QM-Verfahren den Schwerpunkt auf die differenzierte Prozessorientierung auf. Alle identifizierten Merkmale finden sich in den Qualitätselementen und der Prozesslandkarte des QMS-Reha®: Die Patientenzufriedenheit findet sich im Qualitätselement Patientenorientierung und in einem Set von patientenorientierten Prozessen. Dem Peer Review entsprechen die Prozesse Planung und Überprüfung des Reha-Prozesses sowie Entlassung und Entlassbrief. Die Beschwerdequote stellt eine wesentliche Prozesskennzahl der QM-Prozesse dar. Die Untersuchung hinsichtlich der Entwicklung der Beitragszahlungen stellt einen Einstieg in die Zusammenhangsanalyse zwischen Klinikmerkmalen und ökonomischem Reha-Outcome dar. Diese Hinweise auf einen Einfluss systematischen Qualitätsmanagements machen neugierig, bedürfen aber weiterer Untersuchungen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, Qualitätsverbund Gesundheit Baden-Württemberg Literatur Farin, E., Jäckel, W.H. (2011): Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der medizinischen Rehabilitation. Bundesgesundheitsbl, 4. 174-186. Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., Krischak, R., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Schmidt, J., Toepler, E. (2014): Ergebnisqualität medizinischer Rehabilitation – Katamnestische Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRV-Schriften, Bd. 103. 188-190. Petri, B., Stähler,T. (2008): Qualitätsmanagement und Zertifizierungsverfahren. Prävention und Rehabilitation, 20, 4. 179-183. Petri, B., Toepler, E. (2011): Reha-Qualität auf neuer Nachweisstufe – Umsetzung und Konsequenzen der Zertifizierung nach § 20. DRV-Schriften, Bd. 93. 117-120. Toepler, E., Forscher, R., Werner, O. (2010): Qualitätsverbesserung durch Zusammenarbeit. DRV-Schriften, Bd. 88. 74-77. 132 Checklisten zur Prüfung und Bewertung von Konzepten medizinischer Reha-Einrichtungen Schmale, R. (1), Wagener, W. (1), Huber, J. (2), Theißen, U. (2) (1) Deutsche Rentenversicherung Bayern-Süd, (2) Deutsche Rentenversicherung Rheinland Einführung Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) stellt den am Programm zur Qualitätssicherung der medizinischen Rehabilitation in der Rentenversicherung (Reha-QS-Programm) teilnehmenden Einrichtungen routinemäßig einrichtungsbezogene Berichte zur Verfügung. Das Reha-QS-Programm umfasst derzeit 6 Instrumente für vergleichende Analysen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Ein Eckpunkt für die Belegung einer Einrichtung ist ein schriftliches, strukturiertes und umfassendes Reha-Konzept nach dem Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung. Die Anforderung gilt für stationäre als auch ambulante Reha-Einrichtungen sowie für MBOR- und Präventionsangebote. Die Prüfung und Bewertung dieses strukturnahen Prozessmerkmals erfolgt durch eine Ärztin oder einen Arzt. Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland und die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd haben gemeinsam Checklisten für eine formalisierte Prüfung und Bewertung dieser Konzepte entwickelt. Dadurch wird eine strukturierte und transparente Leistungs- und Qualitätsbewertung durch die Kostenträger ermöglicht, für die ein RV-einheitliches Instrument bisher nicht zur Verfügung steht. In die Checklisten kann neben dem Bewertungsergebnis eine freitextliche ärztliche Stellungnahme aufgenommen werden, um Aspekte zu erläutern, die über die Bewertung nicht hinreichend abgebildet sind. Anwendungsbereich für die Checklisten sind Konzepte sowohl eigener wie auch federgeführter Reha-Einrichtungen sowie solcher, die erstmalig ein Konzept einreichen. Das Ergebnis der Konzeptbewertung fließt als ein Kriterium in ein mehrdimensionales Bewertungsinstrument zur Gesamtbeurteilung von Reha-Einrichtungen ein. Dieses Instrument wurde auf dem 23. Reha-Kolloquium vorgestellt. Ziele und Nutzen Die Checkliste unterstützt eine strukturierte und standardisierte Prüfung und Bewertung formaler und inhaltlicher Anforderungen an Konzepte von Reha-Einrichtungen. Mit dieser Form lassen sich Optimierungserfordernisse einfach identifizieren und nachvollziehbar dokumentieren, bei deutlich geringerem Aufwand gegenüber der konventionellen Konzeptprüfung. Transparenz und Vergleichbarkeit der Bewertung von Reha-Konzepten werden gefördert. Belegungsrelevante Merkmale gemäß den Anforderungen an die Strukturqualität von Konzepten führen als „K. o.“-Kriterium zur Klassifizierung „Anforderungen nicht erfüllt“. Bei nicht erfüllten Anforderungskriterien kann auf dieser Basis mit der Einrichtung in einen Dialog eingetreten werden. Bisher nicht belegte Einrichtungen können begründet und nachvollziehbar zur Konzeptüberarbeitung aufgefordert werden. 133 Durch den Einsatz von Checklisten kann die konzeptionelle Qualität gesteigert werden. Die Individualität einrichtungsspezifischer Reha-Konzepte soll ausdrücklich erhalten bleiben, um Raum für weitere Entwicklungen der Rehabilitation zu lassen. Struktur und Inhalt der Checklisten Für die formalisierte Bewertung von Konzepten wurden in den Checklisten bis zu 31 Items definiert, die alle erwarteten, relevanten Merkmale für eine effektive Durchführung der Rehabilitation beinhalten. Diese sind, entsprechend ihrer Bedeutung, von Faktor 2 für Merkmale geringerer Bedeutung bis Faktor 8 für Merkmale elementarer Bedeutung gewichtet. Der Erfüllungsgrad für jedes Item wird mit einer Punktzahl bewertet. Definiert sind 4 Kategorien: 10 Punkte für „Anforderungen voll erfüllt“, 7 Punkte für „ leichte Mängel“, 4 Punkte für „deutliche Mängel“ und 0 Punkte für „Anforderungen nicht erfüllt“. Bei Vergabe von 4 oder 0 Punkten ist eine freitextliche Begründung für diese Beurteilung obligatorisch. Die für jedes Item vergebene Punktzahl (Erfüllungsgrad) wird mit der jeweiligen Gewichtung für das Merkmal multipliziert, wobei die Einzelergebnisse zu einem Gesamtergebnis addiert werden. Bei Alleinstellungsmerkmalen einer Einrichtung und/oder modellhaften Aspekten des Konzepts können Zusatzpunkte vergeben werden. Die Konzeptbewertung mündet in ein Gesamtergebnis, dass den Erfüllungsgrad über alle definierten Anforderungen darstellt. Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2014): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung, (2. überarbeitete u. erweiterte Aufl., Juli. 31. Huber, J. (2014): Mehrdimensionales Instrument der Deutschen Rentenversicherung Rheinland zur Bewertung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität von medizinischen Rehabilitationseinrichtungen. DRV-Schriften, Bd. 103. 173-174. Klosterhuis, H. (2010): Reha-Qualitätssicherung in der Rentenversicherung – eine kritische Bestandsaufnahme. RVaktuell 8. 260-268. 134 Qualitätssicherung (Poster) Nebenwirkungen von Ergotherapie Flöge, B. (1, 2), Linden, M. (1, 2), Muschalla, B. (1, 3), Jöbges, M. (4) (1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow, (3) Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam, (4) Abteilung für Neurologie, Brandenburgklinik, Bernau Hintergrund Die Ergotherapie ist eine Standardbehandlung in nahezu alle Rehabilitationskliniken. Die therapeutischen Ziele der Ergotherapie sind mit salutotherapeutischer Zielsetzung (Linden, Weig, 2013) die Förderung von allgemein gesundem und damit auch krankheitskompensatorischem Verhalten, die Unterstützung der Krankheitsbewältigung, die Mitwirkung an der Leistungssteigerung wie auch an der Leistungsbeurteilung. Ergotherapie wird in aller Regel als problemlose Therapie angesehen, d. h. es erfolgt in der Regel keine medizinisch individuell begründete Zuweisung, sondern alle Patienten einer bestimmten Station oder Einrichtung werden in die Ergotherapie aufgenommen. Dies ist u. a. damit begründet, dass die Ergotherapie als eine Methode mit geringen Risiken angesehen wird. In der Psychotherapieforschung gibt es aber seit langem Hinweise, dass Gruppentherapien an sich, unabhängig vom Inhalt, negative Begleitwirkungen haben können. Neben der Interaktion von Patient und Therapeut kommt es in Gruppentherapien immer auch zu Interaktionen zwischen Patienten, d. h. es kann zu Konflikten kommen, dysfunktionalem Lernen, Bedrängnisgefühlen durch die Raumsituation usw. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie Patienten sich in einer Ergotherapiegruppe fühlen und welche Negativerlebnisse sie haben. Methode Patienten der kardiologischen, orthopädischen und neurologischen Abteilung einer Rehabilitationsklinik (n = 45) wurden in eine Ergotherapiegruppe aufgenommen, wenn sie über arbeitsplatzbezogenen Stress klagten, mit dem Ziel einer Förderung allgemeiner rekreativer Aktivitäten als Beitrag zur Stressbewältigung. Die Patienten füllten die UE-G-Checkliste (Unerwünschte Ereignisse in Gruppen) aus, die 47 Items vorgibt, gruppiert nach potentiell belastungsauslösenden Faktoren wie die Gruppengröße oder der Raum, die Therapieinhalte, die Mitpatienten, das Therapeutenverhalten, individuelle gruppenbezogene Vorstellungen, und Nachfolgewirkungen. Ergebnisse 88,9 % der Patienten berichten über mindestens eine unerwünschte Begleitwirkung der Ergotherapie, d. h. in 68,9 % der Fälle durch die Gruppengröße/-raum, 71,1 % durch den In- 135 halt, 42,2 % durch die Gruppenmitglieder, 20 % der Therapeutin, 51,1 % Gruppenfolgen und 40 % hinsichtlich des Globalerlebens. 28,9 % der Patienten bezeichnen derartige Wirkungen als „stark bis extrem belastend“. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die einzelnen unerwünschten Begleitwirkungen und die Häufigkeit der davon betroffenen Patienten. Von besonderer Bedeutung sind die Induktion eines Hoffnungslosigkeitserlebens beispielsweise derart, dass Therapie nicht wirkt oder man sieht, dass man kränker ist als zuvor gedacht und die Induktion eines Insuffizienzerlebens derart, dass man in der Gruppe unter Druck kommt oder untergeht. Abb. 1: Belastungserleben in der Ergotherapie (% der Patienten) 136 Diskussion Die Daten zeigen, dass auch Ergotherapiegruppen nicht ohne negative Begleitwirkungen sind. Die Rate der beklagten Negativwirkungen ist im Vergleich zu anderen Therapeutika durchaus hoch und in ihrer Art auch von Relevanz. Das Thema hat bislang in der medizinischen Rehabilitation, die sehr stark auf Gruppentherapien aufbaut, und speziell in der Ergotherapie kaum Beachtung gefunden. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Linden, M., Weig, W. (Hrsg.) (2009): Salutotherapie. Deutscher Ärzteverlag. Köln. Linden, M., Strauß, B. (Hrsg.) (2013): Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie. MWV: Berlin. 137 Epidemiologie und Reha-Bedarf Welche Faktoren beeinflussen die Absicht zur Beantragung medizinischer Rehabilitation? Mohnberg, I. (1), Spanier, K. (2), Radoschewski, F.M. (1), Bethge, M. (2) (1) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck Hintergrund Im System der Rentenversicherung gilt der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Die aktuelle Statistik zeigt, dass mehr als die Hälfte der vorzeitigen Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit keine medizinischen Rehabilitationsleistungen in Anspruch genommen hat (DRV, 2013). Ein erhebliches Potential zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit durch Rehabilitation bleibt somit ungenutzt. Die Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahme setzt eine Antragstellung durch den Versicherten selbst voraus, bedarf also einer bewussten Entscheidung. Frühere Studien zeigen, dass die Absicht einer Rehabilitationsantragstellung mit subjektiv schlechter Gesundheit, frühere Rehabilitationserfahrung, Unterstützung durch Hausärzte und Familie sowie positiven Ergebniserwartungen assoziiert ist (Zimmermann et al., 1999). Zudem wird vermutet, dass weitere Faktoren die Antragsabsicht beeinflussen und sich die Bedeutung dieser Faktoren für Subgruppen unterscheidet. Methodik Im Rahmen des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen“ wurde eine nach Geschlecht stratifizierte Stichprobe von 10.000 aktiv Versicherten der Deutschen Rentenversicherung Bund gezogen. Eingeschlossen wurden 40- bis 54-jährige Personen mit Krankengeldbezug im Jahr 2012, die zwischen 2009 und 2012 keine rehabilitativen Leistungen beantragt hatten. Die Absicht eine medizinische Rehabilitation zu beantragen wurde mit 2 Fragen erfasst und der Mittelwert anschließend dichotomisiert (hohe vs. geringe Antragsabsicht). Als mögliche Determinanten einer Antragsabsicht wurden verhaltens- und arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren, Häufigkeit der Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versorgung, gesundheitsbezogene Lebensqualität und subjektive Arbeitsfähigkeit erfasst. Zusätzliche Analysen prüften die moderierende Bedeutung von Geschlecht, Alter und Bildung für den Zusammenhang der untersuchten Merkmale mit der Antragsabsicht. Ergebnisse Es wurden 3.165 Versicherte mit einem durchschnittlichen im Alter von 47,9 Jahren (SD=4,1) in die Analysen einbezogen. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer waren Frauen (n=1.682). Annähernd 80 % wiesen einen geringen bis mittleren Bildungsstatus auf. Knapp ein Fünftel (n=557) hatte ein hohe Antragsabsicht. Die Analysen identifizierten eine Reihe relevanter Einflussgrößen für eine beabsichtigte Antragstellung. Am deutlichsten waren die Zusammenhänge mit schlechter subjektiver Arbeitsfähigkeit (OR = 5,2; 95 % KI: 3,9 bis 6,9), schlechter Erwerbsfähigkeitsprognose (OR = 3,7; 138 95 % KI: 3,0 bis 4,5), einer beabsichtigen Rentenantragstellung (OR = 4,0; 95 % KI: 3,0 bis 5,3) und häufigen Allgemeinarztkontakten (OR = 2,8; 95 % KI: 2,3 bis 3,4). Weder Bildung noch Alter moderierten die Zusammenhänge rehabilitationsrelevanter Bedarfsmerkmale mit einer beabsichtigten Antragstellung. Moderiert wurden die Zusammenhänge allerdings vom Geschlecht. Für Männer war der Zusammenhang zwischen Bedarfsmerkmalen und Antragsabsicht deutlicher ausgeprägt als für Frauen. So waren die Odds einer Antragsintention für gesundheitlich stärker beeinträchtigte Männer 1,7-mal höher (95 % KI: 1,2 bis 2,6) als für vergleichbare Frauen. Männer mit schlechter subjektiver Arbeitsfähigkeit hatten eine doppelt so hohe Chance (95 % KI: 1,1 bis 3,6) für eine intendierte Antragstellung als vergleichbare Frauen. Die unterschiedlich starke Bedeutung rehabilitationsrelevanter Merkmale für eine beabsichtigte Antragstellung ist vor allem auf die höhere Antragsabsicht bei weniger stark beeinträchtigen Frauen zurückzuführen. Diskussion Die Analysen zeigen, dass subjektive Einschränkungen der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit sowie die Häufigkeit der Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versorgung die Intention zur Antragstellung beeinflussen. Bei Männern ist die Absicht einer Antragstellung deutlich stärker mit dem Gesundheitszustand, dem Ausmaß der Arbeitsfähigkeit und dem Umfang ambulant ärztlicher Versorgung assoziiert als bei Frauen. Schlussfolgerungen Informationen zu den Möglichkeiten medizinischer Rehabilitation könnten einen stärkeren Fokus auf rehabilitationsrelevante Bedarfsmerkmale setzen. Ein leicht zu bearbeitendes Bedarfsscreening könnte die Selbsteinschätzung von Rehabilitationsbedarf unterstützen, um Unter- und Überversorgung zu verringern (Bethge et al., 2012). Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Bethge, M., Radoschewski, F.M., Gutenbrunner, C. (2012): The Work Ability Index as a screening tool to identify the need for rehabilitation: longitudinal findings from the Second German Sociomedical Panel of Employees. J Rehabil Med, 44. 980-987. Deutsche Rentenversicherung (2013): Rentenzugang 2012. DRV-Schriften, Bd. 193. Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R., Raspe, H. (1999): Subjektive Rehabilitationsbedürftigkeit, Antragsintension und Antragsstellung auf medizinische Rehabilitation – Ergebnisse einer Befragung von LVA-Versicherten. Die Rehabilitation, 38; Suppl. 2. 122-127. 139 Der Work Ability Index – Ein Indikator für Rehabilitationsbedarf? Bethge, M. (1), Spanier, K. (1), Neugebauer, T. (2), Mohnberg, I. (3), Radoschewski, F.M. (3) (1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen, Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen, Hannover, (3) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin Hintergrund Eine stärkere Einbindung von Betriebsärzten in den Rehabilitationsprozess, wie sie im SGB IX und den gemeinsamen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation angeregt wird, ist auf eine gemeinsame Sprache bei der Identifizierung von Rehabilitationsbedarf angewiesen. Ein in diesem Zusammenhang denkbares Instrument ist der in der Arbeitsmedizin gut etablierte Work Ability Index (WAI) (Ilmarinen, 2009). Dieses in Finnland entwickelte Screening erfasst auf 7 Dimensionen (7 bis 49 Punkte), inwiefern sich eine Person unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes in der Lage sieht, die Arbeitsplatzanforderungen bewältigen zu können. Geprüft wurde, ob der WAI mit rehabilitationsrelevanten Außenkriterien assoziiert ist. Methodik Die Daten wurden während der Ersterhebung des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen“ erhoben. Die Stichprobe berücksichtigte 40- bis 54-jährige Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Krankengeldbezug in 2012. Die subjektive Arbeitsfähigkeit wurde mit dem WAI erfasst, zudem wurden verhaltensbezogene und berufliche Risikofaktoren, ärztliche Inanspruchnahme und intendierte Rehabilitations- und Rentenanträge erhoben. Relative Risiken (RR) wurden berechnet, um Zusammenhänge zwischen dem kategorisiertem WAI (7 bis 36 vs. 37 bis 49 Punkte) und den verschiedenen Außenkriterien zu quantifizieren. Die Fähigkeit des kontinuierlichen Scores zwischen Personen mit einer Rehabilitations- oder Rentenantragsabsicht und Personen ohne eine solche Antragsabsicht zu unterscheiden, wurde mittels einer Receiver-Operating-Characteristic-Kurve (ROC-Kurve) geprüft. Die Fläche unter dieser Kurve (Area under the curve, AUC) repräsentiert die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gezogene Person mit einer Antragsabsicht einen ungünstigeren Wert hat als eine zufällig gezogene Person ohne Antragsabsicht. Werte ≥0,75 gelten als akzeptabel (Roelen et al., 2014). Diese Analysen wurden für die einzelnen Dimensionen des WAI wiederholt. Auf dieser Grundlage wurde eine auf 2 Items gekürzte Version hergeleitet, die vergleichbare Eigenschaften wie der Gesamtwert hat. Ergebnisse Für die Analysen wurden Daten von 2.814 Teilnehmern berücksichtigt (mittleres Alter: 47,9 Jahre; 53,4 % Frauen). 60,1 % berichteten geringe Arbeitsfähigkeit (7 bis 36 Punkte). Geringe Arbeitsfähigkeit stand stärker mit beruflichen Risikofaktoren (v. a. geringe relationale Gerechtigkeit, berufliche Gratifikationskrisen) als mit verhaltensbezogenen Risikofaktoren (v. a. Übergewicht) in Zusammenhang. Kumulierte berufliche Risikofaktoren wurden 140 bei geringer Arbeitsfähigkeit 2,4-mal häufiger berichtet, kumulierte verhaltensbezogene Risikofaktoren 1,4-mal häufiger. Geringe Arbeitsfähigkeit war zudem mit häufigen Arztkontakten, Krankenhausaufenthalten, früheren beantragten und durchgeführten Rehabilitationen sowie anerkannter Schwerbehinderung assoziiert. Die Risiken für intendierte Rehabilitations- und Rentenanträge waren für Personen mit geringen Werten auf dem WAI 4- bis 6-fach erhöht. Die relativen Risiken waren in nach Alter und Geschlecht stratifizierten Analysen homogen. Die in den ROC-Analysen kalkulierte AUC von 0,78 (95 % KI: 0,76 bis 0,80) bestätigte die gute diskriminierende Fähigkeit des kontinuierlichen Gesamtwertes. Auf Ebene der einzelnen Dimensionen waren die Werte der AUC für die erste Dimension (Arbeitsfähigkeit im Vergleich zur besten je erreichten Arbeitsfähigkeit; AUC = 0,74; 95 % KI: 0,72 bis 0,77) und die vierte Dimension (Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit; AUC = 0,73; 95 % KI: 0,71 bis 0,76) am günstigsten. Eine auf diese beiden Items verkürzte Version diskriminierte ebenfalls akzeptabel zwischen Personen mit und ohne Antragsabsicht (AUC = 0,76; 95 % KI: 0,74 bis 0,78). Diskussion Eingeschränkte subjektive Arbeitsfähigkeit ist mit beruflichen und verhaltensbezogenen Risikofaktoren, intensiver Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versorgung und beabsichtigten Rehabilitations- und Rentenanträgen assoziiert. Der WAI ist offensichtlich geeignet, um rehabilitationsrelevante Einschränkungen zu identifizieren und könnte genutzt werden, um Rehabilitationsbedarf im Rahmen betriebsärztlicher Untersuchungen zu erkennen. Schlussfolgerungen Kontrollierte Studien sollten prüfen, ob ein zusätzliches betriebsärztliches Screening nach Rehabilitationsbedarf im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements und ggf. die Einleitung von medizinischer Rehabilitation zu günstigeren Ergebnissen führen als herkömmliche betriebliche Eingliederungsstrategien (Lambeek et al., 2010). Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Ilmarinen, J. (2009): Work ability – a comprehensive concept for occupational health research and prevention. Scand J Work Environ Health, 35. 1-5. Lambeek, L.C., van Mechelen, W., Knol, D.L., Loisel, P., Anema, J.R. (2010): Randomised controlled trial of integrated care to reduce disability from chronic low back pain in working and private life. Bmj, 340. c1035. Roelen, C.A., van Rhenen, W., Groothoff, J.W., van der Klink, J.J., Twisk, J.W., Heymans, M.W. (2014): Work ability as prognostic risk marker of disability pension: single-item work ability score versus multi-item work ability index. Scand J Work Environ Health, 40. 428-431. 141 Sind administrative Daten geeignet, um Rehabilitationsbedarf zu erkennen? Spanier, K. (1), Mohnberg, I. (2), Radoschewski, F.M. (2), Streibelt, M. (3), Bethge, M. (1) (1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind Antragsleistungen. Oft werden Rehabilitationsanträge trotz erheblicher Einschränkungen jedoch zu spät oder gar nicht gestellt (Deutsche Rentenversicherung, 2013). Eine Möglichkeit zur frühzeitigen Identifikation von möglicherweise vorhandenem Rehabilitationsbedarf dieser Personen kann in der Nutzung bereits beim Träger vorhandener administrativer Daten liegen. Die Eignung dieser Daten zur frühzeitigen Vorhersage von Erwerbsminderungsrentenzugängen konnte unlängst in einer Fall-Kontroll-Studie gezeigt werden (Bethge et al., 2011). Um aus administrativen Daten darüber hinaus Rehabilitationsbedarf abzuleiten, müssen diese ausreichend mit rehabilitationsrelevanten Bedarfsmerkmalen, wie Rentenantragsintention, ausreichender Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versorgung und subjektiver Arbeitsfähigkeit, assoziiert sein. Geprüft wurden die Zusammenhänge des aus administrativen Daten gebildeten Risikoindex Erwerbsminderungsrente (RI-EMR) mit Rentenantragsintentionen und weiteren gesundheits- und erwerbsbezogenen Merkmalen. Methodik 10.000 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund wurden 2013 im Zuge der Erstbefragung des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen – Rehabilitation und Teilhabe (SPE-III)“ mittels Fragebogen befragt. Die Stichprobe berücksichtige Versicherte der Jahrgänge 1959 bis 1973, die im Jahr vor der Erstbefragung zwar Krankengeld bezogen, im vorangegangen 4-Jahres-Zeitraum aber keine Rehabilitationsleistungen beantragt oder erhalten hatten. Die Fragebogendaten wurden bei Zustimmung der Befragten mit administrativen Daten aus den Versichertenkonten verknüpft. Mit diesen Daten wurde der RI-EMR berechnet. Dazu wurden Informationen über das versicherungspflichtige Entgelt, die Bezugsdauer von Krankengeld, Arbeitslosengeld I und II, die Versicherungsdauer und den Bildungsstatus genutzt. Der Indexwert beschreibt die individuelle Wahrscheinlichkeit eines Erwerbsminderungsrentenzugangs binnen der nächsten 5 Jahre. Für die Analysen wurde der RI-EMR geschlechtsspezifisch so in 2 Risikogruppen kategorisiert (hohes vs. niedriges Risiko), dass die Vorhersage von beabsichtigten Rentenantragstellungen optimiert wurde (Youden, 1950). Alle durchgeführten Analysen erfolgten deshalb nach Geschlecht getrennt. Ergebnisse 1.261 Männer und 1.465 Frauen wurden in die Analysen eingeschlossen. Das Durchschnittsalter der Männer lag bei 47,9 Jahren (SD=4,0), das der Frauen bei 47,8 (SD=4,1). Ungefähr der Hälfte der Teilnehmenden wurde ein hohes Risiko auf dem RI-EMR zugeordnet. Die Odds für eine Rentenantragsintention waren bei hohen Risikoindexwerten für Männer 3,4-fach (95 % KI: 2,2 bis 5,2) und Frauen 4,8-fach (95 % KI: 2,8 bis 8,4) erhöht. 142 Männer mit hohem RI-EMR gaben im Durchschnitt 28,7 mehr Tage mit Beeinträchtigungen (95 % KI: 22,3 bis 35,4) und eine deutlich herabgesetzte subjektive Arbeitsfähigkeit (−4,3 Punkte auf dem Work Ability Index; 95 % KI: −5,2 bis −3,3) an, als Männer mit niedrigen Werten. Personen mit niedrigen Risikoindexwerten gaben weiterhin deutlich höhere Werte auf den Skalen der Short-Form 36 an. So lag der Durchschnittswert der Skalen „Körperliche Rolle“ und „Emotionale Rolle“ bei Männern mit niedrigen Werten des RI-EMR bei 73,2 (SD=37,6) bzw. 73,8 (SD=38,8) bei Männern mit hohen Risikoindexwerten bei lediglich 54,2 (SD=43,3) bzw. 59,8 (SD=44,5).Ähnliche Assoziationen und Differenzen zeigten sich auch für Frauen. Hohe Werte auf dem RI-EMR waren zudem sowohl bei Männern als auch Frauen mit häufigeren Arztkontakten assoziiert. Diskussion Der RI-EMR zeigte deutliche Assoziationen mit den untersuchten bedarfsrelevanten Merkmalen. Administrative Daten beinhalten wichtige Informationen, um den Rehabilitationsbedarf bereits belasteter Personen zu bewerten. Diese Daten sind beim Träger für alle Versicherten verfügbar und äußerst zuverlässig. So wäre eine Nutzung administrativer Daten zum einen denkbar, um aktiv auf in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkte Versicherte zuzugehen und über medizinische Rehabilitationsleistungen zu informieren. Zum anderen könnten entsprechend aufbereitete administrative Daten die sozialmedizinische Begutachtung im Falle einer Antragstellung durch zusätzliche Informationen unterstützen. Schlussfolgerung Die Assoziationen des RI-EMR mit den untersuchten Merkmalen legen die Nutzbarkeit administrativer Daten zur Identifikation von Rehabilitationsbedarf nahe. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Bethge, M., Egner, U., Streibelt, M., Radoschewski, F.M., Spyra, K. (2011): Risikoindex Erwerbsminderungsrente (RI-EMR): Eine prozessdatenbasierte Fall-Kontroll-Studie mit 8.500 Männern und 8.405 Frauen. Bundesgesundheitsblatt, 54. 1221-1228. Deutsche Rentenversicherung (2013): Rentenzugang 2012. DRV-Schriften, Bd. 193. Youden, W.J. (1950): Index for rating diagnostic tests. Cancer, 3. 32-35. 143 Exploration von Problemlagen in der orthopädischen Rehabilitation zur Optimierung der Zuweisungs- und Behandlungsadäquanz Schwarz, B. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck Hintergrund Innerhalb der orthopädischen Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung (DRV) haben sich in den vergangenen Jahren neben der klassischen, die verhaltensmedizinisch und die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (kurz: OR, VMO und MBOR) etabliert (Löffler et al., 2011; Schwarz et al., 2008). Ziel der Studie war es, die Problemlagen, die eine OR, VMO sowie MBOR indizieren, weiter zu schärfen und klar voneinander abzugrenzen. Typische Kennzeichen und Fälle sollten herausgearbeitet sowie mögliche Sub- und Mischtypen identifiziert werden, um so zur weiteren Optimierung der Zuweisungs- und Behandlungsadäquanz beizutragen. Methodik Zur tiefergehenden Exploration der Problemlagen wurde ein qualitatives Studiendesign gewählt (Flick, 2007). Durchgeführt wurden 24 problemzentrierte Interviews mit je 8 OR-, VMO- und MBOR-PatientInnen aus 2 Kliniken, jeweils eine Fokusgruppe mit den RehaTeams dieser Kliniken sowie eine Fokusgruppe mit PrüfärztInnen und ExpertInnen eines Rentenversicherungsträgers. Die Auswertung erfolgte computergestützt (MAXQDA) mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse, systematisch kontrastierender Fallvergleiche sowie einer Datentriangulation und wurde kommunikativ validiert (Steinke, 1999). Als Strukturierungs- und Vergleichsraster wurde in Erhebung (Leitfäden) und Auswertung (Codebäume) das biopsychosoziale Modell funktionaler Gesundheit der ICF (DIMDI, 2005) herangezogen: Die Charakteristika der Problemlagen wurden über alle Perspektiven hinweg entlang der Modellkonzepte „Körperfunktionen und -strukturen“ (Schädigungen), „Aktivitäten und Teilhabe“ (Beeinträchtigungen) sowie „umwelt- und personenbezogene Kontextfaktoren“ (Ressourcen und Barrieren) exploriert. Ergebnisse Die Auswertung ergab eine Ausdifferenzierung der MBOR- sowie der VMO-Problemlage in jeweils 3 Subgruppen (MBOR funktional, MBOR psychsosozial, MBOR funktional + psychosozial, VMO somatoform, VMO Stress, VMO Schmerz + Stress) sowie keine weitere Ausdifferenzierung der OR-Problemlage. Zentrale Differenzkriterien waren das Vorliegen einer psychischen Komorbidität, einer besonderen beruflichen Problemlage (hohe Arbeitsunfähigkeitszeiten, negative subjektive Erwerbsprognose), privater und/oder beruflicher Belastungen sowie der Grad der subjektiven Schmerzwahrnehmung und -beeinträchtigung. Für jede identifizierte (Sub-)Problemlage wurde eine (entlang des biopsychosozialen Modells strukturierte) typisierte Problemlagebeschreibung mit Indikations-/Differenzkriterien, einer Kurzbeschreibung, Behandlungsempfehlungen und Fallbeispielen angefertigt. Zudem wurden Steuerungspfade zur Unterstützung der bedarfsadäquaten Zuweisung und Behandlung sowie eine Sammlung von Diagnostikinstrumenten und ein Fragenkatalog für die Therapieplanung erstellt. 144 Diskussion Die Studie beschreibt erstmals detailliert die unterschiedlichen Problemlagen, die eine OR, VMO bzw. MBOR indizieren, identifiziert Subgruppen sowie Mischtypen und schafft es so, die bislang abstrakt gebliebenen Zielgruppen der 3 Behandlungskonzepte zu schärfen und klarer voneinander abzugrenzen. Die Ergebnisse und die auf ihrer Basis entwickelten Produkte können auf Träger- wie Klinikseite die differenzierte Zuweisung und Behandlung weiterführend unterstützen und damit einen wichtigen Beitrag zur bedarfsadäquaten rehabilitativen Versorgung leisten. Ausblick Die Replizierbarkeit der hier für eine begrenzte Anzahl an Fällen identifizierten Problemlagen könnte künftig an einer größeren Stichprobe überprüft werden. Zudem wäre zu untersuchen, ob eine konsequent problemlageorientierte Behandlung tatsächlich zu einer besseren Wirksamkeit führt. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), WHO-Kooperationszentrum für das System Internationaler Klassifikationen (Hrsg.) (2005): Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Genf: WHO. Flick, U. (2007): Qualitative Sozialforschung: Eine Einführung (6. Aufl.). Reinbek: Rowohlt. Löffler, S., Gerlich, C., Lukaszcik, M., Vogel, H., Wolf, H.-D., Neuderth, S. (2011): Praxishandbuch: Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation (3. Aufl.). Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund. Schwarz, S., Mangels, M., Sohr, G. (2008): Patienten mit vs. ohne psychische Störung in der orthopädischen Rehabilitation. Der Schmerz, 22. 67-74. Steinke, I. (1999): Kriterien qualitativer Forschung. Ansätze zur Bewertung qualitativ empirischer Sozialforschung. Weinheim, München: Juventa. Regionale Variationen bei Anschlussrehabilitationen Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I. Charité – Universitätsmedizin Berlin Ausgangssituation und Fragestellung Anschlussrehabilitationen (AR/AHB) können nach der Akutversorgung von Patienten für ausgewählte, definierte Indikationen (DRV, 2013a) durchgeführt werden. Dazu gehören auch AR wegen Neubildungen, die nach § 31 SGB VI auch von Personen außerhalb des Erwerbsalters wahrgenommen werden können. Der Anteil der AR an medizinischen Rehabilitationsleistungen erreichte 2012 34 % (DRV, 2013b). Der Anstieg der AR-Fallzahlen entfällt bei Männern zu 41 %, bei Frauen zu 45 % auf degenerativ-rheumatische Krankheiten und Zustände nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen sowie zu 44 % (29 % nach § 15; 15 % nach § 31) bzw. 47 % (33 % nach § 15; 15 % nach § 31)auf onkologische Krankheiten. 145 Formal resultieren die AR-Trends aus dem Zusammenspiel zweier Komponenten, der Entwicklung der Häufigkeit der akuten Krankenhausversorgung und der Häufigkeit der Einsteuerung aus der Akutversorgung einschließlich der Inanspruchnahme/Nutzung von AR. Dies führt zu der Fragestellung, in welchem Ausmaß diese Komponenten die Häufigkeitszunahme beeinflussen und ob und inwieweit sie auch regionale Unterschiede der AR-Häufigkeit bewirken. Datenbasis/Methodik Für die Analysen wurde der aus der Längsschnitt-RSD generierte Datensatz „SUF Abgeschlossene Rehabilitation im Versicherungsverlauf 2002-2009“ genutzt, den das Forschungsdatenzentrum der Deutschen Rentenversicherung bereitstellt (FDZ-RV), sowie ein vom Förderer um einige Variablen ergänzter Datensatz. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden die alters- und geschlechtspezifischen standardisierten Häufigkeiten der AR nach Bundesländern berechnet und mit den Häufigkeitsentwicklungen der Akutversorgung verglichen, die im Rahmen der GBE des Bundes verfügbar sind (Krankenhausdaten stehen nur regionalisiert nach Bundesländern zur Verfügung.). Die Analysen sind Bestandteil des von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderten Projekts zur Epidemiologie von AR. Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse beispielhaft für degenerativ-rheumatische Krankheiten, Zustände nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen insgesamt dargestellt. Die standardisierte Häufigkeit der AR ist zwar generell und in allen Bundesländern angestiegen, es zeigen sich aber erhebliche regionale Unterschiede. So wurde im Jahr 2009 bei den Männern in Bayern gegenüber Berlin die 2,4-fache Häufigkeit und bei den Frauen im Saarland gegenüber Hamburg die 1,7-fache Häufigkeit erreicht. Geschlecht Kennzahl M Ende der AR - Jahr Häufigkeit / 10.000 Aktiv Versicherte Rang 2005 2006 2007 2008 2009 20,5 21,6 23,8 24,2 26,6 28,5 Standard. Häufigkeit 19,7 20,3 21,1 23 23,2 25,2 26,8 29,6 39.490 41.445 43.068 47.165 48.605 53.530 57.425 63.810 18,4 18,9 21,4 23,7 22,7 26,5 28,9 31,4 Standard. Häufigkeit Fallzahl W 2004 19,7 Häufigkeit M 2003 Häufigkeit Fallzahl W 2002 31,8 18,4 18,7 20,8 22,7 21,6 24,9 26,7 28,5 33.078 34.028 37.995 42.038 41.938 49.638 54.590 59.478 Bayern 1 27,0 28,4 27,6 31,0 31,5 35,0 37,6 40,7 Berlin 16 11,2 11 14,3 14,5 11,9 14,1 16,6 16,7 Saarland 1 22,1 31,1 25,0 23,8 30,4 29,5 39,9 37,7 Hamburg 16 11,1 11,6 14 14,1 15,1 20,5 21,9 21,5 Anm.: Als Standard wurde der Endbestand der Aktiv Versicherten des Jahres 2001 verwendet. Tab. 1: Entwicklung der altersstandardisierten Häufigkeiten der AR wegen degenerativ-rheumatischer Krankheiten, Zuständen nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen nach Geschlecht und ausgewählten Bundesländern 146 Die Unterschiede sind offensichtlich systematischer Natur, da sie sich nicht nur auf ein Kalenderjahr beschränken, sondern den gesamten Zeitraum betreffen. Ein weiteres Indiz dafür ist die hohe Korrelation zwischen den Häufigkeitsrangfolgen der Männer und der Frauen der Bundesländer. Auch hinsichtlich der Anteile der AR an den akuten Krankenhausfällen bestehen deutliche regionale Unterschiede bei beiden Geschlechtern. Vergleicht man die Anstiege der AR-Häufigkeit und der Anteile der AR an den Krankenhausfällen, so zeigt sich, dass bei den Männern sowohl in Bayern als auch in Berlin beide Häufigkeiten in gleichem Ausmaß auf etwa das 1,5-Fache angestiegen sind. Bei den Frauen im Saarland sind beide Häufigkeiten auf ca. das 1,7-Fache gestiegen, bei jenen in Hamburg haben sie sich annähernd verdoppelt. AR M 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 39.490 41.445 43.068 47.165 48.605 53.530 57.425 63.810 KF 289.036 284.030 268.162 266.989 271.978 284.570 295.948 308.025 Anteil AR 13,7 % 14,6 % 16,1 % 17,7 % 17,9 % 18,8 % 19,4 % 20,7 % 33.078 AR F 2002 34.028 37.995 42.038 41.938 49.638 54.590 59.478 KF 246.153 249.659 241.828 246.878 256.785 270.422 284.140 297.776 Anteil AR 13,4 % 13,6 % 15,7 % 17,0 % 16,3 % 18,4 % 19,2 % 20,0 % Bundesländer mit den höchsten und geringsten Anteilen M F Baden-Württemberg NRW Saarland NRW 19,5 21,6 23,8 25,1 11,6 12,4 % % 32,5 % 14,4 % 28,7 12,2 % % 26,3 % 13,5 % 25,7 8,0 % 19,7 % 21,2 % % 9,4 % 11,1 % 16,9 % 25,0 % 21,0 % 9,0 % 9,6 % 11,6 % % % 20,6 % 12,6 % % % 26,3 % 11,8 % 13,7 14,0 % % 28,8 % 14,0 % % % 26,3 % 17,4 % % % 32,5 % 18,2 % Vergleichswerte der Bundesländer aus Tabelle 1 M F % 17,4 % 18,7 % % 11,3 % 15,7 % 16,9 % 25,0 % 21,0 % 9,6 % 11,4 % 9,1 % % % 20,6 % 12,6 % % % 26,3 % 13,3 % % % 28,8 % 18,5 % Bayern 16,4 22,1 22,4 23,7 24,4 25,3 Berlin 11,5 16,0 13,0 15,1 17,7 17,3 Saarland Hamburg Tab. 2: Zahl der AR, geschätzte Zahl der akuten Krankenhausfälle (KF) aktiv Versicherter und Anteil der AR an den KF wegen degenerativ-rheumatischer Krankheiten, Zuständen nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen Die bundeslandspezifischen Verteilungen der relativen AR-Häufigkeit und der AR-Anteile an den Krankenhausfällen korrelieren zudem hoch miteinander (Korrelationskoeffizienten: Männer = 0,854; Frauen = 0,814). Ähnlich große regionale Unterschiede, wenngleich bei modifizierten Häufigkeitstrends, weisen auch die Untergruppen dieser Indikationsgruppe auf. Während die Anteile der AR bei steigenden Krankenhausfällen wegen Coxarthrosen eher sinken, steigen sie bei Gonarthrosen stark an (vgl. Storz-Pfennig, 2014). Die Häufigkeitsentwicklungen bei Bandscheibenschäden sind bei großer regionaler Varianz hingegen relativ recht stabil, Bei sonstigen MSK hingegen steigen die Fallzahlen der Akutversorgung und bei auch hier großen regionalen Unterschieden die AR-Anteile sogar noch stärker. 147 Diskussion Aus den Ergebnissen kann unseres Erachtens geschlossen werden, dass die Häufigkeitsanstiege der Akutversorgung zwar weitgehend den Anstieg der AR-Häufigkeit bewirken, aber unterschiedliche und im Zeitverlauf relativ stabile regionale Einsteuerungs- und Inanspruchnahmemuster gleichermaßen Ursache der regionalen Varianz der AR-Häufigkeiten sind. Inwieweit vor allem die von der Akutversorgung beeinflussten Einsteuerungs- und Inanspruchnahmemuster oder auch unterschiedliche Bewilligungsverfahren der Rentenversicherungen maßgeblich sind, lässt sich anhand der Datenlage nicht entscheiden. Literatur Deutsche Rentenversicherung (2013a): AHB-Indikationskatalog. http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Fachbereiche/01_sozialmedizin_forschung/downloads/ sozmed/ahb_indikationskatalog.html. Zugriff: 01.09.2013. Deutsche Rentenversicherung Bund (2013b): Reha-Bericht 2013 – Die medizinische und berufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. 29. FDZ-RV (2013): http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/FdzPortalWeb/. Zugriff: 21.10.2013. Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I. (2013): Die mehrfache Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation – Ergebnisse einer Längsschnittanalyse. DRV-Schriften, Bd. 101. 176-178. Storz-Pfennig, P. (2014): Deutschland: Geografische Variationen in der Gesundheitsversorgung, http://www.oecd.org/berlin/publikationen/Deutschland-Geografische-Variationenin-der-Gesundheitsversorgung.pdf. Zugriff: 13.10.0214. Reha abgelehnt und dann? Vergleichende Beobachtungsstudie zum weiteren gesundheits- und berufsbezogenen Verlauf der Versicherten Deck, R., Walther, A.L. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck Hintergrund Jährlich werden etwa ein Drittel der bei der Rentenversicherung gestellten Anträge aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Hansmeier et al. (2002) haben in ihrer Studie gezeigt, dass die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen vor einer Reha-Antragstellung erhöht ist, sich berufliche und arbeitsplatzbezogene Situation ungünstiger darstellt. Darüber hinaus verknüpfen viele Reha-Antragsteller mit der Rehabilitation große Hoffnungen und verspüren im Fall einer Bewilligung große Erleichterung (Pohontsch et al., 2010). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es sich bei der Gruppe der Reha-Antragsteller um eine besonders vulnerable Gruppe bezüglich der Chronifizierung der Erkrankung und der Entwicklung gesundheitlicher und beruflicher Problemlagen handelt. Bislang liegen keine Untersuchungen darüber vor, welche Auswirkungen ein abgelehnter Reha-Antrag auf den weiteren gesundheitlichen und berufsbezogenen Verlauf der RehaAntragsteller hat. Vor diesem Hintergrund wurde eine Beobachtungsstudie durchgeführt, die 148 Aufschlüsse darüber ermöglicht, ob die Ablehnung eines Reha-Antrags durch selbstbeschaffte Gesundheitsangebote und ambulante Therapien kompensiert werden kann bzw. ob sich diese Versicherten gesundheitsbezogen und beruflich zu Risikofällen entwickeln. Methodik In einer Längsschnittstudie mit 3 Messzeitpunkten (T0 unmittelbar nach der Antragstellung, T1 vier und T2 zehn Monate nach der Antragstellung) wurden im Erhebungszeitraum alle Antragsteller der DRV Nord angeschrieben, die Antrag auf medizinische Rehabilitation gestellt hatten. Es wurden Männer und Frauen der Indikationen Orthopädie und Psychosomatik im Alter von 18–65 Jahren eingeschlossen. Die Probanden wurden mit einem standardisierten Fragebogen schriftlich befragt, die primären Zielgrößen der Studie sind körperliche und psychische Beeinträchtigung (FFbH, BSI) und die subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE). Sekundäre Zielgrößen sind weitere gesundheitsbezogene Beeinträchtigungen sowie berufliche Risiken. Außerdem wurde die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen erfragt. Ergebnisse Die Bereitschaft, sich an der Studie zu beteiligen lag bei 55 %. Zum 2. Messzeitpunkt betrug die Rücklaufquote 71 %. Parallel zu diesem Messzeitpunkt wurde indikationsspezifisch auf der Basis der Rehabilitanden mit abgelehntem Antrag ein Matching mit den Rehabilitanden, deren Antrag bewilligt wurde, durchgeführt. Matchingkriterien waren Alter, Geschlecht und Schulbildung der Antragsteller. Dies führte zu einer Gesamtfallzahl von n=690. Diese wurden zum 3. Messzeitpunkt angeschrieben, die Rücklaufquote lag bei 71 %. Die finale Stichprobe zum 3. Messzeitpunkt umfasste n= 396 Probanden, 223 mit bewilligtem und 173 mit abgelehntem Antrag. Am häufigsten wurde der Antrag aufgrund der fehlenden Notwendigkeit abgelehnt. Bei der Antragsentscheidung ist von Bedeutung, wer den Antrag empfohlen oder den Befundbericht erstellt hat. Versicherte, die mit dem Befundbericht eines Allgemeinmediziners/Hausarztes einen Antrag stellen, erhalten öfter einen Ablehnungsbescheid (p=0.012), als Personen, die einen Befundbericht vom Facharzt oder einem Krankenhausarzt vorweisen. Bei allen primären und sekundären Zielgrößen sehen wir mit Ausnahme der Funktionsbehinderungen im Alltag (p<0,05) keine Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen bei Antragstellung. Es zeigen sich auch keine Unterschiede hinsichtlich der Inanspruchnahme ärztlicher und nichtärztlicher Leistungen im Jahr vor Reha-Antragstellung. Mit Blick auf die verschiedenen Skalen zur subjektiven Gesundheit ergibt sich für die Versicherten, die eine Reha durchgeführt haben, in einem primären und 2 sekundären Zielgrößen ein signifikanter Vorteil (Interaktionseffekt Zeit*Gruppe, p<0,01 bzw. p<0,05). Versicherte ohne Reha bleiben in allen Outcomes 4 Monate nach Antragstellung weitgehend stabil oder verbessern sich leicht. Vier Monate nach der Reha-Antragstellung unterscheiden sich die Versicherten mit und ohne Reha in der Inanspruchnahme von ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen mit einer Ausnahme (Ergotherapie) nicht. Bei den genutzten Behandlungsmaßnahmen sind 4 Monate nach Antragstellung allerdings signifikante Unterschiede zwischen Versicherten mit und ohne Reha festzustellen. 149 Zehn Monate nach Reha-Antragstellung sehen wir für beide Versichertengruppen weitere Verbesserungen in allen primären und sekundären Outcomes. Signifikante Vorteile für die Gruppe mit Reha zeigen sich für 2 sekundäre Outcomegrößen (Interaktionseffekt Zeit*Gruppe, p<0,01 bzw. p<0,05). Bei allen primären Outcomes sind für den Zeitverlauf von Antragstellung bis 10 Monate danach für beide Gruppen ähnliche Effektgrößen festzustellen. Auch 10 Monate nach Antragstellung unterscheiden sich Versicherte mit und ohne Reha hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme von Ärzten und Therapeuten nicht. Bei den genutzten Therapien fällt auf, dass sich der Umfang der meisten genutzten Angebote bei Versicherten mit Reha nach dem Reha-Aufenthalt deutlich erhöht und zur 10-Monatskatamnese in den meisten Fällen genauso deutlich wieder absinkt. Schlussfolgerung und Ausblick Die Versicherten unterscheiden sich bei Antragstellung in ihren subjektiven gesundheitsbezogenen und beruflichen Belastungen nicht. Die Entscheidung für oder gegen eine Antragsbewilligung lässt sich aus diesen Parametern nicht ableiten. Die Vermutung, dass bei Versicherten, deren Antrag abgelehnt wurde, mit einem ungünstigen gesundheitlichen oder beruflichen Verlauf gerechnet werden muss, ließ sich in unserer Studie nicht bestätigen. Das Gegenteil ist der Fall. Auch eine verstärkte Inanspruchnahme alternativer Gesundheitsleistungen konnte in der Studie nicht festgestellt werden. Auf welche Faktoren sich diese positiven Entwicklungen zurückführen lassen, können wir auf der Basis der vorliegenden Studie nicht beantworten. Diese Fragen sollten ergänzend im Rahmen eines qualitativen Studienabschnitts untersucht werden, entsprechende persönliche Interviews konnten aber aufgrund mangelnder Teilnahmebereitschaft nicht verwirklicht werden. Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, MecklenburgVorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr) Literatur Hansmeier, T., Ehrhard, M., Albrecht, M., Schmid, S., Brennecke, R., Müller-Fahrnow, W. (2002): Rehabilitation der Rentenversicherung als Element der sozialen Sicherung. Berlin: Abschlussbericht http://www.bbs.charite.de/projekte/fs_proj/ts_a/a4/BBS_A4_Abschluss bericht.pdf. Pohontsch, N., Raspe, H., Welti, F., Meyer, T. (2011): Die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts des § 9 SGB IX für die medizinische Rehabilitation aus Sicht der Rehabilitanden. Die Rehabilitation, 50. 244-250. 150 Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster) Wie verändern sich die allgemeinen und psychischen Beschwerden von Vätern im Verlauf einer stationären Vater-Kind-Maßnahme? Barre, F., Otto, F. Medizinische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover Hintergrund Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter und Väter bzw. Mütter/Väter und ihre Kinder (§§ 24 und 41 SGB V) gehören zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung. Sie haben das Ziel, die Gesundheit der Versicherten zu verbessern, Risikofaktoren zu reduzieren und Aktivitäten und Teilhabe zu erhalten oder wieder herzustellen. Während die Behandlungseffekte der teilnehmenden Mütter mehrfach untersucht wurden (Noeres, Otto, 2013; Barre, Otto, 2014), liegen bisher keine Studien über die Veränderung gesundheitlicher Parameter der teilnehmenden Väter vor. Ziel der Studie ist es diese Lücke zu schließen. Methode In einer Multicenterstudie (11 Kliniken) wurden konsekutiv 242 Väter zu Beginn (T1) und am Ende (T2) einer stationären Vater-Kind-Maßnahme schriftlich befragt. Die gesundheitlichen Risikofaktoren und psychosozialen Belastungen der Väter wurden über Itemlisten erfragt. Allgemeine gesundheitliche Beschwerden wie bspw. Nervosität, Kurzatmigkeit oder Kreuzschmerzen wurden mittels Beschwerdenliste B-L (von Zerssen, 1976) erfasst. Die Auswertung erfolgt über Kategorien der Summenskala (Prä-Post-Vergleich mittels Wilcoxon-Test). Die psychische Gesamtbelastung wurde über den Global Severity Index (GSI) der Kurzform der Symptom-Check-List (Klaghofer, Brähler, 2001) ermittelt, zu dem geschlechts- und altersspezifische Normwerte vorliegen. Die klinische Bedeutsamkeit von Veränderungen der psychischen Gesamtbelastung wurde über den Reliable Change Index (Jacobson, Truax, 1991) berechnet. Ergebnisse Die Väter waren zwischen 26 und 60 Jahre alt (M=42,7, SD=6,2). 76,1 % lebten in einer Partnerschaft, 90,6 % waren erwerbstätig, überwiegend in Vollzeit. Die univariate Varianzanalyse ergab keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Risikofaktoren und belastenden Kontextfaktoren zwischen Vätern verschiedener Altersgruppen, verschiedener Schul- und Berufsabschlüsse und Erwerbsstati. Die kategoriale Auswertung der Gesamtskala der Beschwerdenliste ergab, dass zu Beginn der Maßnahme 40,5 % als „wahrscheinlich gesund“ gelten konnten, 20,8 % der Väter waren „fraglich abnorm“ und weitere 38,6 % „sicher abnorm“ belastet. Am Ende der Maßnahme betrug der Anteil der „wahrscheinlich gesunden“ Teilnehmer 76,4 %. 15,2 % waren „fraglich abnorm“ und 8,9 % „sicher abnorm“ belastet. Der Unterschied ist statistisch höchst signifikant (Z=−8,886; p<.000). 151 Die psychische Gesamtbelastung, gemessen als GSI-Wert, betrug zu Beginn der Maßnahme 1,10 (SD=0,70) und am Ende der Maßnahme 0,54 (SD=0,53). Die Veränderung ist statistisch höchst signifikant (t=14,23; df=239; p=.000). Auf Grundlage des alters- und geschlechtsspezifischen Normwerts (für Männer im mittleren Lebensalter: M=0,33, SD=0,46) wurde ein Cut-off-Wert von 0,64 für die Untersuchungsstichprobe errechnet. Zu Beginn der Maßnahme überschritten 71,3 % der Väter diesen Wert, waren also als „krank“ einzustufen, am Ende der Maßnahme waren es 20,5 %. 66 Väter waren zu Beginn und am Ende „gesund“, 3 Väter wechselten vom „gesunden“ in den „kranken“ Bereich, 70 waren und blieben „krank“ und 100 wechselten vom kranken in den „gesunden“ Bereich. Für diese Väter wurde über den Reliable Change Index geprüft, ob die Veränderung als klinisch bedeutsam einzuschätzen war. Bei 80 Teilnehmern war dies der Fall. Schlussfolgerung und Ausblick Die erste Befragung einer größeren Zahl von Vätern, die an einer Vater-Kind-Maßnahme teilgenommen haben, hat gezeigt, dass die Väter neben allgemeinen somatischen Beschwerden auch in erheblichem Maß von psychischen Belastungen betroffen sind, die im Verlauf der stationären Behandlung deutlich reduziert werden konnten. Weitere Untersuchen sollen zeigen, welche Zusammenhänge zwischen allgemeinen und psychischen Beschwerden und väterspezifischen Lebenslagen bestehen und ob die gesundheitlichen Effekte über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben. Des Weiteren ist zu untersuchen, ob gleichartige Lebenslagen von Müttern und Vätern zu vergleichbaren gesundheitlichen Belastungen führen. Förderung: Träger von 25 Mutter-/Vater-Kind-Kliniken Literatur Barre, F., Otto, F. (2014): Adipositasbehandlung und Sportverhalten nach einer Mutter-KindMaßnahme. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 93. 80-91. Jacobson, N.S., Truax, P. (1991): Clinical significance: A statistical approach to defining meaningful change in psychotherapy research. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 59 (1). 12-19. Klaghofer, R., Brähler, E. (2001): Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzform der SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49. 115-124. Noeres, D., Otto, F. (2014): Mütter mit chronischen Rückenschmerzen: Nachhaltigkeit der Behandlung in Mutter-Kind-Kliniken. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 93. 65-79. Zerssen, D. von (1976): B-L Beschwerdenliste. Göttingen: Hogrefe. 152 Ein motivationspsychologisches Modell der Rehabilitationsantragstellung Spanier, K. (1), Mohnberg, I. (2), Radoschewski, F.M. (2), Bethge, M. (1) (1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin Hintergrund Trotz bestehender Einschränkungen werden medizinische Rehabilitationen oft zu spät oder überhaupt nicht beantragt (Deutsche Rentenversicherung, 2013). In Schwarzers sozial-kognitivem Prozessmodells des Gesundheitsverhaltens setzt gesundheitsrelevantes Handeln sowohl Intentionsbildung als auch konkrete Handlungsplanung voraus. Dabei wird die Handlungsabsicht (Intention) durch Ergebniserwartungen, Selbstwirksamkeitserwartungen und weitere externen Ressourcen, wie z. B. soziale Unterstützung, determiniert (Schwarzer et al., 2011). Ziel der Studie war es zu prüfen, ob sich Intention und Planung einer Rehabilitationsantragstellung entsprechend der Annahmen des Prozessmodells erklären lassen. Methodik Im Zuge der Erstbefragung des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen“ wurden 10.000 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund mittels Fragebogen befragt. Es wurden insgesamt 8 Skalen in Anlehnung an Schwarzers Prozessmodell entworfen: Ergebniserwartungen (3 Skalen), familiäre und ärztliche Unterstützung (2 Skalen), Selbstwirksamkeit, Intention und Handlungsplanung (jeweils 1 Skala). Die faktorielle Validität des motivationspsychologischen Fragebogens wurde mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse (KFA) untersucht. Das motivationspsychologische Modell wurde pfadanalytisch entwickelt (Byrne, 2010). KFA und Pfadmodelle wurden akzeptiert, wenn die folgenden Forderungen an den Modell-Fit erfüllt waren: CFI >0,95, NFI >0,95, RMSEA <0,08. In Moderatoranalysen wurde die Homogenität des Pfadmodells für verschiedene Subgruppenanalysen geprüft. Ergebnisse Insgesamt 2.911 Personen wurden in die Analysen eingeschlossen. Das Durchschnittsalter lag bei 47,9 Jahren (SD=4,1). 53 % der Teilnehmenden waren weiblich. Die antizipierte 8-Faktorenstruktur des motivationspsychologischen Modells konnte bestätigt werden (CFI = 0,972; NFI = 0,967; RMSEA = 0,046). Das pfadanalytisch entwickelte Modell der Rehabilitationsantragstellung hatte eine hervorragende Anpassung (CFI = 0,998; NFI = 0,998; RMSEA = 0,025). Die Intention zur Antragstellung wurde direkt durch negative familienbezogene Ergebniserwartungen, familiäre und ärztliche Unterstützung sowie durch Selbstwirksamkeitserwartungen erklärt (Abb. 1). Familiäre und ärztliche Unterstützung wirkten über die Selbstwirksamkeit auch indirekt auf die Intention einer Antragstellung. Handlungsplanung wurde direkt durch die Intention sowie direkt und indirekt durch familiäre und ärztliche Unterstützung erklärt. Die Modellanpassung war für unter 50-jährige und 50-jährige und ältere Personen sowie Männer und Frauen vergleichbar. Personen mit geringer Bildung schätzten die Bedeutung der ärztlichen Unterstützung höher ein. Bei Personen mit schlechter subjektiver Arbeitsfähigkeit waren beinahe alle Pfadkoeffizienten im Modell höher als bei Personen mit guter subjektiver Arbeitsfähigkeit. 153 Selbstwirksamkeit 0,31 0,08 Familienbezogene, negative Ergebniserwartung -0,05 Intention 0,33 0,24 0,24 Familiäre Unterstützung 0,09 0,63 Handlungsplanung 0,15 Ärztliche Unterstützung Abb. 1: Motivationspsychologisches Modell der Rehabilitationsantragstellung Diskussion Das Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens lässt sich mit einigen Modifizierungen auch auf die Planung einer Rehabilitationsantragstellung anwenden. Für die Intentionsbildung scheinen Ergebniserwartungen an die Rehabilitation kaum von Bedeutung zu sein. Wichtigste Determinanten sind die wahrgenommene familiäre und ärztliche Unterstützung, die sowohl auf Selbstwirksamkeitserwartungen und Antragsintention als auch die konkrete Planung einer Antragstellung wirken. Schlussfolgerungen Das hier vorgestellte motivationspsychologische Modell der Rehabilitationsantragstellung trägt zum Verständnis der Wirkbeziehungen einzelner intentionsbildender Faktoren bei und unterstreicht die Bedeutung ärztlicher und familiärer Unterstützung für die Beantragung medizinischer Rehabilitation. Literatur Byrne, B.B. (2010): Structural Equation Modeling with AMOS: basic concepts, applications, and programming (2nd Edition). New York: Routledge. Deutsche Rentenversicherung (2013): Rentenzugang 2012, Bd. 193. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin. Schwarzer, R., Lippke, S., Luszczynska, A. (2011): Mechanisms of health behaviour change in persons with chronic illness or disability: the Health Action Process Approach (HAPA). Rehabil Psychol, 56. 161-170. 154 Möglichkeiten zur Ermittlung des Erwerbsstatus aus Routinedaten und Rehabilitandenbefragung am Beispiel der „Reha-QM-Outcome-Studie Baden-Württemberg“ Kaluscha, R. (1), Nübling, R. (2), Holstiege, J. (1), Krischak, G. (1), Müller, G. (3), Martin, H. (4), Renzland, J. (5), Reuss-Borst, M. (6), Kaiser, U. (7), Toepler, E. (8) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (2) GfQG, Karlsruhe, (3) Schlossklinik Bad Buchau, (4) Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, (5) Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau, (6) Reha-Zentren Baden-Württemberg, (7) Hochgebirgsklinik Davos, (8) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Hintergrund Ein wichtiges Ziel der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung war schon immer die berufliche (Wieder-)Eingliederung der Rehabilitanden. Daher ist die Ermittlung des Erwerbsstatus ein zentrales Element für die Bewertung des Rehabilitationsergebnisses. Für die konkrete Umsetzung bestehen jedoch mehrere Möglichkeiten: Betrachtung von Einkommen, Beschäftigungsdauer oder -art, Stichtags- oder Zeitraumbetrachtung, kurz-, mitteloder langfristige Erhebung, Befragung der Rehabilitanden oder Nutzung von Daten der Sozialversicherung etc. In diesem Beitrag werden mögliche Herangehensweisen am Beispiel der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des „Qualitätsverbundes Gesundheit“ und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (Kaluscha et al., 2014) beleuchtet. Methodik In der Studie wurden Angaben zum Erwerbsstatus sowohl bei einer Rehabilitandenbefragung ein Jahr nach der Rehabilitationsmaßnahme als auch in Form von Routinedaten der Rentenversicherung Baden-Württemberg erhoben. Über ein Pseudonym konnten Fragebogen und die Routinedaten aus der Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) datenschutzgerecht für 3.745 Rehabilitanden verknüpft werden, von denen 2.979 im Fragebogen Angaben zum Erwerbsstatus nach der Rehabilitation machten. In den Routinedaten waren zudem monatsweise Angaben zur Beitragsart bzw. Anrechnungszeiten verfügbar. Fallen in einem Monat mehrere Sachverhalte zusammen, gibt es Prioritätsregeln, welche Beitragsart kodiert wird. Ferner enthält die RSD kalenderjährlich die Anzahl der Tage mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sowie das daraus erzielte Einkommen. Hier ist zu beachten, dass abhängig vom Zeitpunkt der Rehabilitationsmaßnahme innerhalb des Jahres zwischen 11 (Maßnahme im Januar) und 1 Monat (Maßnahme im Dezember) zwischen dem Ende der Maßnahme und dem Beobachtungszeitraum liegen können. Aus den monatlichen Angaben zur Beitragsart wurde ein gewichteter Index gebildet, der vom Wert 0 bei Einkommenslosigkeit bzw. reinem Bezug von Sozialleistungen über ¼ für geringfügige Beschäftigung bzw. ½ bei Beschäftigung in der Gleitzone bis 1 für ein reguläres Beschäftigungsverhältnis reicht, und dieser über das Jahr nach Rehabilitation gemittelt. Ergebnisse Die drei in den Routinedaten enthaltenen Zielgrößen korrelieren hoch miteinander, wobei die Korrelation zwischen Index und Beschäftigungstagen mit 0,96 am höchsten und die zwischen Index bzw. Beschäftigungstagen und Einkommen mit 0,83 bzw. 0,86 etwas geringer ist. 155 Diskussion Auch zwischen der zeitpunktbezogenen Selbstangabe und den zeitraumbasierten Maßen aus den Routinedaten ergeben sich plausible Zusammenhänge (Tab. 1). So weisen etwa die Vollzeit-Erwerbstätigen erwartungsgemäß das höchste Einkommen auf. Im Detail gibt es aber interessante Unterschiede: so haben z. B. Teilzeitbeschäftigte nicht nur weniger Einkommen als Vollzeit-Erwerbstätige, sondern auch weniger Beschäftigungstage – letzteres war a priori nicht zu erwarten. Erwerbsstatus Vollzeit berufstätig Teilzeit berufstätig in Ausbildung arbeitslos Zeitrente dauerhaft berentet Hausfrau/mann N= 1.513 373 31 384 79 451 148 Gew. Index 0,839 0,699 0,161 0,135 0,057 0,081 0,091 Beschäft.tage 308,0 247,2 30,9 36,7 7,5 16,9 26,9 Einkommen 32.905 € 12.554 € 2.519 € 2.375 € 521 € 1.240 € 1.240 € Tab. 1: Erwerbsstatus 12 Monate nach Rehabilitation laut Selbstangabe vs. Mittelwerte des gewichteten Beschäftigungsindexes in den 12 Monaten nach Rehabilitation sowie der Beschäftigungstage und des Einkommens im Kalenderjahr nach Rehabilitation Interessant sind auch die geringen Werte der „in Ausbildung“ befindlichen Personen. Dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um betriebliche Ausbildungen, sondern um Maßnahmen der Rentenversicherung bzw. Arbeitsagentur handelt, während derer Sozialleitungen bezogen werden. So kann ein Vergleich unterschiedlicher Operationalisierungen des Erwerbsstatus nicht nur im Rahmen von Sensitivitätsanalysen zur Prüfung der Robustheit von Ergebnissen genutzt werden, sondern auch interessante Zusatzinformationen liefern. Literatur Kaluscha, R., Nübling, R., Toepler, E., Kaiser, U., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Kriz, D., Schmidt, J., Krischak, G. (2014): Zusammenhänge zwischen Patientenselbsteinschätzung und Sozialversicherungsbeiträgen ein Jahr nach Rehabilitation: Ergebnisse aus der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRV-Schriften, Bd. 103. 191-193. 156 Die Verknüpfung von Erhebungs- und Routinedaten – Nutzungspotenziale für die Analyse der Fragebogen-Response Holstiege, J. (1), Jankowiak, S. (1), Kaluscha, R. (1), Krischak, G. (1,2) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Hintergrund Fragebogengestützte Datenerhebungen leiden im Regelfall darunter, dass nicht alle Personen zu einer Studienteilnahme bereit sind und in der Folge keine Vollerhebung erreicht wird. Da sich Antworter häufig hinsichtlich studienrelevanter Eigenschaften systematisch von Nichtantwortern unterscheiden, birgt dies die Gefahr, dass die gewonnenen Ergebnisse durch Selektionseffekte in der Studienpopulation verzerrt werden. Im Idealfall sollte das potenzielle Risiko von Verzerrungen untersucht werden. Allerdings müssen hierfür meist aufwändige Nachbefragungen der Nichtantworter durchgeführt werden, um zumindest für einen Teil dieser Personengruppe Daten zu studienrelevanten Merkmalen zu erheben. Im Gegensatz dazu konnten im Rahmen einer Studie zur verstärkten Einbindung von Hausärzten in die Rehabilitationsnachsorge, Befragungsdaten von Rehabilitanden mit Routinedaten der DRV-BW anonymisiert verknüpft werden. Da diese als Vollerhebung vorlagen, standen unabhängig von der Fragebogen-Response u. a. soziodemographische Informationen sowie Informationen zum sozialmedizinischen Verlauf zur Verfügung. Dies ermöglichte die umfassende Untersuchung systematischer Unterschiede zwischen Antwortern und Nichtantwortern. Methodik Die Gegenüberstellung von Antwortern und Nichtantwortern erfolgte sowohl zu soziodemographische Variablen (u. a. Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit) als auch zu Rehabilitationsdiagnosen und Kennzahlen zur Teilhabe am Erwerbsleben vor Rehabilitation (u. a. Beschäftigungsmonate und Arbeitsunfähigkeitszeiten). Gruppenunterschiede wurden anhand des CHI²- und des Wilcoxon-Rangsummentests auf statistische Signifikanz geprüft. Darauf aufbauend wurde der gemeinsame Einfluss von ungleich verteilten Merkmalen auf die Fragebogen-Response, d. h. die Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens („Ja“ vs. „Nein"), mittels logistischer Regressionsanalyse modelliert. Alle Analysen wurden mit SAS 9.3 durchgeführt. Ergebnisse Insgesamt sendeten 1.768 (53 %) von 3.342 angeschriebenen Rehabilitanden einen ausgefüllten Fragebogen zurück. Nichtantworter waren im Vergleich zu Antwortern etwas jünger (Ø-Alter: 49,2 vs. 51,2 Jahre; p<0.01) und wiesen höhere Anteile an Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (17 % vs. 9 %; p<0.01) und Arbeitsunfähigkeitszeiten (87 % vs. 82 %; p<0.01) sowie eine geringere Anzahl an Monaten mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Vorjahr der Rehabilitation (Ø-Anzahl: 10,1 vs. 9,7; p<0.01) auf. Im Rahmen der logistischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Fragebogen-Response verblieben die Arbeitsunfähigkeitszeiten, die Staatsangehörigkeit und das Alter als sta- 157 tistisch signifikante Prädiktoren im Modell. Mit einem Odds Ratio (OR) von 0,51 (95 %-KI: 0,41–0,64) wiesen nichtdeutsche eine deutlich verringerte Antwortbereitschaft im Vergleich zu deutschen Rehabilitanden auf. Die Wahrscheinlichkeit der Fragebogenrücksendung stieg mit dem Alter an (OR: 1,03, 95 %-KI: 1,02–1,04). Im Vergleich zu Rehabilitanden ohne Arbeitsunfähigkeitszeiten wiesen jene mit bis unter 3 Monaten Arbeitsunfähigkeit eine um 21 % reduzierte Wahrscheinlichkeit der Fragebogen-Response auf (OR: 0,79, 95 %-KI: 0,63–0,94). Die Antwortbereitschaft reduzierte sich weiter, wenn längere Arbeitsunfähigkeitsperioden vorlagen (3 bis <6 Monate: 0,56, 95 %-KI: 0,43-0,72; ≥6 Monate: 0,54, 95 %-KI: 0,42–0,71). Diskussion Die hier durchgeführten Auswertungen zur Stichprobenselektivität auf Basis der Routinedaten gehen, aufgrund der Datenvollständigkeit für Antworter und Nichtantworter sowie des breiten Informationsspektrums, weit über die in einem Großteil anderer Studien vorliegenden Möglichkeiten hinaus. Die Identifizierung von Risikofaktoren für die Fragebogen-Nonresponse ermöglicht die Repräsentativität der Ergebnisse der Hauptstudie auf Basis belastbarer Zahlen einzuordnen. Eine reduzierte Antwortbereitschaft fand sich sowohl bei Ausländern und Angehörigen unterer Altersgruppen als auch bei Rehabilitanden, die entsprechend höherer Arbeitsunfähigkeitszeiten relativ starke Einschränkungen der beruflichen Teilhabe vor Rehabilitation aufweisen. Es besteht Grund zur Annahme, dass ähnliche Einschränkungen der externen Validität durch mangelnde Response in relevanten Gruppen auch in anderen fragebogengestützten Erhebungen in der Rehabilitationsforschung vorliegen. Gesonderte Vorgehensweisen für die Erhöhung des Fragebogenrücklaufs in Subgruppen, beispielsweise die Versendung mehrsprachiger Fragebögen, das zielgerichtete setzen ökonomischer Anreize oder die Ziehung quotierter Stichproben, sind denkbar. 158 Reha-Nachsorge Zurück in die Zukunft: Aktuelle Ergebnisse einer qualitativen Befragung zu Bedarf, Akzeptanz und Implementierung internetbasierter Nachsorge Hennemann, S. (1), Rudolph, F.M. (2), Waldeck, E. (3), Beutel, M.E. (1), Zwerenz, R. (1) (1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Mittelrhein-Klinik Bad Salzig, Fachklinik für Psychosomatische und Onkologische Rehabilitation, (3) Edelsteinklinik, Fachklinik für Kinder- und Jugendrehabilitation Hintergrund und Ziele Die Digitalisierung der Gesellschaft zeigt sich zunehmend auch in einem wachsenden Angebot wirksamer internetbasierter Gesundheitsinterventionen, sog. IGI (Webb et al., 2010). In der stationären medizinischen Rehabilitation wurden in den letzten Jahren internetgestützte Angebote vor allem für die Nachsorge entwickelt, um Versorgungslücken zu überbrücken und auf ökonomische und flexible Weise Nachhaltigkeit zu sichern (Lin et al., 2013). Angesichts des Spannungsfelds aus technischer Entwicklung und komplexer Umsetzung in der Rehabilitation ergeben sich jedoch wichtige Fragen nach dem individuellen Bedarf und der Akzeptanz dieser Angebote, insbesondere um deren Erfolg zu sichern (Waller, Gilbody, 2009). Bei den meist post-hoc erhobenen Angaben zur Akzeptanz entsprechender Interventionen fehlen differenzierte qualitative Analysen, um die Wirkweise und praktische Umsetzung internetbasierter Nachsorge umfassender zu erklären. Ziel der Studie ist es daher, in qualitativen Interviews zu untersuchen, welche Erfahrungen, Einstellungen und welchen Bedarf an internetbasierter Nachsorge Mitarbeiter und Rehabilitanden aufweisen und mögliche Moderatoren zu explorieren. Methodik und Stichprobe Im Rahmen einer explorativen Querschnittserhebung wurden in zwei Rehabilitationskliniken der DRV Rheinland-Pfalz mit verschiedenen Indikationsbereichen (Kinder- und Jugendrehabilitation sowie onkologische bzw. psychosomatische Rehabilitation) n= 17 Mitarbeiter (im Mittel 7,14 Jahre Berufserfahrung in der Klinik, SD=6,83) aus verschiedenen Berufsgruppen (z. B. aus dem therapeutischen-, pflegerischen- oder Verwaltungsbereich) in zwei Fokusgruppen befragt. Die Interviews wurden im Anschluss transkribiert und nach relevanten Zitaten durchsucht. Die Auswertung erfolgte sowohl deduktiv (Vorgabe der Kategorien anhand des Interviewleitfadens) wie auch induktiv (Spezifizierungen in Form von Unterkategorien, denen Textstellen zugeordnet wurden). Ergebnisse Internet und Rehabilitation: Mitarbeiter geben an, das Internet vor allem zur Behandler- und Infosuche zu nutzen. Die gesundheitsbezogene Internetsuche und Meinungsbildung (z. B. via Internetpräsenz der Einrichtung) der Rehabilitanden wird kritisch bewertet. Kenntnisstand und subjektive Konzepte zur gesundheitsbezogenen Internetnutzung: Hiermit werden überwiegend therapieähnliche videogestützte Kontaktformen assoziiert, weniger niedrig159 schwellige Angebote, welche die tatsächliche Mehrheit der existierenden Anwendungen ausmacht. Die Mehrheit berichtet geringe bis keine Nutzungserfahrung mit IGI, 3 Mitarbeiter hatten bereits IGI im professionellen Kontext genutzt, was sich positiv auf deren Akzeptanz auswirkt. Bedarf, Akzeptanz und Implementierung: Mitarbeiter benennen vor allem Skepsis gegenüber dem therapeutischen Kontakt via Internet und dem Datenschutz, kritisieren geringere Steuerungsmöglichkeiten, befürchten den Rückzug der Rehabilitanden ins Virtuelle. Vorteilhaft gegenüber bisherigen Konzepten oder Medien sehen sie die Anwendung als „Brückenfunktion“, z. B. als Vorbereitung auf die Reha-Maßnahme, Informationsplattform zu Unterstützungsangeboten oder Vereinfachung der Verlaufskontrolle. Weitere Ideen betreffen vor allem motivationale und edukative Anwendungszwecke. Bezüglich der Umsetzung werden die technische Infrastruktur, eine schwierige Vereinbarkeit mit den Arbeitszeiten und die Frage der Verortung im System diskutiert. Mitarbeiter schätzen die Akzeptanz und Nutzung internetbasierter Nachsorge für erwachsene Rehabilitanden als eingeschränkt (Zugangsschwierigkeiten durch höheres Alter, geringere Computerkompetenz), für jugendliche Rehabilitanden als optimistisch ein. Hier wird auch ein Bedarf an unterstützenden internetbasierten Angeboten für Eltern festgestellt. Diskussion und Ausblick Zusammenfassend zeigte sich eine heterogene Akzeptanz des Mediums Internet zur Gesundheitsförderung, mit kritischer Einschätzung des Kontakts über das Internet und Vorteilen hinsichtlich Flexibilität und Ökonomie. Bedarf an internetbasierter Nachsorge wird überwiegend aus dem ärztlich-psychotherapeutischem Bereich angemeldet und wird vor allem an eigenem Arbeitsaufwand und der Beziehungsqualität gemessen. Ein Gefälle in der eingeschätzten Akzeptanz bei Rehabilitanden zwischen den beiden Altersbereichen wurde deutlich. Aus den Ergebnissen lässt sich auch ableiten, dass durch Aufklärung und Schulung im Umgang mit neuen Medien zu Gesundheitszwecken für Mitarbeiter möglicherweise Akzeptanz und damit auch den Erfolg internetbasierter Nachsorge gesteigert werden kann. Diesen Ergebnissen sollen im Weiteren die Aussagen von Rehabilitanden-Interviews gegenübergestellt werden, bevor mit einer Fragebogenerhebung bei Mitarbeitern und Rehabilitanden Indikatoren des Bedarfs und der Akzeptanz an einer größeren Stichprobe untersucht werden. Förderung: Illa und Werner Zarnekow Stiftung für Rehabilitation Literatur Lin, J., Ebert, D.D., Lehr, D., Berking, M., Baumeister, H. (2013): Internetbasierte kognitivbehaviorale Behandlungsansätze: State of the Art und Einsatzmöglichkeiten in der Rehabilitation. Rehabilitation, 52. 155-163. Waller, R., Gilbody, S. (2009): Barriers to the uptake of computerized cognitive behavioural therapy: a systematic review of the quantitative and qualitative evidence. Psychol Med, 39. 705-712. Webb, T. L., Joseph, J., Yardley, L., Michie, S. (2010): Using the internet to promote health behavior change: a systematic review and meta-analysis of the impact of theoretical basis, use of behavior change techniques, and mode of delivery on efficacy. J Med Internet Res, 12. e4. 160 Wirksamkeit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten verschiedener Indikationen der Rehabilitation Becker, J. (1), Beutel, M.E. (1), Gerzymisch, K. (1), Holme, M. (2), Kiwus, U. (3), Knickenberg, R.J. (4), Spörl-Dönch, S. (5), Zwerenz, R. (1) (1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Reha-Zentrum Bad Pyrmont, Klinik Weser, (3) Reha-Zentrum Bad Nauheim, Klinik Wetterau, (4) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt/Saale der Rhön-Klinikum AG, (5) Klinik Haus Franken GmbH, Bad Neustadt/Saale Hintergrund Belastende Berufsmerkmale wirken sich negativ auf die psychische und somatische Gesundheit aus. Vor diesem Hintergrund sind Interventionen mit beruflichem Fokus entwickelt worden. Diese haben sich in der stationären Rehabilitation als wirksam erwiesen (Streibelt, Buschmann-Steinhage, 2011). Die erreichten Effekte bedürfen jedoch einer Nachsorgebehandlung, um verstetigt zu werden (Deck et al., 2012). Sibold et al. (2011) haben die Probleme von Nachsorgebehandlungen, wozu insbesondere die Erreichbarkeit gehört, deutlich gemacht. Internetbasierte Interventionen bieten sich als praktikable, ökonomische und niedrigschwellige Nachsorgemöglichkeit an. Deren Wirksamkeit ist bisher nur in einzelnen Studien nachgewiesen worden (Ebert et al., 2013). Methode/Studiendesign In einer multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie (Zwerenz et al., 2013) sind indikationsübergreifend (Kardiologie, Orthopädie, Psychosomatik) konsekutiv Patienten in die Interventions- (IG) oder die Kontrollgruppe (KG) randomisiert worden. Während der stationären Rehabilitation haben beide Gruppen das Gruppentraining Stressbewältigung am Arbeitsplatz („GSA“) absolviert. Im Anschluss an die Entlassung aus der Rehabilitation hat die IG die psychotherapeutische Online-Nachsorge „GSA-Online“ erhalten. Die KG dagegen hat Zugang zu im Internet frei zugänglichen Informationen zu Gesundheitsthemen gehabt. Die Datenerhebung hat zu Beginn und zum Ende der Rehabilitation, zum Ende der Intervention und zur Katamnese (ein Jahr nach Entlassung) mit standardisierten Verfahren (u. a. SIBAR, SPE, AVEM, PHQ, SF-12) stattgefunden. Ergebnisse Die Online-Nachsorge ist von den Patienten gut angenommen worden. 75 % der n=632 Studienteilnehmer haben sich auf der Studienwebsite mindestens einmal eingeloggt. Bezüglich der Hauptzielgröße, dem sozialmedizinischen Risikoindex des SIBAR, unterscheiden sich die Studiengruppen zur Katamnese nicht signifikant (F(1,606) = 2,44, p=.12). Bei der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE) hingegen zeigt sich zum gleichen Zeitpunkt ein Unterschied (F(1,606) = 4,80, p=.03, ω²=.004). Hinsichtlich der beruflichen Bewältigungsmuster profitiert die IG im Vergleich zur KG auf den Skalen Innere Ruhe (F(1, 606) = 7,12, p=.008, ω²=.006) und Lebenszufriedenheit (F(1, 606) = 4,21, p=.04, ω²=.003) zur Katamnese signifikant. Auch bei Kennwerten psychischer Beeinträchtigung wie Depression & Stress (PHQ; F(1,604) = 7,80 p=.005, ω²=.006 & F(1,601) = 10,28, p=.001, ω²=.008) und 161 Ängstlichkeit (GAD-7; F(1,605) = 16,29, p<.001, ω²=.015) weist die IG sowohl zum Ende der Intervention als auch in der Katamnese eine signifikant geringere Belastung auf. Für die psychische Gesundheit (SF-12; F(1,593) = 4,67, p=.03, ω²=.004) und die Somatisierung (PHQ; F(1,603) = 5,22, p=.02, ω²=.004) gilt dies nur zur Katamnese. Diskussion Die Online-Nachsorge „GSA-Online“ weist eine hohe Akzeptanz auf. Darüber hinaus hat sie sowohl auf berufliche wie auch auf psychische Kennwerte einen positiven Einfluss. Die Wahl des sozialmedizinischen Risikoindex des SIBAR als Hauptzielgröße hat sich als nicht sinnvoll erwiesen, da er nicht als Veränderungsmaß konzipiert worden ist. Darüber hinaus waren die Skalenwerte sehr gering. Somit ist die Streuung eingeschränkt und Effekte sind geringer. Schlussfolgerung/Umsetzung/Ausblick „GSA-Online“ stellt für die untersuchten Indikationen eine praktikable und wirksame Nachsorgemaßnahme zur Unterstützung von Patienten bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz dar. Die Intervention stabilisiert und verbessert die Behandlungsergebnisse. Sie senkt das Risiko einer Frühberentung und verbessert dauerhaft die psychischen Beschwerden. Sowohl die exakten Kosten der Intervention an sich, als auch die Relation aus Kosten und Nutzen im Vergleich zu anderen Nachsorgemaßnahmen sollten in Zukunft weiter untersucht werden. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Deck, R., Schramm, S., Hüppe, A. (2012): Begleitete Eigeninitiative nach der Reha („neues Credo“) – ein Erfolgsmodell? Die Rehabilitation, 51 (5). 316-325. Ebert, D., Tarnowski, T., Gollwitzer, M., Sieland, B., Berking, M. (2013): A transdiagnostic internet-based maintenance treatment enhances the stability of outcome after inpatient cognitive behavioral therapy: a randomized controlled trial. Psychotherapy and psychosomatics, 82 (4). 246-256. Sibold, M., Mittag, O., Kulick, B., Müller, E., Opitz, U., Jäckel, W.H. (2011): Prädiktoren der Teilnahme an einer Nachsorge nach ambulanter Rehabilitation bei erwerbstätigen Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen. Die Rehabilitation, 50 (6). 363-371. Streibelt, M., Buschmann-Steinhage, R. (2011): Ein Anforderungsprofil zur Durchführung der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus der Perspektive der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 50 (3), 160-167. Zwerenz, R., Gerzymisch, K., Edinger, J., Holme, M., Knickenberg, R.J., Sporl-Donch, S., Kiwus, U., Beutel, M.E. (2013): Evaluation of an internet-based aftercare program to improve vocational reintegration after inpatient medical rehabilitation: study protocol for a cluster-randomized controlled trial. Trials, 14 (1). 26. 162 Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge: Langfristige Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Multicenter-Studie Briest, J. (1), Bethge, M. (2) (1) Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, (2) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität Lübeck Hintergrund Die Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge (IMBORENA) wurde mit dem Ziel einer stärkeren Berücksichtigung der beruflichen Anforderungen in der Nachsorge entwickelt. Sie ergänzt die herkömmliche Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA) um die vier Module Arbeitsplatzbezogenes Training, berufsbezogene psychosoziale Gruppen, Sozialberatung und Entspannungsverfahren. Diese spezifischen Angebote im Rahmen der Nachsorge haben einen Mindestumfang von 435 Minuten (Briest, Bethge, 2013) und ersetzen einen Teil der herkömmlichen IRENA (24 Termine je 90 bis 120 Minuten). Ziel der von uns durchgeführten Studie war die Überprüfung der Wirksamkeit der IMBORENA im Vergleich zur herkömmlichen IRENA. Methodik Die Wirksamkeit der IMBORENA wurde in einer randomisiert kontrollierten Multicenter-Studie überprüft (DRKS-ID: DRKS00003360). Teilnehmer wurden in 11 ambulanten Rehabilitationszentren rekrutiert. Die Interventionsgruppe erhielt die IMBORENA, die Kontrollgruppe die IRENA. Schriftliche Befragungen wurden am Beginn der Nachsorge (T1) und 12 Monate später (T3) durchgeführt. Eingeschlossen wurden erwerbstätige orthopädische Rehabilitanden im Alter von 18–65 Jahren mit a) mindestens 3-monatiger Arbeitsunfähigkeit im Jahr vor Beginn der Rehabilitation oder b) aktueller Arbeitsunfähigkeit am Nachsorgebeginn oder c) ungünstiger subjektiver Erwerbsprognose. Primäre Zielgröße war der Work Ability Index (WAI) (Ilmarinen, 2009). Sekundäre Zielgrößen waren unter anderem die Skalen des SF-36 und die Arbeitsunfähigkeitsdauer. Aufgrund der auf Klinikebene stark variierenden Behandlungsgenauigkeit (Briest, Bethge, 2014) wurden neben den Intention-to-treat(ITT)-Analysen Auswertungen durchgeführt, in denen lediglich Kliniken mit adäquater Umsetzung des Programms berücksichtigt wurden (good practice, GP). Ergebnisse Etwa die Hälfte (55 %) der 307 Studienteilnehmer war weiblich (Durchschnittsalter 46,5 Jahre; SD=10,2). Im Durchschnitt waren die Befragten vor ihrer Rehabilitation 9,4 Wochen arbeitsunfähig (SD=4,7). 199 Personen (64,8 %) nahmen an der Befragung zu T3 teil. Sowohl in der ITT-Analyse als auch in der GP-Analyse konnten auf keinem der Zielparameter signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen beobachtet werden. Während die Zwischengruppeneffekte zugunsten der IMBORENA in der ITT-Analyse marginal waren (SMD = 0,01 bis 0,11) [SMD = Standardisierte Mittelwertdifferenz] wurden in der GP-Analyse günstigere Effekte erreicht. Dies zeigte sich insbesondere auf der körperlichen Rollenfunktionsskala des SF-36 (SMD = 0,34; p=0,053) sowie dem WAI (SMD = 0,29; p=0,095). 163 Beide Gruppen verbesserten sich deutlich bezüglich ihrer Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit. Dies zeigte sich besonders hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsfähigkeit (SES = 1,60; 95 % KI: 1,37−1,85) [SES = Standardisierte Effektstärke] und der körperlichen Rollenfunktion (SES = 1,46; 95 % KI: 1,14−1,78). Die Teilnehmer berichteten zudem Verbesserungen der Schmerzintensität (SES = 0,50; 95 % KI: 0,26−0,75), der Arbeitsfähigkeit (SES = 0,76; 95 % KI: 0,52−0,99) und der körperlichen Funktionsfähigkeit (SES = 0,46; 95 % KI: 0,27−0,64). Bei den erhobenen psychischen Parametern konnten hingegen nur geringe Veränderungen (SES = 0,05 bis 0,32) beobachtet werden. Schlussfolgerungen Eine Teilnahme an der IMBORENA führt nicht zu einem günstigeren Behandlungsergebnis. Bei einer adäquaten Umsetzung des Programms wurden zwar insgesamt höhere Effekte erzielt, dennoch zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zugunsten der IMBORENA. Da die reduzierte Stichprobe bei der GP-Analyse zu einer nicht ausreichenden Teststärke führte, lassen sich jedoch signifikante Effekte nicht mit Sicherheit ausschließen. Aufgrund einer fehlenden Kontrollgruppe ohne strukturierte Nachsorge kann – trotz hoher Intragruppeneffekte – nicht auf eine generelle Wirksamkeit der Nachsorge geschlossen werden. Allerdings legt der beobachtbare Verlauf bei Rehabilitationsinanspruchnahme mit anschließender strukturierter Nachsorge deutlich günstigere langfristige Ergebnisse nahe, als sie in früheren Meta-Analysen zur Wirksamkeit medizinischer Rehabilitation gezeigt wurden (Hüppe, Raspe, 2005). Einen kontrollierten Nachweis für die Wirksamkeit strukturierter Nachsorgeprogramme halten wir vor dem Hintergrund alternativer Konzepte (z. B. Neues Credo, Deck et al., 2012) dennoch für unerlässlich. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Briest, J., Bethge, M. (2013): Präferenzen für berufsorientierte Interventionen in der orthopädischen Rehabilitationsnachsorge: Ergebnisse einer Befragung in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Phys Rehab Kur Med, 23. 161-166. Briest, J., Bethge, M. (2014): Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge: Ergebnisse der randomisiert kontrollierten Multicenter-Studie. DRV-Schriften, Bd. 103. 260-262. Deck, R., Schramm, S., Hüppe, A. (2012): Begleitete Eigeninitiative nach der Reha („neues Credo“) – ein Erfolgsmodell? Die Rehabilitation, 51. 316-325. Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Zur Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitation in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44. 24-33. Ilmarinen, J. (2009): Work ability – a comprehensive concept for occupational health research and prevention. Scand J Work Environ Health, 35. 1-5. 164 Begleitende Sozialberatung während der stufenweisen Wiedereingliederung – Evaluation eines Nachsorgeangebotes Bommersbach, P. (1), Becker, V. (1), Krampen, G. (2), Munz, H. (2), Stock, S. (3), Müller, D. (3) (1) Eifelklinik Manderscheid, Klinik für Psychosomatische Rehabilitation, (2) Universität Trier, Fachbereich Klinische Psychologie und Wissenschaftsforschung, (3) Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Uniklinik Köln Hintergrund Aus der seit Oktober 2007 eingeführten klinikinternen Beobachtung zur stufenweisen Wiedereingliederung mit dem Angebot einer begleitenden Sozialberatung ist 2011 die vorliegende Studie hervorgegangen. Das Modell der intensivierten und begleitenden Sozialberatung (telefonische Nachsorge) während der stufenweisen Wiedereingliederung soll zu einer verbesserten Wiedereingliederung der Patienten der Eifelklinik beitragen. Die Studie baut auf die Ergebnisse aus aktuellen Studien zum Empfehlungsverhalten und zur Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung sowie zu ersten Erfahrungen mit begleitender Nachsorge auf (Bürger, 2004, 2008, 2010). Neben der Hauptfragestellung, ob die begleitende Sozialberatung in der stufenweise Wiedereingliederung zu höheren Wiedereingliederungsraten führt, werden Zusammenhänge zwischen Vorerkrankung, Arbeitsunfähigkeitszeiten, Arbeitsplatz, bzw. Belastungen am Arbeitsplatz, Zukunftsvertrauen und dem Verlauf der stufenweisen Wiedereingliederung untersucht. Ein Ziel ist es, die Effekte der begleitenden Sozialberatung auf die Wiedereingliederungsquote gegenüber dem Regelverfahren ohne Nachsorgeangebot zu prüfen. Methoden Die Erprobung des Nachsorgeangebotes wurde im Rahmen einer Kontrollstudie durch das Rehabilitationsforschungsnetzwerk Refonet der Deutschen Rentenversicherung Rheinland gefördert und in der Eifelklinik Manderscheid, einer Fachklinik für Psychosomatik evaluiert. Die als begleitende Sozialberatung während der stufenweisen Wiedereingliederung angebotene Nachsorge wurde als intensivierte Beratung während der stationären Behandlung und als telefonische Nachsorge nach Reha-Entlassung zur stufenweisen Wiedereingliederung in den bestehenden Arbeitsplatz angeboten. In die Studie wurden Patienten einbezogen, bei denen eine stufenweise Wiedereingliederung eingeleitet wurde. Die Wirkung der begleitenden Sozialberatung wurde mit einem Kontrollgruppen-Design evaluiert. Die Einteilung der Studienteilnehmer in Interventions- und Kontrollgruppen erfolgte in monatlichem Wechsel. Gesundheitsökonomische Daten wurden durch ein Krankheitskostentagebuch erfasst. Ergebnisse Bisher können ausschließlich Ergebnisse auf der Grundlage der Gesprächsprotokolle zur telefonischen Nachsorge ausgewertet werden. Die Telefonate wurden nach Gesprächsthemen und Hinweisen zum Verlauf der stufenweisen Wiedereingliederung untersucht. Dabei wurden fünf Verlaufstypen unterschieden und die ausgewerteten Fälle entsprechend in diese Verlaufstypen eingruppiert. Von 351 rekrutierten Patienten erhielten die 181 Studienteil- 165 nehmer der Interventionsgruppe das Angebot einer begleitenden Sozialberatung. Schließlich konnten 156 Patienten tatsächlich zur telefonischen Nachsorge erreicht werden. Die meisten Fälle (44 %) konnten dem Verlaufstyp „Schwieriger Verlauf der STW, Patient kommt zurecht“ zugeordnet werden. 33 % der Studienteilnehmer berichteten von „Positiven Erfahrungen mit der STW und ihren Arbeitgebern“. Hier wurden keine Startschwierigkeiten berichtet. Bei 11 % der Studienteilnehmer wurden trotz erfolgreich abgeschlossener stufenweiser Wiedereingliederung von „Negativen Erfahrungen mit der STW und ihren Arbeitgebern“ berichtet. Bei 12 % der Studienteilnehmer wurde der Verlauf der STW als äußerst unsicher bzw. als gescheitert bezeichnet. Bei diesen Fällen wurde die STW aus gesundheitlichen oder organisatorischen Gründen meist verzögert begonnen, unterbrochen, verschoben oder im Verlauf abgebrochen (konkrete Angaben zur Abbruchquote der Wiedereingliederung liegen erst nach Auswertung der Fragebogen und der Versicherungskonten vor). In der Interventionsgruppe ergaben sich neben den vereinbarten Telefonkontakten noch zusätzlich 80 Telefonate durch Eigeninitiative der Studienteilnehmer. Aus der Kontrollgruppe nahmen 35 Patienten (insgesamt 54 Telefonate) Telefonkontakt mit der Sozialberatung auf, obwohl in der Kontrollgruppe keine telefonische Nachsorge angeboten wurde. Insgesamt wurden 387 Telefonate zur Begleitung der stufenweisen Wiedereingliederung geführt. Schlussfolgerungen und Ausblick Der hohe Anteil von Telefonaten in Eigeninitiative der Patienten lässt auf einen deutlichen Bedarf nach einem begleitenden Beratungsangebot zur stufenweisen Wiedereingliederung schließen. Die sensible Startphase in die STW war offensichtlich besonders störanfällig, sodass häufig trotz intensiver Vorbereitung auf die Formalitäten in der Klinik dennoch Überforderung bzw. Verunsicherung mit der Bürokratie geäußert wurde. Das telefonische Nachsorgeangebot konnte vermutlich durch die Erfahrungen aus der intensivierten Beratung während der Rehabilitation auch in der nachstationären Phase gut von den Patienten angenommen werden. Es liegt zunächst nahe, dass Patienten mit unsicheren Bindungsstilen in Konfliktsituationen eher mit Vermeidung und Rückzugsverhalten reagieren (Damke et al., 2006). Die Untersuchung der Verläufe der stufenweisen Wiedereingliederung hat verdeutlicht, dass sich in den meisten Fällen Patienten mit zunehmender Dauer des Arbeitsversuchs offensichtlich stabilisieren. Ebenso wurde deutlich, dass die Begleitende Sozialberatung zur Klärung von formalen und arbeitsinhaltlichen Fragen rege in Anspruch genommen wurde und sicherlich zur Stabilisierung des Verlaufs der stufenweisen Wiedereingliederung beitragen konnte. Die Daten zur Beratungszufriedenheit, der Katamnese 6 und 12 Monate nach Entlassung aus der Rehabilitation, den berufsbiographischen und diagnostischen Zusammenhängen, werden mehr Aufschlüsse darüber geben, ob und wie das Angebot der begleitenden Sozialberatung sich auf den Verlauf der STW auswirkt. Durch die Auswertung des Krankheitskostentagebuchs werden zudem gesundheitsökonomische Daten mit einbezogen. 166 Literatur Bürger, W. (2004): Stufenweise Wiedereingliederung nach orthopädischer Rehabilitation – Teilnehmer, Durchführung, Wirksamkeit und Optimierungsbedarf. Die Rehabilitation, 43. 152-161. Bürger, W., Koch, U., Kluth, W. (2008): Stufenweise Wiedereingliederung zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung – Häufigkeit, Indikationsstellung, Einleitung, Durchführung, Bewertung und Ergebnisse, Abschlussbericht. Bürger, W. (2010): Begleitende Nachsorge bei Stufenweiser Wiedereingliederung zu Lasten der Rentenversicherung – Erste Erfahrungen über den inkrementellen Nutzen eines solchen Angebotes. DRV-Schriften, Bd. 88. 266-268. Damke, B., Koechel, R., Krause, W., Lohmann, K. (2006): Bindung als Vulnerabilitätsfaktor für psychische Erkrankung. DRV-Schriften, Bd. 64. 480-483. Passung der Nachsorgeempfehlungen zwischen Hausarzt und Rehabilitationsklinik sowie deren Effekt auf die Nachsorgeaktivität Jankowiak, S. (1), Ritter, S. (1), Krischak, G. (1, 2) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Hintergrund Um den Rehabilitationserfolg dauerhaft zu festigen, ist eine adäquate Umsetzung der von der Klinik empfohlenen Nachsorgemaßnahmen notwendig. Jedoch setzen lediglich 18,1 % der mit solchen Empfehlungen ausgestatteten Rehabilitanden diese mindestens einmal pro Woche um (Köpke, 2005). Um die Umsetzung von Nachsorgeaktivitäten zu steigern, erprobt die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV-BW) mit dem Hausärzteverband Baden-Württemberg (HVBW) in einem Modellprojekt einen hausarztbasierten Ansatz. Dabei leistet der Hausarzt eine intensivierte Betreuung und dokumentiert seine Sicht in einem Rückkehrgespräch sowie 12 Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme. Im Zuge bisheriger Analysen konnte kein Effekt des Modellprojekts auf die Nachsorgeaktivität festgestellt werden (Jankowiak, 2012; Jankowiak, 2013). Es wird vermutet, dass die Kongruenz zwischen den Empfehlungen des Hausarztes und der Rehabilitationsklinik einen Einfluss auf die Nachsorgeaktivität hat. Im Rahmen der vorliegenden Analysen wurde daher der Effekt von Übereinstimmungen bzw. Differenzen zwischen Hausarzt- und Klinikempfehlungen auf die Nachsorgeaktivität untersucht. Methodik Die Angaben der Hausärzte aus dem Rückkehrgespräch wurden mit der RehabilitationsStatistik-Datenbasis (RSD) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV-BW) zusammengeführt und anonymisiert ausgewertet. Dabei konnten 1.016 Rehabilitanden des Jahrgangs 2010 und 2011 eingeschlossen werden. Im Rahmen der Analysen wurden zunächst die Nachsorgeempfehlungen der Hausärzte mit den Empfehlungen der Rehabilitationseinrichtungen verglichen, sodass Rückschlüsse auf die Passung der Nach- 167 sorgekonzepte möglich sind. Anschließend wurde die Inanspruchnahme von Nachsorgeleistungen der DRV-BW in Abhängigkeit von der Übereinstimmung zwischen Hausarzt- und Klinikempfehlungen betrachtet. Im Fokus standen die Nachsorgemaßnahmen „Rehabilitationssport“, „Funktionstraining“ und „Ambulantes Stabilisierungsprogramm“ (ASP). Ergebnisse Das durchschnittliche Alter der Stichprobe lag bei 51,1 Jahren (±8,7 Jahre). Unter den Rehabilitanden waren 64,3 % männlich und 61,8 % wiesen Krankheiten des Muskel-, Skelettsystems und des Bindegewebes auf. Die Empfehlungen des Hausarztes wichen geringfügig von denen der Klinik ab. So wurde Funktionstraining und Rehabilitationssport häufiger allein durch den Hausarzt und ASP häufiger allein durch die Klinik empfohlen (vgl. Abb. 1). Am häufigsten wurde eine Empfehlung zum Funktionstraining übereinstimmend ausgesprochen. Am seltensten wurden sowohl vom Hausarzt als auch von der Klinik Empfehlungen zur Teilnahme an ASP ausgesprochen. 30,0% 1,6% 25,0% 0,9% 20,0% 2,9% 2,1% Empfehlung durch Hausarzt und Klinik 0,9% 15,0% 10,0% 22,0% 19,0% 9,7% … nur durch Klinik … nur durch Hausarzt 5,0% 3,9% 0,0% Rehabilitationssport Funktionstraining ASP Abb. 1: Häufigkeit der Übereinstimmung bzw. Differenzen zwischen Klinik- und Hausarztempfehlung bei verschiedenen Nachsorgeaktivitäten (n=1.016). Von den untersuchten Rehabilitanden nahmen lediglich 122 (12 %) eine Nachsorgeleistung der DRV-BW in Anspruch. Unter ihnen setzten 77,1 % der Rehabilitanden ASP und 18,0 % Funktionstraining um. Bei Betrachtung der Nachsorgeaktivität in Abhängigkeit von der Kongruenz zwischen Klinik- und Hausarztempfehlungen zeigte sich, dass eine Empfehlung häufiger umgesetzt wurde, wenn diese allein seitens der Klinik ausgesprochen wurde (p<0,0001). Signifikant seltener war die Umsetzung von Nachsorgemaßnahmen, wenn beiderseits keine bzw. nur seitens des Hausarztes Empfehlungen vorlagen. 168 Diskussion Der Hausarzt spricht insgesamt deutlich häufiger eine Empfehlung zum Rehabilitationssport und Funktionstraining aus, als die Rehabilitationsklinik, die häufiger ASP empfiehlt. Dies könnte einerseits darauf zurückgeführt werden, dass Klinik- und Hausarztempfehlungen auf Basis unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Andererseits kann dies auch damit begründet werden, dass der Hausarzt im Fragebogen des Rückkehrgesprächs lediglich zwischen 5 Maßnahmen wählen kann, wogegen der Rehabilitationsarzt im Entlassungsbericht die Wahl zwischen 17 Nachsorgemaßnahmen hat. Somit hat der Rehabilitationsarzt mehr Möglichkeiten, sich an den individuellen Problemlagen des Rehabilitanden zu orientieren bzw. eine spezielle Schwerpunktsetzung im Nachsorgeplan vorzunehmen. Ob sich die Nachsorgeempfehlungen in Abhängigkeit von Rehabilitandenmerkmalen bzw. Behandlungsergebnissen unterscheiden, muss noch geprüft werden. So ließen sich Kenntnisse über die Bedarfsgerechtigkeit der Empfehlungen gewinnen. Die Analyseergebnisse weisen letztendlich darauf hin, dass die Umsetzung der Maßnahmen tendenziell häufiger erfolgt, wenn die Empfehlung von der Rehabilitationsklinik gegeben wurde. Daher ist ein bedarfsgerechter Nachsorgeplan seitens der Rehabilitationseinrichtung von besonderer Bedeutung. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Literatur Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. (2013): Nachsorgeempfehlungen und deren Umsetzung aus Sicht der Hausärzte. DRV-Schriften, Bd. 101. 61-63. Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. (2014): Effekte einer intensivierten Einbindung des Hausarztes in die Nachsorge auf die Nachsorgeaktivität. DRV-Schriften, Bd. 103. 282-284. Köpke, K.-H. (2005): Aufwerten, ausbauen und systematisieren – Eine Analyse von Situation, Reformbedarf und innovativen Projekten zur Nachsorge in der Rehabilitation der Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 44. 344-352. www.nachderReha.de – Aufbau einer Homepage für RehaNachsorgeangebote auf Basis einer systematischen Übersicht Parzanka, S., Himstedt, C., Deck, R. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität Lübeck Hintergrund Der Stellenwert von Reha-Nachsorge steht außer Frage (Deck et al., 2004); die Anzahl jährlich durchgeführter Nachsorgeleistungen stieg in den vergangenen Jahren in Entsprechung hierzu um ca. 50.000 (DRV Bund, 2012). Das Versorgungsangebot der Reha-Nachsorgemaßnahmen ist heterogen und relativ unübersichtlich; sowohl was die Indikationen und Inhalte als auch deren (bundesweite) Verfügbarkeit und Kostenregelung betrifft. Vor dem Hintergrund einer fehlenden systematischen und transparenten Übersicht wurde am Institut für 169 Sozialmedizin und Epidemiologie (ISE) der Universität zu Lübeck innerhalb eines von der DRV Bund geförderten Forschungsprojekts der Aufbau des webbasierten Zentrums RehaNachsorge realisiert, um die bedarfsgerechte Auswahl nachsorgender Strategien zu ermöglichen. Methodik Die Umsetzung erfolgte auf Basis einer systematischen Übersicht: Neben der avisierten Vollerhebung deutschlandweit verfügbarer Reha-Nachsorgeprogramme (Angebotsebene) erfolgte die Aufbereitung der themenrelevanten Literatur (Evidenzebene). Hierzu wurden folgende Such- und Recherchestrategien eingesetzt: a) Abfrage bibliographischer Datenbanken (Suchzeitraum ab 2000), b) Expertenkonsultationen sowie c) Handsuche und Referenzabgleich. Anhand definierter Selektionskriterien, die auf Grundlage einer konsentierten Begriffsbestimmung formuliert wurden, schloss sich der systematische Auswahlprozess an. Die methodische Bewertung der Evidenz erfolgte anhand standardisierter Checklisten, die extrahierten Daten wurden in Evidenztabellen überführt und diese auf der Webpage online gestellt. Die inkludierten Reha-Nachsorgeangebote wurden anhand eines nachsorgespezifischen Qualitätsprofils beschrieben, welches auf 35 eigens hierfür konsentierten Bewertungskriterien beruht. Für den methodischen Ablauf der Konsensfindung wurde das RAND/UCLA-Verfahren (Fitch et al., 2001) adaptiert. Die Informationen zum Füllen der Beschreibungsprofile wurden nachfolgend in Computer-gestützten Telefoninterviews erhoben. Die Homepage wurde im Content Management System (CMS) TYPO3 unter Einbindung relationaler Datenbanken realisiert und mit zwei getrennten Bereichen für die Usergruppen „Rehabilitanden/Angehörige“ vs. „Professionelle“ ausgestattet. Ergebnisse Ergebnis des Projekts ist das (derzeit noch unveröffentlichte) Webportal www.nachderReha.de. Auf diesem können themenrelevante Informationen und Materialien sowie projektspezifische Inhalte abgerufen werden. Herzstück ist der „Nachsorgefinder“, der die postleitzahlengestützte Suche nach regional verfügbaren indikationsspezifischen Reha-Nachsorgeangeboten erlaubt. Insgesamt werden bei jeder bedarfsorientierten Abfrage 2985 (201 Vollprofile, 2.784 Kurzprofile) in der Datenbank gespeicherte Reha-Nachsorgeangebote automatisch durchsucht (Angebotsebene); für den orthopädischen Indikationsbereich sind derzeit die meisten Programme (n=1.499) auffindbar. Für die Ergebnissynthese hinsichtlich der aufgefundenen Evidenz (n=42 Evaluationsstudien) wurde im Userbereich für die Professionellen ein entsprechender Reiter in die Menüführung integriert. Die meisten Studien (n=16) wurden für den kardiologischen Bereich aufgefunden, für die Pneumologie wurde eine Studie identifiziert. Ein Vergleich der Studien ist wegen der inhaltlichen und methodischen Heterogenität nur sehr begrenzt möglich. Bei den meisten Studien handelt es sich um die Evaluation von Modellprojekten, die in der Praxis (noch) nicht etabliert sind; die Schnittmenge mit den in der Datenbank gesammelten Programmen ist dementsprechend gering. 170 Schlussfolgerung Unter Einbezug neuer Informationstechnologien werden mit dem webbasierten Portal strukturierte Informationen zu Reha-Nachsorgeangeboten zur Verfügung gestellt; der Nachsorgefinder ermöglicht verschiedenen Usergruppen bedarfsorientierte Abfragen. Um über das Ziel einer aktuellen Bestandaufnahme hinaus langfristig zur Optimierung der Versorgung beitragen zu können, sollten weitere nutzerorientierte Anpassungen vorgenommen und die Webpage einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Unabdingbar bleibt die kontinuierliche Pflege der integrierten Datenbank. Literatur Deck, R., Glaser-Möller, N., Mittag, O. (2004): Rehabilitation und Nachsorge. Lage: Jacobs. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Reha-Bericht 2012. Die medizinische und berufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Fitch, K., Bernstein, S.J., Aguilar, M. (2001): The RAND/UCLA Appropriateness Method – User's Manual. RAND. 1-109. 171 Reha-Nachsorge (Poster) Nutzung und Zufriedenheit mit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten und Schlussfolgerungen für die Implementierung Zwerenz, R. (1), Becker, J. (1), Gerzymisch, K. (1), Holme, M. (2), Kiwus, U. (3), Knickenberg, R.J. (4), Spörl-Dönch, S. (5), Beutel, M.E. (1) (1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Reha-Zentrum Bad Pyrmont, Klinik Weser, (3) Reha-Zentrum Bad Nauheim, Klinik Wetterau, (4) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt/Saale der Rhön-Klinikum AG, (5) Klinik Haus Franken GmbH, Bad Neustadt/Saale Hintergrund und Fragestellung Online-Interventionen gewinnen eine zunehmende Bedeutung in der Nachsorge von Rehabilitanden (Kordy et al., 2011), die Befundlage zur Wirksamkeit ist jedoch noch nicht eindeutig. So konnte die Wirksamkeit einer psychotherapeutisch orientierten Online-Nachsorge für psychosomatische Rehabilitanden (Ebert et al., 2013) belegt werden, während sich eine Online-Nachsorge für chronische Schmerzpatienten trotz hoher Akzeptanzwerte nicht als wirksam herausgestellt hat (Moessner et al., 2014). Mit „GSA-Online“ wurde eine Online-Nachsorge für beruflich belastete Patienten entwickelt und in einer kontrolliert randomisierten Studie (Zwerenz et al., 2013) evaluiert. In diesem Beitrag soll eine differenzierte Auswertung von Nutzungs- und Zufriedenheitsdaten Aufschluss darüber geben, wie eine Online Nachsorge in die Versorgungslandschaft implementiert werden kann. Methodik Zwischen Juli 2011 und August 2013 wurden n=664 beruflich belastete Patienten in die kontrolliert randomisierte Studie eingeschlossen. Nach Teilnahme am stationären GSA-Training wurden Studienteilnehmer in die Interventions- (IG) oder Kontrollgruppe (KG) randomisiert. Im Anschluss an den Klinikaufenthalt absolvierte die IG eine wöchentliche Schreibaufgabe (Blog), die von einem Online-Therapeuten kommentiert wurde. Darüber hinaus konnten IG-Teilnehmer Materialien der stationären Schulung abrufen, ein Forum nutzen und PMR-Übungen anhören. Die KG hatte Zugang zu Informationsbroschüren zu gesundheitsrelevanten Themen. Nutzungshäufigkeit und Zufriedenheit wurden zum Ende der Intervention erfragt. Darüber hinaus wurde die weitere Nutzung der Inhalte nach der aktiven Studienphase bis zur Katamnese erhoben. Zur Einschätzung der therapeutischen Beziehung und Evaluation des therapeutischen Prozesses wurde der HAQ (Bassler et al., 1995) eingesetzt. Ergebnisse In der Psychosomatik (79,5 %) und Orthopädie (87,9 %) nutzten Studienteilnehmer deutlich häufiger die Online-Nachsorge als in der Kardiologie (67,9 %), indem sie sich nach der stationären Rehabilitation häufiger mindestens einmal auf der Internetplattform einloggten 172 (p<.001) und in der IG auch häufiger mindestens einen Blog geschrieben haben (Psy: 88,9 %; Orth: 92,2 %; Kard: 76,0 %; p<.05). Unter den IG-Teilnehmern fühlten sich indikationsübergreifend 64 % vom Online-Therapeuten ziemlich bis sehr gut verstanden und stuften im HAQ sowohl die Beziehungszufriedenheit (M=4,42; SD=1,12) als auch die Erfolgszufriedenheit (M=4,06; SD=1,16) als hoch ein. Zum Ende der Nachsorge schätzten 46 % der IG- und 24 % der KG-Teilnehmer die OnlineNachsorge als ziemlich bis sehr hilfreich ein (p<.001). Die größte Nutzungshäufigkeit und die höchste Zufriedenheit berichteten die Patienten der IG indikationsübergreifend für die Blogs und die therapeutischen Kommentierungen. In der KG wurden die thematisch unterschiedlichen Informationsmaterialien in vergleichbarem Ausmaß genutzt. Etwa ein Drittel der Patienten der IG hat nach Abschluss der Interventionsphase die Blogs, Arbeitsblätter und die anderen Materialien ausgedruckt/gespeichert. In der KG druckten/speicherten etwa die Hälfte der Patienten die ihnen zur Verfügung gestellten Materialien. Diskussion GSA-Online erreicht indikationsübergreifend eine hohe Akzeptanz unter Rehabilitanden der stationären medizinischen Rehabilitation. Der einzige Unterschied in der Nutzung durch die kardiologischen Patienten kann vermutlich dadurch erklärt werden, dass die Patienten der kardiologischen Klinik sich nicht, wie in den anderen Kliniken möglich, bereits während der stationären Behandlung auf der Internetplattform anmelden konnten. Von den verschiedenen Programmbestandteilen wurden in der Interventionsgruppe v. a. die therapeutisch kommentierten Schreibaufgaben genutzt und als besonders hilfreich eingeschätzt. Darüber hinaus konnte sowohl die patientenseitige als auch therapeutenseitige Beziehungsqualität als hoch bewertet werden. Dieses Ergebnis stützt die Befundlage anderer Internetinterventionen (Ebert et al., 2013). Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick Psychotherapeutisch orientierte Online-Interventionen könnten Versorgungslücken im Bereich der Nachsorge schließen. Eine enge Verzahnung mit der stationären Behandlung scheint dabei jedoch notwendig, um die Patienten frühzeitig sowohl mit dem Medium als auch den Funktionalitäten der Online-Nachsorge vertraut zu machen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Bassler, M., Potratz, B., Krauthauser, H. (1995): Der „Helping Alliance Questionnaire“ (HAQ) von Luborsky. Psychotherapeut, 40. 23-32. Ebert, D.D., Hannig, W., Tarnowski, T., Sieland, B., Gotzky, B., Berking, M. (2013): Web-basierte Rehabilitationsnachsorge nach stationarer psychosomatischer Therapie (W-RENA). Die Rehabilitation, 52. 164-172. Kordy, H., Theis, F., Wolf, M. (2011): Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie in der Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 54. 458-464. 173 Moessner, M., Aufdermauer, N., Baier, C., Gobel, H., Kuhnt, O., Neubauer, E., Poesthorst, H., Kordy, H. (2014): Wirksamkeit eines Internet-gestützten Nachsorgeangebots fur Patienten mit chronischen Ruckenschmerzen. Psychother Psychosom med Psychol, 64. 47-53. Zwerenz, R., Gerzymisch, K., Edinger, J., Holme, M., Knickenberg, R.J., Spörl-Dönch, S., Kiwus, U., Beutel, M.E. (2013): Evaluation of an internet-based aftercare program to improve vocational reintegration after inpatient medical rehabilitation: study protocol for a cluster-randomized controlled trial. Trials, 14. 26. TeNoR: Telefonische Nachsorge in der orthopädischen Rehabilitation – Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes für MBOR-Rehabilitanden Fröhlich, S.M. (1), Niemeyer, R. (1, 2), Greitemann, B. (1, 2) (1) Institut für Rehabilitationsforschung, Abt. Bad Rothenfelde, Norderney, (2) Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung Für MBOR-Rehabilitanden mit orthopädischen Problemen sollte ein telefonisches Nachsorgeangebot modellhaft entwickelt und an 40 Rehabilitanden getestet werden. Das telefonische Nachsorgeangebot soll auf die weiter bestehenden Probleme rund um die Erwerbsfähig- und -tätigkeit fokussieren und den Patienten weiter unterstützen (Deck, 2011; Hillert et al., 2009). Die Akzeptanz dieser neuen Intervention und der zeitliche Aufwand für die Nachsorge sollen bewertet werden. Methodik, Studiendesign Es handelt sich um eine Interventionsentwicklung und Machbarkeitsstudie mit 2 Messzeitpunkten: Ende (T1) und 2 Monate nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme (T2). Bewertungskriterien waren die Berufsbezogenheit, die Akzeptanz und der Aufwand der Nachsorgegespräche sowie der Bedarf an zusätzlichen Nachsorgeangeboten. Ergebnisse Interventionsentwicklung: In einer Expertenrunde aus Sozialberatungsdienst, ärztlicher Klinikleitung und Forschungsprojektleitung wurde die telefonische Intervention entwickelt: ‒ Dokumentierte Nachsorgeanrufe durch Sozialberatungsdienst 4 und 8 Wochen nach Reha-Ende zur beruflichen Situation. ‒ Dokumentiertes Zielplanungsgespräch während Rehabilitationsmaßnahme zwischen Sozialberater und „seinem“ Rehabilitanden als Vorbereitung und Grundlage der Telefonate (je ein unterschriebenes Exemplar für Rehabilitand und Sozialberater). ‒ Bedarfsabhängige Vermittlung zu anderen Schnittstellen. Stichprobe: 41 Personen haben im Erhebungszeitraum das MBOR-Programm erhalten, 26 willigten in die Studienteilnahme ein. 76,9 % waren männlich. Das Durchschnittsalter lag bei 46,9 Jah174 ren. 23 Teilnehmer füllten den T1-Fragebogen aus und 15 davon den T2-Fragebogen. Es wurden insgesamt 41 telefonische Nachsorgespräche von 3 Sozialberatern durchgeführt. Berufsbezogenheit der Nachsorgegespräche: ‒ Die telefonische Nachsorge wurde von den Sozialberatern durchgeführt. ‒ Die Sozialberater gaben an, dass im Durchschnitt 59 % der Gesprächszeit auf berufliche Themen verwandt wurden. ‒ Die Rehabilitanden gaben an, dass berufliche Themen besprochen wurden. Akzeptanz der Nachsorgegespräche: ‒ 68 % der potentiellen Teilnehmer willigten in die Studienteilnahme ein. ‒ Die Rehabilitanden gaben an, dass sie die telefonische Nachsorge durch die Sozialberater weiterempfehlen würden. ‒ Überwiegend positive Bewertung der Telefonate (mit Attributen wie z. B.: freundlich, positiv, gut vorbereitet, unterstützend). ‒ Die Sozialberater schätzen, dass fast alle Rehabilitanden die Telefonate positiv fanden. Aufwand der Nachsorgegespräche: Die durchschnittliche Gesprächsdauer lag bei 17 Minuten. Bedarf an zusätzlicher psychologischer und/oder medizinischer Nachsorge: ‒ Es gab aufseiten der Versicherten in den telefonischen Nachsorgegesprächen keinen Bedarf an zusätzlicher psychologischer und/oder medizinischer Nachsorge. Diskussion Es wurde ein Nachsorgekonzept entwickelt, bei dem die Sozialberater die MBOR-Rehabilitanden zweimal innerhalb von 8 Wochen nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme anriefen. Dieses Angebot wurde gut angenommen. Die Telefonate waren hauptsächlich berufsbezogen und dauerten durchschnittlich 17 Minuten. Bedarf an zusätzlicher psychologischer oder medizinischer Nachsorge wurde in der Machbarkeitsstudie nicht geäußert. Schlussfolgerungen, Umsetzungen und Ausblick Zurzeit wird das telefonische Nachsorgekonzept für MBOR-Rehabilitanden in einem randomisierten kontrollierten Design evaluiert. In diesem TeNoR2-Projekt bekommen die MBORRehabilitanden der Interventionsgruppe 6 Anrufe in einem Jahr. Förderung: Verein für Rehabilitationsforschung Norderney Literatur Deck, R., Schramm, S., Hüppe, A., Raspe, H. (2011): Ein neues Credo für Rehabilitationskliniken – Ein möglicher Weg zur Steigerung der längerfristigen Effektivität der medizinischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 93. S. 41-43. Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.). (2009): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation: Grundlagen und Praxis. Köln: Dt. Ärzte-Verl. 175 Patientenschulung Kurzfristige Effektivität einer Patientenschulung „Curriculum Brustkrebs“ in der onkologischen Rehabilitation Richard, M. (1), Meng, K. (1), Strahl, A. (1), Niehues, C. (2, 5), Derra, C. (3), Schäfer, H. (4), Worringen, U. (5), Faller, H. (1) (1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg, (2) ehem. Reha-Zentrum Ückeritz, Klinik Ostseeblick, Deutsche Rentenversicherung Bund, (3) Reha-Zentrum Bad Mergentheim, Klinik Taubertal, Deutsche Rentenversicherung Bund, (4) Reha-Zentrum Todtmoos, Klinik Wehrawald, Deutschen Rentenversicherung Bund, (5) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund Patientenschulungsprogramme sind zentraler Bestandteil der medizinischen Rehabilitation und deren Effektivität und Effizienz konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden (Faller et al., 2011). Im Bereich der Onkologie lassen sich nach einer Bestandsaufnahme zur Praxis von Schulungsprogrammen im deutschen Rehabilitationssektor noch Entwicklungspotentiale feststellen. Es liegen nur wenige manualisierte und für den stationären Bereich konzipierte Programme vor. Insgesamt besteht ein Bedarf an Entwicklung, Manualisierung und Evaluation (Zentrum Patientenschulung, 2010). Ziel eines Projekts ist daher, die Effektivität des Curriculum Tumorerkrankungen aus dem Gesundheitstrainingsprogramm der Deutschen Rentenversicherung Bund für Patientinnen mit Brustkrebs zu untersuchen. Dafür wurde das bestehende Curriculum für die Indikation Brustkrebs adaptiert, manualisiert und evaluiert (Faller et al., 2013; Strahl et al., 2013). Aktuell liegen die Ergebnisse zur kurzfristigen Wirksamkeit zum Ende der Rehabilitation vor, Ergebnisse zur 3-Monats-Katamnese sind Ende 2014 verfügbar. Methoden Die Evaluation erfolgt in einer unizentrischen, quasi-experimentellen Kontrollgruppenstudie mit 4 Messzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende, 3- und 12-Monats-Katamnese). Zeitstichproben mit konsekutivem Einschluss von Rehabilitandinnen mit Brustkrebs (ICD-10-GM: C50) werden zuerst der Kontrollgruppe (KG; usual care, d. h. nichtstandardisierte Schulung) und nach deren Abschluss der Interventionsgruppe (IG; Curriculum Brustkrebs) zugewiesen. Als primäre Zielparameter werden die krankheitsbezogene Einstellung der Patientinnen (Skala konstruktive Einstellungen, heiQ), intrusive Gedanken (IES-R) und Progredienzangst (PA-F-KF) festgelegt. Sekundäre Zielparameter sind Selbstmanagementkompetenz, krankheitsspezifische gesundheitsbezogene Lebensqualität (EORTC QLQ-C30), Informations- und Unterstützungsbedürfnis, sowie Schulungs- und Rehabilitationszufriedenheit. Die Wirksamkeit des Curriculums im Vergleich zur Kontrollbedingung wird durch den Intergruppenvergleich zu den Post-Messzeitpunkten mittels Kovarianzanalyse (ANCOVA) unter Kontrolle von Baseline-Unterschieden geprüft. 176 Die Stichprobe umfasst 436 Rehabilitandinnen. Das durchschnittliche Lebensalter ist 51 Jahre (SD=6,3). Rund 78 % leben in einer Partnerschaft. 75 % sind erwerbstätig, 6 % arbeitslos und 6 % berentet. Es handelt sich überwiegend um Angestellte. Etwa zwei Drittel sind Patientinnen im medizinischen Heilverfahren, etwa ein Drittel in der Anschlussrehabilitation. Es liegen einzelne signifikanten Gruppenunterschiede (IG, KG) in den soziodemografischen Daten vor. Zu Reha-Ende haben 93 % der Teilnehmerinnen geantwortet. Ergebnisse Ein Vergleich der Studiengruppen zu Reha-Ende zeigt keine signifikanten Gruppenunterschiede in den primären Zielparametern. In den sekundären Outcomes bestehen kleine, signifikante Unterschiede zwischen IG und KG hinsichtlich der Schulungszufriedenheit. Die Teilnehmerinnen der IG sich zufriedener mit Gruppen- und Interaktionsaspekten, während die Teilnehmerinnen der KG die vermittelten Schulungsinhalte besser bewerten. Es liegen keine signifikanten Gruppenunterschiede hinsichtlich Informations-/Unterstützungsbedürfnis, Selbstmanagementkompetenz und Lebensqualität vor. Schlussfolgerung und Ausblick Zu Rehabilitationsende konnte keine signifikante Überlegenheit des Curriculum Brustkrebs im Vergleich zur Kontrollbedingung (usual care) nachgewiesen werden. Für beide Studiengruppen liegen positive Verlaufseffekte in den primären und sekundären Zielparametern vor. Die Zufriedenheit mit der Schulung ist hoch, dabei zeigen sich heterogene Interventionseffekte. Eine abschließende Bewertung des Curriculums wird auf Basis der mittel- bis langfristigen Effekte erfolgen. Weiterhin werden noch Subgruppen-Analysen vorgenommen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Faller, H., Reusch, A., Meng, K. (2011): DGRW-Update: Patientenschulung. Die Rehabilitation, 50. 284-291. Faller, H., Strahl, A., Richard, M., Jelitte, M., Meng, K. in Zusammenarbeit mit Niehues, C. Derra, C., Schäfer, H.J. und dem therapeutischen Team des Reha-Zentrum Ückeritz, Klinik Ostseeblick (2013): Curriculum Brustkrebs aus dem Gesundheitstrainingsprogramm der Deutschen Rentenversicherung Bund – Manual. Verfügbar unter: http://www.psychotherapie.uni-wuerzburg.de/forschung/projekte-koop_23.html. Strahl, A., Meng, K., Richard, M., Jelitte, M., Niehues, C., Derra, C., Schäfer, H., Worringen, U., Faller, H. (2013): Programmentwicklung und formative Evaluation einer Patientenschulung für Patientinnen mit Brustkrebs in der onkologischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 101. 239-241. Zentrum Patientenschulung (2010): Folgeprojekt Zentrum Patientenschulung. Abschlussbericht. URL: http://www.zentrum-patientenschulung.de/verein/berichte/Abschlussbericht_ Zentrum_Patientenschulung_2010.pdf. 177 Entwicklung generischer Selbstmanagement-Module als Ergänzung zum Gesundheitstraining für Patienten in der Rehabilitation Seekatz, B. (1), Meng, K. (1), Musekamp, G. (1), Reusch, A. (1), Zietz, B. (2), Altstidl, R. (3), Haug, G. (3), Faller, H. (1) (1) Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, (2) Reha-Zentrum Mölln, Klinik Föhrenkamp, (3) Reha-Zentrum Bayerisch Gmain, Klinik Hochstaufen Einleitung Die Effektivität und Effizienz indikationsspezifischer Patientenschulungen ist belegt (Faller et al., 2011). Patienten erhalten Wissen über die Erkrankung sowie Hinweise zu sinnvollen Verhaltensänderungen. Nicht immer bleibt für eine konkrete Planung der Lebensstiländerungen genügend Zeit. Indikationsübergreifende Selbstmanagement-Module sollen helfen, die Teilnehmer zu motivieren und die Intentions-Verhaltenslücke durch Handlungs- und Bewältigungsplanung sowie Handlungskontrolle (Schwarzer et al., 2008) zu überwinden. Ziel eines Projekts (SelMa) ist es, generische Selbstmanagement-Module als Ergänzung zur indikationsspezifischen Patientenschulung zu entwickeln sowie formativ und summativ zu evaluieren. Es werden Ergebnisse der Schulungsentwicklung mit formativer Evaluation berichtet. Methoden Die Programmentwicklung erfolgte auf Basis einer Literaturrecherche sowie klinischer Expertise und Expertenkonsens. Zur Vorbereitung wurde ein Train-the-Trainer-Seminar konzipiert und durchgeführt. In einer formativen Evaluation wurden in zwei Kliniken Durchführbarkeit und Akzeptanz der neuen Module mittels Patienteninterviews, schriftlicher Patientenund Schulungsleiterbefragungen sowie strukturierter Beobachtungen geprüft. Bewertungskriterien waren inhaltliche Konzeption, Umsetzungsbarkeit und Schulungsleiterkompetenz. Die Beurteilung fand jeweils im Anschluss an die Schulungseinheit statt. Ergebnisse In einem mehrstufigen Prozess wurden auf Basis des Selbstmanagement-Ansatzes (Barlow et al., 2002) sowie theoriegeleiteter Techniken der Verhaltensänderung (Michie et al., 2011) ein Gruppenprogramm (SelMa-Gruppe) und ein Vortragsmodul (SelMa-Vortrag) entwickelt. Diese sind indikationsübergreifend und fokussieren auf motivationale und volitionale Aspekte von Verhaltens- und Lebensstiländerung. Komponenten sind Zielsetzung, Handlungsplanung, Identifikation von Barrieren und Problemlösung, Aufforderung zur Überprüfung der Zielerreichung sowie zur Selbstbeobachtung. Die Didaktik ist patientenorientiert und interaktiv. Das Gruppenprogramm setzt sich aus drei Modulen mit einem Umfang von je 60 Minuten zusammen, die in einer geschlossenen Kleingruppe durchgeführt werden. Der Selbstmanagement-Vortrag dauert 60 Minuten, die Gruppengröße ist nicht begrenzt. Es liegen Manuale und Arbeitsmaterialien für Schulungsleiter (Fallbeispiele, Folien, Übersichtsplakat) und Patienten (Arbeitsblätter, Patientenheft) vor. Die beteiligten Ärzte, Bewegungsthera- 178 peuten, Psychologen, Sozialpädagogen und andere therapeutische Berufsgruppen wurden im Train-the-Trainer-Seminar (1,5 Tage) geschult. Die Ergebnisse der formativen Evaluation (insgesamt 5 Schulungs- und 4 Vortragsgruppen) zeigen, dass die Inhalte und Umsetzung der Schulung von den Patienten und Schulungsleitern überwiegend positiv bewertet werden. Die Patienten bewerteten das Gruppenprogramm als gut (n=31, M=2,1, SD=0,5), ebenso den Vortrag (n=55, M=2,1, SD=0,5). Gleiches gilt für die Bewertung durch die Schulungsleiter (Gruppenprogramm: n=5, M=1,9, SD=0,6; Vortrag: n=4, M=2,3, SD=0,3). In den freien Rückmeldungen der Patienten und den Patienteninterviews (n=12) werden v. a. das SelMa-Konzept und die interaktive Schulungsgestaltung positiv bewertet. Die strukturierten Beobachtungen (n=11) zeigten, dass die vorgesehenen Inhalte und Methoden weitestgehend umgesetzt wurden und auch die zeitlichen Vorgaben eingehalten werden konnten. Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse zeigen, dass beide SelMa-Programme umsetzbar sind und von Schulungsleitern und Patienten überwiegend positiv beurteilt werden. Kritische Anmerkungen aus der formativen Evaluation wurden geprüft und bei der endgültigen Fertigstellung der Manuale und Schulungsmaterialien aufgegriffen. Beispielsweise wurde das Patientenheft sprachlich vereinfacht und die Materialien bzgl. der Formatierung überarbeitet, um sie besser lesbar zu machen. Aktuell wird die Wirksamkeit von Gruppenprogramm und Vortrag hinsichtlich der Selbstmanagementkompetenz und des Gesundheitsverhaltens in einer multizentrischen clusterrandomisierten Kontrollgruppenstudie geprüft. Förderer: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Barlow, J., Wright, C., Sheasby, J., Turner, A., Hainsworth, J. (2002): Self-management approaches for people with chronic conditions: a review. Patient Education and Counseling, 48. 177-187. Faller, H., Reusch, A., Meng, K. (2011): DGRW-Update: Patientenschulung. Die Rehabilitation, 50. 284-291. Michie, S., Ashford, S., Sniehotta, F.F., Dombrowski, S.U., Bishop, A., French, D.P. (2011): A refined taxonomy of behavior change techniques to help people change their physical activity and healthy eating behaviours: The CALO-RE taxonomy. Psychology and Health, 26. 1479-1498. Schwarzer, R., Lippke, S., Ziegelmann, J.P. (2008): Health action process approach. A research agenda at the Freie Universität Berlin to examine and promote health behavior change. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 16. 157-160. 179 Effektivität einer Patientenschulung zur Förderung von Selbstmanagementkompetenzen bei Rehabilitanden mit Herzinsuffizienz Meng, K. (1), Musekamp, G. (1), Schuler, M. (1), Seekatz, B. (1), Glatz, J. (2), Karger, G. (2), Kiwus, U. (2), Knoglinger, G. (2), Schubmann, R. (2), Westphal, R. (2), Faller, H. (1) (1) Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, (2) Arbeitsgruppe Patientenschulung der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V. Hintergrund Entsprechend bestehender Leitlinien sollen Menschen mit Herzinsuffizienz zum Selbstmanagement angeleitet werden (McMurray et al., 2012). Ein systematisches Review zu Selbstmanagementinterventionen fand positive Effekte bei Mortalität, Hospitalisierungsrate und Lebensqualität (Ditewig et al., 2010). Weitere Studien sind aber erforderlich, um die Wirksamkeit einzelner Programme und spezifischer edukativer Strategien zu untersuchen und zu klären, welche Patientengruppen am meisten profitieren. Im deutschen Reha-Bereich liegen bisher nur wenige standardisierte und evaluierte Herzinsuffizienz-Schulungsprogramme vor. Ziel des Projekts war daher die Entwicklung und Evaluation einer Selbstmanagement-Schulung für Rehabilitanden mit Herzinsuffizienz (Meng et al., 2013). Die Hauptfragestellung betrifft die Wirksamkeit des neuen Curriculums Herzinsuffizienz im Vergleich zu einer Kontrollbedingung (usual care). Als Nebenfragestellungen werden Gender-, Alters-, Bildungs- und Behandlungsaspekte (AHB, Heilverfahren) untersucht. Methode Die Wirksamkeit des „Curriculum Herzinsuffizienz“ wurde in einer multizentrischen clusterrandomisierten Kontrollgruppenstudie geprüft. Die Cluster, die einer der beiden Studienbedingungen zufällig zugeteilt wurden, waren Gruppen von Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion ≤40; NYHA II, III), die innerhalb eines bestimmten Zeitraums in der Reha-Klinik rekrutiert wurden. Die Patienten der Interventionsgruppe (IG) erhielten das Curriculum Herzinsuffizienz, die Patienten der Kontrollgruppe (KG) einen einstündigen Vortrag, der die wesentlichen Schulungsinhalte in kompakter Form vermittelt. Primäres Outcome war die wahrgenommene Selbstmanagementkompetenz der Patienten (heiQ, Skalen Erwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrategien sowie Selbstüberwachung und Krankheitsverständnis; KCCQ, Skala Selbstwirksamkeit). Sekundäre Zielgrößen umfassen Verhaltensdeterminanten und Selbstmanagementverhalten (Symptombeobachtung, körperliche Aktivität, Medikamentenadhärenz), Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit. Die Patienten wurden zu Beginn und am Ende der Rehabilitation sowie nach 6 und 12 Monaten mit standardisierten Fragebögen befragt. Die Wirksamkeit wird durch den Intergruppenvergleich (IG, KG) zu den Post-Messzeitpunkten mittels hierarchischen linearen Modellen unter Kontrolle der Baseline-Werte geprüft. Die Stichprobe besteht aus 475 Rehabilitanden, mit einem mittleren Alter von 62 Jahren (SD=11,4). 77 % sind Männer, 71 % leben in einer Partnerschaft. 42 % der Rehabilitanden sind erwerbstätig, 44 % berentet und 8 % arbeitslos. Die mittlere EF beträgt 32 (SD=6,9), 180 65 % haben als Grunderkrankung eine KHK, 34 % haben einen Defibrillator/Schrittmacher. Meist erhalten die Rehabilitanden eine Anschlussrehabilitation (77 %). Zu den Post-Messzeitpunkten sind Daten von 89 % der Teilnehmer zu Reha-Ende, 84 % nach 6 Monaten und 80 % nach 12 Monaten vorhanden. Ergebnisse In den primären Zielparametern zur wahrgenommenen Selbstmanagementkompetenz zeigt sich zu Reha-Ende hinsichtlich „Selbstüberwachung und Krankheitsverständnis“ ein kleiner, signifikanter Gruppenunterschied zugunsten der IG. Tendenziell liegen bei den Teilnehmern der IG auch bessere Werte hinsichtlich dem „Erwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrategien“ vor. Keine Unterschiede sind hingegen bei der „Selbstwirksamkeit“ ersichtlich. Mittelbis langfristig können keine signifikanten Gruppenunterschiede in den primären Zielparametern nachgewiesen werden. Des Weiteren bestehen signifikante, kleine Gruppenunterschiede in einigen sekundären Zielparametern. Teilnehmer der IG weisen eine höhere Schulungszufriedenheit auf als Teilnehmer der KG. In den verhaltensbezogenen Outcomes liegt bei Patienten der IG 6 Monate nach der Reha eine höhere Symptomkontrolle (tägliches Wiegen, Gewichtsprotokoll, Puls-/ Blutdruckmessung) vor. Tendenziell wird von Teilnehmern der IG 12 Monate nach der Reha ein höheres Ausmaß an körperlicher Aktivität angegeben. Für die weiteren Zielparameter liegen keine Interventionseffekte vor. Schlussfolgerungen Im primären Outcome Selbstmanagementkompetenz bestand kurzfristig ein Interventionseffekt, mittel- bis langfristig konnte keine Überlegenheit des Curriculums Herzinsuffizienz nachgewiesen werden. Es zeigen sich jedoch Vorteile in zentralen Verhaltensoutcomes. Auch sind die Rehabilitanden mit dem standardisierten Schulungsprogramm zufriedener als mit einer Kurzschulung. Effekte eines Schulungsprogramms bei Herzinsuffizienz in Bezug auf schulungsnahe Zielparameter wie Krankheitswissen und Dokumentation der Selbstkontrollen konnte auch von Glatz et al. (2014) gezeigt werden. Insgesamt kann das Curriculum aufgrund der hohen Patientenakzeptanz und einiger positiver Schulungseffekte für die Versorgungspraxis empfohlen werden. Aktuell wird geprüft, welche Patientengruppen am meisten von der Schulung profitieren. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Ditewig, J.B., Blok, H., Havers, J., van Veenendaal, H. (2010): Effectiveness of selfmanagement interventions on mortality, hospital readmissions, chronic heart failure hospitalization rate and quality of life in patients with chronic heart failure: A systematic review. Patient Education and Counseling, 78. 297-315. Glatz, J., Muschalla, B., Karger, G. (2014): Patientenschulung bei Herzinsuffizienz verbessert krankheitsbezogenes Wissen und Verhalten während kardiologischer Rehabilitation, 53. 155-160. McMurray, J.J.V., Adamopoulos, A., Anker, S.D., Auricchio, A., Böhm, M., Dickstein, K., Falk, V., Filippatos, G., Fonseca, C., Gomez-Sanchez, M.A., Jaarsma, T., Køber, L., Lip, G.Y.H., 181 Maggioni, A.P., Parkhomenko, A., Pieske, B.M., Popescu, B.A., Rønnevik, P.K., Rutten, F.H., Schwitter, J., Seferovic, P., Stepinska, J., Trindade, P.T., Voors, A.A., Zannad, F., Zeiher, A. (2012): ESC guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. European Journal of Heart Failure, 14. 803-869. Meng, K., Musekamp, G., Seekatz, B., Glatz, J., Karger, G., Kiwus, U., Knoglinger, E., Schubmann, R., Westphal, R., Faller, H. (2013): Evaluation of a self-management patient education program for patients with chronic heart failure undergoing inpatient cardiac rehabilitation: Study protocol of a cluster randomized controlled trial. BMC Cardiovascular Disorders, 13. 60. DOI: 10.1186/1471-2261-13-60. Intervention zur Förderung der Selbstregulation bei chronischer Krankheit: Umsetzungsbezogene Ergebnisse einer formativen Evaluation Heyduck, K., Jakob, T., Glattacker, M. Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin Hintergrund Gemäß des Common-Sense-Selbstregulationsmodells (Leventhal et al., 2001, 2003) bilden die Berücksichtigung patientenseitiger Kognitionen und die Fokussierung auf das konkrete Krankheitsbewältigungsverhalten wichtige Ansatzpunkte zur Förderung der krankheitsbezogenen Selbstregulation (McAndrew et al., 2008). Vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel einer stärkeren Maßschneiderung der während der Rehabilitation vermittelten Informationen, wurde im Rahmen des Projekts SELF eine Intervention entwickelt, in welcher die Informationsvermittlung zur Erkrankung und Behandlung und die Erarbeitung eines adäquaten Krankheitsbewältigungsverhaltens auf die subjektiven Vorstellungen der Patienten zu ihrer Erkrankung und Behandlung und das patientenseitige individuelle Bewältigungsverhalten abgestimmt werden. Die Intervention wurde zwischen Mai 2013 und April 2014 in vier Rehabilitationskliniken implementiert und formativ evaluiert. Wichtige Zielgrößen der Evaluation waren dabei u. a. die Bewertungen der teilnehmenden Rehabilitanden und Behandler zur Umsetzung der interventionsrelevanten Themen und die Nutzenbewertung bzgl. der Förderung einer patientenorientierten Behandlungsgestaltung. Diese Ergebnisse sollen im vorliegenden Beitrag vorgestellt werden. Methodik Die Intervention wurde für Patienten mit chronischem Rückenschmerz und Patienten mit depressiven Störungen konzipiert und im Rahmen der rehabilitativen Behandlung von Ärzten und Psychologen durchgeführt. Die Bewertung der Intervention wurde patienten- und behandlerseitig mittels Fragebögen erhoben. Insgesamt liegen Angaben von N=88 Rehabilitanden (NOrtho=41, NPsych=47) und N=27 Behandlern (NOrtho=10, NPsych=17) vor. Die teilnehmenden Rehabilitanden waren im Mittel 49,6 (Orthopädie) bzw. 50,3 (Psychosomatik) Jahre alt. Das mittlere Alter der Behandler lag bei MOrtho=47,2 bzw. MPsych=40,4 Jahren. Die Auswertungen erfolgten mittels deskriptiver Statistiken. 182 Ergebnisse Den Kern der Interventionsdurchführung bildete die Reflexion des subjektiven Krankheitsund Behandlungskonzepts und des individuellen Krankheitsbewältigungsverhaltens, weshalb deren Umsetzung einen wichtigen Bestandteil der Evaluation darstellte. In beiden Indikationen berichteten die Patienten hier mehrheitlich, dass die entsprechenden Themenbereiche während der Rehabilitation besprochen wurden. Am häufigsten wurde die Thematisierung „persönlicher Kontrollmöglichkeiten“ in Bezug auf die Erkrankung berichtet (in beiden Indikationen >80 %). Weitere häufig thematisierte Themenbereiche waren in der Orthopädie die Erarbeitung erweiterter Krankheitsbewältigungsstrategien während und nach der Reha (jeweils >75 %) und in der Psychosomatik die Diskussion der Einflussmöglichkeiten durch Behandlungsmaßnahmen (78,7 %). Behandlerseitig berichteten in der Orthopädie sowohl Ärzte als auch Psychologen, am häufigsten über die Themenbereiche „Symptome“ (90,2 % und 78,0 %) und „Krankheitsbewältigungsstrategien“ (92,7 % und 85,4 %) gesprochen zu haben. In der Psychosomatik wurden seitens der Ärzte am häufigsten „Krankheitsbewältigungsstrategien während der Reha“ (44,7 %) und die „Notwendigkeit von Medikamenten“ (40,4 %) und seitens der Psychologen „Symptome“ (78,7 %) und „bisherige Krankheitsbewältigungsstrategien“ (74,5 %) adressiert. Hinsichtlich der Förderung einer patientenorientierten Behandlungsgestaltung wurde die Intervention sowohl patientenseitig als auch behandlerseitig in beiden Indikationen positiv bewertet. So berichteten beispielsweise sowohl die teilnehmenden Rehabilitanden (Zustimmung 68,3 % in der Orthopädie und 48,9 % in der Psychosomatik) als auch deren Ärzte (Zustimmung 73,2 % in der Orthopädie und 59,6 % in der Psychosomatik), dass die Intervention dazu beigetragen habe, dass die Patienten die Informationen erhalten, die ihnen persönlich wichtig sind. Insgesamt fiel die Zustimmung in der Orthopädie hier etwas höher aus als in der Psychosomatik. Diskussion Die Ergebnisse geben Hinweise, dass bzgl. der Umsetzung der interventionsrelevanten Themenbereiche in beiden Indikationen eine gute Treatment-Integrität erreicht werden konnte. Die Intervention wurde außerdem in beiden Indikationen von den teilnehmenden Rehabilitanden und Behandlern hinsichtlich der Förderung einer patientenorientierten Behandlungsgestaltung als positiv bewertet, was u. E. als Hinweis auf positive Effekte der gemäß des Interventionsrationales intendierten „Maßschneiderung“ von Reha-Behandlungsaspekten gewertet werden kann. Es wurden jedoch auch einige Indikationsunterschiede hinsichtlich der Umsetzung und Bewertung der Intervention deutlich, die noch weiterer Betrachtung und Einordnung bedürfen. Weitere Analysen zu anderen erhobenen Akzeptanz- und Nutzenaspekten sowie zur behandlerseitigen Bewertung der Machbarkeit der Intervention in der Klinikroutine sollen die hier vorgestellten Ergebnisse ergänzen. Literatur Leventhal, H., Leventhal, E.A., Cameron, L. (2001): Representations, procedures and affect in illness self-regulation: a perceptual-cognitive model. In: A. Baum, T.A. Revenson & J. E. Singer (Eds.), Handbook of Health Psychology. Mahwah, N.J: Lawrence Erlbaum. 19-48. 183 Leventhal, H., Brisette, I., Leventhal, E.A. (2003): The common-sense model of self-regulation of health and illness. In: L. Cameron, H. Leventhal (Eds.): The self-regulation of health and illness behavior. London: Routledge. 42-65. McAndrew, L.M., Musumeci-Szabó, T.J., Mora, P.A., Vileikyte, L., Burns, E., Halm, E.A., Leventhal, H. (2008): Using the common sense model to design interventions for the prevention and management of chronic illness threats: From description to process. British Journal of Health Psychology, 13, 195-204. „Dann haben die untereinander teilweise die Probleme gelöst“ – Schulungsleitererfahrungen mit der Implementierung einer Rückenschule Peters, S. (1, 2) , Faller, H. (1), Pfeifer, K. (2), Meng, K. (1) (1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg, (2) Institut für Sportwissenschaft und Sport, Universität Erlangen-Nürnberg Hintergrund Die Einführung von evidenzbasierten Interventionen in der klinischen Praxis stellt eine große Herausforderung dar. Dies gilt auch für moderne Patientenschulungen, welche multidisziplinär und biopsychosozial angelegt sind, einen hohen Grad an interaktiver, patientenorientierter Methodik anstreben und in geschlossenen Gruppen angeboten werden. In einem aktuellen Projekt wurde das Curriculum Rückenschule (CR) der DRV Bund in neun Rehabilitationskliniken disseminiert. Solche Implementierungen werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst (Jahed et al., 2012). Vor der Einführung waren in den Reha-Kliniken strukturelle Rahmenbedingungen prinzipiell vorhanden. Bei den Schulungsleitern bestand weitgehend Akzeptanz gegenüber dem CR (Peters et al., im Druck). Die Implementierung führte zu heterogenen Ergebnissen in den Kliniken. Einflüsse hierauf sollten über die Befragung der Schulungsleiter exploriert werden. Fragestellung: Welche Barrieren und Förderfaktoren gegenüber der nachhaltigen Einführung des CR zeigen sich in den Erfahrungen und Einstellungen der Schulungsleiter bzgl. der Implementierung des Schulungsprogramms? Methodik Als Teil einer multi-methodalen Prozessforschung wurden 12 Wochen nach der Implementierung des CR die Schulungsleiter mittels qualitativer, teilstrukturierter Leitfadeninterviews befragt. Der Interviewleitfaden beinhaltete sechs Hauptfragen (u. a. „Welche Erfahrungen haben Sie bei der praktischen Durchführung des Curriculums gemacht?“) mit jeweils möglichen Nachfragen. Die Auswertung erfolgte durch thematische Analyse (Braun, Clarke, 2006) im Softwareprogramm Atlas.ti (Version 6.2.25) auf Basis der Interviewtranskripte. Bei der Kodierung wurden als Oberkategorien die angepassten Ebenen von Grol und Wensing (2004) verwendet: „Schulungsleiter“, „Patient“, „Sozialer Kontext“, „Organisationskontext“, „Curriculum Rückenschule“ und „Ökonomischer und politischer Kontext“. Eine Zugehörigkeit der Aussagen zu den genannten Kategorien bildete das Selektionskriterium (nur solche 184 Aussagen wurden berücksichtigt). Die Unterkategorien/Themen wurden induktiv durch zwei Kodierer unterschiedlicher Professionsbereiche erstellt und zugewiesen. Die Stichprobe umfasste 45 Schulungsleiter (27 Frauen). Es handelte sich um 23 Bewegungstherapeuten, 10 Psychologen, 9 Ärzte und 3 Ergotherapeuten. Ergebnisse Auf Ebene der „Patienten“ berichten die Schulungsleiter eine mehrheitlich hohe Beteiligung, hohe Motivation sowie Freude an der Rückenschulteilnahme. Teilweise wird dies als Diskrepanz zur bisherigen Schulung dargestellt. Vielfach wird allerdings auch eine heterogene Beteiligung sowohl zwischen als auch innerhalb der Gruppen festgestellt. Als ein Kritikpunkt der Patienten wird der wahrgenommene hohe Theorieanteil des Curriculums beschrieben. Auf der Ebene des „Curriculum Rückenschule“ wird der zeitliche Umfang thematisiert. Die Schulungsleiter äußern hiermit Schwierigkeiten, was sie hauptsächlich mit dem inhaltlichen Umfang bzw. der Durchführung von interaktiven Methoden begründen. Hilfreich werden Materialien und Medien empfunden, welche Struktur bzw. Orientierungshilfe bieten. Auf der Ebene „Sozialer Kontext“ werden besonders Austausch und Zusammenarbeit thematisiert. Die Erfahrungen sind dabei unterschiedlich. Teilweise wurden keine oder sehr geringe Auswirkungen auf die Zusammenarbeit durch die Rückenschulimplementierung empfunden. Dies wird z. B. darin begründet, dass diese bereits gut war. Es wird aber auch öfters ein verstärkter Austausch bei und durch Einführung des CR vermeldet. Das betrifft oft den Austausch innerhalb der entsprechenden Abteilung. Auch dieser Austausch ist teils interdisziplinär, was von einigen Schulungsleitern als bereichernd empfunden wird. Für sich selbst beschreiben die Schulungsleiter eine mehrheitlich positive Einstellung zum CR und dessen Einführung. Diese speist sich z. B. aus der Erwartung der Nachhaltigkeit für die Patienten und aus den positiven Konsequenzerfahrungen in Praxissituationen. Ein- und Durchführung beschreiben vornehmlich die Bewegungstherapeuten als anfangs hohen persönlichen Aufwand. Kritisch äußern sich viele Bewegungstherapeuten bzgl. des Umfangs der Theorievermittlung. Zum „Organisationskontext“ werden knappe Ressourcen, sowohl hinsichtlich Räumlichkeiten und Technik als auch hinsichtlich Zeit und Personal genannt. Zudem spielen Planungsaspekte eine große Rolle. Der Inhalt der Kategorie „ökonomischer und politischer Kontext“ beschränkt sich auf vereinzelte Äußerungen zum Kostenträger, dem ein Interesse an der Einführung des CR bescheinigt wird. Schlussfolgerung und Ausblick Die Ergebnisse zeigen heterogene Erfahrungen und Einstellungen der Schulungsleiter bzgl. der Ein- und Durchführung des CR nach der Schulungsimplementierung. Hieraus lassen sich auf mehreren Ebenen Barrieren und Förderfaktoren ableiten, welche bei der weiteren Dissemination des CR bzw. anderer Patientenschulungen berücksichtigt werden sollten (Grimshaw et al., 2012): Sinnvoll erscheinen Trainerschulungen, ggf. mit anschließender Beratung. Hierbei sollten auch zielgruppenspezifische Anpassungsmöglichkeiten bei der Umsetzung des Curriculums vermittelt und Teamprozesse angeregt werden. Weiterhin erscheint die Bereitstellung von Ressourcen zentral. Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung. 185 Literatur Braun, V., Clarke, V. (2006): Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology, 3. 77-101. Grimshaw, J.M., Eccles M.P., Lavis, J.N., Hill, S.J., Squires, J.E. (2012): Knowledge translation of research findings. Implementation Science, 7. 50. Grol, R., Wensing, M. (2004): What drives change? Barriers to and incentives for achieving evidence-based practice. The Medical Journal of Australia, 180. 57-60. Jahed, J., Bengel, J., Baumeister, H. (2012): Transfer von Forschungsergebnissen in die medizinische Praxis. Gesundheitswesen, 74. 754-761. Peters, S., Schultze, A., Pfeifer, K., Faller, H., Meng, K. (im Druck): Akzeptanz der Einführung standardisierter Patientenschulungen durch das multidisziplinäre Reha-Team am Beispiel einer Rückenschule – Eine qualitative Studie. Gesundheitswesen. 186 Patientenschulung (Poster) Die Bedeutung von Schulungsleiterdeterminanten für die Einführung standardisierter Patientenschulungen in die Routineumsetzung Meng, K., Opeskin, J., Peters, S., Faller, H. Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg Hintergrund Disseminationsstudien zeigen, dass die Einführung standardisierter Schulungen in den Klinikalltag häufig nicht vollständig gelingt. Neben organisatorischen Faktoren wird der Praxistransfer auch durch individuelle Faktoren der Klinikmitarbeiter beeinflusst (z. B. Michie et al., 2005). In einem Modell zum Verhalten von Mitarbeitern im Gesundheitswesen wird angenommen, dass sozial-kognitive Parameter direkten Einfluss auf die Verhaltensintention haben, die wiederum das Verhalten prädiziert (Godin et al., 2008). Weitere Forschungsergebnisse sind aber erforderlich, um Verhaltensintention und Verhalten von Fachleuten im Gesundheitswesen besser verstehen und vorhersagen zu können Daher wurden im Rahmen einer Implementierungsstudie einer standardisierten Rückenschule schulungsleiterspezifische Verhaltensdeterminanten untersucht. Die folgenden Fragestellungen wurden in Anlehnung an das Modell von Godin geprüft: F1: Welchen Einfluss haben sozial-kognitive und affektive Schulungsleiterdeterminanten auf die Verhaltensintention und auf das globale Interesse an der Schulungseinführung? F2: Durch welche Determinanten lässt sich das Interesse zur Fortführung der Schulung am Ende der Implementierungsphase vorhersagen? Methodik Im Rahmen einer Implementierungsstudie mit multi-methodaler Prozessforschung wurde das Curriculum Rückenschule in 10 Rehabilitationskliniken eingeführt. Die Klinikmitarbeiter wurden zu vier Messzeitpunkten (vor Implementierung T0, nach Implementierungsintervention/-beginn T1, 4 und 12 Wochen nach Implementierungsintervention/-beginn T2, T3) mittels schriftlicher Fragebögen befragt. Determinanten der Schulungsleiter wurden auf theoretischer Grundlage zur Implementierung evidenzbasierter Behandlungen nach Michie et al. (2005) definiert. Mittels exploratorischer Faktorenanalyse wurden Skalen mit zufriedenstellenden Kennwerten zu folgenden Determinanten entwickelt: Schulungswissen, Schulungsleiterfertigkeiten, Passung des Curriculums mit dem eigenen Berufsbild, allgemeine berufsbezogenen Selbstwirksamkeit, Selbstwirksamkeitsannahmen zur Schulungsumsetzung bzw. zum Umgang mit Widerständen, positive und negative Konsequenzerwartungen, Teamhaltung, positiver und negativer Affekt bezüglich der Einführung, Zufriedenheit mit der bestehenden Schulung sowie Intention zur Schulungsumsetzung und Interesse zur Schulungseinführung (T0) bzw. -weiterführung (T3). 187 Die statistische Analyse umfasst Korrelations- und Regressionsanalysen im Quer- und Längsschnitt (T0, T3). Zusätzlich wird ein Mediationsmodell sozial-kognitiver und affektiver Determinanten geprüft (T0; MPlus). Für die Erhebung vor Implementierung (T0) liegen Daten von 77 Schulungsleitern – 17 Ärzte, 45 Bewegungstherapeuten, 13 Psychologen, 2 Ergotherapeuten – vor. Darunter sind 54 Frauen, das Durchschnittsalter ist 42 Jahre (SD=10,1). Zu Implementierungsende (T3) umfasst die Stichprobe 63 Schulungsleiter. Ergebnisse F1: Für die Schulungsleiterdeterminanten „Fertigkeiten Schulungsmethoden“, „Passung mit beruflicher Rolle“, „Selbstwirksamkeit in Bezug auf den Umgang mit Widerständen“, „allgemeine berufliche Selbstwirksamkeit“ sowie „positive bzw. negative Konsequenzerwartungen“ und „positiver Affekt“ liegen signifikante Korrelationen mit der Intention zur Schulungsumsetzung (.23≤r≤.50) und/oder dem Interesse zur Schulungseinführung (.33≤r≤.68) vor. In den multiplen Regressionsanalysen erweisen sich die Variablen „Selbstwirksamkeit: Widerstände“ (β=.25, p<.05), „positiver Affekt“ (β=−.31, p<.05) und „Fertigkeiten Schulungsmethoden“ (β=.36, p<.01) als signifikante Prädiktoren der Intention (R2=.50), „positive Konsequenzerwartungen“ (β=.26, p<.05) und „positiver Affekt“ (β=.37, p<.01) als signifikante Prädiktoren des Einführungsinteresses (R2=.66). Ein a priori formuliertes Mediatormodell postuliert, dass der Zusammenhang zwischen den sozial-kognitiven Determinanten (Passung mit beruflicher Rolle, positive Erwartungen, negative Erwartungen, Selbstwirksamkeit: Widerstände) und der Intention zur Schulungseinführung über die affektive Determinante (positiver Affekt) vermittelt wird. Die Mediatoranalysen zeigen jeweils einen signifikanten indirekten Effekt (p<.01). Zusätzlich wird eine sequenzielle Abfolge der sozial-kognitiven Determinanten geprüft. Die Passung der Schulung mit der eigenen beruflichen Rolle hat dabei sowohl einen direkten Einfluss auf die affektive Reaktion, als auch indirekte Effekte über die positiven Erwartung bzw. die negativen Erwartungen und die Selbstwirksamkeit mit Widerständen umzugehen. Für das Mediatormodel besteht ein guter Modellfit (2=9.01(8)=.34. RMSEA=.05. CFI=0.99. TLI=0.98. SRMR=0.06); die indirekten Pfade werden zum Teil signifikant. Die Analysen zeigen, dass der Einfluss der sozial-kognitiven Determinanten auf die Verhaltensintention über die affektive Determinante vermittelt wird. F2: Die Schulungsleiterdeterminanten vor Implementierungsbeginn (T0) sind teilweise auch signifikante Prädiktoren (.39≤β≤.61, p<.05) für das Interesse zum Fortführen der Schulung am Ende der Implementierungsphase (T3): „Passung mit beruflicher Rolle“, „positive Erwartungen“, „negative Erwartungen“, „Selbstwirksamkeit Widerstände“, „positiver Affekt“, „Intention“. Schlussfolgerung und Ausblick Einzelne Schulungsleiterdeterminanten beeinflussen die Intention zur Schulungsumsetzung und das Interesse zur Schulungseinführung. Neben sozial-kognitiver Variablen kommt auch der positiven affektiven Reaktion eine bedeutsame Rolle zu. Bei der Einführung von Patientenschulungen sollte daher der Passung der Schulung mit der eigenen beruflichen Rolle, 188 den erwarteten Konsequenzen sowie der Selbstwirksamkeit, mit schwierigen Situationen im Rahmen der Implementierung umgehen zu können, genügend Beachtung gegeben werden, um eine positive affektive Reaktion und die Verhaltensabsicht zur Schulungsumsetzung zu fördern. Diese Determinanten können auch wesentliche Ansatzpunkte für Implementierungsinterventionen sein. Weitere Studien sollten die Zusammenhänge der Determinanten mit dem Schulungsleiterverhalten im Längsschnitt an größeren Stichproben untersuchen. Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung. Literatur Godin, G., Belanger-Gravel, A., Eccles, M., Grimshaw, J. (2008): Healthcare professionals' intentions and behaviours: A systematic review of studies based on social cognitive theories. Implementation Science, 3. doi 10.1186/1748-5908-3-36. Michie, S., Johnston, M., Abraham, C., Lawton, R., Parker, D., Walker, A. on behalf of the „Psychological Theory“ Group (2005): Making psychological theory useful for implementing evidence based practice: a consensus approach. Quality and Safety in Health Care, 14. 26-33. Gut informiert in die Reha? Welche Informationen haben Rehabilitanden vor der Reha gesucht, erhalten oder vermisst? Walther, A.L., Schreiber, D., Deck, R. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck Hintergrund Bislang gibt es wenige Studien, die explizit den Informationsbedarf von Rehabilitanden erfasst haben. Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass Rehabilitanden nur unzureichend über wesentliche Aspekte der Reha im Vorfeld informiert sind (Höder, Deck, 2014). Ihre antragsunterstützenden, niedergelassenen Ärzte geben ihrerseits selbst immer wieder einen hohen Informationsbedarf an (Walther et al., 2014) und können somit eine ausführliche Aufklärung kaum leisten. Zudem mangelt es an hochwertigen und verständlichen Informationsmaterialien. Studien der Health-Literacy-Forschung haben jedoch gezeigt, dass Informiertheit und verschiedene gesundheitsbezogene Outcomes zusammenhängen (Berkman et al. 2011). In einer aktuell laufenden Studie wurden in einem ersten Studienabschnitt folgende Fragen untersucht: Welche Informationen haben Rehabilitanden vor Antritt ihrer Reha erhalten? Haben sie ihren Bedürfnissen entsprochen oder hätten sie etwas anderes gebraucht? Methodik Insgesamt wurden 6 Fokusgruppen mit Rehabilitanden am Ende der Reha durchgeführt: je zwei Fokusgruppen in den Indikationen Orthopädie, Psychosomatik und Kardiologie/Innere Medizin. Die Fokusgruppen wurden leitfadengestützt moderiert, digital aufgezeichnet und vollständig transkribiert. Die Fokusgruppen dauerten zwischen 43–83 Minuten, an ihnen nahmen jeweils 3–7 Rehabilitanden im Alter von 28–64 Jahren teil. Die Auswertung orien189 tierte sich am Konzept der Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) und erfolgte mit dem Programm MAXQDA. Das Kategoriensystem wurde hierbei sowohl deduktiv als auch induktiv gebildet. Der Kodierungsprozess wurde zunächst von zwei Personen unabhängig voneinander durchgeführt. Die gemeinsame Diskussion der Kodierungen und die Konsensfindung wurden ggf. gemeinsam mit der Projektleiterin durchgeführt. Ergebnisse Rehabilitanden gaben relativ häufig an, dass sie Informationen von ihren antragsunterstützenden Ärzten erhielten. Angehörige und Kollegen stellten eine ebenso häufig genannte Informationsquelle dar. Die erhaltenen Angaben waren meist jedoch eher allgemeiner Natur und häufig unspezifisch und unkonkret. Über das gesamte Therapieangebot sowie über einzelne Therapien, die speziell für das eigene gesundheitliche Problem angeboten werden, versuchten sich die Rehabilitanden mithilfe der im Vorfeld erhaltenen Klinikbroschüre, auf der Website der Reha-Klinik und auf anderen Internetseiten zu informieren. Von großem Interesse waren weiterhin die örtliche Lage und Ausstattung der Klinik sowie die angebotenen Freizeitaktivitäten. Diese Informationen wurden jedoch häufig als nicht ausreichend und wenig detailliert beschrieben erachtet. Die Nachsorgeangebote der RV waren nur wenigen Rehabilitanden bekannt. Einige äußerten den Wunsch hierüber generell umfassender bzw. früher informiert zu werden. Ein hoher Informations- bzw. Unterstützungsbedarf wurde auch zum Prozess der Antragsstellung und beim Ausfüllen der Antragsformulare geäußert. Für die zukünftige Vermittlung von Informationen wurden unter den Rehabilitanden unterschiedliche Informationsquellen diskutiert wie z. B. schriftliche, papierbasierte Informationsmaterialien (z. B. Broschüre) oder eine Website. Einige der Rehabilitanden gaben an, dass sie sich insbesondere von ihren antragsunterstützenden Ärzten mehr und bessere Informationen wünschen. Eine eindeutige Präferenz für eine spezielle Informationsquelle konnte jedoch nicht identifiziert werden. Diskussion Unsere Studie hat bisher bereits einen hohen Informationsbedarf von Rehabilitanden zum Antragsverfahren, zu Behandlungsangeboten in der Reha und zu nachfolgenden Angeboten identifiziert, der mit den zurzeit gängigen Informationsmaterialien nur unzureichend befriedigt wird. Es existieren derzeit bereits Angebote, die diesen Bedarf teilweise decken könnten z. B. durch die Gemeinsamen Servicestellen oder die Website www.vor-derreha.de, die viele der angesprochenen Themen verständlich aufbereitet. Beide Angebote sind unter den Rehabilitanden jedoch kaum bekannt. Es würde sich daher anbieten, diese unter der Zielgruppe stärker zu verbreiten, so kann z. B. auf den Link der Website im Bewilligungsschreiben hingewiesen werden. Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick Zurzeit werden aus den Ergebnissen der Fokusgruppen die Inhalte für eine standardisierte Befragung generiert. Diese soll an je 200 Rehabilitanden der o. g. Indikationen erfolgen und ist für Anfang 2015 geplant. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund 190 Literatur Berkman, N.D., Sheridan, S.L., Donahue, K.E. et al. (2011): Health Literacy Interventions and Outcomes: An Updated Systematic Review. Evidence Report/Technology Assessment No. 199. (Prepared by RTI International – University of North Carolina Evidencebased Practice Center under contract No. 290-2007-10056-I. AHRQ Publication Number 11-E006. Rockville, MD. Agency for Healthcare Research and Quality). Höder, J., Deck, R. (2014): Vorbereitung auf die Reha: Auswirkungen leichtverständlicher Informationen. DRV-Schriften, Bd. 103. 231-233. Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz-Verlag. Walther, A.L., Pohontsch, N.J., Deck, R. (2014): Informationsbedarf zur medizinischen Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung – Ergebnisse eines Online-Surveys mit niedergelassenen Ärzten. Gesundheitswesen (EFirst). doi: 10.1055/s-0034-1377034. Ein Wegweiser für Migranten in die medizinische Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung Reissmann, L.-M. (1), Schwarz, B. (3), Markin, K. (2), Salman, R. (2), Gutenbrunner, C. (1) (1) Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, (2) Ethno-Medizinisches Zentrum e.V., Hannover, (3) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität Lübeck, Lübeck Hintergrund Trotz eines erhöhten Bedarfs nehmen Migranten die medizinische Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung seltener in Anspruch als Personen ohne Migrationshintergrund (Razum et al., 2009). Höhere Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie stärker chronifizierte Gesundheitsprobleme bei Reha-Antritt weisen zudem auf eine häufig verspätete Inanspruchnahme hin (Mösko et al., 2008). Im Rahmen des Projektes „MiMi-Reha: Implementierung und Evaluation eines Info-Angebotes für Migranten zur medizinischen Reha auf Basis der ‚MiMiKampagnentechnologie‛“ wurde der Frage nachgegangen, wie sich zuvor identifizierte Zugangsbarrieren für Migranten in die medizinische Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung (DRV) abbauen lassen. Studiendesign Zur Identifizierung der Zugangsbarrieren wurden 6 Fokusgruppen durchgeführt: Zwei deutschsprachige mit Migranten mit Reha-Erfahrung, jeweils eine deutsch-, eine russischund eine türkischsprachige mit Migranten ohne Reha-Erfahrung sowie eine mit Experten aus Praxis, Verwaltung und Politik. Die Fokusgruppen wurden leitfadengestützt moderiert, tonaufgezeichnet und anschließend transkribiert. An den durchschnittlich 90-minütigen Fokusgruppen nahmen 7–14 Personen teil. Die Auswertung erfolgte mittels induktiv-zusammenfassender qualitativer Inhaltsanalyse und wurde mithilfe der Software MAXQDA realisiert. Die Ergebnisse der Fokusgruppen wurden genutzt, um einen Wegweiser für Migranten zu erstellen. 191 Ergebnisse Identifiziert wurden Barrieren auf System- und Personenseite. Neben migrantenspezifischen waren darunter auch schicht- und geschlechtsspezifische Barrieren, die für Migranten aufgrund des Zusammenhangs von Migrations- und sozialem Status sowie gelebten Geschlechterrollen besonders relevant sind (Tucci et al. (2013); Wippermann (2009)). Treten einzelne Barrieren in Wechselwirkung, können sie sich zu Barrierekomplexen verdichten. Vier Komplexe wurden identifiziert: 1. Sprache, 2. Wissen, 3. Religion, Kultur, Milieu, 4. Diskriminierung. Diese wurden bei der Erstellung des Wegweisers „Die medizinische Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung: Hilfe bei chronischen Erkrankungen“ berücksichtigt. Der Wegweiser wird im Rahmen des Projektes ins Russische und Türkische übersetzt, erläutert den Ablauf einer medizinischen Rehabilitation und geht auf Fragen zur Religionsausübung während der medizinischen Rehabilitation ein. Diskussion Die Ergebnisse der Fokusgruppen zeigen einen Bedarf an kultursensiblen und mehrsprachigen Informationsmaterialien für Migranten, um bestehende Zugangsbarrieren in die medizinische Rehabilitation der GRV abzubauen. Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick Der erstellte Wegweiser orientiert sich an den identifizierten Zugangsbarrieren in die medizinische Rehabilitation der DRV und kann daher zu einer bedarfsadäquaten rehabilitativen Versorgung von Migranten beitragen. Der Wegweiser ist Teil eines im Rahmen des Projektes „MiMi-Reha“ entwickelten und derzeit laufenden Informationsangebotes zur medizinischen Rehabilitation für Migranten. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung Nord, Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz Literatur Mösko, M., Schneider, J., Koch, U., Schulz, H. (2008): Beeinflusst der türkische Migrationshintergrund das Behandlungsergebnis? Ergebnisse einer prospektiven Versorgungsstudie in der stationären Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Störungen. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 58. 176-182. Razum, O., Voigtländer, S., Brzoska, P., Reutin, B., Yilmaz, Y. (2009): Medizinische Rehabilitation für Personen mit Migrationshintergrund – Zwischenergebnisse eines Forschungsprojektes im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Gesundheitliche Versorgung von Personen mit Migrationshintergrund. Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 36-52. Tucci, I. (2013): Lebenssituation von Migranten und deren Nachkommen. In: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Statistisches Bundesamt. 198-204. Wippermann, C., Flaig, B.B. (2009): Lebenswelten von Migrantinnen und Migranten. Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 5. 3-11. 192 Reha-Team Kurzintervention zur Verbesserung der interprofessionellen Teamarbeit in der Rehabilitation – eine Prozessevaluation Körner, M. (1), Müller, C. (1), Becker, S. (1), Rundel, M. (2), Zimmermann, L. (3) (1) Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Freiburg, (2) Celenus Kliniken Offenburg, (3) Moving Concept, Freiburg Theoretischer Hintergrund Interprofessionelle Teamarbeit ist ein wesentliches Qualitäts- und Erfolgsmerkmal der Rehabilitation (Müller et al., 2014). Teamentwicklungsmaßnahmen können einen wesentlichen Beitrag leisten, um die Zusammenarbeit von Teams in der Organisation zu optimieren (Buljac-Samardzic et al., 2010). Während internationale Ansätze für Teaminterventionen insbesondere für den akuten und post-akuten Versorgungssektor weit verbreitet und evaluiert sind (Weaver et al., 2010), liegen für den rehabilitativen Versorgungssektor in Deutschland keine Konzepte vor (Körner et al., 2014). Im Rahmen der Studie „Patientenorientierte Teamentwicklung (PATENT)“ wurde eine Teamentwicklungsintervention konzeptualisiert. Nachfolgend werden erste Ergebnisse der Prozessevaluation vorgestellt. Methodik und Studiendesign Die Teamentwicklung wurde in 5 Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt. Sie erfolgte in Form einer Kurzzeitintervention im Zeitraum von März 2013 bis Juli 2014. In einem Abstand von 4 Wochen zum letzten Interventionstermin folgte die Prozessevaluation der Teamentwicklung. Als Messinstrument diente ein Fragebogen, der 7 modifizierte Items des „Maßnahmen-Erfolgs-Inventar [MEI] zur Bewertung von Trainings“ nach Kauffeld et al. 2009 und 15 eigen konstruierte Items umfasste. Zum einen wurden standardisierte Antwortkategorien (Item 1 bis 15 von 0 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 10 = „trifft völlig zu“; Item 15 bis 22 von 1 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu“) vorgegeben, zum anderen bestand die Möglichkeit, im Freitext Anregungen anzubringen. Um die Skalen für den Klinikvergleich in einheitlicher Skalierung vorliegen zu haben, wurden die Werte z-transformiert. Die Daten wurden deskriptiv sowie die Unterschiede zwischen den Kliniken inferenzstatistisch mittels IBMSPSS (Version 22) ausgewertet. Ergebnisse Insgesamt nahmen 91 Mitarbeiter teil, von denen 52 den Evaluationsbogen ausfüllten (Rücklauf 57 %). Die Items wurden anhand von 5 Skalen (A bis E) zusammengefasst. Sowohl die z-transformierten Werte wie auch die Klinikunterschiede sind in Tab. 1 dargestellt. Die Bewertungen der einzelnen Skalen unterscheiden sich signifikant im Klinikvergleich, d. h. es ist zwischen den Kliniken eine deutliche Streuung bei den gegebenen Antworten festzustellen. Im Freitextformat bewerteten Teilnehmer insbesondere die Moderation und das „strukturierte, zielgerichtete Vorgehen“ als sehr positiv. Die Kurzintervention wurde als praktikabel eingeschätzt und die von den Teilnehmern geäußerten Aspekte „Vorbildfunktion für 193 interkollegiale Kommunikation“, „Förderung zur Selbstentwicklung“ sowie der „ehrliche, offene Austausch im Rahmen der Intervention“ wurden positiv hervorgehoben. Skala A: Zufriedenheit mit der Intervention B: Persönliche Veränderung durch Intervention C: Effekte der Intervention D: Interdisziplinarität durch Intervention E: Nachhaltigkeit der Intervention Klinik 1 Klinik 2 N N M (SD) N M (SD) N M (SD) Klinik 3 Klinik 4 M (SD) Klinik 5 Gruppenunterschiede zwischen Kliniken N M F p (SD) (df, N) 11 0.75 (.60) 13 0.51 (.70) 11 -1.09 (.57) 8 0.28 (.62) 6 -0.85 F(4,49)=15.09 (.98) <.000 11 0.56 (1.0) 13 0.49 (.84) 11 -0.81 (.52) 9 -0.23 (1.03) 6 -0.56 (.87) <.001 0.78 12 (.76) 0.85 12 12 (1.03) 0.72 12 11 (1.20) 0.25 (.66) 0.10 (.68) 0.3 (.56) 13 9 10 9 -1.05 (.55) -0.86 (.56) -0.57 (.60) 7 8 8 0.21 (1.02) -0.06 (.79) -0.12 (.62) 6 5 6 F(4,50)=5.27 -0.86 F(4,47)=10.82 (.67) -0.48 F(4,47)=6.38 (1.08) -0.97 F(4,46)=5.64 (.98) <.000 <.000 <.001 Tab. 1: Die Skalen A–E im Klinikvergleich Diskussion Die Bewertungen der Teamentwicklung fallen über die Kliniken hinweg positiv aus. Die schlechteren Bewertungen von Klinik 3 und Klinik 5 lassen sich mithilfe der Angaben der Mitarbeiter im Freitext interpretieren. So wurde z. B. in Klinik 3 von bereits vorbestehenden Konflikten berichtet, die in den Befragungsergebnissen ihren Ausdruck fanden. Insgesamt kann die Intervention jedoch empfohlen werden. Sie ist 1. praktikabel sowie in unterschiedlichen Indikationsbereichen anwendbar und 2. weist sie auf Grundlage der dargestellten Ergebnisse eine weitgehende Akzeptanz auf. Schlussfolgerungen und Ausblick Für die nachhaltige Dissemination der Teamentwicklung sind eine Manualisierung des Interventionskonzeptes und Weiterbildungsveranstaltungen in Form von Train-the-Trainer-Konzepten geplant. Förderung: Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung. Literatur Buljac-Samardzic, M., Dekker-van Doorn, C.M., van Wijngaarden, J.D.H., van Wijk, K.P. (2010): Interventions to improve team effectiveness: A systematic review. Health Policy, 183-195. DOI:10.1016/j.healthpol.2009.09.015. Kauffeld, S., Brennecke, J., Strack, M. (2009): Erfolge sichtbar machen: das MaßnahmenErfolgs-Inventar [MEI] zur Bewertung von Trainings. In: Kauffeld, S., Grote, S., Frieling, E. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzentwicklung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. 55-78. Körner, M., Bütof, S., Müller, C., Zimmermann, L., Becker, S., Bengel, J. (2014): Interprofessional Teamwork and Team Interventions in Chronic Care: A Narrative Review. Journal of Interprofessional Care, submitted. Müller, C., Zimmermann, L., Körner, M. (2014): Förderfaktoren und Barrieren interprofessioneller Kooperation in Rehabilitationskliniken – Eine Befragung von Führungskräften. Die Rehabilitation. DOI: 10.1055/s-0034-1375639. 194 Optimierung der pflegerischen Patientenkontakte: Effekte eines Kommunikationstrainings für Pflegende in der Rehabilitation Dibbelt, S., Wulfert, E., Greitemann, B. Institut für Rehabilitationsforschung, Reha-Klinikum Bad Rothenfelde – Klinik Münsterland Hintergrund Kommunikative Aufgaben (wie das Erfragen der Patientendaten, Information, Schulung oder Beratung von Rehabilitanden) sind zentrale Aufgaben von Pflegende in der Rehabilitation. Für den Einsatz im Akutkrankenhaus ausgebildet, sind Pflegende auf die rehabilitationsspezifischen kommunikativen Aufgaben jedoch nur wenig vorbereitet (Hotze, 1997; Hotze, Winter, 2000). Das Ziel der Studie Optippar II war es daher, ein bedarfsgerechtes Kommunikationstraining für Pflegende zu entwickeln, durchzuführen und dieses zu evaluieren. Als Zielgrößen der Evaluation wurden Bewertungen der Aufnahmegespräche durch Pflegende und Rehabilitanden vor und nach dem Training mittels eines neu entwickelten Fragebogens erfasst. Methode Die Trainingsinhalte wurden in Abstimmung mit Pflegedienstleitern der 6 teilnehmenden Einrichtungen entwickelt. Das zweitägige Training wurde von professionellen Trainerinnen in den 6 Einrichtungen durchgeführt und hatte neben Grundlagen der Gesprächsführung die Optimierung der Aufnahmegespräche zum Gegenstand. Die Interaktionsqualität wurde mittels eines neu entwickelten Fragebogens (Gesprächs-Bewertungsbogen für Pflegende und Patienten – GBB) erhoben. Mit dem GBB bewerteten Pflegende und Patienten die affektive, informative und partizipative Qualität der gemeinsamen Gespräche bei Aufnahme jeweils vor und nach der Durchführung des Interaktionstrainings. Die 22 Items des GBB, die teils Verhaltensbeschreibungen der Pflegenden, teils affektive Aspekte (wie „Vertrauen“ und „Wohlfühlen im Kontakt“) erfassten, wurden zu zwei Qualitätsindexen für die Interaktion – „Kommunikationsförderer“ und „Kommunikationsstörer“ – zusammengefasst. Die Mittelwerte der Indexe jeweils vor und nach Training wurden mittels Wilcoxon-Test für abhängige Stichproben verglichen. Die Daten aus zwei teilnehmenden Einrichtungen konnten bislang ausgewertet werden. Ergebnisse In Klinik 1 gingen 158 Gesprächsbewertungen vor und 151 Gesprächsbewertungen nach dem Training in die Analyse ein. In Klinik 2 waren es vor dem Training 104 Gesprächsbewertungen und nach dem Training 25 Gesprächsbewertungen, d. h. in dieser Einrichtung unterschieden sich die Fallzahlen vor und nach Training erheblich. In beiden Kliniken wurden die Kommunikationsförderer durch die Pflegenden nach dem Training als ausgeprägter beurteilt als vor dem Training. Die Indexe der Rehabilitanden unterschieden sich in beiden Kliniken zu den beiden Messzeitpunkten nicht. Diskussion Damit zeigt sich ein positiver Effekt des Kommunikationstrainings in 2 von 6 teilnehmenden Kliniken. Die Kommunikationsförderer waren aus Sicht der Pflegenden nach dem Training 195 ausgeprägter als vor dem Training. Kommunikationsstörer dagegen wurden durch das Training offenbar nicht reduziert. Auch zeigten sich keine Unterschiede in den Bewertungen der Rehabilitanden vor und nach dem Training. In dem Beitrag werden die Ergebnisse aller 6 Interventionskliniken dargestellt sowie eine abschließende Bewertung der Intervention vorgenommen. Schlussfolgerung Ein Kommunikationstraining für Pflegende führt zu einer besseren Bewertung der Aufnahmegespräche aus Sicht der Pflegenden. Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung Norderney e. V. Literatur Hotze, E. (1997): Pflege in der medizinischen Rehabilitation. Frankfurt: Mabuse Verlag, Wissenschaft 38. Hotze, E., Winter, C. (2000): Pflege in der Rehabilitation. In: B. Rennen-Allhoff & D. Schaeffer (Hrsg.), Handbuch Pflegewissenschaft. Weinheim, München: Juventa Verlag. 555-590. Materialien zur Reha-Zielarbeit aus medizinischen Reha-Einrichtungen in Deutschland – Strukturierung eines Praxisfeldes Bredehorst, M. (1), Dibbelt, S. (1), Quaschning, K. (2), Farin-Glattacker, E. (2), Glattacker, M. (2), Greitemann, B. (2) (1) Institut für Rehabilitationsforschung, Rehaklinikum Bad Rothenfelde – Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde, (2) Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg Hintergrund Reha-Ziele, die individuell mit Rehabilitanden vereinbart werden, sollen sowohl deren Gesundheitsverhalten als auch die Behandlungsmaßnahmen innerhalb der Reha-Einrichtung steuern. Einheitliche Verfahren der Reha-Zielarbeit haben sich bisher nicht durchgesetzt und sind angesichts der Heterogenität von Zielgruppen und Akteuren kaum zu erwarten (Siegert, Levack, 2014). Rahmenkonzepte und Leitfäden bilden jedoch die Grundlage für eine inhaltliche Strukturierung dieses Praxisfeldes (Lueger, 2010). Als zu verwirklichende Prinzipien der Reha-Zielarbeit in der medizinischen Rehabilitation finden sich die Patienten- bzw. Teilhabeorientierung, die Prozessorientierung und die Teamorientierung (z. B. DRV Bund, 2009; BAR, 2008). Im Rahmen der Entwicklung eines „Arbeitsbuches Reha-Ziele“ (online verfügbar unter www.reha-ziele.de) wurden im Auftrag der DRV Bund bundesweit Materialien erhoben, die in medizinischen Reha-Einrichtungen zur Vereinbarung und Bearbeitung von Reha-Zielen eingesetzt werden. Im vorliegenden Beitrag werden die abschließenden Auswertungsergebnisse zu diesen Materialien nach deren Funktionen und Inhalten vorgestellt. Methodik Die Materialien zur Reha-Zielarbeit wurden mittels postalischer Befragung von 1.502 RehaEinrichtungen bzw. Fachabteilungen aller Indikationsbereiche erhoben. 17,4 % (n=261) die196 ser Einrichtungen sendeten durchschnittlich n=2,2 schriftliche Dokumente pro Einrichtung ein. Zur Systematisierung des Rücklaufes wurden 8 Dokumentenkategorien (u. a. Zielvereinbarungsformulare, Konzepte) entwickelt (vgl. Bredehorst et al., 2014). Eine weitergehende inhaltliche Auswertung erfolgte anhand von insgesamt 35 Bewertungskriterien, die auf der Literatur und Rückmeldungen eines Projektbeirates (Reha-PraktikerInnen, WissenschaftlerInnen, VertreterInnen von RehabilitandInnen) basierten. Aus n=576 Dokumenten wurden nur diejenigen eingeschlossen, die potenziell als Beispielmaterialien für das Arbeitsbuch geeignet erschienen (65,1 %; n=375). Der Erfüllungsgrad dieser Kriterien wurde jeweils auf 4er-Skalen bewertet, die hier jedoch als binäre Variablen (Codierung ja/nein) dargestellt werden. Diese Auswertungen mit der Software MAXQDA 10 dienen einerseits als Grundlage für die Entwicklung einer Typologie von Dokumentenfunktionen, andererseits einem Abgleich von Anspruch und Wirklichkeit der Reha-Zielarbeit. Ergebnisse Die 7 Bewertungskriterien in Tab. 1 erhielten vom Projektbeirat die höchsten Gewichtungen und bilden daher den Auswertungsfokus. Sie lassen sich den o. g. 3 Prinzipien zuordnen. Die beiden rechten Spalten geben die Häufigkeit der Erfüllung des Kriteriums sowie seinen dementsprechenden Rang unter allen Kriterien wieder. Der Medianwert liegt bei n=69,5 Codierungen. Prinzip der RehaZielarbeit Bewertungskriterium Häufigkeit der Codierung (ncod) Rang (aus 30)* nach ncod Patienten- bzw. Teilhabeorientierung Gemeinsame Vereinbarung 264 1 Relevanz für Rehabilitanden 199 Prozessorientierung Teamorientierung 3 Therapieplanung auf Basis der Reha-Ziele 99 10 Bewertung bei Reha-Ende 11 94 Besprechung von Nachsorge-Zielen 59 16 Dokumentation für das Team 77 12 Beteiligung des Reha-Teams 75 13 Anm.: Unter den 35 Kriterien waren 5 jeweils gleichrangig Tab.1: Häufigkeit der Kriterienerfüllung in ausgewerteten Dokumenten (n=375) Eine Betrachtung nach den 8 Dokumentenkategorien verdeutlicht die unterschiedlichen Funktionen der Dokumente. In der direkten Interaktion mit Rehabilitanden eingesetzte Dokumente (Zielbefragung, Zielvereinbarungsformulare, Zielauswahllisten, Schulungsmaterial) erreichen Maximalwerte im Bereich Patientenorientierung. Dokumente, die der internen wie externen Kommunikation von Reha-Einrichtungen dienen (Prozessdokumentation, Qualitätsmanagement-Manuale, Konzepte, Anschreiben), weisen über alle 3 Bereiche vergleichbare Werte auf. Welche genaueren Funktionen die Dokumente idealtypischerweise erfüllen, wird im Vortrag dargestellt. Diskussion Die Bedeutung, die der Projektbeirat den 7 Kriterien beigemessen hat, spiegelt sich in den empirischen Befunden wider, da fast alle über dem Median liegen. Gleichzeitig werden ausbaufähige Aspekte deutlich, insbesondere Teamarbeit und Nachsorge-Ziele. Die Auswer197 tung anhand einer kleinen Zahl von binären Variablen erhebt nicht den Anspruch exakter Messung, sondern ist als Teil eines Mixed-Methods-Ansatzes (quantitativ und qualitativ) zu verstehen. Ziel der entwickelten Typologie ist es, die inhaltliche Strukturierung der vorgefundenen Praxis wiederzugeben und konkrete Umsetzungsoptionen der Reha-Zielarbeit aufzuzeigen. Schlussfolgerung Schriftliche Dokumente können die Funktionen der Reha-Zielarbeit, also Steuerung des Gesundheitsverhaltens und der Behandlungsmaßnahmen, systematisch unterstützen. Literatur BAR (2008): ICF-Praxisleitfaden 2. Trägerübergreifende Informationen und Anregungen für die praktische Nutzung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen. Frankfurt: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. URL: http://www.bar-frankfurt.de/ fileadmin/dateiliste/publikationen/icf-praxisleitfaeden/downloads/ICF2.pdf. Abruf: 23.10.2014. Bredehorst, M., Dibbelt, S., Quaschning, K., Glattacker, M., Greitemann, B. (2014): Zielvereinbarung und Zielarbeit mit RehabilitandInnen – Strukturdatenanalyse von Konzepten und Materialien aus Reha-Einrichtungen in Deutschland. DRV-Schriften, Bd. 103. 233-235. Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung (3. Aufl.). URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Infos_fuer_Experten/01_sozialmedizin_for schung/ downloads/konzepte_systemfragen/konzepte/rahmenkonzept_medizinische_reha.html. Abruf: 23.10.2014. Siegert, R.J., Levack, W.M.M. (2014): Rehabilitation Goal Setting: Theory, Practice and Evidence. London: CRC Press Lueger, M. (2010): Formale Kontextinformationen: Strukturdatenanalyse. In: Lueger, M. (Hrsg.): Interpretative Sozialforschung. Die Methoden. Wien: Facultas. 226-251. Organisationales Commitment und seine Bedeutung im Reha-Prozess Kockert, S., Schott, T. Zentrum für Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaften, Universität Bielefeld Hintergrund Aus organisations- und gesundheitswissenschaftlicher Perspektive reichen Maßnahmen der Teamentwicklung oder Kommunikationstrainings alleine nicht aus, um berufsgruppenübergreifende Barrieren im Reha-Prozess zu überwinden. Entscheidend ist die intrinsische Motivation der Beschäftigten, sich gemeinschaftlich für die Ziele der Organisation einsetzen und nach diesen handeln zu wollen. In der Organisationsforschung wird dieser Sachverhalt mit dem „organisationalen Commitment“ umschrieben, das wörtlich mit „Bindung“ zu übersetzen ist; populär gewordene Arbeiten stammen bereits aus den 70er- und 80er-Jahren (z. B. Mowday et al., 1974; Mowday et al., 1982). Bis heute zeigen empirische Untersuchun198 gen, dass ein starkes Commitment mit einer höheren Arbeitsbereitschaft der Beschäftigten und letztlich mit einer gesteigerten Leistungsfähigkeit der Organisation einhergeht (Brown et al., 2011; Conway & Briner, 2012). Vor diesem Hintergrund ist die These aufzustellen, dass Reha-Einrichtungen, die eine hohe „Bindekraft“ auf ihre Beschäftigten haben, erfolgreicher in der Erreichung normativer Ziele sind. Letztere finden z. B. Ausdruck in einer von den Rehabilitanden wahrgenommenen klinischen Empathie und nachhaltigen patientenseitigen Verhaltensänderungen. Das Konzept der KoProduzententhese dient dabei als weiterführender Erklärungsansatz (Gross, Badura, 1977; Gross, 1983). Ein hohes Maß an Commitment gewinnt für Reha-Einrichtungen in Zeiten sich verändernder Herausforderungen, wie z. B. einem steigenden erwerbswirtschaftlichen Druck oder aber einer erschwerten Akquise qualifizierter Mitarbeiter, zunehmend an Bedeutung. Methodik Im Rahmen einer Sekundärdatenanalyse werden eigens erhobene Daten einer schriftlichen Organisationsdiagnostik aus dem Jahre 2013 und Daten der Rehabilitandenbefragung der Qualitätssicherung der DRV zueinander in Bezug gesetzt. Die Analysen beziehen sich auf 7.923 Rehabilitanden 18 orthopädischer sowie kardiologischer Fachabteilungen. Mittels Zwei-Ebenen-Regressionsanalysen in HLM wurde der Einfluss von personenbezogenen Merkmalen, sozialmedizinischen Risikofaktoren und des Commitments der Abteilungsebene auf die von den Rehabilitanden bewertete klinische Empathie (Cronbach’s α = .85) sowie die durch die Maßnahme erreichte Veränderung der Leistungsfähigkeit im Alltag und in der Freizeit modelliert. Letztgenannter Indikator wird unter Berücksichtigung des von den Rehabilitanden retrospektiv beurteilten Eingangsstatus als normativer Erfolg definiert. Zur Abbildung des abteilungsbezogenen Commitments (Cronbach’s α = .75) wurden Angaben aller Mitarbeiter aus der Organisationsdiagnostik einbezogen, die angaben, an der Versorgung beteiligt zu sein (nMitarbeiter = 755). Ergebnisse Die Varianz der klinischen Empathie (nRehabilitanden = 5.881) kann bis zu 4 % mit Merkmalen der Abteilung erklärt werden; für das Outcome Leistungsfähigkeit liegt der Anteil bei 5,6 % (nRehabilitanden = 5.339). In der zugrunde liegenden Stichprobe sind die abteilungsbezogenen Unterschiede der Outcome-Merkmale folglich verhältnismäßig gering. 17 % der abteilungsbezogenen Varianz der klinischen Empathie geht auf die unterschiedliche Rehabilitandenklientel einer Abteilung zurück. Durch Einbezug des organisationalen Commitments erhöht sich der erklärte Varianzanteil auf Level 2 auf insgesamt 38 %, was darauf hindeutet, dass die organisationale Bindung der Mitarbeiter als zentraler Prädiktor klinischer Empathie im Reha-Prozess zu verstehen ist. Kontrolliert für personenbezogene Merkmale und sozialmedizinische Risikofaktoren hat das abteilungsbezogene Commitment ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die Chance der Rehabilitanden, eine Veränderung der alltäglichen Leistungsfähigkeit zu erreichen (OR=1.58, 95 %-KI=1.00; 2.49); Nagelkerkes R2 verbessert sich durch Einbezug des Commitments von 0,059 auf 0,061. Modelle zur Vorhersage des organisationalen Commitments weisen aus, dass die Bindung an die Organisation im Wesentlichen von dem Vorhandensein eines gemeinsam geteilten Wertesystems und einem generalisierten Vertrauen in der Organisation abhängt. Eine sol- 199 che Versorgungskultur zeigt jedoch einrichtungsübergreifend einen deutlichen Entwicklungsbedarf. Diskussion und Ausblick Die Sekundärdatenanalyse bestätigt die zentralen Erkenntnisse der bereits abgeschlossenen LORE-Studie, indem statistisch abzusichernde Zusammenhänge zwischen patientenseitigen Outcome-Merkmalen und dem organisationalen Handeln wiederum gezeigt werden können. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass eine Sicherstellung guter und sinnstiftender Arbeits- und Versorgungsbedingungen immer auch einen positiven Einfluss auf die Rehabilitanden hat. Eine gesundheitspolitisch zu forcierende Strategieentwicklung ist folglich aus unterschiedlicher Perspektive zu befürworten. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Brown, S., McHardy, J., McNabb, R., Taylor, K. (2011): Workplace Performance, Workers Commitment, And Loyality. Journal of Economics & Management Strategy, 20. 925-955. Conway, N., Briner, R.B. (2012): Investigating the effect of collective organizational commitment on unit-level performance and absence. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 85. 472-486. Gross, P., Badura, B. (1977): Sozialpolitik und soziale Dienste: Entwurf einer Theorie personenbezogener Dienstleistungen. In: von Ferber, C., Kaufmann, F.-X. (Hrsg.): Soziologie und Sozialpolitik. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 361-385. Gross, P. (1983): Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft. Soziale Befreiung oder Sozialherrschaft? Opladen: Westdt. Verlag. Mowday, R., Porter, L.W., Dubin, R. (1974): Unit performance, situational factors, and employee attitudes in spatially separated work units. Organizational Behavior and Human Performance, 12. 27-36. Mowday, R.T., Porter, L.W., Steers, R.M. (1982): Employee-organization linkages. The psychology of commitment, absenteeism, and turnover. New York: Academic Press. Erfahrungen von Medizinerinnen und Medizinern mit Migrationshintergrund in der stationären medizinischen Rehabilitation (EMMI-R) Artzt, M.-L., Stamer, M., Meyer, T. Medizinische Hochschule Hannover, Forschungsbereich Integrative Rehabilitationsforschung, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Hintergrund Medizinische Einrichtungen in Deutschland haben zunehmend Schwierigkeiten ihre ärztlichen Stellen zu besetzen. Dies kann mit einer zu geringen Anzahl (Kopetsch, 2011) oder aber einer ungünstigen Verteilung von Ärzten/innen (Klose, Rehbein, 2011; Klose et al., 2003) zusammenhängen. Es ist denkbar, dass der Bereich der stationären medizinischen Rehabilitation aufgrund z. B. der Lage der Einrichtung für Ärzte/innen weniger attraktiv erscheint und daher dort ein expliziter Bedarf an Mediziner/innen besteht. Eine Möglichkeit 200 dem Mangel zu begegnen, besteht in der zunehmenden Anwerbung und Einstellung ausländischer Ärzte/innen. Allerdings liegen bislang keine systematischen Studien zur Situation ausländischer Mediziner/innen in Reha-Einrichtungen vor. Im Rahmen des EMMI-R-Projekts ist Ärzten/innen mit Migrationshintergrund ermöglicht worden, über ihre Erfahrungen im Arbeitsalltag von Reha-Einrichtungen zu sprechen. Ziel des Projektes war es, neben möglichen Problemen auch Potentiale für eine Bereicherung der Reha-Praxis durch Ärzte/ innen mit Migrationshintergrund herauszuarbeiten und Ansatzpunkte für mögliche Unterstützungsmaßnahmen zu beschreiben. Methodik Bei diesem Projekt handelt es sich um eine qualitative Pilotstudie. Im Rahmen von leitfadengestützten Interviews (Flick, 2007) wurden 3 Ärzte und 7 Ärztinnen mit Migrationshintergrund differenter Fachgebiete in Ost- und Westdeutschland zu ihren Erfahrungen und Wünschen in der stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtung befragt. Die Auswertung der Interviews erfolgte zusammenfassend inhaltsanalytisch (Mayring, 2010). Ergebnisse Die verschiedenen Erfahrungen der Ärzte/innen mit Migrationshintergrund wurden in folgende 5 Hauptkategorien unterteilt: interdisziplinäre Zusammenarbeit, intradisziplinäre Zusammenarbeit, Interaktion Arzt/Ärztin-Rehabilitand/in, erlebte Unterstützung sowie Wünsche. Im Bereich der inter- und intradisziplinären Zusammenarbeit sowie der Interaktion von Ärzten/innen und Rehabilitanden/innen wurden Erfahrungen geschildert, bei der die Herkunft der Ärzte/innen förderlich, hinderlich sowie unbedeutend im Arbeitsalltag erlebt wird. Deutlich wird, dass gelingende Arbeitsabläufe und -prozesse zwischen Ärzten/innen mit Migrationshintergrund und ihren deutschen Kollegen sowie der Kontakt zu den Rehabilitanden/innen von der Haltung der Einzelnen abhängen bzw. von der Passung der unterschiedlichen Haltungen. So können unterschiedliche Rollenverständnisse und die Befürchtung herkunftsbedingter Voreingenommenheiten zu schwierigen Situationen zwischen Ärzten/innen mit Migrationshintergrund und Rehabilitand/innen führen. Im persönlichen Kontakt mit Rehabilitanden/innen kann die Herkunft ein potentieller Anknüpfungspunkt sein oder auch zur Konfrontation mit Voreingenommenheiten und Vorurteilen führen. Die Sprachenvielfalt wird von den Interviewten als Ressource, aber auch als besondere Herausforderung und Schwierigkeit in der Interaktion erlebt. Unterstützung erleben die Interviewten auf persönlicher Ebene durch Kollegen/innen, Vorgesetzte und/oder das Team als Ganzes. Auf struktureller Ebene wurden beispielsweise Arbeitsanweisungen, Sprachbausteine sowie Fort- und Weiterbildungen unterstützend wahrgenommen. Die geäußerten Wünsche lassen sich in herkunftsunabhängige (z. B. familienfreundliche Arbeitsbedingungen) und herkunftsabhängige Wünsche (z. B. Wunsch nach mehr Verständnis für sprachliche Belastungen, feste Ansprechpartner/innen, umfassendere Einarbeitungszeiten) unterteilen. Diskussion und Schlussfolgerung Aus den Erfahrungen lässt sich ein Spannungsfeld erkennen, bei dem sich die Befragten zwischen dem Bedürfnis nach sogenannter Normalität und Unterstützung im Arbeitsalltag 201 bewegen. Im Hinblick auf Probleme im Arbeitsalltag und ärztlichem Selbstverständnisses ist es schwierig zu erkennen, inwieweit die Schwierigkeiten und/oder Unterschiede mit der unterschiedlich erlebten (ärztlichen) Sozialisation oder mit anderen herkunftsunabhängige Aspekten zusammenhängen. Ausblick Um das Verständnis der Situation von Ärzten/innen mit Migrationshintergrund in stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtungen sowie die Entwicklung weiterführender Unterstützungsmöglichkeiten weiter vertiefen zu können, wird zum einen auf Grundlage des Interviewmaterials ein quantitativer Fragebogen für eine repräsentative Befragung entwickelt. Zum anderen soll die bisherige Stichprobe erweitert werden und weitere Mitarbeiter/innengruppen aus dem Reha-Team befragt werden. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Flick, U. (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag. Klose, J., Uhlemann, T., Gutschmidt, S. (2003): Ärztemangel – Ärzteschwemme? Auswirkungen der Altersstruktur von Ärzten auf die vertragsärztliche Versorgung. Berlin: WIdOMaterialien 48. Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO). Klose, J., Rehbein, I. (Hrsg.) (2011): Ärzteatlas 2011 – Daten zur Versorgungsdichte von Vertragsärzten. Berlin: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO). Kopetsch, T. (2011): Ambulante Versorgung. Zu wenig Hausärzte. Deutsches Ärzteblatt, 41. 16. Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (11. Aufl.). Weinheim und Basel: Beltz Verlag. Formative Evaluation des Fortbildungscurriculums „Fachspezifische Beiträge zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung" Hoppe, A., Schwabe, M., Worringen, U. Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund und Fragestellung Um am Ende einer medizinischen Rehabilitation alle Aspekte der funktionellen Fähigkeit und Teilhabefähigkeit fundiert beurteilen zu können, bedarf es einer engen fachlichen Zusammenarbeit im multidisziplinären Reha-Team. In die sozialmedizinische Beurteilung müssen hierfür die Leistungseinschätzungen aller Therapeuten des Reha-Teams einbezogen werden. Damit die verschiedenen therapeutischen Berufsgruppen entsprechend qualifiziert werden, hat die DRV Bund eine sozialmedizinische Fortbildung für Ergotherapeuten, Physiotherapeuten/Sportlehrer und Psychologen entwickelt. Die Fortbildung besteht aus 3 Modulen. Diese beinhaltet im 1. Modul sozialmedizinische Grundlagen, im 2. Modul fachspezifische Aspekte der jeweiligen Berufsgruppe und im 3. Modul die Kommunikation sozial- 202 medizinischer Befunde im Reha-Team. Das Curriculum wurde von Sozialmedizinern und Psychologen der DRV Bund und Praktikern der jeweiligen Profession entwickelt und durchgeführt. Bei der formativen Evaluation wurde die Zufriedenheit der Teilnehmer erfasst und der Nutzen für die klinische Praxis erhoben. Methodik Die formative Evaluation erfolgte zu 4 Messzeitpunkten (t1–t3 jeweils direkt nach der Fortbildungsveranstaltung; t4 ein halbes Jahr nach Abschluss des letzten Moduls). Alle Teilnehmer, die im Jahr 2013 an mindestens einem Modul teilgenommen haben, wurden in die Befragung einbezogen (n=96). Zu den Messzeitpunkten t1, t2 und t3 wurde der Evaluationsbogen der Bildungsabteilung der DRV Bund verwendet, dessen Bewertungskriterien Organisation, Struktur, Medieneinsatz, Inhalte, Didaktik sowie Qualifikation der Dozenten erfassten. Des Weiteren wurde der berufliche Nutzen des Gelernten erfragt. Die Bewertungskriterien in der Nachbefragung (t4) erfassten Verständlichkeit, Nützlichkeit und Umfang der Fortbildungsinhalte. Außerdem gaben die Teilnehmer Rückmeldungen, ob die Erarbeitung der Inhalte zu abstrakt oder anwendungsorientiert erfolgte. Zu allen Messzeitpunkten bestand die Möglichkeit, im Freitext Kommentare zu formulieren. Die Auswertung wurde berufsgruppenbezogen vorgenommen und erfolgte getrennt für die einzelnen Module. Ergebnisse Zu t1 lagen von 69 Teilnehmern (Rücklauf (RL) 89,6 %), zu t2 von 24 Psychologen, 20 Bewegungstherapeuten und 25 Ergotherapeuten (RL 80–100 %), zu t3 von 43 Teilnehmern (RL 79,6 %) und zu t4 von 51 Teilnehmern (RL 53,1 %) Fragebögen vor. Direkt nach den Veranstaltungen (t1, t2, t3) waren die Teilnehmer (TN) sehr zufrieden mit der Organisation und dem Medieneinsatz. Zu den Messzeitpunkten t1 und t2 bedauerten 5–17 % der TN, dass zu wenig Möglichkeit zum Üben vorhanden war. Zu t2 kritisierten 10–16 % der TN, dass die Zielsetzungen nicht klar definiert und Inhalte nicht übersichtlich gegliedert waren. Zu t3 gaben die TN eine hohe Zufriedenheit in allen erhobenen Bewertungskriterien an. In den freien Kommentaren wurden für t1 der strukturelle Aufbau und der Praxisbezug und für t2 die Möglichkeit zum fachlichen Austausch positiv hervorgehoben. Zu t1 und t2 wurde das Fehlen von Fallbeispielen aus einzelnen Indikationen und die geringe Zeit für weiterführende Diskussionen angemerkt. Die Einbindung der Berufsgruppe der Sozialarbeiter in das Fortbildungscurriculum wurde gewünscht. In der Nachbefragung (t4) wird die Fortbildungsreihe von den TN insgesamt als gut bis sehr gut bewertet. Die Seminarinhalte können genutzt und in der klinischen Praxis umgesetzt werden. Vermisst wurde eine intensivere Fallarbeit und fachspezifische Befundung. Die Inhalte des Moduls 1 werden auch rückblickend von der Mehrzahl der TN als verständlich (65,9–85,7 %) und nützlich (58,5–75,6 %) bewertet. Den Umfang der vermittelten Inhalte zu den Themen Fallarbeit (50 %) und ICF (41 %) beurteilten viele TN als zu gering. Für Modul 2 gaben die Psychologen an, dass die fachbezogenen Inhalte grundsätzlich anwendungsorientiert vermittelt wurden und nützlich seien. Die Gewichtung des Themas „Rollenverständnis: Therapeut-Gutachter“ wurde von 55,6 % als zu gering bewertet. 203 Knapp zweidrittel der Bewegungstherapeuten (62,5 %) beurteilten die Umsetzung des Themas „Fachspezifische Assessments“ als zu theoretisch bzw. als zu wenig gewichtet (60 %) und damit weniger nützlich („teils-teils“ 53,3 %). Praxisnah und anwendungsorientiert wurden die Themen „Entlassungsbericht als sozialmedizinisches Gutachten“ (78,6 %) und „Rollenverständnis“ (85,7 %) bewertet. Die Ergotherapeuten waren mit der Gewichtung ihrer Seminarinhalte zufrieden und beurteilten diese als nützlich. Für 3 Themen („Fachspezifische Assessments“ 35,7 %, „Beschwerdenvalidierung“ 27,3 %, „Funktionsdiagnosen“ 54,5 %) wurde die Vermittlung als zu theoretisch eingeschätzt. Die Seminarinhalte des Moduls 3 wurden als nützlich (70–83,3 %), im Umfang genau richtig (57,1–66,7 %) und anwendungsorientiert (78,6–96,4 %) bewertet. Diskussion und Ausblick Die Befragungsergebnisse weisen eine hohe Zufriedenheit mit den Fortbildungsinhalten und deren Umsetzung auf. Die übergreifenden Lehrziele des interdisziplinär ausgerichteten Fortbildungsprogramms konnten grundsätzlich gut erreicht werden. Die didaktischen Methoden zur Vermittlung der als zu theoretisch empfundenen Seminarinhalte konnten bereits für das Fortbildungsangebot im Jahr 2014 praxisorientierter gestaltet werden. Um darüber hinaus dem praxisorientierten Fachaustausch einen größeren Stellenwert einzuräumen, wurden die Fortbildungsveranstaltungen von 8 auf 10 Unterrichtseinheiten ausgeweitet. Zudem wurde das Fortbildungskonzept um Inhalte für die Berufsgruppe der Sozialarbeiter erweitert. Die Rückmeldung, dass mehr Fallbeispiele aus verschiedenen Indikationsbereichen der medizinischen Rehabilitation in das Curriculum einbezogen werden sollten, führte zu der Überlegung einer indikationsbezogenen Ausdifferenzierung des Fortbildungsangebots. Die Planungen diesbezüglich sind noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse der formativen Evaluation fanden Eingang in die Erstellung des Fortbildungsmanuals. Das Manual soll zukünftig der Einarbeitung neuer Referenten und zur weiteren Dissemination des Fortbildungskonzepts dienen. Literatur Hoppe, A., Derra, C., Kalwa, M., Brüggemann, S., Horn, S., Pech, G., Steinau, M., Niehaus, A., Haustein, L., Nagel, C., Ostholt-Corsten, M., Worringen, U. (in Druck): Curriculum Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung im Reha-Team. Manual. DRV Bund, Berlin. 204 Psychische Komorbidität in der Rehabilitation Psychische Belastungen zu Beginn und am Ende der Reha-Maßnahme in einer orthopädisch-rheumatologischen Rehabilitationsklinik: Vollerhebungen in den Jahren 2009 bis 2014 Schlittenhardt, D. (1), Gerdes, N. (1, 2), Hauptvogel, D. (1), Knüttel, U. (1), Schiel, A. (1), Schniz, E. (1), Wild, J. (1) (1) RehaKlinikum Bad Säckingen, (2) Hochrhein-Institut am RehaKlinikum Bad Säckingen Hintergrund Das Leitthema des Reha-Kolloquiums 2015 hat uns veranlasst, die umfangreichen Daten, die im RehaKlinikum Bad Säckingen (RKBS) aus den Patientenbefragungen der letzten sechs Jahre vorliegen, unter folgenden Fragestellungen zu analysieren: ‒ Zeigen sich im RKBS ähnliche Prävalenzmuster psychischer Belastungen wie in den vorliegenden Untersuchungen aus orthopädischen Reha-Kliniken? ‒ Gibt es bei den psychischen Eingangsbelastungen systematische Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie zwischen den Altersgruppen? ‒ Zeigt sich in den Jahren 2009 bis 2014 ein Trend zur Zunahme psychischer Belastungen? ‒ Welche Veränderungen des psychischen Befindens zeigen sich am Ende einer ‚normalen‛ orthopädischen Rehabilitation? Material und Methoden Im RKBS wird seit Mitte 2008 routinemäßig bei allen Patienten kurz vor Reha-Beginn und zum Reha-Ende der Patientenfragebogen „Indikatoren des Reha-Status“ (IRES-3; Bührlen, Gerdes, Jäckel, 2005) erhoben. Der Fragebogen erfasst mit 144 Einzelitems die Bereiche „Symptome Muskuloskeletales und Herz-Kreislauf-System“, „Schmerzen“, „Aktivitäten im Alltag“, „Funktionsfähigkeit im Beruf“, „Psychisches Befinden, „Soziale Integration“, „Gesundheitsverhalten“ und „Krankheitsbewältigung“ sowie demographische Angaben. Die Daten werden in der Klinik zeitnah in das Programm IRES-online eingegeben und automatisch zu einem „Patientenprofil“ ausgewertet, das meistens bereits zur Aufnahmeuntersuchung vorliegt und – gewissermaßen als „Laborflöte für den subjektiven Bereich“ – vor allem dazu dient, die Selbsteinschätzung der Patienten systematisch in die Eingangsdiagnostik einzubeziehen. Der Bereich des „Psychischen Befindens“ enthält die Skalen „Depressivität“, „Ängstlichkeit“, „vitale Erschöpfung (burn-out)“ und „Selbstwertgefühl“. Über einen Vergleich mit der Normstichprobe des IRES (repräsentativ für die Bevölkerung von 30–70 Jahren) können alle Skalen den folgenden Schweregraden zugeordnet werden: Skalenwerte >25. Perzentil in der Normstichprobe werden als „unauffällig“, 11.−25. Perzentil als „auffällig; 2.−10. Perzentil als „sehr auffällig“ und <2. Perzentil als „extrem auffällig“ interpretiert. In der normalen Bevölkerung liegen damit nur die „schlechtesten“ 2 % im Bereich „extrem auffälliger“ Werte. 205 Den folgenden Auswertungen liegen die IRES-Daten des RKBS aus dem Zeitraum Januar 2009 bis September 2014 zugrunde. Die Daten stellen praktisch eine Vollerhebung aller Patienten des RKBS in diesem Zeitraum dar und repräsentieren insgesamt 15.763 Patienten. Ergebnisse Eingangsbelastungen: Zu Reha-Beginn wiesen insgesamt 31,1 % der Patienten (Männer 22,9 %; Frauen 42,6 %) im Summenscore „Psychisches Befinden“ Belastungen auf, die als „extrem auffällig“ einzustufen sind; weitere 27,4 % (Männer 28,1 %; Frauen 26,5 %) waren dem Schweregrad „sehr auffällig“ zuzuordnen. Bei den Männern lagen demnach etwa die Hälfte und bei den Frauen sogar zwei Drittel in einem Belastungsbereich, der in der normalen Bevölkerung maximal bei 10 % vorkommt. Bei den Einzelskalen zeigte die Skala „vitale Erschöpfung“ die höchsten (ähnlich wie der Summenscore) und die Skala „Selbstwertgefühl“ die niedrigsten Eingangsbelastungen (Männer = 31,7 % und Frauen = 37,8 % mit „extrem“ bzw. „sehr auffälligen“ Werten). Zwischen den Geschlechtern zeigten sich bei den Frauen auf dem Summenscore und allen Einzelskalen des psychischen Befindens hochsignifikant höhere Eingangsbelastungen als bei den Männern (p<.001). In Bezug auf das Alter ergab sich für den Summenscore eine Uförmige Verteilung: Von den Patienten unter 30 Jahren (MW=6,05) sank der Mittelwert stetig bis zu den 59-Jährigen (MW=5,35) ab, um dann wieder anzusteigen auf bis zu 6,24 bei den über 69-Jährigen. Im Verlauf der Jahre 2009 bis 2014 wiesen die Mittelwerte des Summenscores in der Gesamtstichprobe eine leicht ansteigende Tendenz auf, die – entgegen den Erwartungen – eine Abnahme der Belastungen bedeutet, aber mit einem Minimum von 5,39 (2009) und einem Maximum von 5,53 (2014) nur sehr gering ausgeprägt war. Veränderungen bei Reha-Ende: Zu Reha-Ende zeigten sich auf dem Summenscore und allen Einzelskalen des Psychischen Befindens hochsignifikante Verbesserungen (p<.001). Die Effektstärke der Veränderung (berechnet als standardized response mean SRM) betrug beim Summenscore SRM=0.76 und lag damit nur knapp unter dem Wert von 0.8, ab dem die SRM-Werte üblicherweise als „starke“ Effekte interpretiert werden. Bezogen auf die Einzelskalen ergaben sich folgende SRM-Werte: Depressivität: 0.81; Ängstlichkeit: 0.58, vitale Erschöpfung: 0.90; Selbstwertgefühl: 0.38. Die Eingangsbelastungen des psychischen Befindens haben sich damit insgesamt mit „mittleren“ bis „starken“ Effektstärken verbessert. Die guten Verbesserungen im psychischen Bereich schlagen sich auch im Gesamtscore des IRES nieder, der sich mit einer Effektstärke von SRM=0.98 verbessert hat. Diskussion Der IRES erhebt nicht den Anspruch, ein Instrument zur fachspezifischen Psychodiagnostik darzustellen; er wird im RKBS eingesetzt, um die behandelnden ÄrztInnen schon bei der Aufnahmeuntersuchung auf bestehende starke Auffälligkeiten im psychischen Bereich (ebenso wie bei Funktionseinschränkungen im Alltag, Belastungen am Arbeitsplatz, Problemen bei der Krankheitsbewältigung etc.) hinzuweisen und ggf. eine fachspezifische Diagnostik einzuleiten. 206 Die Prävalenz von psychischen Belastungen der Patienten liegt im RKBS in einer ähnlichen Größenordnung wie in anderen vorliegenden Studien (Härter et al., 2007, geben für orthopädische Reha-Patienten eine Quote psychischer Belastungen von 39,9 % an; vgl. auch: DRV Bund 2011). Die Geschlechtsunterschiede in Bezug auf psychische Belastungen sind in unserer Stichprobe besonders stark ausgeprägt, was wahrscheinlich an dem hohen Anteil von Fibromyalgie-Patientinnen im RKBS liegt (30–40 % aller Patientinnen). Die guten Verbesserungen zu Reha-Ende im psychischen Bereich weisen darauf hin, dass auch in einer „normalen“ orthopädisch-rheumatologischen Klinik mit multiprofessionellem Reha-Team (einschließlich 3 Vollzeitstellen in der psychologischen Abteilung) und multimodalen Therapiekonzepten nicht nur im somatischen, funktionalen, und edukativen, sondern auch im psychischen Bereich mittlere bis starke Effekte erzielt werden können. Literatur Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Die Rehabilitation 44. 63-74. DRV Bund (2011): Psychische Komorbidität – Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (2007): Psychische Störungen bei Rehabilitanden mit einer somatischen Erkrankung. In: M. Härter, H. Baumeister, J. Bengel (Hrsg.): Psychische Störungen bei körperlichen Erkrankungen. Heidelberg: Springer. 55-69. Resilienz und psychosoziale Belastungen bei Rehabilitanden der Orthopädie und Psychosomatik: Eine Querschnittstudie Küch, D. (1), Rank, C. (3), Herbold, D. (1), Jacobi, C. (2), Franke, G.H. (3) (1) Paracelsus Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (2) Paracelsus Roswitha Klinik, Bad Gandersheim, (3) Hochschule Magdeburg-Stendal, FB Angewandte Humanwissenschaften Hintergrund und Fragestellung Resilienz wird definiert als psychische Widerstandskraft eines Individuums gegenüber belastenden Lebensereignissen. Das Konstrukt findet mittlerweile weite Verbreitung (Sport, Unternehmensführung, Gesundheitsbereich). Es umfasst als „Dachkonstrukt“ persönliche und soziale Ressourcen, um Krisen zu meistern und sich dadurch weiterzuentwickeln (BzgA, 2012; Rank, 2014). Resilienz lässt sich psychometrisch erfassen (Leppert et al., 2008). In der medizinischen Rehabilitation, wo Menschen mit chronischen Erkrankungen zur gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe befähigt werden, kann Resilienz von zentraler Bedeutung sein. In dieser Querschnittstudie wird die Resilienz orthopädischer und psychosomatischer Rehabilitanden näher ergründet. Fragestellung: Unterscheiden sich Rehabilitanden mit hoher und niedriger Resilienz hinsichtlich soziodemografischer Daten, psychischer Belastungen und psychosozialer Problemlagen, Stresserleben und Arbeitsplatzbelastungen? 207 Methode Für die vorliegende Untersuchung wurde 131 Rehabilitanden der Orthopädie (VMO; MBOR/ IMBO) und Psychosomatik (Paracelsus-Kliniken, Bad Gandersheim) befragt. Diese Stichprobe wurde anhand der Ergebnisse aus der Resilienzkurzskala RS-13 mittels hierarchischer agglomerativer Clusteranalyse nach Ward in 2 Patientenstichproben unterteilt (Niedrigresiliente vs. Hochresiliente). Die Überprüfung der Fragestellung erfolgte unter Betrachtung der Messinstrumente Brief Symptom Checklist (BSCL, Franke, 2014), Ultra-Kurz-Screening (UKS) (Küch et al., 2013), Stressskala (entnommen aus dem DASS-Fragebogen = Depressivität, Angst, Stress Skala von Lovibond & Lovibond, 1995 ) und einem Fragebogen zur Mitarbeiterzufriedenheit (BAuA = Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund). Ergebnisse Stichprobenbeschreibung: n=131 (VMO: n=70, IMBO: n=37; Psychosomatik: n=24; Frauenanteil 79,4 %, Altersdurchschnitt 50,9 Jahre). Innerhalb der Gesamtstichprobe ergaben sich durch Clusteranalyse 2 Unterstichproben: Rehabilitanden mit niedriger Resilienz (n1=51) und Rehabilitanden mit hoher Resilienz (n2=80). Patienten mit niedriger Resilienz unterschieden sich unter Betrachtung der Variablen Familienstand, Kinder, Schulabschluss, berufliche Stellung, Branche und Arbeitsplatzbelastung nicht von Patienten mit hoher Resilienz. Mehrfach zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede von Hochresilienten und Niedrigresilienten. Patienten mit hoher Resilienz sind gegenüber Niedrigresilienten durchschnittlich etwas älter (52,2 vs. 49) und seltener arbeitsunfähig (30,2 % vs. 54,2 %), der Frauenanteil ist größer. Hohe Resilienz geht einher mit niedrigerer Unsicherheit im Sozialkontakt, niedrigerer Zwanghaftigkeit, aber auch höheren Somatisierungstendenzen. Die Gruppe mit niedriger Resilienz weist höhere psychische Komorbidität, stärkere familiäre Belastungen und höheres Stresserleben auf. Der Anteil Niedrigresilienter ist in der Psychosomatik am höchsten (70,8 %; VMO = 34,8 %; IMBO = 27 %). Diskussion Die vorliegende Querschnittsuntersuchung zeigt, dass Resilienz ein konfundierender Faktor für das Ausmaß von psychischer Komorbidität, das Erleben und den Umgang mit psychosozialen Belastungen und auch Arbeitsfähigkeit sein kann. Dabei unterscheiden sich Hochresiliente und Niederigresiliente nicht im Ausmaß ihrer Arbeitsbelastung. Es scheint daher sinnvoll, Resilienzfaktoren in rehabilitativen Kontexten mit zu erheben. Die überraschend hohen Somatisierungstendenzen bei Hochresilienten in dieser Stichprobe müssen geprüft werden, Grund ist vermutlich der hohe Anteil von Orthopädiepatienten. Besonders interessant scheint die Fragestellung, ob durch gezielte spezifische Interventionen in der medizinischen Rehabilitation oder in der Prävention (Betriebliches Gesundheitsmanagement) eine Steigerung der Resilienz erreicht und dadurch das Ausmaß an psychischer Komorbidität und Arbeitsunfähigkeit beeinflusst werden kann. Das wäre in einer Längsschnittstudie zu prüfen. 208 Literatur Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) (Hrsg.) (2012): Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter. Reihe Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Bd. 43. Franke, G.H. (2014): Handbuch Brief Symptom Checklist. Manuskript in Vorbereitung, Hochschule Magdeburg-Stendal. Küch, D., Becker, J., Roßband, H., Herbold, D., Franke, G.H. (2013): Wie gut eignet sich der UKS als Screening-Instrument zur Erfassung psychosozialer Belastung? DRV-Schriften, Bd. 101. 90-92. Leppert, K., Koch, B., Brähler, E., Strauß, B. (2008): Die Resilienzskala (RS) – Überprüfung der Langform RS-25 und einer Kurzform RS-13. Klin. Diagnostik u. Evaluation, 1. 226-243. Rank, C. (2014): Resilienz bei Rehabilitanden der Orthopädie und Psychosomatik. Eine Querschnittstudie. Unveröffentlichte Masterarbeit, Hochschule für angewandte Humanwissenschaften, Fachbereich Rehabilitationspsychologie; Magdeburg-Stendal. Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit in der verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation – eine Fragebogenvalidierung mithilfe des SKID Roch, S. (1), Küch, D. (2), Meyer, J. (3), Rabe, K. (4), Besch, D. (5), Worringen, U. (6), Hampel, P. (1) (1) Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften, Europa-Universität Flensburg, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (3) Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf – Klinik Werra, (4) Rehabilitationsklinik Auental, Bad Steben, (5) Rehabilitationsklinik Göhren, (6) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund In der Rehabilitation chronischer körperlicher Erkrankungen ist die valide Diagnostik psychischer Komorbiditäten aufgrund der höheren Prävalenz und der negativen Auswirkungen auf die körperlichen Erkrankungen von zentraler Bedeutung (vgl. Baumeister et al., 2011). Hierfür ist die Durchführung klinischer Interviews indiziert (Morfeld, Friedrichs, 2011), jedoch ergeben sich in der Praxis aufgrund der Rahmenbedingungen (wie z. B. zeitliche Einschränkungen) Probleme bei der Umsetzung, weshalb Diagnosen eher mithilfe von Erstgesprächen und Fragebogen gestellt werden (Saile et al., 2000). Außerdem ist die Durchführung eines diagnostischen Interviews in einem Forschungszusammenhang aufgrund großer Stichprobengrößen erschwert. Ziel dieser Untersuchung war es deshalb, drei in der stationären verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation gängige Fragebogen zur Messung von Depressivität und Ängstlichkeit (ADS, HADS-D/A und PHQ-4; vgl. Beutel, Schulz, 2011; Junge, Mannion, 2004) mithilfe des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV (SKID) zu validieren. 209 Methodik In den verhaltensmedizinisch orthopädischen Abteilungen der Paracelsus-Klinik an der Gande in Bad Gandersheim, dem Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf – Klinik Werra, der Rehabilitationsklinik Auental in Bad Steben und der Rehabilitationsklinik Göhren füllten n=42 Rehabilitandinnen und Rehabilitanden (n= 34 Frauen; Alter M= 52,6 Jahre, SD=7,6) Fragebogen zur Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit aus (Allgemeine Depressions-Skala: ADS; Angstskala der Hospital Anxiety and Depression Scale: HADS-D/A; Depressions- und Angstskala des PHQ-4: PHQ-2 und GAD-2). Depressionen und Angststörungen wurden mithilfe des SKID durch eine Psychologin diagnostiziert. Ergebnisse Basierend auf den Summenwerten der Fragebogen wurden 18 (ADS >22) bzw. 12 (PHQ-2 >2) Personen als depressiv und 17 (HADS >10) bzw. 15 (GAD-2 >2) Personen als ängstlich eingestuft. Durch die klinischen Interviews wurde für 8 Personen eine Major-Depression und für 12 Personen irgendeine Angststörung festgestellt, wobei Panikstörungen und spezifische Phobien am häufigsten vorkamen. Die internen Konsistenzen für ADS, HADS-D/A und PHQ-2 lagen alle im guten bis exzellenten Bereich (Cronbachs‛ zwischen 0,81 und 0,91). Die interne Konsistenz der GAD-2 (Cronbachs‛ = 0,61) war hingegen unzureichend. Die Fragebogen korrelierten alle miteinander (r=.54 bis r=.82, alle p<.001). Die Sensitivität der Fragebogen erreichte Werte von 0,58 (HADS-D/A) bis 1 (ADS), die Spezifitätswerte lagen zwischen 0,67 (HADS-D/A) und 0,82 (PHQ-2). Die positiven Vorhersagewerte betrugen zwischen 0,41 und 0,50 und die negativen Vorhersagewerte reichten von 0,80 bis 1 (vgl. Tab. 1). ADS Sensitivität KI der Sensitivität Spezifität KI der Spezifität positiver Vorher- negativer Vorhersagewert sagewert 1 1,00; 1,00 0,71 0,69; 0,71 0,44 1 HADS-D/A 0,58 0,54; 0,62 0,67 0,65; 0,67 0,41 0,8 PHQ-2 0,75 0,70; 0,80 0,82 0,82; 0,82 0,5 0,93 GAD-2 0,64 0,60; 0,68 0,73 0,72; 0,73 0,47 0,85 Anm.: ADS: Allgemeine Depressionsskala, HADS-D/A: Angstskala der Hospital Anxiety and Depression Scale, PHQ-2: Depressionsskala des Patient Health Questionnaire-4, GAD-2: Angstskala des Patient Health Questionnaire-4; KI: Konfidenzintervall. Tab. 1: Sensitivität, Spezifität und Vorhersagewerte der Fragebogen Personen mit einer Major-Depression erzielten höhere Werte in den Depressivitätsskalen (ADS: M=33,63; SD=6,93 und PHQ-2: M=4; SD=1,69) als Personen ohne Major-Depression (ADS: M=19,82; SD=11,01; p<.01 und PHQ-2: M=1,65; SD=1,41; p<.001). Bei Personen mit irgendeiner Angststörung waren die Werte in den Angstskalen (HADS-D/A: M=12,42; SD=4,60 und GAD-2: M=3,45; SD=1,44) höher als bei Personen ohne eine Angststörung (HADS-D/A. M=8,20; SD=3,89; p<.01 und GAD-2: M=1,90; SD=1,24; p<.01). 210 Diskussion und Schlussfolgerungen Wie von Screening-Instrumenten zu erwarten, sind bei allen Fragebogen die positiven Vorhersagewerte geringer als die negativen. Somit treten häufig falsch-positive Einschätzungen auf, die durch eine weitere Untersuchung identifiziert werden müssen. Negative Testergebnisse sind hingegen in den meisten Fällen korrekt und müssen nicht weiter untersucht werden. Die schlechtere Kriteriumsvalidität von HADS und GAD-2 im Vergleich zu ADS und PHQ-2 könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Gruppe der Angststörungen heterogener ist und somit schwieriger durch einen Fragebogen zu erfassen. Hinzu kommt, dass situationsgebundene Angststörungen wie spezifische Phobien nicht zu andauernden Angstsymptomen führen und somit in den Fragebogen nicht unbedingt berücksichtigt werden. Für die Praxis lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die Fragebögen als Screeninginstrumente gut geeignet sind, jedoch zur Diagnosestellung ein klinisches Interview durchgeführt werden sollte. Fragebögen sollten in einem abgestuften Diagnoseprozess jedoch unbedingt einbezogen werden (vgl. Junge, Mannion, 2004). Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Baumeister, H., Jahed, J., Vogel, B., Härter, M., Barth, J., Bengel, J. (2011): Diagnostik, Indikation und Behandlung von psychischen Störungen in der medizinischen Rehabilitation (DIBpS): Ein Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. In: Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.): Psychische Komorbidität – Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. URL: //www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/ servlet/contentblob/246648/publicationFile/46055/psychische_komorbiditaet.pdf. Abruf: 22.10.2014. Beutel, M., Schulz, H. (2011): Epidemiologie psychisch komorbider Störungen bei chronisch körperlichen Erkrankungen. Bundesgesundheitsblatt, 54. 15-21. Junge, A., Mannion, A.F. (2004): Fragebögen für Patienten mit Rückenschmerzen. Diagnostik und Behandlungsergebnis. Der Orthopäde, 33. 545-552. Morfeld, M., Friedrichs, A. (2011): Psychische Komorbidität. Befunde zur Diagnostik und Hinweise auf Möglichkeiten der Weiterversorgung in der medizinischen Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt, 54. 90-97. Saile, H., Weiland-Heil, K., Schwenkmezger, P. (2000): Lassen sich in klinischen Erstgesprächen valide Diagnosen stellen? Vergleich von klinischem Erstgespräch, strukturiertem Interview und Symptom-Checkliste. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 29. 214-220. 211 „Dick und auch noch depressiv!?“ – Auswirkung von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg in der stationären Adipositastherapie Kleinknecht, C. (1), Kleinert, J. (1), Pollmann, H. (2) (1) Psychologisches Institut, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Klink Niederrhein, Bad Neuenahr Hintergrund Bisherige Ernährungskonzepte, Trainingsprogramme und verhaltenstherapeutische Ansätze im Rahmen stationärer Behandlung von Adipositas führen nicht zu den erwünschten Verhaltensänderungen und somit zu einschlägigen Therapieerfolgen (vgl. Fuchs et al., 2006). Problematisch ist die Motivation bezüglich dauerhafter Verhaltensänderungen (Göhner, Fuchs, 2007). Ein Grund hierfür könnte sein, dass die psychosozialen Auswirkungen und Begleitsymptome von Adipositas bei der Behandlung nicht genügend berücksichtigt werden. Depressive Symptome beispielsweise stehen nach Zhao et al. (2009) in einem Zusammenhang zum Body Mass Index (BMI). Depressive Verstimmungen wiederum sind verknüpft mit Antriebsschwäche und Bewegungsmangel (Galper et al., 2006). Die Forschungslage zur Auswirkung von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg in der Adipositastherapie ist bislang unklar. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es deshalb den Einfluss von Depressivität auf den Therapieerfolg in der stationären Rehabilitation Adipöser zu überprüfen. Methode Die Stichprobe besteht aus 238 Frauen und 138 Männern (n=376) im Alter von 19–65 Jahren (M=45,57, SD=10,06) aus 6 unterschiedlichen deutschen Rehabilitationskliniken. Der durchschnittliche BMI betrug bei der Aufnahme 40.44 (SD=7,46). Der Depressivität wurde mit dem Patient Health Questionnaire (PHQ-2; Löwe et al., 2005) erhoben. Für die Bestimmung des Rehabilitationserfolges wurde die körperliche Aktivität (Godin Leisure Time-Questionnaire; Godin, Shephard, 1985) gemessen. Es wird erfasst, wie oft durchschnittlich leichte (3 MET), mäßige (5 MET) und starke (9 MET) Aktivitäten ausgeübt wurden. Zur Auswertung wird der Weekly-Activity-Score berechnet. Die Depressivität wurde vor (t0) nach (t1) und 6 Monate nach (t2) der stationären Behandlung erhoben, die körperliche Aktivität 6 Monate nach Abschluss der stationären Rehabilitation. Ergebnisse Bei Betrachtung des Verlaufs des Depressionsindex zeigt sich eine signifikante Veränderung über alle Messzeitpunkte hinweg: F(2, 488) = 53,91, p<.001, η²=.18). Hierbei ist auffällig, dass der Depressionsindex vor dem Klinikaufenthalt zunächst von M=2,08 (SD=1,58) auf einen Wert von M=0,96 (SD=1,09) fällt, dann in den sechs Monaten nach Beendigung der Therapie wieder auf M=1,68 (SD=1,57) steigt. Sechs Monate nach Beendigung der Rehabilitation weisen die Probanden im Mittel eine angemessene Bewegungsaktivität auf (M=22,54, SD=18,60). Die Regressionsanalyse zeigt, dass lediglich die Depressivität zu t2 ein signifikanter Prädiktor für die körperliche Aktivität 3 Monate nach Beendigung der Therapie ist (ß = −3,041; R2korr 6,4 %; F(1, 253) = 17,274, p <0.001). 212 Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass ein inverser Zusammenhang zwischen der Depressivität und dem Rehabilitationserfolg vorliegt. Je niedriger die Depressivität ist, desto mehr bewegen sich die Probanden 6 Monate nach Beendigung der Therapie. Vor allem die Depressivität 3 Monate nach der Therapie ist der Faktor, der für langfristige Verhaltensänderung bedeutsam ist. Demnach wäre es wichtig, nicht nur in der stationären Rehabilitation therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, die einen Einfluss auf die Depressivität der Patienten ausüben, sondern auch die Depressivität vor allem langfristig niedrig zu halten. Förderung: Gesellschaft für Rehabilitationsforschung NRW e. V. Literatur Fuchs, R., Seelig, H., Krause, M. (2006): Motivationale und volitionale Strategien zur Förderung eines sportlich aktiven Lebensstils in der Rehaklinik: MoVo-Intervention. In: Kulenkampff, H.-A. & Berg, A. (Hrsg.): Orthopädische Rehabilitation, Sport und Psyche. Berlin: Median Kliniken. 93-105. Galper, D.I., Trivedi, M.H., Barlow, C.E., Dunn, A.L., Kampert, J.B. (2006): Inverse Association between Physical Inactivity and Mental Health in Men and Women. Medicine & Science in Sports & Exercise, 38 (1). 173-178. Godin, G., Shepard, R.J. (1985): A Simple Method to Assess Exercise Behavior in the Community. Canadian Journal of Applied Sport Science, 10 (3). 141-146. Göhner, W., Fuchs, R. (2007): Änderung des Gesundheitsverhaltens. MoVo-Gruppenprogramme für körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. Göttingen: Hogrefe. Zhao, G., Ford, E.S., Dhingra, S., Li, C., Strine, T.W., Mokdad, A.H. (2009): Depression and Anxiety among US adults: Associations with Body Mass Index. International Journal of Obesity (2005), 33 (2). 257-266. Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste im Rahmen einer dreiwöchigen stationären medizinischen Rehabilitation – Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Therapiestudie Muschalla, B. (1, 2), Fay, D. (1), Ayhan, H. (2), Jöbges, M. (2) (1) Universität Potsdam, Arbeits- und Organisationspsychologie, (2) Brandenburgklinik Bernau Hintergrund Arbeitsplatzbezogene Ängste sind spezifische Erkrankungen mit besonders ungünstiger Krankheitsfolgeproblematik (Muschalla, Linden, 2013a). Die Behandlung ist aufgrund der Stimulusbesonderheiten besonders kompliziert: Der Arbeitsplatz kann nicht anonym für Expositionsübungen aufgesucht werden, es kann keine kontrollierte gestufte Annäherung durchgeführt werden. Vermeidungsverhalten in Form von Arbeitsunfähigkeit geht einher mit der Gefahr einer Langzeitkrankschreibung und kann in eine Erwerbsunfähigkeitsberentung münden. Therapeutische Ansätze bei Arbeitsängsten basieren auf kognitiven Techniken 213 (Imaginationsverfahren, Situationsanalysen, Rollenspiele), oder es werden Übungsfelder (z. B. Probearbeitsplätze) genutzt. Arbeitsplatzängste kommen bei 30–60 % der Rehabilitationspatienten vor. Man findet sie in allen Indikationsbereichen. In dieser randomisierten kontrollierten Therapieprüfung wird erstmalig im Rahmen einer 3-wöchigen medizinischen Rehabilitation eine verhaltenstherapeutische expositions-orientierte Gruppentherapie zur Arbeits-Angst-Bewältigung gegen eine ablenkungs- und freizeitorientierte Ergotherapiegruppe verglichen. Diese hier vorgestellten Ergebnisse stammen aus der 1. von 2 Therapiestudienkohorten. Methode In drei somatischen Fachbereichen einer Rehabilitationsklinik wurden 722 neu aufgenommene Patienten im arbeitsfähigen Alter in einem Screening-Interview auf arbeitsplatzbezogene Ängste hin untersucht. Diejenigen 239, die im Arbeitsangst-Selbstauskunftsbogen und im anschließenden strukturierten diagnostischen Interview (Muschalla, Linden, 2013b) eine Arbeitsangst-Diagnose erhalten haben, wurden zur Teilnahme an der Therapiestudie eingeladen. 185 Patienten nahmen teil. Sie wurden Cluster-randomisiert einer der beiden Bedingungen (Interventionsgruppe: Arbeits-Angst-Bewältigungsgruppe, Kontrollgruppe: Freizeittherapiegruppe) zugeteilt. Die Patienten füllten zu Beginn, am Ende und 6 Monate nach der stationären Rehabilitation einen Fragebogen zu Wohlbefinden (WHO-5, WHO, 1998), arbeitsbezogenen Ängsten (Arbeitsplatzphobiescreening, Muschalla, Linden, 2013), generellem und arbeitsbezogenem Beeinträchtigungserleben (Work Ability Index WAI, Tuomi et al., 2001; IMET, Deck et al., 2007) aus. Es wurden die Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit und ihr Arbeitsfähigkeitsstatus 6 Monate nach der Reha erfragt. Die Arbeitsplatzwahrnehmung wurde mittels des Kurzfragebogens zur Arbeitsanalyse (KFZA, Prümper et al., 1995) zu Beginn und Ende der Rehabilitation erfasst. Alle Therapiegruppen wurden von derselben Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie nach Manual durchgeführt. (Live-)Supervision durch eine in arbeitsplatzbezogenen psychischen Problemen erfahrene approbierte Verhaltenstherapeutin fand kontinuierlich statt. Ergebnisse Teilnehmer der Arbeitsangstgruppentherapie und der Kontrollgruppe hatten 6 Monate nach der Rehabilitation keine signifikant verschiedenen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Beide Gruppen waren nach der stationären Rehabilitation im Durchschnitt 12 Wochen arbeitsunfähig. Die Arbeitsangstgruppe erwies sich nicht als überlegen hinsichtlich der Reduktion von Arbeitsangst, Beeinträchtigungen, Verbesserung der Arbeitsfähigkeitswahrnehmung. Bei den Teilnehmern der Arbeitsangstgruppe zeigte sich eine Tendenz einige Aspekte (3 von 11 Dimensionen der Arbeitsplatzbeschreibung im KFZA) ihres Arbeitsplatzes in etwas positiverem Licht wahrzunehmen. Auch waren sie weniger anfällig, am Ende der Rehabilitation ihre Gesundheitsbeschwerden auf die Arbeit zu attribuieren („die Arbeit hat zu meinen Gesundheitsproblemen beigetragen“). 214 Schlussfolgerungen und Ausblick Eine kurze Gruppenintervention von 4 Sitzungen im Rahmen einer üblichen 3-wöchigen medizinischen Rehabilitation führt nicht zu einer Reduktion von arbeitsbezogenen Ängsten oder zu einer früheren Wiedereingliederung. Die Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste erfordert mehr als eine Add-on-Gruppentherapie im Rahmen einer herkömmlichen 3-wöchigen medizinischen Rehabilitation. Es kann in einer solchen Kurzintervention ein Anstoß gegeben werden sich mit der eigenen Arbeitssituation bewusst auseinander zu setzen und ggf. zu einem positiven Reframing zu gelangen. Ernstzunehmen ist der Befund der Verstärkung einer ungünstigen Attribution („Arbeit hat zu Gesundheitsproblemen beigetragen“) im Fall der ablenkungs- und Wellnessorientierung und Unterlassung von arbeitsbezogener Exposition (Freizeitgruppe). Während der Rehabilitation (auch einer somatischen!) bereits bewältigungsorientiert über die Rückkehr zur Arbeit zu sprechen, scheint also zumindest einer dysfunktionalen Attributionsentwicklung entgegenzuwirken. Um über die harten Kriterien der Arbeitsfähigkeit hinaus Veränderungen im subjektiven arbeitsbezogenen Bewältigungsverhalten abzubilden ist der Einsatz zusätzlicher speziell arbeitsbewältigungsorientierter Maße notwendig. Ein neu entwickelter Fragebogen zu arbeitsbezogenem Coping und Rückkehrintention (Muschalla et al., 2013) wird in einer an diese Untersuchung anschließenden 2. Therapiestudienkohorte eingesetzt. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Deck, R. Mittag, O., Hüppe, A., Muche-Borowski, C., Raspe, H. (2007): Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) – Erste Ergebnisse eines ICF-orientierten Assessmentinstruments. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 76. 113-117. Muschalla, B., Linden, M. (2013A): Arbeitsplatzbezogene Ängste und Arbeitsplatzphobie. Phänomenologie, Differentialdiagnostik, Therapie, Sozialmedizin. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag. Muschalla, B., Hoffmann, K., Fay, D. (2013B): Fragebogen zu arbeitsbezogenen Copingfähigkeiten und Rückkehrintention als Outcomemaß einer Gruppentherapie bei Arbeitsplatzängsten. DRV-Schriften, 101. 92-94. Prümper, J., Hartmannsgruber, K., Frese, M. (1995): KFZA. Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 39. 125-143. Tuomi, K., Ilmarinen, J., Jahkola, A., Katajarinne, L., Tulkki, A. (2001): Arbeitsbewältigungsindex – Work Ability Index. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH 2001. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Übersetzung, Ü 14. World Health Organization (WHO) (1998): WHO-5. Fragebogen zum Wohlbefinden. WHO Collaborating Center for Mental Health, Psychiatric Research Unit, Frederiksborg General Hospital, Denmark. 215 Gegenwärtige Praxis im Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der somatischen und psychosomatischen Rehabilitation Schlöffel, M. (1), Funke, W. (2), Pollmann, H. (3), Köhler, J. (4), Mittag, O. (1) (1) Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Kliniken Wied, Wied bei Hachenburg, (3) Klinik Niederrhein der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, Bad Neuenahr-Ahrweiler, (4) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund und Ziel der Untersuchung Angesichts hoher Prävalenzraten von riskantem Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit von Suchtmitteln und deren gesundheitspolitischer Bedeutung werden frühzeitige Präventionsund Interventionsbemühungen gefordert (z. B. Pabst et al., 2013). Der medizinischen Rehabilitation könnte hierbei eine wichtige Rolle bei der Identifikation risikoreichen Substanzgebrauchs und der Durchführung entsprechender Interventionen zukommen. Gleichzeitig bestehen in den Einrichtungen Unsicherheiten, wie mit entsprechenden auffälligen Rehabilitanden/-innen umzugehen ist. Es gibt darüber hinaus bislang keine Zahlen dafür, wie häufig suchtmittelbedingte Auffälligkeiten in der medizinischen Rehabilitation vorkommen. Ziel der durchgeführten bundesweiten Befragung von Rehabilitationseinrichtungen war es, mehr über die Relevanz der Thematik und die derzeitige Praxis im Umgang mit auffälligen Rehabilitanden/-innen zu erfahren. Die Ergebnisse liefern wichtige Vorinformationen für die Entwicklung entsprechender Praxisempfehlungen zum Umgang mit problematischem Suchtmittelkonsum in der medizinischen Rehabilitation. Methode Die Chefärzte von 216 somatischen und psychosomatischen Rehabilitationseinrichtungen aller Indikationen mit Ausnahme von Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen wurden befragt (alle Einrichtungen in Trägerschaft der DRV sowie eine gleich große Zufallsauswahl an Vertragseinrichtungen). Der Fragebogen bezog sich auf folgende Themenbereiche: (1) Allgemeine Angaben zur Rehabilitationseinrichtung, (2) Relevanz des Themas „problematischer Suchtmittelkonsum“, (3) Aufnahmeuntersuchung, Screening und Verlaufsbeobachtung problematischen Suchtmittelkonsums, (4) Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum, (5) Interventionen und Unterstützungsangebote, (6) Entlassung der Rehabilitanden sowie (7) Persönliche Meinung und Veränderungswünsche. Die Befragung bezog sich explizit nicht auf das Thema Nikotinkonsum. Ergebnisse Insgesamt 103 Einrichtungen (48 %) nahmen an der Befragung teil. In vielen Fällen wurde das gesamte Reha-Team in die Beantwortung einbezogen. Die meisten teilnehmenden Einrichtungen stammen aus dem Indikationsbereich muskuloskelettale Erkrankungen, gefolgt von Psychosomatik und Kardiologie/Angiologie. Bei 6 Einrichtungen handelte es sich um Einrichtungen der Kinder- und Jugendrehabilitation. Von den 97 Einrichtungen der Erwachsenenrehabilitation machten 80 detailliertere Angaben zu ihren Hausregeln für Rehabilitanden/-innen für den Umgang mit Alkohol. Hier zeigte sich eine große Bandbreite von Regeln. 216 Alle Einrichtungen gaben an, dass bei ihnen in den vergangenen 12 Monaten suchtmittelbedingte Auffälligkeiten beobachtet wurden. Hierbei handelte es sich sowohl um direkte (wie bspw. Foetor) als auch indirekte Zeichen problematischen Konsums (wie bspw. Tremor) sowie um Verhaltensauffälligkeiten. Im Mittel schätzten die Einrichtungen, dass mindestens 1 % der Rehabilitanden in diesem Zeitraum auf eine der drei Arten auffällig wurden. Die Wertespannen fielen hierbei recht hoch aus (s. Tab. 1). Gut 40 % der Einrichtungen gaben an, dass das Thema unter den Mitarbeitern/-innen kontrovers diskutiert wird. Die relativen Häufigkeiten der hierbei genannten kontrovers diskutierten Aspekte sind in Abb. 1 dargestellt. 95 Einrichtungen gaben an, in der Anamnese routinemäßig nach Substanzkonsum zu fragen; 90 Einrichtungen stellen hier auch substanzspezifische Fragen, jedoch gaben nur 8 an, entsprechende Screeninginstrumente, wie den AUDIT, zu nutzen. direkte Zeichen (bspw. Foetor) indirekte Zeichen (bspw. Tremor) Verhaltensauffälligkeiten M SD 1,1 0,8 0,7 1,8 1,2 1,1 Range 0,03 – 12,66 0,02 – 6,45 0,03 – 5,00 N 68 53 47 Tab. 1: Anteil der Rehabilitanden/-innen mit den verschiedenen Arten von Auffälligkeiten (in Prozent; relativiert an der Anzahl jährlich behandelter Patienten) Konsequenzen bei Regelbrüchen der Rehabilitanden/-innen Sinnhaftigkeit der Einrichtungsregeln für Rehabilitanden/-innen mögliche Therapieziele bei identifiziertem problematischem Suchtmittelkonsum Alkoholkonsum der Mitarbeiter/-innen bei offiziellen oder informellen Gelegenheiten sonstige Aspekte 0% 20% 40% 60% 80% 100% Prozentualer Anteil der Einrichtungen Abb. 1: Unter den Mitarbeitern/-innen kontrovers diskutierte Aspekte zum Thema Suchtmittelkonsum (n=40) Diskussion Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass dem Thema „problematischer Suchtmittelkonsum“ Bedeutung beigemessen wird. Gleichzeitig werden Unsicherheiten der Einrichtungen in Bezug auf den Umgang mit einer komorbiden Suchtproblematik deutlich. Die großen Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit des Auftretens von suchtmittelbedingten Auffälligkeiten könnten eine unterschiedliche Sensibilisierung der Einrichtungen für das Thema widerspiegeln. Die Praxisempfehlungen werden möglicherweise dazu beitragen können, die Ein217 richtungen für das Thema zu sensibilisieren und eine größere Sicherheit in Bezug auf das Erkennen verschiedener Ausprägungen problematischen Suchtmittelkonsums und die Wahl geeigneter Interventionsmaßnahmen zu schaffen. Zwei Cochrane-Reviews (Kaner et al., 2007; McQueen, et al., 2011) zeigen gute Evidenz dafür, dass Kurzinterventionen („brief interventions“) bei Patienten in Allgemeinkrankenhäusern mittelfristig zu einer Reduktion komorbiden Alkoholkonsums führen. Diese Ergebnisse lassen sich vermutlich gut auf das rehabilitative Versorgungssetting in Deutschland übertragen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Kaner, E.F., Beyer, F., Dickinson, H.O., Pienaar, E., Campbell, F., Schlesinger, C., Heather, N., Saunders, J., Burnand, B. (2007): Effectiveness of brief alcohol interventions in primary care populations. Cochrane Database of Systematic Reviews, 2, Art. No.: CD004148. McQueen, J., Howe, T.E., Allan, L., Mains, D., Hardy, V. (2011): Brief interventions for heavy alcohol users admitted to general hospital wards. Cochrane Database of Systematic Reviews, 8, Art. No.: CD005191. Pabst, A., Kraus, L., Matos, E.G. de, Piontek, D. (2013): Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59 (6). 321-331. 218 Psychische Komorbidität in der Rehabilitation (Poster) Psychische Begleitbeeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation – Wie werden sie therapeutisch berücksichtigt und welche Relevanz haben sie für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung am Rehabilitationsende? Brünger, M. (1), Schöpflin, M. (2), Spyra, K. (1) (1) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Berlin School of Public Health, Charité – Universitätsmedizin Berlin Hintergrund Die Prävalenz psychischer Begleitbeeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht (Brünger, Spyra, 2014). Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund hat Empfehlungen für die Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der somatischen Rehabilitation ausgesprochen (DRV Bund, 2011) und daneben das Konzept der verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation (VMO) zur integrativen Behandlung von somatischen und psycho-sozialen Funktions- und Fähigkeitsstörungen etabliert (DRV Bund, 2013). Es fehlen jedoch Untersuchungen, in welchem Ausmaß psychische Begleitbeeinträchtigungen bei der Therapieplanung in der somatischen Rehabilitation bislang berücksichtigt werden und welche prognostischen Unterschiede sich in Abhängigkeit vom Vorliegen einer psychischen Begleitbeeinträchtigung in Bezug auf die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung zeigen. Ziel dieser prospektiven Kohortenstudie ist daher der Vergleich von psychisch beeinträchtigten und psychisch nicht beeinträchtigten Patienten in der somatischen Rehabilitation hinsichtlich insbesondere der psychologischen und psychotherapeutischen Leistungen während der Rehabilitationsmaßnahme und hinsichtlich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung am Rehabilitationsende. Methoden Zum Zeitpunkt der Bewilligung der medizinischen Rehabilitation im Heilverfahren erfolgte eine Stichprobenziehung von je 1.000 Versicherten der DRV Bund geschichtet nach den Indikationsgruppen Orthopädie, Kardiologie, Gastroenterologie/Endokrinologie, Pneumologie, Onkologie und Neurologie. Diese Indikationsgruppen stehen für 95,7 % aller somatischen Rehabilitationsmaßnahmen der DRV Bund. An die insgesamt 6.000 Versicherten wurde ein Fragebogen zur Erhebung Reha-relevanter Beeinträchtigungen und Ressourcen verschickt (Brünger, Spyra, 2014). Psychische Beeinträchtigung wurde mithilfe der Kurzform des Patient Health Questionnaire (PHQ-4) erfasst, welcher auf den Kerndiagnosekriterien für depressive und Angststörungen gemäß DSM-IV beruht (Löwe et al., 2010). Ausgeschlossen wurden Teilnehmer, die den Fragebogen nach Rehabilitationsbeginn zurückschickten. Von 90,5 % der 2.152 Studienteilnehmer (Responsequote: 36,5 %) konnten zudem Angaben aus dem ärztlichen Entlassungsbericht, hierunter die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung und die verordneten therapeutischen Leistungen gemäß Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL), mit den Assessmentdaten verknüpft werden. In die vor219 gestellte Analyse gehen 1.809 Rehabilitanden mit vollständigen Datensätzen in Bezug auf die relevanten Assessment-Skalen und Variablen des Entlassungsberichts ein. Die Analysen wurden aufgrund der geschichteten Stichprobenziehung entsprechend der tatsächlichen Verteilung im Jahr 2011 gewichtet. Zusätzlich wurde für die höhere Teilnahmebereitschaft von Frauen korrigiert. Ergebnisse Das mittlere Alter der eingeschlossenen Studienteilnehmer lag bei 50,7 Jahren, der Frauenanteil bei 69,6 %. Die Prävalenz psychischer Begleitbeeinträchtigungen gemäß PHQ-4 betrug 26,3 %. Rehabilitanden mit psychischer Komorbidität waren im Mittel gut einen Tag länger in der Rehabilitationseinrichtung als solche ohne psychische Begleitbeeinträchtigung (25,1 vs. 23,8 Tage) und erhielten insgesamt signifikant mehr therapeutische Leistungen gemäß KTL (73,9 vs. 68,8 Stunden). Signifikante Unterschiede zeigten sich auch hinsichtlich des Erreichens der Minimalanforderungen psychologischer und psychotherapeutischer Leistungen gemäß VMO-Anforderungsprofil (DRV Bund, 2013) in den beiden psychologischen Kernangeboten „psychologische Bezugsgruppe“ (6,1 % vs. 3,3 %) und „psychologische Einzelgespräche“ (49,5 % vs. 23,4 %), jedoch nicht im Kernangebot „Entspannungstraining“ (41,3 % vs. 40,6 %). Der Anteil der arbeitsunfähig entlassenen Rehabilitanden lag etwa doppelt so hoch für Patienten mit psychischer Begleitbeeinträchtigung (39,5 % vs. 21,1 %). Weiterhin zeigte sich bei Vorliegen psychischer Komorbidität signifikant häufiger eine ungünstige Prognose für die Rückkehr in den letzten Beruf und den allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch hinsichtlich der Empfehlung für eine anschließende psychologische Beratung oder Psychotherapie (26,7 % vs. 9,7 %) und der Einschätzung einer eingeschränkten geistig-psychischen Belastbarkeit lagen signifikante Unterschiede vor (10,3 % vs. 6,2 %). Diskussion Gemäß der vorliegenden Studie scheint psychische Komorbidität in den Rehabilitationseinrichtungen teilweise erkannt und therapeutisch berücksichtigt zu werden. Allerdings erhalten Rehabilitanden mit psychischen Begleitbeeinträchtigungen eine deutlich ungünstigere sozialmedizinische Leistungsbeurteilung als Patienten ohne psychische Komorbidität. Dies belegt die Relevanz eines Screenings auf psychische Komorbidität. Damit könnte sich der PHQ-4 neben seiner Anwendungsmöglichkeit im Antragsverfahren zur Steuerung in VMOProgramme (Worringen et al., 2012) und als 1. Schritt einer Stufendiagnostik (DRV Bund, 2011) auch als Prognose-Instrument für eine ungünstige sozialmedizinische Leistungsbeurteilung am Rehabilitationsende eignen. In weiteren Studien sollte untersucht werden, ob ein flächendeckendes und indikationsübergreifendes Screening auf psychische Komorbidität zu einer weiteren Differenzierung der Verordnung psychologischer und psychotherapeutischer Leistungen – gegebenenfalls auch durch Ausweitung der VMO auf andere Indikationsgebiete – und nachfolgend zu einer größeren Wirksamkeit der Rehabilitation führen kann. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund 220 Literatur Brünger, M., Spyra, K. (2014): Prävalenz psychischer Beeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation. DRV-Schriften, 103. 202-204. DRV Bund (2011): Psychische Komorbidität. Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. Berlin DRV Bund (2013): Anforderungsprofil für die verhaltensmedizinisch orthopädische Rehabilitation (VMO). Berlin. Löwe, B., Wahl, I., Rose, M., Spitzer, C., Glaesmer, H., Wingenfeld, K., Schneider, A., Brähler, E. (2010): A 4-item measure of depression and anxiety: Validation and standardization of the Patient Health Questionnaire-4 (PHQ-4) in the general population. Journal of Affective Disorders, 122(1–2). 86-95. Worringen, U., Streibelt, M., Schwabe, M., Küch, D. (2012): Optimierung der Zuweisung zur verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation (VMO) durch die DRV Bund: Erprobung eines Screeninginstruments. DRV-Schriften, 98. 118-120. 221 Rechtswissenschaften UN-Behindertenrechtskonvention und deutsches Rehabilitationsrecht Welti, F. Universität Kassel Hintergrund und Zweck der Untersuchung Untersucht wird der Einfluss der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auf das deutsche Sozialrecht, insbesondere das Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Hierbei wird sowohl auf notwendige Änderungen oder Klarstellungen bei der Rechtsauslegung und Rechtsanwendung wie auf empfehlenswerte oder gebotene Rechtsänderungen durch den Gesetzgeber geblickt. Methodik Normsetzung, Rechtsetzung, Rechtsprechung und Literatur wurden anhand der Datenbank juris und weiterer Datenquellen systematisch durchsucht und dann nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck untersucht und bewertet, um die Rechtslage zum Einfluss der UN-BRK auf das deutsche Recht zu erforschen. Eine besondere Bedeutung haben dabei neben höchstrichterlichen Entscheidungen aus Deutschland die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Schlussfolgerungen und Ausblick Die UN-BRK ist relevant für die Auslegung des deutschen Rehabilitationsrechts. Entgegen skeptischen Stimmen in der Literatur (Luthe, 2013) ist die UN-BRK eine relevante Rechtsquelle (Degener, 2009; Lachwitz, Trenk-Hinterberger, 2010; Banafsche, 2012). Ihr können Hinweise zur Rechtsauslegung und zur aktuellen rechtspolitischen Diskussion entnommen werden (Welti, 2014). Nach Art. 4 Abs. 1 UN-BRK sind die Vertragsstaaten verpflichtet, alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in ihr genannten Rechte zu treffen. Zentrale Norm des Übereinkommens ist das Diskriminierungsverbot nach Art. 5 UN-BRK. Dieses umfasst nach Art. 5 Abs. 3 UN-BRK die Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen, also notwendigen und geeigneten Änderungen und Anpassungen, die gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können. Das Diskriminierungsverbot ist unmittelbar anwendbar und ist zugleich zur Auslegung des Benachteiligungsverbots im deutschen Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) heranzuziehen (Bundessozialgericht v. 6.3.2012, B 1 KR 10/11 R, BSGE 110, 194). Das Diskriminierungsverbot als bürgerliches Recht unterliegt auch nicht dem Progressionsvorbehalt für soziale Menschenrechte, die erst nach und nach zu implementieren sind (Art. 4 Abs. 2 UN-BRK). Das bedeutet zum Beispiel für die Gesundheitsversorgung, dass die Leistungen für behinderte Menschen in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard sein müssen wie für andere Menschen (Art. 25 UN-BRK). 222 Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung der UN-BRK und bei anderen Entscheidungsprozessen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein (Art. 4 Abs. 3 UN-BRK). Diese Pflicht wird in Deutschland für die Krankenbehandlung durch die Patientenbeteiligung im G-BA (§ 140f SGB V) verwirklicht (Bundessozialgericht v. 10.5.2012, B 1 KR 78/11 B). Im Rehabilitationsrecht ist sie nur punktuell institutionalisiert (§ 13 Abs. 6 SGB IX). Hier fehlt eine systematische Umsetzung z. B. für die Rentenversicherungsträger. Der in der Konvention zugrunde gelegte Behinderungsbegriff (Art. 1 Satz 2 UN-BRK) berücksichtigt Kontext und Barrieren und nicht alleine Funktionsstörungen. Es gibt Zweifel, ob die deutsche Rehabilitationspraxis damit immer vereinbar ist (Ausschuss der Vereinten Nationen v. 4.4.2014, CRPD/C/11/D/2/2010). Das gilt auch für die Auslegung der Ansprüche auf Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, bei denen der Kontext nicht berücksichtigt wird durch das Bundessozialgericht (vgl. BSG v. 7.10.2010, B 3 KR 13/09 R). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die UN-BRK der Auslegung des europäischen Rechts gegen Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf zugrunde zu legen ist (EuGH v. 11.4.2013, C-335/11; BAG v. 19.12.2013, 6 AZR 190/12). Geboten ist die gleichberechtigte Zugänglichkeit der Rehabilitation und Gesundheitsversorgung (Art. 9, 25, 26 UN-BRK). Hierzu sind noch Barrieren zu überwinden. Die entsprechenden Pflichten der Rehabilitationsträger (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I, § 19 Abs. 1 SGB IX) sind umfassender zu realisieren. Literatur Banafsche, M. (2012): Die UN-Behindertenrechtskonvention und das deutsche Sozialrecht. Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb). 373-379. Degener, T. (2009): Welche legislativen Herausforderungen bestehen in Bezug auf die nationale Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bund und Ländern? Behindertenrecht. 34-51. Lachwitz, K., Trenk-Hinterberger, P. (2010): Zum Einfluss der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen auf die deutsche Rechtsordnung. Rechtsdienst der Lebenshilfe (RdLH). 45-52. Luthe, E.-W. (2013): Einige Anmerkungen zur Behindertenrechtskonvention. Die Sozialgerichtsbarkeit. 391-395. Welti, F. (2014): Leistungen zur Teilhabe und Reha im gegliederten System – Chance zur Strukturreform der Teilhabeleistungen. Sozialrecht + Praxis. 343-363. 223 Epilepsie und Arbeit – Herausforderungen und Fortschritte im Rehabilitationsrecht Kohte, W. Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale Einleitung Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Neben wiederholten krampfartigen Anfällen können neuropsychologische, psychiatrische oder körperliche Begleiterscheinungen auftreten, die Menschen in der Teilhabe am Arbeitsleben beeinträchtigen können. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sehen im Abschnitt „Nervensystem und Psyche“ bei epileptischen Anfällen einen Grad der Behinderung zwischen 40 und 100 vor, sodass in der Regel Schwerbehinderung anzuerkennen ist. Lange Zeit bestanden starke Vorurteile gerade beim Erleben von Epilepsieanfällen, die zu Stigmatisierungen und gesellschaftlicher Exklusion führten (Eller, Brodisch, 2013). Inzwischen sind die medizinischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse so weit fortgeschritten, dass bei entsprechender Aufklärung und Arbeitsplatzgestaltung eine effektive Teilhabe am Arbeitsleben realistisch ist. Epilepsie und Teilhabe am Arbeitsleben Für diese Teilhabe sind richtungsweisend die BGI 585 (jetzt DGUV Information 250-001) „Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie“, die differenzierte Hinweise zur Teilhabe am Arbeitsleben geben. Die Hinweise zur Gestaltung geeigneter Arbeitsplätze basieren auf einer zutreffenden Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Arbeitsschutzgesetz). Nicht nur in der Verwaltung, sondern auch an vielen Maschinenarbeitsplätzen ist eine Tätigkeit trotz Epilepsie möglich, wenn die von der neuen Betriebssicherheitsverordnung verlangten Schutzvorschriften eingehalten werden. Weitere Informationen über nach § 33 SGB IX zu leistende Hilfsmittel liefert die Datenbank REHADAT. Die BGI-Informationen verweisen weiter auf organisatorische Vorkehrungen. Zu vermeiden sind unregelmäßige und lange Arbeitszeiten, da sie Anfälle hervorrufen können, sodass auch dieses Beispiel zeigt, dass die Anforderungen des Arbeitszeitrechts sorgfältig einzuhalten und riskante Arbeitszeitformen zu vermeiden sind. Weiter gehören zu den organisatorischen Vorkehrungen bei erkannter Epilepsiegefährdung Modelle kollegialer Verantwortung, Unterstützung und Assistenz. Aufklärung, Information und Selbsthilfe Stigmatisierung mit den entsprechenden psychischen Problemen kann am besten durch Aufklärung und Information begegnet werden. Zu den Aufgaben der Rehabilitationsträger und Integrationsämter gehört nach dem heutigen Recht eine solche Aufklärung, die vor allem den Integrationsämtern geleistet wird. Sie kann im Einzelfall durch Integrationsfachdienste konkretisiert und betrieblich erläutert werden können. Bemerkenswert ist schließlich die Nutzung des Internet. Vor allem das Informationssystem REHADAT hat mit seinen Informationen zu „Epilepsie und Arbeitsleben“ den aktuellen Sachstand sowie die dazu ergangen Urteile so zusammengefasst, dass sie allgemein zugänglich und nutzbar sind. 224 Ist ein Anfallsleiden diagnostiziert, und eine Behinderung erkannt, können neben Assistenzleistungen nach § 33 Abs. 6 SGB IX auch persönliche und pädagogische Hilfen erbracht werden (Busch, 2014). Dazu gehören Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung, mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Vorgesetzten und Kollegen sowie Vermittlung von Kontakten zur Selbsthilfe, die nach § 29 SGB IX auch von Rehabilitationsträgern zu fördern ist (Kohte, 2013). Gerade im Bereich der Epilepsie gibt es starke Selbsthilfegruppen und ein Netzwerk „Epilepsie und Arbeit“, das von der DRV Bayern Süd bis zu den Wohlfahrtsverbänden reicht. Zusammenfassung Damit zeigt sich bei dieser Krankheit, die lange ein Symbol für Exklusion war, dass sich die verschiedenen Elemente des SGB IX erfolgreich ergänzen. Präventiver Arbeitsschutz, gut zugängliche Information durch Rehabilitationsträger, Integrationsämter und Selbsthilfegruppen, sowie konkrete Rehabilitationsleistungen, die das gesamte Spektrum von § 33 SGB IX ausschöpfen, greifen ineinander, sodass heute Epilepsie kein Symbol für Exklusion mehr ist. Literatur BGI 585, Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie, 2007. Busch (2014), Kommentierung § 33 SGB IX in Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, 3. Aufl. Eller/Brodisch, Drei Jahre Epilepsie und Arbeit (2013), ASU-Arbeitsmedizin 8/2013, S. 432 Kohte (2013), Kommentierung § 29 SGB IX in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl. REHADAT (2011), Epilepsie im Arbeitsleben, 2011. Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen Düwell, F.J. Universität Konstanz Einführung Der demografische Wandel bewirkt eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Da die Häufigkeit von Behinderungen mit steigendem Lebensalter exponentiell zunimmt (Verdi Studie, 2014), wachsen auch die Herausforderungen, um eine Ausgliederung der Menschen mit Behinderung zu vermeiden. Für die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit der alternden Belegschaften bedarf es vermehrter Anstrengungen. Die Arbeitsplätze der Betroffenen müssen behinderungsgerecht umgestaltet werden. Behörden und Rehabilitationsträger können als Externe diese Aufgabe nur unterstützend begleiten, maßgeblich für das Gelingen sind die innerbetrieblichen Akteure. Alle Arbeitgeber sind nach § 81 Abs. 4 SGB IX zur behinderungsgerechten Beschäftigung verpflichtet. Zu diesem Zweck haben sie Arbeitsstätten, Arbeitsumfeld und Arbeitsplätze behinderungsgerecht umzugestalten (Düwell, 2013). Der einzelne Beschäftigte ist jedoch nur selten in der Lage zu überprüfen, ob der Arbeitgeber seiner Verpflichtung voll nachkommt. Deshalb kommt den betrieblichen Helfern besondere Bedeutung zu. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Deshalb wählen seit 1920 die Beschäftig225 ten auf gesetzlicher Grundlage eigene Vertrauenspersonen. Diese bilden zusammen mit ihren gewählten Stellvertretern auf der Ebene des Betriebs, Unternehmens und Konzerns Schwerbehindertenvertretungen (Düwell, 2013). Nach § 95 Abs. 1 SGB IX sind sie insbesondere dafür zuständig, den Betroffenen mit fachkundiger Hilfe beizustehen und die Einhaltung der Arbeitgeberpflichten zu überwachen (Düwell, 2013). Kehrtwende im Koalitionsvertrag Im Koalitionsvertrag vom 16.12. 2013 haben sich die Parteien der Großen Koalition das Ziel gesetzt, die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu begleiten und auch die Beschäftigungssituation der 1 Million schwerbehinderten Beschäftigten (Teilhabebericht der Bundesregierung) nachhaltig zu verbessern. Dazu gehört nach Auffassung der Großen Koalition „die Anerkennung und Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen“ (Koalitionsvertrag, 2013). Damit hat die Große Koalition die Linie der Vorgängerregierung verlassen. Diese hatte 2012 auf eine Kleine Anfrage zur „Praktischen und rechtlichen Situation der Schwerbehindertenvertretungen“ noch sehr zurückhaltend geantwortet. Die Fragesteller verwiesen darauf, dass vielen Vertrauenspersonen die erforderlichen Durchsetzungsmöglichkeiten fehlten und eine Kluft zwischen den hohen Idealen des Gesetzes SGB IX und der frustrierenden Alltagsrealität im Betrieb bestünde. Demgegenüber verneinte 2012 die Bundesregierung jeden Handlungsbedarf. Offensichtlich erschien die Schwerbehindertenvertretung als eine historisch überkommene Einrichtung (Teilhabebericht der Bundesregierung) ohne eine wesentliche Bedeutung für ihre Teilhabepolitik. Stand der Umsetzung des Koalitionsvertrags Die behindertenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen der Großen Koalition planen zur Erfüllung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag einen gemeinsamen Entschließungsantrag „Schwerbehindertenvertretungen als Partner für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung in den Betrieben stärken“ in den Bundestag einzubringen. Zur Vorbereitung hatte am 08.05.2014 im Bundestag ein Expertengespräch stattgefunden. Dessen einhelliges Ergebnis war, dass sowohl die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung als auch die persönliche Rechtsstellung der Mitglieder gestärkt werden müssen. Insbesondere sei in vielen Betrieben die Durchsetzung der Pflicht des Arbeitgebers, vor Entscheidungen die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten ein dringendes Problem. Ohne eine Sicherstellung dieses Anspruchs auf rechtzeitige Unterrichtung könne die Schwerbehindertenvertretung den Betroffenen nicht die erforderliche Hilfestellung leisten. Inzwischen hat auch die zuständige Fachabteilung des Ministeriums mit der Umsetzung begonnen. Am 20.10.2014 fand im Ministerium ein Workshop statt, zu dem ca. 80 Schwerbehindertenvertretungen, zwei Wissenschaftler sowie DGB und BDA als Sachverständige geladen waren. Wieder bestand Übereinstimmung: Die Schwerbehindertenvertretungen müssen gestärkt werden. Umstritten ist im politischen Raum vor allem die von den Schwerbehindertenvertretungen geforderte „Unwirksamkeitsklausel“. Danach soll jede Arbeitgebermaßnahme unwirksam sein, solange keine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung entsprechend § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX stattgefunden hat. Wie wichtig es ist, die ehrenamtliche Tätigkeit der Schwerbehinderten zu fördern, zeigt das Ergebnis der jüngsten Studie: 47 % der Beschäftigten mit Behinderung, geben an, die Unterstützung der Schwerbehindertenvertretung 226 in Anspruch genommen zu haben. Der Anteil behinderungsgerechter Arbeitsplätze ist in Betrieben mit Schwerbehindertenvertretung um 36 % höher als in vertretungslosen Betrieben (Verdi Studie, 2014). 2015 soll ein Referentenentwurf vorgelegt werden. Literatur Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen vom 31.07.2013. CDU, CSU und SPD: Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode vom 16.12.2013. Düwell, F.J. (2014): Inklusionsorientierte Reform des SGB IX. Recht und Praxis der Rehabilitation. 5. Düwell, F.J. (2013): Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch IX. 4. Aufl. Baden-Baden. Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi Studie, 2014): Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderung, Repräsentativumfrage. Berlin. Budget für Arbeit – Übergang Schule-Beruf und WfbM-allgemeiner Arbeitsmarkt Nebe, K. Universität Halle-Wittenberg Einleitung Die Zahl der Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) stieg von ca. 235.800 (2003) auf ca. 301.100 (2013). Die Übergangsquote auf den allgemeinen Arbeitsmarkt liegt wiederum bei unter 1 %. Rund ein Fünftel der Werkstattbeschäftigten sind seelisch behindert. Da nur 5 % der seelisch behinderten Menschen direkt aus der Schule in die WfbM kommen, ist ihr Anteil bei den „Quereinsteigern“ besonders hoch (Kardorff/Ohlbrecht, 2014, S. 272). Diese Zahlen sind unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisch zu bewerten. Zum einen widerspricht diese Wirklichkeit den Rechten behinderter Menschen auf freien Zugang zu einem offenen und inklusiven Arbeitsmarkt, vgl. Art. 27 UN-BRK und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (Nebe, 2014). Die Beschäftigung behinderter Menschen in Sonderarbeitswelten ist zudem vor dem Hintergrund steigender Ausgaben kritisch zu hinterfragen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2010 von den 13,8 Mrd. Euro der gesamten Ausgaben der Eingliederungshilfe immerhin 3,7 Mrd. Euro (d. h. 27 %) allein für Leistungen in WfbM aufgewendet. Gegenwärtiger Forschungsstand Barrieren beim Zugang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt werden verstärkt erforscht und insbesondere folgende Barrieren berichtet (jüngst Kardorff/Ohlbrecht, 2014): ‒ sozialpsychologische Aspekte der Verantwortlichen in den Betrieben bei Einstellung, Ausbildung und Beschäftigung behinderter und chronisch kranker Menschen, wobei negative Vorurteile nach gewonnenen praktischen Erfahrungen im Umgang mit behinderten Menschen in überwiegend positive Einstellungen umschlagen. 227 ‒ sozialpsychologische Aspekte bei Kolleg(inn)en, unmittelbaren Vorgesetzten und Ausbildern, die sich bei bestimmten Beeinträchtigungen (z. B. bei Suchterkrankungen) verstärken. ‒ institutionelle Barrieren und verfahrensbedingte Hindernisse, z. B. bei der technischen und/oder organisatorischen Umgestaltung des Arbeitsplatzes/der Beschäftigung/der Ausbildung, gerade für KMU; in einer aus einer Hand koordinierten (Wieder-)Eingliederung wird eine wesentliche Gelingensbedingung gesehen. Daneben werden modellhaft auf Landesebene Projekte für einen verbesserten Übergang erprobt (exemplarisch für NRW Rohde, 2014 sowie für Baden-Württemberg Deusch, 2014). Die von der Mehrzahl der Bundesländer initiierten „Budget für Arbeit“ zielen weitgehend einheitlich auf einen Abbau dieser Barrieren und eine stärkere Durchlässigkeit aus der Schule in den allgemeinen Ausbildungsmarkt bzw. aus der Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine gemeinsame Evaluation der unterschiedlich ausgestalteten Projekte fand bislang nicht statt. Gleichwohl ist es Anliegen der gegenwärtigen Regierungskoalition, in den Reformen zum SGB IX und zur Eingliederungshilfe die Erfahrungen der Modellprojekte „Budget für Arbeit“ aufzugreifen und fortzuentwickeln. Empfehlungen zur Verbesserung der Übergänge und zur Öffnung der Ausbildungsund Arbeitsmärkte für behinderte Menschen Im Rahmen einer vom Landschaftsverband Rheinland in Auftrag gegebenen Untersuchung wurden verschiedene Modelle „Budget für Arbeit“ untersucht (Nebe/Waldenburger, 2014). Dabei richtete sich das Augenmerk auf folgende Schwerpunkte und mögliche Änderungsvorschläge: ‒ leistungsrechtliche Ausgestaltung eines Budgets für Arbeit im Sinne einer Bündelung sozialrechtlicher Leistungsansprüche behinderter Menschen, d. h. der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 ff. SGB IX) mit den begleitenden Hilfen im Arbeitsleben (§ 102 SGB IX) und den Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 55 ff. SGB IX), ‒ gesetzliche Regelung einer Gesamtsteuerungsverantwortung, z. B. Überleitungsmanagement durch die Integrationsämter (angelehnt an § 102 SGB IX), ‒ Berufswegekonferenzen, ‒ behinderungsgerechte Berufsausbildung und Sensibilisierung für die § 64 ff. BBiG, § 42k ff. HWO, ‒ Beseitigung von sozialrechtlichen Fehlanreizen sowie ‒ Schaffung eines dauerhaften Eingliederungszuschusses und Minderleistungsausgleiches. Literatur Kardorff, E. v., Ohlbrecht, H. (2014): Zugang zum Allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen – Bestandsaufnahme und Ergebnisse einer Expertise im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Berufliche Rehabilitation, 28 (3). 267. Nebe, K., Waldenburger, N. (2014): Forschungsbericht „Budget für Arbeit“ im Auftrag des Integrationsamtes des Landschaftsverbandes Rheinland. 228 Nebe, K. (2014): Vorbem. zu §§ 112–129 SGB III. In: Gagel (Hrsg.): Kommentar zu SGB II/ SGB III. Rohde, K.-P. (2014): Budget für Arbeit, in: Recht und Praxis der Rehabilitation, 1 (2). 19. Deusch, B. (2014): Sozialgesetzbuch IX. Kommentierung zu § 33 ff., 4. Aufl. Eingliederungshilfe für seelisch, körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche: Aktuelle Probleme eines alten Zuständigkeitsdilemmas Schimank, C. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Hintergrund Das SGB IX bildet den Rahmen für die Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, wobei zwischen verschiedenen Gruppen von Teilhabeleistungen unterschieden wird (§ 5 SGB IX). Dem SGB IX kommt dabei die Funktion zu, die benannten Leistungen zu koordinieren, eigenständige Anspruchsgrundlagen enthält es jedoch nicht. Die Leistungen gewähren die Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX), deren Zuständigkeit sich aus der Zielrichtung der beanspruchten Leistung ergibt. Die Abgrenzung erfolgt dabei nicht immer eindeutig. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen SGB VIII und SGB XII Besondere Schwierigkeiten zeigen sich bei Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendliche nach dem SGB VIII und dem SGB XII. Neben schwierigen Zuständigkeitsabgrenzungen, die aus den verschiedenen Zielrichtungen der einzelnen Sozialgesetzbücher resultieren, kommt es zu Abgrenzungsproblemen zwischen den Sozialhilfeträgern und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, die sich aus einer zusätzlichen Differenzierung hinsichtlich der Behinderungsart ergeben (Schumacher, 2013). Den einschlägigen Vorschriften zufolge erbringt der Sozialhilfeträger Eingliederungsleistungen für Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen hingegen ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn beide Träger identische (Eingliederungs-)Hilfen vorsehen und eine Mehrfachbehinderung vorliegt oder eine eindeutige Zuordnung zu einer der benannten Behinderungsarten nicht möglich ist (Banafsche, 2011, 117). Eine theoretische Lösung liefert hier die Kollisionsnorm des § 10 Abs. 4 SGB VIII zusammen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 23.09.1999, Az.: 5 C 26/98). Diese führt im Ergebnis dazu, dass in den benannten Fällen die Sozialhilfe vorrangig zuständig wird. Diskussion und Ausblick In der Praxis bewirkt die Komplexität der beschriebenen Regelungen jedoch verschiedene Umsetzungsprobleme. Neben den Zuständigkeitsfragen seitens der Leistungsträger sind die einzelnen Vorschriften für die Leistungsempfänger nur schwer zugänglich und nachvollziehbar. Hinzu treten Unterschiede in der Umsetzung: diese äußern sich einerseits in einer Benachteiligung für körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche aufgrund der 229 strengeren Anspruchsvoraussetzungen, die an die Gewährung der Eingliederungshilfeleistungen im SGB XII gestellt werden (Wesentlichkeitskriterium, Erfolgskriterium). Andererseits bewirken Unterschiede in der Kostenbeteiligung Nachteile für Familien seelisch behinderter Kinder (Wiesner, 2012, 260). Letztlich sieht das SGB IX zwar verschiedene Regelungen vor, die die Leistungsträger zur Kooperation verpflichten (§ 10 ff. SGB IX) und somit zur Lösung von Zuständigkeitskonflikten beitragen sollen (Münder et al., 2013, S. 176–179 Rn. 49–60). Die praktische Nutzung dieser ist derzeit jedoch noch unzureichend. Zudem können die Vorschriften Probleme, verursacht beispielsweise durch unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen, nicht auflösen. In diesem Zusammenhang und vor allem mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention neu entfacht wird die Diskussion um eine sogenannte „Große Lösung“ geführt mit dem Ziel einer Gesamtzuständigkeit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (Wiesner, 2012). Literatur Banafsche, M. (2011): Kinder und Jugendliche mit Behinderung zwischen SGB VIII und SGB XII – Im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention. ZKJ 4. 116-123. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.09.1999, Az.: 5 C 26/98. Münder, J., Meysen, T., Trenczek, T. (Hrsg.) (2013): Frankfurter Kommentar SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe, Baden-Baden: Nomos, 4. Aufl. Schumacher, N. (2013): Soziale Leistungen für Kinder mit Behinderung im Fadenkreuz zwischen Jugend- und Sozialhilfe. Forum A, Beitrag A25-2013 unter www.reha-recht.de; 25.11.2013. Wiesner, R. (2012): Von der Integration zur Inklusion: Die >>große Lösung<< - eine Jugendhilfe für alle Kinder und Jugendlichen. Jugendhilfe 5. 257-264. 230 Bewegungstherapie Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung – Vergleich der Jahre 2007 und 2012 Brüggemann, S., Sewöster, D. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund und Zielsetzung Bewegungstherapie, also Verfahren, die körperliche Bewegung als Therapieagens einsetzen, beeinflusst die funktionale Gesundheit über alle ICF-Komponenten positiv. Somit ist es nur konsequent, dass bewegungstherapeutische Leistungen sowohl von der Anzahl als auch von der Dauer her in der Rehabilitation der Rentenversicherung einen hohen Stellenwert haben. So lag die durchschnittliche Dauer der Bewegungstherapie bereits 2007 bei 9,4 Stunden pro Woche und Rehabilitand mit bewegungstherapeutischen Leistungen bei einem zeitlichen Anteil an allen Leistungen zwischen 40,4 % (Dermatologie) und 75,4 % (Onkologie) (Brüggemann, Sewöster 2009; 2010). Ziel der hier vorgestellten Studie ist es, die quantitative Bedeutung der Bewegungstherapie in der Rehabilitation der Rentenversicherung auf der Basis der von der Deutschen Rentenversicherung routinemäßig erhobenen Leistungsdaten darzustellen und Veränderungen gegenüber dem Stand vor 6 Jahren zu erkennen. Methoden Routinemäßig werden in den Reha-Entlassungsberichten alle Behandlungen während einer medizinischen Rehabilitation dokumentiert. Hierzu wird die Klassifikation Therapeutischer Leistungen (KTL, DRV 2007) eingesetzt. Nach KTL können bewegungstherapeutische Leistungen dokumentiert werden als Sport- und Bewegungstherapie (Kapitel A), Physiotherapie (Kapitel B) und Rekreationstherapie (Kapitel L, ohne Kommunikation/Interaktion). Für die zentralen Indikationen der Rehabilitation wurden die KTL-Daten deskriptiv analysiert. Erfasst wurden insbesondere Anteil und Dauer von Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie sowie deren Verteilung. Um Indikationen mit unterschiedlicher Verweildauer vergleichbar zu machen, ist die Bezugsgröße für die Reha-Dauer die Woche. Ergebnisse Datengrundlage sind 79.416.903 therapeutische Leistungen aus 684.741 Entlassungsberichten in 8 Indikationen (Pneumologie und Dermatologie wurden gemeinsam ausgewertet). Der Anteil der Rehabilitanden mit Leistungen aus den verschiedenen bewegungstherapeutischen Kapiteln hat sich gegenüber der letzten Untersuchung deutlich geändert. Die Änderungen der Spannen zwischen 2007 und 2012 sind in Tab. 1 dargestellt. 231 Range 2007 Range 2012 min. max. min. max. Bewegungstherapie 82 % Onkologie 98 % Kardiologie 91 % Onkologie 99 % Kardiologie & Psychosomatik Physiotherapie 62 % Kardiologie 98 % Orthopädie 64 % Kardiologie 98 % Orthopädie Rekreationstherapie Sport 20 % Neurologie 49 % Pneumologie/ Dermatologie 22 % Neurologie 44 % Psychosomatik Tab. 1: Range zwischen Indikationen mit den wenigsten und den meisten bewegungstherapeutischen Leistungen 2007 und 2012 Über alle Indikationen konnten 30.358.919 Leistungen (38,2 %) der Bewegungstherapie (Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie oder Rekreationstherapie) zugeordnet werden. Die durchschnittliche Dauer der Bewegungstherapie liegt bei 12,1 Stunden pro Woche und Rehabilitand mit bewegungstherapeutischen Leistungen. Die Verteilung der Dauer der Bewegungstherapie auf die verschiedenen Indikationen ist Tab. 2 zu entnehmen. Sport- und Bewegungstherapie Physiotherapie Rekreationstherapie Bewegungstherapie gesamt alle Leistungen Anteil an allen Leistungen Gastroenterologie 5,5 3,5 2,6 11,6 17,7 65,5 % Kardiologie 7,5 2,9 2,0 12,4 16,8 73,8 % Neurologie 5,6 4,2 1,7 11,5 15,9 72,3 % Onkologie 4,7 4,4 4,0 13,1 17,1 76,6 % Orthopädie 6,4 4,7 2,6 13,7 18,5 74,1 % Pneumologie/ Dermatologie 6,3 4,0 2,2 12,5 17,8 70,2 % Psychosomatik 6,2 2,2 1,8 10,2 18,9 54,0 % Durchschnitt alle Indikationen 6,0 3,7 2,4 12,1 17,5 69,5 % Tab. 2: Dauer der einzelnen Bestandteile der Bewegungstherapie pro Rehabilitand mit Leistungen pro Woche in Stunden und ihr Verhältnis zu allen therapeutischen Leistungen Weiterhin unterscheidet sich die Verteilung der Bewegungstherapie zwischen Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie in den verschiedenen Indikationen. Die Verteilung im Jahr 2012 ist in Abb. 1 dargestellt. 232 Alle Psychosomatik Pneumologie/Dermatologie Orthopädie Onkologie Neurologie Kardiologie Gastroenterologie 0% 20% 40% Sport- und Bewegungstherapie 60% Physiotherapie 80% 100% Rekreationstherapie Abb. 1: Anteile von Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie an der Gesamtdauer bewegungstherapeutischer Maßnahmen, 2012 Diskussion und Schlussfolgerung Die erhobenen Daten zeigen, dass der bereits hohe Stellenwert bewegungstherapeutischer Leistungen sowohl von der Anzahl als auch von der Dauer her in der Rehabilitation der Rentenversicherung in den betrachteten 6 Jahren weiter zugenommen hat. Es ist zu vermuten, dass diese Zunahme im Zusammenhang mit der fortschreitenden Etablierung der RehaTherapiestandards der Deutschen Rentenversicherung steht. Wie auch in der ersten Untersuchung zeigen unterschiedliche Gesamtdauer, relative Dauer im Verhältnis zu anderen Therapieverfahren, Anteil von Einzeltherapie und Art der Bewegungstherapie unterschiedliche therapeutische Ansätze, die sich aus den verschiedenen Indikationen gut begründen lassen. Die Ergebnisse sprechen für eine sinnhafte, indikations- und krankheitsspezifisch ausgestaltete Zusammenstellung der Inhalte der Bewegungstherapie. Um allerdings die Qualität in der Bewegungstherapie einschließlich korrekter Indikationsstellung, konkreter Inhalte, Organisationsformen und Auswahl angewandter Methoden während einer Rehabilitation grundsätzlich beurteilen zu können, sind weitere Studien notwendig (AG Bewegungstherapie, 2009). Literatur Arbeitsgruppe „Bewegungstherapie“ in der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) (2009): Ziele und Aufgaben der Arbeitsgruppe „Bewegungstherapie“ in der DGRW. Die Rehabilitation, 48. 252-255. Brüggemann, S., Sewöster D. (2010): Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung. DRV-Schriften, Bd. 88. 378-380. Brüggemann, S., Sewöster D. (2010): Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung. Bewegungstherapie & Gesundheitssport, 26 (6). 266-269. 233 Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): KTL Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. 5. Aufl., Berlin. Implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen Schuler, M. (1), Blümke, M. (2), Meng, K. (1), Faller, H. (1) (1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg, (2) Psychologisches Institut, Universität Heidelberg Hintergrund und Fragestellung Die Initiierung und Aufrechterhaltung regelmäßiger körperlicher Aktivität ist ein zentrales Therapieziel in der Rehabilitation chronischer Rückenschmerzen. Vielen Rehabilitanden fällt es jedoch schwer, regelmäßige körperliche Aktivität im Alltag aufrechtzuerhalten (z. B. Reuter et al., 2009). Explizit geäußerte Intentionen zu gesundheitsbewusstem Verhalten am Ende der medizinischen Rehabilitation sagen nur schwach tatsächliches Gesundheitsverhalten vorher („Intentions-Verhaltenslücke“) (Webb, Sheeran, 2006). Nach sog. „Dual-Process“-Modellen wird Verhalten jedoch nicht nur von expliziten Einstellungen und bewussten Intentionen bestimmt, sondern auch durch implizite Einstellungen, die spontanen und eher nichtbewussten Affekt repräsentieren (Sheeran et al., 2013). Sie werden über objektive Reaktionszeiten erfasst, gelten als relativ unabhängig von expliziten Einstellungen und sagen regelmäßig Verhalten vorher, das der reflexiven Kontrolle nur unvollständig unterliegt. Frühere Forschung an der Allgemeinbevölkerung (Bluemke et al., 2010) zeigte bereits, dass implizite Einstellungen zu körperlicher Aktivität zwischen gesunden Personen, die viel Sport treiben, und solchen, die nur wenig Sport treiben, differenzieren. Die bisherige Forschung und Interventionsentwicklung in der medizinischen Rehabilitation bezieht sich ausschließlich auf intentionales Verhalten bzw. motivationale und volitionale Verhaltensdeterminanten (z. B. Schwarzer et al., 2008). In der vorliegenden Studie wird geprüft, ob der Single-Target Implicit Associaton Test (ST-IAT) zur Messung impliziter Einstellungen zu körperlicher Aktivität bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen geeignet ist. Es werden die folgenden Fragestellungen geprüft: Weisen mit dem ST-IAT erfasste implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität signifikante Zusammenhänge mit tatsächlicher körperlicher Aktivität auf? Bleiben diese Zusammenhänge bestehen, wenn gleichzeitig explizite Einstellungen zur Vorhersage der körperlichen Aktivität beachtet werden? Methode Querschnitterhebung bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen in 2 Kooperationskliniken. Zu Beginn der Rehabilitation wird ein ST-IAT bearbeitet. Im Anschluss werden mittels Fragebogen die körperliche Aktivität (Freiburger Fragebogen zur körperlichen Aktivität), explizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität und weitere mögliche Moderatorvariablen (HAPA-Skalen) erfasst. Die Zusammenhänge werden mittels Korrelations- und Regressionsanalysen berechnet. 234 Ergebnisse Es konnten n=89 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in die Studie eingeschlossen werden. Es fanden sich signifikante Zusammenhänge in erwarteter Höhe zwischen ST-IAT-Messungen und Freizeit-, Sport- und Gesamtaktivität (0,23<r<0,26). Auch bei Kontrolle um explizite Einstellungen bleiben Zusammenhänge zwischen impliziten Einstellungen und körperlicher Aktivität signifikant (p=0,048). Diskussion Es konnte unseres Wissens erstmals gezeigt werden, dass implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen mittels eines ST-IAT erfasst werden können. Implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität scheinen einen von expliziten Einstellungen unabhängigen Beitrag zur Vorhersage von körperlicher Aktivität zu leisten und könnten ein fehlendes Bindeglied sein, um die Intentionsverhaltenslücke zu schließen. In weiteren Auswertungen sollen theoretische und empirische Beziehungen zu weiteren motivationalen und volitionalen Verhaltensdeterminanten (z. B. HAPA-Skalen [Schwarzer et al., 2008]) untersucht werden. Implizite Einstellungen kommen als weitere proximale Erfolgskriterien in der Reha in Betracht. Hieraus ergeben sich Ansatzpunkte für die Entwicklung innovativer kognitiver Interventionen (Sheeran et al., 2013) zur Modifikation impliziter Einstellungen mit dem Ziel, körperliche Aktivität nachhaltiger zu verankern. Förderung: Netzwerk Rehabilitationsforschung in Bayern e. V. Literatur Bluemke, M., Brand, R., Schweizer, G., Kahlert, D. (2010): Exercise might be good for me, but I don’t feel good about it: Do automatic associations predict exercise behavior? Journal of Sport and Exercise Psychology, 32. 137-153. Reuter, T., Ziegelmann, J.P., Lippke, S., Schwarzer, R. (2009): Long-term relations between intentions, planning and exercise: A 3-year longitudinal study after orthopedic rehabilitation. Rehabilitation Psychology, 54. 363-371. Schwarzer, R., Luszczynska, A., Ziegelmann, J., Scholz, U., Lippke, S. (2008): Social-cognitive predictors of physical exercise adherence: Three longitudinal studies in rehabilitation. Health Psychology, 27. 54-63. Sheeran, P., Gollwitzer, P.M., Bargh, J.A. (2013): Nonconscious processes and health. Health Psychology, 32. 460-473. Webb, T.L., Sheeran, P. (2006): Does changing behavioral intentions engender behavior change? A meta-analysis of the experimental evidence. Psychological Bulletin, 132. 249-268. 235 Effektivität einer Multikomponenten-Intervention auf die körperliche Freizeitaktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten: 6-Monats-Follow-up einer randomisierten kontrollierten Studie Schaller, A. (1), Dejonghe, L. (1), Kavelaars, B. (2), Froböse, I. (1) (1) Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Aggertalklinik, Engelskirchen Hintergrund Die Hinführung zu einem körperlich aktiven Lebensstil ist ein übergeordnetes Ziel der Bewegungstherapie (Pfeifer at al., 2010). Da es vielen Rehabilitanden allerdings nicht gelingt, bewegungsbezogene Ziele langfristig umzusetzen, benötigen Patienten sowohl bei der Formulierung als auch bei der Realisierung von körperlicher Aktivität gezielte Unterstützung (Deck et al., 2009). Nach wie vor ist die Entwicklung von zielgruppenspezifischen Konzepten zur nachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität und deren Wirksamkeitsevaluation ein relevantes Forschungsthema. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde eine Multikomponenten-Intervention (Bewegungscoaching) zur nachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität in die stationäre Rehabilitation implementiert. In der vorliegenden Auswertung wird die Effektivität von Bewegungscoaching im Vergleich zu einer Kontrollgruppe sechs Monate nach der Rehabilitation evaluiert. Methodik Die Wirksamkeit von Bewegungscoaching wurde mit einer monozentrischen randomisiert kontrollierten Studie mit 3 Messzeitpunkten überprüft (T1 = Beginn der stationären Rehabilitation, T2 = 6-Monats-Follow-up, T3 = 12-Monats-Follow-up) (DRKS-ID: DRKS00003360). Primäre Zielgröße der vorliegenden Evaluation war körperliche Freizeitaktivität, welche mit dem „Global Physical Activity Questionnaire“ (GPAQ) (Armstrong, Bull, 2006) erfasst wurde. Die vorliegende Auswertung beschränkt sich auf die Per-protocol-Analyse des Gruppenunterschiedes in der körperlichen Freizeitaktivität im 6-Monats-Follow-up (T2). Die Interventionsgruppe (IG) erhielt ein Bewegungscoaching bestehend aus einer Kleingruppenintervention während der stationären Rehabilitation kombiniert mit telefonischer und internetbasierter Nachsorge. Die Kontrollintervention (KG) bestand aus 2 Vorträgen zur körperlichen Aktivität während der stationären Rehabilitation, welche zudem poststationär zum Download bereit standen. Die Stichprobe umfasste 412 Rückenschmerzpatienten im stationären Heilverfahren (IG=201; KG=211). Gruppenunterschiede wurden mittels Mann-Whithney-U-Test bzw. Chi2-Test geprüft. Ausschlusskriterien waren kognitive Einschränkungen, unzureichende Deutschkenntnisse, operative Eingriffe in den letzten 3 Monaten vor der Rehabilitation und posttraumatische Zustände (z. B. Reha als Unfallfolge). Ergebnisse Die Rücklaufquote zu T2 lag bei 47 %, sodass 194 komplette Datensätze (IG: 94; KG: 100) zur Auswertung zur Verfügung standen. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in Alter (p=0,06), BMI (p=0,24), Geschlecht (p=0,13) und Gruppenzugehörigkeit (p=0,77) zwischen Respondern und Non-Respondern. 236 Bezogen auf die ausgewertete Längsschnittstichprobe waren 126 Teilnehmer Männer (66 %), das Durchschnittsalter lag bei 51,4 Jahren (±7,3), der mittlere BMI bei 28,8 (±5,0) und 106 Teilnehmer (55 %) gaben Volks-/Hauptschule als höchsten Schulabschluss an. IG und KG zeigten keine signifikanten Unterschiede in Geschlecht (p=0,17), Alter (p=0,22), BMI (p=0,05) und Schulabschluss (p=0,52). 6 Monate poststationär zeigte sich bezüglich der Gesamt-Freizeitaktivität im Gruppenvergleich nur ein marginaler und nicht signifikanter Effekt zugunsten der Interventionsgruppe (IG: median = 270 MET-min/Woche; KG: median = 180 MET-min/Woche; p=0,21). In der Freizeit erreichten 33 Patienten der IG (37 %) und 26 Patienten der KG (27 %) die WHOEmpfehlungen von mindestens 600 MET-min/Woche. Auch hierbei zeigte sich kein signifikanter Gruppenunterschied (p=0,27). Diskussion und Ausblick Hinsichtlich der Förderung von körperlicher Freizeitaktivität ist zum Zeitpunkt sechs Monate poststationär keine Überlegenheit der Multikomponenten-Intervention Bewegungscoaching im Vergleich zur niedrigintensiven Kontrollintervention nachweisbar. Die Ergebnisse zur Effektivität von Bewegungscoaching im 1-Jahres-Follow-up liegen ab Mai 2015 vor. Im nächsten Schritt werden neben der Freizeitaktivität auch die Dimensionen der Transport- und Arbeitsaktivität ausgewertet. Zudem sind adjustierte Auswertungen und Subgruppenanalysen geplant um zu erkennen, ob die Multikomponenten-Intervention für bestimmte Teilgruppen positive Effekte hat und wie diese Teilgruppen gegebenenfalls beschrieben werden können. Förderung: Rehabilitations-Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (refonet) Literatur Armstrong, T., Bull, F. (2006): Development of the World Health Organization Global Physical Activity Questionnaire (GPAQ). J Public Health, 14/2. 66-70. Deck, R., Hüppe, A., Arlt, A.C. (2009): Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine längerfristige Begleitung der Rehabilitanden – Ergebnisse einer Pilotstudie. Rehabilitation, 48/1. 39, 46. Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): DGRW-Update: Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Die Rehabilitation, 49. 224-236. 237 Entwicklung einer Person-orientierten Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation Sudeck, G. (1), Belizer, W. (1), Bosch, R. (2), Huber, G. (2) (1) Institut für Sportwissenschaft, Eberhard Karls Universität Tübingen, (2) Institut für Sport und Sportwissenschaft, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Hintergrund Die Evidenzlage für positive Effekte körperlicher Aktivität in der Rehabilitation verschiedener chronischer Erkrankungen ist mittlerweile immens. Vor diesem Hintergrund gehört die Bewegungstherapie zu einer festen Säule innerhalb multidisziplinärer Rehabilitationsprogramme. Der Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation gelingt es bisher jedoch nicht zufriedenstellend, erfolgreich auf eine Bindung an körperlich-sportliche Aktivität im Anschluss an eine Reha-Maßnahme hinzuwirken (Pfeifer et al., 2010). Das Ziel des Beitrags besteht in der Vorstellung einer stärker Person-orientierten Bewegungstherapie auf Basis einer individuellen Diagnostik von personalen Merkmalen. Neben den körperlich-motorischen Voraussetzungen, die aktuell viele Therapiekonzepte aufgrund ihrer Bedeutung für das körperliche Training dominieren, soll im Rahmen einer Person-orientierten Bewegungstherapie ein breiteres Spektrum personaler Voraussetzungen in die Diagnostik einbezogen werden und als Ausgangspunkt für eine stärker auf den individuellen Bedarf ausgerichtete Bewegungstherapie genutzt werden. Studiendesign und Methodik In einer 1. Studienphase wurde eine Querschnitterhebung bei 1.075 Rehabilitandinnen und Rehabilitanden zu Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme in den Indikationsbereichen Kardiologie, Orthopädie, Onkologie und Stoffwechselerkrankungen durchgeführt. Die Erhebungen erfolgten anhand eines Fragebogenverfahrens, das ein möglichst breites Spektrum personaler Voraussetzungen abdecken sollte. Mit Orientierung an dem Modell einer bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz (Pfeifer et al., 2013) wurden personale Merkmale aus den Bereichen motivational-volitionale Verhaltensdeterminanten, Motive und Ziele für Sportaktivitäten, Steuerungskompetenzen für gesundheitswirksame Bewegung, körperlichmotorischer Zustand, Sport- und Bewegungsaktivität, Gesundheit und Befinden sowie Erwartungen an die Bewegungstherapie einbezogen. Der 1. Analyseschritt der Studienphase 1 bezog sich auf die begründete Auswahl von personalen Merkmalen, die ins Zentrum für die Differenzierung der Zielgruppe gestellt werden sollten (sog. segmentbildende Merkmale). Als relevante segmentbildende Merkmale wurden auf Basis formal-statistischer Kriterien sowie inhaltlich-konzeptioneller Abwägungen folgende personale Voraussetzungen ausgewählt: sportbezogenes Motiv Gesundheit/Fitness, Planung sportlicher Aktivität, Selbstwirksamkeit für die Verhaltensumsetzung, affektive Einstellung gegenüber körperlicher Aktivität, wahrgenommene Barriere einer Unsicherheit in Bezug auf Körper-Bewegung sowie der motorische Funktionszustand. Als 2. Analyseschritt der Studienphase 1 erfolgte eine indikationsspezifische Differenzierung der Reha-Zielgruppe auf Basis clusteranalytischer Auswertungen. 238 In der Studienphase 2 wurden die identifizierten Segmente zum einen im Rahmen einer Fokusgruppe mit 6 Bewegungstherapeutinnen und Bewegungstherapeuten hinterfragt und in ihren Konsequenzen für eine Person-orientierte Bewegungstherapie reflektiert. Zum anderen wurden die diagnostischen Verfahren und Segmente der Reha-Zielgruppe durch eine kommunikative Validierung im Rahmen qualitativer Interviews mit 62 Rehabilitandinnen und Rehabilitanden geprüft. Ergebnisse In die Datenauswertungen der Studienphase 1 konnten Informationen von 1.028 Rehabilitandinnen und Rehabilitanden (MAlter = 53,8 Jahre, SDAlter = 9,2 Jahre; 44 % Frauen) aus den 4 Indikationsbereichen eingeschlossen werden. Mittels Clusteranalysen ließen sich für die einzelnen Indikationen zwischen 5 und 7 Segmente aus Rehabilitandinnen und Rehabilitanden mit ähnlichen personalen Voraussetzungen identifizieren und voneinander abgrenzen. Unterschiedliche Kriterien für die Güte von Clusteranalysen, wiesen auf eine gute Homogenität innerhalb der einzelnen Cluster hin und zeigten eine zufriedenstellende bis gute Abgrenzbarkeit der Cluster untereinander. Die Stabilität der Cluster unter Anwendung unterschiedliche Clusteranalyse-Verfahren war als gut zu bezeichnen (Kappa = .70−.82). Diskussion und Konsequenzen für die Rehabilitationspraxis Die Differenzierung verdeutlicht mögliche Ansatzpunkte für einen unterschiedlichen Versorgungsbedarf im Rahmen einer biopsychosozialen Gestaltung der Bewegungstherapie und der Hinführung zu körperlich-sportlichen Aktivitäten. Hierfür gaben die qualitativen Studienteile eine Bekräftigung für die Verständlichkeit und die Relevanz des Ansatzes einer Personorientierten Bewegungstherapie. Als wichtige Voraussetzung für die Umsetzbarkeit wurde im Rahmen des Projekts ein computergestütztes diagnostisches Verfahren für die personalen Merkmale und die individuelle Segmentzuordnung erstellt. Die vollzogenen Entwicklungsschritte für eine Person-orientierte Bewegungstherapie ermöglichen eine individuelle Bedarfsfeststellung auf Basis personaler Voraussetzungen in Ergänzung zu bestehenden Diagnosemöglichkeiten und bieten eine substanzielle Ergänzung für eine Patienten-orientierte Planung von Bewegungstherapie. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität und Perspektiven. Die Rehabilitation, 49. 224-236. Pfeifer, K., Sudeck, G., Geidl, W.,Tallner, A. (2013): Bewegungsförderung und Sport in der Neurologie-Kompetenzorientierung und Nachhaltigkeit. Neurologie & Rehabilitation, 19 (1). 7-19. 239 Psycho- in der Physiotherapie? Machbarkeit psychosozialer Therapiebausteine zur Therapiemotivation und Körperwahrnehmung in der Bewegungstherapie Ott, I. (1), Hasenbring, M. (2), Kellmann, M. (2), Levenig, C. (2), Mierswa, T. (2), Kleinert, J. (1) (1) Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Ruhr-Universität Bochum Hintergrund Die eng verknüpften Bereiche der Therapiemotivation und Körperwahrnehmung spielen in der bewegungstherapeutischen Behandlung von Patienten mit nichtspezifischen Rückenschmerzen (PnsR) eine wichtige Rolle, da sie u. a. mit der Compliance der Patienten und Therapieoutcomes (z. B. Schmerzintensität) zusammenhängen (Lotze, Moseley, 2007; Vong et al., 2011). Bisher mangelt es jedoch an psychosozialen Therapiebausteinen, die die Therapeuten einfach und effektiv in der Bewegungstherapie einsetzen können. Denn Studien, die positive Auswirkungen von Maßnahmen zur Therapiemotivation und zur Körperwahrnehmung beschreiben (Vong et al., 2011; Mehling et al., 2011), überprüften diese kaum im Praxisalltag. Deshalb war es das Ziel, die Machbarkeit psychosozialer Therapiebausteine zur Internalisierung der Therapiemotivation und zur Verbesserung der Körperwahrnehmung im Praxisalltag bei der bewegungstherapeutischen Behandlung von PnsR zu untersuchen. Methode An der Machbarkeitsstudie nahmen 12 praktizierende Physio- oder Sporttherapeuten teil (9 männlich, 3 weiblich; Alter: M = 31,0 Jahre, SD=7,4; Berufserfahrung: M = 7,3 Jahre, SD=8,0). Im Zeitraum von April bis Juli 2014 behandelten sie zwischen 1 und 30 PnsR (M=11,6) in einem bewegungstherapeutischen Setting (z. B. Krankengymnastik), wobei sie 10 vorgegebene psychosoziale Therapiebausteine zur Verinnerlichung der Therapiemotivation und Verbesserung der Körperwahrnehmung anhand vorgegebener Kriterien (z. B. Umsetzbarkeit) nach einem Baukastenprinzip einsetzten. Diese bestanden aus aktiven Übungen, Visualisierungstechniken, Gesprächsleitfäden und Arbeitsblättern. Abschließend wurden die Parameter Therapeuten- und Patientenakzeptanz, Praktikabilität sowie die Absicht, die Therapiebausteine langfristig zu übernehmen in einem semistrukturiertem Interview erhoben. Das transkribierte Interviewmaterial wurde nach den Vorgaben zur qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring unter Verwendung der Software „MAXQDA 10“ ausgewertet. Ergebnisse Die Therapiebausteine waren für alle Therapeuten von hoher Relevanz und hohem Nutzen, wobei insbesondere der Verknüpfung der Bereiche Motivation und Körperwahrnehmung eine hohe praktische Bedeutung zugemessen wurde. Die Akzeptanz seitens der Patienten bemaßen die Therapeuten an einem „großen Interesse“ und dem Gefühl der Patienten „als Ganzes behandelt“ zu werden. Therapiebausteine mit aktiven Übungen und Visualisierungstechniken waren praktikabler als solche, bei denen zusätzliches Material (z. B. Arbeitsblätter) eingesetzt wurde. Die Praktikabilität war dadurch eingeschränkt, dass teilweise die Behandlungszeit nicht ausreichte, um die Therapiebausteine im Rahmen der normalen Be240 handlung durchzuführen. Die meisten Therapeuten beabsichtigen die Therapiebausteine zukünftig bei PnsR und anderen Patientengruppen einzusetzen. Diskussion und Ausblick Therapiebausteine zur Therapiemotivation und Körperwahrnehmung stellen aus Therapeutensicht wichtige Elemente der Bewegungstherapie bei PnsR dar. Um den Gegebenheiten des Praxisalltags gerecht zu werden, sollten die Therapiebausteine unter vermehrtem Einbezug der praktischen Anwendung von Gesprächstechniken und einem vielfältigeren Angebot an aktiven Übungen überarbeitet werden. Es ist geplant, diese in einer Effektivitätsstudie unter Einbezug der Patienten zu überprüfen. Förderung: Bundesinstitut für Sportwissenschaft Literatur Lotze, M., Moseley, G.L. (2007): Role of Distorted Body Image in Pain. Curr Rheumatol Rep, 9, 6. 488-496. Mehling, W.E., Wrubel, J., Daubenmier, J.J., Price, C.J., Kerr, C.E., Silow, T., Gopisetty, V., Stewart, A.L. (2011): Body Awareness: a phenomenological inquiry into the common ground of mind-body therapies. Philos Ethics Humanit Med, 6, 1. 6. Vong, S.K., Cheing, G.L., Chan, F., So, E.M., Chan, C.C. (2011): Motivational enhancement therapy in addition to physical therapy improves motivational factors and treatment outcomes in people with low back pain: A randomized controlled trial. Arch Phys Med Rehabil, 92, 2. 176-183. 241 Bewegungstherapie (Poster) Teilnehmerstruktur und Akzeptanz einer Multikomponenten-Intervention zur nachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten Schaller, A. (1), Grieben, C. (1), Froböse, I. (2) (1) Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung, Deutsche Sporthochschule Köln Hintergrund Auch in der stationären Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen ist die nachhaltige Hinführung zu einem körperlich aktiven Lebensstil ein übergeordnetes bewegungstherapeutisches Rehabilitationsziel (Sudeck, Pfeifer, 2013). Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes eine Multikomponenten-Intervention zur Förderung gesundheitswirksamer körperlicher Aktivität entwickelt. Die Intervention kombiniert eine Kleingruppenintervention während der stationären Rehabilitation sowie poststationär eine telefonische und internetbasierte Nachsorge. Ziel der vorliegenden Auswertung ist die Evaluation der Teilnehmerstruktur sowie der Akzeptanz der einzelnen Interventionskomponenten. Methodik Die Auswertung erfolgte im Rahmen des Forschungsprojektes Bewegungscoaching, in welchem die Effektivität der Multikomponenten-Intervention (Kleingruppenintervention, telefonische und internetbasierte Nachsorge) im Vergleich zu einer Kontrollintervention evaluiert wird (DRKS00004878). Die Auswahlpopulation (n=931) beinhaltete Rückenschmerzpatienten zu Beginn eines stationären Heilverfahrens. Für die vorliegende Akzeptanzanalyse wurden im 1. Schritt Anzahl, Geschlecht und Alter von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern verglichen. Im 2. Schritt folgt die Beschreibung der Teilnehmerstruktur (n=412) und nachfolgend die spezifische Akzeptanzanalyse der 3 verschiedenen Zugangswege (Patienten der Interventionsgruppe: n=201). Die Kleingruppenintervention wurde mit dem COHEP (Farin et al., 2013) ausgewertet und die telefonische bzw. internetbasierte Nachsorge mit nichtstandardisierten Fragen 6 Monate nach der stationären Rehabilitation. Ergebnisse Die Teilnahmequote lag bei 44 %, Teilnehmer (n=412) und Nicht-Teilnehmer (n=519) zeigten keinen signifikanten Geschlechtsunterschied (p=0,18). Teilnehmer waren allerdings signifikant jünger (−1,1 Jahre; p=0,04). Die häufigsten genannten Gründe für Nichtteilnahme waren Bedenken beim Datenschutz (n=99) und Sprachprobleme (n=91). In der Stichprobe der Teilnehmerstruktur waren 286 Männer (69 %), das Durchschnittsalter betrug 50,4 Jahre (±8,1) und der durchschnittliche BMI 29,3 (±5,6). 214 Teilnehmer (54 %) gaben „Hauptschulabschluss“ als höchsten Schulabschluss an und 343 (86 %) eine Rückenschmerzdauer von über einem Jahr. 242 Die Rücklaufquote (Interventionsgruppe) lag bei 46 % (n=92). Die Mittelwerte der 4 Skalen des COHEP lagen zwischen 79 (±11) (Übertragbarkeit auf den Alltag) und 88 (±25) (Angemessene Menge an Informationen). Das Telefoncoaching wurde insgesamt auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (sehr schlecht) mit 2,1 (±1,1) bewertet. 2 Teilnehmer bezeichneten das Telefoncoaching als „lästig“ (2,2 %). 51 (60 %) gaben an „etwas“ bis „sehr“ vom Telefoncoaching profitiert zu haben. Bezüglich der Akzeptanz der Internetplattform gaben 34 Teilnehmer (37 %) an, diese nach dem stationären Rehabilitationsaufenthalt genutzt zu haben. Für 24 Teilnehmer (29 %) war die Internetplattform bei der Planung und Durchführung körperlicher Aktivität „sehr hilfreich“ bzw. „hilfreich“. Die Verständlichkeit der Inhalte wurde von 24 Teilnehmern (29 %) als „sehr gut“ bezeichnet. Diskussion Dass 44% der Auswahlpopulation das Bewegungscoaching, welches als freiwillige und zusätzlichen Gesundheitsleistung außerhalb der Therapiezeit durchgeführt wurde, in Anspruch genommen haben, kann als Hinweis auf die vorhandene patientenseitige Nachfrage zum Thema Bewegungsförderung bei Rückenpatienten gewertet werden. Die Teilnehmerstruktur zeigt zudem, dass das Angebot eine relevante Zielgruppe erreicht und das Setting der stationären Rehabilitation somit Potential für einen niederschwelligen Zugangsweg zur Bewegungsförderung bietet. Bezüglich der Akzeptanz der Zugangswege ist die Kleingruppenintervention als gut bis sehr gut zu beurteilen. Die vergleichsweise geringen Nutzerzahlen der interaktiven Internetplattform stellen zur Diskussion, ob, und wenn ja in welcher Form, das Internet für diese Zielgruppe ein geeigneter Zugangsweg ist. Ausblick Die Förderung körperlicher Aktivität ist ein zunehmend wichtiges Thema in Public Health und Versorgungsforschung (Krug et al., 2013) und das Erreichen der relevanten Zielgruppen eine große Herausforderung. Im Rahmen einer Subgruppenanalyse wird im nächsten Schritt der Akzeptanzanalyse untersucht, in wie weit sich Nutzer- und Nicht-Nutzer der einzelnen Nachsorgekomponenten Telefon und Internet unterscheiden, um darauf aufbauend die Zielgruppenspezifizierung zu optimieren. Förderung: Rehabilitations-Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (refonet) Literatur Farin, E., Nagl, M., Ullrich, A. (2013): The comprehensibility of health education programs: Questionnaire development and results in patients with chronic musculoskeletal diseases. Pat Education Counseling, 90. 239-246. Krug, S., Jordan, S., Mensink, G.B.M., Müters, S., Finger, J., Lampert, T. (2013): Körperliche Aktivität. Bundesgesundheitsbl., 56 (5-6). 765-771. Sudeck, G., Pfeifer, K. (2013): Bewegung in der Rehabilitation – ICF-Bezug, Kompetenzorientierung, Nachhaltigkeit. Public Health Forum, 79 (21). 14.e1-14.e4. 243 Neurologische Rehabilitation Strukturen und Praxis der psychologischen Abteilungen in der neurologischen Rehabilitation nach Schlaganfall Kampling, H., Reese, C., Mittag, O. Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg Hintergrund Zielsetzung der neurologischen Rehabilitation ist es, die Funktionsfähigkeit und Teilhabe von Patienten mit neurologischen Schädigungen bestmöglich wiederherzustellen. Dies erfordert die enge Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams, das die vielfältigen, komplexen Problemlagen nicht getrennt, sondern ineinandergreifend behandelt (Frommelt, Lösslein, 2010). Therapeutische Schwerpunkte sind vor allem (neuro-)psychologische Interventionen. Hier spielen besonders kognitive Beeinträchtigungen eine zentrale Rolle. Die bestehenden Leitlinien und Therapiestandards sind jedoch mitunter zu wenig detailliert, um eine Orientierungshilfe bei der konkreten Planung und Umsetzung (neuro-)psychologischen Handelns im Einzelfall darstellen zu können. Ziel des Projektes ist daher die Entwicklung von Praxisempfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabilitation von Patienten mit Schlaganfall1. Die Erarbeitung dieser Empfehlungen erfordert Aussagen über die bestehende Praxis und die Strukturen im psychologischen Bereich der neurologischen Rehabilitation. Die vorliegende Untersuchung stellt eine detaillierte Erhebung der derzeitigen Strukturqualität und Praxis der psychologischen Abteilungen in neurologischen Rehabilitationseinrichtungen dar. Methodik Bundesweit wurden alle psychologischen Abteilungen aller neurologischen Rehabilitationseinrichtungen hinsichtlich Strukturqualität und Behandlungspraxis befragt. Es erfolgte eine Erhebung folgender Themenbereiche: (1) Allgemeine Angaben zur Einrichtung (u. a. Träger, Behandlung nach neurologischen Phasen, Bettenanzahl, Stellensituation); (2) Problemlagen; (3) Screening/Diagnostik; (4) Indikationsstellung; (5) Psychologische Einzel- und Gruppeninterventionen; (6) Spezifische Angebote; (7) Weiterbildungsangebote für die psychologische Abteilung/Supervision/Intervision; (8) Interdisziplinäre Fallbesprechungen; (9) Aufteilung der Arbeitszeit; (10) Patientenpfade/Therapiekonzepte; (11) Psychologischer Bericht/ Beitrag zur sozialmedizinischen Beurteilung; (12) Veränderungswünsche; (13) Strukturelle Voraussetzungen (‚Persönliche Meinung‘). Ergebnisse Die Rücklaufquote beträgt 40,5 % (n= 75 Einrichtungen). Es werden überwiegend Rehabilitanden der Phasen D und C behandelt. Das durchschnittliche Stellenverhältnis liegt bei 1 Die Untersuchung erfolgte im Rahmen des Projektes „Psychologische Interventionen in der Rehabilitation von PatientInnen mit Typ-2Diabetes, onkologischen Erkrankungen (Mamma-, Prostata- und Kolonkarzinom) oder Schlaganfall: Systematische Entwicklung von Praxisempfehlungen“ 244 3,27 Psychologen auf 100 neurologische Rehabilitanden, wobei sich große Unterschiede zwischen den Einrichtungen finden lassen (siehe Abb. 1). 8 Psychologenstellen auf 100 Rehabilitanden N=50 7 Keine Angabe: N=25 M: 3,27 SD: 1,30 Median: 3,06 Range: 0,94-6,81 6 5 4 M=3,27 3 2 1 0 Neurologische Einrichtungen Abb. 1: Stellenverhältnis – Anzahl Psychologenstellen auf 100 Rehabilitanden B.-Sc.-Absolventen (höchster Abschluss) machen unter 1 % der Psychologen aus. Etwa 29 % der Psychologen verfügen über eine Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. In 82 % der Einrichtungen findet sich mindestens 1 Psychologe mit Weiterbildung zum Klinischen Neuropsychologen. Bei Rehabilitanden nach Schlaganfall dominieren komorbide psychische Störungen wie Depression, Anpassungs- und Angststörungen sowie Akute Belastungsreaktionen. Als psychologisch relevante Problemlagen treten Störungen der Aufmerksamkeitsleistung und der Gedächtnisfunktionen sowie somatische Risikofaktoren am häufigsten auf. Zur Identifikation relevanter Problemlagen führen 84 % der Einrichtungen ein psychologisches Screening und alle Einrichtungen eine vertiefende (neuro-)psychologische Diagnostik durch (überwiegend PC-gestützte und praktische Testverfahren sowie freie Exploration). Die Zuweisung zu psychologischen Interventionen erfolgt überwiegend durch die aufnehmenden Ärzte, interdisziplinäre Teamentscheidungen und die Psychologen. Prozentual verwenden Psychologen die meiste Arbeitszeit auf Einzelinterventionen/Kognitives Training und Diagnostik/Indikationsstellung (siehe Abb. 2). Die in Klammern angegebenen Standardabweichungen verdeutlichen die große Heterogenität zwischen einzelnen Einrichtungen. 245 Sonstiges 3,4% Allgemeine Gruppeninterventionen 3,0% Angehörigengespräche 2,7% Problemorientierte Gruppeninterventionen/ Strukturierte Schulungsprogramme 4,1% Supervision / Intervisionen 2,5% Nachsorge 1,1% Einzelinterventionen/ Kognitives Training 28,8% Entspannungstraining 4,7% Besprechungen 8,0% Diagnostik/ Indikationsstellung 28,5% Verwaltungstätigkeiten 15,3% Abb. 2: Prozentualer Anteil der wöchentlichen Arbeitszeit, die Psychologen für verschiedene Tätigkeitsfelder verwenden Diskussion Auffällig im Vergleich zu anderen somatischen Indikationsbereichen in der Rehabilitation (Mittag et al., 2012) ist das hohe Stellenverhältnis der Psychologen in der neurologischen Rehabilitation. Mit durchschnittlich 3,27 Psychologen pro 100 Rehabilitanden entspricht der Ist-Zustand allerdings trotzdem noch nicht den Anforderungen der DRV zur Strukturqualität in Reha-Einrichtungen für Schlaganfall-Rehabilitanden der Phase D (DRV, 2014). Nach ihrer persönlichen Einschätzung befragt, erachten 56 % der befragten Psychologen das von der DRV geforderte Stellenverhältnis von 4 :100 als ausreichend, knapp 43 % jedoch als zu gering. Während nur vereinzelte Einrichtungen Psychologen mit einem B.-Sc.-Abschluss beschäftigen, vertreten über die Hälfte der befragten Psychologen die Ansicht, dass sich psychologische Aufgaben für B.-Sc.-Absolventen finden lassen. Die Sonderstellung der neurologischen Rehabilitation im Vergleich zu anderen Indikationen wird einmal mehr deutlich, wenn die Vielzahl von Problemlagen, der Fokus auf kognitiven Beeinträchtigungen sowie der verhältnismäßig hohe Zeitaufwand, der auf Diagnostik/Indikationsstellung verwendet wird, Beachtung finden. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund 246 Literatur Deutsche Rentenversicherung (2014): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung (2. Aufl.). Deutsche Rentenversicherung: Berlin. Frommelt, P., Lösslein, H. (2010): NeuroRehabilitation: Ein Praxisbuch für interdisziplinäre Teams (3. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer. Mittag, O., Reese, C., Gülich, M., Jäckel, W.H. (2012): Strukturen und Praxis der Psychologischen Abteilungen in der orthopädischen und kardiologischen Rehabilitation: Vergleich zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen in Deutschland. Das Gesundheitswesen, 74. 778-83. Folgen von Fatigue bei Multiple Sklerose- und Schlaganfall-Patienten – Teilhabe und Vorhersage des beruflichen Status durch subjektive vs. objektive Fatigue-Erhebungsweisen Claros-Salinas, D. (1), Koch, E. (1), Dettmers, C. (1), Greitemann, G. (2), Schönberger, M. (3) (1) Kliniken Schmieder Konstanz/Lurija Institut für Rehabilitationswissenschaften und Gesundheitsforschung an der Universität Konstanz, (2) Klinik Lengg, Zürich, (3) Universität Freiburg, Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie Einleitung Fatigue ist bei an MS erkrankten Menschen, aber auch bei Schlaganfall-Patienten ein häufiges Symptom, das, verstärkt durch unterschiedliche Belastungskonstellationen (Claros-Salinas et al., 2010, 2013), zu erheblichen Einschränkungen im Berufs- und Alltagsleben führt. Anhand von Längsschnittdaten zu Teilhabe und Lebenszufriedenheit der Betroffenen 6 Monate nach einem Rehabilitationsaufenthalt wurde geprüft, inwieweit subjektive vs. objektive Erhebungsweisen einer Fatigue-Symptomatik den beruflichen Status vorhersagen. Methode Zum Messzeitpunkt 1 wurden 153 MS- und Schlaganfall-Patienten während eines stationären Rehabilitationsverfahrens konsekutiv hinsichtlich Fatigue (Fatigue Severity Scale, Fatigue-Skala für Motorik und Kognition), Tagesschläfrigkeit (ESS) und Depression (HADS-D), Alertness (TAP) und ihrer aktuellen subjektiven Leistungsfähigkeit (visuelle Analogskala) untersucht. Sechs Monate nach Rehabilitationsende (Messzeitpunkt 2) wurden Teilhabeeinschränkungen mittels des Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe – IMET (Deck et al., 2007), der berufliche Status und private wie berufliche Lebenszufriedenheit telefonisch nachbefragt. Ergebnisse Von den zu beiden Messzeitpunkten erreichten 114 Patienten litten 60 an Multipler Sklerose (40 % männlich, mittleres Alter 44,8 Jahre, durchschnittliche Bildung 11,2 Jahre, 53,3 % ar247 beitsfähig bei Aufnahme, Zeit nach Erkrankungsbeginn 10,4 Jahre, bei 55 % schubförmiger, bei 11,1 % primär chronischer und bei 30 % sekundär chronischer Verlauf). 54 Patienten hatten einen Schlaganfall erlitten (63 % männlich, mittleres Alter 57 Jahre, durchschnittliche Bildung 10,6 Jahre, 3,7 % arbeitsfähig bei Aufnahme, durchschnittliche Zeit nach Ereignis 1,1 Jahre, 77,8 % Ischämie, 11,1 % intrazerebrale Blutung, 11,1 % Subarachnoidalblutung). Die zum Messzeitpunkt 1 erhobenen Fatigue-Skalenwerte korrelierten signifikant mit den 6 Monate später erhobenen Einschränkungen der Teilhabe, besonders im Bereich Beruf und Arbeit. Während sich MS- und Schlaganfall hinsichtlich dieser beruflichen Teilhabe-Einschränkung nicht unterschieden, waren für IMET-Items wie Häusliche Verpflichtungen, Außerhäusliche Erledigungen, Freizeit und Erholung und Stress überzufällige Gruppenunterschiede zu beobachten. Die MS-Patienten gaben jeweils höhere Beeinträchtigungen ihrer Partizipation an. Für die MS-Gruppe zeigte sich im Vergleich zu den Schlaganfall-PatientInnen eine stärkere Fatigue-Ausprägung, dennoch ist die berufliche Partizipation der MS-Betroffenen höher. Von den bei Rehabilitationsbeginn rund 53 % arbeitsfähigen MS-Patienten befanden sich zum Follow-up-Zeitpunkt die meisten im Arbeitsprozess (85 %), voll- (50 %) oder teilschichtig (35%). Die Mehrheit der Schlaganfall-Patienten war bei Rehabilitationsbeginn nicht arbeitsfähig (96 %). Von denjenigen Patienten, die über einen Arbeitsplatz verfügten (54%), waren zum Follow-up-Zeitpunkt immerhin 52 % beruflich reintegriert, die restlichen noch arbeitsunfähig und nur 3,4 % inzwischen verrentet worden. Der höchste Anteil von Vollberentungen entfiel mit 33,3 % auf die Subgruppe der MSPatienten, wobei die meisten dieser Patienten schon zu Rehabilitationsbeginn nicht mehr über einen Arbeitsplatz verfügten. Fatigue und Lebenszufriedenheit der Betroffenen korrelierten nur bedingt: kein Zusammenhang ergab sich bei den MS-Patienten. Bei den Schlaganfall-Patienten hingegen zeigte sich Fatigue als Prädiktor sowohl für private als auch berufliche Lebenszufriedenheit. Für die Vorhersage beruflicher Teilhabe erwies sich die objektive Fatigue-Erhebung (Alertness-Reaktionszeitmessung) nur bei den Schlaganfall-Patienten als signifikant. Bei den MSPatienten waren nur die subjektiven Fatigue-Skalenwerte (FSS und FSMC) prädiktiv für die berufliche Teilhabe 6 Monate später. Schlussfolgerung Inwieweit Fatigue-Symptome berufliche Teilhabe vorhersagen, hing von der Erhebungsweise ab: die Ergebnisse subjektiver Skalenverfahren erwiesen sich für die MS-Patienten als prädiktiv, für die Schlaganfall-Patienten hingegen leisteten nur die Ergebnisse der objektiven Alertness-Messung die entsprechende Vorhersage. Allerdings zeigten sich die subjektiven Angaben zu Fatigue und Teilhabeeinschränkungen und die tatsächliche berufliche Teilhabe derjenigen MS-Patienten, die über einen Arbeitsplatz verfügten, als diskrepant. Im Einzelfall ist daher eine Kombination subjektiver wie objektiver Fatigue-Erhebungsweisen 248 angezeigt – als Grundlage einer berufsorientierten Rehabilitation, die sich frühzeitig auf den Erhalt des Arbeitsplatzes und Möglichkeiten der Fatigue-Kompensation und -Adaptation richtet. Literatur Claros-Salinas, D., Bratzke, D., Greitemann, G., Nickisch, N., Ochs, L., Schröter, H. (2010): Fatigue-related diurnal variations of cognitive performance in multiple sclerosis and stroke patients. Journal of the Neurological Sciences, 295/1. 75-81. Claros-Salinas, D., Dittmer, N., Neumann, M., Sehle, A., Spiteri, S., Willmes, K., Schoenfeld, M.A., Dettmers, C. (2013): Induction of cognitive fatigue in MS patients through cognitive and physical load. Neuropsychological Rehabilitation, 23/2. 182-201. Deck, R., Mittag, O., Hüppe, A., Muche-Borowski, C., Raspe, H. (2007): Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) – Erste Ergebnisse eines ICF-orientierten Assessmentinstruments. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 76/2. 113-120. Systematische Übersichtsarbeit zu Korrelaten und Determinanten der körperlichen Aktivität von Personen mit Multipler Sklerose Streber, R., Peters, S., Pfeifer, K. Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Hintergrund Die Bindung an regelmäßige körperlich-sportliche Aktivität (KA) stellt ein zentrales Ziel der Bewegungstherapie bei Menschen mit chronischen Erkrankungen dar (Pfeifer et al., 2010). Da in den letzten Jahren vielfältige positive Wirkungen KA auf die Funktionsfähigkeit sowie die Lebensqualität von Personen mit MS (PmMS) berichtet wurden, gewinnt sie in der Rehabilitation zunehmend an Bedeutung (Asano et al., 2009). Um langfristig von diesen gesundheitsförderlichen Effekten profitieren zu können, müssen KA regelmäßig und dauerhaft durchgeführt werden. Allerdings sind PmMS weniger körperlich aktiv als gesunde Personen (Motl et al., 2005). Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Behinderung und stellt gleichzeitig einen Risikofaktor für eine Reihe von Zivilisationskrankheiten dar. Um zu verstehen, was die KA von PmMS beeinflusst, ist es notwendig, Faktoren zu identifizieren, die mit der KA kausal im Zusammenhang stehen (Bauman et al., 2002). In den letzten Jahren hat die Forschungsaktivität bezüglich möglicher Determinanten der KA bei PmMS stark zugenommen. Jedoch fehlt eine systematische Übersicht zum aktuellen Forschungsstand. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Identifikation von Korrelaten und Determinanten der KA von PmMS. Methodik Studien wurden eingeschlossen, wenn sie (i) Erwachsene mit MS inkludierten, (ii) ein querschnittliches oder prospektives Beobachtungsstudiendesign aufwiesen oder (iii) die Wirkungen einer Theorie-basierten Intervention auf die Veränderung der KA untersuchten und eine Mediationsanalyse zu den angenommenen Wirkmechanismen durchführten, (iv) quantitative Assessments zur Messung der KA, der untersuchten Korrelate sowie Mediatoren anwen249 deten und (v) auf Englisch oder Deutsch publiziert wurden. Pubmed und Scopus (1980 bis August 2012) sowie das Literaturverzeichnis der eligiblen Studien wurden systematisch durchsucht. Die Datenextraktion sowie die Bewertung der Studienqualität wurden von 2 Autoren vorgenommen. Für die Kategorisierung der extrahierten Variablen wurde die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) herangezogen. Um die Konsistenz sowie Richtung des Zusammenhangs einer Variable und der KA zu evaluieren, wurde ein semi-quantitativer Ansatz gewählt (Sallis et al., 2000). Ergebnisse 42 Publikationen mit einem Beobachtungsstudiendesign und 2 Interventionsstudien lieferten Daten zu insgesamt 78 unterschiedlichen Variablen. 60 der 78 Variablen in Beobachtungsstudien basierten auf 1–2 Studienergebnissen und die Mehrheit der Ergebnisse stammte aus Studien mit einem Querschnittsdesign. Häufig untersuchte und konsistente Variablen waren der Behinderungsgrad insbesondere Einschränkungen der Mobilität sowie psychologische Faktoren wie die bewegungsbezogene Selbstwirksamkeit und selbstregulatorische Fähigkeiten. Nur für einen der 9 in Interventionsstudien untersuchten Mediatoren liegt Evidenz für einen kausalen Zusammenhang vor und zwar zwischen den selbstregulatorischen Fähigkeiten und der KA. Diskussion Die vorliegende Arbeit liefert eine systematische Evaluation der beeinflussenden Faktoren der KA von PmMS. Wichtige Einflussfaktoren sind vor allem personbezogene sowie funktionsbezogene Faktoren. Diese Ergebnisse sind relevant für die (Weiter-)Entwicklung von Interventionen zur Förderung der KA von PmMS. Limitationen des derzeitigen Forschungsstands sowie Implikationen für die Praxis und die Forschung werden diskutiert. Literatur Asano, M., Dawes, D.J., Arafah, A., Moriello, C., Mayo, N.E. (2009): What does a structured review of the effectiveness of exercise interventions for persons with multiple sclerosis tell us about the challenges of designing trials? Mult Scler, 15 (4). 412-421. Bauman, A.E., Sallis, J.F., Dzewaltowski, D.A., Owen, N. (2002): Toward a better understanding of the influences on physical activity: the role of determinants, correlates, causal variables, mediators, moderators, and confounders. Am J Prev Med, 23 (2 Suppl 1). 5-14. Motl, R.W., McAuley, E., Snook E.M. (2005): Physical activity and multiple sclerosis: a metaanalysis. Mult Scler, 11 (4). 459-463. Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): DGRW-Update: Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Die Rehabilitation (Germany), 49. 224-236. Sallis, J.F., Prochaska, J.J., Taylor, W.C. (2000): A review of correlates of physical activity of children and adolescents. Med Sci Sports Exerc, 32 (5). 963-975. 250 Pilotstudie: Volitionale Schulungsmaßnahmen fördern das Walking bei Patienten mit Schlaganfall im Vergleich zur MS Ludwig, L., Kuderer, B., Dettmers, C. Kliniken Schmieder Konstanz Hintergrund Ziele in der neurologischen Rehabilitation beziehen sich bei Patienten, Ärzten und Therapeuten zunächst vorrangig auf die Linderung des individuellen neurologischen Defizits. Zunehmend wichtiger werden die Prävention und Behandlung der Risikofaktoren. Dies erfordert häufig eine Lebensstiländerung der Patienten und nachhaltige Förderung ihrer körperlichen Betätigung, was nicht leicht zu erreichen ist. Ärzte neigen in Patientenseminaren zur frontalen Wissensvermittlung, ohne moderne Schulungskonzepte für Patientenveranstaltungen (Faller et al., 2011) zu berücksichtigen. Ein solches volitionales Schulungskonzept basiert auf der Handlungsplanung (Handlungsvorsätze/implementation intentions) und der Bewältigungsplanung (mentales Kontrastieren) in Anlehnung an Gollwitzer (Gollwitzer, Schaal, 1998) und das HAPA-Modell (Health Action Process Approach) (Schwarzer, 2004). Ziel der vorliegenden Pilotstudie war es, eine dementsprechende Schulung mit einem entsprechenden Manual zu entwickeln, um Häufigkeit und Dauer des Walkings im Anschluss an die stationäre Rehabilitationsbehandlung bei einer gemischten neurologischen Patientenklientel zu fördern. Im Längsschnitt sollte auch die Intensität des Walkings bis zu 6 Monate nach der stationären Rehabilitationsbehandlung für beide Gruppen dokumentiert werden. Methodik Patienten: Alle Patienten – unabhängig von deren Diagnose –, die im Zeitraum Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2013 in unserer neurologischen Rehabilitationsklinik in der Walking- oder NordicWalking-Gruppe eingebucht waren, wurden wochenweise randomisiert entweder in die Interventionsgruppe oder in die Kontrollgruppe eingeschleust. Von 110 Teilnehmern der Walking-Gruppen willigten 76 ein, von denen 74 Patienten (40 Frauen) eingeschlossen wurden, 20 mit Schlaganfall (Alter 51), 31 mit MS (Alter 46) und 23 mit anderen neurologischen Erkrankungen. Durchschnittliche Erkrankungsdauer lag bei den MS-Patienten bei 8,7 Jahren, bei den Patienten mit Schlaganfall bei 1,5 Jahren mit einer breiten Streuung (0,01–11). Kontrollintervention (KG): Aufklärung über Sinn und Zweck des Walking und des Ausdauersports auf der Grundlage unseres konventionellen Sportvortrags, jeweils in Kleingruppen von 2-6 Patienten, über 90 Minuten dauernd. Interventionsprogramm (IG): Kurze Einführung zum positiven Nutzen des Walking-Trainings. Individuelle Planung von Trainingsterminen und Erstellung von „Wenn-Dann-Plänen“. Antizipation individueller Hindernisse und Erarbeiten von Strategien zur Überwindung; ebenfalls in Kleingruppen von 2–6 Personen über etwa 90 Minuten. Outcome-Parameter: Häufigkeit und Dauer der Walking-Einheiten. 251 Studienprotokoll: Zum Zeitpunkt des Einschlusses (T0) wurde mittels Fragebogen die Menge des Walkings retrospektiv für die letzte Woche vor der Reha erfragt. Dasselbe wurde 4 Wochen, 3 und 6 Monate nach Entlassung mittels Fragebogen per Post erfasst. Statistik: Prüfung der Normalverteilung und Varianzhomogenität. Zur Frage des Gruppenunterschieds 2-faktorielle ANOVA mit 3 Meßwiederholungen. Ergebnisse Insgesamt lag das Aktivitätsniveau bei den Patienten mit MS unter dem der Patienten mit Schlaganfall. Unabhängig von der Schulungsgruppe kam es zu signifikanten Anstiegen der Häufigkeit des Walkings. Die Effekte erschienen besonders ausgeprägt bei den wenig Aktiven und Inaktiven. Ein Unterschied zwischen beiden Schulungsgruppen zeichnete sich für die Patienten mit Schlaganfall ab. Diese profitierten signifikant von der Intervention (Abb.1). Mittelwert Walking-Häufigkeit 4 Kontrollgruppe Interventionsgruppe 3 2 1 0 -1 Baseline 4 Wochen 3 Monate 6 Monate Messzeitpunkt Fehlerbalken: 95% CI Mittelwert Walking-Häufigkeit 8 Interventionsgruppe Kontrollgruppe 6 4 2 0 -2 Baseline 4 Wochen 3 Monate 6 Monate Messzeitpunkt Fehlerbalken: 95% CI Abb. 1: Walking-Häufigkeiten pro Woche (Ordinate) in den beiden Subgruppen Schlaganfall (links) und MS (rechts) zu den 4 Messzeitpunkten (abgetragen auf der Abszisse). Die Daten beim Schlaganfall deuten auf eine bessere Wirksamkeit des volitionalen Schulungskonzepts. 252 Diskussion Schulungskonzepte, die die volitionale Komponente unterstützen, scheinen zur Förderung körperlicher Aktivität effektiver zu sein als konventionelle, die die Motivation als entscheidende Kraft postulieren (Fuchs et al., 2011). Nach unserem Wissen handelt es sich hier um eine der ersten Anwendungen bei neurologischen Patienten, um Walking als Marker für körperliche Aktivität im Anschluss an eine stationäre Rehabilitation zu fördern. Unsere Daten weisen darauf hin, dass die Intentions-Verhaltens-Lücke (entsprechend dem HAPA-Modell) besonders bei Patienten mit Schlaganfall ausgeprägt ist und dass diese Klientel möglicherweise besonders von volitionalen Erziehungsprogrammen, die diese überbrücken, profitieren. Ferner ergeben sich Hinweise, dass die Inaktiven und wenig Aktiven („Patienten mit besonderer Problemlage“) besonders von solchen Konzepten profitieren. Schlussfolgerung Volitionale Schulungskonzepte lassen sich in der neurologischen Rehabilitation zur Förderung regelmäßiger körperlicher Aktivität entwickeln und sollten aufgrund ihrer besseren Wirksamkeit in der Rehabilitationsbehandlung umgesetzt werden. Literatur Faller, H., Reusch, A., Meng, K. (2011): Innovative concepts for patient education in medical rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt.Gesundheitsforschung.Gesundheitsschutz., 54. 444-450. Fuchs, R., Goehner, W., Seelig, H. (2011): Long-term effects of a psychological group intervention on physical exercise and health: the MoVo concept. J Phys.Act.Health, 8. 794-803. Gollwitzer, P.M., Schaal, B. (1998): Metacognition in action: the importance of implementation intentions. Pers.Soc.Psychol.Rev., 2. 124-136. Schwarzer, R. (2004): Psychologie des Gesundheitsverhaltens: Einführung in die Gesundheitspsychologie. Hogrefe Verlag. Sportmotive bei Personen mit Multipler Sklerose Geidl, W., Streber, R., Tallner, A., Pfeifer, K. Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Hintergrund Die Bindung an regelmäßige körperlich-sportliche Aktivität stellt ein zentrales Ziel der Bewegungstherapie bei Menschen mit chronischen Erkrankungen dar (Pfeifer et al., 2010). Für eine Steigerung des Sport- und Bewegungsverhaltens sollten bewegungstherapeutische Inhalte an die individuellen Ausgangslagen der Teilnehmenden angepasst werden. Aktuell werden bei der Gestaltung der Bewegungstherapie insbesondere gesundheitliche Voraussetzungen im Bereich Körperfunktionen/-strukturen beachtet. Für das Bewegungsverhalten bedeutsame individuelle psychische Handlungsvoraussetzungen, wie z. B. persönliche sportbezogene Ziele und Motive, werden bei der Ausgestaltung bewegungstherapeutischer Maßnahmen bislang kaum systematisch berücksichtigt. 253 Die vorliegende Arbeit zielt auf eine Erhebung von Sportmotivprofilen bei Personen mit Multipler Sklerose (PmMS) unter Berücksichtigung des habituellen Sport- und Bewegungsverhalten ab. Methodik Web-basierte deutschlandweite Querschnittserhebung bei erwachsenen PmMS. Mittels Berner Motiv- und Zielinventar (BMZI) (Sudeck et al., 2011) wurden sportbezogenen Motive und Ziele abgefragt. Mit 28 Items erfasst das BMZI 8 verschiedene Motivbereiche (vgl. Tab. 1). Jedes Item wird auf einer 5-stufigen Likert-Skala (1 – „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 – „trifft völlig zu“) bewertet. Das Sport- und Bewegungsverhalten wurde mittels Fragebogen zur Messung der habituellen körperlichen Aktivität (Wagner et al., 2003) erhoben. Analysen: Deskriptive Auswertungen zur Ausprägung der Sportmotive in Abhängigkeit des Sport- und Bewegungsverhaltens sowie Clusteranalysen zur Entdeckung typischer Motivkonstellationen. Ergebnisse Die Stichprobe umfasst 1.100 Personen (73 % Frauen) mit einem Altersdurchschnitt von 45 Jahren (SD=10, Range = 20–82) und einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 13 Jahren (SD=9). Tabelle 1 zeigt durchschnittliche Ausprägungen einzelner Motive sowie deren Abhängigkeit zum habituellen Bewegungsverhalten. Bewegungsverhalten „In meiner Freizeit treibe ich Sport“ Gesamt n=1.100 nie (n=96) selten/ manchmal (n=526) oft/sehr oft (n=478) Gesundheit 4.0 (0.9) 3.5 (1.1) 4.0 (0.9) 4.2 (0.9) Fitness 4.1 (0.9) 3.3 (1.2) 4.0 (0.9) 4.4 (0.7) Figur/Aussehen 2.9 (1.3) 2.7 (1.4) 2.9 (1.3) 3.0 (1.2) Aktivierung/Freude 3.4 (1.0) 2.6 (1.0) 3.2 (1.0) 3.9 (0.9) Ablenkung/Katharsis 2.9 (1.1) 2.4 (1.1) 2.7 (1.1) 3.2 (1.1) Ästhetik 2.8 (1.2) 2.2 (1.1) 2.5 (1.1) 3.2 (1.2) Geselligkeit/Kontakt 2.2 (1.0) 2.4 (1.2) 2.2 (1.0) 2.3 (1.0) Wettkampf/Leistung 1.8 (1.0) 1.6 (0.9) 1.6 (0.8) 2.1 (1.1) Motive Anm.: Die dargestellten Werte sind Mittelwerte und Standardabweichungen in Klammer. Tab. 1: Sportbezogene Motive in Abhängigkeit des habituellen sportbezogenen Bewegungsverhaltens In Anlehnung an Sudeck et al. (2011) werden weiterführende clusteranalytische Bestimmungen typischer Motivprofile präsentiert. Diskussion Diese Arbeit liefert erstmals einen Einblick in die Sportmotivprofile von PmMS in Deutschland. Gesundheit und Fitness sind die bedeutsamsten Sportmotive für PmMS, Geselligkeit 254 sowie Wettkampf/Leistung spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle. Regelmäßig Sporttreibende unterscheiden sich von den Nicht-Sportlern insbesondere in den Motivbereichen Fitness sowie Aktivierung/Freude. In Kombination mit weiteren körperlich-funktionellen und psychischen Merkmalen bildet die Bestimmung sportbezogener Motivprofile eine Grundlage für die Entwicklung einer zielgruppenspezifischen, Person-orientierten Bewegungstherapie bei Menschen mit chronischen Erkrankungen (vgl. Krauss et al., 2014). Literatur Krauß, I., Katzmarek, U., Rieger, M., Sudeck, G. (2014): Motivbasierte Konzeptionen der Sporttherapie bei Arthrose. In: Mess, F., Gruber, M., Woll, A. (Hrsg.): Sportwissenschaft grenzenlos?! Tagungsband des 21. dvs-Hochschultag, Konstanz. Hamburg: Cwalina. 157. Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): DGRW-Update: Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Die Rehabilitation, 49. 224-236. Sudeck, G., Lehnert, K., Conzelmann, A. (2011): Motivbasierte Sporttypen: Auf dem Weg zur Personorientierung im zielgruppenspezifischen Freizeit- und Gesundheitssport. Zeitschrift für Sportpsychologie, 18. 1-17. Wagner, P., Singer, R. (2003): Ein Fragebogen zur Erfassung der habituellen körperlichen Aktivität verschiedener Bevölkerungsgruppen. Sportwissenschaft, 33. 383-397. 255 Neurologische Rehabilitation (Poster) Patienten mit Multipler Sklerose profitieren bei der Messung phasischer Alertness weniger vom Warnton als Patienten mit Schlaganfall – ein Schlüssel zum Verständnis der Fatigue? Calandriello, B., Schwarzer, S., Claros-Salinas, D., Gütler, R., Dettmers, C. Kliniken Schmieder Konstanz, Psychologische Fakultät der Universität Konstanz Hintergrund Es besteht ein offener Disput, ob Fatigue ein unspezifischer Effekt nach jedweder Art von Hirnläsion ist, oder doch besonders häufig und stark bei Multipler Sklerose (MS) auftritt. Die Bestimmung der Alertness aus der Testbatterie von Zimmermann und Fimm (2005) hat sich mittlerweile als Surrogatmarker für Fatigue etabliert, insbesondere in Form einer Bestimmung der Belastbarkeit im Tagesverlauf (Claros-Salinas et al., 2010) oder vor und nach Belastung (Claros-Salinas et al., 2013; Neumann et al., 2014). Um der Beantwortung der Frage, inwiefern Fatigue typisch für MS ist oder genauso deutlich bei anderen Hirnschädigungen vertreten ist, näher zu kommen, haben wir tonische und phasische Alertness vor und nach standardisierter 3-stündiger Belastung bei 30 Patienten mit MS und 30 mit Hirninfarkt verglichen. Methode Zwischen Juni 2013 und Juni 2014 wurden jeweils 30 überwiegend berufstätige Patienten mit MS und Hirninfarkt zur Bestimmung der kognitiven Defizite und ihrer Belastbarkeit der Durchführung einer standardisierten Testbatterie in der Neuropsychologie (Durchführung von 15 standardisierten Tests über einen Zeitraum von 3 Stunden) zugewiesen (Tab. 1). MS Infarkt P Teilnehmer (n) 30 30 Frauen 21 11 <0,01 Alter (MW) 45 53 <0,001 EDSS (MW + SD) 3,1 + 1,6 Nicht anwendbar Vitalität, Rohwerte SF-36 (MW + SD) 2,0 + 0,55 2,4 + 0,22 0,29 Körperliche Funktionsfähigkeit, Rohwerte SF-36 (MW + SD) 2,59 + 0,89 2,96 + 0,13 0,12 Kostenträger Rentenversicherer (%) 100 90 Leistungsvermögen >6 (n) 3 bis <6 <3 10 12 8 13 5 12 Tab. 1: Demographische Daten der Patienten 256 Patienten mit groben Auffälligkeiten der Handmotorik wurden ausgeschlossen. Vor und nach Durchführung der neuropsychologischen Testbatterie als standardisiertem Belastungstest wurden Reaktionszeiten (RZ) gemessen (Subtest Alertness der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, TAP) (Zimmermann, Fimm, 2005) erlaubt die PC-gestützte Reaktionszeitmessung bei Präsentation optischer Signale auf dem Bildschirm (tonische Version). Aufgabe des Probanden ist es, so schnell wie möglich mit der Maustaste zu reagieren. Bei der Testung der phasischen Aufmerksamkeit wird vorher ein Warnton gegeben. Innerhalb von 3 Minuten werden insgesamt 40 Reize präsentiert und Reaktionszeiten gemessen. Zum Vergleich wurden die Mittelwerte und Standardabweichungen der Reaktionszeiten (RZ) mit (phasisch) und ohne (tonisch) Warnton berechnet. Zur Bestimmung der Interaktion von Diagnosegruppe und Warnton wurde eine ANOVA durchgeführt. Ergebnisse Die Reaktionszeiten (RZ) zum Ausgangszeitpunkt waren in beiden Gruppen (MS: 290+104; Infarkt: 353+193 ms) deutlich verlängert gegenüber gesunden Kontrollwerten aus vorhergehenden Studien (Tab. 2). RZ waren bei den Patienten mit Infarkt im Mittelwert als Trend, aber nicht signifikant (p=0,082) höher als bei den Patienten mit MS. Die Reaktionszeiten der Patienten mit MS und Schlaganfall verzögerten sich nach Belastung prozentual in ähnlicher Größenordnung auf Werte um 351+188 ms und 440+287 ms. Es ergab sich ein signifikanter Effekt hinsichtlich der Interaktion Diagnose*Ton, d. h. die Patienten mit MS profitierten weniger deutlich von dem Warnton als die Patienten mit Schlaganfall. Mittelwert Standardabweichung N Median pre mit Ton MS Infarkt Gesamt 290,2 353,4 321,8 104,7 193,3 157,4 30 30 60 Median pre ohne Ton MS Infarkt Gesamt 289,2 360,7 325,0 91,3 209,5 164,2 30 30 60 Median post mit Ton MS Infarkt Gesamt 350,5 441,1 395,8 187,6 286,8 244,6 30 30 60 Median post ohne Ton MS Infarkt Gesamt 340,0 469,6 404,8 165,1 317,3 259,1 30 30 60 Diagnose Anm.: Angegeben sind die Mittelwerte des Medians. „pre“ gibt die Reaktionszeiten vor dem Belastungstest an, „post“ nachher. Tab. 2: Reaktionszeiten aus der TAP-Alertness-Messung Diskussion Die Reaktionszeiten erwiesen sich bei Patienten mit Schlaganfall nach standardisierter Belastung ebenso verlängert wie bei MS. Dies spricht dafür, dass die Fatigue auch bei Schlag- 257 anfall klinisch relevant ist. Bemerkenswerterweise waren die RZ nach Warnton bei den Patienten mit MS nicht kürzer als ohne Warnton wie es bei gesunden Normalpersonen der Fall ist und auch bei unseren Patienten mit Schlaganfall. Die Interaktionsanalyse spricht dafür, dass die Patienten mit MS von dem Warnton weniger profitieren konnten als Patienten mit Schlaganfall, obwohl diese tendenziell nach Belastung ebenso lange RZ hatten. Schlussfolgerung Die Tatsache, dass Patienten mit MS gegenüber denen mit Hirninfarkt bei der Bestimmung der Alertness-Reaktionszeiten mittels TAP-Testbatterie nicht vom Warnton profitieren, könnte möglicherweise ein entscheidender Befund für MS-spezifische Fatigue sein und auf ein in besonderer Weise erschöpftes Reservevermögen, das keine Mobilisierung kognitiver Kapazität mehr erlaubt, hinweisen. Literatur Claros-Salinas, D., Bratzke, D., Greitemann, G., Nickisch, N., Ochs, L., Schroter, H. (2010): Fatigue-related diurnal variations of cognitive performance in multiple sclerosis and stroke patients. J Neurol Sci., 295. 75-81. Claros-Salinas, D., Dittmer, N., Neumann, M., Sehle, A., Spiteri, S., Willmes, K., Schoenfeld, M.A., Dettmers, C. (2013): Induction of cognitive fatigue in MS patients through cognitive and physical load. Neuropsychol.Rehabil, 23. 182-201. Neumann, M., Sterr, A., Claros-Salinas, D., Gutler, R., Ulrich, R., Dettmers, C. (2014): Modulation of alertness by sustained cognitive demand in MS as surrogate measure of fatigue and fatigability. J Neurol Sci, 34. 178-182. Zimmermann, P., Fimm, B. (2005): Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (Version Mobilität). Version 1.0. Herzogenrath, Psytest. Ref Type: Generic. 258 Kardiologische Rehabilitation I – in Kooperation mit der DGPR Verändern Zielvereinbarungen das Gesundheitsverhalten von kardiologischen Patienten in der Phase-III-Rehabilitation? Ergebnisse der CARO-PRE-II-Studie Stamm-Balderjahn, S., Michel, A., Spyra, K. Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin Hintergrund Eine wesentliche Aufgabe für Patienten, die an einer koronaren Herzkrankheit leiden, besteht in der Minimierung von Risikofaktoren, die ursächlich für diese Erkrankung verantwortlich sind. Im Rahmen einer ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahme lernen diese Patienten, mit welchen Maßnahmen sie ihr Gesundheitsverhalten positiv beeinflussen können. Besondere Bedeutung kommt der Verstetigung einer gesunden Lebensweise zu, nachdem die Patienten aus der Rehabilitationseinrichtung in den Alltag entlassen worden sind. Ohne eine gezielte Nachsorge ist dies jedoch nicht zu erreichen (Hahmann, 2012). In den letzten Jahren sind zahlreiche Interventionsprogramme zur Veränderung des Lebensstils entwickelt worden, die nachweislich die kardiale Mortalität reduzieren sowie die Risikofaktoren und das Gesundheitsverhalten positiv beeinflussen konnten. Selbstregulierungstechniken wie die Vereinbarung von verhaltensbezogenen Zielen können hierfür ein wirksames Instrument darstellen (Janssen et al., 2013). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass frauenspezifische Programme die Effektivität von Interventionsmaßnahmen erhöhen (Beckie et al., 2010). Untersuchungsziel und Hypothese In einer randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie sollte folgende Hypothese überprüft werden: Eine sektorenübergreifende und geschlechtsspezifische Intervention, die eine Zielvereinbarung am Ende der Rehabilitation (IGb) sowie eine Zielkontrollintervention in der ambulanten Nachsorge (IGa) beinhaltet, verbessert das Gesundheitsverhalten von weiblichen und männlichen KHK-Rehabilitanden in der Phase-III-Rehabilitation. Methode An der 3-armigen Studie „Wirksamkeit einer sektorenübergreifenden geschlechts-spezifischen Intervention zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens von KHK-RehabilitandInnen in der Phase-III-Rehabilitation“ (CARO-PRE II), die von der Deutschen Rentenversicherung Bund gefördert wurde, haben 545 Patienten (262 weiblich, 283 männlich) teilgenommen. Erhebungszeitpunkte waren Beginn (T1), Ende der Rehabilitation (T2) sowie 6 (T3) und 12 Monate (T4) nach Reha-Ende. Neben der Durchführung deskriptiver Analysen wurde die Veränderung zwischen dem ersten und den späteren Messzeitpunkten im Rahmen eines single-indicator Latent-Change-Models durch verschiedene Kovariaten vorhergesagt. Zur detaillierten Analyse differentieller Veränderungen wurden Multigruppen-Modelle mit Geschlecht und Reha-Typ als Gruppierungsvariablen herangezogen. 259 Ergebnisse Bei der mit einem Index berechneten körperlichen Aktivität profitierten Frauen der IGb zu T4 und verbesserten ihr Bewegungsverhalten im Alltag (p<0,01). Die Teilnahme an einer Herzgruppe hatte bei berufstätigen Frauen zu T3 (p<0,01) und T4 (p<0,05) sowie bei stationären Patienten zu T3 (p<0,05) einen positiven Einfluss auf die körperliche Aktivität. Von den Nicht-Berufstätigen profitierten männliche Patienten der IGa zu T3 (p<0,05) und T4 (p<0,001). Das mit der „Food Frequency List“ erhobene Ernährungsverhalten verbesserte sich über die Zeit in allen 3 Studiengruppen. Während Frauen ihr Ernährungsverhalten zwischen T3 und T4 weiter verbessern konnten, war das bei den Männern nicht der Fall. Interventionseffekte waren nicht zu beobachten. Die Raucherquote reduzierte sich im Verlauf der 4 Messzeitpunkte (T1 = 12,4 %, T2 = 11,9 %, T3 = 9,3 %, T4 = 8,6 %). Wegen der geringen Fallzahl im Hinblick auf die Veränderung des Rauchstatus konnten keine Modellberechnungen vorgenommen werden, somit sind Aussagen zur Wirksamkeit der Intervention diesbezüglich nicht möglich. Schlussfolgerungen und Ausblick Die Interventionsmaßnahme, bei der Zielvereinbarungen am Ende einer Rehabilitation zwischen Patienten und Ärzten getroffen und 3 Monate danach noch einmal „aufgefrischt“ wurden, war im Hinblick auf ein verändertes Gesundheitsverhalten nur partiell wirksam. Da vielfach gezeigt werden konnte, dass sogenannte Refresherprogramme erfolgversprechend sind, sollte diskutiert werden, inwieweit das Setting der Zielkontrolle modifiziert werden kann (Format, Zeitpunkt). Literatur Beckie, T.M., Beckstead, J.W. (2010): Predicting cardiac rehabilitation attendance in a gender-tailored randomized clinical trial. Journal of Cardiopulmonary Rehabilitation and Prevention, 30. 147-156. Hahmann, H.W. (2012): Kardiologische Rehabilitation: Aktueller Stand und zukünftige Anforderungen. Herz, 37. 22-29. Janssen, V., De Gucht, V., Dusseldorp, E., Maes, S. (2013): Lifestyle modification programmes for patients with coronary heart disease: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. European Journal of Preventive Cardiology, 20. 620-640. 260 Adhärenz zur Therapie bei intermittierendem Tai Chi-Training zur Verbesserung der Herz-Kreislaufgesundheit und der kognitiven Leistungsfähigkeit Weber, U. (1), Wieczorrek, G. (2),Schlitt, A. (2) (1) Institut für Rehabilitationspädagogik, Philosophische Fakultät III Erziehungswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (2) Paracelsus-Harz-Klinik, Bad Suderode Hintergrund Essentieller Bestandteil der Tertiärprophylaxe bei Patienten mit Herzerkrankung ist neben den in den Leitlinien der Fachgesellschaften genannten medikamentösen Therapie und Lebensstiländerungen die Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der körperlichen Aktivität, in der Phase III in ambulanten Herzgruppen unter ärztlicher Aufsicht. Problematisch für die Herzgruppen ist die mangelnde Adhärenz, nach einem halben Jahr nehmen in Deutschland nicht einmal 1/3 der Patienten an den Treffen teil. Eine Alternative zur konventionellen Durchführung der Herzgruppe stellt Tai Chi dar, eine Abwandlung eines ostasiatischen Kampfkunststils. In den in Südostasien durchgeführten Studien gelang es, bis zu 90 % der Patienten über einen Zeitraum von 48 Wochen zur kontinuierlichen Teilnahme zu motivieren. Primäres Ziel der vorliegenden Studie war es, die Adhärenz der Probanden zu einer klassischen ambulanten Herzgruppe mit einer Tai-Chi-Herzgruppe über 1 Jahr zu vergleichen. Methodik, Studiendesign Um die Fragestellungen zu überprüfen, wurden n= 47 Patienten in eine herkömmliche HerzKreislauf-Sportgruppe (n=25) oder in eine Sportgruppe mit Tai-Chi-Übungen (n=22) randomisiert zugewiesen. Zu Beginn der Studie erfolgt eine ausführliche Anamnese und verschiedene Untersuchungen (Ruhe-EKG, Herzultraschalluntersuchung, Belastungs-EKG, Calipometrie, Messung des Körperumfangs an Taille und Hüfte, Erfassung des Körpergewichts u. a.). Zudem wurde die Befindlichkeit der Teilnehmer anhand des HADS-D und des SF-12 erhoben. Im Abstand von jeweils 3 Monaten (12 ± 1 Woche) wurden erneut Verlaufskontrollen durchgeführt. Nach Ablauf eines Zeitraumes von 12 Monaten war die Teilnahme an der Studie beendet. Die Adhärenz zur Therapie wurde anhand der Variablen „Teilnahmezeitraum“, „prozentualer Anteil der ,Anzahl der wahrgenommenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum‛ zum Teilnahmezeitraum“ zur „Anzahl der stattgefundenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum“ sowie „Teilnahmezeitraum in Wochen“ operationalisiert. Ergebnisse Während sich für die beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede in der Geschlechterverteilung (konventionelle Herzgruppe: 28 % (n=7) Frauen vs. Tai-Chi-Herzgruppe 32 % (n=7), p=.781) zeigten, unterschieden sich die beiden Gruppen im durchschnittlichen Alter 261 (konventionelle Herzgruppe : 65,0 (±7,4) Jahre vs. Tai-Chi-Gruppe 58,7(±8,7) Jahre; t-Test: p=.035). Für die Variablen „Teilnahmezeitraum“, „prozentualer Anteil der ,Anzahl der wahrgenommenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum‛ zum Teilnahmezeitraum“ zur „Anzahl der stattgefundenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum“ sowie „Teilnahmezeitraum in Wochen“ konnten, kontrolliert für die Variable Alter, zwischen den beiden Therapiegruppen keine signifikanten Unterschiede ermittelt werden (F-Test, multivariate Varianzanalyse) (vgl. Tab. 1). Variable Teilnahmezeitraum in Wochen Gruppe Mittelwert (SD) F-Wert p-Wert Tai Chi 43,3 (26,0) 1,117 .296 Konventionell 45,5 (24,2) Anzahl der stattgefundenen Trainingstermine Tai Chi 40,5 (24,3) Konventionell 43,3(22,2) 0,870 .356 Anzahl der wahrgenommenen Trainings- Tai Chi 27,3 (19,6) termine Konventionell 33,8 (19,9) 0,005 .945 Teilnahmequote 2,572 .116 Tai Chi 66,7 (19,2) Konventionell 76,2 (16,4) Tab. 1: Adhärenz nach Gruppenzugehörigkeit Diskussion und Schlussfolgerung Die Ergebnisse der Studien weisen darauf hin, dass im Hinblick auf die Adhärenz zur Therapie zwischen der konventionell durchgeführten Herzgruppe und der Tai-Chi-Herzgruppe keine Unterschiede festzustellen sind. Dies bedeutet, dass sich die in Südostasien gewonnenen Erkenntnisse bzgl. verbesserter Teilnahmetreue an mit Tai-Chi durchgeführten Herzgruppen nicht auf die untersuchte Population übertragen lassen. Psychische Komorbidität in der kardiologischen Rehabilitation – Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung Lindow, B., Naumann, B. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Hintergrund und Fragestellung Im Jahr 2012 wurden 72.343 kardiologische Rehabilitationsleistungen von der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt. Der Anteil der kardiologischen AHB-Verfahren (n=49.380) lag bei 68 %. In den ärztlichen Reha-Entlassungsberichten der Rentenversicherung können bis zu 5 Diagnosen aufgeführt werden. Die Kodierung erfolgt nach der Internationalen statis262 tischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision – German Modifikation (ICD-10-GM). Neben der Reha-begründenden kardiologischen Erstdiagnose können weitere Reha-relevante Begleitdiagnosen aufgeführt werden. Für die Durchführung und den Erfolg kardiologischer Rehabilitationen ist das Vorhandensein von Begleiterkrankungen von großer Bedeutung (Rauch et. al., 2007). Forschungsergebnisse weisen bei kardiologischen Patienten einen hohen Anteil mit psychischen Belastungen aus. So werden nach klinischer Manifestation einer koronaren Herzkrankheit für Depressivität Prävalenzraten zwischen 20 % und 50 % angegeben (Ladwig et. al., 2013). Bei den kardiologischen Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung im Jahre 2012 wurden insgesamt 218.830 Begleitdiagnosen angegeben. Anteilig führen dabei mit 42 % Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems, gefolgt von gastrointestinalen und sonstigen Krankheiten. An 4. Stelle der Häufigkeiten stehen mit 9 % psychische und psychosomatische Krankheiten (ICD-Kodes F00–F99), auf die im Folgenden detailliert eingegangen wird. Psychische Störungen als Begleiterkrankung in der kardiologischen Rehabilitation bedeuten eine besondere Anforderung an eine bedarfsgerechte Therapiegestaltung (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2014). Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak (F17) werden bei 18 % der Rehabilitanden angegeben und stehen damit im Vordergrund. Daneben – und bezüglich der Auswirkungen gesondert zu beachten – sind die Reaktionen auf schwere Belastungen (F43), Depressive Reaktionen (F32) sowie Angststörungen (F41) besonders häufig vertreten. Es wird untersucht, ob kardiologische Rehabilitanden mit dokumentierten psychischen Begleitkrankheiten bezüglich Prozess- und Ergebnisparametern der Reha-Qualitätssicherung Auffälligkeiten aufweisen und ob sich Hinweise für eine Prozessoptimierung erkennen lassen (Mittag, Reese, 2013). Methoden Auf der Grundlage von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung des Jahres 2012 werden empirische Auswertungen vorgestellt. Die Ergebnisse aller kardiologischen Rehabilitanden (n=69.754) werden deskriptiv denen von Rehabilitanden mit psychischen Begleitdiagnosen gegenübergestellt. Auswahlkriterium waren dokumentierte psychische und Verhaltensstörungen in den Diagnosefeldern 2–5. Für einen Rehabilitanden können auch mehrere psychische Begleitdiagnosen aufgeführt sein. Detailliert wird die Gruppe der affektiven Störungen (F30–F39) untersucht (n=1.935). Es können Daten zur therapeutischen Versorgung, zur Rehabilitandenzufriedenheit, zum subjektiven Behandlungserfolg, zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung und zum sozialmedizinischen Verlauf dargestellt werden. Ergebnisse Die Rehabiltanden in der Gruppe mit einer Begleitdiagnose aus dem Formenkreis der affektiven Störungen sind mit 52,5 Jahren im Durchschnitt jünger als alle kardiologischen Rehabilitanden (53,3 Jahre). Mit 42 % ist der Anteil der Frauen höher als in der Vergleichsgruppe (23 %). Es überwiegen mit 60 % Rehabilitanden im Antragsverfahren gegenüber 32 % bei allen. In der therapeutischen Ausrichtung erhalten anteilig mehr Rehabilitanden mit affektiven Störungen psychologische und psychotherapeutische Leistungen und diese intensiver. Für alle kardiologischen Rehabilitanden liegt der Anteil bei 85 % bzw. 6 %, in der Vergleichsgruppe mit F30–F39 als Begleitdiagnose sind es 93 % bzw. 16 %. Die wöchentliche Be- 263 handlungsdauer in der Rehabilitation liegt für alle bei 1,8 Stunden Psychologie sowie 0,7 Stunden Psychotherapie gegenüber 2,3 und 1,2 Stunden in der Vergleichsgruppe. Tendenziell ist die Gruppe aller kardiologischen Rehabilitanden zufriedener mit der erfahrenen Rehabilitation, den Behandlungserfolg beurteilen die Rehabilitanden mit begleitenden affektiven Störungen aber deutlich kritischer. Während 77 % aller ein positives Ergebnis sehen sind es in der Vergleichsgruppe nur 70 %. Die kritische Einschätzung schlägt sich auch in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nieder, die im Abschlussbericht von der Reha-Einrichtung dokumentiert wird. Bei 93 % der kardiologischen Rehabilitanden insgesamt wird für den allgemeinen Arbeitsmarkt eine Leistungsfähigkeit von 6 Stunden und mehr angegeben; in der Vergleichsgruppe bei 90 %. Ausgeprägter sind die Unterschiede in der Leistungsbeurteilung für die letzte berufliche Tätigkeit, der aus Sicht der Rehabilitanden größere Bedeutung zukommt. Hier liegt für 80 % aller Rehabilitanden ein vollschichtiges Leistungsvermögen vor, während dies in der Vergleichsgruppe nur für 74 % zutrifft. Verfolgt man die kardiologischen Rehabilitanden, die im Jahr 2010 eine Rehabilitation beendet haben, bezüglich Ihrer Beitragszahlung in die Rentenversicherung über einen Zeitraum von 2 Jahren, zeigt sich, dass für 73 % lückenlose Beitragszahlungen eingehen. 7 % beziehen in diesem Zeitraum eine Erwerbsminderungsrente. In der Vergleichsgruppe finden sich lediglich 63 % mit lückenlosen Beiträgen, aber 14% in Erwerbsminderungsrente (Baumeister, Härter, 2005). Diskussion Für die kardiologische Rehabilitation kann gezeigt werden, dass psychische Komorbidität die Therapie und Verläufe wesentlich beeinflusst. Allerdings ist die Zahl der Rehabilitanden für die eine psychische Komorbidität angegeben wird im Vergleich zu den Forschungsergebnissen gering. Kardiologische Rehabilitanden mit affektiven Störungen (F30–F39) stellen eine Risikogruppe dar, die einer spezifischen Behandlung bedarf. Es handelt sich um dokumentierte Diagnosen. Aussagen zur Vollständigkeit und Validität der Diagnosen sind mit den Routinedaten der Rentenversicherung nicht möglich. Mit den Möglichkeiten kardiologischer Fachabteilungen wird den Rehabilitanden bereits eine individuelle bedarfsorientierte Therapie angeboten. Ungünstige Verlaufsparameter geben Hinweise, dass die Anstrengungen möglicherweise mit psychotherapeutischer Kompetenz intensiviert werden müssen. Die Ergebnisse rehabilitationswissenschaftlicher Forschung zeigen, dass eine kardiologische Rehabilitation nur dann einen nachhaltigen sekundärpräventiven Effekt aufweist, wenn sie zu einer dauerhaften Lebensstiländerung der Rehabilitanden führt. Prävention und Nachsorge schaffen weitere Ansätze hierzu und ermöglichen geeignete Interventionen über einen längeren Zeitraum. Zu den Erfolgsfaktoren zählt auch der stärkere Bezug zur Arbeitswelt und zu den konkreten Belastungen am Arbeitsplatz. Literatur Baumeister, H., Härter, M. (2005): Auswirkungen komorbider psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 4. 175-189. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2014): Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung. Berlin. 264 Ladwig, K.-H., Lederbogen, F., Albus, C., Angermann, C., Borggrefe, M., Fischer, D., Fritzsche, K., Haass, M., Jordan, J., Jünger, J., Kindermann, I., Köllner, V., Kuhn, B., Scherer, M., Seyfarth, M., Völler, H., Waller, C., Herrmann-Lingen, C. (2013). Positionspapier zur Bedeutung psychosozialer Faktoren in der Kardiologie, Update 2013. Kardiologe, 7. 7-27. Mittag, O., Reese, C. (2013): Die Entwicklung von Praxisempfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabilitation von Patienten mit koronarer Herzkrankheit: Methoden und Ergebnisse. Die Rehabilitation, 52. 266-272. Rauch, B., Middeke, M., Bönner, G., Karoff, M., Held, K. (Hrsg.) (2007): Kardiologische Rehabilitation. Standards für die Praxis nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V. Thieme Verlag. Stuttgart. Bewegungsangst bei chronischer Herzinsuffizienz – Ergebnisse zur Entwicklung eines Messinstruments Spaderna, H. (1), Hellwig, S. (1), Hennig, D. (1), Anastasopoulou, P. (2), Hey, S. (2) (1) Abteilung Gesundheitspsychologie und Angewandte Diagnostik, Bergische Universität Wuppertal, (2) Institut für Technik der Informationsverarbeitung, Karlsruher Institut für Technologie KIT, Karlsruhe Obwohl körperliche Aktivität für Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ein wichtiges Element der Behandlung und Rehabilitation darstellt, ist ein großer Teil dieser Patientengruppe als körperlich inaktiv zu bezeichnen (Dontje et al., 2013). Eine mögliche Ursache hierfür stellt die Angst vor Bewegung (Kinesiophobie) dar. Um Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität darauf abzustimmen, ist eine zuverlässige und valide Erfassung der Bewegungsangst bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz notwendig, da Angst allgemein erfasst nicht mit körperlicher Aktivität assoziiert zu sein scheint (Spaderna et al., 2014). Mit dem Ziel, das Ausmaß der Bewegungsangst speziell in dieser Patientengruppe messbar zu machen, wurde der Fear of Activity in Situations – Heart Diseases (FActS-HD) entwickelt (Hennig, 2013). Der FActS-HD besteht aus 24 Situationsbeschreibungen körperlicher Aktivität, die hinsichtlich des Kontextes (Sport, Alltag und Freizeit) sowie der Intensität der Aktivität (leicht, mittel und schwer) variieren. Die Patientinnen und Patienten werden gebeten, sich diese Situationen vorzustellen und anschließend jeweils ihre kognitiven und affektiven Reaktionen auf einer Skala von 0 („gar nicht“) bis 5 („sehr stark“) einzuschätzen. In 2 Studien mit insgesamt 131 Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen (20 % weiblich; mittleres Alter = 67,1 Jahre) wurden psychometrische Gütekriterien untersucht. Die Messgenauigkeit des FActS-HD erwies sich mit Cronbachs’ α = .98 als sehr gut. Studie 1 liefert zudem Belege für die konvergente Validität des FActS-HD bezüglich Maßen für Angst und körperliche Symptome (r >.50). Erwartungsgemäß sind die Werte für Bewegungsangst unabhängig von Persönlichkeitsmerkmalen wie Offenheit für Erfahrungen und Verträglichkeit. Bewegungsangst zeigt zudem nur eine mäßige Überlappung mit aktuellen depressiven 265 Symptomen (16 % gemeinsame Varianz mit Depressivität als Zustand erfasst über das State-Trait-Angst-Depressions-Inventar – STADI; Laux et al., 2013). In Studie 2 wurde neben dem FactS-HD die körperliche Aktivität der Teilnehmenden über 1 Woche objektiv mit Hilfe von Akzelerometern (move II, movisens GmbH, Karlsruhe) erfasst und nach der Aktivitätsintensität (MET, kCal) ausgewertet. Erwartungskonform sagten höhere Werte im FActS-HD eine geringere körperliche Aktivität im Alltag vorher (β= −.30; p<.05). Die Befunde sprechen dafür, dass mit dem FActS-HD ein messgenaues und valides Instrument zur Erfassung von Bewegungsangst bei Herzinsuffizienz zur Verfügung steht. Auf dieser Grundlage können weitere Studien zur Bewegungsangst durchgeführt werden mit dem Ziel, spezifische Interventionen zu entwickeln, um diese psychische Barriere für einen körperlich aktiven Alltag bei Herzinsuffizienz zu reduzieren. Literatur Dontje, M.L., van der Wal, M.H., Stolk, R.P., Brügemann, J., Jaarsma, T., Wijtvliet, P.E., et al. (2014): Daily physical activity in stable heart failure patients. Journal of Cardiovascular Nursing, 29. 218-226. Hennig, D. (2013): Entwicklung eines Messinstruments zur Erfassung von Kinesiophobie bei chronischer Herzinsuffizienz – Fertigstellung der ersten Fragebogenversion und erste Itemanalysen. Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Bergische Universität Wuppertal. Laux, L., Hock, M., Bergner-Köther, R., Hodapp, V., Renner, K.-H. (2013): Das State-TraitAngst-Depressions-Inventar. Manual. Göttingen: Hogrefe. Spaderna, H., Vögele, C., Barten, M.J., Smits, J.M., Bunyamin, V., Weidner, G. (2014): Physical activity and depression predict event-free survival in heart transplant candidates. Health Psychology. Advanced Online Publication. doi: 10.1037/hea0000033. Fernbetreuung zur Behandlung von Depression bei Herzpatienten Schulz, S.M. (1, 2), Braig, J. (1) (1) Department of Psychology, University of Würzburg, (2) Comprehensive Heart Failure Center, University of Würzburg Hintergrund Herzerkrankungen sind weltweit die führende Todesursache (Statistisches Bundesamt, 2012). 20–50 % der Herzpatienten leiden an Depression und sind durch besonders geringe gesundheitsbezogene Lebensqualität und eine schlechtere gesundheitliche Entwicklung gekennzeichnet (z. B. Lingen, 2010). Fernbetreuungsansätze stellen eine ökonomische Interventionsform für diese Patientengruppe dar, die sich bei der Behandlung depressiver Patienten ohne Herzerkrankung bereits als effektiv erwiesen hat (telefonbasiert: d=0,26, 95 % KI = 0,14–0,39, Mohr et al., 2008; webbasiert: d=0,41, 95 % KI = 0,29–0,54, Andersson, Cuijpers, 2009). 266 Literatursuche Um das Potenzial von Fernbetreuungsmaßnahmen für die Behandlung von Depression bei Herzpatienten zu evaluieren wurden Studien mit web- und telefonbasierten psychosozialen Interventionen für Patienten mit kardiologischen Erkrankungen identifiziert, bei welchen depressive Symptomatik in einer prä-post-Messung als Maß des Therapieerfolgs erfasst wurde (n≥20) und mit Publikationen zu webbasierte Interventionen für depressive Patienten ohne Herzerkrankung verglichen. Von 903 durch schlüsselbegriffsbasierte Suche in Literaturdatenbanken identifizierten Einträgen wurden 69 Abstracts sowie 34 Volltextartikel überprüft. 30 weitere Volltextartikel wurden über Literaturverzeichnisse und freie Recherchen identifiziert. In die quantitative und qualitative Auswertung gingen schließlich n= 19 Studien ein. Ergebnisse Grundsätzlich erscheinen Fernbetreuungsmaßnahmen geeignet um Depression bei Herzpatienten effektiv zu reduzieren. Die Befundlage ist jedoch heterogen und der Erfolg wird vermutlich durch eine Reihe von Faktoren moderiert. Günstig für eine erfolgreiche Behandlung erscheint Bedürftigkeit (Depression als Einschlusskriterium), Motivation (Einstiegshürden), Adhärenz (gefördert durch professionelle Moderation) sowie gezielte körperliche Aktivierung zu sein. Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet stellen eine immer geringer werdende Herausforderung dar. Hohes Alter, weibliches Geschlecht und niedriger sozioökonomischer Status sind Herausforderungen, die aber nicht spezifisch für Fernbetreuung sind. Therapeutische Beziehung und Behandlungsadhärenz war im Allgemeinen gut. Obwohl hier Potenzial erkennbar ist, werden soziale Unterstützung, spirituelle/religiöse Inhalte und die End-of-Life-Thematik, sowie die Förderung körperlicher Aktivität bislang zu wenig thematisiert. Fazit Fernbetreuungsinterventionen zur Reduktion depressiver Symptomatik kardiologischer Patienten sollten weiter optimiert werden. Klassische Vorbehalte gegen Fernbetreuungsmaßnahmen wurden nicht bestätigt. Insbesondere im Rahmen von „stepped-care“-Ansätzen stellen sie daher eine vielversprechende Ergänzung traditioneller Angebote dar. Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung Literatur Andersson, G., Cuijpers, P. (2009): Internet-based and other computerized psychological treatments for adult depression: a meta-analysis. Cognitive Behaviour Therapy, 38 (4): 196-205. doi: 10.1080/16506070903318960. Herrmann-Lingen, C. (2010): Der depressive Herzpatient: Wie erkennen? Wie behandeln? Journal für Kardiologie – Austrian Journal of Cardiology, 17 (1-2). 9-12. Mohr, D.C., Ho, J., Duffecy, J., et al. (2012): Effect of telephone-administered vs face-to-face cognitive behavioral therapy on adherence to therapy and depression outcomes among primary care patients: a randomized trial. JAMA: the Journal of the American Medical Association, 307 (21):2278-2285. doi: 10.1001/jama.2012.5588. Statistisches Bundesamt (2012): Todesursachen in Deutschland. Fachserie 12, Reihe 4. 267 Veränderung des Rauchverhaltens von Frauen nach Herzinfarkt – Ergebnisse einer Follow-up-Studie mit Reha-Patientinnen Härtel, U. (1), Symannek, C. (1, 2), Wex, R. (1) (1) Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, (2) Klinik Höhenried, Bernried Hintergrund und Fragestellung Zigarettenrauchen ist für Frauen – insbesondere in jüngeren Jahren – einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung und den Verlauf einer koronaren Herzkrankheit. Verschiedene Studien indizieren, dass es Frauen besonders schwerfällt, das Rauchen aufzugeben, selbst bei manifester Erkrankung. In der vorliegenden Analyse wird untersucht, wie sich das Rauchverhalten von Frauen nach einem akuten koronaren Ereignis verändert und aus welchen (selbst genannten) Gründen Raucherinnen das Rauchen nicht aufgeben oder nach der Reha wieder aufnehmen. Methoden Prospektive Follow-up-Studie mit 640 Reha-Patientinnen (durchschnittliches Alter bei RehaAufnahme 56 Jahre), die in den Jahren 2005 bis 2009 nach akutem Herzinfarkt oder angiographisch bestätigter instabiler Angina Pectoris zur Anschlussheilbehandlung (AHB) in die Klinik Höhenried eingewiesen wurden. Die Patientinnen nahmen zu Beginn und am Ende der AHB an umfangreichen standardisierten Interviews und schriftlichen Befragungen teil. Im Jahr 2011/2012 wurden sie erneut schriftlich befragt. Die mittlere Follow-up-Zeit betrug 5 Jahre. Ergebnisse Von den 640 Patientinnen der Ausgangsstichprobe nahmen 490 (77 %) an der Follow-upBefragung nach durchschnittlich 5 Jahren teil. Von den Studienteilnehmerinnen hatten 53 % bis zum Zeitpunkt ihres akuten Herzinfarkts regelmäßig Zigaretten geraucht, bei den unter 55-jährigen waren es 70 %. Insgesamt 17 % der Frauen waren zu Beginn der AHB Ex-Raucherinnen (d. h. sie hatten vor mehr als 3 Monaten mit dem Rauchen aufgehört), 30 % hatten noch nie regelmäßig geraucht. In den ersten Tagen der AHB rauchten noch etwa 12 % der Patientinnen täglich Zigaretten. Dies war auch vorwiegend die Gruppe, die an einem „Nichtrauchertraining“ teilnahm. Etwa 5 Jahre nach der stationären Reha waren insgesamt 25 % der Patientinnen wieder oder noch Zigarettenraucherinnen. Von den früheren regelmäßigen Raucherinnen (bis zum Infarkt) hatten 46 % das Rauchen nicht aufgegeben bzw. wieder damit begonnen, von den Ex-Raucherinnen hatten 5 % das Rauchen wieder aufgenommen. Die häufigsten selbst genannten Gründe, warum das Rauchen nicht aufgegeben wurde (Mehrfachangaben eingeschlossen), waren: „Ich werde nervös, wenn ich nicht rauche“ (64 %); „Ich kann auf die Zigaretten nicht verzichten“ (62 %), „Gewichtszunahme“ (46 %), „Im Freundes- und Bekanntenkreis wird viel geraucht“ (36 %), „Andere Familienmitglieder rauchen“ (16 %), „Glaube nicht, dass mir das Rauchen schadet“ (14 %). Weitere Analysen ergaben, dass geschiedene oder ledige Frauen sowohl zu Beginn der AHB als auch im Follow-up signifikant häufiger 268 Zigarettenraucherinnen waren als verheiratete und dass Frauen mit erhöhten Angst- und Depressions-Symptomen (HADS) das Rauchen tendenziell seltener aufgaben. Diese Zusammenhäng werden derzeit noch genauer untersucht. Schlussfolgerungen Der auffallend hohe Anteil jüngerer Frauen, die bis zu ihrem Herzinfarkt geraucht haben, verweist noch einmal auf die große Bedeutung dieses Risikofaktors für die Entstehung der koronaren Herzkrankheit. Deutlich wird auch, wie wichtig eine genaue Raucher-Anamnese ist, um in Tabakentwöhnungsprogramme auch diejenigen Frauen einzuschließen, die zwar kurz vor der Reha das Rauchen aufgegeben haben, aber nach der Reha eine hohes „Rückfallrisiko“ aufweisen. Die von den Raucherinnen am häufigsten genannten Gründe für das Nichtaufgeben des Zigarettenrauchens lassen den starken Suchteffekt des Rauchens erkennen. 269 Kardiologische Rehabilitation II Multimodale Rehabilitation von Patienten mit Marfan-Syndrom Benninghoven, D. (1), Schroeder, F. (1), von Kodolitsch, Y. (2), Hoberg, E. (1) (1) Mühlenbergklinik – Holsteinische Schweiz, Bad Malente-Gremsmühlen, (2) Universitäres Herzzentrum der Universität Hamburg Hintergrund Die Fortschritte der Intensivmedizin, der Kardiologie und der Herzchirurgie haben in den letzten Jahrzehnten zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose von Patienten mit angeborenen Herzfehlern geführt. Diese Fortschritte führten zum Auftreten einer neuen Gruppe von Patienten, die jetzt nach erfolgreicher Kinder- und Jugendmedizinischer Betreuung erstmalig als Erwachsene einer spezialisierten medizinischen Betreuung bedürfen. Nach Schätzungen leben in Deutschland derzeit über 180.000 junge Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH). Das Marfan-Syndrom ist ein typisches Beispiel für eine solche Erkrankung. Die Lebenserwartung Betroffener wurde in Deutschland durch multidisziplinäre Betreuung in spezialisierten Zentren deutlich verbessert. Ihr mittleres Alter liegt bei 35 ± (Standardabweichung) 13 Jahren. Die wenigen verfügbaren Daten zeigen, dass trotz aktiver Nutzung spezialisierter medizinischer Versorgungsangebote deutliche Defizite in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Betroffenen bestehen, die vor allem durch eine eingeschränkte Teilhabe am Berufsleben und an Freizeitaktivitäten bedingt ist. Etablierte Konzepte zur kardiologischen Rehabilitation richten sich bisher vorrangig an Patienten mit koronarer Herzerkrankung und erworbenen Herzklappenfehlern. Für EMAH-Patienten ist eine auf diese Patientengruppe zugeschnittene Rehabilitation wenig zielführend, da sie in der Regel von anderen medizinischen und psychischen Problemen betroffen sind. Vor diesem Hintergrund hat die Mühlenberg Klinik in Bad Malente in Kooperation mit der Marfan Hilfe Deutschland e. V. und dem Universitären Herzzentrum in Hamburg ein Programm zur Rehabilitation von Erwachsenen mit Marfan-Syndrom entwickelt. Eingeflossen in dieses Projekt sind die in dem weltweit bislang einzigen Rehabilitationszentrum für Patienten mit Marfan-Syndrom, dem TRS Kompetenzzentrum für Seltene Erkrankungen (TRS), Nesoddtangen bei Oslo, Norwegen, gesammelten Erfahrungen. Insbesondere der interdisziplinäre und damit multimodale Zugang sowie das Ziel, die Patienten möglichst gut zu informieren und so die Selbsthilfekompetenzen zu stärken, wurden dort als hilfreich erlebt. Unter Berücksichtigung dieser Erfahrungen wurde ein auf das spezifische 3-wöchige deutsche Setting abgestimmtes Rehabilitationsprogramm für Patienten mit Marfan-Syndrom erstmalig umgesetzt. Methodik Im Rahmen eines Pilotprojektes wurde eine geschlossene Gruppe von 8 Rehabilitanden mit Marfan-Syndrom aufgenommen. Das Behandlungsprogramm war auf die besonderen Bedürfnisse und Voraussetzungen dieser Patientengruppe abgestimmt. Das mulitmodale Pro- 270 gramm sah aufeinander abgestimmte Therapieangebote eines festen für diese Gruppe bestimmten interdisziplinären Rehabilitationsteams vor. Regelmäßige interdisziplinäre Teambesprechungen waren darüber hinaus wichtiger Bestandteil des Behandlungsprogramms. Die Patienten wurden bei Behandlungsbeginn und an dessen Ende ergometrisch (Abbruchkriterium RR >160 mmHg systolisch) und ausführlich psychometrisch untersucht. Ergebnisse Aufgrund der kleinen Stichprobengröße ist eine inferenzstatistische Datenauswertung wenig sinnvoll. Die deskriptive Auswertung der vorliegenden Daten allerdings zeigt auf allen eingesetzten psychometrischen Skalen Verbesserungen für die untersuchte Patientengruppe. Besonders das psychische Wohlbefinden sowie das Körperempfinden verändert sich positiv in die gewünschte Richtung. Die aus Sicht der Betroffenen wichtigen Themen wurden gesammelt und stehen als Grundlage für die konzeptuelle Weiterentwicklung zu Verfügung. Diskussion Das beschriebene Konzept hat sich in einem ersten Schritt aus der Sicht der Betroffenen sowie aus der Sicht der Behandler bewährt. Erstmals steht in Deutschland ein Rehabilitationsprogramm zur Verfügung, das speziell auf die besonderen Bedürfnisse und Erwartungen von Patienten mit Marfan-Syndrom zugeschnitten ist. Die enge Kooperation mit der Selbsthilfevereinigung sowie mit dem Universitären Herzzentrum Hamburg war dabei eine wichtige Voraussetzung. Die Fortführung des Pilotprojektes, dessen weitere Evaluation sowie eine Optimierung auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen sind vorgesehen. Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie zum Vergleich von kohlenhydratreduzierter mit leitliniengemäßer Ernährung in der Therapie des Typ-2-Diabetes Karoff, J. (1), Kittel, J. (2), Wagner, A.M. (1), Karoff, M. (1, 2, 3) (1) Universität Witten/Herdecke, (2) Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney, (3) Klinik Königsfeld, Ennepetal Hintergrund Seit Jahren wächst die Prävalenz des Typ-2-Diabetes. Zur Optimierung der Verlaufsprognose hat insbesondere die glykämische Einstellung große Bedeutung. Ernährungsstudien an Nicht-Diabetikern haben wiederholt Hinweise auf günstige Effekte unter kohlenhydratreduzierten Kostformen mit erhöhten Fett- und Eiweißanteilen geliefert. Diese Beobachtungen stehen nicht im Einklang mit der Leitlinienempfehlung zur Ernährungstherapie des Typ-2-Diabetes, wonach eine kohlenhydratbetonte Ernährung (45–60 % der Energiezufuhr) geboten ist (vgl. Toeller, 2005). Mit einer aktiv kontrollierten, randomisierten Studie an Typ-2-Diabetikern erfolgte die Prüfung, ob eine 6-monatige ernährungstherapeutische Intervention mit einer kohlenhydratreduzierten Kost zu günstigeren Therapieeffekten führt, als unter leitliniengerechter, voll271 wertiger Ernährung (Interventions-/Kontrollgruppe: 25/55 % Kohlenhydrate, 45/30 % Fett, 30/15 % Eiweiß, jeweils 1.800 Kalorien tägl.). Methodik Am Erhebungsort (Klinik Königsfeld, DRV Westfalen) wurden zwischen 2011 und 2013 stationäre Rehabilitanden (Indikationen: Kardiologie, Orthopädie) mit entsprechender Aufnahmediagnose (ICD-10: E11.) rekrutiert. Während der mindestens 21-tägigen Rehabilitation (t2) erfolgte eine Vollverpflegung gemäß Studienprotokoll, begleitet von theoretischen und praktischen Ernährungsschulungen. Nach 6 Monaten erfolgte die 3. Erhebung (t3). In dieser 2. Studienphase erfolgte u. a. eine Compliance-Kontrolle mit 3-tägigem Ernährungsprotokoll. Zu allen 3 Messzeitpunkten wurden schriftliche Befragungen durchgeführt. Hauptzielkriterien waren die Laborparameter HbA1c und Nüchternglukose. Ergebnisse 418 Teilnehmer konnten randomisiert den beiden Studienarmen zugeordnet werden. 332 Probanden (79 %) haben den t2-Messzeitpunkt erfolgreich durchlaufen und 121 Probanden nahmen an allen 3 Erhebungswellen teil. Mittelwertvergleiche relevanter Probandenmerkmale zu t1 belegen die Wirksamkeit der Randomisierung. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag zu Baseline bei 56 Jahren (±7,3), der Männeranteil beträgt 80 %. Mit einem BMI von 33,1 (±5,9) liegt eine therapiebedürftige Körperkonstitution vor; bei mittlerem Körpergewicht von 100,5 kg (±20,1) und Bauchumfang von 113,9 cm (±13,9). Ein initialer HbA1c von 7,3 % (±1,4) beziffert die glykämische Einstellung der Stichprobe. Für alle t2-Teilnehmer zeigen sich günstige Effekte während der 3-wöchigen stationären Rehabilitation, sowohl für beide Hauptzielkriterien, als auch hinsichtlich der Körpermaße und weiterer Biomarker. Teilnehmer aller 3 Messzeitpunkte zeigen am Reha-Ende (t2) tendenziell stärkere Therapieeffekte. Hier beträgt die Reduktion des HbA1c – bezogen auf den Ausgangswert – in der IG rund 6,6 % (d=0,36) gegenüber einer anteiligen Reduktion um 4,4 % in der KG (d=0,28). Beide Effektstärken vermitteln kleine Effekte, die vor dem Hintergrund der antidiabetischen Medikation zu reflektieren sind. Im Alltag der Rehabilitanden steigen die HbA1c-Werte wieder an. Dies zehrt in der KG die zu t2 ermittelte Optimierung nahezu vollständig auf (t1–t3: d=0,04). Demgegenüber liegt für die IG auch nach 6 Monaten ein abgeschwächter kleiner Effekt vor (t1–t3: d=0,22), der sich in einer bedeutsamen Reduktion des Baseline-Niveaus manifestiert. Für beide Gruppen gilt, dass über den Gesamtzeitraum eine signifikante Reduktion der Nüchternglukose vorliegt. Diskussion Im Rahmen ernährungstherapeutischer Interventionen geht der methodische Vorteil einer Randomisierung der Teilnehmer mit einem forschungspragmatisch ungünstigen Verlust an Studienteilnehmern einher. Der Eindruck „in der falschen Gruppe gelandet“ zu sein, konnte in beiden Gruppen verzeichnet werden und führte häufig zum Studienabbruch, zumindest zu begrenzter Adhärenz. Ernährungsgewohnheiten sind offensichtlicher Bestandteil inkorporierter Habitus und deren Alltagspraxis. Es bleibt vorerst offen, inwieweit intensivierte edukative Anstrengungen zur ernährungsphysiologischen Wissensvermittlung noch stärker zur Ausschöpfung offensichtlich vorhandener ernährungstherapeutischer Potentiale beitragen können, oder darüber hinaus psychosoziale Aspekte einbezogen werden sollten. 272 Förderung: Verein zu Förderung der Rehabilitationsforschung e. V., Norderney Literatur Toeller, M. (2005): Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus [authorisierte deutsche Version]. Diabetes und Stoffwechsel. Zeitschrift für angewandte Diabetologie, 14. 75-94. Die prognostische Bedeutung des Übergewichts auf das langfristige Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen nach Herzinfarkt – Ergebnisse einer Follow-up-Studie Härtel, U. (1), Filipiak, B. (1), Symannek, C. (1), Bongarth, C. (2) (1) Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, (2) Klinik Höhenried, Bernried Hintergrund und Fragestellung Zum Einfluss des Körpergewichts auf die Prognose nach akuter koronarer Herzkrankheit gibt es inkonsistente Studienergebnisse und kontroverse Diskussionen (Lavie et al., 2013). Die Ergebnisse variieren je nach Studiendesign, untersuchten Outcomes und Follow-upZeiten. Nur wenige Studien beziehen Frauen ein oder haben längere Beobachtungszeiten als 3 Jahre. In der vorliegenden Analyse wird – unter Kontrolle der klassischen Risikofaktoren – untersucht, ob Übergewicht (ermittelt über Body-Mass-Index) über einen Zeitraum von 10 Jahren das Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen in der Reha nach Herzinfarkt beeinflussen. Methoden Prospektive Follow-up-Studie mit 202 Frauen (Alter bis 75 Jahre), die nach erstem akuten Herzinfarkt bzw. angiographisch bestätigter instabiler Angina pectoris zur Anschlussheilbehandlung (AHB) in die Klinik Höhenried eingewiesen wurden. Die Rekrutierung erfolgte konsekutiv zu Beginn der AHB in den Jahren 1999 bis Ende 2000. Messmethoden zu Beginn und am Ende der AHB waren medizinische Untersuchungen, Laborwerte, standardisierte Interviews und schriftliche Befragungen. Nach der Entlassung aus der AHB wurden die Patientinnen 16 Monate, 3 Jahre und 10 Jahre später noch einmal standardisiert befragt. Der Überlebensstatus im Follow-up wurde über die zuständigen Einwohnermelderegister ermittelt. Ergebnisse Das mittlere Alter der Frauen betrug zu Beginn der AHB 61 Jahre. Im Untersuchungszeitraum waren 28 Frauen verstorben (14 % von 202). Von den überlebenden Frauen konnten nach 10 Jahren 74 % noch einmal befragt werden. 20 % dieser Frauen hatten im Verlauf des Follow-up mindestens 1 Reinfarkt erlitten. Da von 46 Frauen keine Information zu den Rezidiven vorlag, wurden in die statistische Auswertung des Outcomes „All Events“ (verstorben oder Reinfarkt) nur 154 Frauen einbezogen. In den nach Alter adjustierten Überlebenszeit-Analysen (Cox Proportional Hazard Analysen) zeigte sich, dass übergewichtige Frauen (BMI ≥25 kg/m2 ein etwa 3-fach höheres Sterbe273 risiko aufwiesen als Frauen unterhalb eines BMI von 25 kg/m2. (HRR: 2,9: 95 % CI: 1,1–7,7). Dieser Effekt blieb auch nach Kontrolle der klassischen Risikofaktoren Diabetes, hoher Blutdruck und Hypercholesterinämie – sowie der Schwere des Infarkts – erhalten. Beim Outcome „All Events“ (verstorben oder Reinfarkt) fand sich in den multivariablen Analysen ein noch etwas stärkerer unabhängiger Effekt des BMI ≥25 kg/m2 (Odds Ratio: 3,3; 95 % CI: 1,5–7,3). Außerdem war festzustellen, dass Frauen, die allein lebten (ohne Partner) ebenfalls ein signifikant höheres Risiko hatten zu versterben oder einen Reinfarkt zu erleiden als Frauen mit Partner (Odds Ratio: 2,1; 95 % CI: 1,0–4,5). Schlussfolgerungen. In der vorliegenden Studie mit einer Follow-up-Zeit von 10 Jahren hatte das Übergewicht einen signifikanten Einfluss auf das Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen nach erstem Herzinfarkt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass in der kardiologischen Rehabilitation, neben der Kontrolle der klassischen Risikofaktoren, dem Übergewicht von Frauen und dem damit verbundenen Lebensstil verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden müsste. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd Literatur Lavie, C.J. et al. Impact of obesity and the obesity paradox on prevalence and prognosis in heart failure. Review. JACC Heart Fail. 2013 Apr. 1(2): 93-102. Aussagekraft spiroergometrischer Parameter im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung kardiovaskulär erkrankter Patienten Völler, H. (1, 2), Salzwedel, A. (1), Reibis, R. (3), Kaminski, S. (2), Buhlert, H. (2), Eichler, S. (1), Wegscheider, K. (4) (1) Professur für Rehabilitationswissenschaften, Universität Potsdam, (2) Klinik am See, Rüdersdorf, (3) Kardiologische Gemeinschaftspraxis am Park Sanssouci, Potsdam, (4) Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Hintergrund/Einleitung Aufgrund der demographischen Entwicklung wird das Renteneintrittsalter in Deutschland sukzessive auf 67 Jahre angehoben. Beim Erhalt bzw. der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit kardiologischer Patienten kommt der medizinischen Rehabilitation und der damit verbundenen sozialmedizinischen Begutachtung eine besondere Rolle zu. Ob dabei der spiroergometrischen Untersuchung eine eigenständige Bedeutung beigemessen werden kann, ist bislang nicht geklärt. Daher war es das Ziel vorliegender Untersuchung, die Vorhersagekraft spiroergometrischer Parameter im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung (BWE) im Vergleich mit anderen funktionellen und psychologischen Parametern zu untersuchen. Patienten und Methodik Wir analysierten die soziodemographischen und klinischen Daten eines prospektiven Registers von 469 Patienten (mittleres Alter 51,5 ± 6,9 Jahre, 87,9 % Männer), die zwischen 06/2009 und 12/2011 einer dreiwöchigen stationären Rehabilitation, vorwiegend nach per274 kutaner Koronarintervention (PCI) mit oder ohne akutes Koronarsyndrom (62,6 %), aortokoronarer Bypassoperation (17,2 %) und Aortenklappenersatz (9 %) zugewiesen wurden. Bei Aufnahme wurden die Patienten einer nichtinvasiven kardiologischen Funktionsdiagnostik (2D-Echo, Belastungs-EKG, 6-min-Gehtest) und einem psychodiagnostischen Screening unterzogen. Vor Entlassung erfolgte eine spiroergometrische Untersuchung. Deren Kennwerte wie z. B. die max. Sauerstoffaufnahme wurden hinsichtlich ihrer prädiktiven Bedeutung für die BWE unter Kontrolle von weiteren Patientenparametern (z. B. Alter, Geschlecht, Reha-Indikation) mittels Cox-Regression analysiert. Dabei wurde die Zeit bis zur Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit (Sozialdaten der Deutschen Rentenversicherung, Stichtag 31.12.2012) als Zielgröße operationalisiert. Ergebnisse Während einer Nachbeobachtungszeit von 26,5 ± 11,9 Monaten gelang bei 373 Patienten (76,3 %) die BWE, 60 Patienten (12,3 %) wurden berentet. Eine höhere Anzahl von Komorbiditäten (p=0,011) sowie eine in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung klassifizierte schwere Arbeit (p<0,001) waren negativ mit der BWE assoziiert (Abb. 1). Die Wahrscheinlichkeit zur BWE stieg hingegen mit zunehmender Belastbarkeit bei Aufnahme in die Rehabilitation(p<0,001) und war gleichzeitig für die elektive PCI (p=0,02) erhöht. Die während der Spiroergometrie max. erreichte Leistung (Watt) (p=0,009) sowie der VE/VCO2 – Slope (p = 0,027) hatten eine eigenständige prognostische Bedeutung (Abb. 2). Zudem war eine Berentung unwahrscheinlicher, je höher die Sauerstoffaufnahme am Beginn des aerob-anaeroben Übergangs war (VO2AT; p=0,016). Abb. 1: Anteil der Rehabilitanden ohne berufliche Wiedereingliederung nach Rehabilitation in Abhängigkeit von der Arbeitsschwere Abb. 2: Prädiktoren für die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit 275 Schlussfolgerung Unter Beachtung einer Vielzahl von Variablen haben neben den wenigen bekannten Einflussgrößen, wie der Grunderkrankung, der Anzahl von Komorbiditäten und der Arbeitsschwere, zwei Parameter der Spiroergometrie eine eigenständige Vorhersagekraft hinsichtlich der beruflichen Wiedereingliederung. Da dieser Funktionstest im Vergleich zu anderen funktionellen Untersuchungen (Belastungs-EKG, 6-min-Gehtest) durch Ermittlung der metabolischen Ausbelastung die Mitarbeit des Patienten objektiviert, sollte die Spiroergometrie obligater Bestandteil der sozialmedizinischen Einschätzung von Patienten in der kardiologischen Rehabilitation sein. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg 276 Auswirkungen eines 12-monatigen progressiven gerätegestützten Krafttrainings auf die Kraftfähigkeiten von Herzpatienten in der Rehabilitationsphase III Serowy, A., Gollan, R., Mauch, E., Schmitz, S., Bjarnason-Wehrens, B. Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln Hintergrund Während aerobes Ausdauertraining ein anerkannter Bestandteil der Bewegungstherapie in der kardiologischen Rehabilitation ist, galt Krafttraining hingegen für lange Zeit, aufgrund befürchteter Blutdruckentgleisungen und anderer kardiovaskulärer Komplikationen, als kontraindiziert für Herzpatienten (McCartney, McKelvie, 1996). In den letzten Jahren zeigten jedoch zahlreiche Untersuchungen, dass diese Befürchtungen größtenteils unbegründet sind und Krafttraining zur Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren beitragen kann (Vanhees et al., 2012; Cornelissen et al., 2011). Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen kommt es mit zunehmenden Alter zu einem erheblichen Abbau der Muskelmasse und Muskelkraft (30–40 % zwischen 30. und 70. Lebensjahr; Seguin, Nelson, 2003). Krankheitsbedingte Bettlägerigkeit und körperliche Inaktivität führt bei vielen Herzpatienten zu einem zusätzlichen Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft (Bjarnason-Wehrens et al., 2009). Dies hat nicht nur negative Auswirkungen auf den Muskelmetabolismus, sondern ist auch problematisch im Hinblick auf die Bewältigung von Alltagsbelastungen sowie für die berufliche und soziale Reintegration der Patienten. Eine Steigerung der Kraftfähigkeiten ist daher sowohl mit Blick auf die kardiovaskulären Risikofaktoren, wie auch zur Verbesserung der psychosozialen Situation und Teilhabe der Patienten erstrebenswert. Methodik und Studiendesign Ziel der Studie war es, den Einfluss eines ergänzenden gerätegestützten Krafttrainings auf die Kraftfähigkeiten von Patienten mit chronischen Herzerkrankungen in der Rehabilitationsphase III zu ermitteln. Die Stichprobe bestand aus 78 Herzgruppenteilnehmern. Die Interventionsgruppe (n=61) führte eine Kombination aus aeroben Ausdauertraining auf dem Fahrradergometer und moderatem dynamischen Krafttraining an 5 Krafttrainingsgeräten durch (Rudergerät, Brustpresse, Beinpresse, Beinstrecker, Latzug). Die Kontrollgruppe (n=17) führte ein konventionelles Herzgruppenprogramm durch, welches sich aus aerobem Ausdauertraining sowie Funktionsgymnastik (mit Kleingeräten), Entspannungstraining und koordinativ-spielerischen Elementen zusammensetzte. Der Interventionszeitraum betrug 12 Monate. Das Training fand 2-mal pro Woche über 60 Minuten statt. Vor Beginn (nach einer Gewöhnungsphase von 4 Einheiten) sowie zum Abschluss der Intervention wurde das One-Repetition-Maximum (1RM) an den 5 Geräten bestimmt. Zur Überprüfung der Trainingsintensitäten bzw. zur Trainingssteuerung erfolgten weitere 1RM-Bestimmungen nach Ablauf von 3 sowie 6 Monaten. Das Krafttraining wurde als Einsatztraining mit 20 Wiederholungen pro Satz durchgeführt. Beginnend mit 30 % des individuell bestimmten 1RM wurde dabei die Trainingsintensität progressiv auf 40 % (nach 3 Monaten) und 50 % des 1RM (nach 6 Monaten) erhöht. Zusätzlich erfolgte eine individualisierte, progressive Intensitätsanpassung über die von den Teilnehmern ausgeführte Wiederholungszahl (≥23 Wiederholungen entsprach einer Widerstandssteigerung von 10 % am jeweiligen Gerät). Zur Un277 terstützung der Belastungsbeurteilung wurde hierbei auf die Borg-Skala zurückgegriffen (Zielbereich: 12–15 RPE). Die statistische Analyse erfolgte mittels ANOVA. Ergebnisse Nach 12 Monaten war gruppenunabhängig ein signifikanter Anstieg der Kraftwerte an den 5 getesteten Geräten zu beobachten (p<0,001 an allen Geräten). Hierbei kam es innerhalb der Interventionsgruppe zu einem signifikant höherem Anstieg des 1RM als in der Kontrollgruppe (Rudergerät IG=31,9 % vs. KG=4,5 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,641, pInteraktion<0,001; Brustpresse IG=29,5 % vs. KG=9,3 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,760, pInteraktion<0,005; Beinpresse IG=31,3 % vs. KG=3,5 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,393, pInteraktion<0,001; Beinstrecker IG=43,4 % vs. KG=−5,0 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,452, pInteraktion<0,001; Latzug IG=18,2 % vs. KG=0,6 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,323, pInteraktion<0,001). Bei keinem der Patienten kam es zu unerwünschten Ereignissen, welche im Zusammenhang mit dem durchgeführten Training standen. Diskussion Die Ergebnisse belegen, dass ein ergänzendes gerätegestütztes Kraftausdauertraining im Rahmen der Rehabilitationsphase 3 bei Patienten mit chronischer Herzerkrankung zu einem erheblichen Anstieg der Muskelkraft führt und somit zur Kompensation des alters- und krankheitsbedingten Verlusts der Kraftfähigkeiten beitragen kann. Weiterhin bestätigen die Beobachtungen die jüngeren Erkenntnisse hinsichtlich Sicherheit und Durchführbarkeit eines adäquat angepassten dynamischen Krafttrainings in der kardiologischen Rehabilitation und bekräftigen somit die diesbezüglichen Empfehlungen der aktuellen Leitlinien. Literatur Bjarnason-Wehrens, B., Schulz, O., Gielen, S., Halle, M., Dürsch, M., Hambrecht, R., Rauch, B. (2009): Leitlinie körperliche Aktivität zur Sekundärprävention und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen. Clinical research in cardiology supplements, 4 (3). 1-44. Cornelissen, V.A., Fagard, R.H., Coeckelberghs, E., Vanhees, L. (2011): Impact of Resistance Training on Blood Pressure and Other Cardiovascular Risk Factors: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Journal of Hypertension, 58. 950-958. McCartney, N., McKelvie, R.S. (1996): The role of resistance training in patients with cardiac disease. Journal of Cardiovascular Risk, 3. 160-166. Seguin, R., Nelson, M. (2003): The benefits of strength training for older adults. American Journal of Preventive Medicine, 25. 141-149. Vanhees, L., Rauch, B., Piepoli, M., van Buuren, F., Takken, T., Börjesson, M., BjarnasonWehrens, B., Doherty, P., Dugmore, D., Halle, M.; Writing Group, EACPR. (2012): Importance of characteristics and modalities of physical activity and exercise in the management of cardiovascular health in individuals with cardiovascular disease (Part III). European Journal of Preventive Cardiology, 19 (6).1333-1356. 278 Kardiologische Rehabilitation (Poster) Verändern sich Depressionserleben und Angststörungen von Patienten durch Verwendung eines Audience-Response-Systems während der stationären kardiologischen Rehabilitation? Eichel, J. (1), Weber, A. (2) Schlitt, A. (3) (1) Hochschule Anhalt, Anhalt University of Applied Sciences, Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung, (2) Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (3) Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode und Medizinische Fakultät der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg Hintergrund Durch die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation soll die möglichst vollständige Wiederherstellung der kardialen Leistungsfähigkeit dauerhaft erreicht werden. Hierfür werden zunehmend sekundärpräventive Maßnahmen genutzt, zu denen u. a. die Schulung der Patienten zählt. In diesen Informationsveranstaltungen werden die Betroffenen für ihre Krankheit sensibilisiert und deren Gesundheitsverhalten langfristig und nachhaltig verbessert. Die Schulung der Patienten wird mit dem Programm Audience Response System (ARS) unterstützt, welches bereits bei Studierenden und Schülern erfolgreich eingesetzt wird (Caldwell, 2007). Vorteile, wie eine höhere und länger andauernde Aufmerksamkeit und Teilnahme am Geschehen, Anregung einer Diskussion und somit bessere Reflektion der Inhalte sowie die gezielte Klärung von nicht verstandenem Lehrinhalt wurden in Untersuchungen mit Studierenden bereits nachgewiesen (Fitzpatrick et al., 2011). Die Nutzung des Programms bei einer kardiologischen Interventionsgruppe in einer Rehabilitationsklinik wurde bisher noch nicht untersucht. Methodik und Studiendesign Im Rahmen der von der Deutschen Herzstiftung geförderten INSERT-Studie (Interaktive Schulungen zur Edukation von Rehabilitanden) wurden 86 Männer und 14 Frauen im Alter zwischen 36 und 88 Jahren rekrutiert, das Durchschnittsalter beträgt 62 Jahre (±12 Jahre) und 38 % des Gesamtstudienkollektivs sind über 65 Jahre alt. Die Grundgesamtheit setzt sich aus Patienten mit den Hauptdiagnosen I 21 – „akuter Myokardinfarkt“ und I 25 – „chronisch ischämische Herzkrankheit“ zusammen. Die Studienpopulation wurde per Zufallsprinzip in eine Kontrollgruppe (KG) und eine Untersuchungsgruppe (UG) unterteilt. 43 % der Probanden sind der KG zugeteilt worden und 57 % der Probanden der UG. Der Fragebogen HADS-D (Hospital Anxiety and Depression Scale) wurde jeweils zu Beginn und Ende des Reha-Aufenthaltes an alle Teilnehmer der Studie verteilt. Ergebnisse Zu Beginn der Reha (Zeitpunkt T1) konnte eine Rücklaufquote der HADS-Fragebögen von 100 % erzielt werden, wohingegen die Rücklaufquote zum Zeitpunkt T2 (Ende der Reha) lediglich 91 % betrug. Die Fragebögen, die aufgrund von nicht ausgefüllten Antworten nicht 279 auswertbar sind, betragen insgesamt weitere 4 %. Somit ergibt sich insgesamt eine auswertbare Stichprobe von n=87. Der verwendete Fragebogen wird in Subskalen (Angst- und Depressionsskala) unterteilt. Je Skala können maximal 21 Punkte erreicht werden. Ein Summenwert von über 10 gilt als pathologisch. Sowohl in der Angst- als auch in der Depressionsskala wird eine signifikante Verbesserung der erreichten Punktzahl zwischen Zeitpunkt T1 und T2 festgestellt. In der Gesamtgruppe verbesserte sich die Punktzahl in Bezug auf die Angstwahrnehmung um 0,74 Punkte (von 6,48 auf 5,74 Punkte, p=0,018). Die Punktzahl bei der Depressionswahrnehmung konnte im Durchschnitt um 0,67 Punkte (von 5,21 auf 4,54 Punkte, p=0,005) verbessert werden. Vergleicht man die Patienten der UG, die mittels ARS geschult wurden, mit denjenigen Patienten ohne die sekundärpräventive Intervention ARS, zeigte sich, dass in der UG signifikante (p=0,001 für die Angstskala; p=0,003 für die Depressionsskala) und in der KG keine signifikanten Unterschiede (p=0,723 für die Angstskala; p=0,382 für die Depressionsskala) zwischen T1 und T2 in den einzelnen Subskalen nachweisbar sind. Diskussion und Schlussfolgerung Die Analysen zeigen, dass ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik einen signifikanten Einfluss auf die Verbesserung von Angststörungen und einen signifikanten Einfluss auf die Verbesserung des Depressionserlebens von Patienten mit Koronarer Herzkrankheit hat. Weiterhin zeigten sich positive Effekte bei der Verwendung eines ARS in der Patientenschulung im Rahmen dieser Studie. Förderung: Deutsche Herzstiftung e.V. Literatur Caldwell, J.E. (2007): Clickers in the large classroom: current research and best-practice tips. CBE – Life Sciences Education, 10/1. 9-20. Fitzpatrick, K.A., Finn, K.E., Campisi, J. (2011): Effect of personal response systems on student perception and academic performance in courses in a health sciences curriculum. Advances in Physiology Education, 35/3. 280-289. 280 Akzeptanzanalyse für die Nutzung des Internetportals herzwegweiser.de durch Rehabilitanden und Fachkreise Michel, A., Wilke, K., Stamm-Balderjahn, S., Spyra, K. Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft Hintergrund und Zielstellung Eine Verstetigung der während der kardiologischen Rehabilitation erzielten Erfolge ist nach wie vor ein zentrales Anliegen von Maßnahmen in der Nachsorge. Um Rehabilitanden mit Herz-Kreislauferkrankungen in der Phase-III-Rehabilitation aus der Region Berlin-Brandenburg zu unterstützen, wurde das Internetportal herzwegweiser.de entwickelt, das im Januar 2014 online ging. Das Portal bietet für Patienten neben der Aufklärung über ihr konkretes Krankheitsbild auch Informationen, die sie dazu befähigen, individuelle Nachsorgeangebote in ihrer Wohnumgebung zu finden. Für das medizinische und therapeutische Fachkollegium werden neben spezifischen Informationen (z. B. Leitlinien) eine Vermittlungsbörse für Übungsleiter und Ärzte zur Betreuung von Herzgruppen sowie ein Expertenforum vorgehalten, um die Vernetzung innerhalb der kardiologischen Rehabilitation zu verbessern. Mithilfe einer Befragung soll das Internetportal im Hinblick auf den Inhalt (Texte und Informationen) und Aufbau (z. B. Anordnung der Themengebiete), das Design und die Suchfunktionalität geprüft werden. Daneben sollen Angaben über Seriosität und Weiterempfehlung sowie demografische Angaben gemacht und eine zusammenfassende Bewertung in Form einer Schulnote abgegeben werden. Methodik Es wurde eine teilstandardisierte schriftliche Befragung bei Rehabilitanden mit kardiovaskulären Erkrankungen und medizinischen Fachkollegen durchgeführt. In die Studie eingeschlossen wurden 200 Rehabilitanden und 102 Fachkollegen. Die Antworten auf einer 4-stufigen Ratingskala von „stimme vollkommen zu“ bis „stimme gar nicht zu“ wurden für die Auswertung in die beiden Kategorien „Zustimmung“ und „Ablehnung“ dichotomisiert. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mittels Häufigkeitsverteilungen, Mittelwertvergleichen und Chi-Quadrat-Tests. Ergebnisse Die Rücklaufquote bei den Rehabilitanden betrug 50 %; 76,8 % waren männlich und 23,2 % weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 59,02 Jahren (SD 9,1). Die Bewertung der Website erzielte eine hohe Zustimmungsquote. Dabei erhielt der Inhalt 95,4 %, der Aufbau 92,2 %, das Design 90,9 % und die Suchfunktionalität 91,3 % Zustimmung. 97,9 % der Befragten hielten die Website für seriös und 96,9 % würden das Portal weiterempfehlen. Die befragten Rehabilitanden vergaben eine Durchschnittsnote von 1,84. Bildung, Alter und Geschlecht hatten keinen signifikanten Einfluss auf das Bewertungsergebnis des Portals. Die Rücklaufquote bei den befragten Experten betrug 41,2 %; 40,5 % waren männlich und 59,5 % weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 48,8 Jahren (SD 11,3). Die Berufsgruppen 281 verteilten sich auf Ärzte (35,7 %), Physio- und Psychotherapeuten (28,6 %), Berater (21,4 %) und andere (14,3 %). Dabei waren die Zustimmungsquoten für Inhalt (95,2 %), Aufbau (91,4 %), Design (88,7 %) und für die Suchfunktionalität (86,4 %) etwas geringer als die der Patienten. 100 % der Experten bewerteten die Website als seriös und 95,2 % würden sie weiterempfehlen. Die Experten vergaben als Durchschnittsnote eine 2,0. Seit Online-Schaltung am 14. Januar 2014 bis zum 14. Oktober 2014 wurden 6.145 Besucher gezählt, die insgesamt 40.719 Seiten aufgerufen haben. Die Nutzeranalyse wurde mit Google Analytics durchgeführt, die höchste Frequenz erzielten die Seiten zur Patienteninformation über wohnortnahe Nachsorgeangebote. Schlussfolgerungen und Ausblick Die Website herzwegweiser.de ist das erste Internetportal für kardiologische Rehabilitanden, das umfassende Informationen zum Krankheitsbild und zu wohnortnahen Nachsorgeangeboten bietet und die behandelnden Fachkreise mit einbezieht. Es hat eine hohe Nutzungsfrequenz und wurde von Rehabilitanden und Experten als sehr nützlich und seriös bewertet. Das Portal kann mit relativ geringem Aufwand auf andere Bundesländer übertragen werden. Es sollen weitere Bundesländer erschlossen werden. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg 282 Onkologische Rehabilitation Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen: Strukturen und Praxis der psychologischen Tätigkeit Reese, C., Mittag, O. Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg Hintergrund und Fragestellung Onkologische Erkrankungen gehören neben muskuloskelettalen und psychischen Erkrankungen zu den häufigsten Anlässen für Rehabilitationsmaßnahmen seitens der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2012 entfielen rund 18 % aller stationären medizinischen Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung auf den Indikationsbereich Neubildungen (Deutsche Rentenversicherung, 2014), wobei die Rentenversicherung in diesem Fall auch Leistungen für bereits berentete Versicherte sowie Angehörige erbringt. Psychologische Interventionen stellen einen wesentlichen Bestandteil der onkologischen Rehabilitation dar. Ziel der durchgeführten bundesweiten Befragung (Projekt „Psychologische Interventionen in der Rehabilitation von PatientInnen mit Typ-2-Diabetes, onkologischen Erkrankungen (Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom) oder Schlaganfall: Systematische Entwicklung von Praxisempfehlungen“) war es, die derzeitigen strukturellen Voraussetzungen und die Praxis der psychologischen Abteilungen in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen darzustellen. Die Befragung stellt eine wichtige Vorarbeit für die Praxisempfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabilitation von Patienten mit onkologischen Erkrankungen (Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom) dar, die im Rahmen des zugrunde liegenden Projekts entwickelt werden. Methode Wir befragten die psychologischen Abteilungen aller stationären und ambulanten Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland, die über die Hauptindikation Onkologie verfügen. Die Fragen bezogen sich auf die folgenden Themenbereiche: (1) Allgemeine Angaben zur Reha-Einrichtung (z. B. Träger, Bettenanzahl, Stellensituation, Qualifikation der Psychologen); (2) Psychologisch relevante Problemlagen der Rehabilitanden und komorbide psychische Störungen; (3) Screening und Diagnostik; (4) Indikationsstellung und Zugangswege zu psychologischen Interventionen; (5) Psychologische Einzel- und Gruppenangebote; (6) Angebote für das interdisziplinäre Team; (7) Angebote für die psychologische Abteilung (Supervision, Intervision); (8) Interdisziplinäre Besprechungen; (9) Aufteilung der Arbeitszeit; (10) Psychologischer Bericht, sozialmedizinische Beurteilung; (11) Veränderungswünsche; (12) Persönliche Meinung zu strukturellen Voraussetzungen (z. B. Stellenverhältnis). Ergebnisse Von insgesamt 145 onkologischen Rehabilitationseinrichtungen nahmen 71 (entspricht 49 %) an der Befragung teil. Das durchschnittliche Stellenverhältnis in den Einrichtungen beträgt 1,14 Psychologen pro 100 Rehabilitanden (bezogen auf die gesamte Einrichtung, 283 Psychologenstellen auf 100 Rehabilitanden (indikationsübergreifend) wobei es in vielen Einrichtungen neben der Onkologie noch weitere Indikationsbereiche gibt). Allerdings gibt es hier große Unterschiede zwischen den Einrichtungen (s. Abb. 1). 3 2,5 N=64 Keine Angaben: 7 M: 1,14 SD: 0,52 Median: 1,07 Range: 0,23-2,62 2 1,5 M = 1,14 1 0,5 0 Onkologische Einrichtungen (gesamte Einrichtung) Abb. 1: Stellenverhältnis der Psychologen in onkologischen Einrichtungen Insgesamt verfügen 31 % der Psychologen in onkologischen Einrichtungen über eine Approbation als Psychologischer Psychotherapeut, und in 69 % der onkologischen Einrichtungen arbeitet mindestens ein approbierter Psychologischer Psychotherapeut. In 68 % der Einrichtungen wird ein routinemäßiges psychologisches Screening durchgeführt. Zu den häufigsten (psychologisch relevanten) Problemlagen von onkologischen Rehabilitanden zählen Probleme bei der Krankheits(folgen)bewältigung sowie Rezidiv- oder Progredienzangst. Als häufigste psychische Komorbidität werden Anpassungsstörung und Depression aufgeführt. Die durchschnittliche Aufteilung der Arbeitszeit der Psychologen in der onkologischen Rehabilitation kann Abb. 2 entnommen werden. Auffallend sind auch hier die großen Standardabweichungen. 84 % der Psychologen gaben an, dass sie das von der DRV (2010) für den Indikationsbereich Onkologie vorgeschlagene Stellenverhältnis von 1,25 Psychologen pro 100 Rehabilitanden als zu niedrig einschätzen. 284 Supervision/ Intervision Sonstiges Nachsorge 3,0% 1,2% (SD: 2,8%) (SD: 5,0%) 1,5% (SD: 3,5%) Diagnostik/ Indikationsstellung Verwaltungstätigkeiten 9,1% (SD: 14,2%) 12,2% (SD: 8,0%) Besprechungen 6,1% (SD: 5,3%) Einzelinterventionen 41,5% (SD: 19,0%) Problemorientierte Gruppeninterventionen/ Schulungsprogramme 9,3% (SD: 7,5%) Allgemeine Gruppeninterventionen 6,9% (SD: 6,7%) Entspannungstraining 10,1% (SD: 7,7 %) Abb. 2: Aufteilung der Arbeitszeit: Prozent der Arbeitszeit für bestimmte Aufgabenbereiche (n=65; n=6: keine Angaben) Diskussion Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung zeigen, dass zwischen den verschiedenen onkologischen Einrichtungen große Unterschiede hinsichtlich der Strukturen und der psychologischen Praxis vorliegen. Die Praxisempfehlungen, die derzeitig für den Indikationsbereich Onkologie entwickelt werden, könnten Psychologen, Ärzte sowie andere Therapeuten in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen dabei unterstützen, psychologisch relevante Problemlagen der Rehabilitanden zuverlässig festzustellen und geeignete psychologische Interventionen zu wählen. Möglicherweise wird dies zu einer größeren Standardisierung psychologischer Interventionen in der onkologischen Rehabilitation beitragen. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Deutsche Rentenversicherung (2014): Rentenversicherung in Zahlen 2014. Berlin: Deutsche Rentenversicherung. Deutsche Rentenversicherung (2010): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung. 285 Krankheitsvorstellungen, Behandlungserwartungen und psychoonkologische Versorgung bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in der Rehabilitation Yilmaz-Aslan, Y. (1), Spallek, L. (2), Gök, Y. (1), Kolip, P. (2), Spallek, J. (1) (1) AG 3 Epidemiologie & International Public Health, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, (2) AG 4 Prävention & Gesundheitsförderung, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld Hintergrund Brustkrebs ist die häufigste Krebsneuerkrankung bei Frauen. Die Diagnose einer Brustkrebserkrankung stellt ein psychisch belastendes Ereignis dar (Neises, 2008; Landmark, 2001). Der psychoonkologischen Versorgung während der Behandlung und Nachsorge von Brustkrebs kommt daher eine wichtige Rolle zu. Bisher gibt es nur wenige Studien, die die Wünsche und Anforderungen an eine gute Versorgung aus Sicht betroffener Frauen untersuchen. Zur besonderen Situation von Brustkrebspatientinnen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland gibt es bisher keine Erkenntnisse. Ein Teilziel der Studie „Krankheitsvorstellungen und Behandlungserwartungen nach der Diagnose Brustkrebs: die besondere Situation türkischer Frauen“ ist es daher, explizit die Krankheitsvorstellungen sowie die Wünsche und Anforderungen von türkischen Brustkrebspatientinnen an die Versorgung nach einer Brustkrebsdiagnose, besonders im Hinblick auf die psychoonkologische Versorgung in der Rehabilitation, zu untersuchen. Methoden Im Rahmen eines qualitativen Untersuchungsdesigns wurden mittels Einzelinterviews 10 Brustkrebspatientinnen mit türkischem Migrationshintergrund in einer Rehabilitationseinrichtung befragt. Für die Interviews wurde ein teilstrukturierter Leitfaden erstellt. Die Themenfelder waren Krankheitsvorstellungen, Behandlungserwartungen und die psychoonkologische Versorgung in der Rehabilitation. Die aufgenommenen Gespräche wurden transkribiert und mit Hilfe der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring, 2010). Ergebnisse Aus der Auswertung wurden verschiedene Aspekte herauskristallisiert. Zum Themenfeld Krankheitsvorstellungen basieren Vorerfahrungen der Frauen mit Brustkrebs auf ihrem Umfeld und Medien. Ihr Krankheitsverständnis ist von einer ganzheitlichen Denkweise geprägt, die auf eine fehlende Funktionstüchtigkeit durch die Erkrankung bezogen ist. Als zentrale Folgen der Erkrankung werden eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit und ein sozialer Rückzug der Frauen deutlich. Das Krankheitswissen der Frauen umfasste allgemeine Beschreibungen der Erkrankung; detailliertes Wissen fehlte. Wichtige Ursachen für Brustkrebs waren aus der Sicht der Frauen Stress sowie religiöse Faktoren. Die Frauen nennen unter anderem Spiritualität (religiöse Bewältigung) und Verdrängen als Bewältigungsstrategien. Im Hinblick auf das Themenfeld Behandlungserwartungen waren die Frauen überwiegend zufrieden und gaben keine konkreten Erwartungen an. Sie äußerten allgemeine Wünsche bezüglich kulturspezifischer und sprachlicher Aspekte ihrer Behandlung. Die Familienmitglieder begleiteten die Frauen aufgrund der sprachlichen Probleme während der 286 Behandlung. Die Familie übernimmt eine Unterstützerrolle. Allerdings wurden gleichzeitig von den Frauen die Stigmatisierung aufgrund der Erkrankung und die Änderungen des Beziehungsgefüges beschrieben. Die Auswertung des Themenfeldes psychoonkologischer Versorgung weist darauf hin, dass die Frauen verschiedene Sorgen und Ängste und einen großen „Redebedarf“ bei der Bewältigung der Krankheit haben. Die Frauen erfahren über das psychoonkologische Versorgungsangebot durch unterschiedliche Kanäle, wobei die Teilnahme an den Angeboten insbesondere durch kulturelle und sprachliche Faktoren behindert wird. Diskussion Die qualitativen Ergebnisse aus der rehabilitativen Versorgung von Brustkrebspatientinnen mit türkischem Migrationshintergrund zeigen, dass diese Zielgruppe einen besonders hohen Informations- und Betreuungsbedarf während und nach der Behandlung hat. Die sprachlichen und kulturellen Aspekte spielen als Hindernis bei allen 3 Themenfeldern eine große Rolle. Dies stimmt mit anderen Studien im Bereich der Rehabilitation überein (Yilmaz et al., 2013). Die Interviews geben wichtige Hinweise zu Themenaspekten wie „Information“, „Krankheitsvorstellungen“ und „Bewältigungsstrategien“, die spezielle Ansatzpunkte für eine kultursensible psychoonkologische Versorgung darstellen. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse liefern Akteuren (Ärzten, Pflegepersonal, Psychoonkologen etc.), die an einer Brustkrebsbehandlung beteiligt sind, wichtige Hinweise zum Umgang mit ihren Patientinnen sowie für die Organisation des Behandlungsprozesses, insbesondere mit Blick auf die Versorgung von türkischstämmigen Frauen in der Rehabilitation. Die Ergebnisse können dazu genutzt werden, die Versorgungsangebote von Kliniken und Reha-Einrichtungen gezielt weiterzuentwickeln und auf die Bedürfnisse von Betroffenen abzustimmen. Förderung: Deutsche Krebshilfe Literatur Landmark, B.T., Strandmark, M., Wahl, A.K. (2001): Living with newly diagnosed breast cancer – the meaning of existential issues. Cancer Nursing, 3. 220-226. Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Beltz Verlag. 11. Aufl. Weinheim und Basel. Neises, M. (2008): Psychooncologic Aspects of Breast Cancer. Breast Care, 3. 351-356. Yilmaz-Aslan, Y., Brzoska, P., Schott, T., Razum, O. (2013): Reha aus Sicht von türkischen Migrant(inn)en. In: Schott, T., Razum, O. (Hrsg.): Migration und medizinische Rehabilitation. Weinheim: Beltz Juventa. 162-194. 287 Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brustkrebs – Ergebnisse der INOP-Studie Exner, A.-K. (1), Kähnert, H. (1), Leibbrand, B. (2) (1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abt. Bad Salzuflen, (2) Salzetalklinik Bad Salzuflen Hintergrund Lernen mit Stress umzugehen und sich zu entspannen, gelten neben körperlicher Aktivität als eine wesentliche Voraussetzung für einen gesundheitsfördernden Lebensstil. Zu den Entspannungstechniken gehören zum Beispiel Yoga, Qi-Gong, Autogenes Training (AT) oder Progressive Muskelrelaxation (PMR). Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen positive Effekte von Entspannungstraining bei Brustkrebspatientinnen (Bower et al., 2011; Oh et al., 2009). Ziel sollte daher sein, Entspannungstechniken zu einem festen Bestandteil des Alltags werden zu lassen. In der Versorgung von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brustkrebs werden Entspannungstechniken im Reha-Therapiestandard (ETM) festgeschrieben und stellen somit ein unverzichtbares Therapieangebot dar (DRV, 2010). Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Planungsinterventionen (volitionale Strategien) im Bereich körperlicher Aktivität langfristig einen bewegungsaktiven Lebensstil fördern können (Geidl et al., 2012). Dieses Ziel konnte auch durch die INOP-Intervention (INOP – Individuelle Nachsorge onkologischer Patienten) erreicht werden (Kähnert et al., 2013). INOP beinhaltete zudem eine Kurzintervention, um über volitionale Strategien auch das Entspannungsverhalten nachhaltig zu fördern. Daher wird der Frage nachgegangen: Kann durch die INOP-Intervention das Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brustkrebs nachhaltig gefördert werden? Methode Im Rahmen der randomisierten kontrollierten Mulitcenterstudie wurden Brustkrebspatientinnen zu Beginn der Rehabilitation (t0), 6 (t2) und 12 Monate später (t3) schriftlich befragt. Die Kontrollgruppe (KG) erhielt die Standardrehabilitation. Die Interventionsgruppe (IG) bekam zusätzlich die INOP-Intervention. Die Intervention beinhaltet während der Rehabilitation ein Seminar, eine Arbeitsmappe einschließlich wohnortnaher Nachsorgeadressen und eine Einzelberatung sowie 3 Monate nach Abschluss der Rehabilitation eine telefonische Nachsorge mit dem Hauptziel einen gesundheitsfördernden Lebensstil (Bewegung und Entspannung) zu fördern. Unterschiede im Entspannungsverhalten (Entspannungsindex) zu t2 und t3 zwischen Interventions- und Kontrollgruppe wurden mittels logistischer Regression ermittelt. Abgefragt wurde beim Entspannungsindex das Ausüben von „klassischen“ Entspannungstechniken (Yoga, AT, PMR etc.) in Minuten pro Woche. Der Index wurde dichotomisiert (0 Minuten Entspannung vs. >0 Minuten pro Woche). Zudem wurden in der Regression die Confounder Alter (≤60 Jahre vs. >60 Jahre) und Zeitraum seit Erstdiagnose (≤12 Monate vs. >12 Monate) berücksichtigt. In die Analyse wurden nur Personen eingeschlossen, die zu t0 angaben, kein Entspannungsverhalten durchzuführen (IG: n=207; KG: n=219). 288 Ergebnisse Sechs Monate nach der Rehabilitation gaben 10 % der Kontroll- und 19 % der Interventionsgruppe und zu t3 14 % der Kontroll- und 22 % der Interventionsgruppe an, sich zu entspannen. Ergebnisse der multiplen logistischen Regressionsanalyse zeigten, dass sich das Entspannungsverhalten der Interventionsgruppe statistisch 6 Monate nach der Rehabilitation von der Kontrollgruppe unterschied (Odds Ratio: 0,88; 95 %-Konfidenzintervall: 0,13; 1,63); nicht hingegen 12 Monate nach der Rehabilitation (Odds Ratio: 0,57; 95 %-Konfidenzintervall: −0,10; 1,24). Diskussion und Fazit Nach der Rehabilitation gab nur ein geringer Anteil der Befragten an, Entspannungsverhalten auszuführen. Die Ergebnisse der multiplen logistischen Regression zeigten, dass die INOP-Kurzintervention zum Entspannungsverhalten bis zu 6 aber nicht bis zu 12 Monate nach der Rehabilitation Erfolge zeigt. Der Schwerpunkt der INOP-Intervention lag auf der Vermittlung volitionaler Strategien zur Förderung eines bewegungsaktiven Lebensstils. Hinsichtlich Stressvermeidung bzw. Entspannung wurden Maßnahmen zur Handlungs-/Bewältigungsplanung mit den Teilnehmerinnen in einem begrenzten zeitlichen Umfang erarbeitet. Nachzutragen bleibt: Die Auswertungen der telefonischen Interviews zur INOP-Studie ergaben, dass Studienteilnehmerinnen schon wissen bzw. gelernt haben, über welche individuellen Verhaltensweisen sie entspannen können, wie Mittagsschlaf/-ruhe, Lesen, Handarbeiten oder Musizieren. Da diese Verhaltensweisen im Fragebogen nicht erfasst wurden, beziehen sich die Aussagen zum Entspannungsverhalten nur auf die Umsetzung „klassischer“ Entspannungsverfahren. Weitere Studien müssen zeigen, inwieweit eine umfassendere volitional ausgerichtete Interventionseinheit zum Thema Stressmanagement sich nachhaltig auf das Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen auswirkt. Förderung: Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney Literatur Bower, J.E., Garet, D., Sternlieb, B. (2011): Yoga for Persistent Fatigue in Breast Cancer Survivors: Results of a Pilot Study (2011). Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, Volume 2011, Article ID 623168, 8 pages. Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) (2010): Reha-Therapiestandards Brustkrebs. Leitlinie in der medizinischen Rehabilitation. 1. Aufl. Geidl, W., Hofmann, J., Göhner, W., Sudeck, G., Pfeifer, K. (2012): Verhaltensbezogene Bewegungstherapie – Bindung an einen körperlich aktiven Lebensstil. Rehabilitation 51/4. 259-268. Kähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B., Biester, I., Gharaei, D., Niehues, C.,Trapp, M. (2013): Bewegungsförderung von Brustkrebspatientinnen: Ergebnisse der INOP-Studie sechs und zwölf Monate nach Abschluss einer stationären Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 101. 360-361. Oh, D.; Butow, P., Mullan, B., Clarke, S., Beale, P., Pavlakis, N., Kothe, E., Lam, L., Rosenthal, D. (2009): Impact of Medical Qigong on quality of life, fatigue, mood and inflammation in cancer patients: a randomized controlled trial. Annals of Oncology 21. 608–614, 2010. 289 Nachhaltige Steigerung der körperlichen Aktivität bei Brustkrebspatientinnen ist möglich – 2 Jahres-Katamnese der KIRA-Studie Reuss-Borst, M. (1), Peters, E. (1), Wentrock, S. (1), Lemmerich, D. (2), Baumann, F. (3) (1) Rehabilitationsklinik für Rheumatologie und Onkologie, Bad Kissingen, (2) Kreiskrankenhaus Bad Neustadt, (3) Deutsche Sporthochschule Köln Einleitung Obwohl Sterberate und Rezidiv-Risiko für Brustkrebspatientinnen durch ausreichende körperliche Aktivität gesenkt werden können (z. B. Holmes et al., 2005; Irwin et al., 2008), tendieren Patientinnen nach der Therapie häufig zu Inaktivität (Blanchard et al., 2008). Die stationäre Anschlussrehabilitation stellt ein optimales Setting für die begleitete Aktivierung der Patientinnen dar. Ziel dieser Studie war es, die Effekte eines individualisierten Trainingsprogramms auf die körperliche Aktivität der Patientinnen zu überprüfen. Methoden Die Studienstichprobe umfasste 206 Patientinnen mit einem Durchschnittsalter von 55,9 Jahren. Ausschlusskriterien waren Metastasen und Zweitmalignome. Die Kontrollgruppe (n=91) bekam eine dreiwöchige Standardrehabilitation und wurde während des stationären Aufenthalts sowie 4, 8, 12, 18 und 24 Monate später zur körperlichen Aktivität befragt. In der Interventionsgruppe (n=115) wurde ein individueller Trainingsplan von Patientinnen und Physiotherapeuten entwickelt, der die Fähigkeiten und Vorlieben der Patientinnen berücksichtigte (ca. 15–20 MET/Woche). Eine telefonische Beratung erfolgte 4–6 Wochen nach der Rehabilitation, zudem wurden die Patientinnen nach 4 und 8 Wochen für jeweils einwöchige Aufenthalte erneut in die Reha-Klinik eingeladen. Die Testintervalle waren die gleichen wie in der Kontrollgruppe. Physische Aktivität wurde u. a. durch Selbsteinschätzung erhoben („Freiburger Fragebogen zur körperlichen Aktivität“, FFKA). Ergebnisse In der Interventionsgruppe steigerte sich die körperliche Aktivität von 1,35 Stunden/Woche auf 4,44 Stunden/Woche innerhalb der ersten 8 Monate nach der Rehabilitation. Zwei Jahre nach der Rehabilitation lag das Aktivitätsniveau mit 2,75 Stunden/Woche immer noch deutlich über dem Ausgangswert. In der Kontrollgruppe zeigte sich ein geringer Anstieg der körperlichen Aktivität von 1,01 Stunden/Woche auf 1,77 Stunden/Woche innerhalb der ersten 8 Monate nach der Rehabilitation. Nach 2 Jahren war hier die körperliche Aktivität jedoch wieder auf den Ausgangswert zurück gesunken (1.19 Stunden/Woche). Der Unterschied im Aktivitätsniveau zwischen der Kontroll- und der Interventionsgruppe 2 Jahre nach der Rehabilitation war statistisch signifikant (p<.001). 290 Abb. 1: Freiburger Fragebogen zur Körperlichen Aktivität. Dargestellt ist die Entwicklung der sportlichen Aktivität über 2 Jahre in Stunden pro Woche für die Interventionsgruppe (hellgrau) und die Kontrollgruppe (dunkelgrau). Schlussfolgerung Das individualisierte Trainingsprogramm hatte einen signifikant stärkeren Effekt auf die körperliche Aktivität der Patientinnen als die Standardrehabilitation. Der positive Effekt war auch nach 2 Jahren noch deutlich sichtbar. Neben der Effektivität konnten wir zeigen, dass ein entsprechendes Trainingsprogramm gut in den Klinikalltag integriert werden kann. Literatur Blanchard, C.M., Courneya, K.S., Stein, K. (2008): Cancer survivors’ adherence to lifestyle behavior recommendations and associations with health-related quality of life: results from the American Cancer Society’s SCS-II. Journal of Clinical Oncology, 26 (13). 2198-2204. Holmes, M.D., Chen, W.Y., Feskanich, D., Kroenke, C.H., Colditz, G.A. (2005): Physical Activity and Survival After Breast Cancer Diagnosis. The Journal of the American Medical Association, 293. 2479-2486. Irwin, M.L., Smith, A.W., McTiernan, A., Ballard-Barbash, R., Cronin, K., Gilliland, F.D., Baumgartner, R.N., Baumgartner, K.B., Bernstein, L. (2008): Influence of pre-and postdiagnosis physical activity on mortality in breast cancer survivors: the health, eating, activity, and lifestyle study. Journal of clinical oncology, 26 (24). 3958-3964. 291 Zurück in den Beruf nach Krebs: Beratungsbedarf in der ambulanten psychosozialen Krebsberatung Faust, T. (1), Giesler, J.M. (1), Ernst, J. (2), Kuhnt, S. (2), Mehnert, A. (2), Weis, J. (1) (1) Klinik für Tumorbiologie Freiburg, (2) Abteilung für Med. Psychologie und Med. Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig Hintergrund Krebserkrankungen stellen inzwischen vielfach chronische Erkrankungen dar, die für die Betroffenen häufig eine lang andauernde und zum Teil wechselvolle Phase der Krankheitsanpassung und -bewältigung mit sich bringen. Etwa 36 % der Betroffenen befinden sich im Alter von 15 bis 64 Jahren (GEKID 2013). Für sie stehen neben Fragen der Krankheitsbewältigung häufig auch solche zur Rückkehr in den Beruf im Vordergrund (Mehnert, 2011). Ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen verstehen sich als Schnittstelle in der psychoonkologischen Versorgung und bieten Tumorpatienten und Angehörigen ein häufig breites Spektrum an Beratungsleistungen (Wickert et al., 2013). Der vorliegende Beitrag untersucht auf der Basis eines von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) geförderten Forschungsprojekts zur Evaluation des DKH-Förderschwerpunkts „Psychosoziale Krebsberatungsstellen“, welche berufsbezogene Beratungsleistungen von Ratsuchenden in Anspruch genommen werden. Methode Die Datenerhebung erfolgte mithilfe eines EDV-basierten Dokumentationssystems, das speziell im Rahmen des Evaluationsprojekts entwickelt wurde. Es erfasst soziodemografische und medizinische Merkmale der Ratsuchenden, die Anliegen und die erbrachten Beratungsleistungen. Für die vorliegende Analyse standen 23.780 dokumentierte persönliche (face-to-face) Kontakte von 4.944 Klienten von 23 Beratungsstellen (06.2013–05.2014) zur Verfügung. Es wurden alle Kontakte von Ratsuchenden im Alter von 18 bis 65 Jahren einbezogen. Zur Auswertung wurden im Wesentlichen Häufigkeitsanalysen und 2-Verfahren herangezogen. Ergebnisse Das Alter der Ratsuchenden betrug im Mittel 50 (SD=10) Jahre. Dreiviertel der Ratsuchenden (76 %) waren weiblich. 78 % der Ratsuchenden waren Tumorpatienten. Die Zeit seit Erstdiagnose betrug im Mittel 27 Monate. Ein Drittel der Ratsuchenden war zum Zeitpunkt des Kontakts tumorfrei (33 %). Der Anteil der Erwerbstätigen betrug 64 %. 48 % der Ratsuchenden waren zum Zeitpunkt der Beratung krankgeschrieben. Sozialrechtliche Fragen (27,3 %, 4.890 Kontakte) sind nach psychosozialen Fragestellungen (81,4 %, 14.574 Kontakte) der zweithäufigste Grund für ein Beratungsgespräch in den Krebsberatungsstellen. Die Beratungsthemen, die innerhalb der Kontakte mit sozialrechtlichen Beratungsleistungen die Teilhabe am Berufsleben fokussieren, beziehen sich auf medizinische Rehabilitation (44,7 % der Kontakte), Arbeitsplatz und Beruf (11,9 % der Kontakte), ambulante oder stationäre Nachsorge (8,5 % der Kontakte) sowie berufliche Rehabilitation und stufenweise Wiedereingliederung (7,0 % der Kontakte). Insgesamt zeigt sich, dass berufsbezogene Themen vom Schweregrad und der Prognose der Erkrankung abhängig sind. 42,0 % der Kontakte 292 mit Fragen zum Thema Arbeitplatz und Beruf gehen auf Ratsuchende zurück, die zum Zeitpunkt des Kontakts tumorfrei waren. Demgegenüber gehen lediglich 6,9 % dieser Kontakte auf Ratsuchende mit einem progredienten Zustand und 4,0 % der Kontakte auf Ratsuchenden mit einer Teilremission zurück (2=33,5; df=4; p<0,000). Ähnlich stellt sich das Bild bei der Inanspruchnahme der Beratung zu beruflicher Rehabilitation und stufenweiser Wiedereingliederung dar. Die Hälfte der Kontakte mit diesem Beratungsanliegen geht auf Ratsuchende zurück, die tumorfrei sind (50,0 %). Der Anteil derer mit einer Teilremission (2,9 %) bzw. einem progredienten Zustand (3,8 %) ist deutlich geringer (2=54,3; df=4; p<0,000). Weiterhin fällt auf, dass die Bedeutung berufsbezogener Leistungen mit höherem Bildungsabschluss abnimmt. So kam über die Hälfte der Kontakte (50,9 %) mit einer Beratung zu Arbeitsplatz und Beruf von Klienten, die eine Lehre abgeschlossen haben. Dem gegenüber macht der Anteil der Kontakte von Ratsuchenden mit einem Hochschulabschluss knapp mehr als ein Fünftel (22,3 %) aus (2=28,3; df=4; p<0,000) aus. Diskussion und Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen die hohe Relevanz berufsbezogener Beratungsthemen innerhalb der von den ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen angebotenen Leistungen. Sie machen deutlich, dass für bestimmte Patientengruppen das Thema Rückkehr in den Beruf von großer Bedeutung ist. Ebenso finden sich in diesen Analysen die von Mehnert (2011) ermittelten förderlichen Faktoren für eine Wiederaufnahme der Arbeit. Für die Zukunft gilt es zu klären, inwieweit die psychosozialen Krebsberatungsstellen den diesbezüglichen Bedarf der Ratsuchenden noch besser aufgreifen und entsprechende Hilfestellungen anbieten können. Förderung: Deutsche Krebshilfe Literatur GEKID (2013): Atlas der Krebsinzidenz und Krebsmortalität der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (GEKID). URL: http://www.gekid.de/Atlas/ CurrentVersion/Inzidenz/atlas.html. Abruf: 08.10.2014. Mehnert, A. (2011): Employment and work-related issues in cancer survivors. Critical Reviews in Oncology/Hematology, 77. 109-130. Wickert, M., Lehmann-Laue, A., Blettner, G. (2013): Ambulante psychosoziale Krebsberatung in Deutschland – Geschichte und Versorgungssituation. In: E. Brähler, J. Weis (Hrsg.), Psychoonkologie in Forschung und Praxis. Stuttgart: Schattauer. 67-78. 293 Onkologische Rehabilitation (Poster) Patientenkompetenz bei Patienten mit Mamma-, Kolon-/Rektum- oder Prostatakarzinom: Verändert sie sich in der onkologischen Rehabilitation? Giesler, J.M. (1), Zeiss, T. (2), Weis, J. (1) (1) Klinik für Tumorbiologie Freiburg, (2) Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Hintergrund Im Zuge der zunehmend stärker gewünschten Beteiligung von Patienten an Behandlungsentscheidungen finden auch die hierfür erforderlichen Kompetenzen zunehmend Beachtung in Forschung und Praxis. In diesem Zusammenhang hat das Konzept der Patientenkompetenz im Kontext von Tumorerkrankungen in den letzten 10 Jahren in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Zuletzt hat der Nationale Krebsplan für Deutschland im Rahmen des Handlungsfeldes 4 (Stärkung der Patientenorientierung) den Stellenwert der Patientenkompetenz betont (Bundesministerium für Gesundheit, 2012), zugleich aber auf erheblichen Forschungsbedarf hingewiesen, der in Bezug auf dieses Konzept besteht. Da die Förderung der Patientenkompetenz im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Rehabilitationseffekten von zentralem Interesse ist, untersucht der vorliegende Beitrag, inwieweit sich die Ausprägung von Patientenkompetenzen während der onkologischen Rehabilitation verändert. Den Anknüpfungspunkt bildet dabei eine Arbeitsdefinition der Patientenkompetenz als Fähigkeit zur ressourcengestützten Bewältigung einer lebensbedrohlichen chronischen Erkrankung wie Krebs, die eine erste empirisch gestützte Unterscheidung spezifischer Kompetenzen und deren Erfassung ermöglich hat (Giesler, Weis, 2009). Methode In einer multizentrischen Studie an 9 onkologischen Rehabilitationskliniken bearbeiteten Patient/inn/en mit Mamma-, Kolon-/Rektum- oder Prostatakarzinom zu Beginn und Ende der Rehabilitation sowie 9 Monate danach einen Fragebogen, der publizierte standardisierte Verfahren zur Erfassung von Patientenkompetenz (Giesler, Weis, 2008), Lebensqualität (EORTC QLQ-C30), Progredienzangst (PA-F-KF), bewältigungsbezogener Selbstwirksamkeit (CBI-B-D), Angst und Depression (PHQ-9), Coping (TSK) und soziodemografischer Merkmalen beinhaltete. Relevante medizinische Daten wurden der Patientenakte entnommen. Die hier berichteten Analysen basieren auf den Daten der ersten beiden Messzeitpunkte (Beginn und Ende der Rehabilitation), für die Angaben von 368 Patient/inn/en vorlagen (112 mit Mamma-, 139 mit Kolon-/Rektum- und 117 mit Prostatakarzinom; medianes Alter 61 Jahre, 49 % Frauen, 91 % erstmalig erkrankt, Stadium T1 oder T2 51 %, nodal positiv 39 %). Zur Analyse der Veränderungen im Laufe der Rehabilitation wurden (Ko-)Varianzanalysen mit Messwiederholung für Progredienzangst, bewältigungsbezogene Selbstwirksamkeit und Coping sowie die 8 Skalen des Verfahrens zur Selbsteinschätzung der Patientenkompetenz (Giesler, Weis, 2008) berechnet. 294 Ergebnisse Die Messwiederholungsvarianzanalysen zeigen als auffälligen Befund, dass sich nahezu alle untersuchten Lebensqualitätsmerkmale im Laufe der Rehabilitation signifikant und mit starken Effekten in positiver Richtung verändern (z. B. Global Health p<.001, 2=.25), während sich bei nur 2 von 5 problembezogenen (Selbstregulation p<.001, 2=.10, Interesse an Sozialrecht p<.001, 2=.07), und bei einer von 3 emotionsbezogenen Patientenkompetenzen (Bewältigung emotionaler Belastungen p<.05, 2=.04) signifikante, aber schwächere Veränderungen abzeichnen. Diskussion und Schlussfolgerungen Nach den hier darzustellenden Ergebnissen ist die Frage nach Veränderungen der Patientenkompetenz im Laufe der onkologischen Rehabilitation differenziert zu beantworten. Während sich Selbstregulation, Interesse an Sozialrecht und Bewältigung emotionaler Belastungen im Zuge der onkologischen Rehabilitation geringfügig verändern, stellen sich andere Kompetenzen als stabiler dar. Sofern sich Veränderungen zeigen, betreffen sie Merkmalsbereiche, die zentrale Zielsetzungen der onkologischen Rehabilitation repräsentieren, auch wenn hier aufgrund des nichtrandomisierten 1-Gruppen-Designs keine Aussagen über kausale Effekte möglich sind. Ebenso bleibt abzuwarten, welche Veränderungen sich bezüglich der Patientenkompetenzen zum Zeitpunkt des Follow-up 9 Monate nach Rehabilitation ergeben. Dennoch regen die beobachteten Ergebnisse dazu an, einzelne in der Rehabilitation eingesetzte Module weiter zielgerichtet in randomisierten Studien auf ihre möglichen Auswirkungen auf Patientenkompetenzen zu untersuchen. Die relative Stabilität der anderen hier analysierten Kompetenzen dürfte dagegen zum Teil auf spezifische Operationalisierungen wie die Vorgabe bestimmter Zeitfenster für die Beantwortung zurückzuführen sein. Im Rahmen künftiger Studien bliebt hier deshalb unter anderem zu prüfen, inwieweit auch für diese Kompetenzen Veränderungen über spezifische Interventionen zu erreichen sind. Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung. Literatur Bundesministerium für Gesundheit (2012): Nationaler Krebsplan. Handlungsfelder, Ziele Umsetzungsempfehlungen. http://www.bmg.bund.de/praevention/nationaler-krebsplan.html. Zugriff: 03.11.2013. Giesler, J.M., Weis, J. (2008): Developing a self-rating measure of patient competence in the context of oncology: a multi-center study. Psychooncology, 17. doi: 10.1002/ pon.1330. 1089-1099. Giesler, J.M., Weis, J. (2009): Patientenkompetenz. In: Koch, U., Weis, J. (Hrsg.): Jahrbuch der Medizinischen Psychologie 22: Psychoonkologie. Eine Disziplin in der Entwicklung. Göttingen: Hogrefe. 158-170. 295 Pneumologische Rehabilitation Lungenfunktionsergebnisse der RIMTCOR-Studie – eine randomisierte real life-Studie (RCT) Schultz, K. (1), Jelusic, D. (1), Wittmann, M. (1), Huber, V. (1), Krämer, B. (1), Fuchs, S. (1), Wingart, S. (1), Lehbert, N. (1), Stojanovic, D. (1), Schuler, M. (2) (1) Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie, Fachbereich Pneumologie, (2) Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Abteilung für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg Hintergrund Bisher ist unklar, ob ein zusätzliches routinemäßiges Inspirationsmuskeltraining (IMT) die Ergebnisse einer stationären 3-wöchigen Rehabilitation bei COPD-Patienten verbessern kann (Decramer, 2009, Gosselink et al., 2011). Daher wird IMT in den einschlägigen COPDReha-Leitlinien bisher nicht als Routinekomponente empfohlen (Ries et al., 2007). Methode Prospektive, extern randomisierte, einfachblinde Interventionsstudie. Einschlusskriterien: COPD-Patienten der Schweregrade II–IV die von 2/2013–7/2014 regelrecht eine intensive und umfassende 3-wöchige stationäre pneumologische Rehabilitation (PR) durchliefen. Ausschlusskriterien: Mangelnde sprachliche oder kognitive Mitwirkungsfähigkeit, sehr schwere Begleiterkrankungen, die ihrerseits die Outcome-Parameter mehr beeinflussen als die COPD, z. B. Bronchialkarzinom, PCO2 ≥50 mmHg in Ruhe oder Indikation zur intermittierenden nichtinvasiven Beatmung (NIV). Exazerbationen während der Reha oder andere Komorbiditäten waren kein Ausschlusskriterium (real life). Die Kontrollgruppe (KG) durchlief dasselbe intensive Reha-Programm wie die Interventionsgruppe (IG), absolvierte aber zusätzlich tgl. 21 Min. ein „Entspannungs-IMT“ (ohne Widerstand = Placebotraining), während die IG tgl. 21 Min. zusätzlich ein hochintensives IMT-Krafttraining absolvierte. Als primärer Outcome-Parameter war vorab der Zuwachs an PI max. (max. inspiratorische Atemmuskelkraft) am Ende der Rehabilitation festgelegt worden. Statistik: Zur Analyse des Interventionseffektes wurden Kovarianzanalysen mit den T1-Werten als abhängige, Gruppenzugehörigkeit als unabhängige und T0-Werten als Kovariaten durchgeführt. Effektstärken der Innergruppeneffekte werden mittels Standardized Response Mean (SRM), die der Zwischengruppeneffekte mittels partiellem eta² (p.eta²) angegeben. Effekte mit SRM ≥0,2/0,5/0,8 bzw. p.eta² ≥0,01/0,06/0,13 werden als klein/mittel/groß bewertet. Stichprobe Über 550 konsekutive COPD-Patienten wurden eingeschlossen, jeweils >250 in der IG und in der KG. Ergebnisse Beide Gruppen zeigen nach der dreiwöchigen Rehabilitation jeweils statistisch signifikante (p<0.05) Verbesserungen u. a. bezüglich folgender Lungenfunktionsmesswerte: PI max., 296 VC (Vitalkapazität), FEV1 (exspiratorische Einsekundenkapazität) und FIV1 (inspiratorische. Einsekundenkapazität), d. h. auch die „Standard-Reha“ ohne Kraft-IMT führt zu klinisch relevanten Verbesserungen wichtiger Lungenfunktionsparameter. Signifikante Intergruppenunterschiede fanden sich aber darüber hinaus für den primären Studien-OutcomeParameter PI max. und für die inspiratorische Einsekundenkapazität (FIV1)zugunsten der IG (vgl. Tabelle 1). Gruppe MSD (T0) PI max [kPa] IG 6.822.42 KG 6.802.24 FIV1 [l] IG 2.900.91 KG 2.940.97 FEV1 [l] IG 1.560.612 KG 1.530.62 VC [l] IG 3.210.97 KG 3.191.01 MSD (T1) MSD (T1-T0) SRM p p. eta² (T1-T0) (T1-T0) p (Gruppe) 8.512.40 7.542.38 1.701.66 1.03 0.741.43 0.52 < 0.05 < 0.05 0.097 P < 0.001 3.260.92 3.190.98 0.370.64 0.57 0.260.55 0.46 < 0.05 < 0.05 0.008 P = 0.028 1.770.70 1.720.68 0.210.39 0.54 0.190.32 0.58 < 0.05 < 0.05 0.001 P = 0.430 3.460.97 0.250.64 0.40 3.44 1.01 0.250.52 0.49 < 0.05 < 0.05 0.000 P = 0.970 Tab.1: Veränderung wichtiger Lungenfunktionsparameter am Ende der Rehabilitation (IG = Interventionsgruppe, KG = Kontrollgruppe, T0 = Reha-Beginn, T1 = Reha-Ende) Diskussion Unseres Wissens erstmals konnte somit in einer randomisierten Placebo-kontrollierten Interventionsstudie nachgewiesen werden, dass ein Kraft-IMT als routinemäßiges Add-on im Rahmen einer intensiven 3-wöchigen stationären PR zu einer signifikanten Verbesserung der maximalen Kraft der Inspirationsmuskulatur (PI max.) führt. Zudem fand sich gegenüber der Kontrollgruppe eine signifikante Verbesserung der inspiratorischen Einsekundenkapazität. Die weitere, gerade erst begonnene, Auswertung des umfangreichen Datenmaterials wird u. a. auf das unterschiedliche Ansprechen bei verschiedenen Subgruppen fokussieren, sowie den Effekt des IMT auf sekundäre Outcomes wie körperliche Leistungsfähigkeit (6-MWD) und Lebensqualität. Förderer: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd Literatur Decramer, M. (2009): Response of the respiratory muscles to rehabilitation in COPD. J Appl Physiol.,107. 971-976. Gosselink, R., De Vos, J., van den Heuvel, S.P., Segers, J., Decramer, M., Kwakkel, G. (2011): Impact of inspiratory muscle training in patients with COPD: what is the evidence? Eur Respir J., 37. 416-425. Ries, A.L., Bauldoff, G.S. et al. (2007): Pulmonary Rehabilitation: Joint ACCP/AACVPR Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest. 131(5 Suppl). 4S-42S. 297 Psychische Komorbidität bei COPD-Patienten: Welche Langzeiteffekte zeigen sich nach einer stationären pneumologischen Rehabilitation? Schwaighofer, B. (1), Jelusic, D. (1), Wittmann, M. (1), Schuler, M. (2), Schultz, K. (1) (1) Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie, Bad Reichenhall, (2) Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften Hintergrund In Studien konnten ausgeprägte Komorbiditäten mit psychischen Störungen bei COPD-Patienten, die für Verlauf, Prognose und Therapieplanung der COPD von Bedeutung sind, festgestellt werden. Zudem konnte gezeigt werden, dass Reha-Programme Angst- und Depressionssymptome im Vergleich zur Regelversorgung signifikant reduzieren (Coventry, 2007). Über die Nachhaltigkeit dieser Effekte ist bislang wenig bekannt. Methode Von Februar 2013 bis Juli 2014 wurden 200 COPD-Rehabilitanden mittels PHQ-9 und GAD-7 systematisch bezüglich Depressions- und Angstsymptomen jeweils zu Beginn (T0), Ende (T1), 3 (T2) und 6 Monate (T3) nach Beendigung der Reha befragt. Ergebnisse Zu T0 erfüllten 28,5 % aller Patienten die Verdachtskriterien einer Major-Depression (MD) (PHQ 9≥10) und 24,5 % zeigten klinisch relevante Angstsymptome (AS) (GAD7 ≥10). 18 % hatten sowohl Symptome einer MD wie auch AS. 6 Monate nach Beendigung der Rehabilitation reduzierte sich der Anteil der MD-Verdachtsdiagnosen auf 19,5 % und jener für AS auf 17 %. Bei den Patienten mit Symptomen einer MD und AS reduzierte sich die Anzahl der Betroffenen auf 14,5 %. Die Analyse ergab eine signifikante Reduktion von Betroffenen mit MD oder AS im Vergleich T0 zu T1 und T3; der Vergleich zu T2 war nicht signifikant. Die Berechnungen für Betroffene mit MD und AS wiesen auf eine signifikante Reduktion der Symptome zwischen T0 und T1 hin; es ergaben sich keine signifikanten Ergebnisse im weiteren Verlauf (Tab.1). Tabelle 1 Verdachtsdiagnosen Major-Depression Angststörung Major-Depression und Angststörung T0 N 57 % 28,5 % 49 24,5 % 36 18,0 % T1 N % 29 14,5 % p<0.000 26 13,0 % p<0.000 19 9,5 % p=0.001 Tab. 1: Ergebnisse zu den Verdachtsdiagnosen 298 T2 N % 48 24,0 % p=0,233 42 21,0 % p=0,337 33 16,5 % p=0,728 T3 N % 39 19,5 % p=0,025 34 17,0 % p=0,025 29 14,5 % p=0,296 Beide Test-Scores waren im Vergleich T0 zu T1 und T3 signifikant geringer; es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zu T2 (Tab.2). Tabelle 2 Tests-Scores PHQ-9 GAD-7 T0 M 6,98 SD 4,912 6,29 4,707 T1 T2 T3 M SD 4,89 4,434 p<0,000 4,56 4,511 p<0,000 M SD 6,39 5,432 p=0,060 5,77 5,353 p=0,106 M SD 6,11 5,527 p=0,005 5,51 4,764 p=0,013 Tab. 2: Test-Scores Diskussion Es konnte eine Reduktion von Depressions- und Angstsymptomen, auch 6 Monate nach Beendigung der Rehabilitation, festgestellt werden. Der Anteil der Patienten, die sowohl eine Major-Depression als auch eine Angststörung aufwiesen, hat sich nur kurzfristig reduziert. Literatur Coventry, A.P., Hind, D. (2007): Comprehensive pulmonary rehabilitation for anxiety and depression in adults with chronic obstructive pulmonary disease: Systematic review and meta-analysis.Journal of Psychosomatic Research 63. 551-565. Unterstützung der Lebensstiländerung von COPD-Patienten durch ein Planungskompetenztraining Arling, V. (1), Kienast, K. (2), Slavchova, V. (1), Pütz, D. (2), Hartenfels, S. (2), Spijkers, W. (1) (1) RWTH Aachen, (2) Pneumologie Hufeland-Klinik Bad Ems Hintergrund Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease – COPD) ist gekennzeichnet durch eine nicht vollständige reversible Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis sowie eines Lungenemphysems. Hauptsymptome sind Auswurf, Husten, zunehmende Atemnot (AHA). Die Prävalenz ist mit dem Alter stark zunehmend, sie ist bei Männern fast doppelt so hoch, wie bei Frauen. Bei der Behandlung der AHA-Symptome spielen neben der bronchodilatatorischen/antiinflammatorischen Therapie die physikalische Therapie im Rahmen der stationären pneumologischen Rehabilitation sowie Raucherentwöhnungsprogramme traditionell eine große Rolle. Wir möchten durch eine gezielte Psychoedukation eine nachhaltige Verhaltens- und Lebensstiländerung in der Weise bewirken, dass Abläufe am Arbeitsplatz und im häuslichen Umfeld dem reduzierten Leistungsvermögen der COPD-Patienten angepasst werden. So soll eine berufliche und soziale Abwärtsspirale abgefangen werden. 299 Ziel der Vorstudie war es nun zu erproben, inwiefern COPD-Patienten mittels eines Planungskompetenztrainings (PKT; Arling, 2014) übergeordnete Fähigkeiten vermittelt werden können, die einerseits ihre konkrete Planungskompetenz sowie ihre metakognitive Analyseund Problemlösefähigkeit unterstützen. Methode Das PKT besteht insgesamt aus vier Planspieleinheiten, einer Transfersitzung (Gruppe) und einem individuellen Abschlussgespräch. Im Sinne des Selbstinstruktionstrainings von Meichenbaum (1979) werden im Rahmen dieser 4 bzw. 5 Sitzungen (individuelle) Planungsstrategien bzgl. der Lebensstiländerungen im Alltag identifiziert sowie adäquate Selbstinstruktionen für eine erfolgreiche Handlungsumsetzung erarbeitet (vgl. Goldfried, Davison, 1979). Laut Harlow (1949) unterstützt das Erwerben von Problemlösefähigkeit einen Menschen darin, eine Lerneinstellung zu entwickeln, „mit deren Hilfe er dann viele unterschiedliche Situationen besser bewältigen kann“ (zit. nach Goldfried, Davison, 1979, S. 129). Eine Erfolgskontrolle der Lebensstiländerung erfolgte mittels des Kurzfragebogens CAT (GlaxoSmithKline, 2009) zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Folgen von COPD über 8 Items im 5-stufigen Likert-Format (Beispielitem: 1 - Ich bin voller Energie bis 5 - Ich habe überhaupt keine Energie). An der Untersuchung partizipierten 38 Patienten einer entsprechenden Rehabilitationseinrichtung, wovon 20 Personen (m=12, w=7, kA=1) das PKT komplett abschlossen. Ergebnisse Die Berechnung einer ANOVA mit Messwiederholung ergibt eine hochsignifikante Leistungssteigerung im PKT (F[3,57] = 7,386, p<0,0001). Bonferroni-korrigierte Post-Hoc-Tests zeigen, dass sich die Teilnehmer in ihrer Leistung vom Tour-Planer (AM-%=41,15; SD=5,07) zum Einkaufs-Planer (AM-%=59,23; SD=5,63) mit einer Steigerung von ca. 20 % signifikant verbesserten (p=0,024). Für den Prä-Post-Test vom Tour- zum Routen-Planer bildet sich eine deskriptive Tendenz (n. s.) dahin gehend ab, dass die individuelle Leistung der zu erreichenden Punkte im Schnitt um 7,95 % gesteigert werden konnte (vgl. Abb. 1). Befragt bezüglich der Umsetzung der Psychoedukation in das Alltagsleben gaben 9 Personen an, die gesetzten Ziele erreicht zu haben, während 10 Rehabilitanden ein eher negatives Resümee abgaben (n=1 keine Rückmeldung). Es zeichnet sich eine Tendenz dahin gehend ab, dass ein hoher CAT-Wert zum Nachbefragungszeitpunkt und somit ein hohes Krankheitserleben mit schlechten Routen-Planer-Werten korreliert ist (r=−0,52, p=0,084, 2-seitig). 300 Abb. 1: Leistungsveränderung über die 4 Planspiele Diskussion und Ausblick Eine grundsätzliche Verbesserung der Planungskompetenz konnte mittels Training erzielt werden. Die Tatsache, dass nahezu die Hälfte der Teilnehmer angab, die gesetzten Ziele der Transfersitzung im Alltag erreicht zu haben, ist als positives Indiz zu werten. Die Verbesserung über das Training hinweg zeigt, dass mit dem PKT positive Effekte erzielt werden konnten. Die Tendenz, dass hohe CAT-Werte mit niedrigem Routen-Planer assoziiert sind, spricht dafür, dass das Thema Planung gezielt Berücksichtigung finden sollte, um Verbesserungen in der Risikogruppe zu erreichen. Die Befunde sind als erste Hinweise zu werten, dass ein gezieltes PKT bei COPD-Patienten einen anstoßenden und stabilisierenden Einfluss auf die überlebenswichtige Lebensstiländerung hat. Literatur Arling, V. (2014): Handbuch Planungskompetenztraining. RWTH Aachen: Lehr- und Forschungsgebiet Berufliche Rehabilitation. Bucknall, C.E., Miller, G., Lloyd, S.M., Cleland, J., McCluskey, S., Cotton, M., Stevenson, R. D., Cotton, P., McConnachie, A. (2012): Glasgow supported self-management trial (GSuST) for patients with moderate to severe COPD: randomised controlled trial. BMJ, 344. 1-13. 301 GlaxoSmithKline (2009): COPD Assessment Test™ (CAT). Online unter http://www.luftzum-leben.de/lzl/content/e6035/e6152/e6153/e6216/COPD-test-deutsch_ger.pdf. Abruf: 09.10.2014 Goldfried, M.R., Davison, G.C. (1979): Klinische Verhaltenstherapie. Berlin: Springer. Meichenbaum, D. (1979): Kognitive Verhaltensmodifikation. München: Urban und Schwarzenberg. Effekt der pädagogisch-didaktischen Weiterentwicklung des Curriculums „Asthma bronchiale“ der Deutschen Rentenversicherung Bund auf die Verständlichkeit der Patientenschulung Bäuerle, K. (1), Feicke, J. (2), Spörhase, U. (2), Scherer, W. (3), Bitzer, E.M. (1) (1) Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit, Pädagogische Hochschule Freiburg, (2) Institut für Biologie und ihre Didaktik, Pädagogische Hochschule Freiburg, (3) Reha-Zentrum Utersum auf Föhr der Deutschen Rentenversicherung Bund Hintergrund Patientenschulungen sind ein zentrales Element der medizinischen Rehabilitation bei chronischen Erkrankungen mit dem Ziel der Förderung der Gesundheitskompetenz (Bitzer et al., 2009). Das Verstehen von Informationen ist ein bedeutsamer Teilaspekt von Gesundheitskompetenz und die Verständlichkeit einer Patientenschulung ein wichtiges proximales Zielkriterium (Farin et al., 2013). In der praktischen Durchführung von Schulungsprogrammen zeigen sich noch Entwicklungspotentiale insbesondere hinsichtlich der Didaktik und Methodik (Reusch et al., 2013). Dementsprechend ist es das Anliegen der vorliegenden Studie, die Asthma-Schulung der Deutschen Rentenversicherung Bund weiterzuentwickeln und insbesondere eine klare Strukturierung, ein teilnehmerorientiertes Sozialklima sowie kognitiv aktivierende Elemente als Unterrichtsqualitätskriterien zu integrieren (Feicke, Spörhase, 2012). Für den Erfolg einer solchen Maßnahme sind Aspekte wie Akzeptanz und Verständlichkeit wichtige Voraussetzungen – hierzu werden im Folgenden erste Ergebnisse vorgestellt. Methodik In einem prospektiven Kontrollgruppendesign mit 4 Messzeitpunkten werden RehabilitandInnen mit der Hauptindikation „Asthma bronchiale“ im Reha-Zentrum Utersum schriftlich befragt. Personen die zwischen 04.2013 und 11.2013 aufgenommen wurden, durchliefen das ursprüngliche Schulungsprogramm. Nach der Implementation der weiterentwickelten Schulung wurde von 04.2014 bis 10.2014 die Interventionsgruppe rekrutiert. Am Ende des Rehabilitationsaufenthaltes bearbeiteten die Teilnehmenden den COHEP-Fragebogen zur Erfassung der Verständlichkeit der Schulung (Farin et al., 2013). Das Instrument umfasst 30 Items, die 4 Skalen zugeordnet werden können: Verständnisförderndes Verhaltens der Schulungsleiter (z. B. „bezogen die Patienten mit ein, so dass sie ihre eigenen Erfahrungen einbringen konnten“), Übertragbarkeit der Informationen auf den Alltag (z. B. „war alltagsnah aufgebaut“), Verständlichkeit der medizinischen Information (z. B. „waren sehr verständlich“) und Menge an Informationen (z. B. „es wurden zu viele Informationen vermittelt“). 302 Ergebnisse Die Fragebögen wurden insgesamt von n=4 24 RehabilitandInnen bearbeitet. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden beträgt 50,6 Jahre (SD=9,4), 75,1 % sind weiblich und sie kennen ihre Diagnose im Mittel seit 22,7 Jahren (SD=23,9). Es bestehen keine bedeutsamen Unterschiede bezüglich Alter, Geschlecht und Zeit seit Diagnose zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe (ANOVA, p=.23; 2-Test, p=.23; ANOVA, p=.48). Skala COHEP KG n=192 IG n=185 Test auf Signifikanz T-Test MW (SD) MW (SD) df F p d Verständnisförderndes Verhaltens der Schulungsleiter 80,96 (13,57) 84,71 (12,51) 1 ,241 ,005 ,29 Übertragbarkeit der Informationen auf den Alltag 84,08 (11,90) 84,20 (10,96) 1 ,453 ,921 ,01 Verständlichkeit der medizinischen Information 87,27 (10,53) 86,44 (10,29) 1 ,308 ,433 -,06 Menge an Informationen 75,97 (18,50) 76,14 (20,73) 1 ,221 ,931 ,01 Anm.: Wertebereich transformiert 0–100, höhere Werte weisen auf eine bessere Verständlichkeit hin. Tab. 1: Skalenmittelwerte der COHEP – Subskalen in Interventions- und Kontrollgruppe bezüglich der Verständlichkeit der Patientenschulung und Test auf signifikante Gruppenunterschiede Die RehabilitandInnen beider Gruppen liegen mit ihrer Einschätzung der Verständlichkeit der Schulung bei allen Teilbereichen im oberen Drittel des möglichen Wertebereichs. Hinsichtlich der Beurteilung des verständnisfördernden Verhaltens der Schulungsleiter zeigt sich, dass sich Kontroll- und Interventionsgruppe bedeutsam voneinander unterscheiden (s. Tab. 1). Der Vergleich der weiteren COHEP-Subskalen zeigt keine signifikanten Unterschiede. Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse der Untersuchung liefern Hinweise darauf, dass das Curriculum Asthma bronchiale eine hohe Verständlichkeit aufweist. Die Verbesserung der Werte hinsichtlich des verständnisfördernden Verhaltens der Schulungsleiter kann auf die Integration von Elementen zurückzuführen sein, die ein teilnehmerorientiertes Sozialklima fördern. Dieses Qualitätskriterium spiegelt sich in den Items der Subskala wieder (z. B. „förderten den Austausch zwischen den Patienten, so dass man von anderen lernen konnte“). Die fehlenden signifikanten Verbesserungen in den restlichen Bereichen zeigen, dass auch das ursprüngliche Programm eine hohe Akzeptanz aufwies. Zudem mag die im weiterentwickelten Curriculum integrierte Aktivierung der Teilnehmer nicht von allen RehabilitandInnen als positiv empfunden werden, es führte jedoch zu keiner Akzeptanzminderung. Inwieweit das weiterentwickelte Schulungsprogramm eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zum ursprünglichen Curriculum aufweist, wird nach Abschluss der Follow-up-Befragungen geprüft. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund 303 Literatur Bitzer, E.M., Dierks, M.L., Heine, W., Becker, P., Vogel, H., Beckmann, U., Butsch, R., Dörning, H., Brüggemann, S. (2009): Teilhabebefähigung und Gesundheitskompetenz in der medizinischen Rehabilitation – Empfehlungen zur Stärkung von Patientenschulungen. Die Rehabilitation, 48. 202-210. Farin, E., Nagl, M., Ullrich, A. (2013): The comprehensibility of health education programs: Questionnaire developement and results in patients with chronic muscoloskeletal diseases. Patient education and counseling, 90. 239-246. Feicke, J., Spörhase, U. (2012): Impulse aus der Didaktik zur Verbesserung von Patientenschulungen. Die Rehabilitation, 51 (05). 300-307. Reusch, A., Schug, M., Küffner, R., Vogel, H., Faller, H. (2013): Gruppenprogramme der Gesundheitsbildung, Patientenschulung und Psychoedukation in der medizinischen Rehabilitation 2010 – Eine Bestandsaufnahme. Die Rehabilitation, 4. 226-232. Davoser-Outcome-Studie (DOS) – Ergebnisse stationärer pneumologischer und dermatologischer Heilbehandlungen im Spiegel von drei Nacherhebungen Schmidt, J. (1), Nübling, R. (1), Kriz, D. (1), Kaiser, U. (2, 3) (1) Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, Karlsruhe, (2) Hochgebirgsklinik Davos, (3) Institut für sportmedizinische Prävention und Rehabilitation Mainz/Davos Hintergrund Erkrankungen der Atemwege und der Haut haben eine beträchtliche volkswirtschaftliche Bedeutung und führen bei den Betroffenen zu hohen Belastungen (Aumann et al., 2014; Schultz, 2014). Eine adäquate Behandlung dieser Patienten umfasst neben der kurativen Versorgung auch die medizinische Rehabilitation, die vorwiegend wohnortfern durchgeführt wird. Obwohl ihr Nutzen international als nachgewiesen gilt, wird der pneumologischen und dermatologischen Rehabilitation in der Öffentlichkeit und der Fachwelt leider zumeist eine eher nachrangige Bedeutung beigemessen. Zu Unrecht, wie die Autoren meinen. Im Fokus des Beitrags stehen kurz-, mittel- und längerfristige Ergebnisse stationärer pneumologischdermatologischer Heilbehandlungen in der Hochgebirgsklinik Davos (1.600 m), die in einer breit angelegten Verlaufsstudie überprüft wurden. Methodik Die Davoser-Outcome-Studie (DOS) ist eine prospektive einarmige Beobachtungsstudie, welche patientenseitig 5 schriftliche Datenerhebungen (A = Aufnahme, E = Entlassung, Nachbefragungen 6, 12 und 24 Monaten nach Entlassung = K1, K2, K3) und arztseitig 2 Messungen (A und E) umfasst (vgl. Kaiser et al., 2011; 2013). Das Assessment beinhaltete demographische, somatische, psychosoziale, krankheits- und behandlungsbezogene und gesundheitsökonomische Parameter. Auf generischer Ebene kamen u. a. HADS, SF-12, IRES-24, FKV-LIS, GAF, BSS, M-Score, indikativ SGRQ, FLQA sowie die Parameter FEV1, sRAW, PASI und SCORAD zum Einsatz. Im Untersuchungszeitraum nahmen 61 % der 304 Neuaufnahmen an der Studie teil. Die Ausgangsstichprobe umfasste n= 896 Patienten mit unterschiedlichen pneumologischen und dermatologischen Hauptdiagnosen (Frauenanteil: knapp 60 % Frauen, Durchschnittsalter: 49,1 Jahre, mittlere Behandlungsdauer 27,4 Tage). Die Erfassungsquoten bei den 3 Nacherhebungen lagen bei 80,4 %, 73,4 % und 65,8 %. Ergebnisse Es konnten bemerkenswert hohe patientenseitige Nutzenbewertungen der Heilbehandlung sowie eine konstant hohe Zufriedenheit mit der Behandlung beobachtet werden – konstant über alle Messzeitpunkte hinweg (Schmidt et al., under review)! Bei Entlassung zeigte sich eine beachtliche Besserung des gesundheitlichen Befindens (ES=1,26), die sich im weiteren zeitlichen Verlauf zwar etwas abschwächte, 2 Jahre nach Entlassung aber noch eine gute Nachhaltigkeit zeigte (ES=0,60). Geringere Effektgrößen lagen bei HADS, SF-12. SGRQ und FLQA vor (siehe Tab. 1). Tab. 1: Veränderungen über die Zeit in ausgewählten Ergebnisparametern Mittels zielorientierter Ergebnismessung (ZOE; Gerdes, 1998) konnten weiterhin nachhaltige Besserungen der Atem- und Hautbeschwerden festgestellt werden. Bei den überprüften Ergebnisparametern (1-Sekunden-Kapazität, spezifischer Atemwegswiderstand, PASI-Index und SCORAD-Index) waren bei Entlassung ebenfalls zum Teil deutliche positive Veränderungen zu verzeichnen. Auch im kostenrelevanten Bereich, bei dem 3 Zeitperioden verglichen wurden (1 Jahr vor der Behandlung, 1. und 2. Jahr nach der Behandlung) konnten Reduktionseffekte bis zu 40–50 % in den Post-Zeiträumen beobachtet werden (z. B. hinsichtlich stationärer Krankenhaustage wegen Atemwegs- und Hauterkrankungen, Notarztkontakten und AU-Zeiten). Äußerst hoch waren auch die beobachteten Return-to-work-Quoten nach der Heilbehandlung (92,2 % 6 Monate nach Entlassung und 87,1 % 2 Jahre nach Entlassung). 305 Diskussion und Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen, dass stationäre Heilbehandlungen in der Hochgebirgsklinik Davos – größtenteils Rehabilitationsmaßnahmen – zu moderaten bis deutlichen kurz- und längerfristigen Verbesserungen bei Patienten mit Atemwegserkrankungen und Hauterkrankungen führen. Die vorliegenden Resultate deuten – zumindest in Teilaspekten – eine zufriedenstellende Nachhaltigkeit der Effekte an und bestätigen frühere Evaluationsstudien in großem Maße. Die methodischen Probleme und Einschränkungen der Studie werden abschließend diskutiert. Förderung: Europäisches Allergie und Asthma Centrum Davos Literatur Aumann, I., Prenzler, A., Graf v. d. Schulenburg, J.-M. (2014): Lungen- und Atemwegserkrankungen in Deutschland. In: Gillissen, A., Welte, T. (Hrsg.): Weißbuch Lunge 2014. Herne: Frischtexte Verlag. 15-18. Gerdes, N. (1998): Rehabilitationseffekte bei „zielorientierter Ergebnismessung“. Ergebnisse der IRES-ZOE-Studie 1996/97. Deutsche Rentenversicherung, 3-4. 217-238. Kaiser, U., Schmidt, J., Kriz, D., Nübling, R. (2013): Davoser-Outcome-Studie (DOS): Ergebnisse der Einjahreskatamnese. DRV-Schriften, Bd. 101. 454-455. Kaiser, U., Nübling, R., Schmidt, J., Ohnmacht, M. (2011): Effekte stationärer pneumologischer und dermatologischer Behandlungen: Erste Ergebnisse der Davoser Outcome Studie (DOS). DRV-Schriften, Bd. 93. 442-444. Schmidt, J., Kaiser, U., Kriz, D., Nübling, R. (under review). Die Davoser Outcome-Studie (DOS) – Ergebnisse stationärer pneumologischer und dermatologischer Heilbehandlungen im Spiegel wiederholter Nacherhebungen. Prävention und Rehabilitation. Schultz, K. (2014): DGRW-Update: Relevanz und Evidenz der pneumologischen Rehabilitation am Beispiel der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen (Erwachsene). Die Rehabilitation, 53. 146-154. 306 Rehabilitation bei psychischen Störungen I Wie sieht eine patientengerechte Vorbereitung auf die stationäre psychosomatische Rehabilitation aus? – Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung Gerzymisch, K. (1), Beutel, M.E. (1), Schmädeke, S. (3), Bischoff, C. (3), Hagen, K. (2), Knickenberg, R.J. (2), Zwerenz, R. (1) (1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt der Rhön-Klinikum AG, (3) AHG Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim Hintergrund Die aktive Mitarbeit eines Patienten trägt ganz wesentlich zum Erfolg einer stationären psychosomatischen Behandlung bei. Eine unzureichende Behandlungsvorbereitung und -information stellt einen wesentlichen Risikofaktor für Motivationsdefizite und mangelhafte aktive Mitarbeit des Patienten dar. Damit steigt auch das Risiko für ausbleibenden Behandlungserfolg und eine fehlende berufliche Wiedereingliederung. Folglich kommt einer patientengerechten Vorbereitung und Informationsvermittlung vor der stationären Aufnahme zur Steigerung realistischer Behandlungs- und Ergebniserwartungen und berufsbezogener Therapiemotivation eine hohe Bedeutung zu – auch auf dem Hintergrund begrenzter Behandlungstage im stationären Setting. Bislang erfolgt die Informationsvermittlung zur Vorbereitung auf die stationäre Rehabilitation vorwiegend textbasiert. Im Rahmen der Studie Reh@:Info wird ein videobasiertes Online-Informationsportal, zunächst exemplarisch für die stationäre psychosomatische Rehabilitation, entwickelt und evaluiert. Methodik Um das geplante Angebot zielgruppengerecht zuschneiden zu können, wurden in einem explorativen Studienteil Erwartungen und Informationsbedarf von Patienten zweier Kliniken bezüglich stationärer psychosomatischer Rehabilitation in Form von Fokusgruppen während des Reha-Aufenthaltes erhoben. In einer weiteren Fokusgruppe wurden verschiedene Berufsgruppen innerhalb der Rehabilitationseinrichtungen (= Experten) zu Ihren Wünschen und Erwartungen an das Projekt sowie Erfahrungen mit der bisherigen Vorbereitung der Patienten befragt. Alle Fokusgruppen wurden videografiert, transkribiert und anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet. Ergebnisse Es wurden 2 Experten- (n=18) und 4 Patientenfokusgruppen (n=31) durchgeführt. Laut Selbstbericht der Rehabilitanden wurde die Klinikwebsite zwar mehrheitlich zur Informationssuche genutzt, der Informationsbedarf der Patienten jedoch darüber nicht abgedeckt. Ferner nahmen viele Rehabilitanden die Online-Informationen als zu textlastig, unübersichtlich und kognitiv überfordernd wahr. Unsicherheiten und Ängste vor Behandlungsbeginn wurden retrospektiv vor allem hinsichtlich der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Behand- 307 lung berichtet. Auch die Kontakte mit Mitpatienten wurden retrospektiv als angstbesetzt beschrieben, im Verlauf der Rehabilitation dann jedoch auch als größte Ressource wahrgenommen. Beim Vergleich von Experten- und Patientenaussagen zeigte sich weitgehende Einigkeit bei bedeutsamen Erfolgsvariablen im Behandlungsprozess (Hilfe zur Selbsthilfe, Eigeninitiative, Wahrnehmen von Angeboten, Zielsetzung, Kontakte mit Mitpatienten). Hinsichtlich Ergebnis- und Behandlungserwartung, zentraler Bedenken sowie Informationsbedarf von Patienten mit bevorstehender psychosomatischer Rehabilitation, wichen die Einschätzungen der Patienten von denen der Experten größtenteils ab. Die Experten führten bspw. Kurerwartungen der Patienten als typisch an, während die Rehabilitanden tendenziell von einem Behandlungskonzept der Hilfe zur Selbsthilfe ausgingen. Zwischen den Fokusgruppeninhalten beider Kliniken zeigte sich trotz verschiedener Therapieschulen (TfP, VT) eine hohe inhaltliche Übereinstimmung. Schlussfolgerung und Ausblick Aus den Ergebnissen wurden inhaltliche Schwerpunkte und formale Vorgaben für das internetbasierte Angebot zur Vorbereitung auf die stationäre psychosomatische Rehabilitation abgeleitet. In der aktuellen Umsetzungsphase wird auf Informationstexte größtenteils verzichtet. Vielmehr wird versucht, über Videos prototypischer Patientenerfahrungen das Interesse der Patienten zu wecken sowie die Identifikation und Entwicklung von Behandlungsmotivation fördern. Mit Hilfe von weiteren Videos mit Experten-Statements sollen darüber hinaus das Konzept der psychosomatischen Rehabilitation und die zentralen Wirkfaktoren vermittelt und der interdisziplinäre Ansatz durch Abbildung des prototypischen Reha-Teams unterstrichen werden. Das aus der ersten Umsetzungsphase resultierende Portal soll nachfolgend erneut durch Fokusgruppen von Patienten und Experten hinsichtlich seiner Eignung beurteilt und im Anschluss in einer experimentellen Studienphase hinsichtlich seiner Wirksamkeit evaluiert werden. Ergebnisse zu simulierten Symptomen in der medizinisch-psychiatrischen Rehabilitation Senft, B., Platz, T., Bernögger, S. Reha-Klinik für Seelische Gesundheit und Prävention, Klagenfurt Hintergrund und Ziel der Studie Simulation wird häufig im Zusammenhang mit forensischen Patienten oder Straftätern diskutiert (Cima et al., 2003), ein weiterer Themenkomplex ist die Diagnostik von PTSD (Stevens, Merten, 2007). Kobelt et al. (2012) fanden in der stationären psychosomatischen Rehabilitation bei 24,6 % invalide Symptomdarstellung, diese Gruppe ist gekennzeichnet durch eine höhere allgemeine Symptombelastung, geringere Motivation, geringeren Rehabilitationserfolg, eine gefährdete Erwerbsprognose und häufigeren Migrationshintergrund. Cima et al. (2003) entwickelten die deutsche Version des „Structured Inventory of Malingered Symptomatology“ – SIMS – und nannten ihn Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome, validiert an forensisch untergebrachten Patienten und Studenten. Dieses Instrument 308 wurde in Österreich im Rahmen der medizinisch-psychiatrischen Rehabilitation eingesetzt. Ziel der Arbeit war die Erfassung von Daten bei österreichischen Rehabilitanden gesamt und in Subgruppen, sowie ein Vergleich mit Ergebnissen deutscher Studien. Methodik 272 unselektierten Rehabilitanden wurde der SIMS vor Reha-Beginn postalisch übermittelt und mit Routinedaten analysiert. Weitere psychometrische Verfahren: BSI (Franke, 2000), PATHEV (Schulte, 2005), soziodemographische und krankheitsbezogene Angaben in Form von Fragebogendaten. Ergebnisse 39 % der Rehabilitanden liegen im Gesamtwert über den Cut-off von 17, mehr als in der Studie von Cima et al. mit 27 %, aber ähnlich viele wie in der Studie von Kobelt et al. (2012) (Psychose 30 %, Affektive Störung 80,5 %, Neurologische Beeinträchtigung 65,8 %, Niedrige Intelligenz 16,9 %, Amnestische Störung 61,5 %). Mit höheren SIMS-Werten gehen eine signifikant stärkere körperliche und psychische Symptombelastung sowie eine stärkere Furcht vor Veränderung einher. Mit der Reduktion psychischer Symptombelastung (BSI-Differenz) bei Reha-Ende besteht kein Zusammenhang. Diagnosespezifisch zeigen sich keine signifikanten bedeutsamen Unterschiede, aber traumatisierte Patienten weisen signifikant höhere Werte auf, insbesondere in der Skala Amnestische Störung. 19,3 % nichttraumatisierter, aber 47,6 % traumatisierter Patienten liegen über dem Cut-off von 17 Punkten. Der deutlichste Unterschied jedoch zeigt sich nach beruflichem Status, im Schnitt liegen Berufstätige und Arbeitslose unter dem Cut-off, Rentenbezieher oder -antragsteller deutlich darüber. Der Gesamtmittelwert forensischer Psychiatriepatienten von Cima et al. lag bei 14,13, Rentenantragsteller weisen einen Mittelwert von 23,47 und Rentenbezieher von 22,46 auf. Diskussion Vonseiten der Patienten gab es häufiger Widerstand gegen den SIMS-Fragebogen als bei anderen psychometrischen Verfahren. Mit der körperlichen und psychischen Symptombelastung korreliert der SIMS mittelstark, aber es gibt keine diagnosespezifischen Unterschiede. Die Ergebnisse ähneln jenen deutscher psychosomatischer Kliniken (Kobelt et al., 2012), Vorliegendes Rentenbegehren steht deutlich mehr im Zusammenhang mit hohen Simulationswerten als krankheitsbezogene Variablen, was auf eine differenzielle Validität des SIMS hinweist. Aggravation und Nichterreichung eines Therapieerfolgs sind bei dieser Klientel aufgrund der Furcht vor Rentenverlust aus dissonanztheoretischer Perspektive verstehbar. Eine Fremdeinschätzung der Behandler liegt für die Stichprobe nicht vor, als zuverlässigen Hinweis für Simulation, können die Daten z. B. aufgrund sprachlicher Unsicherheit oder nicht erfasstem Migrationhintergrund noch nicht bewertet werden. Schlussfolgerungen Die Relevanz von Simulation in der Rehabilitation ist sicher nicht vergleichbar mit jener bei forensischer bzw. delinquenter Klientel, umso überraschender die hohen Ausprägungen. Existenzielle Sorgen bei unsicherer Einkommenslage können offensichtlich zu stark erhöhten SIMS-Werten führen, die Haltung von Behandlern sollte jedoch nicht durch eine Fokus- 309 sierung auf diese Thematik konnotiert sein, da in Österreich der Fokus weniger auf der sozialmedizinischen Begutachtung im Rahmen der Rehabilitation liegt. Mangelnder Rehabilitationserfolg kann für einen Teil der Klientel so erklärbar werden, da die SIMS-Werte auch mit der Entlassungssymptomatik schwach bis mittel korrelieren. Diese Ergebnisse können unter Bedachtnahme der Freiwilligkeit der Therapiemitarbeit eine Entlastung für das Behandlerteam bzw. für das Qualitätsmanagement einer Klinik bringen, da mit verzerrten Ergebnissen gerechnet werden muss. Literatur Cima, M., Hollnack, S., Kremer, K., Knauer, E., Schellbach-Matties, R., Klein, B., Merckelbach, H. (2003): „Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome“. Der Nervenarzt, 74 (11). 977-986. Franke, G.H. (2000): BSI Brief Symptom Inventory von L.R. Derogatis (Kurzform der SCL90-R) – Deutsche Version –. Manual. Göttingen: Beltz. Kobelt, A., Göbber, J., Pfeiffer, W., Piezga, M., Petermann, F., Bassler, M. (2012): Beschwerdevalidierung in der stationären psychosomatischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 98. 273-274. Schulte, D. (2005): Messung der Therapieerwartung und Therapieevaluation von Patienten (PATHEV). Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 34 (3). 176-187. Stevens, A., Merten, T. (2007): Begutachtung der posttraumatischen Belastungsstörung: konzeptionelle Probleme, Diagnosestellung und negative Antwortverzerrungen. Praxis der Rechtspsychologie, 17 (1). 83-107. Nebenwirkungen von Gruppenpsychotherapie in der psychosomatischen Rehabilitation Linden, M. (1, 2), Fritz, K. (1), Walter, M. (1), Muschalla, B. (1, 3) (1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Reha-Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow, (3) Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam Hintergrund Unerwünschte Begleitwirkungen stellen ein wichtiges Problem in jeder Psychotherapie dar (Linden & Strauß, 2013). Für Gruppenpsychotherapien ist im Vergleich zur Einzeltherapie von einer höheren Quote von Nebenwirkungen auszugehen (Hoffmann et. al, 2008), weil zur Therapie an sich und die Therapeut-Patient-Interaktion noch die Gruppendynamik hinzukommt, welche zwischen den Gruppenmitgliedern entsteht. Die Untersuchung von Gruppenwirkungen und -nebenwirkungen ist von besonderer Bedeutung in der medizinischen Rehabilitation, da hier die Therapie wesentlich gruppenbasiert abläuft. Methode 71 Patienten einer stationären psychosomatischen Rehabilitation, die an verhaltenstherapeutischen Gruppenpsychotherapien teilnahmen, füllten nach Ankündigung der Befragung 310 im Rahmen der Gruppentherapiesitzung die UE-G-Checkliste (Unerwünschte Ereignisse in Gruppen) aus, die 47 Items vorgibt, gruppiert nach potentiell belastungsauslösenden Faktoren wie die Gruppengröße oder der Raum, die Therapieinhalte, die Mitpatienten, das Therapeutenverhalten, individuelle gruppenbezogene Vorstellungen, und Nachfolgewirkungen. Die Einschätzung der Belastungsschwere erfolgte auf einer 5-stufigen Skala. Ergebnisse 98,6 Prozent der Patienten erlebten in den Gruppentherapien Belastungen irgendeiner Art. Diese spiegelten sich in allen 6 erfragten Nebenwirkungsdimensionen wider. Am häufigsten wurden Nebenwirkungen aufgrund des Inhalts der Gruppentherapie (91,5 %) sowie bedingt durch die Mitpatienten (78,9 %) berichtet. 43,7 % der Befragten berichtete über starke oder gar extreme Belastung während oder als Folge der Gruppentherapie. Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten in der Gruppenpsychotherapie eine Reihe von Belastungen erleben. Therapeuten müssen sich dieses Problems bewusst sein. Yalom und Liebermann (1971) haben darauf hingewiesen, dass gute Therapeuten vor allem solche sind, die sich um die Patienten kümmern, die unter der Gruppe leiden. Als Regel muss also gelten, eine „nebenwirkungsgeleitete Psychotherapie“ durchzuführen. Literatur Linden, M., Strauß, B. (Hrsg.) (2013): Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Yalom, I.D., Liebermann M.A. (1971): A study of encounter group casualities. Archives of General Psychiatry, 25. 16-30. Arbeitsunfähigkeit und psychische Belastung – eine Herausforderung für die Psychosomatische Rehabilitation Frege, I.; Vollmer, H. salus klinik Hürth, Abt. Psychosomatik Hintergrund Mit einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 14,1 Tagen je Arbeitnehmer ergaben sich im Jahr 2012 insgesamt 521,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage. Dies veranlasste uns zu schauen, inwieweit sich Unterschiede zwischen den arbeitsunfähigen und arbeitsfähigen Patienten zeigen. Gerade jetzt, wo die medizinisch beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) insbesondere die Patienten anspricht, die schon längere Arbeitsunfähigkeitszeiten haben, ist es eine Herausforderung für unsere psychosomatische Rehabilitation, dieser großen Patientengruppe besser zu helfen und die Ergebnisse der Auswertung auch in konzeptionelle Überlegungen mit einzubeziehen. Eine Analyse gestattet evtl. Hinweise für erfolgreichere Behandlungsansätze. 311 Methodik Die bei Behandlungsbeginn arbeitsfähigen (n=318) und -unfähigen Patienten (n=464) einer stationären Psychosomatischen Abteilung wurden bezüglich soziodemographischer, diagnostischer und testpsychologischer Merkmale verglichen (49,6 % waren weiblich, 48,5 % verheiratet, 44,2 % mit Hauptschulabschluss, 27,7 % mit Mittlerer Reife, 33,4 % waren arbeitslos, im Durchschnitt waren die Patienten (M) 46,6 Jahre alt (SD=10,2)). Die Arbeitsunfähigen waren im Median seit 224 Wochen arbeitsunfähig, mit einem mittleren Quartilsabstand von Q=120. Zu Beginn der 4- bis 6-wöchigen Behandlung erhielten die Patienten den BSI, den BDI II, den AVEM, den CTQ und einen klinikinternen Fragebogen zu Wohlbefinden und Lebensqualität. Kleinere Stichproben beim Vergleich der Fragebogenskalen sind bedingt durch Verbesserungen der Testdiagnostik im Rahmen des Qualitätsmanagements der Klinik. Unterschiede wurden geprüft mittels Chi-Quadrat, t-Test und Mann-Whitney-U-Test, Signifikanzniveau jeweils p<.01. Ergebnisse Die arbeitsunfähigen Patienten unterschieden sich von den arbeitsfähigen Patienten nicht in soziodemographischen Merkmalen. Auch in den psychiatrischen Diagnosen fanden sich keine Unterschiede. Bei den Arbeitsunfähigen lag häufiger eine F-Komorbidität vor (63,4 vs. 51,3 %; Chi2=11,4, df=1, p<.001) und sie hatten häufiger mehr als eine somatische Diagnose (64,4 vs. 50,9 %; Chi2=14,2, df=1, p<.001). Die Arbeitsunfähigen waren zu Behandlungsbeginn signifikant stärker psychisch belastet (GSI: 1,6 vs. 1,3, n=513, U-Test p<.001), bedingt durch signifikant höhere Werte in den Skalen Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit, Depressivität, Ängstlichkeit, Phobische Angst und Psychotizismus. Im BDI II hatten die Arbeitsunfähigen häufiger eine schwere Depression (41,6 vs. 29,8%, n=511, Chi2=13,4, df=4, p=.009). Im AVEM hatten die Arbeitsunfähigen höhere Werte in den Skalen Verausgabungsbereitschaft und Perfektionsstreben und niedrigere Werte in Distanzierungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit. Im Fragebogen Wohlbefinden und Lebensqualität schätzten die Arbeitsunfähigen ihre „objektiven“ beruflichen Fähigkeiten und berufliche Situation gleich gut ein wie die Arbeitsfähigen, waren damit aber unzufriedener und sie sahen sich in dieser Skala „Beruf“ durch ihre psychosomatische Erkrankung wesentlich stärker eingeschränkt. Ebenso erlebten sie ihren seelisch/psychischen und körperlichen Zustand durch ihre Erkrankung und ihre Lebenskompetenzen stärker eingeschränkt als die arbeitsfähigen Patienten. Im CTQ unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Sowohl bei den Arbeitsunfähigen als auch den Arbeitsfähigen war „Emotionale Vernachlässigung“ am stärksten ausgeprägt (13,8 vs. 14,4) und Bagatellisierungstendenz war bei beiden gleich niedrig. Diskussion In der Diskussion um die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit herrscht oft eine symptomorientierte Sichtweise vor. Der AVEM, ein Test zu Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster, versucht die persönlichen Arbeitsmuster darzustellen, um stärker mit den Ressourcen des Menschen arbeiten zu können. Unsere Ergebnisse ergaben, dass bei den arbeitsunfähigen Patienten eine deutlich höhere Verausgabungsbereitschaft und ein höheres Perfektionsstreben bei gleichzeitiger deutlich schlechterer Distanzierungsfähigkeit, bestehen. Dieses 312 entspricht dem Risikomuster A. Dazu passt auch, dass diese Patienten im BSI nicht nur eine höhere psychische Belastbarkeit zeigen, sondern auch in der Skala Zwanghaftigkeit höher scoren. Die Auswertung des BDI ergibt bei den Arbeitsunfähigen eine höhere Anzahl von „schweren Depressionen“. Der BDI, als Selbstauskunftsbogen, zeigt die subjektive Belastung des Menschen, der ihn ausfüllt. Klinisch haben wir keine Patienten mit schweren Depressionen in der Rehabilitation. Diese wären nicht rehabilitationsfähig. Der Test zu Wohlbefinden und Lebensqualität zeigt Unterschiede in allen Skalen, bis auf die Skala „objektive Situation im Beruf“. Trotzdem sind die Patienten unzufriedener mit der Arbeitssituation und sie fühlen sich durch ihre Erkrankung deutlich eingeschränkter, als die arbeitsfähigen Patienten, die auch wegen z. B. Depressionen oder Angststörungen in der psychosomatischen Rehabilitation sind. Da ein Großteil der arbeitsunfähigen Patienten MBOR-Patienten sind, bedeutet dies, dass in der klinischen Arbeit, an bestimmten psychotherapeutischen Zielen gearbeitet werden sollte. Kombiniert werden sollte die Psychotherapie mit aktiven Kompensationsmöglichkeiten, wie Bewegung und mit Entspannungsverfahren. Insgesamt wird es darum gehen, die Verletzbarkeit zu reduzieren und die Frustrationstoleranz zu erhöhen. Literatur Deutsche Rentenversicherung (2012). Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) Franke, G.H. (2000): Brief Symptom Inventory von L.R. Derogatis, BSI. Göttingen: Beltz. Frege, I., Vollmer, H.C. (2013): Wohlbefinden und Lebensqualität (W und L). Interner Fragebogen. Hürth: salus klinik. Hautzinger, M., Keller, F., Kühler, Ch. (2009): BDI-II. Beck-Depressions-Inventar. Frankfurt: Pearson. Schaarschmidt, U., Fischer, A.W. (2008): Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster. http://www.lexikon-gesundheit.info/wiki/avem. „Kombi-Reha 2-plus-4“: Erfahrungen mit einem neuen Modell der psychosomatischen Rehabilitation bei Erwerbstätigen mit besonderer beruflicher Problemlage Grulke, N. (1), Hub, J. (2), Schäfer, A. (1), Bailer, H. (1) (1) Luisenklinik – Zentrum für Verhaltensmedizin, Bad Dürrheim, (2) Luisenklinik Stuttgart – PPRZ – Hintergrund Sowohl vollstationäre als auch ganztägig ambulante psychosomatische Reha sind wirksam und effizient. Beide Behandlungsformen bieten eine im Wesentlichen inhaltlich vergleichbare intensive, multidisziplinär angelegte Therapie (Huse et al., 2011). Die Etablierung der ganztägig ambulanten Behandlung stellt insgesamt mit ihren komplementären Möglichkeiten eine wesentliche Erweiterung des rehabilitativen Angebots im Bereich der Psychosoma313 tik dar, die aber durch ihre Ähnlichkeit in der konzeptionellen, multiprofessionellen Ausgestaltung auch solche entscheidenden Elemente wie z. B. Gruppenpsychotherapie, Ergound Physiotherapie oder auch Sozialtherapie beinhaltet, die in der ambulanten Behandlung fehlen. Unter rein ökonomischen Aspekten bietet eine verhaltenstherapeutisch orientierte ganztägig ambulante Behandlung einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber einer vergleichbaren vollstationären Behandlung. Neben den Überlegungen eines Entweder-oder kann auch über ein Sowohl-als-auch reflektiert werden. Vermehrte Kombinationen von stationärer und ambulanter Reha werden z. B. auch im Landesqualitätsbericht des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg (2008, S. 12) gefordert. Auf besonderen Wunsch der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hat sich die Luisenklinik aufgrund der logistischen Vorteile mit einem Standort für vollstationäre Reha in Bad Dürrheim und einer Einrichtung für ganztägig ambulante Reha in Stuttgart entschlossen, eine von vornherein als Kombination beider Behandlungsformen angelegte Reha bei Personen mit BBPL zu erproben. Das Konzept „Kombi-Reha 2-plus-4“ Etwa 60–70 % der üblicherweise in der Luisenklinik Stuttgart ganztägig ambulant versorgten Rehabilitanden weisen eine BBPL auf, bei der eine Herausnahme aus dem Alltagssetting oftmals angezeigt gewesen wäre. Hier setzt die „Kombi-Reha 2-plus-4“ an. Zielgruppe: Rehabilitanden mit festem Arbeitsplatz und Vorliegen einer BBPL bei hinreichender Belastungsfähigkeit für eine ganztägig ambulante Reha, die die Luisenklinik Stuttgart in zumutbarer Zeit vom Wohnort aus erreichen können. Arbeitslosigkeit und gestellter Rentenantrag stellen Ausschlusskriterien dar. Indikationsstellung, Genehmigung und Zuweisung zum Kombi-Modell erfolgen durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg. Dauer: „Kombi-Reha 2-plus-4“ beginnt mit einem gemeinsamen Einführungstag der für eine Gruppe vorgesehenen Rehabilitanden in Stuttgart, nach ca. 2 Wochen Start des 2-wöchigen stationären Aufenthalts in Bad Dürrheim und anschließend 4 Wochen ganztägig ambulante Therapie in Stuttgart. Zielstellungen: Der vollstationäre Aufenthalt dient einerseits der Stärkung der Rehabilitationsmotivation und der Vereinbarung konkreter Rehabilitationsziele inkl. Vorbereitung des Entlassmanagements, andererseits der Distanzierung der Rehabilitanden vom problembehafteten (beruflichen) Alltag durch Erholung und Regeneration, um gestärkt und aktiv die avisierten Ziele im folgenden ambulanten Setting in Angriff zu nehmen. Das Programm wird als geschlossene Gruppe (10–12 Teilnehmer) durchlaufen (Steigerung der Motivation, soziale Unterstützung in der Peer-Group, Verfolgung eines gemeinsamen Zieles etc.). Erste Erfahrungen Die 1. Gruppe startete am 05.03.2014. Bis Ende September 2014 durchliefen 7 Gruppen mit insgesamt 71 Teilnehmern (durchschnittlich 45 Jahre alt, 2/3 männlich) den kompletten Zyklus. Im Großen und Ganzen waren die Teilnehmer mit der Behandlung sowohl in Bad Dürrheim als auch in Stuttgart gleichermaßen zufrieden (durchschnittlich 24,6 bzw. 24,8 Punkte im ZUF-8-Fragebogen zur Patientenzufriedenheit). 314 Alle Rehabilitanden setzten ihre Behandlung in Stuttgart fort und es gab bislang keine Abbrüche. Entgegen unserer ursprünglichen und vielleicht naiven Erwartung stellte die „Kombi-Reha 2-plus-4“ keine 2-Phasen-Behandlung dar. Es können im klinischen Rahmen 6 Phasen unterschieden werden: 1. Screeningtag; 2. Ankommen in Bad Dürrheim (vom Aufnahmetag Mittwoch bis erstem Wochenende); 3. „Wohlfühl-Woche“; 4. Übergangsphase: Abschied von der Luisenklinik Bad Dürrheim und Ankommen in der Luisenklinik Stuttgart – PPRZ –; 5. „Arbeitsphase“; 6. Abschied vom PPRZ/Ende der Reha/Übergang in den Alltag. Der Übergang von der einen zur nächsten Phase muss vorbereitet und avisiert werden. Besondere Herausforderungen stellte die Übergangsphase von Bad Dürrheim nach Stuttgart dar. Hier erwiesen sich Schnittstellen- und Kommunikationsprobleme auf Behandlerseite als besondere Herausforderungen. Literatur Huse, E., Bailer, H., Grulke, N. (2011): Evaluation ganztägig ambulanter psychosomatischer Rehabilitation – Ergebnisse einer Pilotstudie bei Patienten mit psychischen Störungen. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 88. 33-39. Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg (Hrsg.) (2008): Landes-QualitätsBericht, Spezialheft Rehabilitation. Stuttgart: Ministerium für Arbeit und Soziales BadenWürttemberg (http://www.gesundheitsforum-bw.de/SiteCollectionDocuments/Qualitaetsberichte/1251629-Spezialheft%20Rehabilitation.pdf, Zugriff am 17.10.2014) Psychische Beeinträchtigung und Empfehlung sowie Inanspruchnahme von Psychotherapie nach medizinischer Rehabilitation – weitere Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ Nübling, R. (1), Kaluscha, R. (2), Krischak, G. (2), Kriz, D. (1), Müller, G. (3), Martin, H. (4), Renzland, J. (5), Reuss-Borst, M. (6), Schmidt, J. (1), Kaiser, U. (7), Toepler, E. (8) (1) GfQG, Karlsruhe, (2) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (3) Schlossklinik Bad Buchau, (4) Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, (5) Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau, (6) Reha-Zentren Baden-Württemberg, (7) Hochgebirgsklinik Davos, (8) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Hintergrund Die psychische Komorbidität bei chronisch körperlichen Erkrankungen gilt als weitgehend belegt. Je nach Indikationsbereich variiert der Anteil zusätzlich psychisch erkrankter Patienten zwischen 16 und 24 % (4-Wochen-Prävalenz) bzw. zwischen 29 und 41 % (1-JahresPrävalenz; Härter et al., 2007). Aktuelle Konzepte legen eine stärkere Fokussierung auf psychosoziale, vor allem psychologische, psychotherapeutische und pädagogische Behandlungsbausteine innerhalb der stationären Rehabilitation nahe (Bengel et al., 2014; Seiter et al., 2012). Zusätzlich werden gezielte Nachsorgekonzepte entwickelt und erprobt (z. B. Deck, Hüppe, 2014). Der vorliegende Beitrag geht auf der Grundlage einer aktuellen Versichertenstichprobe der Frage nach, wie psychische Beeinträchtigung, Behandlungsempfeh- 315 lung und nachfolgende Inanspruchnahme ambulanter psychotherapeutischer Leistungen zusammenhängen und mit welchen Behandlungsergebnissen sie assoziiert sind. Methodik Basis ist die sog. Reha-QM-Outcome-Studie (vgl. z. B. Nübling et al., 2014), deren Datenerhebung auf 3 Ebenen erfolgte: (1) Katamnestische Patientenbefragung, (2) QM-Kennzahlen der beteiligten Kliniken und (3) Routine-Daten der Reha-Statistik Datenbasis (RSD). In die Studie einbezogen wurden n= 7.616 Versicherte der DRV Baden-Württemberg. Eingeschlossen wurden alle Indikationsbereiche (Ausnahme Suchterkrankungen). Die hier durchgeführten Analysen konzentrieren sich auf die Katamnese 1 Jahr nach Behandlungsende. Insgesamt n= 4.161 Patienten aus 21 Kliniken nahmen an der Befragung teil (Rücklaufquote: 55 %). Eingesetzt wurde ein Katamnesefragebogen (KFB). Zur Abbildung der psychischen Beeinträchtigung wurde die 6 Items (u. a. depressive Verstimmung, Antriebslosigkeit, Angst-/Panikgefühle) umfassende kurze Beschwerdeskala (GBesc-Psy; theoretischer Skalen-Range 6–30, alpha=.91) eingesetzt, sie korreliert u.a. der SCL und HADS (Depression, Angst) mit r=.75–.80. Die Angaben zur Weiterbehandlung entstammen ebenfalls dem KFB, die zur Empfehlung den RSD-Daten. Ergebnisse 42 % der Studienteilnehmer sind weiblich, das Durchschnittsalter beträgt 56 Jahre (SD=10). Jeweils ca. 2/3 sind verheiratet und haben Hauptschulabschluss, 17 % keinen Berufsabschluss und weitere 60 % eine Lehre. Die Reha-Dauer beträgt im Schnitt 3,6 Wochen. Circa 37 % haben eine orthopädische, 23 % eine onkologische und jeweils ca. 10 % eine kardiologische oder psychische Hauptindikation; die Anteile der anderen Indikationen liegen zwischen 3,7 % (Atemwege) und 1,5 % (Haut) (vgl. Nübling et al., 2014). Hinsichtlich psychischer Beschwerden können bei einem Cut-off-Wert von GBesc-Psy >17 (Sensitivität: 67 %/Spezifität: 76 %, AUC=.73) 28 % der Gesamtstichprobe als „auffällig“ betrachtet werden, in der Psychosomatik sind dies 68 %, in den somatischen Indikationsbereichen liegt der Anteil zwischen 17 % (Kardiologie) und 28 % (Onkologie). Die Rate der Empfehlung einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie seitens der Klinik liegt für die Gesamtgruppe bei 13,4 % (Psychosomatik: 75 %; somatische Indikationen 6–10 %). Die tatsächliche Inanspruchnahme von Psychotherapie im 1-Jahres-Zeitraum nach der Reha liegt bei 15,6 % (Psychosomatik: 51 %, Somatik: 11–14 %). Empfehlung und Inanspruchnahme korrelieren mit r=40. Aus beiden Variablen wurden vier Gruppen gebildet, deren Anteile in Abb. 1 dargestellt sind. Wie Abb. 2 zeigt, sind die Mittelwerte der psychischen Beschwerdeskala je Gruppe und Messzeitpunkt deutlich unterschieden, für die Gruppe „Empfehlung UND Inanspruchnahme“ ergeben sich die höchsten Ausgangswerte und die stärksten Effekte (ES=1,04). Für die psychosomatische Rehabilitation schwanken die entsprechenden Effekte zwischen ES=1,81 und ES=0,71. 316 2,00 30,0 ES 25,0 post 22,0 1,80 1,60 19,0 20,0 15,0 prä 1,40 16,9 1,20 12,4 16,4 0,80 14,1 14,0 10,0 1,00 0,60 9,7 0,40 0,37 0,20 5,0 1,04 0,77 0,39 0,00 0,0 Empf PT und IA PT n=251 Empf PT/keine keine Empf, aber IA PT IA PT n=207 n=285 weder Empf noch IA PT n=3366 Abb. 1: Empfehlung und Inanspruchnahme von Psychotherapie und psychologischer Beratung nach der Reha; Anteile psychosomatische und somatische Reha sowie Gesamtstichprobe Empf + IA PT Empf/keine IA PT keine Empf/IA PT wederEmpf noch IA PT 100,0 83,5 82,6 80,0 60,0 39,2 40,0 25,2 20,0 4,3 4,4 22,5 13,1 8,9 8,9 7,3 10,1 0,0 Somat Reha (n=447) Psychosomatische Reha (n=337) Gesamt (n=2366) Abb. 2: Psychische Beschwerden und Empfehlung/Inanspruchnahme; Mittelwerte prä und post; Effektstärken Gesamtstichprobe (n=4.109) 317 Diskussion Der moderate Zusammenhang zwischen Empfehlung und Inanspruchnahme ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die regionale Verfügbarkeit ambulanten Behandlungsplätzen sehr variiert (vgl. Nübling et al., 2014, in press). Es könnte aber auch einem eher „ungeordneten“ oder weniger systematischen Übergang in die ambulante Versorgung entsprechen. In der psychosomatischen Rehabilitation gelingt dies am besten, sehr wahrscheinlich deshalb, weil die Rehabilitanden während der Rehabilitation schon stärker mit psychologischen Behandlungsbausteinen „konfrontiert“ werden. Hier sind die Effekte am größten und die „Nachsorge“, auch ohne eine „Begleitung“ (Deck, Hüppe, 2014) scheint trotz der uneinheitlichen Versorgungslage einigermaßen zu funktionieren (ca. 50 % in nachfolgender Psychotherapie). Die für die somatischen Indikationen deutlich niedrigeren Effekte sind u. U. auch eine Folge der weiter bestehenden eher untergeordneten Bedeutung, die die klinisch-psychologischen Ansätze dort spielen. Noch immer scheint die somatische Reha zu stark am Modell der Akutmedizin orientiert (Seiter et al., 2012). Eine stärkere Ausprägung psychologischer oder psychosomatischer Behandlungsansätze in der somatischen Rehabilitation könnte helfen, die auch für somatische chronische Erkrankungen wichtige psychische Bearbeitung und Stabilisierung zu fördern. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Literatur Bengel, J., Baumeister, H., Jahed et al. (2012). Psychische Komorbidität. Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. Berlin, DRV Bund. Deck, R., Hüppe, A. (2014): Begleitete Nachsorge in der Psychosomatik – Transfer des neuen Credo. Die Rehabilitation, 53. 305-312. Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (Hrsg.) (2007): Psychische Störungen bei körperlichen Erkrankungen. Heidelberg, Springer. Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., et al. (2014). Ergebnisqualität medizinischer Rehabilitation – Katamnestische Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRVSchriften, Bd. 103. 188-190. Nübling, R., Bär, T, Jeschke, K. et al. (2014, in press). Versorgung psychisch kranker Erwachsener in Deutschland: Bedarf und Inanspruchnahme sowie Effektivität und Effizienz von Psychotherapie. Psychotherapeutenjournal, 14. Seiter H. et al.: (2012). AG Standortfaktor Gesundheit – Bericht der Projektgruppe „Weiterentwicklung der Rehabilitation und Stärkung der Selbsthilfe". Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg, Stuttgart, Download unter: http://www.lpk-bw.de/fachportal/fp_vn/pdf/ pg_reha_selbsthilfe_abschlussbericht_2012.pdf. 318 Rehabilitation bei psychischen Störungen II – in Kooperation mit der DGPPN Die sozialmedizinische Beschreibung von arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen psychosomatischen Patienten im klinischen Urteil und standardisierten Mini-ICF-APP-Rating Linden, M. (1, 2), Muschalla, B. (1, 3), Poguntke, K. (1) (1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitäts medizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Reha-Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow, (3) Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam Hintergrund Die Deutsche Rentenversicherung hat Vorgaben für eine Neufassung der Gliederung des Reha-Entlassungsberichtes veröffentlicht. Die wesentliche Änderung besteht darin, dass der bislang am Ende des E-Berichtes stehende Abschnitt zur sozialmedizinischen Beurteilung nun eigenständig dem Blatt 1a angefügt werden soll. Dieser Abschnitt soll alle Informationen enthalten, die für ein sozialmedizinisches Urteil über die Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit erforderlich sind, d. h. der Entlassungsbefund, eventuelle Fähigkeitseinschränkungen und deren Relevanz für die berufliche Teilhabe. Die im engeren Sinne medizinischen und gegebenenfalls auch psychotherapeutischen individuellen Informationen können dann davon getrennt werden und müssen nicht Eingang in Verwaltungsakten finden. Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, welche Informationen in den bisherigen Entlassungsberichten einer psychosomatischen Klinik im sozialmedizinischen Teil berichtet wurden, und wie dies mit dem Urteil über die berufliche Teilhabe, d. h. Arbeitsunfähigkeit korrespondiert. Zur Abschätzung der Validität wurden die Ergebnisse eines standardisierten Ratings mittels des Mini-ICF-APP zum Vergleich herangezogen. Methode 100 Entlassungsberichte der Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund wurden mittels einer Checkliste der Funktionsstörungen und Fähigkeitsbeeinträchtigungen inhaltsanalytisch exzerpiert. Für alle Patienten lag des Weiteren ein Rating der Fähigkeitsbeeinträchtigungen nach dem Mini-ICF-APP (Linden et al., 2009) vor. Bei den eingeschlossenen Fällen handelt es sich um das typische Patientenspektrum einer psychosomatischen Reha-Klinik mit vorherrschenden Diagnosen aus dem affektiven Bereich, Angsterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen und einem Durchschnittsalter von 48,62 Jahre (SD=10,1). Wegen des Überwiegens von Frauen in Reha-Kliniken wurde in der vorliegenden Untersuchung eine Schichtung nach Geschlecht vorgenommen, so dass 50 % der Patienten männlich sind. 24 % der Patienten wurden in die Reha durch die Krankenkasse und 10 % durch die Rentenversicherung in Anlehnung an den § 51 SGB VI zugewiesen. 27 % der Patienten waren arbeitslos. 58 % wurden arbeitsunfähig entlassen. In der Selbstbeurteilung sahen sich bei Entlassung 30 % als arbeitsfähig. 319 Ergebnisse In der sozialmedizinischen Beschreibung im Entlassungsbericht wurden bei den arbeitsfähigen Patienten im Durchschnitt 3,7 Funktionsstörungen genannt, während es bei den arbeitsunfähigen Patienten 6,9 waren. Bei den Arbeitsfähigen wurden im Durchschnitt 0,7 Fähigkeitseinschränkungen berichtet und den Arbeitsunfähigen 2,1. Die Zahl der im Mini-ICF-APP als auffällig eingeschätzten Fähigkeitsbeeinträchtigungen beträgt 1,2 bei den arbeitsfähigen und 4,8 bei den arbeitsunfähigen Patienten. Alle diese Unterschiede sind statistisch signifikant. Vergleicht man den freien klinischen Bericht im Text mit dem standardisierten Rating anhand des Mini-ICF-APP (Tab. 1), dann findet sich über nahezu alle Dimensionen hin eine deutlich höhere Rate an dokumentierten Fähigkeitseinschränkungen im standardisierten Rating. Im freien Bericht werden primär die Durchhaltefähigkeit, Flexibilität und Kontaktfähigkeit als Problem benannt. Dies ist ebenso im standardisierten Rating. Hier werden zusätzlich auch noch die Anpassungsfähigkeit, Planungsfähigkeit, Selbstbehauptungsfähigkeit oder Gruppenfähigkeit als vorrangige Probleme benannt. Mini-ICF-APP Fähigkeitsdimensionen Anpassung an Regeln und Routinen Im E-Bericht berichtet Im E-Bericht explizit als AU-Grund genannt Im Mini-ICFAPP auffällig (Rating 2–4) 10 % 3% 19 % 21 % Fähigkeit zur Planung und Strukturierung 6% 3% Flexibilität- und Umstellungsfähigkeit 25 % 13 % 38 % Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenz 5% 4% 16 % Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit 3% 0% 16 % Durchhaltefähigkeit 30 % 15 % 35 % Selbstbehauptungsfähigkeit 11 % 4% 28 % Kontaktfähigkeit zu Dritten 22 % 5% 23 % Gruppenfähigkeit 6% 0% 25 % Fähigkeit zu intimen Beziehungen 1% 0% 19 % Fähigkeit zu Spontan-Aktivität 3% 0% 18 % Fähigkeit zur Selbstpflege 2% 2% 3% Verkehrsfähigkeit 5% 3% 8% Tab. 1: Relative Häufigkeiten der Fähigkeitsdimensionen im Vergleich zum standardisierten Rating mit dem Mini-ICF-APP (n=100) Diskussion Die Daten zeigen, dass die im sozialmedizinischen Teil des E-Berichtes niedergelegten Informationen deutliche Unterschiede zwischen arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen Patienten zeigen. Damit kann die hinter der Neufassung des Entlassungsbriefes stehende Überlegung empirisch gestützt werden, da in diesem Berichtsteil eine Begründung evtl. Teilhabeeinschränkungen möglich ist. 320 Gleichzeitig zeigen die vorliegenden Daten, dass in der Breite und Differenziertheit der Fähigkeitsbeschreibungen noch Verbesserungen möglich sind, wenn man zum Vergleich die Beurteilungen auf dem Mini-ICF-APP heranzieht. Hier bietet sich ein Ansatz zur Schulung der Beurteiler. Literatur Linden, M., Baron, S., Muschalla, B., Ostholt-Corsten, M. (2014): Fähigkeitsbeeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen. Diagnostik, Therapie und sozialmedizinische Beurteilung in Anlehnung an das Mini-ICF-APP. Göttingen: Hogrefe. Langfristige Erwerbsverläufe ausgewählter Erkrankungsbilder in der psychosomatischen Rehabilitation Holstiege, J. (1), Kaluscha, R. (1), Müller, G. (2), Jankowiak, S. (1), Krischak, G. (1, 3) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Neurologie und Psychosomatik, Rehabilitationsklinik Schloss, Bad Buchau, (3) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Hintergrund Psychische und psychosomatische Störungen verursachen häufig beträchtliche Verringerungen der allgemeinen Leistungsfähigkeit der Betroffenen und gehen mit starken Einschränkungen der Teilhabe am Erwerbsleben einher. In den letzten Jahren konnte sowohl eine Zunahme von Erwerbsminderungsrenten als auch in der Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitationen aufgrund psychischer Erkrankungen beobachtet werden. Ferner weisen Empfänger psychosomatischer Rehabilitationen im Allgemeinen eine schlechtere Erwerbsprognose als somatische Rehabilitanden auf (DRV Bund, 2014). Ziel dieser Arbeit war es, auf Basis einer großen Fallzahl zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaß sich zahlenmäßig bedeutsame Erkrankungsbilder in der Psychosomatik in den langfristigen Erwerbsbiographien unterscheiden. Methodik Auf Grundlage der Rehabilitations-Statistik-Datenbasis des Landes Baden-Württemberg wurden die 4 zahlenmäßig bedeutsamsten Hauptentlassungsdiagnosen bei medizinischen Rehabilitationen des ICD-10 Kapitel V: „Psychische und Verhaltensstörungen (F00–F99)“ identifiziert. Betroffene Rehabilitanden wurden in die Betrachtung eingeschlossen, insofern die Rehabilitation in den Jahren 2005–2008 erfolgt war, sie bei Maßnahmenende max. 60 Jahre alt waren und keinen Altersrentenzugang sowie keine Informationslücken zu monatlichen Beiträgen in die Sozialversicherung in den 4 Folgejahren aufwiesen. Für die Untersuchung langfristiger Erwerbsbiographien wurden diagnosespezifische Anteile an Erwerbstätigen, Nichterwerbstätigen und Beziehern von Erwerbsminderungsrenten 12 Monate vor sowie 24 und 48 Monate nach Rehabilitation (Punktmessung) bestimmt. 321 Ergebnisse Insgesamt konnten 7.944 Rehabilitanden, die eine der 4 häufigsten Hauptentlassungsdiagnosen „Mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32.1)“ (34,0 %), „Anpassungsstörungen (ICD-10: F43.2)“ (32,0 %) „Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10: F33.1)“ (22,5 %) oder „Neurasthenie (ICD-10: F48.0)“ (11,6 %) aufwiesen, in die Untersuchung eingeschlossen werden. Mit 60,9 % zeigte sich der höchste Frauenanteil unter Rehabilitanden mit einer rezidivierenden depressiven Störung (Tab. 1). In allen Diagnosegruppen ging der Anteil Erwerbstätiger im Zeitverlauf zurück, während Arbeitslosigkeit und Erwerbsminderungsrentenzugänge zunahmen. Allerdings variierte der Anteil Erwerbstätiger bereits 12 Monate vor Maßnahme deutlich zwischen 76,4 % (rezidivierende depressive Störung) und 90,4 % (Neurasthenien). Die starken Unterschiede der Ausgangswerte zwischen den Gruppen verstärkten sich weiter im Zeitverlauf. So konnte bei Rehabilitanden mit rezidivierenden depressiven Störungen auch die stärkste Reduktion des Erwerbstätigenanteils (−13,6 Prozentpunkte) insgesamt und die höchste Zunahme an Erwerbsminderungsrenten (+5,3 % Prozentpunkte) bis zum Ende des 4. Jahres nach Maßnahme beobachtet werden. Mit 69,8 % Erwerbstätigen- und 4,5 % EM-Rentneranteil im Monat 48, zeigten auch Rehabilitanden die von einer nichtrezidivierenden mittelgradigen depressiven Episode betroffen waren, deutlich ungünstigere langfristige postrehabilitative Verläufe als solche mit Angststörungen und Neurasthenien. Neurasthenie Geschlecht: % weiblich Rezidivierende depressive Störung Mittelgradige depressive Episode Anpassungsstörungen 59,4 60,9 53,9 53,6 48,1/7,7 47,9/8,2 46,5/8,8 46,1/8,8 Erwerbstätig* 90,4 76,4 82,0 85,1 Nicht erwerbstätig** 6,6 21,0 15,4 11,6 EM-Rente 0,1 0,4 0,1 0,1 Sonstige 2,8 2,2 2,5 3,1 Erwerbstätig* 87,8 65,3 70,8 78,3 Nicht erwerbstätig** 11,3 29,5 26,4 19,4 EM-Rente 0,4 4,9 2,6 1,9 Sonstige 0,4 0,3 0,3 0,4 Erwerbstätig* 83,7 62,8 69,8 75,5 Nicht erwerbstätig** 13,9 29,5 25,4 20,9 EM-Rente 2,0 7,5 4,5 3,2 Sonstige 0,4 0,3 0,4 0,4 Alter: Mittelwert/SD Erwerbsstatus in Stichmonaten (%) 12 Monate vor Reha 24 Monate nach Reha 48 Monate nach Reha Anm.: Erwerbstätig = versicherungspflichtig beschäftigt, nicht erwerbstätig umfasst: keine Beiträge, ALG 1+2, sonstigen Leistungsbezug nach § 3 Nr. 3 SGB VI, § 4 Abs. 3 SGB VI Tab. 1: Diagnosespezifische Alters- und Geschlechtsverteilung und Kennzahlen zur Teilhabe am Erwerbsleben 12 Monate vor, sowie 24 und 48 Monate nach Rehabilitation 322 Diskussion Die bereits vor Rehabilitation beobachteten erhebliche Unterschiede der sozialmedizinischen Kennzahlen deuten auf Unterschiede in der Chronifizierung psychischer Beschwerden in den betrachteten Diagnosegruppen hin, welche nicht auf Basis der ICD-Klassifikation abgebildet werden können. Viele Patienten kommen trotz eines fortgeschrittenen Erkrankungsverlaufs erstmals in der Rehabilitation mit psychotherapeutischen Interventionen in Berührung. Dies schränkt die Möglichkeiten, einer primär teilhabeorientierten Versorgung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation, deren zeitlicher Rahmen nicht auf eine intensive Psychotherapie ausgerichtet ist, stark ein. Insbesondere bei den depressiven Erkrankungen wird deutlich, dass nicht von einer Stabilisierung der erkrankungsbedingten Ausgliederungsprozesse im mittel- und langfristigen postrehabilitativen Verlauf ausgegangen werden kann. Erklärungsansätze dafür sind möglicherweise auch in einem defizitären Übergang von rehabilitativer zu ambulant psychologischer Betreuung und einer überwiegend symptom- und weniger teilhabeorientierten Ausrichtung in der Weiterbehandlung zu suchen. Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, wie eine Teilhabeorientierung in der Reha-Nachsorge unter Einbeziehung der Weiterbehandler erhöht werden kann. Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2014): Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung, Unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet /content blob/ 339288/ publicationFile/64601/pospap_psych_Erkrankung.pdf. Zugriff: 20.10.2014. Nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben dank Supported Employment – 5-Jahres-Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Untersuchung Hoffmann, H. (1), Jäckel, D. (1), Glauser, S. (2), Mueser, K. (3), Kupper, Z. (2) (1) Direktion Psychiatrische Rehabilitation, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, (2) Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, (3) Center for Psychiatric Rehabilitation, Boston University Einleitung Teilhabe am Arbeitsleben ist eines der höchsten Ziele in der Rehabilitation schwer psychisch kranker Menschen. Traditionelle Wiedereingliederungsmaßnahmen zeigen dabei nur bescheidene Ergebnisse, die zudem meist wenig nachhaltig sind (Crowther et al., 2001; Hoffmann, 2013). Supported Employment hat mittlerweile weltweit zu einem Paradigmenwechsel in der beruflichen Rehabilitation geführt, hin zu „erst platzieren, dann trainieren“. Zahlreiche kontrollierte Studien nicht nur aus den USA belegen, dass sich mit Supported Employment höhere Wiedereingliederungsraten in den allgemeinen Arbeitsmarkt erzielen lassen als mit herkömmlichen Ansätzen beruflicher Rehabilitation (Bond et al., 2012). Die EQOLISE-Studie konnte zeigen, dass sich die Ergebnisse auch in Europa replizieren lassen (Burns et al., 2007). Mit dem Berner Job Coach Projekt (JCP) haben wir 2002 erstmals in 323 der Schweiz ein auf europäische Verhältnisse adaptiertes Supported Employment implementiert gemäß den Standards des Individual Placement and Support. Die Ergebnisse der randomisierten, kontrollierten Begleitstudie über 2 Jahre bestätigten die Ergebnisse früherer Studien (Hoffmann et al., 2012). Es liegen kaum Studien vor, die die Nachhaltigkeit von Supported Employment über einen längeren Zeitraum als 2 Jahre untersuchten. Die Studie zeigte jedoch auch, dass 2 Jahre eine zu kurze Beobachtungszeit ist, um Aussagen über die Nachhaltigkeit zu machen, v. a. ob über diesen Weg eine Festanstellung (ohne Begleitung durch einen Job Coach) erzielt werden kann. Mit der weltweit erstmalig durchgeführten 5-Jahres-Nachuntersuchung wollten wir auf diese Fragen eine Antwort erhalten (Hoffmann et al., 2014). Methode 100 Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip der Supported Employment-Gruppe (n=46) resp. der Kontrollgruppe (n=54) zugeteilt. Letztere absolvierten eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme im traditionellen Stil (erst trainieren, dann platzieren). Die primären Outcome-Variablen nach 5 Jahren waren: Zahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vs. im geschützten Rahmen Arbeiten und derjenigen ohne Arbeit, Beschäftigungsdauer an letzter Stelle sowie Höhe des Lohns. Daneben wurde die Inanspruchnahme stationärer und teilstationärer psychiatrischer Behandlung erfasst und der soziale Return on Investment berechnet. Ergebnisse Die Überlegenheit von Supported Employment nach 2 Jahren kommt nach 5 Jahren noch deutlicher zum Ausdruck. Während der Untersuchungsperiode hatten 65 % jemals eine Festanstellung in der freien Wirtschaft gegenüber 33 % in der Kontrollgruppe. Sie arbeiteten mehr Stunden pro Woche, verdienten mehr und ihre Anstellungen waren länger. Nach 5 Jahren hatten noch 45 % eine Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, gegenüber 13 % bei den Absolventen einer traditionellen Maßnahme. Auch nahmen die Teilnehmer aus der Supported-Employment-Gruppe signifikant seltener stationäre oder teilstationäre psychiatrische Behandlung in Anspruch. Der social Return on Investment war beim Supported Employment trotz der höheren Programmkosten, aber dank geringerer Gesundheitskosten und höherem Verdienst, signifikant höher. Schlussfolgerung Es konnte gezeigt werden, dass Supported Employment sich auch im deutschsprachigen Raum erfolgreich implementieren lässt und auch im Langzeitverlauf den traditionellen Wiedereingliederungsmaßnahmen klar überlegen ist. Die Nachhaltigkeit der Teilhabe am Arbeitsleben lässt sich mittels Supported Employment deutlich verbessern. Der Nutzen traditioneller Wiedereingliederungsmaßnahmen muss infrage gestellt werden. Förderung: Schweizer Nationalfonds (SNF) Literatur Bond, G.R., Drake, R.E., Becker, D.R. (2012): Generalizability of the Individual Placement and Support (IPS) model of supported employment outside the US. World Psychiatry/11. 32-39. 324 Burns, T., Catty, J., Becker, T., Drake, R.E., Fioritti, A., Knapp, M., Lauber, C., Rössler, W., Tomov, T., van Busschbach, J., White, S., Wiersma, D. for the EQOLISE Group (2007): The effectiveness of supported employment for people with severe mental illness: a randomised controlled trial. Lancet/370. 1146-1152. Crowther, R., Marshall, M., Bond, G., Huxley, P. (2001): Helping people with severe mental illness to obtain work: systematic review. BMJ/322. 204-208. Hoffmann, H. (2013): Was macht Supported Employment so überlegen? Die Psychiatrie/10. 95-101. Hoffmann, H., Jäckel, D., Glauser, S., Kupper, Z. (2012): A randomised controlled trial of the efficacy of supported employment. Acta Psych Scand/125. 157-167. Hoffmann, H., Jäckel, D., Glauser, S., Mueser, K.T., Kupper, Z. (2014): Long-term effectiveness of supported employment: Five-year follow-up of a randomized controlled trial. Am. J. Psychiatry, Aug 15. doi: 10.1176/appi.ajp.2014.13070857. [Epub ahead of print]. Medizinisch-berufliche Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) in Deutschland: Analyse der Aufnahme- und Entlassungsdaten Stengler, K. (1), Kauffeldt, S. (2), Theißing, A. (3), Bräuning-Edelmann, M. (4), Becker, T. (5) (1) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Leipzig, AöR, (2) RPK am Hesselkamp, Osnabrück, (3) RPK beta-REHA; Hannover, (4) Herzogsägmühle Innere Mission München, Peiting – Herzogsägmühle, (5) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg Einleitung Medizinische, soziale und berufliche Rehabilitationsanteile können weder zeitlich noch konzeptionell voneinander getrennt werden (Jäckel et al., 2010) – dies ist allerdings vor dem Hintergrund der spezifischen sozialrechtlichen Gegebenheiten in Deutschland praktizierter Alltag (Stengler et al., 2010). Rehabilitative Überlegungen im Sinne der Teilhabeplanung sollten bei schweren psychischen Erkrankungen bereits in der Akutbehandlung, in jedem Fall während des kurativen Therapieprozesses, beginnen. Für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ist die Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) das in Deutschland am häufigsten in Anspruch genommene integrative Angebot (Bundesarbeitsgemeinschaft RPK: http://www.bagrpk.de/). Die vorliegende Studie analysiert Daten der im Rahmen der Basisdokumentation (BaDo) erhobenen Daten aller in Deutschland in RPK rehabilitierten Menschen mit psychischen Störungen des Jahres 2010 (Stengler et al., im Druck). Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den im Rahmen der RPK-Maßnahmen erreichten Integrationsergebnissen am allgemeinen Arbeitsmarkt sowie weiteren Indikatoren sozialer Teilhabe. Methode In allen 52 RPK-Einrichtungen in Deutschland werden die Aufnahme- und Entlassdaten aller Rehabilitanden mittels einrichtungsinterner Teilnehmerbögen erhoben, auf Einrichtungs325 ebene aggregiert und in einer Erfassungsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft der RPK (BAG RPK) zusammengeführt. In die vorliegende deskriptive Auswertung der Daten des Jahres 2010 wurden Aufnahme- und Entlassdaten von 1.311 Teilnehmer/innen einbezogen. Ergebnisse Knapp zwei Drittel der insgesamt 1.311 RPK-Rehabilitanden erfüllten die Diagnosekriterien für schizophrene bzw. affektive Erkrankungen (ICD-10 F2 und F3). Die drittgrößte Gruppe von Rehabilitanden bildeten mit einem Anteil von 19 % Teilnehmer/innen mit einer Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F6). Wichtigste Kostenträger der medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen waren die DRV Regional mit 37 % und die DRV Bund mit 27 %; bei LTA-Maßnahmen waren ebenfalls DRV Bund und DRV regional mit zusammen 75 % die anteilig stärksten Kostenträger, gefolgt von der Agentur für Arbeit. Eine Subgruppe von knapp 40 % der Teilnehmer/innen nahmen nach medizinischen RPK-Maßnahmen an beruflichen RPKMaßnahmen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: LTA) teil. Nach Abschluss der beruflichen RPK-Maßnahme waren insgesamt mehr als 60 % der Teilnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig bzw. in Bildungsmaßnahmen. Im Prä-post-Vergleich veränderte sich die Wohn- und Lebenssituation eines Großteils der befragten Rehabilitanden hin zu mehr Autonomie und selbstständigen Wohnformen. Ebenso veränderte sich bei den meisten der Befragten die finanzielle Situation in positiver Hinsicht: während vor RPK-Aufenthalt der größte Teil (32,4 %) der befragten Rehabilitanden von Arbeitslosengeld II (ALG II) lebte, sank dieser Anteil unterstützter Personen nach erfolgten RPK-Maßnahmen auf 25,2 % und nur noch 6,8 % der befragten Teilnehmer gaben an, „finanzielle Unterstützung durch andere“ zu erhalten. Schlussfolgerung RPK stellen für Menschen mit schweren psychischen Störungen einen Ort erfolgreicher rehabilitativer Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dar. Zukünftige Forschungsaktivitäten müssen noch intensiver der Frage nach relevanten Wirkfaktoren und der Effektivität einzelner Maßnahmen sowie deren Auswirkungen für den einzelnen Rehabilitanden nachgehen. So könnten wissenschaftliche Ergebnisse zielsicherer in die Versorgungspraxis überführt werden. Literatur: Bundesarbeitsgemeinschaft RPK: http://www.bagrpk.de/ Jäckel, D., Hoffmann, H., Weig, W. (2010): Praxisleitlinien Rehabilitation für Menschen mit psychischen Störungen. Bonn: Psychiatrie-Verlag. Stengler, K., Brieger, P., Weig, W. (2010): Psychiatrische Rehabilitation: „deutscher Sonderweg“ wo geht es hin? Psychiatr Prax, 37. 206-207. Stengler, K., Kauffeldt, S., Theißing, A., Bräuning-Edelmann, M., Becker, T. (im Druck): Medizinisch-berufliche Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) in Deutschland: Analyse der Aufnahme- und Entlassungsdaten. Nervenarzt. 326 Soziale Rehabilitation: Ergebnisqualität in der Eingliederungshilfe Steinhart, I. (1), Höptner, A. (1, 2) (1) Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern, An-Institut der Universität Greifswald, (2) Universitätsmedizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Rostock Einleitung Circa 122.000 wesentlich seelisch behinderte Menschen erhalten bundesweit Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (BAGüS/con_sens 2013). Bis heute stehen wenige Daten zur Verfügung, was sich genau hinter diesem Ausgabenblock verbirgt. Die Leistungsträger stellen im Rahmen ihrer bundesweiten Berichte Zahlen zur Inanspruchnahme (ambulant, stationär) und der damit verbundenen Kosten zur Verfügung, Gleiches gilt auf Landesebene, manchmal auch regional in den Gemeindepsychiatrischen Verbünden. Ob diese Ausgaben in irgendeinem Zusammenhang mit Effekten und Nutzen für die Leistungsempfänger stehen, bleibt bundesweit offen. Nicht nur die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat hier mehr Transparenz und Nachweise von Ergebnisqualität gefordert, die Wissenschaft hat dieses Feld weitestgehend ausgeblendet. Auch die Reform der Eingliederungshilfe verspricht keine Linderung: Im Dickicht der Finanzierungs-umschichtungsdebatten droht die Diskussion um die Wirkung verloren zu gehen. Methode Die Hansestadt Rostock ist seit 8 Jahren Vorreiter in der Finanzierung der Eingliederungshilfe (Regionalbudget mit Versorgungsverpflichtung) und hat seit mehreren Jahren ein System zur Messung der Ergebnisqualität erprobt. Dieses System wurde im Sommer 2014 in Abstimmung zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern verstetigt, d. h. als Praxisroutine etabliert. Es handelt sich um einen Multiperspektiven-Ansatz mit ökonomischen wie subjektiven und objektiven Bewertungskriterien, einer Orientierung an dem Landesrahmenplan Mecklenburg-Vorpommern und der Methodik des Goal Attainment Scaling (GAS) als Kern, d. h. es werden die im Rahmen der Teilhabeplanung vereinbarten Ziele nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes auf die Zielerreichung überprüft und weitere Bewertungskriterien wie Veränderungen in Lebensqualität, psychiatrischer Symptomatik und Unterstützungsintensität ebenso erhoben wie die Unabhängigkeit von Eingliederungshilfe als härtestes Rehabilitationskriterium und die Kundenzufriedenheit. Ergebnisse Die Erfahrungen mit diesem Modell auf Basis einer 1-jährigen Auswertungsphase (PräPost-Design) im Rahmen einer Totalerhebung aller 405 Eingliederungshilfefälle werden bezogen auf die Methodik und die Ergebnisse vorgestellt. Unter anderem haben zwei Drittel der Leistungsberechtigten bei den Folgemaßnahmen geringere Kosten, knapp 10 % der Leistungsberechtigten aus dem bis zu einjährigen Erhebungszeitraum dieser Studie werden unabhängig von den Leistungen der Eingliederungshilfe, für knapp Zwei Drittel der Klienten werden die Ziele gut erreicht. Die Lebenszufriedenheit verbessert sich tendenziell, die Symptombelastung nimmt tendenziell ab. Insbesondere Menschen mit der Diagnose Schizophrenie profitieren von den Leistungen der Eingliederungshilfe. 327 Schlussfolgerung Die Ergebnisse machen Mut zur Verstetigung des methodischen Konzeptes im Alltag eines Angebotssystems der Eingliederungshilfe und geben Impulse für die Verbesserung des Hilfesystems insbesondere bezogen auf die Qualität und Passgenauigkeit der Hilfeplanung und auf die Personengruppen, die offensichtlich (noch) nicht umfassend vom Hilfesystem profitieren können. Im ersten Schritt wird die Black Box der Eingliederungshilfe zunächst transparenter. Wenn sich mehrere Regionen diesem System anschließen könnten, wäre ein überregionaler Benchmark bezogen auf die Ergebnisqualität in der Eingliederungshilfe und dem damit verbundenen Ressourceneinsatz möglich. Förderung: Hansestadt Rostock, AWO – Sozialdienst Gemeinnützige Gesellschaft, Gemeinnützige Gesellschaft für Gesundheit und Pädagogik mbH Literatur Gromann, P. (2012): Wirkungsorientierte Steuerung der Leistungen Ein neuer Weg, um Teilhabe zu erreichen? Kerbe, 1. 32-34. Bär, T., Nerlich, C., Follak, T., Steinhart, I. (2010): Wirkungsorientierung – auf der Suche nach geeigneten Methoden. Oder: wie wir mehr Transparenz in der Eingliederungshilfe erreichen können. Sozialpsychiatrische Informationen, 3. 25-31. Steinhart, I. (2010): Wirkungskontrolle in der Eingliederungshilfe. Auf der Suche nach Lösungen am Beispiel sozialpsychiatrischer Leistungen. In: Macsenaere, M., Hiller, S., Fischer, K. (Hrsg.): Outcome in der Jugendhilfe messen. 279-286. 328 Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) Aggressionsphantasien bei Verbitterungszuständen Linden, M. (1, 2), Noack, I. (1) (1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Reha-Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow Hintergrund Bei psychischen Erkrankungen kommt es immer wieder zu Suizidalität (z. B. Depression), zu Selbstaggression (z. B. Borderlinestörungen) und gelegentlich auch zu Fremdaggression (z. B. abnorme Erlebnisreaktionen). Eine Störung, die regelhaft mit Selbst- und Fremdaggressionsphantasien und -handlungen einhergeht ist die „Posttraumatische Verbitterungsstörung“. Diese Störung entsteht als Reaktion auf eine persönliche Kränkung und Verletzung zentraler Lebenswerte (basic beliefs), mit der Folge von Aggressionen, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verbitterung, die zu Rachephantasien und Suizidideen führen kann (Linden, 2007). Verbitterung ist dabei eine sich selbst verstärkende „masochistische Anpassungsreaktion“, die ein Gefühl von Kontrolle durch Selbstzerstörung gibt (Alexander, 1960). Ziel der vorliegenden Untersuchung war, zu klären, wie häufig welche Art von Aggressionsphantasien bei derartigen Patienten vorkommen und wie ernst sie zu nehmen sind Methodik Patienten einer psychosomatischen Rehaklinik, bei denen vonseiten der Therapeuten Hinweise auf eine Verbitterungsreaktion gegeben waren, wurden mit der „PTED-Skala“ untersucht, einem Screening Instrument für posttraumatische Verbitterung, das die stimulusbezogene die Schwere der Verbitterung misst (Linden et al., 2009). Des Weiteren wurde durch die Therapeuten eine Aggressionscheckliste ausgefüllt, die Suizidaliät und Fremdaggression erfasst. Ergebnisse Unter 3.300 Patienten einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik wurden 127 Risikopatienten (3,84 %) identifiziert (Durchschnittsalter 51 Jahre, 60,6 % Frauen). Als auslösendes Ereignis wurde von 63 % eine persönliche Herabwürdigung, von 29,9 % ein Vertrauensbruch und von 25,2 % eine öffentliche Demütigung genannt. Die Aggressionsphantasien richteten sich in 57,5 % der Fälle gegen einen speziellen Arbeitskollegen/Vorgesetzten, in 10,2% gegen den Ehe- oder Intimpartner, in 9,4 % gegen eine spezielle Firma oder Institution, in 7,9 % gegen sich Selbst. Zur Art der Aggressionsphantasie gaben 9,4 % der Patienten eine Banalität an (z. B. Dinge verlegen), 18,9 % der Patienten ein leichtes Problem (z. B. üble Nachrede, Lackschaden am Auto), 35,8 % der Patienten ein schwerwiegendes Lebensereignis (z. B. Bankrott, Kündigung), 12.3,% der Patienten ein schwerwiegender Sachschaden ohne Personenschaden (z. B. Zerstörung von Maschinen, finanzieller Ruin), 25.5 % der Patienten einen Personenschaden und 12,3 % der Patienten sogar Tötungs329 phantasien. Spontan berichteten nur 34 % der Patienten über die aktuellen Phantasien. Über die Hälfte der Patienten waren bei Berichterstattung deutlich emotional involviert. Eine deutliche Genugtuung bei Rachephantasien berichteten 46,2 % der Patienten. Bei 2,8 % der Patienten bestanden konkrete Planungen. Eine Realisierungswahrscheinlichkeit bei ungünstigen Umständen lag bei 17,9 % vor. Fast ein Drittel der Patienten beschäftigen sich mit Suizidideen und 3,1 % mit erweitertem Suizid bzw. Amok. Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass Aggressionsphantasien bei Verbitterungszuständen häufig sind und ernst genommen werden müssen. Die Aggressionsphantasien beziehen sich nicht nur auf den Verursacher selbst, sondern gehen auch darüber hinaus. Eine spontane Berichterstattung der Aggressionsphantasien ist nicht die Regel, weshalb Therapeuten gezielt nachfragen müssen. Es werden therapeutische Strategien benötigt, um Fremdaggression behandeln zu können. Literatur Alexander, J. (1960): The psychology of bitterness. Intern. J. Psychoanal., 41. 514-520. Linden, M., Rotter, M., Baumann, K., Lieberei, B. (2007): Posttraumatic Embitterment Disorder. Hogrefe & Huber: Bern. Linden; M., Baumann, K., Lieberei, B., Rotter, M. (2009): The Post-Traumatic Embitterment Disorder Self Rating Scale (PTED Scale). Clinical Psychology and Psychotherapy, 16. 139-147. Anträge auf Psychosomatische Rehabilitation – Häufigkeit, Qualität und Befürwortungsrate Ahnert, J. (1), Schuler, M. (1), Legner, R. (2), Berger, H. (3), Vogel, H. (1) (1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg, (2) Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd, (3) Deutsche Rentenversicherung Nordbayern Hintergrund Psychische und psychosomatische Krankheiten sind die zweithäufigste Erstdiagnose bei stationären medizinischen Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung und ihr Anteil hat in den letzten Jahren stetig zugenommen (von 17 % im Jahr 2000 auf 22 % im Jahr 2012 (DRV Bund, 2013). Es ist anzunehmen, dass die Anzahl an Anträgen auf eine psychosomatische Reha auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Bisher existieren jedoch kaum Daten über die Häufigkeit, die Qualität und die Befürwortungsquote dieser Anträge. Für die Prüfärzte der Deutsche Rentenversicherung ist es wichtig, im Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und im beigefügten ärztlichen Befundbericht ausreichend Informationen zu erhalten, die es dem Prüfarzt ermöglichen, eine fundierte sozialmedizinische Beurteilung des Reha-Bedarfs, der Reha-Motivation, der Reha-Fähigkeit und der Reha-Prognose eines Versicherten abzugeben. Die Empfehlung für eine psychosomatische Rehabilitation sowie die Erstellung des ärztlichen Befundberichts erfolgt allerdings 330 oft durch den Hausarzt und nicht durch einen Experten, d. h. einen Facharzt für Psychiatrie oder einen Ärztlichen oder Psychologischen Psychotherapeuten. Psychische Störungen werden von Hausärzten jedoch häufig nicht erkannt oder fehlerhaft diagnostiziert, was sowohl zu Überversorgung als auch zu Unter- oder Fehlversorgung führen kann (Jacobi et al., 2002). Methodik Bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern und der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd wurden im Rahmen eines Projektes, welches vom Netzwerk Rehabilitationsforschung Bayern gefördert wird, über einen Zeitraum von 2 Wochen die prüfärztlichen Entscheidungen bei Reha-Anträgen im Rahmen einer Aktenanalyse prospektiv dokumentiert. Die Prüfärzte haben für jeden eingehenden Reha-Antrag und für Wiedervorlagen (Anträge, bei denen bei Erstvorlage aufgrund mangelnder Informationen keine Entscheidung getroffen werden konnte und deshalb weiter Unterlagen angefordert wurden) die folgenden Angaben notiert: psychische und somatische Hauptdiagnose/n, Vorliegen von Befundberichten und von Angaben zu psychiatrischen oder psychotherapeutischen Vorbehandlungen des Patienten, nachträgliche Anforderung von weiteren Entscheidungsgrundlagen (z. B. Befundberichte von Psychiater/Psychotherapeut oder Gutachten) sowie die prüfärztliche Entscheidung. Die erhobenen Daten wurden im Anschluss deskriptiv ausgewertet. Ergebnisse Der Anteil an Reha-Anträgen von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen (rein psychische Hauptdiagnosen oder psychische und somatische Hauptdiagnosen) liegt bei ca. 30 %. Erste Auswertungen zeigen, dass den Reha-Anträgen von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen in über der Hälfte der Fälle nur ein Befundbericht vom Hausarzt beiliegt. Zudem werden Rehaanträge von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen von den Prüfärzten häufiger nicht schon bei der Erstvorlage des Antrags entschieden, sondern es werden weitere Unterlagen (z. B. aktuelle Berichte, Befundberichte vom Psychiater oder persönliche Begutachtung) angefordert. Die Bewilligungsquote von Reha-Anträgen von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen fällt zudem deutlich geringer aus als bei Patienten mit rein somatischen Hauptdiagnosen. Die Prüfärzte geben an, dass auch bei Wiedervorlagen von Anträgen von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen deutlich häufiger als bei Patienten mit rein somatischen Hauptdiagnosen wichtige Informationen, die sie als Entscheidungsgrundlage benötigen würden, fehlen. Die Information, ob ein Patient mit psychischer Hauptdiagnose bereits in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung ist, ist allerdings in den meisten Anträgen bereits bei der Erstvorlage enthalten. Diskussion Um die Aussagekraft von Anträgen auf eine psychosomatische Rehabilitation zu erhöhen und eine raschere Entscheidung und eine bessere Indikationsstellung zu ermöglichen, könnte es sinnvoll sein, darauf hinzuarbeiten, dass die Befundberichte von Fachärzten für Psychiatrie oder Psychotherapeuten erstellt werden. Der dabei erstellte Befundbericht würde den Prüfärzten eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung oder Ablehnung eines Reha-Antrags liefern, und es wäre – sofern der Reha-Antrag genehmigt wird – sichergestellt, dass die Rehabilitanden mit passenderen Erwartungen in die psychosomatische Rehabilitation gelangen. 331 Literatur Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund (2013): Reha-Bericht 2013. Verfügbar unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/6_Wir_ueber_uns/ 03_fakten_und_zahlen/04_reha_jahresberichte/downloads_reha_jahresberichte/ rehabericht_2013.pdf?_blob=publicationFile&v=5 (Zugriff am 21.10.2014). Jacobi, F., Högler, M., Meister, W., Wittchen, H.-U. (2002): Prävalenz, Erkennens- und Verschreibungsverhalten bei depressiven Syndromen. Eine bundesweite Hausarztstudie. Der Nervenarzt, 73. 651-658. Recht einfordern oder selbst aktiv werden? Eine experimentelle Untersuchung zur Akzeptanz von Persönlichkeitsstörungen am Arbeitsplatz bei Wiedereingliederung Muschalla, B., Fay, D., Seeman, A. Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam Hintergrund Die Akzeptanz psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz durch Kollegen und Vorgesetzte gestaltet sich nach wie vor als schwierig. Insbesondere bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, die in besonderer Weise mit Interaktionsproblemen auffallen, ist eine berufliche Wiedereingliederung nach Arbeitsunfähigkeit aufgrund vorausgegangener Konflikte am Arbeitsplatz eine Herausforderung (Cramer, Davidhizar, 2000; Ettner et al., 2011; Hengartner et al., 2014; Hinshaw, Stier, 2008). Sind Patienten wegen arbeitsbezogener psychischer Probleme in Behandlung, können Therapieansätze auf der Verhaltensebene (z. B. Soziales Kompetenztraining, interaktionelle Gruppentherapie) und/oder der Kontextebene (Arbeitsplatzanpassung entsprechend § 84 SGB IX) versucht werden. Bislang ist empirisch unklar, welche der Strategien auf größere Akzeptanz am Arbeitsplatz stößt und damit im Wiedereingliederungsprozess günstig wirken kann. Methode In einem experimentellen Design wurden 176 Berufstätigen (30 % selbst von psychischen Erkrankung betroffen, 66 % überwiegend in Teamarbeit beschäftigt, 42 % mit Führungsverantwortung) randomisiert 4 verschiedene Fallvignetten einer fiktiven „Problemkollegin“ mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung vorgelegt. In der 1. Bedingung fiel die Problemkollegin durch zwanghaftes unflexibles Verhalten negativ auf, und es gab nach Rückkehr an den Arbeitsplatz nach längerer Arbeitsunfähigkeit keine Veränderungen. In der 2. Bedingung beantragte die Problemkollegin bei Rückkehr an den Arbeitsplatz Arbeitsplatzgestaltungsmaßnahmen entsprechend ihrer Beeinträchtigung. In der 3. Bedingung wurde beobachtbar, dass die Problemkollegin an sich arbeitet und sich eigeninitiativ um eigene Verhaltensänderungen bemüht (Frese, Fay, 2001). In einer 4. Bedingung wurden Arbeitsaufgaben angepasst, bei gleichzeitig beobachtbaren Verhaltensveränderungsbemühungen der Kollegin. 332 Von den berufstätigen Beurteilern wurde ihre Akzeptanz der Problemkollegin differenziert erfragt. Ergebnisse Bei den beiden Bedingungen in denen eine Verhaltensänderungsbemühung beobachtbar wurde, konnte eine signifikant stärker ausgeprägte Akzeptanz (d. h. geringere soziale Distanz, z. T. höhere Ähnlichkeitswahrnehmung, Abb. 1) verzeichnet werden als in den Bedingungen ohne Verhaltensänderungsbemühen. Das bloße Beantragen von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen führte zu keiner besseren Akzeptanz als die gänzlich unveränderte Situation. 6 5 4 3 2 1 0 Keine Veränderungen Soziale Distanz Verhaltensänderung Arbeitsplatzanpassung Verhaltensänderung und Arbeitsplatzanpassung Ähnlichkeitswahrnehmung Abb 1: Akzeptanz gegenüber einer „Problem-Kollegin“ in Abhängigkeit von Verhaltensänderungsbemühungen und/oder Arbeitsplatzanpassung Schlussfolgerungen Bei Wiedereingliederung von Menschen mit Interaktionsproblemen erscheint es wenig hilfreich, ihnen nur beizubringen „ihr Recht einzufordern“. Vielversprechender erscheint es, zu betonen, dass mit gezeigter Eigeninitiative mehr Sympathie erlangt werden kann. Patienten selbst müssen Verhaltens- und Interaktionsstrategien einüben, die zur Kompensation ihres Problemverhaltens beitragen können. Literatur Cramer, C., Davidhizar, R. (2000): The health care employee with an „attitude“. Hosp Mater Manage Q, 22. 27-33. Ettner, S.L., MacLean, J.C., French, M. (2011): Does having a dysfunctional personality hurt your career? Axis II personality disorders and labor market outcomes. Ind Relat (Berkeley), 50. 149-173. 333 Frese, M., Fay, D. (2001): Personal initiative: an active performance concept for work in the 21st century. Research in Organizational Behavior, 23. 133-187. Hengartner, M.P., Müller, M., Rodgers, S., Rössler, W., Ajdacic-Gross, V. (2014): Occupational functioning and work impairment in association with personality disorder traitscores. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol, 49. 327-335. Hinshaw, S.P., Stier, A. (2008): Stigma as related to mental disorders. Ann Rev Clin Psychol, 4. 367-393. Sportliche Aktivität nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation: „MoVo-Luise“ Bailer, H. (1), Grulke, N. (1, 2), Fuchs, R. (3), Dietsche, C. (1) (1) Luisenklinik – Zentrum für Verhaltensmedizin, Bad Dürrheim, (2) Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm, (3) Institut für Sport und Sportwissenschaft, Universität Freiburg Hintergrund Rund zwei Drittel der Rehabilitanden, die der Luisenklinik Bad Dürrheim zur psychosomatischen Rehabilitation zugewiesen werden, sind weniger als eine Stunde/Woche sportlich aktiv (Dietsche et al., 2012). Für orthopädische Rehabilitanden konnte eine Steigerung der körperlichen Aktivität auch poststationär durch das auf motivationale und volitionale Aspekte ausgerichtete Interventionsprogramm MoVo-LISA (Göhner, Fuchs, 2007) gezeigt werden. Lässt sich dieses Programm auch auf psychosomatische Rehabilitanden übertragen? Methodik Datenerhebung: Screening im Rahmen der Aufnahmediagnostik; Einladung zur Studienteilnahme, falls Sportaktivitäten mit erhöhtem Energieverbrauch unter 1 Stunde je Woche berichtet werden. Randomisierte Zuweisung zur Interventions- (IG) oder Kontrollgruppe (KG; treatment as usual) nach Vorliegen der Einverständniserklärung. Basisdatenerhebung ca. 1 Woche nach Aufnahme, weitere Datenerhebungen ca. 4 Tage vor und ca. 3 und 6 Monate nach Entlassung. Hypothese: Patienten der IG berichten 6 Monate nach Entlassung eine stabilere und umfangreichere Alltagssportaktivität als Patienten der KG. Intervention: Adaptation des manualisierten MoVo-LISA-Programms auf die Gegebenheiten der Luisenklinik. 2 Gruppengespräche (Moderation: Studienleiterin und/oder geschulte Sport/Physiotherapeuten) im Abstand von 1 Woche (Dauer 60 Min., ca. 6 TN), dazwischen ein Einzelkontakt (Studienleiterin; ca. 10 Min.). sechswöchige Selbstbeobachtungsphase nach Entlassung, dann ca. 10 Min. Telefoncoaching (Studienleiterin) nach vorheriger postalischer Erinnerung. Themen des Programms: Motivationsaufbau, Entwickeln von Aktivitätszielen, Planen der Umsetzung und Ideen, Antizipieren von Barrieren und Erarbeiten von Gegenstrategien. Im stationären Einzelgespräch werden die formulierten Pläne, im Telefoncoaching die weitere Umsetzung und evtl. auftretende Probleme reflektiert. Pläne und Umsetzungen werden in einem persönlichen, beim Rehabilitanden verbleibenden „Bewegungsbuch“ festgehalten. 334 Ergebnisse 560 (76 %) von 735 im Zeitraum von Nov. 2011 bis Mai 2012 aufgenommenen Rehabilitanden retournierten den Screeningfragebogen. 360 erfüllten die Einschlusskriterien, 240 lehnten die Studienteilnahme ab. 112 Personen (77 % weiblich; Alter 42 J.) konnten erfolgreich randomisiert werden (58 KG, 54 IG). Zum Zeitpunkt der Randomisierung unterscheiden sich IG und KG nicht voneinander hinsichtlich sportlicher Aktivität, BMI, Alter und selbst eingeschätztem körperlichen, seelischen und allgemeinen Zustand. Vollständige Datensätze für das Zielkriteriums liegen für 63 Personen vor. MZP M Md KG (n=36) T1 6 T3 83 55 IG (n=29) T1 6 T4 87 55 T3 185 188 T4 182 160 Anm.: MZP: Messzeitpunkt; T1: bei Aufnahme zur stationären Behandlung; T3: 3 Monate poststationär; T4: 6 Monate poststationär. M: arithmetisches Mittel, Md: Median. Keine Erhebung zu T2, da alle Rehabilitanden in vergleichbarem Umfang bewegungstherapeutischer Anwendungen erhielten. Tab. 1: Durchschnittliche sportliche Aktivität in Minuten je Woche Beide Gruppen steigern ihre sportlichen Aktivitäten bis 3 Monate nach der Rehabilitation im Vergleich zum Beginn deutlich und scheinen diese Steigerung für 3 weitere Monate auch halten zu können (Varianzanalyse mit Messwiederholung; signifikante Haupt- und Wechselwirkungseffekten, p≤.001). Die IG erreicht ein deutlich höheres Niveau. Die Darstellung der Mittelwerte täuscht jedoch darüber hinweg, dass der Effekt in der KG vermutlich nur durch wenige Teilnehmer bedingt wird. Tabelle 2 zeigt den Anteil der „Inaktiven“ (<1 Std.) und der „Aktiven“ (>2 Std./Woche) nach einem halben Jahr. Aktivität je Woche Anteil KG (n=40) 0–59 Min. 60 % 60–120 Min. 15 % 121–450 Min. 25 % IG (n=32) 0–60 Min. 19 % 61–120 Min. 6% 121–450 Min. 75 % Anm.: Bei T4 sind drei von 5 Teilnehmern der KG wieder (oder weiterhin) inaktiv, während 3 von 4 Teilnehmern am MoVo-Luise-Programm zu den klar gesundheitsförderlich Aktiven gehört. Tab. 2: Relativer Anteil der Rehabilitanden je Aktivitätskategorie zum MZP T4 Diskussion und Ausblick Die psychosomatische Reha scheint rund jeden 4. bis dahin sportlich inaktiven Rehabilitanden zu einer dauerhaften Aktivitätssteigerung zu motivieren. Durch MoVo-Luise könnte dieser Anteil evtl. verdreifacht werden. Inwieweit die beobachteten Effekte über ein halbes Jahr nach Reha hinaus anhalten und auf andere Einrichtung generalisierbar sind, ist offen. Literatur Dietsche, C. (2014): Lebensstiländerung in der Psychosomatik – Evaluation einer Intervention zur Steigerung sportlicher Aktivität (Dissertation). Freiburg i. Br.: Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftliche Fakultät. Göhner, W., Fuchs, R. (2007): Änderung des Gesundheitsverhaltens. MoVo-Gruppenprogramme für körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. Göttingen: Hogrefe. 335 Prozessqualität in der psychosomatischen Rehabilitation – in Kooperation mit der DGPPR Routine-Assessment in der psychosomatischen Rehabilitation – Behandlungsergebnisse auf der Grundlage eines EDV-gestützten Routine-Assessment-Systems Nübling, R. (1), Schmidt, J. (1), Kriz, D. (1), Kobelt, A. (2), Bassler, M. (3) (1) GfQG Karlsruhe, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen, (3) Rehazentrum Oberharz, Clausthal-Zellerfeld Hintergrund Der Einsatz geeigneter Assessmentverfahren bei Aufnahme und Entlassung gilt als Qualitätsindikator in der Medizinischen Rehabilitation. Gefordert wird, dass eine Rehabilitationseinrichtung systematisch und regelhaft bei Aufnahme und Entlassung der Rehabilitanden Assessmentverfahren zur Ergebnismessung im Sinne eines Routine-Assessments einsetzt (BAR-Kriterienkatalog zur Zertifizierung; vgl. Schmidt et al., 2015, in press). In der Psychosomatischen Rehabilitation wird dieses Thema bereits seit ca. 25 Jahren diskutiert. Entwickelt wurden Basisdokumentationssysteme (z. B. Schmidt, Nübling, 1998; Broda et al., 1993) sowie auch umfassendere Assessmentsysteme, die vielerorts in Einrichtungen etabliert sind (z. B. Mestel et al., 1995; Gönner, Bischoff, 2002; alle zit. nach Schmidt et al., 2015, in press). Vor allem die umfangreicheren Assessmentsysteme arbeiten vorwiegend mit lizensierten Tests, sind also auf Dauer teuer und z. T. auch umständlich in der Handhabung (z. B. was die Möglichkeiten der Verwendung der Daten zur Forschungszwecken angeht). Methodik Vor diesem Hintergrund wurde das „Routine-Assessment Psychosomatik“ gemeinsam mit der DGPPR konzipiert (vgl. Nübling et al., 2013). Es ist Reha-spezifisch ausgelegt, d. h. mit klarem ICF-Bezug unter Einschluss der Erhebung beruflicher bzw. sozialmedizinischer Problemlagen. Das System besteht ferner aus lizenzfreien Verfahren (Ausnahme: BDI), erfasst den IST-Zustand bei Reha-Beginn und -Ende und stellt die Daten zeitnah für die Kliniker zur Verfügung (z. B. Nutzungsmöglichkeiten für Therapieplanung, Entlassungsbericht, Therapieerfolgskontrolle). Zur Abbildung der Ergebnisqualität von Kliniken werden neben der klassischen indirekten Veränderungsmessung (Prä-Post-Vergleiche) auch Skalen der direkten Veränderungsmessung eingesetzt. Optional bzw. punktuell kann die Dokumentation im Rahmen wissenschaftlicher Evaluationsstudien durch katamnestische Messungen ergänzt werden. Verfahren und Messzeitpunkte zeigt Tab. 1. 336 Kürzel Autoren ISR Tritt et al., 2008 HEALTH-49 Rabung et al. 2007 ICF AT50 – Psych WS SIBAR DIAMO HAQ BDI Inhalt ICD-10-Symptom-Rating Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte der psychosozialen Gesundheit Nosper 2008 Selbstbeurteilung von Aktivitäten und Teilhabe bei psychischen Störungen Löffler et al 2009 Würzburger Screening Bürger & Deck 2009 Screening-Instrument Arbeit und Beruf Fiedler 2008 Diagnostikinstrument für Arbeitsmotivation Bassler et al. 1995 Helping Alliance Questionnaire Hautzinger et al. 2009 Beck Depressionsinventar B-PFB Schmidt et al. 2012 B-TFB Schmidt et al. 2012 Basis-Patientenfragebogen (inkl. GB10, VM10, ZUF8) Basis-Therapeutenfragebogen (inkl. GAF, GARF, Schweregrad, Motivation, Diagnosen, Erkrankungsdauer, KTL etc.) A E K* x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Anm.: K = optional bzw. punktuell Tab. 1: Übersicht Verfahren des Routine-Assessments Psychosomatik Ergebnisse Vorgestellt werden Ergebnisse der ca. zweijährigen Implementierungs- und Erprobungsphase in 2 Klinken der DRV Braunschweig-Hannover, in der Daten von n= 3833 Patienten dokumentiert wurden. Ihr Durchschnittalter liegt bei 47,4 Jahren (SD=9,3), der Frauenanteil bei etwa 48 %. Kosten- bzw. Leistungsträger ist in 9 von 10 Fällen die DRV BraunschweigHannover. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 33,3 Tage (SD=7,1). Jeweils ca. 45 % der Patienten haben einen Hauptschulabschluss oder Mittlere Reife, ca. 7 % Fachhochschulreife oder Abitur. Die meisten Rehabilitanden sind ungelernte/angelernte Arbeiter (33 %) oder Facharbeiter bzw. nichtselbstständige Handwerker (27 %). Diagnostisch handelt es sich vorwiegend um Affektive Störungen (F3.x, 44 %) sowie Neurotische, Belastungs- und Somatoforme Störungen (F4.x, 49 %). Skalen n Aufnahme M/SD Entlassung M/SD T-Test T/p ES HEALTH Somatoforme Beschwerden 3.501 1,91 0,98 1,35 1,00 39,52 .000 .57 HEALTH Depressivität 3.501 1,66 1,06 0,98 1,04 44,35 .000 .64 HEALTH Phobische Angst HEALTH Psychosomat. Beschwerden HEALTH Interaktionelle Schwierigkeiten HEALTH Psychisches Wohlbefinden 3.501 1,01 1,09 0,63 0,95 28,53 .000 .35 3.501 1,55 0,88 0,99 0,92 45,00 .000 .64 3.501 1,97 0,98 1,35 1,03 38,63 .000 .63 3.501 2,66 0,78 1,80 0,93 56,04 .000 1.10 3.446 22,61 12,35 12,59 12,68 56,78 .000 .81 3.501 1,37 0,75 1,07 0,83 27,53 ,000 .37 3.501 1,22 0,76 1,04 0,84 17,72 .000 .24 3.452 29,11 9,42 38,25 11,10 −60,75 .000 ,97 BDI Depression ICD-Symtom-Rating Gesamtscore ICF-AT-50 Beeinträchtigungsindex GB10 Gesundheitliches Befinden Tab. 2: Health-49 (6 von 10 Skalen), BDI, ISR, ICF-AT-40 und GB10, A-E-Vergleich, Mittelwerte und Streuung, T-Test für abhängige Stichproben, Effektstärken 337 Auf der Ergebnisseite zeigen sich mittlere bis hohe Effektstärken in den Skalen des HEALTH-49, des BDI sowie der Skala Gesundheitliches Befinden (GB10). Tabelle 2 zeigt die Prä-Post-Effekte dieser Skalen für die Gesamtstichprobe. Die indikationsspezifischen Effektstärken z. B. Depressions-Scores bei Patienten mit Depressionsdiagnose oder AngstScores bei Angstpatienten liegen jeweils um .20 bis .30 höher als die dargestellten Durchschnittswerte. Diskussion Das entwickelte Routine-Assessment erfüllt die Kriterien: a) hohe Relevanz für die Indikation und b) für die Rehabilitation, c) lizenzfrei/kostengünstig und d) psychometrisch überprüft. Die Umsetzung in den Einrichtungen erfolgt über ein vor Ort installiertes EDV-System, das Therapeuten quasi in Echtzeit die Ergebnisse der Eingangsdiagnostik für die Therapieplanung zur Verfügung stellt. Der sukzessive Ausbau um weitere Psychosomatische Kliniken, u. a. für klinikvergleichende Analysen im Sinne von Benchmarkings, sowie katamnestische Erhebungen zur Bewertung der längerfristiger Behandlungsergebnisse sind in Vorbereitung. Literatur Nübling, R., Schmidt, J., Bassler, M. (2013): Standardisierte Diagnostik in der Rehabilitation: „Routine-Assessment Psychosomatik“. Vortrag, Diskussionsforum „Standardisierte Diagnostik in der Rehabilitation – am Beispiel der Indikationsgebiete Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen“, 22. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium, 4.–6.3.2013 in Mainz. Schmidt, J., Nübling, R., Schmid-Ott, G. (2015, in press): Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung. In: Schmid-Ott, G., Wiegand-Grefe, S., Jacobi, C., Paar, G.H., Meermann, R., Lamprecht, F.: Psychosomatische Rehabilitation. München, Schattauer. Wie valide ist die Diagnostik in der psychosomatischen Rehabilitation? Kaminski, A. (1, 3), Bassler, M. (1), Pfeiffer, W. (1), Kobelt, A. (2, 3) (1) Rehazentrum Oberharz der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Clausthal-Zellerfeld, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen, (3) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen, Einleitung Das Ziel einer stationären Rehabilitation ist die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben. Für eine erfolgreiche Therapieplanung und die abschließende Einschätzung des Leistungsvermögens ist eine fundierte Diagnosevergabe notwendig (Basco et al., 2000), auch im Hinblick auf ein nichtauthentisches Antwortverhalten. Gerade im psychosomatischen Bereich fehlen oft objektive Parameter, an denen eine psychische Krankheit festgelegt werden kann, weshalb eine valide Diagnosevergabe in diesem Bereich erschwert ist. Darüber hinaus wurde in Studien darauf hingewiesen, dass Kliniker nur rund 53 % der Schlüsselkriterien einer psychischen Störung erfragen, obwohl gut validierte semistrukturierte Fragebögen vorhanden 338 sind (Miller et al., 2001). Bisher liegt keine Studie vor, die sich mit der Diagnosevalidierung im psychosomatischen Bereich befasst. Fragestellungen Unterscheiden sich die im Rahmen der klinischen Anamnese gestellten Diagnosen in der psychosomatischen Rehabilitation von Diagnosen, die nach einem strukturierten validierten Interviewleitfaden (SKID) geführt werden? Gibt es einen Zusammenhang zwischen auffälligverzerrten Antwortverhalten im SFSS und der Validität der Diagnose? Methode Die Daten dieser Studie wurden aus dem Patientenpool der Rehabilitationszentren Oberharz und Bad Pyrmont der DRV BSH in einem Zeitraum von 9 Wochen parallel erhoben. Jeder regulär aufgenommene psychosomatische Patient unterschrieb zunächst einen Informed Consent und füllte nach dem Erstgespräch mit dem Bezugstherapeuten einen Beschwerdenvalidierungsbogen (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome, SFSS) aus. Anschließend wurde die Stichprobe ermittelt, indem aus jeder Anreisewoche (ca. 38 Patienten) jeweils 8 Patienten randomisiert einem SKID-Interview zugeordnet wurden. Somit handelt es sich um eine randomisiert ausgewählte Stichprobe. Entsprechend eines Cut-off-Wertes im SFSS konnten zwei Gruppen, „auffällig“ und „unauffällig“, hinsichtlich des nicht-authentischen Antwortverhaltens, gebildet werden. Die SKIDDiagnosen wurden mit den gestellten Entlassungsdiagnosen verglichen. Die Zugehörigkeit des Patienten zu einer Gruppe, sowie die jeweilige Diagnose waren bis zur Entlassung des Patienten weder dem Interviewer noch dem Bezugstherapeuten bekannt. Somit handelte es sich um eine Doppelblindstudie. Ergebnisse 161 Patienten wurde in die Studie aufgenommen. Es wurden jedoch 25 (15,5 %) der Patienten, aufgrund fehlender Fragebögen, Abbruch des SKID-Interviews oder einer fehlenden Entlassungsdiagnose aus der Studie ausgeschlossen. Das Alter der Patienten lag zwischen 22 und 64 Jahren (M=48.8, SD=9,5), davon waren 65 Patienten (48 %) männlich. Die Ergebnisse weisen auf eine schwache bis mittelmäßige Übereinstimmung zwischen den beiden Diagnoseverfahren hin. Zusätzlich konnte bei rund 14 % der Patienten abweichend zum klinischen Eindruck keine psychische Störung anhand des SKIDs festgestellt werden. Darüber hinaus zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem SKID und einem erhöhten Wert im SFSS. Dieser lag darin, dass signifikant häufiger eine affektive und somatoforme Störung , sowie eine Angst- und Zwangsstörung diagnostiziert wurde, wenn der Patient ein nichtauthentisches Antwortverhalten zeigte. Dieser Zusammenhang konnte für das klinische Urteil nur für die affektive Störung belegt werden. Diskussion Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind mit dem heutigen Forschungsstand kongruent, indem sie darauf hinweisen, dass sich die Diagnosevergaben zwischen einem strukturiertem Interview und einem klinischen Urteil stark unterscheiden (Shear et al., 2000). Darüber hinaus muss kritisch diskutiert werden, wie wichtig eine valide Diagnose ist, wenn Antrag- 339 steller aufgrund ihrer möglicherweise schwierigen kontextuell oder beruflich bedingten Partizipationsprobleme eine Rehabilitation bewilligt bekommen, obwohl keine klinische Diagnose vorliegt. Zusätzlich zeigte unsere Untersuchung, dass ein nichtauthentisches Antwortverhalten zu bestimmten Diagnosen im klinischen Interview führt. Es muss diskutiert werden, ob diese Patientengruppe einen höheren Leidensdruck erfährt, oder ob das SKID nicht robust gegen Verzerrungen in der Symptomdarstellung ist. Literatur Basco, M.R., Bostic, J.O., Davies, D., Rush, A.J., Witte, B., Hendrickse, W., Barnett, V. (2000): Methods to improve diagnostic accuracy in a community mental health setting. American Journal of Psychiatry, 157. 1599-1605. Miller, P.R., Dasher, R., Collins, R., Griffiths, P. & Brown, F. (2001): Inpatient diagnostic assessment: 1. Accuracy of structured vs. Unstructured interviews. Psychiatry Research, 105. 255-264. Shear, M.K., Greeno, C., Kang, J., Ludewig, D., Frank, E., Schwart, H.A., Hanekamp, M. (2000): Diagnosis of nonpsychotic patients in community clinics. Journal of Psychiatry, 157. 581-587. Wirksamkeit eines nichtrückgekoppelten Atemtrainings im Vergleich zu einer Biofeedbackbehandlung Zimmermann, J. (1), Richter, R. (2), Bassler, M. (2) (1) Universität Potsdam, (2) Rehazentrum Oberharz, Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Clausthal-Zellerfeld Einleitung Eine gezielte Atemregulation, bedarfsweise durch akustische oder visuelle Hinweisreize getriggert, befördert nachweislich physiologische Veränderungen, die Kennzeichen einer vegetativen Beruhigung sind. Die entschleunigte Atemfrequenz (6 Züge/Minute) kombiniert mit einer anteilig längeren Expirationsphase (6 Sekunden) reduziert über eine erhöhte Stimulation kardiovaskulärer Dehnungsrezeptoren den sympathischen Tonus. Mit der Wiederherstellung des autonomen Gleichgewichts steigt auch die Baroreflexsensitivität und die Herzratenvariabilität nimmt zu. In der Folge kommt es unter anderem zu einer Erweiterung der Blutgefäße (Vasodilation) und der Ruheblutdruck wird langfristig verringert (Sharma et al., 2011). Zudem verweisen empirische Untersuchungen auf die Wirksamkeit gezielter Atemübungen in der Behandlung von Angstpatienten sowie im Bereich von Panikstörungen (Meuret et al., 2008). Eine probate Methode zur respiratorischen Entschleunigung stellt vor allem das Biofeedback dar (Moravec, 2008). Aufgrund hoher finanzieller und personeller Kosten, ist dieses Verfahren jedoch nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich. Daher untersuchten wir, inwieweit der Nutzen eines professionell angeleitetes Biofeedbacks hinsichtlich verschiedener physiologischer, insbesondere respiratorischer, Parameter bereits durch ein isoliertes regelmäßiges Atemtraining erzielt werden kann. 340 Methodik Im Rahmen eines randomisierten Kontrollgruppendesigns verglichen wir physiologische Messdaten von je 11 Patienten des Psychosomatischen Rehazentrums Oberharz, die mit Biofeedback bzw. einem technisch geleiteten Atemtraining behandelt wurden, mit einer entsprechend unbehandelten Kontrollgruppe aus weiteren 12 Patienten über 2 Messzeitpunkte hinweg, kurz nach stationärer Aufnahme (max. 4 Tage danach) und unmittelbar vor der Entlassung des Patienten (nach im Mittel 5 Wochen). In dem Zeitraum zwischen Baseline- und Abschlussmessung erhielt eine der beiden Interventionsgruppen zweimal wöchentlich für jeweils 30 Minuten eine Einzelanwendung Biofeedback, die andere nahm täglich an 2 Gruppenübungseinheiten (à 10 Minuten) mit dem taxxos-Atemtakter, einem technischen Hilfsmittel zur Strukturierung des Atemrhytmus, teil. Die Kontrollgruppe erhielt neben der initialen und abschließenden physiologischen Testung keine Alternativbehandlung, nahm aber, wie die anderen Untersuchungsgruppen auch, am Standardtherapieprogramm der Klinik teil. Ergebnisse Die 34 Studienteilnehmer wiesen ein Durchschnittsalter von 46,15 (SD=10,34; range=19– 61) Jahren auf. 21 waren männlich und 13 weiblich. Das Diagnosespektrum war entsprechend des hohen Anteils affektiver (53 %) und Anpassungsstörungen (24 %) sowie aus dem somatoformen Störungskreis (18 %) repräsentativ für den Patientenstamm der Psychosomatischen Abteilung. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe zeigte sich in beiden Behandlungsgruppen eine signifikante Verringerung der Atemfrequenz (F1,22=74.53, p<.001) in Kombination mit einem gesteigerten Atemvolumen (F1,22=28.76, p<.001). Dieser Effekt unterschied sich jedoch nicht in Abhängigkeit von der Methode, mit derer die Patienten behandelt wurden. Darüber hinaus zeigte sich für beide Interventionsgruppen zusammen ein statistisch bedeutsamer Haupteffekt des Messzeitpunktes im Hinblick auf das Hautleitwertsniveau (F1,22=4.80, p=.041). Im Rahmen der Einzelvergleiche, bei denen die Gruppen isoliert betrachtet wurden, war dieser jedoch nicht signifikant. Diskussion Insgesamt konnten wir keine Wirksamkeitsunterschiede zwischen einem professionell durchgeführten Biofeedback und dem in Gruppen angeleiteten Atemtraining feststellen. Beide Interventionen waren vor allem auf respiratorischer Ebene wirkungsvoll. Bei gleichzeitiger Steigerung des Atemvolumens konnte die Atemfrequenz im Mittel um ca. 7 Züge/Minute reduziert werden. Allerdings ist anzunehmen, dass subtilere Effekte aufgrund des geringen Stichprobenumfangs nicht ersichtlich wurden. Dies betrifft im Besonderen das Hautleitwertsniveau und die Pulsfrequenz (F1,22=4.28, p=.052). Die gezielte Atemregulation erscheint bereits auf Basis ihrer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz attraktiv. Durch die Möglichkeit einer ambulanten Fortführung des Trainings ist zudem der Grundstein für die Nachhaltigkeit der Behandlungseffekte gelegt. Literatur Meuret, A.E., Wilhelm, F.H., Ritz, T., Roth, W.T. (2008): Feedback of end-tidal pCO2 as a therapeutic approach for panic disorder. Journal of Psychiatric Research, 42 (7). 560-568. Moravec, C.S. (2008): Biofeedback therapy in cardiovascular disease: rationale and research overview. Cleveland Clinic Journal of Medicine, 75 (2). 35-38. 341 Sharma, M., Frishman, W.H., Gandhi, K. (2011): RESPeRATE nonpharmacological treatment of hypertension. Cardiology in Review, 19 (2). 47-51. Berufsgruppenspezifische oder störungsspezifische Rehabilitation bei Beschäftigten in Pflegeberufen? Neu, R. (1, 2), Brendel, C. (1), Köllner, V. (1) (1) Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel, (2) Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Trier Hintergrund Berufe im Bereich der Alten- und Krankenpflege sind mit einer erhöhten Morbidität für psychische Störungen belastet, wobei die häufigste Diagnose depressive Störungen sind. Zudem besteht in diesen Berufsgruppen ein erhöhtes Risiko eines gesundheitsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Beruf, was den Fachkräftemangel in diesem Bereich erheblich verstärkt (Weber et al., 2006). Deshalb wurden berufsbezogene Programme zur Prävention und Therapie entwickelt (Schmidt, 2004; Hillert, Koch, 2009), um sie in die Psychosomatische Rehabilitation integrieren zu können. Neuere Ansätze in Rehabilitationskliniken bestehen folglich neben störungsspezifischen auch aus berufsgruppenspezifischen Konzepten. Hierzu ist das zentrale Element des berufsgruppenspezifischen Konzeptes unserer Klinik die Kombination einer berufsgruppenhomogenen Therapiegruppe mit Tanztherapie (Köllner et al., 2013; 2014). Im Folgenden soll untersucht werden, ob und inwiefern sich die beiden Rehabilitationskonzepte, störungsspezifisch und berufsgruppenspezifisch, unterscheiden. Weiterhin sollen auch Unterschiede innerhalb des berufsgruppenspezifischen Konzeptes zwischen Beschäftigten in der Altenpflege und Beschäftigten in der Krankenpflege erfasst werden. Methodik Es wurden 316 Patienten (79 m/237 w; Alter MW 50,33 Jahre) mit vorwiegend depressiven Störungen, von denen 156 ein berufsgruppenspezifisches Rehabilitationskonzept für Pflegeberufe und 160 ein störungsspezifisches Konzept durchliefen, hinsichtlich Unterschieden in soziodemographischen und sozialmedizinischen Variablen untersucht. Die psychische Symptombelastung sowie arbeitsplatzbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster wurden bei Aufnahme (T0) und Entlassung (T1) mit folgenden Messinstrumenten getestet: Health-49, BDI-II und AVEM. Innerhalb des berufsgruppenspezifischen Konzeptes wurden Unterschiede zwischen 59 in der Altenpflege beschäftigten Patienten und 84 in der Krankenpflege beschäftigten Patienten erfasst. 342 Ergebnisse Die berufshomogene Gruppe wies einen höheren Frauenanteil (86,5 % vs. 63,8 %) auf, kam häufiger mit vorangegangenen AU-Zeiten in die Reha, wurde häufiger arbeitsunfähig aus der Klinik entlassen und ging seltener in den bisherigen Beruf zurück. Hinsichtlich der psychischen Symptombelastung zeigten sich bei Aufnahme keine signifikanten Unterschiede. Bei den Rehabilitanden aus Pflegeberufen wurden zu Beginn signifikant höhere Werte in den AVEM-Skalen Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben sowie Resignationstendenz und signifikant niedrigere Werte für Distanzierungsfähigkeit festgestellt (Effektstärken d zwischen 0,31 und 0,64). Bezüglich des Rehabilitationserfolges konnten diese Patienten ihre Werte hinsichtlich Verausgabungsbereitschaft stärker reduzieren (p<0,05, d=0,32), aber weniger an Problembewältigungskompetenzen gewinnen (p<0,05, d=0,27). An Unterschieden zwischen den Berufsgruppen Alten- und Krankenpflege zeigte sich, dass Angehörige der Altenpflege häufiger nicht erwerbstätig vor der Reha waren und seltener höhere Schulabschlüsse hatten. Hinsichtlich der Sozialmedizin zeigten sich 2 Tendenzen: Beschäftigte in der Altenpflege erhielten seltener die Empfehlung, nach dem Klinikaufenthalt zurück in ihren Beruf zu gehen (p=0,052) und wurden häufiger quantitativ bezüglich der letzten beruflichen Tätigkeit eingeschränkt (p=0,072). Beschäftigte in der Altenpflege wiesen zu Beginn der Maßnahme erhöhte Werte hinsichtlich phobischer Ängste auf, im AVEM zeigten sie eine geringere Distanzierungsfähigkeit, ein geringeres Erfolgserleben im Beruf sowie eine geringere Lebenszufriedenheit, jedoch eine höhere Bedeutsamkeit der Arbeit (Effektstärken d zwischen 0,35 und 0,4). Vergleicht man beide Berufsgruppen hinsichtlich des RehaErfolges, so konnten Angehörige der Krankenpflege stärker profitieren. Sie konnten ihren BDI-Wert (p<0,05, d=0,38) sowie Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (p<0,05, d=0,37) stärker reduzieren und stärker an Problembewältigungskompetenzen gewinnen (p<0,05, d=0,39). Diskussion und Schlussfolgerungen Unsere Daten spiegeln die spezifische Belastungssituation in Pflegeberufen wider. Berufsgruppenspezifische Konzepte sind im Vergleich zu einer störungsspezifisch behandelten Kontrollgruppe hinsichtlich der Symptomreduktion ebenso wirksam. Vorteile berufsgruppenspezifischer Konzepte sind, durch die Fokussierung auf den gemeinsamen beruflichen Hintergrund, berufliche Problemlagen gezielt zu thematisieren, eigene Anteile zu reflektieren und Lösungswege mithilfe der Kompetenz der Mitpatienten zu erarbeiten. Berufsgruppenspezifische dysfunktionale Erlebens- und Verhaltensmuster scheinen hierdurch besser verändert werden zu können. Literatur Hillert, A., Koch, S. (2009): Klinik berufsbezogener Gesundheitsstörungen – Psychosomatik. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 331-348. Köllner, V., Eckert-Tag Elsir, C., Freiberg, A., Lipka-Stöhr, G. (2013): Stationäre Rehabilitation bei depressiven Störungen. Psychotherapie im Dialog, 14/3. 64-68. Köllner, V., Eckert-Tag Elsir, C., Freiberg, A., Lipka-Stöhr, G. (2014): Berufsbezogene psychosomatische Rehabilitation für Pflegeberufe. DRV-Schriften, Bd. 103. 448-450. 343 Schmidt, S. (2004): Burnout in der Pflege. Stuttgart: Kohlhammer. Weber, A., Hörmann, G., Köllner, V. (2006): Psychische und Verhaltensstörungen – Die Epidemie des 21. Jahrhunderts? Deutsches Ärzteblatt, 103. 688-691. Kriteriumsbezogene Validierung von KTL-Qualitätspunkten in der psychosomatischen Reha Preuss, M. Klinik Buching der Deutsche Rentenversicherung Schwaben, Halblech Zweck der Untersuchung Im Bericht „Therapeutische Versorgung – KTL“ meldet die Deutsche Rentenversicherung den Rehabilitationseinrichtungen KTL-Leistungsstrukturen in Form aggregierter Ergebnisse nebst einem Klinik-Ranking zurück. KTL-Daten werden nach einem Kodierschema (Beckmann, Teßmann, 2013, S. 11–13) quantitativ in Form von Qualitätspunkten (QPs) bewertet. QPs für die Indikatoren „KTL-Verteilung“ (Diversifikation der Therapie), „KTL-Menge“ sowie „KTL-Dauer“ (Therapiedosis in Anzahl bzw. Zeit) werden reportiert. Das Kodierschema, welches die optimale Therapiediversifikation sowie Therapiedosis vorgibt, wurde bislang noch nicht empirisch validiert. Ziel der Studie war die kriteriumsbezogene Validierung der KTLQPs mit etablierten Qualitätsindikatoren einer psychosomatischen Rehabilitation. Fragestellung: Unterscheiden sich psychosomatische Qualitätsindikatoren analog zu den postulierten Unterschieden der KTL-QPs? Methode, Design Grundlage bildeten die Daten der Klinik Buching der 2013 entlassenen Rehabilitanden, Aufenthaltsdauer ≥7 Tage. Neben KTL-Daten wurden Daten zu folgenden psychosomatischen Qualitätsindikatoren erhoben: ● Patienteneinschätzung, inwieweit das Therapieziel erreicht wurde [PsyBaDo] ● Psychosomatische Symptomreduktion [Prä-Post SCL 90-R GSI (Franke, 2002)] ● Gesundheitsrelevante psychische Ressourcenerhöhung [Prä-Post FERUS (Jack, 2007)] ● Herstellung der Arbeitsfähigkeit oder stufenweiser Wiedereingliederung zum Entlasszeitpunkt bei vorliegender Arbeitsunfähigkeit zu Beginn der Reha [PsyBaDo, Entlassbericht] Diese Indikatoren wurden vom ungünstigsten bis zum besten Rehaerfolg in einheitliche Skalen (0–100) transformiert. KTL-QPs nach Beckmann und Teßmann (2013) zur KTL-Verteilung, -Menge sowie -Dauer (unabhängige Variablen) klärten in ANOVAs die Varianz der Reha-Qualitätsindikatoren (abhängige Variablen) auf. Eine mittlere Effektstärke (Cohen, 1992) wurde für kriteriumsbezogene Validität erwartet. Studiendesign: Quasi-Experiment. Ergebnisse Als Stichprobe resultierte N=1075 (Männer 47 %), Alter: 47,2 (SD=9,6) Jahre. Die Verteilungen des N auf die KTL-QPs nach Beckmann, Teßmann (2013) sind in Abb. 1 dargestellt. 344 Abb. 1: N von QPs zu KTL-Verteilung, -Menge und -Dauer (N=1075 psychosomatische Patienten) Abbildung 1 verdeutlicht, dass das N über die KTL-QPs sehr heterogen verteilt war. Im nächsten Schritt wurde der Einfluss der KTL-QPs auf die Reha-Indikatoren getestet. Wegen des hohen sowie heterogen verteilten N der QPs wurde das Augenmerk nicht auf die Signifikanzen der ANOVAs, sondern auf deren Effektstärke (ETA-Quadrat) gelegt. Ermittelt wurde, ob die KTL-QPs mit mittlerer Effektstärke die Varianz der Reha-Qualitätsindikatoren aufklärte. Wie in Abb. 2 ersichtlich, konnten die KTL-QPs die Reha-Indikatoren nicht mit mittlerer Effektstärke (ETA-Quadrat ≥0,059) aufklären. Lediglich kleine Effektstärken (ETA-Quadrat ≥ 0,010) wurden in 4 (von 12) statistischen Tests von den KTL-QPs erreicht, die restlichen lagen noch unterhalb eines kleinen Effekts. Abb. 2: Effektstärken der KTL-QPs zur Varianzaufklärung von Qualitätsindikatoren einer psychosomatischen Reha. Referenzlinien stellen mittlere (0,059) (Hypothese) sowie kleine (0,010) Effektstärken dar. Diskussion Die Hypothese, dass KTL-QPs kriteriumsbezogen anhand psychosomatischer Rehaerfolge validierbar sind, konnte nicht belegt werden. Die unterschiedlichen Effekte der KTL-QPs erscheinen allerdings bemerkenswert. So konnte KTL-Dauer immerhin 3 Reha-Qualitätsindikatoren mit kleiner Effektstärke aufklären. KTL-Menge zeigte in einem Test ein nennenswertes Ergebnis. Sämtlich nicht berichtenswerte Effektstärken resultierten jedoch für die 345 QPs von KTL-Verteilung. Kritisch anzumerken ist das naturalistische Setting der Studie, da Patienten nicht randomisiert verschiedene KTL-Dosen bzw. KTL-Diversifizierungen erhielten. Daher ist auch mit Selektionseffekten in den Ergebnissen ist zu rechnen. Schlussfolgerung Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die psychosomatische Rehabilitationsqualität mit unterschiedlichen KTL-Dosen begrenzt beeinflussen lässt. Während die QPs von KTL-Dauer noch nennenswert mit der psychosomatischen Reha-Qualität korrespondieren, scheinen die QPs von KTL-Verteilung jedoch zusammenhangslos zum Reha-Erfolg zu stehen. Zur besseren Generalisierbarkeit der Ergebnisse sollte die Fragestellung dieser Studie mit Daten aus mehreren Kliniken getestet werden. Ziel sollte sein, empirisch validierte KTL-QPs zu modellieren, mit denen sich die psychosomatische Reha-Qualität effektiver als bisher beeinflussen lässt. Literatur Beckmann, U., Teßmann, W. (2013): Therapeutische Versorgung – KTL Bericht 2013. Deutsche Rentenversicherung Bund. Cohen, J. (1992): A power primer. Psychological Bulletin, 112. 155-159. Franke, G.H. (2002): Symptom-Checkliste von L.R. Derogatis – Deutsche Version (SCL90-R), Manual. Göttingen: Hogrefe. Jack, M. (2007): Fragebogen zur Erfassung von Ressourcen und Selbstmanagementfähigkeiten (FERUS), Manual. Göttingen: Hogrefe. 346 Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen Daten der stationären Suchtrehabilitation 1993–2013: Bedeutung von Suchtmitteln, Lebensalter, Komorbiditäten für die Rehabilitation der Zukunft Hinze-Selch, D., Weitzmann, P., Zentner, S., Voigt, W., Englert, I., Nebe, R. Fachkliniken St. Marien-St.Vitus, Neuenkirchen-Vörden Hintergrund „Klassische“ Suchtrehabilitation und die langjährig etablierte Suchtselbsthilfe verlieren an Boden (Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen, 2012). Die heutigen Patienten passen nicht mehr in alte Konzepte. Suchtrehabilitationsanträge an DRVen sind rückläufig. In der vorgelegten Studie werden die Hypothesen untersucht, dass sich über die letzten zweu Jahrzehnte Altersstruktur, Suchtgewohnheiten und vor allem psychische Komorbiditätsbedingungen verändert haben bei Verkürzung der Behandlungszeiten in stationären Settings. Wir hypostasieren, dass die psychische Komorbidität zugenommen hat. Dies könnte bedeutsam sein für die Schwierigkeiten im traditionellen Suchthilfesystem. Methoden In 2 Suchtfachkliniken (200 Behandlungsplätze) zur gendersensiblen Behandlung von Abhängigkeiten von legalen Substanzen, sowie Glücksspiel wurden die Gesamtjahresbehandlungsdaten bezüglich Lebensalter, Therapieadhärenz, somatischer/psychischer Komorbiditätsdiagnosen (ab 1998), Behandlungsdauern und Kostenträgerkonstellationen ausgewertet für die Behandlungszeiträume 1993 bis 1995, 1998 bis 2000, 2003 bis 2005 und 2011 bis 2013. Die Ergebnisse werden über den Zeitverlauf, sowie für beide Einrichtungen und Geschlechter dargestellt. Ergebnisse Bei mäßigem Anstieg des Durchschnittsalters (m: 43,2 vs. 44,6, w: 39,9 vs. 42,2 Jahre) nimmt der Anteil der bis 25-jährigen Männer deutlich zu (0,9 vs. 6,4 %) unter Abnahme der „klassischen“ Reha-Altersgruppen 26–50Jahre (m: 75 vs. 61 %, w: 40 vs. 28 %) und Zunahme der über 50-Jährigen (m: 24 vs. 32 %, w:59 vs. 72 %). Nichtantrittsquote steigt für beide Geschlechter (8 vs 16 %), während die Abbruchquote bei Männern steigt (8 vs. 11 %) und Frauen fällt (16 vs. 13 %) bei weitgehend stabilen Quoten für reguläre Entlassung (85 %). Die Behandlungsfälle pro Jahr steigen um rund 50% bei weitgehend stabilen Kostenträgerkonstellationen (DRVen 85 %,Krankenkassen 12 %) und entsprechend abnehmenden durchschnittlichen Behandlungsdauern (m: 105 vs. 77, w: 99 vs. 85 Tage). Die Diagnosenlast (Anzahl Diagnosenennung/Anzahl der Behandlungsfälle im Zeitraum) steigt für die ICD-10-F1Suchtdiagnosen (m: 1,15 vs. 1,93, w: 0,57 vs. 1,91; mit pathologischem Glücksspiel m: 2,14, w: 1,92). Die Diagnosenlast durch psychische Komorbidität steigt (m: 0,03 vs. 0,72, w: 0,35 vs. 1,77), insbesondere durch Depressionsdiagnosen (m: 0,03 vs. 0,28, w: 0,04 vs. 0,52), Angst-/Belastungsreaktionsdiagnosen F4 (m: 0,01 vs. 0,22, w: 0,06 vs. 0,74), sowie Persönlichkeitsstörungsdiagnosen (m: 0,03 vs. 0,21, w: 0,14 vs. 0,24). Somatische Komorbiditätsdiagnosen nehmen ab bei Männern (1,89 vs. 1,25;), aber zu bei Frauen (0,45 vs. 0,65). 347 Diskussion In unseren beiden, unabhängigen, gendersensiblen Suchtfachkliniken hat über die letzten 20 Jahre der Anteil der ehemals „klassischen“ Suchtreha-PatientInnen (40 Jahre, gut im Leben stehend) abgenommen bei gleichzeitiger Zunahme der Suchtbelastung durch Substanzen und Verhaltenssüchte. Die psychische Komorbiditätslast hat ebenfalls erheblich zugenommen, sodass unsere Daten bei verkürzten Behandlungszeiten und unverändert bestehenden Barrieren zwischen den Hilfe-/Behandlungssystemen die Hypothese unterstützen, dass diese Faktoren bedeutsame Veränderungen und Erschwernisse darstellen, denen das klassische Suchthilfesystem nicht gewachsen sein kann. Schlussfolgerungen Wenn die Diagnosenlast für Suchtstörungen auf fast 2, und für psychische Komorbiditätsdiagnosen, teils chronisch schwerer Störungen, wie Depressionen, Belastungs- und Persönlichkeitsstörungen, auf rund 1 gestiegen ist, kann die Bewertung der Rehabilitationsaufwendungen allein nach einer Suchthauptdiagnose nicht mehr hinreichend sein. Selbst wenn diese Diagnosen nicht tatsächlich so stark zugenommen haben bei den PatientInnen, so haben sie unzweifelhaft zugenommen in der Wahrnehmung durch die Behandler in einem zeitgemäßen bio-psycho-sozialen Konzept von Suchtstörungen als zumeist Folgestörungen in einem komplexen, teilhabefähigkeitsmindernden psychiatrisch-sozial-medizinischen Krankheitsbild. Somit müssen Behandlungsmodalitäten patientenzentriert, flexibilisiert, Hilfesystembarrieren überschreitend langfristige Begleitungen, Behandlungen und professionelle Hilfen ermöglichen zur stabilen Teilhabebefähigung. Literaturverzeichnis Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (2012): Jahrestagung Sucht und Selbsthilfe auf Augenhöhe; http://nls-online.de/home16/index.php/downloads/cat_view/3-nls-jahrestagungen/14-2012-sucht-und-selbsthilfe-auf-augenhoehe Evaluation der stationären Behandlung bei Alkoholabhängigkeit – Ergebnisse von fünf Entlassungsjahrgängen 2007-2011 Bachmeier, R. Johannesbad Holding, Bad Füssing Einleitung Seit Bestehen gehört die Qualitätssicherung von Behandlungsangeboten für Abhängigkeitserkrankte zu den Hauptaufgaben des Fachverbandes Sucht e. V. und seinen Mitgliedseinrichtungen. Besonderer Wert wird dabei auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität gelegt. Die Erhebung einer Basisdokumentation sowie die Durchführung von Katamnesen bilden wesentliche Grundsteine zur Bewertung der Ergebnisqualität. Methodik Es werden Basisdokumentations- und Katamnesedaten (1-Jahres-Katamnese) der Mitgliedseinrichtungen des Fachverbandes Sucht für 2007 bis 2011 (Missel et al., 2010, 2011, 348 2012, 2013, 2014) dargestellt. Die Daten von Basisdokumentation und Katamnese wurden in den jeweiligen Kliniken erhoben und pro Patient als ein anonymisierter Datensatz dem Fachverband Sucht e. V. zur Auswertung übermittelt. Als Erhebungsinstrumente kamen der Erhebungsbogen zur Basisdokumentation (DHS, 2008, Fachausschuss Sucht des AHGWissenschaftsrates, 2007a) während der Behandlung in den Kliniken sowie der Nachbefragungsbogen zur stationären Entwöhnungsbehandlung (DHS 2008, Fachausschuss Sucht des AHG-Wissenschaftsrates, 2007b) zum Katamnesezeitpunkt zum Einsatz. Die katamnestische Nachbefragung wurde postalisch und in einigen Kliniken zusätzlich auch telefonisch durchgeführt. Aus den katamnestisch erhobenen Antworten zur Abstinenz wurden die Ergebniskategorien abstinent, abstinent nach Rückfall, Rückfall und Rückfall per Definition gebildet. Die Berechnung der Abstinenz- und Therapieerfolgsquoten orientieren sich an den Dokumentationsstandards III für die Evaluation der Behandlung von Abhängigen (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, 2001). Ergebnisse Die dargestellten Daten umfassen die stationären Behandlungen folgender Patientenstichproben 10.983 (2007), 10.461 (2008), 10.961 (2009), 13.113 (2010) und 13.570 (2011). Der Vergleich der Katamneseantworter mit der Gesamtstichprobe zeigt bei allen Entlassungsjahrgängen jeweils geringere Anteile Antworter bei männlichen Patienten, nicht verheirateten Patienten, Patienten ohne feste Partnerbeziehung, erwerbslosen Patienten und nicht planmäßig entlassenen Patienten sowie ein höheres Alter, längere Abhängigkeitsdauern und längere Behandlungsdauern bei Antwortern. Zudem zeigt sich in allen Entlassungsjahrgängen jeweils ein Anstieg des Anteils erwerbstätiger Patienten und Patienten ohne Arbeitsunfähigkeitszeiten beim Vergleich der Zeitpunkte Therapiebeginn und Katamnese. Die katamnestische Therapieerfolgsquote nach DGSS 4 (bezüglich der Abstinenz) bleibt zwischen 2007 und 2009 mit Werten zwischen 45,1 % (2009) und 43,6 % (2008) relativ konstant und geht mit 41,3 % in 2010 und 39,8 % in 2011 deutlich zurück. Die katamnestische Erfolgsquote nach DGSS 3 bleibt zwischen 2007 und 2010 mit Werten zwischen 79,3 % (2009) und 78,1 % (2007) relativ konstant. Im Jahr 2011 geht die katamnestische Erfolgsquote nach DGSS 3 dagegen deutlich auf 75,3 % zurück. Es finden sich zudem in allen Entlassungsjahrgängen höhere katamnestische Therapieerfolgsquoten bei Frauen, älteren Patienten, Patienten mit fester Partnerschaft, erwerbstätigen Patienten, Patienten ohne psychische Komorbidität, einem Entzug sowie mit planmäßiger Therapiebeendigung. Der Trend im Rückfallgeschehen bleibt über die Jahre hinweg gleich, indem sich jeweils etwa 2/3 der Rückfälle in den ersten 4 Monaten nach Behandlungsende ereignen. Diskussion Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Ergebnisqualität in der stationären Behandlung Abhängigkeitskranker in den Einrichtungen des Fachverbandes Sucht. Dies wird bestätigt für die Stichprobe der Katamneseantworter mit einer Verbesserung der Erwerbssituation und der Arbeitsunfähigkeitszeiten beim Vergleich der Daten zum Katamnesezeitpunkt und stationären Therapiebeginn. Des Weiteren ergeben sich hohe katamnestischen Erfolgsquoten nach DGSS 4 und DGSS 3, wenngleich die Erfolgsquote nach DGSS 4 in den Jahren 2010 349 und 2011 und nach DGSS 3 in 2011 jeweils deutlich absinkt. Möglicherweise besteht hierbei ein Zusammenhang mit einer zunehmenden Krankheitsschwere (Chronifizierung, Co- und Multimorbidität) der Patienten über die betrachteten Jahre. Literatur Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (Hrsg.) (2001): Dokumentationsstandards III für die Evaluation der Behandlung von Abhängigen. SUCHT, 47. Jahrgang, Sonderheft 2. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) (Hrsg.) (2008): Deutscher Kerndatensatz zur Dokumentation im Bereich der Suchtkrankenhilfe. Stand: 05.10.2010. www.dhs.de. Fachausschuss Sucht des AHG-Wissenschaftsrates (Hrsg.) (2007a): Basisdokumentation Sucht Version 1.0, Düsseldorf. Fachausschuss Sucht des AHG-Wissenschaftsrates (Hrsg.) (2007b): Nachbefragungsbogen zur stationären Entwöhnungsbehandlung (Katamnese Sucht), Version 1.0. Düsseldorf. Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Medenwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V., Wüst, G. (2010): Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2007 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 17/1. 9-20. Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Medenwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V., Wüst, G. (2011): Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2008 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 18/1. 15-26. Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Lange, N., Medenwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V. (2012): Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2009 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 19/1. 16-27. Missel, P., Bick, S., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Lange, N., Medenwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V. (2013): Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2010 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 20/1. 13-25. Missel, P., Jung C., Herder F., Fischer R., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Kersting, S., Lange, N., Medenwaldt, J., Mielke D., Schneider, B., Seeliger C., Verstege, R., Weissinger, V. (2014). Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2011 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 21/1. 5-18. 350 Prognostische Bedeutung der RMK-Bedarfsgruppen für die stationäre Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger – Aktuelle Ergebnisse der 1-Jahres-Katamnese Spyra, K. (1), Egner, U. (2), Fahrenkrog, S. (1), Köhn, S. (1), Lindenmeyer, J. (3), Missel, P. (4) (1) Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (3) salus Klinik Lindow, (4) AHG Kliniken Daun Am Rosenberg Hintergrund Das Konzept der Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) stellt einen Ansatz dar, der innerhalb einzelner Indikationen, u. a. für die Rehabilitation Alkoholabhängiger, ICF-bezogen Bedarfe abbildet, die für die therapeutischen Interventionen prognostisch bedeutsam sind. Grundlegend bei der Ableitung von RMK ist der Rückgriff auf empirische Daten aus der Versorgungspraxis. Unter Einbeziehung etablierter Instrumente (SCL-90-R, BDI-II, AASE, AVEM, F-SozU etc.) wurde ein RMK-Klinik-Assessment entwickelt, das zur Differenzierung von 4 Bedarfsfallgruppen zu Beginn der stationären Alkoholentwöhnung geeignet ist. Mit dem Instrument konnten 4 Gruppen ermittelt werden, die sich zu Reha-Beginn signifikant in ihrem Reha-relevanten somato-psycho-sozialen Therapiebedarf unterscheiden (Spyra et al., 2010; 2011). Bisher lagen allerdings keine Ergebnisse dazu vor, ob bzw. wie sich die zu Reha-Beginn ermittelten Beeinträchtigungsgruppen hinsichtlich zentraler Outcome-Parameter 1 Jahr nach Reha unterscheiden. Hierzu werden im Folgenden Ergebnisse aus der 1-Jahres-Katamnese berichtet. Fragestellung Unterscheiden sich die zu Reha-Beginn mit Hilfe des RMK-Assessments ermittelten Fallgruppen alkoholabhängiger Rehabilitanden auch hinsichtlich der routinemäßig in der 1-Jahres-Katamnese von den Kliniken erhobenen Outcome-Kriterien? Methode In einer kürzlich abgeschlossenen Studie wurden von 05/2011 bis 12/2012 in 12 Kliniken alkoholabhängige Rehabilitanden mit dem RMK-Assessment befragt und hinsichtlich der RMK Bedarfsgruppenzugehörigkeit klassifiziert. Hier wird über Ergebnisse aus der 1-Jahres-Routinekatamnese berichtet, die sich auf die Unterschiede in Outcome-Kriterien der RMK-Gruppen bezieht. Es wurde untersucht, welche prognostische Relevanz die Zugehörigkeit zu einer RMK-Bedarfsgruppe für die 1 Jahr nach Reha festgestellten Ergebnisse hat. Ergebnisse Die Stichprobe bestand aus n=1.768. Der Rücklauf der 1-Jahres-Katamnese lag bei 53,3 % (n=942), wies allerdings deutliche Unterschiede über die Bedarfsgruppen auf. Er lag in der am wenigsten beeinträchtigten Gruppe (RMK-AL-1) mit 59,1 % deutlich höher als in der am schwersten beeinträchtigten Gruppe (RMK-AL-4) mit 48,1 %. Hinsichtlich der Ergebnisse zeigte sich, dass die Abstinenzquote nach DGSS1 für die am leichtesten beeinträchtige Bedarfsgruppe 1 Jahr nach Reha mit 76,7 % signifikant (p=0,012) besser ausfiel als für die am schwersten beeinträchtigte Gruppe, wo sie bei 64,8 % lag. Bei der Berechnung nach 351 DGSS 4 wurde ein ähnlicher Unterschied gefunden: die Gruppe RMK-AL-1 wies mit einer Quote von 44,4 % deutlich bessere Werte auf als die Gruppe RMK-AL-4, deren Quote bei 29,5 % lag. Auch hinsichtlich der Frühberentungen wiesen die Rehabilitanden der weniger beeinträchtigten Gruppe tendenziell bessere Ergebnisse auf. 14,9 % der Rehabilitanden der RMK-AL-1 im Vergleich zu 26,3 % der Gruppe RMK-AL-4 beziehen eine Rente oder haben ein laufendes Rentenverfahren. Diskussion und Ausblick Die 1 Jahr nach Reha festgestellten Unterschiede in den Katamneseergebnissen der RMKGruppen weisen darauf hin, dass die eingangs gemessenen Bedarfsunterschiede auch prognostisch relevant sind. Die RMK eröffnen damit auch einen neuen methodischen Zugang zur Ergebnisbewertung, der über die bisher üblichen Untersuchungen von Einzelzusammenhängen hinaus geht: Bisher beschränken sich Untersuchungen zu Erklärungsansätzen für Outcome-Unterschiede meist auf die isolierte Betrachtung einzelner oder weniger Patientenmerkmale. Mit dem RMK-Konzept sind nun differenzierte Effektivitätsbetrachtungen möglich. Die Katamneseergebnisse belegen, dass die Rehabilitation für differenzielle Patientengruppen (RMK) zurzeit unterschiedlich effektiv ist. Die prognostischen Unterschiede belegen dabei einerseits die Relevanz der statistisch modellierten Unterschiede im Ausgangsbedarf, zum anderen sind sie als Hinweis auf mögliche Optimierungspotenziale der zurzeit realisierten Behandlung zu interpretieren. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund, AHG Allgemeine Hospitalgesellschaft AG, AKG Dr. S. Zwick GmbH und Co. KG, Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V., Paracelsus-Kliniken-Deutschland GmbH, salus klinik Lindow, Haus Saaletal GmbH, Klinik Eschenburg KG Literatur Spyra, K., Ammelburg, N., Köhn, S. (2010): Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK): Überblick zu den Ergebnissen aus der bisherigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 87. 63-80. Spyra, K., Köhn, S., Ammelburg, N., Schmidt, C., Missel, P., Lindenmeyer, J. (2011): Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) – Entwicklungsprozess und ausgewählte Ergebnisse am Beispiel der Suchtrehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 298-307. Ergebnisqualität einer Web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer Rehabilitation Alkoholabhängiger Missel, P. (1), Arens, J. (1), Kramer, D. (2) (1) AHG Kliniken Daun, (2) salus klinik Friedrichsdorf Theoretischer Hintergrund Verschiedene Studien konnten bereits die erfolgreiche Implementierung von Nachsorgekonzepten nach einer stationären psychosomatischen Rehabilitation mit Hilfe neuer Medien zeigen (vgl. Ebert et al., 2008). Allerdings fehlen vergleichbare Ansätze bezogen auf die Re352 habilitation Alkoholabhängiger. Daher wurde das vorliegende, von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderte, Projekt einer Web-basierten Tele-Nachsorge initiiert. Hier sollten der Erhalt einer abstinenten Lebensweise im Alltag gesichert und die poststationäre Schnittstellenproblematik überwunden werden (vgl. Wollmerstedt et al., 2013). Methodik In 2 Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen wurde die vorliegende prospektive, randomisierte Längsschnittstudie mit einer Experimentalgruppe (EG, wöchentliche Internetbasierte Gruppentherapie im Chat) und einer Kontrollgruppe (KG, monatlicher Telefonkontakt zu einem Klinikmitarbeiter) durchgeführt (nGesamt = 268). Beide Interventionsformen fanden über einen Zeitraum von 6 Monaten nach Entlassung aus der stationären Rehabilitation statt. Als Datenbasis dienten die standardisierte Basisdokumentation und Katamnestik, psychometrische Fragebögen sowie spezifische Instrumente zur Erhebung von Rückfällen, Nachsorgeverhalten und zur Programmevaluation. Ergebnisse Die Abstinenzquoten wurden gemäß der Standards der DGSS (DGSS 1–4) berechnet. 6 Monate nach der stationären Entlassung fällt die Erfolgsquote der EG mit 69,4 % erwartungsgemäß höher aus als in der KG (59,5 %). Zur 1-Jahres-Katamnese wurden die Abstinenzquoten von EG und KG einer Vergleichsgruppe (TAU, treatment as usual) gegenübergestellt: Die Teilnehmer der Interventionsgruppen wiesen hier je nach Standard eine um 10–20 % höhere Erfolgsquote auf als Patienten der TAU (p<0.05). Es zeigte sich zudem ein Trend zugunsten der EG. Diskussion Bezogen auf die Abstinenzsicherung 1 Jahr nach Entlassung aus der stationären Rehabilitation deuten die Ergebnisse sowohl auf die Wirksamkeit einer therapeutisch geleiteten Chat-Nachsorge als auch eines telefonischen Kurzkontaktes im Vergleich zu TAU hin. Schlussfolgerungen Internet-basierte sowie telefonische Nachsorgekonzepte stellen ein innovatives, bedarfsgerechtes Behandlungsangebot dar, welches die Chance bietet, den Anteil der regelmäßig an Nachsorgemaßnahmen teilnehmenden Patienten zu erhöhen. Literatur Ebert, D., Tarnowski, T., Berking, M., Sieland, B. (2008): Vernetzung von Psychotherapie und Alltag: Ein web-basiertes Nachsorgekonzept zur Förderung von stationären Therapieerfolgen. In: Bauer, S., Kordy, H.: E-Mental-Health. Neue Medien in der psychosozialen Versorgung. Heidelberg: Springer. Missel, P., Kramer, D., Preßler, A.-L., Arens, J. (2014): Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Ergebnisqualität einer Web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer Rehabilitation Alkoholabhängiger“ (unveröffentlicht). Wollmerstedt, N., Kramer, D., Arens, J., Missel, P. (2013): Chat-Nachsorge für stationär entwöhnte Alkoholabhängige – Verlauf der Studie. DRV-Schriften, Bd. 101. 68-69. 353 Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis: Ergebnisse der Multicenterstudie Lindenmeyer, J. (1, 2), Rinck, M. (3), Becker, E. (3), Mühlig, S. (2), Wiers, R. (4) (1) salus klinik Lindow, (2) TU Chemnitz, (3) Universität Nijmegen, (4) Universität Amsterdam Theoretischer Hintergrund In 4 randomisiert-kontrollierten Studien der Autoren mit hohen Fallzahlen konnte nachgewiesen werden, dass die Rückfallrate bei Alkoholabhängigen durch ein PC-gestütztes Alkohol-Vermeidungstraining (AAATT) langfristig signifikant gesenkt werden kann (Wiers et al., 2011; Eberl et al., 2013). In einer multizentrischen Phase-IV-Studie wurde nunmehr die Akzeptanz des Trainings durch Behandler und Patienten sowie seine Effektivität in der Routineversorgung (effectiveness) in 10 stationären Entwöhnungseinrichtungen für Alkoholabhängige überprüft. Probanden 1.400 Alkoholabhängige in stationären Entwöhnungsbehandlung. Procedere Die Probanden wurden zufällig auf eine Trainingsgruppe (6 Sitzungen Vermeidungs-Training à 15 Minuten mit jeweils 220 Trainingsdurchgängen) bzw. eine Kontrollgruppe ohne Training verteilt. Beim Vermeidungs-Training hatten die Probanden die Aufgabe, Bilder von alkoholischen Getränken auf dem Bildschirm mit Hilfe eines Joysticks wegzudrücken (Vermeidung) und nichtalkoholische Getränke heranzuziehen (Annäherung). Zur Ermittlung der kurzfristigen und langfristigen Trainingseffekte wurden bei allen Patienten eine 3-, 6- und 12-Monats-Katamnese entsprechend DGSS 4 (intention to treat) durchgeführt. Ergebnisse Die Basisdaten und Diagnostikdaten zeigen, dass die Stichprobe repräsentativ für die allgemein in stationärer Entwöhnungsbehandlung befindlichen Patienten ist. Sowohl bei Patienten als auch Mitarbeitern der beteiligten Kliniken zeigte sich eine hohe Akzeptanz des Trainings. Hinsichtlich einiger Bewertungsvariablen gab es signifikante Unterschiede zwischen Patienten und Therapeuten sowie eine große Varianz zwischen den beteiligten Kliniken. Bei 3-Monats-Katamnese zeigte sich eine signifikant höhere Abstinenzquote in der Trainingsgruppe als in der Kontrollgruppe (p<0,02). Bei der 6-Monats-Katamnese war dieser Effekt aufgrund der geringen Antworterrate lediglich tendenziell signifikant (p<0,06). Die Ergebnisse der 12-Monats-Katamnese werden bis zum Reha-Kolloquium vorliegen. Schlussfolgerung und Ausblick Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch den zusätzlichen Einsatz des Joysticktrainings AAATT auch in der Routineversorgung von Alkoholabhängigen eine nachhaltige Verbesserung stationärer Entwöhnungsbehandlung erzielt werden kann. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund 354 Literatur Eberl, C., Wiers, R., Pawelczack, S., Rinck, M., Becker, E., Lindenmeyer, J. (2013): Approach bias modification in alcohol dependence: Do clinical effects replicate and for whom does it work best? Developmental Cognitive Neuroscience, 4. 38-51. Wiers, R., Eberl, C., Rinck, M., Lindenmeyer, J. (2011): Re-training automatic action tendencies. Changes alcoholic patient’s approach bias for alcohol and improves treatment outcome. Psychological Science, 20. 1-8. „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“ zur S3-Leitlinie alkoholbezogener Störungen Missel, P. (1), Arens, J. (1), Koch, A. (2) (1) AHG Kliniken Daun, (2) Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) Hintergrund und Zielsetzung Im Rahmen der Entwicklung der S3-Leitlinie Alkoholabhängigkeit unter Aufsicht der AWMF wurden in einem eigenen Kapitel Schlüsselempfehlungen zur „Entwöhnungsbehandlung und anderen Formen der Postakutbehandlung“ entwickelt. Die bisherige Nomenklatur „Postakutbehandlung“ wurde in „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“ neu benannt. Methode In einer eigenen Arbeitsgruppe mit Experten fanden systematische Literaturrecherchen hinsichtlich internationaler Quell-Leitlinien, nationaler Leitlinien und Standards statt. Es wurden Evidenztabellen im Rahmen von systematischer und unsystematischer Literaturrecherche erstellt. Als klinische Fragestellungen wurden nachfolgend konsentiert, beispielhafte Schlüsselempfehlungen werden benannt: 1. Welche Wirksamkeit (positive, fehlende, unerwünschte) weisen postakute Interventionsformen im kontrollierten Vergleich bei der Behandlung des Alkoholabhängigkeitssyndroms auf? „z. B. Schlüsselempfehlung 3.8.3-1: Generelle Wirksamkeit Postakute Interventionsformen sollen Patienten im Anschluss an die Entzugsphase als nahtlose weiterführende Behandlung angeboten werden. Dabei stellt die Abstinenz bei abhängigem Konsum die übergeordnete Zielsetzung dar. Evidenzgrad: KKP.“ 2. Von welchen der folgenden Bedingungen ist die Wirksamkeit abhängig? a) Patientengruppen (z. B. Co- und Multimorbidität, Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Status, Migrationshintergrund) b) Setting (ambulant, ganztägig ambulant, stationär) c) Behandlungsdauer d) Interventionskomponenten „z. B. Schlüsselempfehlung 3.8.3-12: Bedingungen: Interventionskomponenten 355 Verhaltenstherapie soll im Rahmen der Postakutbehandlung angeboten werden. Evidenzgrad: A.“ 3. Welche Ergebnismaße (z. B. Abstinenz, Konsumreduktion, Rückfallraten, Mortalität, berufliche (Re-)Integration, Lebenszufriedenheit) sollen berücksichtigt werden? „z. B. Schlüsselempfehlung 3.8.3-25: Ergebnismaße: Abstinenz Ist das Ziel der Behandlung von alkoholbezogenen Störungen die Abstinenz, sollte als primäres Ergebnismaß die katamnestische Erfolgsquote hinsichtlich der Abstinenz herangezogen werden. Evidenzgrad: KKP.“ Ergebnis In dem Beitrag werden insgesamt 27 Schlüsselempfehlungen zur generellen Wirksamkeit, zu Therapiezielen, zu Rahmenbedingungen, zu Interventionskomponenten, zu Ergebnismaßen und zur Evaluation vorgestellt. Diese Schlüsselempfehlungen wurden in einer Konsensuskonferenz vom 06. bis 08.02.2014 in Mannheim konsentiert und verabschiedet. Diskussion und Ausblick Die S3-Leitlinien zur „Entwöhnungsbehandlung und anderen Formen der Postakutbehandlung“ werden zu nationalen Standards u. a. in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker werden. Sie bedeuten eine Herausforderung für das Versorgungssystem, sowohl für Leistungsträger wie Leistungserbringer. Förderung: DGPPN Literatur Missel, P., Koch, A. (2012): S3-Leitlinienentwicklung „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“. Beitrag auf dem Deutschen Suchtkongress 2012 in Berlin. Missel, P., Arens, J., Koch, A. (2014): „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“. Beitrag auf dem Deutschen Suchtkongress 2014 in Berlin. 356 Orthopädische Rehabilitation Standortbestimmung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation (VMO) – zwischen orthopädischer und psychosomatischer Rehabilitation? Krischak, G. (1, 2), Schurr, S. (1), Jankowiak, S. (1), Dannenmaier, J. (1) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Hintergrund Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes werden häufig von psychischen Erkrankungen begleitet. Während die Prävalenz in der deutschen Bevölkerung ca. 20 % beträgt (Jacobi et al., 2004), weisen zwischen 30 % und 50 % der Rehabilitanden mit einer orthopädischen Erkrankung eine psychische Komorbidität auf (DRV Bund, 2014). Unter Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg leiden Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose „Rückenschmerz“ (M54) (ICD F30–39) am häufigsten auch unter neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40–F48) sowie unter affektiven Störungen (F30–F39) (RSD, 2012). Da eine psychische Komorbidität den Erfolg der Rehabilitation beeinflussen kann, ist die Mitbehandlung der psychischen Begleiterkrankung während der Rehabilitation von erheblicher Bedeutung. Ein Ansatz zu Sicherung der Rehabilitationsergebnisse stellt dabei die verhaltensmedizinisch-orthopädische Rehabilitation (VMO) dar. Die Wirksamkeit des Modellkonzepts der VMO an der Federseeklinik Bad Buchau wurde im Rahmen einer klinischen Studie im Vergleich zur orthopädischen (Federseeklinik) und psychosomatischen Rehabilitation (Schloßklinik Bad Buchau) überprüft. Methodik Im Rahmen der Studie wurden die Rehabilitationsergebnisse der Teilnehmer der VMO mit denen einer orthopädischen (OrthoR) sowie einer psychosomatischen (PsychR) Rehabilitation verglichen. Die Datenerhebung erfolgte zu Beginn (t0) und bei Entlassung (t1) aus der Rehabilitation anhand standardisierter Fragebögen. Bei allen Gruppen wurden soziodemografische Merkmale sowie die psychische Verfassung (SCL-90 R) erhoben. Der RehaStatus (IRES-2) wurde nur in der OrthoR und VMO erfasst. In die Auswertungen gingen 135 Fälle aus der OrthoR, 337 Fälle aus der PsychR und 486 Fälle aus der VMO ein. Die vorliegenden Daten wurden zunächst univariat anhand deskriptiver Statistiken ausgewertet. Ergebnisse Zwischen den drei Gruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bei der Altersverteilung. Jedoch bestanden signifikante Unterschiede bezüglich der Geschlechterverteilung, wobei der Frauenanteil in der OrthoR 43 %, in der VMO 61 % und in der PsychR 64 % betrug. Gemessen am GSI (Abb. 1) sind Rehabilitanden der VMO und PsychR bei Aufnahme und Entlassung gleichermaßen stärker psychisch belastet als Rehabilitanden der OrthoR (t0: p<0,0001; t1: p=0,0006). Sowohl in der Gruppe der VMO als auch in der PsychR 357 steigt durch die Rehabilitation der Anteil der Rehabilitanden ohne psychische Auffälligkeiten erheblich an. Eine klinisch signifikante Verbesserung des GSI wurde bei 26 % der Patienten in der PsychR, 17 % der Patienten in der VMO und 7 % in der OrthoR beobachtet (p<0,0001). Rehabilitanden der VMO weisen zu beiden Messzeitpunkten einen signifikant schlechteren Rehabilitations-Status (IRES-Gesamtscore) auf, als Rehabilitanden der OrthoR. Während die OrthoR einen Mittelwert von 6,19 bei Aufnahme (t0) und von 6,47 bei Entlassung (t1) aufweisen, liegt dieser bei Rehabilitanden der VMO bei 5,23 (t0) bzw. 5,35 (t1) (p<0,0001). Beide Gruppen verbessern sich im Rehabilitationsverlauf damit gleichermaßen (OrthoR: 0,30; VMO: 0,25; p=0.4335). Abb. 1: Globaler Kennwert der SCL-90 R-Skalen getrennt nach Zeitpunkt und Behandlungsgruppe Zusammenfassung Die psychische Belastung der VMO-Teilnehmer ist zu Beginn der Rehabilitation sehr ähnlich der von Rehabilitanden der psychosomatischen Rehabilitation, aber deutlich unterschiedlich zur orthopädischen Rehabilitation. Dies bestätigt eine zielführende bedarfsgerechte Zugangssteuerung. Dabei verbessert sich die psychische Verfassung sowohl bei VMO-Teilnehmern, als auch bei psychosomatischen Rehabilitanden, d. h. beide Gruppen profitieren von dem jeweiligen Behandlungskonzept. Bei Betrachtung des IRES-Gesamtscores bestätigt sich dieses Ergebnis. Rehabilitanden der VMO weisen einen deutlich schlechteren Rehabilitationsstatus auf als Rehabilitanden der OrthoR, verbessern sich im Rehabilitationsverlauf aber gleichermaßen. 358 Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) (Hrsg.) (2014): Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung. Jacobi, F., Wittchen, H.-U., Hölting, C., Höfler, M., Pfister, H., Müller, M., Lieb, R. (2004): Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: results from the German Health Interview and Examination Survey (GHS), Psychological Medicine 34: 1-15. Rehabilitationsstatistikdatenbasis der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (2012). Wie relevant ist Komorbidität für den sozialmedizinischen 6-Monats-Verlauf nach stationärer Rehabilitation wegen muskuloskelettaler Erkrankungen und psychischen Störungen? Gutt, S., Parthier, K., Mau, W. Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Hintergrund und Ziel der Untersuchung Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die bei muskuloskeletalen Erkrankungen in zahlreichen Studien nachgewiesene Komorbidität psychischer Störungen (Baumeister, Härter, 2011), die zu komplexen Einschränkungen und Belastungen der Betroffenen führen kann und damit eine besondere Herausforderung im Rehabilitationsprozess darstellt. Für die muskuloskeletale Erkrankungsgruppe werden deutschlandweit am häufigsten Rehabilitationsleistungen erbracht, gefolgt von psychischen Störungen – ohne Suchterkrankungen (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2013). Bei den psychischen Störungen spielen körperliche Beschwerden im Rehabilitationsprozess eine bedeutende Rolle. Aus den ersten Ergebnissen der ZuVerSichts-Studie, welche beide Indikationsbereiche bezüglich Zugangsund Verlaufseinschätzungen im rehabilitativen Prozess untersucht, ergab sich über das BSI18-Screening (Franke, 2000) ein Anteil von psychisch auffälligen orthopädischen Rehabilitanden von 37 % (Gutt et al., 2014). Für die von Komorbidität Betroffenen kann dies neben einer Verringerung der Lebensqualität mit sozialmedizinischen Konsequenzen einhergehen. Gegenstand dieses Beitrages sind daher die Analysen der Häufigkeiten ICD-relevanter muskuloskeletaler Komorbidität in der Psychosomatik und psychischer Störungen in der orthopädischen Rehabilitation sowie der sozialmedizinische Verlauf beider Indikationsgruppen mit und ohne psychischer bzw. muskuloskeletaler Komorbidität bezüglich des Erwerbstatus, der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE) sowie Erwerbsminderungsrentenantragstellung (EM). Methodik Dazu wurden die Daten der ZuVerSichts-Studie mit prospektivem multizentrischen Design herangezogen, in welcher soziodemografische, gesundheitsbezogene und sozialmedizinische Merkmale von orthopädischen und psychosomatischen Rehabilitanden der Deutschen 359 Rentenversicherung Mitteldeutschland im Alter von 18–63 Jahren zu 3 Messzeitpunkten (T1: Reha-Beginn, T2: Reha-Ende; T3: 6 Monate nach Reha-Ende) erfasst wurden. Auf Basis der Klinikroutinedaten wurden in der Orthopädie Patienten aller muskuloskeletalen Zuweisungsdiagnosen (ICD-10: M00–99) in die Studie aufgenommen; in der Psychosomatik Patienten mit Affektiven Störungen (ICD-10: F3) sowie Neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (ICD-10: F4). Die Reha-Entlassungsdiagnosen wurden als Referenzstandard zur Bildung der Gruppen herangezogen. Die subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit wurde mittels der Kurzskala „SPE“ (Mittag, Raspe, 2003) erhoben (Wertebereich zwischen 0 und 3), wobei höhere Werte eine schlechtere Prognose bedeuten. Bei kategorialen Variablen fanden nichtparametrische Tests Anwendung. Im Falle intervallskalierter Variablen wurden 1-faktorielle Varianzanalysen bei mehr als 1 Messzeitpunkt mit Messwiederholung durchgeführt. Ergebnisse Zu T1 haben insgesamt 292 Rehabilitanden aus der Orthopädie und 300 Rehabilitanden aus der Psychosomatik an der Studie teilgenommen (n=592). Zur Gruppenbildung wurden über die ICD-10-Entlassungsdiagnosen folgende 4 Patientengruppen zwischen den Indikationsgruppen gebildet: 1) Orthopädische Rehabilitanden ohne psychische Komorbidität („O“; n=224), 2) Orthopädische Rehabilitanden mit psychischer Komorbidität („O+P“; n=68), 3) Psychosomatische Rehabilitanden ohne muskuloskeletale Komorbidität („P“; n=203) und 4) Psychosomatische Patienten mit muskuloskeletaler Komorbidität („P+O“; n=97). Das durchschnittliche Alter der Rehabilitanden ist in der „O“-Gruppe M=51,5 (SD=8), in der „O+P“-Gruppe M=48,5 (SD=8), in der „P“-Gruppe M=48,1 (SD=10) und in der „P+O“-Gruppe M=50,4 (SD=8) Jahre (F=5,6, p<.001). Der Anteil an Frauen beträgt in der „O“-Gruppe 43 %, in der „O+P“-Gruppe 65 %, in der „P“-Gruppe 67 % und in der „P+O“-Gruppe 64 % (Phi p<.001). In der „P+O“-Gruppe ist zu T3 die geringste Erwerbstätigkeitsquote zu verzeichnen (Abnahme von 65 % zu T1 auf 54 % zu T3). Die Analyse des Zeitverlaufs bezüglich der EM-Rentenantragstellung ergab einen signifikanten Zeiteffekt im Sinne einer Zunahme des Anteils der Rentenantragsteller (Cochran-Q; p<.001). Die höchste Quote an Rentenantragstellern war zu allen Messzeitpunkten in der „O+P“-Gruppe zu verzeichnen (T1: 14%; T2: 16%; T3: 28%; p=.008). Die Steigerung von Reha-Beginn zur 6-Monats-Katamnese entspricht hier einer Verdopplung. Auch bei der „P+O“-Gruppe verdoppelten sich die Anteile zu T3 (T1: 11%; T2: 10%; T3: 22%; p=.004). Gruppenübergreifend lässt sich für die subjektive Erwerbsprognose (SPE) ein signifikanter Zeiteffekt feststellen (F=5,7; p=.003), wobei sich im Vergleich zwischen T2 und T3 eine signifikante Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr ins Erwerbsleben (F=10,4; p=.001) zeigt. Die „O+P“-Gruppe weist zu allen Messzeitpunkten die geringste Wahrscheinlichkeit der Rückkehr ins Erwerbsleben auf (T1: M=1,9 SD=0,94; T2: M=1,7 SD=1,0; T3: M=1,9 SD=0,92). Zusammenfassung und Diskussion In der „P+O“-Gruppe ist für 6 Monate nach Reha-Ende die geringste Erwerbstätigkeitsquote zu verzeichnen. Die „O+P“-Gruppe weist die geringste Wahrscheinlichkeit der Rückkehr ins Erwerbsleben (SPE) auf und hat die höchste Quote an EM-Rentenantragstellern. Der so- 360 zialmedizinische Verlauf ist 6 Monate nach Reha-Ende für die beiden komorbiden Indikationsgruppen am ungünstigsten. Eine stärkere, wissenschaftlich begleitete Fokussierung auf diese Patientengruppen in Bezug auf einen frühzeitigeren Reha-Zugang sowie eine adäquate Gestaltung der Rehabilitations- und Nachsorgeangebote erscheint notwendig. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland Literatur Baumeister, H.; Härter, M. (2011): Psychische Komorbidität bei muskuloskeletalen Erkrankungen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 54/1. 52-58. Deutsche Rentenversicherung Bund (2013): Reha-Bericht 2013. Die medizinische und berufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Berlin. Franke, G.H. (2000): BSI. Brief Symptom Inventory – Deutsche Version. Manual. Göttingen: Beltz. Gutt, S.; Parthier, K.; Rennert, D.; Mau, W. (2014): Zuweisungsdiagnostik und -steuerung in der psychosomatischen und orthopädischen Rehabilitation auf Basis eines Mixed-Method-Designs. DRV-Schriften, Bd. 103. 211-213. Mittag, O.; Raspe, H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4279 Mitgliedern der gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung zu Reliabilität (Guttman-Skalierung) und Validität der Skala. Die Rehabilitation 42. 169-174. Verhaltensbezogene Bewegungstherapie zur Optimierung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation bei chronisch nichtspezifischem Rückenschmerz Semrau, J., Hentschke, C., Geidl, W., Pfeifer, K. Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Hintergrund Bewegungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der körperlichen Fitness sind ein zentraler Bestandteil der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation (VMO) bei Personen mit chronischen nichtspezifischen Rückenschmerzen sowie bestehender deutlicher orthopädischer und psychischer/sozialer Funktionseinschränkung. Entwicklungspotenzial besteht in einer zielgerichteten Ansteuerung psychosozialer Faktoren (Hasenbring et al., 2010; Leeuw et al., 2007) und verhaltensbezogener Determinanten (Hofmann et al., 2013; Geidl et al., 2012) innerhalb funktionsorientierter bewegungstherapeutischer Interventionen zur systematischen Beeinflussung von gesundheitsbezogenen Verhaltensänderungen. Diese richten sind sowohl auf die Hinführung zu regelmäßiger körperlicher Aktivität als auch die Verbesserung des Selbstmanagements im Umgang mit Rückenschmerzen. Während die kurzfristige Effektivität einer VMO mit funktionsorientierter Bewegungstherapie nachgewiesen werden konnte, ist der Einfluss der verhaltensbezogenen Bewegungstherapie (VBT) auf die langfristige Wirksamkeit der VMO unklar. In diesem Beitrag werden Ergebnisse zu Effekten der VBT auf die langfristige Wirksamkeit der VMO berichtet. 361 Methodik Multizentrische, randomisierte Längsschnittstudie mit 4 Messzeitpunkten (Rehabeginn/-ende (t1/t2), 6-/12-Monats-Katamnese (t3/t4)) (Hofmann et al., 2013). Zielparameter werden bei Probanden im Alter von 18–65 Jahren mit chronischen nichtspezifischen Rückenschmerzen anhand standardisierter Selbstbefragungsinstrumente in 2 stationären Rehabilitationskliniken erhoben. Randomisierte Zuweisung von Probanden zu a) VMO mit üblicher Bewegungstherapie als Kontrollgruppe (KG) und b) VMO mit VBT als Interventionsgruppe (IG). Beide Programme der Bewegungstherapie weisen einen Gesamtumfang von Ø 26 h in 3 Wochen auf und werden durch festgelegte Therapeuten in geschlossenen Gruppen mit 6 bis 12 Teilnehmern, die bezüglich der Gruppenzuordnung maskiert sind, durchgeführt. Primäre Zielgröße: subjektive Funktionskapazität (FfbH-R); sekundäre Zielgrößen: Schmerz (NRS), Lebensqualität (SF-12), Depression (PHQ-D), Ängstlichkeit (Gad), Schmerzbewältigung (FESV) und schmerzbezogene Kognitionen (TSK). Der Gruppenunterschied im 12-monatigen Verlauf seit Reha-Beginn wird mittels eines gemischten linearen Regressionsmodells geprüft. Innergruppeneffekte werden als standardisierte Effektgrößen (SES) berichtet. Ergebnisse Insgesamt wurden 329 Probanden in die Studie eingeschlossen (KG, n=164; IG, n=165). Das durchschnittliche Alter ist 51 Jahre (SD=7,4); 79 % sind Frauen. Nach 12 Monaten verbessern sich beide Studiengruppen im primären Zielparameter signifikant um 2,3 (SD=8,5; SES=0,3; p=0,003) in der IG bzw. 3.0 (SD=8,3; SES=0,4; p<0,001) in der KG auf der Skala von 0–100 des FfbH-R. Es liegt kein signifikanter Gruppenunterschied vor (β=−0,75; 95 % KI [−2,88; 1,37]; p=0,50). In weiteren sekundären Zielparametern wie Schmerzreduktion (NRS) (IG: SES=−0,54; KG: SES=−0,63), körperlicher Funktionsfähigkeit (SF-12_KS) (IG: SES=0,32; KG: SES=0,56), psychischer Funktionsfähigkeit (SF-12_PS) (IG: SES=0,42; KG: SES=0,34), Depression (IG: SES=−0.45; KG: SES=−0,37), Ängstlichkeit (IG: SES=−0,51; KG: SES=−0,39), Aktivitätsvermeidung (TSK_AA) (IG: SES=−0,42; KG: SES=−0,36) und somatischer Fokus (TSK_SF) (IG: SES=−0,49; KG: SES=−0,52) weisen beide Studiengruppen signifikante Verbesserungen kleiner bis mittlerer Effektstärke auf. Kognitiven Strategien der Schmerzbewältigung (FESV) verbessern sich signifikant in beiden Gruppen mit kleinen bis mittleren Effekten (SES) von 0,29 bis 0,42 in der IG und 0,23 bis 0,38 in der KG. Bei behavioralen Strategien der Schmerzbewältigung verbessert sich lediglich Ruhe- und Entspannung (IG: SES=0,40; KG: SES=0,48) signifikant in beiden Gruppen. Insgesamt liegen bei sekundären Zielparametern keine signifikanten Gruppenunterschiede vor. Diskussion Langfristig weisen Teilnehmer beider Studiengruppen kleine bis mittlere Verbesserungen im primären Zielparameter und in sekundären Zielparametern auf. Ein zusätzlicher positiver Einfluss der VBT auf die nachhaltige Wirksamkeit der VMO konnte nicht ermittelt werden. Konsequenzen für die Gestaltung bewegungstherapeutischer Maßnahmen im Rahmen einer VMO werden diskutiert. Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung. 362 Literatur Geidl, W., Hofmann, J., Göhner, W., Sudeck, G., Pfeifer, K. (2012): Verhaltensbezogene Bewegungstherapie – Bindung an einen körperlich aktiven Lebensstil. Die Rehabilitation, 51. 259-268. Hasenbring, M.I., Verbunt, J.A. (2010): Fear-avoidance and endurance-related responses to pain: New models of behavior and their consequences for clinical practice. Clin. J. Pain, 26. 747-753. Hofmann, J., Peters., S., Geidl., W., Hentschke., C., Pfeifer, K. (2013): Effects of behavioural exercise therapy on the effectiveness of a multidisciplinary rehabilitation for chronic nonspecific low back pain: Study protocol for a randomised controlled trial. BMC Musculoskeletal Disorders, 14. 89. Leeuw, M. Goossens, M.E.J.B., Linton, S.J., Crombez, G., Boersma, K., Vlaeyen, J.W.S. (2007): The fear-avoidance model of musculoskeletal pain: current state of scientific evidence. Journal of behavioral medicine, 30. 77-94. Evaluation einer intensivierten Rehabilitation nach lumbalen Wirbelsäulenoperationen Schröter, J. (1), Lechterbeck, M. (2), Hartmann, F. (2), Gercek, E. (2) (1) Klaus-Miehlke-Klinik, Wiesbaden, (2) Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopädie, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein – Ev. Stift St. Martin, Koblenz Hintergrund Bislang gibt es keine einheitlichen Empfehlungen zur Therapie-Intensivität bei der (Anschluss-)Rehabilitation von Patienten, bei denen eine Operation im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) durchgeführt wurde. Wenngleich sich die Operationsmethoden im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert haben und somit die Belastungsfähigkeit nach den Operationen erhöht ist, erfolgte bislang keine Anpassung der konservativen rehabilitativen Nachbehandlung. Ein früher Start einer strukturierten Rehabilitation nach der Akutbehandlungsphase wird von Operateuren oft noch skeptisch betrachtet. Material und Methoden Um den Effekt einer intensivierten Rehabilitation nach Operationen im LWS-Bereich (beginnend in der 3. Woche nach der Operation) zu untersuchen, erfolgte ein Zusammenschluss von sieben wirbelsäulen-operierenden Kliniken, zwei stationären und drei ambulanten Rehabilitationszentren im Rhein-Main-Gebiet. Bei dieser prospektiven Untersuchung des Rehabilitationsverlaufes wurden 124 Patienten durch ihren Operateur in eine definierte Belastungsgruppe (A/B/C), unabhängig von Diagnose und Operationsverfahren eingeteilt. Gruppe A umfasst die Patienten mit einer gegebenen Primärstabilität ohne wesentliche Einschränkung hinsichtlich des postoperativen Belastungsaufbaus, Gruppe B umfasst Patienten mit geringen Einschränkungen und Gruppe C betrifft Patienten, welche eine geringere Primärstabilität aufweisen. Für jede Gruppe wurden vorab von allen Beteiligten die Therapieinhalte festgelegt (Tab.1). Bezüglich der Therapiedichte und -verteilung sowie der weite- 363 ren Therapieinhalte, wie zum Beispiel Patientenedukation erfolgte eine Orientierung an den DRV-Therapiestandards. Zur Evaluation wurden die etablierten Validierungsinstrumente Oswestry Disability Score (ODI), SF-12 und die Visuelle Analog Skala (VAS) sowohl zu Anfang der Rehabilitation, als auch zum Ende der Rehabilitation erhoben. Ergebnisse Entsprechend der Auswertung getrennt nach Geschlechtern und Gruppen konnte kein geschlechtsspezifischer Unterschied detektiert werden. In allen Gruppen zeigte sich eine signifikante Verbesserung in den drei Messinstrumenten Oswestry Disability Score (ODI), SF-12 und der Visuellen Analog Skala (VAS). Die Hypothese „Die Werte für die verschiedenen Skalen sind nach der Rehabilitation signifikant besser als vor der Reha“ konnte bestätigt werden. Der durchschnittliche ODI vor der Reha (Zeitpunkt t1) lag bei 21,1 (= 0,4211), nach der Reha fand sich ein Wert von 14,3 (= 0,2850) (t2). Die 95-%-Konfidenzintervalle der Mittelwerte überschneiden sich nicht, somit ist der beobachtete Unterschied signifikant. Das gleiche Bild zeigt sich auch für die Auswertung der Werte der Visuellen Analog Skala. Der Mittelwert im Zeitpunkt 1 ist 5,04 (95 % KI: 4,55; 5,52) und zum Zeitpunkt 2 3,32 (95 % KI: 2,90; 3,74). Der Unterschied zu den Zeitpunkten t1 und t2 ist ebenfalls signifikant. Auch bei der Auswertung des SF-12-Fragebogens zeigen sich signifikante Unterschiede bei der körperlichen Skala zwischen Zeitpunkt t1 und t2, lediglich im Bereich der psychologischen Skala des SF-12 fand sich ein nicht signifikantes Ergebnis. Re-operationswürdige Komplikationen traten nicht auf. Diskussion Die Evidenz postoperativer Physiotherapiekonzepte nach Spondylodesen und anderen Eingriffen im Bereich der Lendenwirbelsäule ist sehr klein, es existieren fast keine Untersuchungen, wobei auch das physiotherapeutische Management nach lumbalen Spondylodesen unklar und intransparent bleibt (Gibsond et al., 2005; Rushton et al., 2012). Nach Microdiskektomien und Dekompression von Spinalkanalstenosen scheint ein intensiviertes physiotherapeutisches Vorgehen von Vorteil (McGregor, 2013). Primäres Ziel der vorliegenden Studie war die Analyse einer intensivierten Rehabilitation nach Operationen an der Lendenwirbelsäule. Strukturierte Nachbehandlungskonzepte fehlen, was in einer Untersuchung in England, die auch auf Deutschland übertragbar ist, sehr gut herausgearbeitet wurde (Reshton et al., 2014). In der vorliegenden Studie wurden die untersuchten Patienten nach Beendigung der Akutbehandlungsphase einer ambulanten oder stationären Rehabilitation im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung zugeführt, in der Regel ab der 3. postoperativen Woche. Ein so frühzeitiger Beginn der Rehabilitation ist in der Literatur kaum beschrieben. Die wenigen Publikationen, die sich mit dieser Thematik befassen unterscheiden meist einen Beginn nach 6 Wochen und 12 Wochen nach lumbaler Fusion (Nielsen et al., 2013) und zeigen keinen Unterschied im Outcome. Das Patientenkollektiv ist zwar bezüglich der Zuweisungsdiagnose inhomogen, die Anforderungen an eine Rehabilitation unterscheiden sich aber heute nicht nach der Ausgangsdia364 gnose, sondern am Zustand des Patienten und der erreichten Stabilität der Wirbelsäulenoperation. Insofern ist es nur konsequent, die Einteilung durch den jeweiligen Operateur vornehmen zu lassen. Standards und Schemata erleichtern die konsequente gleichartige Nachbehandlung in definierten Behandlungsgruppen (Tab. 1). Gruppe C – starke Einschränkung Gruppe B – geringe Einschränkung wie Gruppe 3 plus: 3. Woche Einzelgymn.: post OP Einzelgym.: Grundspannungsübungen Schmerzfreie Mobilisation Neurodynamik, LWS in alle Richtungen, Brunkow, PNF Transfers (ADL), aktive Dehnung Ischiocrurale isometrisches Krafttraining Mm., Haltungskorrektur Hüftbeuger in RL, Addukto(Aufrichtung, leichte BWS Mobi- ren, Gastrocnemius, Quadrilistation) ceps, Nervenmobilisation, Dehnung passiv (z.B.: Ischioleichtes Stabilisierungstraicrurale Mm.) ning (z.B. Einbeinstand), Bewegungsbad: Koordinationstraining Ohne Trainingsgeräte, stabilisierende Übungen, Lauf Bewegungsbad: leichte Widerstände, ABC, schmerzfreie Rotation keine aktive Mobilisation der WS MTT: Leichte Widerstände, SeilHallengruppe: Rückenschule zug (keine Rot.), Butterfly, Lat-Zug, Sitzfahrrad, ggf. Ergometer 4. Woche Hubfreie Mobilisation (Becken Kräftigung mit Theraband, post OP kippen) Flexibar, Beginn dynamischer Kräftigung Dehnung Mm. Tensor f.l., (z. B.: leichte Kniebeuge) Piriformis, Hüftbeuger im Stand 5. Woche Bridging, leichte Rotation, post OP Bücken, Heben (geringe Last) MTT: Übungen am Seilzug mit geringer Last (Ohne Rotation der WS) Hallengruppe: Übungen im Schmerzfreien Bereich in verschiedenen Ausgangspositionen Sitzen/Liegen/Stehen (keine forcierte Rotation) weitere langsame Steigerung Tab. 1: Physiotherapeutisches Übungskonzept 365 Gruppe A – kaum Einschränkung wie Gruppe 3 und 2 plus: Einzelgymn.: Bauchmuskeltraining dynamisch, Bridging, Einbeinstand, Stabilisation mit Flexibar, Aerostep, Minitrampolin Bewegungsbad: Alle Bewegungen im schmerzfreien Bereich Hallengruppe: Übungen in verschiedenen Ausgangspositionen ohne größere Einschränkungen MTT: (höhere) angepasste Widerstände, Butterfly, Hüfttrainer, Seilzug mit Aerostep od. Therapiekreisel, Ergometer Kräftigungsübungen mit Zusatzlasten (Hantel/Langhantel) Walking Da sowohl der ODI als auch die körperlichen Items des SF-12 alltägliche Aktivitäten abbilden, konnte durch die aktuelle Studie belegt werden, dass die intensivierte Rehabilitation in der Lage ist, die Funktionsfähigkeit im Alltag nach der subakuten Behandlungsphase zu erhöhen. Paralell war eine ebenfalls signifikante Verringerung des Schmerzes, gemessen mit der VAS, zu verzeichnen. Es konnte gezeigt werden, dass während der Durchführung der rehabilitativen Maßnahmen keine Notwendigkeit einer Re-Operation herbeigeführt wurde. Bezüglich der Bewertung des Rehabilitationserfolges muss eingeschränkt festgestellt werden, dass keine Kontrollgruppe parallel geführt wurde. Literatur Gibson JN, Waddell G. Surgery for degenerative lumbar spondylosis. Cochrane Database Syst Rev. 2005 Apr 18; (2): CD001352. Review. Update in: Cochrane Database Syst Rev. 2005; (4): CD001352. McGregor AH, Probyn K, Cro S, Doré CJ, Burton AK, Balagué F, Pincus T, Fairbank J. Rehabilitation following surgery for lumbar spinal stenosis. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Dec 9; 12: CD009644. doi: 10.1002/14651858.CD009644.pub2. Review. Oestergaard LG, Christensen FB, Nielsen CV et al. (2013) Early versus late initiation of rehabilitation after lumbar spinal fusion: economic evaluation alongside a randomized controlled trial. Spine 38: 1979-1985 Rushton A, Eveleigh G, Petherick EJ et al. (2012) Physiotherapy rehabilitation following lumbar spinal fusion: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ open 2. Rushton A, Heneghan N, Heap A et al. (2014) Survey of Current Physiotherapy Practice for Patients Undergoing Lumbar Spinal Fusion in the UK. Spine(Phila Pa 1976). 2014 Aug 14. [Epub ahead of print]. Eingangsbelastungen und kurzfristige Reha-Effekte bei 1.802 FibromyalgiePatientinnen des Reha-Klinikums Bad Säckingen Gerdes, N. (1, 2), Schlittenhardt, D. (1), Farin-Glattacker, E. (3, 2) (1) Reha-Klinikum Bad Säckingen (RKBS), (2) Hochrhein-Institut am Reha-Klinikum Bad Säckingen, (3) Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg Hintergrund Rehabilitationsmaßnahmen für Patientinnen mit Fibromyalgie-Syndrom (FMS) bilden seit über 25 Jahren einen besonderen Schwerpunkt des Reha-Klinikums Bad Säckingen (RKBS). Unter den weiblichen Patienten des RKBS ist das FMS mit einem Anteil von 30–40 % die zweithäufigste Diagnosegruppe. Das Therapiekonzept der Klinik ist an den Vorgaben der S3-Leitlinie für FMS (AWM, 2012) orientiert. Es wird alle 2 Wochen in festen Gruppen von max. 20 Teilnehmerinnen durchgeführt und umfasst Patientenschulung (6 Einheiten à 90 Min.), ggf. medikamentöse Therapie, 366 psychologische Gruppen- und Einzelbetreuung, Ausdauertraining, Physio- und Ergotherapie, Ganzkörper-Kältetherapie, manuelle Lymphdrainage und Bindegewebsmassage (Lühr, 2014). Die Kältetherapie erfolgt (bei Akzeptanz durch die Patienten) täglich ein- bis zweimal für ca. 3 Minuten in einer Kältekammer bei –110 °C und führt zu einer deutlichen Schmerzreduktion, die 1–2 Stunden anhält (Metzger et al., 2000). Diese schmerzarme Zeit wird genutzt für Übungen, die sonst wegen der ständigen Schmerzen nicht möglich wären. Material und Methoden Im RKBS wird seit Mitte 2008 routinemäßig bei allen Patienten der Fragebogen „Indikatoren des Reha-Status“ (IRES-3; Bührlen et al., 2005) vor Beginn und am Ende der Reha-Maßnahme erhoben. Der Fragebogen erfasst mit 144 Einzelitems die Bereiche „Symptome Muskuloskeletales und Herz-Kreislauf-System“, „Schmerzen“, „Aktivitäten im Alltag“, „Funktionsfähigkeit im Beruf“, „Psychisches Befinden, „Soziale Integration“, „Gesundheitsverhalten“ und „Krankheitsbewältigung“. Die Daten werden in der Klinik zeitnah in das Programm IRES-online eingegeben und automatisch zu einem „Patientenprofil“ ausgewertet, das meistens bereits zur Aufnahmeuntersuchung vorliegt und zur Unterstützung der Reha-spezifischen Diagnostik dient. Die Auswertungen, über die hier berichtet wird, beziehen sich auf die IRES-Daten von 1.802 Patientinnen und Patienten, die in den Jahren 2009 bis 2013 wegen eines FMS im RKBS behandelt wurden (Alter MW=51,7; SD= 8,8 Jahre; Frauenanteil = 93,7 %). Die Stichprobe stellt mit nur leichten Einschränkungen eine Vollerhebung dieser Patientengruppe dar. Bei der Auswertung wurden die Skalen des IRES-3 anhand der Normstichprobe (n=1,737; repräsentativ für die Bevölkerung von 30–70 Jahren) den folgenden Schweregraden zugeordnet: Skalenwerte >25. Perzentil in der Normstichprobe werden als „unauffällig“, 11.–25. Perzentil als „auffällig; 2.–10. Perzentil als „sehr auffällig“ und <2. Perzentil als „extrem auffällig“ interpretiert. In der normalen Bevölkerung liegen damit nur die „schlechtesten“ 2 % im Bereich „extrem auffälliger“ Werte. Ergebnisse 1. Eingangsbelastungen: Bei den FMS-Patientinnen dagegen lagen zu Reha-Beginn 65 % im „extrem auffälligen“ und weitere 27 % im „sehr auffälligen“ Bereich des IRES-Summenscores. Typisch für Patienten mit FMS ist, dass sich auch in den 8 Einzelbereichen des IRES-3 ausgesprochen starke Eingangsbelastungen zeigten; die einzige Ausnahme bildete die Skala „soziale Integration“, in der immerhin 45 % „unauffällige“ Werte aufwiesen. Die Krankheitsgruppe ist damit gekennzeichnet durch multiple, stark bis extrem ausgeprägte Belastungen zu Beginn der Rehabilitation. Eine Schlüsselfunktion kommt offensichtlich der Skala „psychisches Befinden“ zu, die ähnlich starke Eingangsbelastungen zeigte wie der Summenscore und relativ hoch mit den übrigen Einzelbereichen des IRES-3 korrelierte (von r=.295 für die Skala „Gesundheitsverhalten“ bis zu r=.693 für die Skala „Krankheitsbewältigung“. Interessanterweise war die Korrelation mit der Schmerzskala aber mit r=.344 nur relativ gering ausgeprägt.) 367 2. Veränderungen am Ende der Reha-Maßnahme: Gegenüber den Aufnahmewerten zeigten die Patientinnen bei Entlassung auf dem Summenscore eine Verbesserung, die mit einer Effektstärke von SRM=1,07 als „starker Effekt“ zu interpretieren ist. Definiert man „klinisch relevante“ Veränderungen bei einem Cut-offWert von ±0,5 SRM, haben sich 5 % in relevantem Ausmaß verschlechtert, 23 % nicht relevant verändert und 72 % relevant verbessert, wovon die Hälfte (= 37 % der Gesamtstichprobe) mit einem SRM >1,5 ausgesprochen starke Verbesserungen aufwiesen. Trotz dieser insgesamt guten Verbesserungen ist darauf hinzuweisen, dass nur bei 15 % der Stichprobe die Entlassungswerte des Summenscores im „unauffälligen“ und bei 20 % im „auffälligen“ Bereich lagen, während 28 % der Patientinnen mit „sehr auffälligen“ und 37 % mit immer noch „extrem auffälligen“ Werten entlassen werden mussten. Diskussion Der hohe Anteil von FMS-Patientinnen, die mit starken verbleibenden Belastungen entlassen werden mussten, erklärt sich aus den extrem ausgeprägten multiplen Belastungen, mit denen die weit überwiegende Mehrheit dieser Patientinnen zur Rehabilitation gekommen ist. Trotz der insgesamt überraschend guten Verbesserungen stellt die Untergruppe der mit „extrem auffälligen“ Werten entlassenen Patientinnen für die Klinik eine besondere Herausforderung dar, weil diese Gruppe offenkundig besonderer Unterstützung in der nachstationären Zeit bedarf. Das Hochrhein-Institut am RKBS hat deshalb ein Forschungsprojekt begonnen, das darauf abzielt, diese Untergruppe möglichst schon zu Beginn der Reha-Maßnahme zu identifizieren, um frühzeitig geeignete Maßnahmen für die nachstationäre Zeit einleiten zu können. Literatur AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.) (2012): Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms. Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung eines Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Die Rehabilitation, 44. 63-74. Lühr, T. (2014): Reha-Klinikum Bad Säckingen – Klinikkonzept. Metzger, D., Zwingmann, Ch., Protz, W., Jäckel, W.H. (2000): Die Bedeutung der Ganzkörperkältetherapie im Rahmen der Rehabilitation bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen. Die Rehabilitation, 39. 93-100. 368 Qualitätssicherung und Ergebnismessung in der ambulanten orthopädischen Rehabilitation nach Hüft- und Knie-TEP-Versorgung Müller, M. (1), Toussaint, R. (2), Kohlmann, T. (3) (1) saludis. Die Rehabilitation, Bamberg, (2) Bundesverband ambulanter medizinischer Rehabilitationszentren, (3) Institut für Community Medicine, Universität Greifswald Fragestellung und Methodik Zur Evaluation der ambulanten Rehabilitation nach Hüft- und Knie-TEP-Versorgung wurden in dieser multizentrischen Studie in bundesweit elf ambulanten Rehabilitationszentren zu Rehabeginn (T1), am Ende (T2) sowie 3 und 12 Monate danach (T3/T4) Assessments zu Lebensqualität, allgemeiner Gesundheit sowie subjektiver und objektiver Beeinträchtigung erhoben: SF-36, EQ-5D und WOMAC. Zu T1 und T2 wurden der Knee-Society- bzw. der Harris-Hip-Score dokumentiert. Ziele waren neben der Beurteilung der Behandlungsergebnisse die Überprüfung der Praktikabilität des eingesetzten Fragebogeninventars und die Etablierung einer einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung in der ambulanten Rehabilitation bei Totalendoprothesen-Versorgung. Ergebnisse Erfasst wurden 749 Patienten (367 Hüft-, 382 Knie-TEP). Das mittlere Alter betrug 66 Jahre (Hüft-TEP: 63 Jahre, Knie-TEP: 68 Jahre). 49 % waren Frauen (Hüft-TEP: 46 %, Knie-TEP: 52 %). Sowohl die Ergebnisse der klinischen Scores als auch der subjektive Gesundheitsstatus und die Lebensqualität zeigten zum großen Teil signifikant positive Veränderungen im Rehabilitationsverlauf sowie auch positive Nachwirkung im weiteren Beobachtungszeitraum. Ein Wirkungsverlust mit rückläufigen Resultaten nach Rehabilitationsende war nicht festzustellen. Für den Harris-Hip-Score konnte im Rehabilitationsverlauf T1–T2 eine signifikante (p<0,001) Verbesserung der klinischen Ergebnisse der Hüft-TEP-Patienten nachgewiesen werden. Der Knee-Society-Score zeigte als klinischer Score für die Knie-TEP-Patienten für beide Teilscores ebenfalls deutlich signifikante (p<0,001) Veränderungen. Der WOMAC-Score erbrachte jeweils für beide Indikationen in allen 3 Subscalen signifikant positive Veränderungen im Reha-Zeitraum T1–T2 und im Zeitraum T2–T3. Im weiteren Verlauf bis zum Zeitpunkt T4 blieben die Ergebnisse auf stabilem Niveau. Der EQ-5D zeigte ebenfalls jeweils für beide Indikationen signifikant positive Verbesserungen während der Rehabilitation und im 3-monatigen Nachbeobachtungszeitraum. Auch darüber hinaus waren die Ergebnisse stabil bis zum Zeitpunkt T4. Im SF-36 gelang bei der Auswertung der körperlichen und psychischen Summenscores der Nachweis signifikant positiver Effekte während der Untersuchungszeiträume T1–T2 und T2–T3. Lediglich in den Subscalen Gesundheitswahrnehmung und psychisches Wohlbefinden zeigten sich keine signifikanten Effekte. Im weiteren Nachbeobachtungszeitraum bestand insbesondere für den körperlichen Summenscore noch eine positive Entwicklung, wenngleich ohne statistische Signifikanz. Soziodemographische Faktoren hatten keine wesentlichen Einflüsse auf das Behandlungsergebnis. 369 Schlussfolgerung Die Studie zeigt positive Ergebnisse nach ambulanter Rehabilitation bei Endoprothesenversorgung. Zudem konnte der Nachweis der Praktikabilität des verwendeten Fragebogeninventars in der ambulanten orthopädischen Rehabilitation erbracht werden. Mit wenigen Einschränkungen und teilweise bekannten testimmanenten Problemen bei Antwortausfällen und Verteilungseigenschaften erwiesen sich die durchgeführten Assessments als geeignet für ein einrichtungsübergreifendes Qualitätssicherungsverfahren. 370 Orthopädische Rehabilitation (Poster) Der Zusammenhang von Kontrollüberzeugung und psychologischen Grundbedürfnissen bei Rückenschmerzpatienten Raven, H. (1), Schaller, A. (2) (1) Psychologisches Institut, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln Psychologischen Faktoren werden beim Umgang mit Krankheiten und Schmerzen eine wichtige Rolle zugeschrieben. Das subjektive Gefühl der Kontrollierbarkeit von Ereignissen stellt dabei eine wichtige personale Ressource dar. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass eine internale Kontrollüberzeugung gute Therapieergebnisse in der Rehabilitation von Rückenschmerzpatienten vorhersagen kann (Härkäpää et al., 1991). Das psychologische Konzept der Kontrollüberzeugung kann mit der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (2000) in Verbindung gebracht werden: Die Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass die Befriedigung der 3 psychologischen Grundbedürfnisse Autonomie, Kompetenz und Beziehung Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbefinden ist (Deci, Ryan, 2000). Besonders das Grundbedürfnis nach selbstbestimmtem Handeln (Autonomie) kann als Voraussetzung für eine hohe internale Kontrollüberzeugung angesehen werden. Die positive Wirkung von Bewegung und moderatem Sport auf Rückenschmerzen ist hinreichend belegt (Heneweer et al., 2009). Für die vorliegende Studie stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen internaler Kontrollüberzeugung und der Befriedigung der 3 psychologischen Grundbedürfnisse im Sport bei Rückenschmerzpatienten. Dabei werden insbesondere geschlechtsspezifische sowie Unterschiede in der Sportpartizipation berücksichtigt. Methoden Die Stichprobe bestand aus 412 Patienten einer stationären Reha-Klinik (68 % Männer, Durchschnittsalter M=50,4; SD=8,1). Die rückenschmerzspezifische Kontrollüberzeugung wurde durch den Fragebogen KÜ-WS von Nickel (1995) über die 3 Subskalen internale, sozial externale und fatalistisch externale Kontrollüberzeugung operationalisiert. Die Befriedigung der 3 psychologischen Grundbedürfnisse wurde mittels Contextual Basic Needs Scale (CBANS) nach Kleinert (2012) erhoben (Kontext „Sport im Allgemeinen …“). Zur Beantwortung der Frage nach dem Zusammenhang von Kontrollüberzeugung und Bedürfnisbefriedigung wurden Produkt-Moment-Korrelationen mithilfe des Statistikprogramms SPSS 22 berechnet. Hinsichtlich demographischer Variablen und Dauer der Rückenschmerzen zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Datensätzen, die durch den paarweisen Fallausschluss in die Berechnungen mit eingingen (n=344) und Missing-Datensätzen. In der Gesamtstichprobe war lediglich die Sportpartizipation mit 55,6 % leicht geringer als in der Stichprobe, deren Daten für die berechneten Korrelationen vorliegen (57,3 %). 371 Ergebnisse Es zeigt sich, dass die internale Kontrollüberzeugung wie angenommen positiv mit der Befriedigung der 3 psychologischen Grundbedürfnisse zusammenhängt (r=.12, p=0,05; r=.15, p=0,01; r=.18; p=0,01), externale Kontrollüberzeugung dagegen nicht. Betrachtet man den Zusammenhang gesondert bei der Substichprobe der Frauen, ergeben sich stärkere Zusammenhänge zwischen internaler Kontrollüberzeugung und der Bedürfnisbefriedigung im Sport (r=.30; r=.22, r=.29; p=0,01). Bei der Subgruppe der Männer ergeben sich dagegen keine signifikanten Korrelationen zwischen Bedürfnisbefriedigung und Kontrollüberzeugung. Für die Substichprobe der körperlich aktiven Patienten ergeben sich ebenfalls signifikante Zusammenhänge zwischen internaler Kontrollüberzeugung und Kompetenz (r=.15, p=0.05) sowie Beziehung (r=.25, p=0.01). Für die Gruppe der nicht sportlich Aktiven ergeben sich hier keine signifikanten Zusammenhänge. Diskussion Es konnte gezeigt werden, dass die Bedürfnisbefriedigung im Sport im Sinne der Selbstbestimmungstheorie (Deci, Ryan, 2000) mit einer internalen Kontrollüberzeugung in Bezug auf Rückenschmerzen zusammenhängt. Dieser Zusammenhang zeigt sich deutlich in der Substichprobe der Frauen sowie bei den sportlich aktiven Patienten. Inwieweit jedoch ein kausaler Zusammenhang zwischen Bedürfnisbefriedigung, Kontrollüberzeugung und Therapieergebnissen besteht, müssen künftige Untersuchungen zeigen. Vor allem die Gruppe der Männer sowie der sportlich Inaktiven sollte hinsichtlich personaler Ressourcen geprüft werden, die für einen günstigen Therapieverlauf hilfreich sein können. Ausblick Für die therapeutische Praxis lässt sich ableiten, dass der Therapeut dem Patienten im Rahmen der Therapie eine möglichst hohe Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Beziehung ermöglichen sollte, um gute Therapieergebnisse zu erzielen. Förderung: Rehabilitations-Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (refonet) Literatur Deci, E.L., Ryan, R.M. (2000): The “what” and “why” of goal pursuits. Human needs and the self-determination of behaviour. Psychological Inquiry, 11/4. 227-268. Härkäpää, K., Järvikoski, A., Mellin, G., Hurri, H., Luoma, J. (1991): Health locus of control beliefs and psychological distress as predictors for treatment outcome in low-back pain patients. Results of a 3-month follow-up of a controlled intervention study. Pain, 46. 35-41. Heneweer, H., Vanhees, L., Picavet, H.S.J. (2009): Physical activity and low back pain. A U-shaped relation? Pain, 143/1-2. 21-25. Kleinert, J. (2012): Kontextuelle Bedürfnisbefriedigung: Erste Erfahrungen mit einem Diagnostiktool für die sportpsychologische Forschung und Betreuung. In: M. Wegner, J.-P. Brückner, S. Kratzenstein (Hrsg.): Sportpsychologische Kompetenz und Verantwortung. Hamburg: Feldhaus. Nickel, U. (1995): Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zur Erfassung von Kontrollüberzeugungen bei Wirbelsäulenerkrankungen und Rückenbeschwerden (KÜ-WS). Inauguraldissertation. Erlangen-Nürnberg: Universität Erlangen-Nürnberg. 372 Welche Bedeutung haben Gender, Alter, Hauptdiagnosegruppe und psychische Gesundheit für die Verlaufsprognose während und nach muskuloskelettaler Rehabilitation? Mattukat, K., Golla, A., Mau, W. Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Hintergrund Im rehabilitationsbezogenen Forschungskontext wird häufig die Überlegenheit speziell entwickelter Interventionen gegenüber der Standardrehabilitation geprüft. Neben der Hauptfragestellung (Effekt der Intervention) ist jedoch auch der Einfluss zentraler Patientenmerkmale von Bedeutung. Im boRN-Projekt als klassischer Interventionsstudie wurden stabile gruppenübergreifende Verbesserungen bis zur 12-Monats-Katamnese berichtet (Mattukat et al., 2014). Die Hypothesen zum erwarteten Vorteil der Interventions- [IG] gegenüber der Kontrollgruppe [KG] konnten dagegen nicht bestätigt werden. In nachgeschalteten Analysen wurde die Bedeutung von Geschlecht, Alter, Hauptdiagnose und psychischer Gesundheit im Rehabilitationsprozess und 1 Jahr danach auf die verschiedenen Zielgrößen untersucht. Methode Fragebogendaten im Ein-Jahres-Verlauf (t1 = Reha-Beginn, t2 = Reha-Ende, t4 = 12-MonatsKatamnese) wurden von Rehabilitanden mit nichtentzündlichen chronischen Rückenschmerzen (RS) oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (chronische Polyarthritiden [cP] bzw. Spondyloarthritiden [SpA]) erhoben, die in 2 aufeinanderfolgenden Studienphasen (KG/IG) rekrutiert wurden. Untersuchte Zielgrößen: ‒ Körperliche Gesundheit: körperliche Rollenfunktion [SF-36], körperliche Summenskala [SF-12], motorischer Funktionsstatus [FFB-Mot], Schmerzen [NRS], Morgensteifheit [NRS], Fatigue [NRS], Grad der Behinderung [GdB], Body Mass Index [BMI]; ‒ Psychische Gesundheit: psychische Summenskala [SF-12], Ängstlichkeit/Depressivität [HADS-D], Zufriedenheit mit der Gesundheit [NRS]; ‒ Körperliche Aktivität [FFkA] und Bewegungsmotivation: Selbstwirksamkeit, Vor- und Nachteile, Ressourcen und Hindernisse, Zufriedenheit mit körperlicher Aktivität, bewegungsbezogene Veränderungswünsche, Risikowahrnehmung; ‒ Teilhabe: Erwerbstätigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Rentenintention, Teilhabeeinschränkungen [IMET]; ‒ Medizinische Versorgung und Selbsthilfe: Medikamenteneinnahme, Krankenhausaufenthalte, Operationen am Bewegungsapparat, Mitgliedschaft in Selbsthilfegruppe. Es wurde geprüft, inwiefern sich (1) Studienteilnehmer aus unterschiedlichen Subgruppen bereits zu t1 unterschieden (²-Tests/t-Tests/Varianzanalysen) und wie sich die Zielgrößen (2) im Reha-Verlauf bzw. (3) im 1-Jahres-Verlauf entwickelten (Varianzanalysen mit Messwiederholung/logistische Regressionen, Kontrollvariable: Studiengruppe KG/IG). Die Subgruppenanalysen bezogen sich auf 446 vollständige Datensätze (KG: n=266; IG: n=180), darunter 215 Frauen und 231 Männer im Alter von M=50 [±7] Jahren (Mediansplit: 46 % jüngere Patienten: 22–49 Jahre; 54 % ältere Patienten: 50–63 Jahre) mit den Haupt373 diagnosen RS (61 %; ICD-10: M51–M54), cP (28 %; ICD-10: M05–M07) und SpA (11 %; ICD-10: M45–M46). Auffällige Werte der Depressivität (HADS-D ≥9) zu t1 wiesen 29 % der Probanden auf. Ergebnisse (1) Während Alter und Hauptdiagnose der Probanden kaum einen Einfluss auf Maße der körperlichen Gesundheit hatten, gaben Frauen bzw. psychisch auffällige Probanden deutlich geringere Funktionswerte an als Männer bzw. psychisch unauffällige Probanden. Männer bzw. psychisch unauffällige Probanden waren körperlich aktiver, wobei psychisch unauffällige Personen eine hohe Bewegungsmotivation berichteten. (2) Am Reha-Ende hatten sich alle Probanden hinsichtlich fast aller funktionalen und motivationalen Parameter deutlich verbessert. Günstigere Funktionsparameter über beide Messzeitpunkte hinweg berichteten eher RS-Patienten, Männer, jüngere und zu t1 psychisch unauffällige Probanden. Bei einigen Funktionsparametern verbesserten sich Frauen und zu t1 psychisch auffällige Patienten im Reha-Verlauf stärker als Männer und psychisch unauffällige Personen. Frauen und psychisch unauffällige Probanden berichteten zeitunabhängig eine höhere Bewegungsmotivation. RS-Patienten waren zeitunabhängig zufriedener mit ihrer Gesundheit und sahen ein geringeres persönliches Risiko für Gesundheitseinschränkungen als cP-/SpA-Patienten. (3) Auch 1 Jahr nach Reha-Ende zeigten sich für alle Probanden bessere Funktions- bzw. somatische Werte ( Lebensqualität, Schmerzen, Erschöpfung und Morgensteifheit, Body Mass Index) und mehr Sportaktivitäten, jedoch eine verringerte Bewegungsmotivation im Vergleich zu t1. Die funktionsbezogenen Unterschiede in den Subgruppen blieben auch zu t4 bestehen (günstigere Werte für Männer und zu t1 psychisch unauffällige Personen). Interaktionseffekte waren kaum noch erkennbar. Die Hauptdiagnose hatte einen Einfluss auf Rentenabsicht (SpA > cP, RS), Selbsthilfegruppenmitgliedschaft (cP, SpA > RS) und Grad der Behinderung zu t4 (cP, SpA > RS). Männer berichteten zeitunabhängig mehr körperliche Aktivitäten, obwohl sie zu beiden Messzeitpunkten einen höheren BMI aufwiesen und Vorteile körperlicher Aktivität schwächer wahrnahmen als Frauen. Frauen hatten zu t4 häufiger einen GdB. Jüngere und psychisch unauffällige Personen berichteten zeitunabhängig mehr Sport und weniger AU-Zeiten. Diskussion Unabhängig von der projektinternen Studiengruppe gab es deutliche Unterschiede der untersuchten Subgruppen in funktionalen und motivationalen Parametern. Insbesondere waren starke Zusammenhänge des Geschlechts und der psychischen Gesundheit mit funktionsbezogenen Parametern zu beobachten, während sich Probanden mit verschiedenen Hauptdiagnosen bzw. aus unterschiedlichen Altersklassen diesbezüglich deutlich weniger unterschieden. Eine stärkere Genderorientierung in der medizinischen Rehabilitation ist daher dringend geboten. Psychische Problemlagen von Rehabilitanden in der muskuloskelettalen Rehabilitation können über spezielle Screenings identifiziert und entsprechend berücksichtigt werden (Tengel et al., 2014). Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung. 374 Literatur Mattukat, K., Golla, A., Ehlebracht-König, I., Kluge, K., Mau, W. (2014): Ein-Jahres-Verlauf nach gestufter bewegungsorientierter Reha und Nachsorge (boRN) bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und chronischem Rückenschmerz. DRV-Schriften, Bd. 103. 258-260. Tengel, K., Hartig, L., Mau, W. (2014): Prozess- und ergebnisbezogene Auswirkungen eines systematischen Screenings psychischer Problemlagen im ambulanten orthopädischen Rehabilitationsalltag. Ergebnisse einer kontrollierten Verlaufsstudie. Phys Med Rehab Kuror, 24. 201-207. Wünsche, Barrieren und Barrieremanagement von Rehabilitanden mit chronischem Rückenschmerz – eine qualitative Analyse Thomsen, S. (1), Herbold, D. (2), Wiezoreck, M. (3), Geigner, B. (4), Beddies, A. (5), Worringen, U. (6), Hampel, P. (1) (1) Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften, Europa-Universität Flensburg, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (3) Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf – Klinik Werra, (4 Rehabilitationsklinik Auental, Bad Steben, (5) Rehabilitationsklinik Göhren, (6) Deutsche Rentenversicherung Bund Hintergrund Rückenschmerz zählt zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen der Bevölkerung (Greitemann et al., 2012). Trotz der vielfältigen verhaltensmedizinischen Behandlungsansätze liegt die Rückfallquote von Rehabilitanden mit erstmaligem Rückenschmerz bei mindestens 50 % (Greitemann et al., 2012). Eine qualitativ hochwertige Rehabilitation sollte neben der motivationalen Ausgangslage ebenso die Barrieren des Alltagstransfers erfassen, um die Nachhaltigkeit der Rehabilitation sicherstellen sowie Rückfällen und der damit einhergehenden erhöhten Chronifizierungsgefahr vorbeugen zu können (Grande, Romppel, 2010). Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, Wünsche, Barrieren und Unterstützungsbedürfnisse von Rehabilitanden zur Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen zu betrachten, um effektive Hilfsangebote in der Rehabilitationsmaßnahme zu bestimmen. Die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse dienen als Grundlage für Handlungsempfehlungen im Bereich des Gesundheitswesens, um die Qualität der Rehabilitation zu optimieren. Methodik Für die Studie wurden insgesamt 35 Dokumente von Interviewpartnern für die Datenauswertung herangezogen. Es handelte sich um 28 Frauen und 7 Männer (Alter 43–62 Jahre; MW=54,0; SD=5,6), von denen 30 mindestens halbtags beschäftigt waren. 15 Befragte wiesen der Allgemeinen Depressions-Skala zufolge klinisch-auffällige Werte in der Depressivität auf (Cut-off=22). Die Rehabilitanden nahmen an einer drei- bis vierwöchigen stationären verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation in den Kliniken Bad Gandersheim, Bad Sooden-Allendorf, Bad Steben oder Göhren teil. Die Erhebung fand im Rahmen einer 375 schriftlichen Befragung anhand von drei offenen Fragestellungen statt. Im Erhebungsverfahren wurden ebenso quantitative und soziodemographische Daten erfasst. Für die vorliegende Arbeit wurden ausschließlich soziodemographische Daten, die Allgemeine Depressionsskala (ADS) und die Angaben zu den persönlichen Reha-Zielen hinzugezogen. Die Fragestellungen konzentrierten sich auf Wünsche, mögliche Barrieren sowie auf das Barrieremanagement der Rehabilitanden hinsichtlich der Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen. Die frei formulierten Aussagen der Rehabilitanden wurden elektronisch erfasst und anschließend unter Verwendung der Software MAXQDA analysiert. Für eine Beantwortung der Fragestellung wurde die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) gewählt. Ergebnisse Es konnten insgesamt 206 Nennungen der Rehabilitanden berücksichtigt werden. Insgesamt konnte festgestellt werden, dass das Erlernen von Methoden zur Schmerzbewältigung mit 53 Nennungen ein zentrales Bedürfnis vieler Rehabilitanden darstellt. Als ebenfalls relevant für die Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen im Alltag wurden die Stressbewältigung sowie das Vorhandensein von Motivation und Wohlbefinden betrachtet. Dies spiegelten zugleich die quantitativen Ergebnisse zum Reha-Ziel der Rehabilitanden wider, in der 42,9 % den Wunsch nach einer höheren Lebensqualität angaben. Darüber hinaus wurde der Wunsch nach individuellen und somit auf die Rehabilitanden abgestimmten Therapiemaßnahmen geäußert. Als mögliche Barriere für die Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen sahen mehr als die Hälfte der Rehabilitanden sowohl mit als auch ohne Depression eine unzureichende motivationale Ausgangslage an. Insgesamt entfielen 35 Nennungen auf Befürchtungen, dass aufgrund familiärer und/oder beruflicher Verpflichtungen die Integration gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen in den Alltag nicht möglich sein könnte. Darüber hinaus wurden somatische Beschwerden als Barriere für die Umsetzung genannt. Hinsichtlich des Barrieremanagements wurde von ca. 1/3 der Befragten die soziale Unterstützung als ausschlaggebender Faktor für die Ausführung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen identifiziert. Besonders häufig wurden der Wunsch nach medizinisch-psychologischer Nachsorge sowie der Wunsch nach sozialer Unterstützung geäußert. Diskussion und Schlussfolgerung Die subjektiven Wünsche von Rehabilitanden an ihre Rehabilitation sind ausschlaggebend für die langfristige Etablierung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen in den Alltag und die Weiterentwicklung der Rehabilitation (Buchholz, Kohlmann, 2014). Zentrale Voraussetzung hierfür sind die Stressbewältigung und die Motivation der Rehabilitanden als auch die soziale Unterstützung aus dem privaten und dem beruflichen Umfeld sowie die Nachsorge. Eine qualitativ hochwertige Rehabilitation sollte demnach insbesondere alltagsnahe Übungen vermitteln sowie ein möglichst individualisiertes Barrieremanagement thematisieren. Ergänzend sollten depressionsspezifische Inhalte berücksichtigt werden, von denen Rehabilitanden mit psychosozialen Belastungen präventiv profitieren könnten. Darüber hinaus ließe sich über den Aufbau flächendeckender post-rehabilitativer Behandlungsangebote soziale Unterstützung bieten und langfristig Rückfällen vorbeugen (Sibold et al., 2011). 376 Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund Literatur Buchholz, I., Kohlmann, T. (2014): Deskriptoren und Prädiktoren von Reha-Zielen von Patienten in der medizinischen Rehabilitation. Psychother Psych Med, 64. 364-372. Grande, G., Romppel, M. (2010): Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters? Qualität in der Rehabilitation aus Sicht der Patientinnen und Patienten. Rehabilitation, 49. 376-382. Greitemann, B., Dibbelt, S., Fröhlich, S., Niemeyer, C. (2012): DGRW-Update: Erkrankungen des Muskel-Skelettsystems. Rehabilitation, 51, 378-384. Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim: Beltz. Sibold, M., Mittag, O., Kulick, B., Müller, E., Opitz, U., Jäckel, W.H. (2011): Prädiktoren der Teilnahme an einer Nachsorge nach ambulanter Rehabilitation bei erwerbstätigen Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen. Rehabilitation, 50. 363-371. Zur Interpretation von Veränderungen der Schmerzstärke Haase, I. (1), Walz, J. (2), Kladny, B. (3) (1) m&i-Klinikgruppe Enzensberg, Füssen, (2) m&i-Fachklinik Bad Pyrmont, (3) m&i-Fachklinik Herzogenaurach Hintergrund und Ziel Die Schmerzstärke wird in der Schmerzforschung häufig mit Numerischen Rating-Skalen (NRS) gemessen, deren Spannbreite von 0 (kein Schmerz) bis 10 (maximal vorstellbarer Schmerz) reicht. Als klinisch relevante Veränderung gilt eine Schmerzreduktion von mindestens 30 % (Farrar et al., 2001; Dworkin et al., 2005). Die Tragfähigkeit dieses Leitwertes wird jedoch auch kritisch betrachtet (Reinecke, 2010). Ziel dieser Sekundäranalyse war deshalb, Anhaltspunkte für die Interpretation von Veränderungen der Schmerzintensität aus eigenen Daten zu gewinnen. Methodik Wir verwendeten sekundäranalytisch Daten aus einer Studie der Fachklinik Bad Pyrmont zur Wirksamkeit von Ganzkörperhyperthermie bei Fibromyalgie (Walz et al., 2013) und einer laufenden Evaluation der Fachklinik Herzogenaurach zur konservativ-stationären Behandlung von akuten und chronischen Rückenschmerzen. Diese beinhalten neben den NRSWerten für Aufnahme und Entlassung eine globale Einschätzung des Behandlungserfolges aus Sicht des Patienten über 5 Stufen von „deutlich gebessert“ bis „deutlich verschlechtert“, die uns als Ankerkriterium diente. Die Kategorien „etwas verschlechtert“ und „deutlich verschlechtert“ wurden aufgrund der sehr geringen Häufigkeit zusammengefasst. Ergebnisse Der untersuchte Datensatz beinhaltete 504 Fälle, darunter 326 Frauen (65 %). Das Durchschnittsalter betrug 57,6 Jahre (Standardabweichung = 14,8). Das Diagnosespektrum umfasste das Fibromyalgie-Syndrom (88 Fälle, Rehabilitation) sowie chronischen und akuten 377 Rückenschmerz (174 bzw. 242 Fälle, konservative Akut-Orthopädie). 281 Patienten (55,8 %) gaben bei der direkten Abfrage an, ihre gesundheitlichen Beschwerden hätten sich „deutlich gebessert“, 172 (34,1 %) urteilten „etwas gebessert“, 40 (7,9 %) „nicht verändert“ und 11 (2,2 %) „etwas“ oder „deutlich verschlechtert. Eine Schmerzreduktion um 4,1 Punkte oder 62 % war mit der Einschätzung „deutlich gebessert“ assoziiert. Der Kategorie „etwas gebessert“ entsprach einer Reduktion von 2,8 Punkten bzw. 38 %, während geringe Verbesserungen um ungefähr einen Punkt oder 15 % mit der Kategorie „unverändert“ korrespondierten. Dieses Bild erwies sich auch bei differenzierter Betrachtungsweise nach den Variablen Diagnose/Studie, Geschlecht, Alter und Schulabschluss als weitgehend stabil während bei Fällen mit niedrigen Schmerz-Ausgangswerten erwartungsgemäß auch geringere Veränderungen zur Einschätzung „etwas“ oder „deutlich verbessert“ führten. Eine ergänzende Betrachtung der entsprechenden Prä-Post-Effekt-Stärken unter Nutzung der Standardabweichung der Prä-Werte zeigte mit 2,5 (bei „deutlich gebessert“), 1,7 („etwas gebessert“) und 0,7 („nicht verändert“!) recht hohe Effektstärken. Diskussion und Schlussfolgerung Betrachtet man die Kategorie „etwas gebessert“ als kleinste klinisch bedeutsame Veränderung, so entsprechen unsere Ergebnisse in etwa den bisher publizierten Daten. Da zudem die Subgruppenanalyse weitgehend konsistente Ergebnisse zeigte, kann der Cut-off-Wert von 30 % für eine klinisch relevante Schmerzreduktion als vorerst bestätigt angesehen werden. Bezüglich der Prä-Post-Effekt-Stärken ist der Einschätzung zuzustimmen, dass eine allgemeinverbindliche Beurteilung nicht sinnvoll ist, sondern diese je nach Untersuchung und Zielgröße gesondert erfolgen sollte (Maier-Riehle, Zwingmann, 2000). Für die Schmerzforschung deutet sich nach unseren Ergebnissen an, dass hier die Messlatte eher hoch gelegt werden muss. Literatur Dworkin, R.H. et al. (2005): Core outcome measures for chronic pain clinical trials: IMMPACT recommendations. Pain 113. 9-19. Farrar, J.T., Young, J.P., LaMoreaux, L., Werth, J.L., Poole, R.B. (2001): Clinical importance of changes in chronic pain intensity measured on an 11-point numerical pain rating scale. Pain, 94. 149-158. Maier-Riehle, B., Zwingmann, C. (2000): Effektstärkevarianten beim Eingruppen-Prä-PostDesign: Eine kritische Betrachtung. Rehabilitation 39. 189-199. Reinecke, H. (2010): Klinische Relvanz der therapeutischen Reduktion von chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen. Berlin: Logos Verlag. Walz J., Hinzmann, J., Haase, I., Witte, T. (2013): Ganzkörperhyperthermie in der Schmerztherapie. Der Schmerz, 27. 38-45. 378 Schmerzverarbeitung bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten im Vergleich zu Gesunden Krohn-Grimberghe, B. (1), Lange, M. (2), de Vries, U. (2), Petermann, F. (2) (1) Rheumaklinik Bad Wildungen, (2) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Hintergrund Bislang liegt nur wenig Information darüber vor, ob und in welchem Ausmaß sich Fibromyalgiesyndrom-Patienten (FMS) und Gesunde in ihrer Schmerzverarbeitung unterscheiden. Vorliegende Arbeit prüft, ob sich Fibromyalgiesyndrom-Patienten und Gesunde unterscheiden ‒ in der Anwendung von kognitiven und behavioralen Schmerzverarbeitungsstrategien und ‒ in der Ausprägung der Selbstwirksamkeitserwartung und psychischen Belastung (Angst und Depression) Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, spezifische Schmerzverarbeitungsstrategien für Patienten mit FMS zu entwickeln und in die multimodale Rehabilitation zu implementieren (Lange et al., 2011). Methodik Eingeschlossen wurden n=438 stationäre Patienten mit Fibromyalgiesyndrom (FMS) sowie n=312 Gesunde (Online-Befragung). Alle Patienten wurden anhand folgender Fragebögen miteinander verglichen: Deutscher Schmerzfragebogen (DSF), Fragebogen zur Erfassung der Schmerzverarbeitung (FESV), Krankheitsspezifische Selbstwirksamkeit (Arthritis SelfEfficacy Scale, ASES-D), Psychische Belastung (Hospital Anxiety and Depression Scale, HADS-D). Angst- und Depressionswerte der Gruppen wurden als Kovariate in die Berechnungen aufgenommen. Ergebnisse FMS-Patienten waren in den schmerzbezogenen Kennwerten und der psychischen Befindlichkeit (Angst/Depression) stärker belastet als Gesunde. Die FMS-Patienten wiesen eine deutlich höhere durchschnittliche Schmerzstärke auf (F=50,821; p<0,01; 2=0,105). Bei den Gesunden gaben 67,5 % an, zeitweise unter Kopfschmerzen zu leiden, 31 % Rückschmerzen, 7,2 % Zahnschmerzen, 11,3 % Bauchschmerzen, 2,2 % Schmerzen durch Verletzung und 3,9 % andere Schmerzen, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Bei der kognitiven und behavioralen Schmerzverarbeitung trat auf multivariater Ebene ein signifikanter Haupteffekt der Gruppe mit einer hohen Effektstärke auf (F=28,863; p<0,01; 2=0,207). Zudem zeigte sich bei der krankheitsbezogenen Selbstwirksamkeit ein signifikanter Gruppenunterschied mit einer hohen Effektstärke (F=132,491; p<0,01; 2=0,157). Dieser Effekt blieb auch unter Berücksichtigung der Angst- und Depressionswerte bestehen. Gesunde gaben auf der Skala „Handlungsplanungskompetenz“ und „Kompetenzerleben“ höhere Werte an. Hingegen wurden die „Kognitive Umstrukturierung“ und „Mentale Ablenkung“ von Fibromyalgiesyndrom-Patienten als Schmerzverarbeitungsstrategien präferiert. 379 Diskussion Auch andere Studien belegen bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten ein geringes Gefühl der Kontrolle über ihre Schmerzen (Malin, Litteljohn, 2012). In der vorliegenden Studie wiesen Fibromyalgiesyndrom-Patienten zudem geringere Ausprägungen im Kompetenzerleben sowie in der krankheitsbezogenen Selbstwirksamkeit auf. Müller et al. (2004) identifizierten die Selbstwirksamkeit als bedeutsamen Prädiktor für einen anhaltenden Behandlungserfolg bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten. Dabei ging eine Steigerung der Selbstwirksamkeit mit einer günstigeren behavioralen Schmerzverarbeitung einher. Schlussfolgerungen Fibromyalgiesyndrom-Patienten versuchen, durch Ablenkung und kognitive Umstrukturierung ihre Schmerzen zu reduzieren. Durch den gezielten Aufbau von Schmerztoleranz durch achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Strategien, wie in der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, könnte die Schmerzverarbeitung und damit die Krankheitsbewältigung dieser Patientengruppe begünstigt werden (Rodero et al., 2011). Förderung: Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen Literatur Lange, M., Krohn-Grimberghe, B., Petermann, F. (2011): Effekte einer kognitiv-behavioralen Patientenschulung auf das Fibromyalgiesyndrom. Zeitschrift für Rheumatologie, 70. 324-331. Malin, K., Litteljohn, G.O. (2012): Psychological control is a key modulator of fibromyalgia symptoms and comorbidities. Journal of Pain Research, 5. 463-471. Müller, A., Müller, K., Blumenstiel, K., Bieber, C., Eich, W. (2004): Das Konzept der Selbstwirksamkeit als bedeutsamer Prädiktor anhaltenden Behandlungserfolgs von Fibromyalgiesyndrom-Patienten. Aktuelle Rheumatologie, 29. 101-108. Rodero, B., Casanueva, B., Luciano, J.V., Gili, M., Serrano-Blanco, A., García-Campayo, J. (2011): Relationship between behavioural coping strategies and acceptance in patients with fibromyalgia syndrome: Elucidation targets of interventions. BMC Musculoskeletal Disorders, 12. 143-152. 380 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen I Remi-Pro: Eine standardisierte Methode zur Dokumentation des Remissionsverlaufs und zur Therapiezielfindung bei Kindern und Jugendlichen nach schweren erworbenen Hirnschädigungen Romein, E. (1), Hessenauer, M. (2), Kluger, G. (2), Berweck, S. (2), Staudt, M. (2) (1) Gilhoc sur Ormèze, Frankreich, (2) Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Schön Klinik Vogtareuth Hintergrund Kinder mit erworbenen, bihemisphäralen Hirnläsionen, z. B. infolge eines schweren Schädel-Hirn-Traumas oder einer cerebralen Hypoxie nach Submersionstrauma, zeigen häufig Bewusstseinsstörungen in den ersten Wochen der Frührehabilitation. Diese Bewusstseinsstörungen werden – orientiert an der Reaktionsfähigkeit des Patienten auf Außenreize, in verschiedene Stadien unterteilt: Koma, Syndrom der reaktionslosen Wachheit (früher: apallisches Syndrom), minimale Bewusstseinslage. In der Mehrzahl der Fälle dürfte der Übergang dazwischen fließend sein und nicht stufenweise vonstatten gehen. Für eine Therapiezielfindung sind diese Klassifikationen nicht geeignet. Für die Rehabilitation braucht es differenzierte Zustandsbeschreibungen, die den individuellen Verlauf abzubilden vermögen. Mit dem Remissionsprofil für Kinder und Jugendliche nach schweren erworbenen Hirnschädigungen (Remi-Pro) wurde ein solches Instrument entwickelt. Patienten und Methodik Setting: Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation mit dem Schwerpunkt auf Frührehabilitation (ab frühe Phase B, Phase C). Entwicklung und Testung des Remi-Pro unter Federführung der Abteilung Ergotherapie (ER, MH) an über 300 Patienten im Alter zwischen 2–16 Jahren, die nach akutem Ereignis zur Frührehabilitation stationär aufgenommen waren. Beurteilt werden die Fähigkeiten der Kinder an Hand jeweils 19–29 standardisierter Alltagsaktivitäten in 6 aufeinander aufbauenden Niveaus. Rater ist je nach Aufgabe (durchgeführter Alltagsaktivität) der Therapeut, die Pflegeperson oder die Eltern des Kindes. Als Grundlage dienen die Wiederaufnahme vertrauter und die Entwicklung neuer Aktivitäten in den Bereichen Spiel, Selbstversorgung und Produktivität. Es wird bewertet, ob und wie das Kind diese Aktivitäten ausführt. Die Ergebnisse werden in ein Profil übertragen, worüber der Verlauf sichtbar wird. Die Inhaltsvalidität wurde mit Unterstützung von 23 externen Experten überprüft, die Konstruktvalidität durch Vergleich zur Koma-Remissionsskale und zur Wee-FIM. Ergebnisse Die Inhalts- (0,83) und Konstruktvalidität (0,76–0,96) konnte bestätigt werden. In den unteren Niveaus (Schlaf-Wach-Niveau, Wahrnehmungsniveau, Kommunikationsniveau) gelingt es, die Remission von Patienten, die initial und nicht selten über Wochen im „Wachkoma“ sind, 381 individuell und valide abzubilden. Nahezu alle Kinder verlassen im Verlauf das Schlaf-WachNiveau, wobei nach Schädel-Hirn-Trauma eine frühere Erholung einsetzt als nach cerebraler Hypoxie. Patienten nach schweren sekundären Störungen des ZNS erreichen nur selten das 6. Niveau (Partizipationsniveau). Schlussfolgerungen Remi-Pro beschreibt standardisiert, valide und niveauspezifisch die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen und ist insbesondere in der frühen Remissionsphase ein wichtiges klinische Beobachtungsinstrument, das auch zur Therapiezielfindung herangezogen werden kann. Remi-Pro erfasst die Bereiche Aktivitäten/Teilhabe nach ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health), auch wenn die Teilhabe bedingt durch die neurologische Störung in den ersten Niveaus vor allem passiv erfolgt und sich erst in den späteren Niveaus mehr und mehr zu einer aktiven Teilhabe wandelt. Remi-Pro erlaubt eine Differenzierung des Remissionsverlaufs bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen unterschiedlicher Ätiologie und wird bei der zukünftigen Erarbeitung prospektiver prognostischer Daten zum Remissionsverlauf in der Frühphase der Rehabilitation Anwendung finden. Transition – Erwachsen werden mit einer chronischen Erkrankung am Beispiel der Mukoviszidose Gebert, N. (1), Bomba, F. (2), Herrmann-Garitz, C. (3), Thyen, U. (2), Schmidt, S. (3), Falkenberg, C. (4) (1) Medizinische Hochschule Hannover, (2) Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Campus Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, (3) Lehrstuhl Gesundheit & Prävention, Institut für Psychologie, Universität Greifswald; (4) Fachklinik Satteldüne Hintergrund Für chronisch kranke Jugendliche ist der Übergang in das Erwachsenenalter mit besonderen Herausforderungen im Alltag verbunden. Neben den normalen Entwicklungsaufgaben ihrer Alltagsgruppe müssen sie zusätzlich immer mehr Verantwortung für die Behandlung ihrer Erkrankung übernehmen. Unbestritten ist es heute, dass im Bereich der gesundheitlichen Versorgung chronisch kranker Jugendlicher im Übergang von der kinderärztlichen Praxis in die Erwachsenenmedizin eine Versorgungslücke besteht (Gleeson, Turner, 2012; Gorter et al., 2011; Kraus de Camargo, 2010). Dieser Mangel wurde mit der steigenden Lebenserwartung chronisch kranker Kinder immer deutlicher. Bei Patient/innen mit Mukoviszidose stieg die durchschnittliche Lebenserwartung von 13,9 Jahren (1995) auf 37 Jahre (2012) (Sens, Stern, 2012). Um Jugendliche und ihre Eltern gezielt auf diesen komplexen Prozess der Transition vorzubereiten, bedarf es einer gezielten Unterstützung und Beratung. In der vorliegenden Arbeit werden die Akzeptanz und Durchführbarkeit des Programms untersucht. 382 Methode Stichprobe: Es wurden 30 Transitionsworkshops an unterschiedlichen Standorten in Deutschland durchgeführt, das durchschnittliche Alter der teilnehmenden Jugendlichen mit Mukoviszidose beträgt 18,51 Jahre (SD=3,11, Tab. 1). Diabetes CED CF Gesamt IG 96 53 23 172 KG 90 46 17 153 186 99 40 325 101/85 55/44 19/21 175/150 ♀ vs. ♂ Tab. 1: Stichprobenbeschreibung. Design: Die Machbarkeit wurde an n= 172 Jugendlichen untersucht. Zukünftige Analysen über das zweifaktorielle Design (Gruppe × Zeit) sollen die Effektivität des neuen Programms bestimmen. Hierbei erfolgte die Messung zu Beginn, zum Ende und 5 Monate nach Abschluss des Workshops. Intervention: Die Klinik für Kinder- und Jugendliche in Lübeck führt zusammen mit dem Institut für Psychologie an der Universität Greifswald ein Forschungsprojekt durch, das sich an Jugendliche mit Typ-1-Diabetes, Mukoviszidose und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen richtet und ihre Gesundheitskompetenz und ihre Selbstständigkeit bezüglich ihrer Erkrankung fördern soll (Empowerment). Abb. 1: Module im Transitionsworkshop 383 Auf Basis einer qualitativen Interviewphase wurde ein Curriculum für eine Patientenschulung mit jugendspezifischen Themen und verschiedenen didaktischen Methoden speziell für die Phase der Transition entwickelt. Das Programm wurde im Folgenden mit einer Gruppe von mindestens 3, max. 8 Teilnehmer/innen u. a. im Rahmen einer Rehabilitation für Jugendliche mit Mukoviszidose an der Fachklinik Satteldüne und der Nachsorgeklinik Tannheim durchgeführt. Themen der Schulung waren die Organisation des Krankheitsmanagements, Perspektiven der Weiterbehandlung, Kennenlernen krankheitsspezifischer Unterstützungsangebote, Ablösung von den Eltern, Berufsfindung/-ausbildung und Partnerschaft. Durchgeführt wurde der Workshop von einem Diplompsychologen/in in Kooperation mit dem/der behandelnden Kinder- und Jugendarzt/ärztin (Bomba et al., 2013). Messinstrumente: Die Akzeptanz wurde über Fragebogen erfasst und die Durchführbarkeit anhand des Expertenurteils erhoben. Außerdem wurden im Rahmen der summativen Evaluation u. a. Versorgungszufriedenheit (CHC-SUN), krankheitsbezogene Lebensqualität (DCGM-10), aktive Patientenbeteiligung (PAM-13) und die Transitionskompetenz untersucht. Ergebnisse Akzeptanz: Es ergab sich eine sehr gute Akzeptanz und Bewertung der Schulung: Durchschnittlich vergaben die Teilnehmenden die Note 1,5 (Schulnotenskala), über 95 % der Teilnehmenden bewerten die Qualität mit „ausgezeichnet“ oder „gut“ (Skala 1–4: „ausgezeichnet“, „gut“, „weniger gut“, „schlecht“) und über 90 % würden die Schulung weiterempfehlen. Als besonders positiv wurde auch der Austausch mit den anderen Jugendlichen hervorgehoben. In der Prä-Post-Erhebung zeigt sich bei der Interventionsgruppe ein Anstieg von aktiver Patientenbeteiligung und Transitionskompetenz. Die Ergebnisse bleiben aufgrund der kleinen Fallzahlen in der Gruppe Mukoviszidosepatienten insignifikant. Durchführbarkeit: Es zeigt sich, dass ein Transitionsworkshop als Empowerment-Maßnahme für chronisch kranke Jugendliche durchführbar ist und gut angenommen wird. Die an Mukoviszidose erkrankten Patienten konnten im ambulanten Bereich kaum für eine Gruppenschulung motiviert werden, da sie Gruppenangeboten aus Angst vor Pseudomonas-Ansteckung generell kritischer gegenüberstehen. Während der Rehabilitation waren die jugendlichen Teilnehmer gut in Gruppen bis zu 8 Patienten zu schulen. Schlussfolgerungen Die durchgeführte Intervention hat sich als Methode erwiesen, chronisch kranke Jugendliche in der Phase ihrer Transition zu unterstützen. Eine abschließende Bewertung und quantitative Auswertung der Schulung ist erst nach der Einbeziehung der Follow-up-Daten möglich. In einem Anschlussprojekt „Fit für den Wechsel“ sollen nunmehr die Eltern in einer eigenen parallel durchgeführten Seminareinheit einbezogen werden. Wenn die Evaluation ergibt, dass diese Variante der ersten überlegen ist, müssten im Reha-Bereich Strukturen geschaffen werden, die dieses Schulungsformat ermöglichen. Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung 384 Literatur Bomba, F., Schmidt, S., Thyen, U. (2013): Das Transitions-Projekt: Erwachsenwerden mit chronischer Erkrankung – ein Workshop für chronisch kranke Jugendliche. Kinder Spezial/Kinderärztliche Praxis, 45. 20-22. Gleeson, H., Turner, G. (2012): Transition to adult services. Archives of Disease in childhood – Education and Practice Edition, 97. 86-92. Gorter, J.W., Stewart, D., Woodbury-Smith, M. (2011): Youth in transition: care, health and development. Child: care, health and development, 37. 757-763. Kraus de Camargo, O. (2010): Transition in den USA und Kanada. Kinderärztliche Praxis, 81. 220-227. Sens, B., Stern, M. (2012): Qualitätssicherung Mukoviszidose Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen, Mukoviszidose e. V. und Mukoviszidose Institut gGmbH, editors. Bad Honnef: Hippocampus Verlag. Prädiktoren für den Nachsorgeerfolg bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas im Rahmen einer Telefonberatung: Eine qualitative Studie Pankatz, M. (1), Stachow, R. (2), Tiedjen, U. (1), Hampel, P. (3), Hornig, W. (3) (1) Rehaforschung Fachklinik Sylt e.V., (2) Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche, (3) Universität Flensburg, Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften Hintergrund Die Nachhaltigkeit der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas zeigt keine zufriedenstellenden Ergebnisse (Holl et al., 2011). Bislang hat im Bereich der Nachsorge nur die Kombination einer stationären Rehabilitation mit einer ambulanten Nachsorge durch Ernährungsfachkräfte positive Effekte gezeigt (Adam et al., 2014), wobei die Datenlage aufgrund unterschiedlicher Ansätze der Datenerhebung und der sich verändernden Schulungsstandards heterogen ist und äußere Einflussfaktoren wenig beachtet (Bauer, Petermann, 2010). In der Studie „Kinder- und Jugend-Rehabilitation: Sicherung der Nachhaltigkeit durch Case Management“ (KiJuRNa 1) wurde ein Case Management implementiert, in dem, entsprechend den Empfehlungen der Konsensusgruppe Adipositasschulung (Stachow et al., 2014), Patienten mit der Methode der Motivierenden Gesprächsführung telefonisch in der Nachsorge beraten werden. Ziel der vorliegenden qualitativen Studie war es, Prädiktoren der Wirksamkeit des neuen Nachsorgeprogramms zu ermitteln. Methodik Insgesamt wurden 224 Patienten in die Studie aufgenommen, von denen 114 der Interventionsgruppe zugeordnet wurden. Die Patienten der Interventionsgruppe erhielten ein Abschlussgespräch am Ende ihrer Rehabilitation sowie 5 telefonische Beratungen im Anschluss über die Dauer eines halben Jahres. Sofern die Patienten bzw. ihre Erziehungsberechtigten einverstanden waren, wurden die Gespräche aufgezeichnet. Außerdem wurden zu 4 Messzeitpunkten (vor und nach der Rehabilitation, ½ sowie 1 Jahr danach) Größe und Gewicht erhoben. 385 Anzahl der Gespräche BMI-SDS nach ½ Jahr BMI-SDS Veränderung (während Nachsorge) 15 ƃ 8 1,93 1,7 1,37 -0,33 B 15 ƃ 8 2,61 2,45 2,28 -0,17 C 17 Ƃ 6 2,39 2 1,93 -0,07 D 15 ƃ 5 3,17 2,99 2,83 -0,16 E 17 ƃ 5 3,03 2,67 1,64 -1,03 A 16 ƃ 7 3,14 3,01 3,26 0,25 B 18 Ƃ 6 3,6 3,44 3,63 0,19 C 15 Ƃ 6 2,91 2,6 2,9 0,3 A 12 Ƃ 4 2,41 2,24 - - B 16 ƃ 5 1,73 1,52 - - C 10 ƃ 5 1,93 1,76 - - BMI-SDS nach Reha Geschlecht A BMI-SDS vor Reha Alter Abbrüche NonResponder Responder Für die vorliegende Studie wurden zwecks einer Einzelfallanalyse Patienten der Interventionsgruppe ausgewählt, deren Telefongespräche aufgezeichnet werden durften und die anhand des BMI-SDS 1 von 2 Gruppen, Responder (mit Reduktion des BMI-SDS zwischen Ende der Rehabilitation und dem Ende der Nachsorgeberatung) bzw. Non-Responder, zugeordnet werden konnten oder die die Beratung abbrachen (Tab. 1). Tab. 1: Stichprobe Es resultierten 11 Patienten; n= 5 Responder, n= 3 Non-Responder und n= 3 Abbrecher. Die Gespräche der 11 Patienten wurden transkribiert und anschließend unter Verwendung der Software MAXQDA daraufhin ausgewertet, welche Prädiktoren für einen Erfolg oder Misserfolg der Maßnahme existieren und was zum Abbruch einer Nachsorge führt. Für eine Beantwortung der Fragestellung wurde die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) gewählt. Ergebnisse Die Responder der Maßnahme zeichneten sich dadurch aus, dass sie in den Bereichen Ernährung und Bewegung Vorbilder hatten, an denen sie sich orientieren konnten. Weiterhin waren sie kreativer in der Aufstellung von Verhaltensstrategien. Die Strategien waren vielfältiger, ihnen standen weniger Hindernisse entgegen und sie wurden regelmäßiger umge386 setzt. Die Non-Responder hatten hingegen familiäre Probleme und mangelnde Unterstützung durch diese, was die Umsetzung von Vorsätzen erschwerte oder verhinderte. Unabhängig von der Zuordnung zur Gruppe der Responder oder Non-Responder wurden zwei wesentliche Faktoren festgestellt, die im Anschluss an die Rehabilitation zu Schwierigkeiten führen können. Während der stationären Rehabilitation werden trotz wissenserhaltendem Unterricht in der Klinik Schulstunden versäumt. Dies führt im Anschluss an die stationäre Phase zu Problemen, da dann viel Zeit für die Aufholung der Unterrichtsinhalte aufgewendet werden muss und so Freiräume beispielsweise für sportliche Betätigung fehlen. Schwierigkeiten entstehen außerdem durch Mobbingerfahrungen insbesondere in Sportvereinen, die die Umsetzung von Vorsätzen erschweren. Responder und Non-Responder unterscheiden sich hier in ihren Bewältigungsstrategien. Als protektiver Faktor erwies sich die regelmäßige Einnahme von Mahlzeiten in der Familie. Bei den Abbrechern zeigte sich ein mangelndes Interesse an der Beratung in 2 von 3 Fällen schon während des Prozesses und sie verweigerten die Mitarbeit in den Gesprächen. Für sie schien das Belohnungsgeld in Höhe von 40 Euro, das sie nach Nachsorgeabschluss für das Ausfüllen der Fragebögen erhalten würden, von zentraler Bedeutung zu sein, da sie die Nachsorgerin während der Beratung darauf ansprachen. Diskussion Die Gesprächsanalyse hat aufgezeigt, dass die Patienten schon direkt im Anschluss an die Rehabilitation deutliche Unterschiede im Verhalten und in den Ressourcen haben, die Aufschluss darüber geben, wer bei der weiteren Reduktion des BMI-SDS erfolgreich sein wird. Zudem wurden die Relevanz des Schulunterrichts während der stationären Rehabilitation und die Problematik des Mobbings in Sportvereinen festgestellt. Fazit Die Heterogenität der Patienten und die daraus resultierenden unterschiedlichen Verläufe im Anschluss an die Rehabilitation erfordern unterschiedliche Behandlungs- und Beratungsansätze. Monetäre Anreize für die Einsendung von Fragebögen führen zur Teilnahme von Personen an Programmen, die unter anderen Umständen nicht daran teilnehmen würden. Außerdem sollten die Auswirkung von Unterrichtsversäumnisse während Rehabilitation und ihre Folgen auf die Nachhaltigkeit untersucht werden. Schließlich sind diese ersten Hinweise auf Prädiktoren des Nachsorgeerfolgs durch quantitative Befunde zu ergänzen. Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, MecklenburgVorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr) Literatur Adam, S., Westenhöfer, J., Rudolphi, B., Kraaibeek, H.-K. (2008): Kombinierte stationäre und ambulante Adipositasbehandlung für Kinder und Jugendliche. Evaluation nach einem Jahr. MMW-Fortschritte der Medizin Originalien, 150. 7-15. Bauer, C.-P., Petermann, F. (2010): DGRW-Update: Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen. Die Rehabilitation, 49. 217-223. 387 Holl, R., Kiess, W., Wiegand, S., deZwaan, M., Souza, M. de, Widhalm, K., Reinehr, T. (2011): BMI über zwei Jahre bei 2714 Kindern/Jugendlichen der APV-Datenbank: Prädiktoren für „weight maintenance“ (KKN Adipositas-LARGE). Obesity Facts, 4 (s2). 8-9. Stachow, R., Sievers-Böckel, B., Büssenschütt, A., Gahler, A., Daâs, B., Jaeschke, R., Stübing, K., Eggers, I., Neugebauer, M., Ramos, G., Bremer, K., Heber, K., Baudach, A., Faustin, V., Gellhaus, I. (2014): Nachsorge für Kinder und Jugendliche nach ambulanter oder stationärer Rehabilitation. Das Adipositas-Nachsorgekonzept der KgAS®. Ernährung im Fokus, Sonderdruck zu Ausgabe 05-06/2014. Weg mit den Snacks, her mit dem Gemüse: Approach-Avoidance-Training (AAT) bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas Warschburger, P. (1), Lieck, K. (1), Morawietz, M. (1), Rinck, M. (2) (1) Universität Potsdam, (2) Radboud University Nijmegen Hintergrund und Fragestellung Selbstkontrolle ist u. a. die Fähigkeit, impulsive Reaktionen zu verhindern (response inhibition) und ist wichtig zur Verfolgung von Langzeitzielen (Baumeister et al., 2007). Bei der Gewichtsabnahme ist ein besonderes Maß an Selbstkontrolle nötig, um impulsive Reaktionen (die Annäherung und das Verspeisen) auf allgegenwärtige verführerische (hochkalorische) Lebensmittel zu verhindern. So findet sich ein Zusammenhang zwischen response inhibition und Adipositas (z. B. Nederkoorn et al., 2006). In der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, ob mit Hilfe eines computerbasierten Trainings die Selbstkontrollfähigkeiten adipöser Kinder gesteigert werden können. Methodik In der DRV-geförderten Studie wurde ein computerbasiertes Selbstkontrolltraining entwickelt. Das Training basiert auf dem „Approach-Avoidance Paradigm“ (Wiers et al., 2011). Die Kinder hatten in 6 Sitzungen die Aufgabe, Snack-Stimuli mit dem Joy-Stick wegzudrücken und Gemüse zu sich heranzuziehen. Das Training dauerte zwischen 10 und 15 Minuten. Gemessen wurden die Reaktionszeiten der Kinder nach Konfrontation mit den Nahrungsmittelstimuli. Ergebnisse Bislang nahmen 59 übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche (5,6 % Mädchen und 42,4 % Jungen) im Alter von 8–16 Jahren (M=12,83, SD=1,98) an der Pilotstudie teil. Innerhalb der einzelnen Sitzungen zeigte sich, dass die Kinder zunehmend schneller die entsprechenden Joy-Stickbewegungen ausführen konnten. Erste Ergebnisse bestätigen zudem, dass sich die Kompatibilität (Heranziehen von Gemüse; Wegdrücken von Süßigkeiten) über die Trainingsdauer hinweg erhöhte (Kontrolle von Alter (F(1,52)=5,59, p<0,05)). Im Einzelnen bedeutet dies, dass die Kinder nach dem Training eine verminderte Annäherungstendenz in Bezug auf Snacks und eine höhere Annäherungstendenz in Bezug auf Gemüse hatten. 388 Diskussion Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Annäherungs- und Vermeidungstendenzen der Kinder mit unserem Training verändert werden können. In einer weitergehenden randomisiert-kontrollierten Studie soll jetzt überprüft werden, ob ein solches Training sich auch positiv auf den längerfristigen Gewichtsverlauf nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme auswirkt. Mit einem solchen Training läge dann eine relativ kostengünstige Unterstützung der multiprofessionellen Therapie der Adipositas vor. Dank: Wir danken herzlich den beteiligten Kooperationskliniken. Literatur Baumeister, R.F., Vohs, K., Tice, D.M. (2007): The strength model of self-control. Current Directions in Psychological Science, 16. 351-355. Nederkoorn , C., Braet, C., Eijs, Y., Tanghe, A., Jansen, A. (2006): Why obese children can not resist food: The role of impulsivity. Eating Behavior, 7. 315-322. Wiers, R.W., Eberl, C., Rinck, M., Becker, E.S., Lindenmeyer, J. (2011): Retraining automatic action tendencies changes alcoholic patients‘ approach bias for alcohol and improves treatment outcome. Psychological Science, 22 (4). 490-497. Was Eltern von der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen erwarten Berghem, S. Ostseestrand – Klinik Klaus Störtebeker, Kölpinsee auf Usedom Hintergrund Die Antrags- und Bewilligungszahlen für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche nehmen seit Jahren ab (Spindler, 2014). Bei einer umfangreichen Befragung (Berghem, 2014) von unterschiedlichen Prozessbeteiligten wurden hierfür zahlreiche Gründe auf Seiten der Kostenträger und der niedergelassenen Ärzte identifiziert. In dieser Untersuchung wurden von anderen als Gründe auf der Seite der Eltern benannt: Unkenntnis der Eltern, Arbeitsplatzargumente und Heimweh. Mit dieser Untersuchung sollte erstmals auch die Sichtweise der Eltern untersucht werden. Methodik Über einen Aufruf auf unterschiedlichen Seiten im Internet (Elterngruppen in facebook, eltern.de, etc.) wurden Eltern gebeten, einen Online-Fragebogen zum Thema Kindergesundheit und Kur/Rehabilitation zu beantworten. 180 Eltern folgten diesem Aufruf und gaben umfangreich Auskunft über ihre Sichtweise. Einerseits wurde beantwortet, was eine Rehabilitation schwierig machen würde, andererseits wurden konkrete Erwartungen abgefragt. Ergebnisse Am häufigsten werden als Problembereich benannt, die eine Reha schwierig oder unmöglich erscheinen lassen: Heimweh des Kindes, Kosten, Schulausfall, Abwesenheit vom Ar389 beitsplatz und ablehnende Haltung von Rentenversicherung, Krankenkasse oder Arzt. 39,6 % gaben an, nicht zu wissen, wie sie an eine Reha/Kur kommen können. Im medizinischen Bereich wird eine umfangreiche Diagnostik als erforderlich betrachtet (51,21 % Antworten „zwingend“ oder „unerlässlich“), gefolgt von der Behandlung durch einen Pädiater (43,94 %) oder – je nach Indikation – durch einen anderen passenden Facharzt (36,92 %). Eine beständige Anwesenheit eines Arztes in der Klinik hielten 16,67 % für zwingend erforderlich. Bei der Wahl der Behandlungsmethoden rangierte die rein schulmedizinische, evidenzbasierte Behandlung mit 44,44 % vor der Synthese aus Schulmedizin und Naturheilverfahren (24,24 %). Eine rein naturheilkundliche Behandlung wurde von 4,24 % als essentiell betrachtet. Beim Essen wurde mit 40 % am häufigsten ein allergiegerechtes Essen als wichtig benannt, gefolgt von unterschiedlichen Diätformen, Vollwertkost und einer großen Auswahl an Speisen. Ein umfangreiches kostenloses Freizeitangebot hielten 19,84 % für erfolgsrelevant, 9,52 % sogar für essentiell. Im Bereich Schule wurde mehrheitlich Unterricht in den Hauptfächern für essentiell und förderlich betrachtet, aber auch eine Beschulung in sämtlichen Fächern wurde häufig als wesentlich erachtet. Es besteht auch ein Bedarf an Unterricht für Förderschüler, ein Unterricht für Waldorfschüler war in dieser Untersuchung nicht zwingend erforderlich. Auch zur Infrastruktur der Klinik bestanden Erwartungen, die teils überraschend waren. So halten knapp 10 % der Eltern Strukturmerkmale wie kostenloses WLAN im Zimmer oder kostenlosen Fernseher im Appartement für entscheidend für einen Antritt der Reha. Die Teilnehmer dieser Untersuchung waren nach eigener Einschätzung deutlich besser über Eltern-Kind-Maßnahmen informiert als über Reha für Erwachsene. Weniger informiert waren sie über Kinder-Reha, am wenigsten waren die Unterschiede zwischen Eltern-KindMaßnahmen und Kinderrehabilitation bekannt. Informationen zur Kinder-Reha wurden von 46,76 % vom Kinderarzt gewünscht/erwartet, annähernd häufig von der Krankenkasse mit 41,01 %. Deutlich seltener denken die Eltern an eine Reha-Servicestelle (28,78 %) oder an die Rentenversicherung (24,46 %). Im Internet wünschen sich 17,99 % Informationen, im Bereich social media 7,19 %. Diskussion In dieser Befragung von sicher überdurchschnittlich Reha-affinen Eltern fiel bei 40 % der Befragten ein deutliches Informationsbedürfnis auf. Am wenigsten bekannt war der Unterschied zwischen Eltern-Kind-Maßnahmen und Kinderrehabilitation. Als erster Informationsund Ansprechpartner fällt den meisten Eltern zunächst ihr Kinderarzt ein. Zahlreiche Hürden wie Heimweh, der eigene Arbeitsplatz und die Schulsituation erschweren den Zugang zur Kinder-Reha. Die Eltern haben ziemlich konkrete Vorstellung, wie sie sich eine Rehabilitation für ihr Kind vorstellen. Die meisten dieser Vorstellungen werden aktuell in allen Einrichtungen erfüllt, es gibt jedoch auch Wünsche, die jeglichen Zusammenhang zur Zielsetzung einer Rehabilitation vermissen lassen 390 Schlussfolgerung Eltern benötigen mehr und bessere Informationen zur stationären Rehabilitation für Kinder und Jugendliche. Ein möglicher Weg hierfür ist die Information durch den Kinderarzt, allerdings stehen dem die Bedingungen in der Praxis mit wenig Zeit für den Patienten und wenig vertiefter Information der Kollegen eher im Wege, sodass auch ergänzende Informationsquellen genutzt werden sollten. Um Unzufriedenheit der Patienten und eine Beeinträchtigung der Rehabilitationsdurchführung zu verhindern, empfiehlt es sich, die Eltern bereits vor Antritt der Maßnahme umfangreich zu informieren. Literatur Berghem, S. (2014): Fünf Minuten für die Kinderreha – Ergebnisse einer Umfrage. Pädiatrische Allergologie, 17, 2/14. 22-24. Spindler, T. (2014): Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen in Gefahr! Pädiatrie hautnah, 26. 264-265. 391 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen II Regionale Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen Jankowiak, S. (1), Dannenmaier, J. (1), Krischak, G. (1, 2) (1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau Hintergrund In den letzten Jahren ist eine deutliche Zunahme der chronischen Erkrankungen im Kindesund Jugendalter zu verzeichnen (Neuhauser, Poethko-Müller, 2014). Diese haben aufgrund ihres langen Verlaufs einen nachhaltigen Einfluss auf die gesamte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und können – vorausschauend betrachtet – die Erwerbsfähigkeit im Erwachsenenalter beeinträchtigen. Die medizinische Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen ist dabei ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Leistungsfähigkeit sowie zur späteren Eingliederung in das Erwerbsleben (DRV Bund, 2012). Während die zunehmende Prävalenz einen wachsenden Rehabilitationsbedarf nahelegt, ging in den vergangenen 5 Jahren die Antragszahl bei Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche deutlich zurück (Laudien, Werner-Müller, 2014). Um angesichts dieser Diskrepanz einer möglichen Unterversorgung entgegenzuwirken, wurden bereits verschiedene Strategien durch die Deutsche Rentenversicherung entwickelt, die eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme sicherstellen sollen. Damit diese Programme möglichst effektiv sind, müssen Faktoren identifiziert werden, die einen Einfluss auf den Rehabilitationszugang haben. Ziel der Untersuchung war es, Kenntnisse über regionale Besonderheiten und zeitliche Trends der Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen in Baden-Württemberg zu gewinnen, wobei Veränderungen bei der Rehabilitandenstruktur geprüft wurden. Methodik Mithilfe der Rehabilitations-Statistik-Datenbasis (RSD) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV BW), die Informationen zu durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen umfasst, sowie Angaben des Statistisches Landesamtes Baden-Württemberg zur Bevölkerung im Alter zwischen 0 und 27 Jahren, wurde die Anzahl der Rehabilitanden bezogen auf 100.000 Kinder und Jugendliche für jede der 12 Regionen in Baden-Württemberg jeweils für die Jahre 2005 bis 2012 bestimmt. So konnte geprüft werden, ob sich die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen im Zeitverlauf bzw. zwischen den Regionen unterscheidet. Für weitere Analysen konnten jeweils 3 Regionen aufgrund ähnlicher Raten im Zeitverlauf zu insgesamt 4 Gebieten zusammengefasst werden. Um Hinweise auf regionale Besonderheiten bei der Rehabilitandenstruktur sowie deren Veränderungen im Zeitverlauf zu erhalten, wurden Alter, Geschlecht, Hauptdiagnose und Anzahl der Begleiterkrankungen der Rehabilitanden betrachtet. 392 Ergebnisse Die über den Zeitraum von 2005 bis 2012 berechnete durchschnittliche Rate an Rehabilitanden reichte von 69,7 in Gebiet 1 über 77,0 in Gebiet 2 und 97,0 in Gebiet 3 bis 119,4 in Gebiet 4. Auch bei Betrachtung der Rate im Zeitverlauf ließen sich deutliche Unterschiede zwischen den Gebieten erkennen, wobei in keinem Gebiet ein klarer zeitlicher Trend ersichtlich war (Abb. 1). Um zu prüfen, inwiefern dies ggf. auf Unterschiede und zeitliche Schwankungen bei der Anzahl von Kinderärzten und Allgemeinmedizinern, denen eine relevante Rolle bei Initiierung von Rehabilitationsleistungen zukommt, zurückgeführt werden kann, wurde die Entwicklung der Arztzahlen den Rehabilitatandenraten gegenübergestellt. Die Anzahl der Ärzte nahm im Zeitverlauf allerdings nur leicht ab, wobei zwischen den Gebieten keine Unterschiede bestanden. Zeitlicher Verlauf der Rehabilitationsrate und Arzt-Rate 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 2005 2006 2007 2008 2009 Anzahl an Rehabilitanden im Gebiet (Rehabilitanden je 100.000 Kinder im Gebiet) Anzahl an Ärzten im Gebiet (Kinderärtze und Allgemeinmediziner je 100.000 Einwohner) 2010 2011 2012 1 2 3 4 1 2 3 4 Abb. 1: Rate von Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur Rate an Kinderärzten und Allgemeinmedizinern im Zeitraum von 2005 bis 2012 getrennt nach Gebiet Die Geschlechterverteilung unter den Rehabilitanden war in allen 4 Gebieten im Zeitverlauf relativ stabil, wobei tendenziell mehr Jungen als Mädchen eine Rehabilitation in Anspruch nahmen. Während in Gebiet 1 und Gebiet 2 über alle Jahre hinweg der Anteil der 13- bis 18jährigen Kinder und Jugendlichen am höchsten war, führten in den Gebieten 3 und 4 in allen beobachteten Jahren 7- bis 12-jährige Kinder am häufigsten eine Rehabilitation durch. In allen Gebieten variierte die Häufigkeiten der 3 zahlenmäßig bedeutsamsten Diagnosegruppen (psychische und Verhaltensstörungen; endokrine Erkrankungen sowie Ernährungsund Stoffwechselkrankheiten; Krankheiten des Atmungssystems) stark im Zeitverlauf. Letztendlich konnte in allen Gebieten eine zunehmende Multimorbidität unter den Rehabilitanden beobachtet werden. 393 Diskussion Bei der Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen im Kindes- und Jugendalter zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen den 4 Gebieten. Es ist zu bezweifeln, dass sich diese Abweichungen allein durch regionale Differenzen bei der Erkrankungslast erklären lassen. Zudem korrespondieren die zeitlichen Verläufe der Rehabilitationsraten nicht mit der in Studien berichteten Zunahme der chronischen Erkrankungen in der Zielgruppe. Daher bedarf es weiterer Untersuchungen, welche Faktoren für die Inanspruchnahme einer Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen relevant sind, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Literatur Neuhauser, H., Poethko-Müller, C. (2014): Chronische Erkrankungen und impfpräventable Infektionserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsblatt, 57. 779-788. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Positionspapier der gesetzlichen Rentenversicherung zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen. Laudien, K., Werner-Müller, R. (2014): Rehabilitation für Kinder – die beste „Investition“ in die Zukunft. Spektrum, 1. 62-64. Die Wirkung sozialer Ungleichheiten auf Zugang und Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in Mitteldeutschland Fach, E.-M., Schumann, N., Günther, S., Richter, M. Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Hintergrund Die Wirkung sozialer Ungleichheiten auf die Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistungen findet zunehmend Berücksichtigung in der Forschung (Klein et al., 2014). Indes liegen kaum Erkenntnisse für die rehabilitative Versorgung im Allgemeinen (Hofreuter-Gätgens et al., 2013) und für den Bereich der stationären Kinderrehabilitation im Speziellen vor (Schumann et al., 2014). Ergebnisse aus der Erwachsenenrehabilitation deuten an, dass die Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen weitgehend schichtunabhängig erfolgt (Geyer, Schlanstedt-Jahn, 2012; Deck, 2008), allerdings erreichen Patienten sozial benachteiligter Schichten die Rehabilitation mit einem schlechteren Gesundheitszustand und weniger Informationen bezüglich der Ziele und des Ablaufs der Rehabilitationsmaßnahme (Deck, 2008). Der Beitrag untersucht, ob soziale Ungleichheiten auf den Zugang und die Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in Mitteldeutschland wirken. 394 Methodik In der regionalen rekju-Studie mit einem zweiarmigen, kombinierten Studiendesign wurden Eltern chronisch kranker Kinder (7–17 Jahre) zu Zugangs- und Inanspruchnahmekriterien stationärer Rehabilitationsmaßnahmen befragt: Einerseits prospektiv zu 2 Messzeitpunkten (T1: nach Reha-Bedarfsermittlung und vor Antragsstellung, n=66; T2: 3 Monate nach RehaAntragstellung, n=29). Andererseits retrospektiv nach Beendigung einer stationären Rehabilitation ihrer Kinder in einer von drei Rehabilitationskliniken (Bad Kösen, Bad Gottleuba, Bad Salzungen) in Mitteldeutschland (n=277). Mittels deskriptiver Methoden (Chi²-Tests, logistische Regression) wurde der Einfluss sozialer Ungleichheit auf ausgewählte krankheitsbezogene (Krankheitsschwere, allgemeine Gesundheitszustand), psychosoziale (HRQL) und personale (Reha-Erfahrungen) Faktoren sowie strukturelle Rahmenbedingungen (Antragstellung, Inanspruchnahmemotivation, Erstantragsbewilligung, Widerspruchsverfahren) untersucht. Ergebnisse Eltern, bei deren Kindern ein Reha-Bedarf durch den Kinderarzt ermittelt wurde, stellen mehrheitlich einen Reha-Antrag (96,8 %) und streben eine Inanspruchnahme der RehaMaßnahme seitens ihrer Kinder an (95,5 %). Die meisten Heranwachsenden erreichen die stationäre Kinderrehabilitation über eine Erstantragsbewilligung (85,4 %). Die Chance, die stationäre Kinderrehabilitation über ein Widerspruchsverfahren der Eltern zu erreichen, ist für Kinder aus sozial besser gestellten Haushalten um das 3,5-Fache höher (KI=1,04–12,89, p<0,05). Zudem stufen Eltern höherer Statusgruppen die Krankheitsschwere ihrer Kinder höher (p=0,19) und den allgemeinen Gesundheitszustand schlechter ein (p=0,22). Ferner scheinen sich bereits vorhandene Reha-Erfahrungen der Eltern günstig auf eine erfolgreiche Antragsstellung auszuwirken. Im Vergleich der Teilstichproben beider Studienarme zeichnet sich bei der retrospektiven Studie in den Rehabilitationskliniken ab, dass weniger Heranwachsende aus sozial schwachen Haushalten eine Rehabilitation im Vergleich zur prospektiven Studienpopulation mit Reha-Bedarf erreicht haben. Kinder aus sozial besser gestellten Haushalten weisen zudem tendenziell eine höhere Inanspruchnahme früherer Rehabilitationsmaßnahmen auf (p=0,10). Diskussion und Schlussfolgerung Die Ergebnisse legen nahe, dass soziale Ungleichheiten in der Inanspruchnahme von stationären Reha-Maßnahmen, wenn eine Erstantragsbewilligung durch den Leistungsträger erfolgt, nicht wirken. Im Falle einer Antragsablehnung scheinen jedoch chronisch kranke Kinder und Jugendliche aus sozial besser gestellten Haushalten von einem höheren Krankheitsbewusstsein bezüglich der Einstufung der Krankheitsschwere und des allgemeinen Gesundheitszustands ihrer Kinder sowie einer höheren Widerspruchsmotivation ihrer Eltern zu profitieren und den Weg in die Rehabilitation häufiger „im zweiten Anlauf“ zu erreichen als Heranwachsende aus sozial benachteiligten Haushalten. Künftige Forschungsbemühungen sollten sich demnach verstärkt dem Zugang in die stationäre Kinderrehabilitation widmen und einen Fokus auf die Rolle des behandelnden (Kinder-)Arztes legen, der für die Eltern im Antragsverfahren als „Gatekeeper“ zu rehabilitativen Versorgungsmaßnahmen fungiert. Förderung: Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland 395 Literatur Deck, R. (2008): Soziale Ungleichheit in der medizinischen Rehabilitation. In: Gesundheitswesen 70/10. 582-589. Geyer, S., Schlanstedt-Jahn, U. (2012): Gibt es soziale Ungleichheiten in der Inanspruchnahme der onkologischen Rehabilitation bei Mammakarzinompatientinnen? In: Gesundheitswesen 74/02. 71-78. Hofreuter-Gätgens, K., Bergelt, C., Hergert, A., Koch, U., Melchior, H., Pfau-Effinger, B., Schul, H., Watzke, B., Morfeld, M. (2013): Soziale Ungleichheit in der stationären medizinischen Rehabilitation: Ein systematischer Literaturüberblick. In: Gesundheitswesen 75 (08/09). A134. Klein, J., Hofreuter-Gätgens, K., von dem Knesebeck, O. (2014): Socioeconomic Status and the Utilization of Health Services in Germany: A Systematic Review. In: Janssen, C., Swart, E., von Lengerke, T. (Hrsg.): Health Care Utilization in Germany. Theory, Methodology, and Results: New Yorg Springer Science+Business Media. 117-143. Schumann, N., Günther, S., Fach, E-M., Richter, M. (2014): Sozialer Status und reha-bezogene Parameter in der stationären Kinder- und Jugendrehabilitation. Ergebnisse aus der rekju-Studie. In: Phys Med Rehab Kuror 24. 240-248. (in press) Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen – Perspektive der Allgemeinmediziner Berghem, S. Ostseestrand – Klinik Klaus Störtebeker, Kölpinsee auf Usedom Hintergrund Die Antrags- und Bewilligungszahlen für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche nehmen seit Jahren ab (Spindler, 2014). Bei einer Befragung von niedergelassenen Pädiatern und anderen Prozessbeteiligten (Berghem, 2014) wurden hierfür zahlreiche Gründe aufseiten der Kostenträger und der Hausärzte identifiziert. Bisher wurde die Perspektive von niedergelassenen Allgemeinmedizinern, die vielfach besonders in ländlicher Umgebung die Bezugsärzte der Kinder sind, nicht untersucht. Methodik Über ein Anschreiben per E-Mail an die Mailadresse der Praxis wurden niedergelassene Allgemeinmediziner gebeten, einen Online-Fragebogen zum Thema Rehabilitation für Kinder und Jugendliche zu beantworten. Lediglich 87 der eingeladenen 1.287 Kollegen folgten diesem Aufruf (6,8 %), womit die Teilnahmequote deutlich unter der der Voruntersuchung mit 17,4 % liegt. Ergebnisse In den Praxen der Teilnehmer wurden 15,1 % Kinder und Jugendliche behandelt, die Praxen befanden sich zu 65,5 % in ländlicher, zu 23,0 % in städtischer und zu 11,5 % in großstädtischer Umgebung. Die Kollegen waren durchschnittlich 19,7 Jahre in der ambulanten Me396 dizin kurativ tätig. 87,6 % der Ärzte besaßen die Ermächtigung, Rehabilitation zulasten der GKV zu verordnen (Formular 61). 43,0 % der Ärzte schätzten ein, dass nur wenige Eltern wissen, dass es Rehabilitationen für Kinder und Jugendliche gibt, 48,1 % schätzen, dass sich die Eltern nur wenig mit dem Unterschied zwischen Rehabilitation für Kinder/Jugendliche und Eltern-Kind-Maßnahmen auskennen, 26,6 % beurteilen, dass die Eltern sich überhaupt nicht damit auskennen. Die eigenen Kenntnisse in dieser Frage werden von 43,7 % als gut eingeschätzt, allerdings fühlen sich 62,1 % nicht sicher in der Frage, welcher Kostenträger für Eltern-Kind-Maßnahmen zuständig ist. Bei der Rehabilitation für Kinder und Jugendliche sind sich 80,7 % unsicher bei der Frage nach dem zuständigen Kostenträger, 12,9 % geben an, keine Ahnung zu haben, nur 6,5 % fühlen sich sicher. 40,7 % haben noch nie eine Rehabilitationsmaßnahme für Kinder/Jugendliche verordnet (5,8 % tun dies häufig), nur 4,6 % haben noch nie eine Eltern-Kind-Maßnahme verordnet (34,9 % häufig). 53,0 % empfinden die Bewilligungspraxis Eltern-Kind überwiegend problematisch, bei der Reha sind es 62,3 %. 79,3 % beurteilen Eltern-Kind-Maßnahmen meist oder immer als hilfreich für die Kinder, bei der Rehabilitation sind dies 83,6 %. Die Mehrheit (52,4 %) der Teilnehmer wünschte weitergehende Informationen zur Rehabilitation für Kinder und Jugendliche. Diskussion Interesse an und vorhandene Informationen bezüglich der Rehabilitation für Kinder und Jugendlich scheint bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern geringer zu sein als bei Pädiatern. In einzelnen Kommentaren wurde auch bemerkt, dass der allgemeinmedizinische Hausarzt zwar als der Ansprechpartner für akute Erkrankungen gesehen wird, Kinder mit chronischen Erkrankungen jedoch meist zusätzlich von einem Pädiater betreut würden. Selbst bei den Teilnehmern, die sicher besonders interessiert am Thema Rehabilitation waren, ist der Kenntnisstand eher gering, auch das Wissen der Eltern wird als eher schlecht eingeschätzt. Schlussfolgerung Es scheint ein deutlicher Informationsbedarf zu bestehen, der jedoch wegen Selektionsbias nicht präzise eingeschätzt werden kann. Für eine repräsentative Beurteilung wäre eine umfangreiche Untersuchung sinnvoll. Unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß des Informationsdefizits sollte eine Information und Unterstützung der niedergelassenen Allgemeinmediziner hilfreich für rehabilitationsbedürftige Kinder und Jugendliche sein. Literatur Berghem, S. (2014): Fünf Minuten für die Kinderreha – Ergebnisse einer Umfrage. Pädiatrische Allergologie, 17, 2/14. 22-24. Spindler, T. (2014): Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen in Gefahr! Pädiatrie hautnah, 26. 264-265. 397 Aspekte der psychischen Befindlichkeit bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes in der stationären Rehabilitation Paape, F., Hermann, T. Fachklinik Prinzregent Luitpold, Scheidegg Die Manifestation eines Typ-1-Diabetes (T1D) und das Leben mit einer chronischen Erkrankung bringen Herausforderungen und schwere Belastungen mit sich. Die ständige Selbstbehandlung fordert äußerste Disziplin, ist zeitintensiv und emotional belastend. In unserer Fachklinik stellt der T1D eine Hauptindikation dar. Im Reha-Alltag ist eine massive psychosoziale Belastung bei betroffenen Kindern und Jugendlichen, aber auch bei deren Eltern zu beobachten. Als Grund für den Antrag einer Rehabilitationsmaßnahme wird zudem bei vielen Jugendlichen eine Complianceproblematik angegeben. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Erfolge in der Diabetesbehandlung auch von der emotionalen Stabilität der Patienten abhängig sind (Lange, 2010). Wenn psychische Erkrankungen nicht erkannt und behandelt werden, kann dies negative Folgen für die Stoffwechsellage und Langzeitprognose haben. So wurden beispielsweise höhere HbA1C-Werte bei unter 25-jährigen T1D-Patienten mit depressiven Symptomen festgestellt (Plener et al., 2014). Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit T1D zählen neben den Anpassungsstörungen depressive Störungen und Angststörungen. Die Befundlage hinsichtlich der Prävalenzraten ist uneinheitlich. Einerseits wird eine zwei- bis dreifach erhöhte Häufigkeit affektiver Störungen im Vergleich zu stoffwechselgesunden Jugendlichen (20–27 % vs. 5–8 %) berichtet (Grey et al., 2002). Andere Studien zeigen, dass Jugendliche mit T1D nicht häufiger betroffen sind (siehe Lange, 2010). Plener und Kollegen (2014) führten mit der DPV-Datenbank eine Beobachtungsstudie durch und stellten bei 0,78 % der unter 25-jährigen T1D-Patienten depressive Symptome fest. Andere Aspekte der psychischen Befindlichkeit wie Ängste wurden bislang seltener untersucht. In einer Studie von Herzer und Hood (2010) zeigten 17 % der jugendlichen T1D-Patienten Angstsymptome. Auch Auffälligkeiten im Selbstbild sind denkbar, da die körperliche Gesundheit wesentlich zum Selbstbild beiträgt (Lange, 2010). Ziel dieser Untersuchung war es, Auffälligkeiten in der psychischen Befindlichkeit von T1DPatienten in der stationären Rehabilitation objektiv zu erfassen. Im Rahmen einer Psychodiagnostik wurden bei T1D-Patienten depressive Symptome, Ängste und Selbstbildaspekte untersucht. Methode n=67 (34 weiblich), Durchschnittsalter 13,86 Jahre (SD=2,17), durchschnittliche Diabetesdauer 5,42 Jahre (SD=3,51), durchschnittlicher HbA1C-Wert 9,44 % (SD=1,54) Zur Erfassung der psychischen Befindlichkeit kamen der Angstfragebogen für Schüler (Wieczerkowski; n=63), in Abhängigkeit vom Alter das Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (Stiensmeier-Pelster; n=56) oder die Allgemeine Depressionsskala (Hautzinger; n=8), der Persönlichkeitsfragebogen für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren (Seitz, Rausche; 398 n=37) oder der Mehrdimensionale Persönlichkeitstest für Jugendliche (Schmidt; n=21) zum Einsatz. Ergebnisse Prozentränge 84 bzw. 16 wurden als für die jeweilige Skala auffällig gewertet. Für 26,98 % der Patienten ergaben sich erhöhte Werte auf der Skala manifeste Angst. 30,16 % zeigten eine erhöhte Schulunlust. Bei 31,25 % der Patienten ergaben sich Hinweise auf das Vorliegen depressiver Symptome. Bei 32,43 % sprechen die Ergebnisse für ein hohes Selbsterleben von allgemeiner und existenzieller Angst, bei 24,32 % für eine niedrige Selbstüberzeugung, bei 35,14 % für ein hohes Selbsterleben von Impulsivität und Unbekümmertheit und bei 32,43 % für ein hohes Selbsterleben von Minderwertigkeit gegenüber anderen. Von den 21 Jugendlichen, die den MPT-J durchführten, erzielten 42,86 % erhöhte Werte auf der Skala unkorrekte Testbearbeitung. Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein beachtlicher Anteil der T1D-Patienten in der stationären Rehabilitation als besonders ängstlich, depressiv, impulsiv, wenig von sich überzeugt, unterlegen und minderwertig einschätzt. Complianceprobleme sind bei Jugendlichen, die sich so wahrnehmen und empfinden, leicht nachzuvollziehen. Im Vergleich zu den in der Einleitung beschriebenen Studienergebnissen scheinen unsere Befunde auf höhere Raten hinzuweisen. Dabei fällt beispielsweise der hohe Anteil an Patienten auf, bei denen wir depressive Symptome feststellten. Eine Ursache für die Unt