Stutenfütterung vor und nach der Belegung

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Stutenfütterung vor und nach der Belegung
Praxis
Stutenfütterung vor und nach der Belegung
Die Fütterung der Stuten in diesem Zeitabschnitt kann einen großen Einfluss auf
die Fruchtbarkeit haben. Von Dr. Ernst Stephan, Elmshorn (1)
ine Abfohlrate von 100%
würde bedeuten, dass die
Zuchtstute jedes Jahr ein lebendiges Fohlen zur Welt bringen
würde. Dies wird in der praktischen Zuchtarbeit selten erreicht,
denn die Abfohlrate liegt im Mittel
bei 66%.
Die Fruchtbarkeit der Stuten wird
von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dabei ist der Faktor Fütterung relativ leicht zu erfassen, zu beurteilen und zu
optimieren.
Hierfür ist wichtig zu wissen, welche Inhaltsstoffe in den verwendeten Futtermitteln vorhanden sind
und wie viel die Stute davon am
Tag erhält, um dann vergleichen
zu können, was die Stute in diesem wichtigen Lebensabschnitt eigentlich benötigt. Innerhalb der
Fütterung haben dabei die Energieversorgung und die Versorgung
mit verdaulichem Rohprotein bzw.
den Aminosäuren sowie die Mineralstoff- und Vitaminversorgung
den höchsten Stellenwert.
E
futter bzw. durch junge gehaltvolle Weide im Frühjahr erreicht
wird.
Die Flushing-Fütterung muss
beim Schaf über eine gewisse
Mindestdauer durchgeführt werden, um eine positive Wirkung erzielen zu können. Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit der
Flushing-Fütterung bei Schafen
ist immer, dass die güsten Muttertiere in der Zeit vom Absetzen bis
zum nächsten Belegen eher verhalten, sprich knapp gefüttert
werden, wobei Gewichtsverluste
einkalkuliert werden.
Auch nach dem erfolgreichen Belegen ist eine energetische Unterversorgung durch einen abrupten
Futterwechsel im Frühjahr (z.B.
Anweiden) bzw. eine eingeschränkte Futteraufnahme gerade
am Anfang der Trächtigkeit sehr
negativ. In dieser Zeit ist die Gefahr sehr groß, dass der Embryo
abstirbt, denn erst im Alter von 6
Tagen ist der kleine Pferdeembryo
in der Gebärmutter angekommen,
wo er mit dem eigentlichen Größenwachstum beginnen kann.
Eine Unterversorgung mit Energie
während der gesamten Trächtigkeit kann zu einer verlängerten
Flushing-Fütterung
in der Tierernährung
Oft wird in der Praxis der Stutenfütterung der Begriff der „Flushing“-Fütterung verwendet. Dieser Begriff stammt aus den
angelsächsischen Ländern und bedeutet wörtlich übersetzt „Nachspülen“, was sich erst einmal sehr
ungewöhnlich anhört, aber bei
näherer Betrachtung dennoch eine
gewisse Bedeutung hat.
Bei der Ovulation, auch Eisprung
genannt, wird eine reife unbefruchtete Eizelle aus dem reifen
Follikel (Eibläschen) im Eierstock
umgangssprachlich
regelrecht
„herausgespült“. Durch den Begriff
„Nachspülen“ will man deshalb
einfach andeuten, dass die Ovulationsrate erhöht werden soll.
Die Flushing-Methode wurde ursprünglich bei der Fütterung von
Schafen eingesetzt, die im Vergleich zum Pferd nur eine durchschnittliche Tragezeit von 150 Tagen besitzen. Man geht davon aus,
dass eine zusätzliche Nährstoffversorgung vor dem Belegen für
eine höhere Ovulationsrate verantwortlich ist und damit bei den
Schafen zu einer erhöhten Anzahl
von Zwillingsgeburten führen
kann. Die erhöhte Nährstoffversorgung zielt primär auf eine erhöhte Energieversorgung ab, die
durch mehr energiereiches Kraft-
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Im Idealfall wünscht sich jeder Züchter ein Fohlen im Jahr von seiner Stute.
© Fotolia 1651367 Anita Zander
Wie sieht
die Energieversorgung
bei unseren Zuchtstuten aus?
Bei den Wildpferden ist die Eierstockaktivität der Stuten u.a. von
der Tageslichtlänge und damit von
der Jahreszeit abhängig (saisonal).
Durch den beginnenden Grasaufwuchs im Frühjahr wird bei den
Wildpferden grundsätzlich die
Energie- und Nährstoffgrundlage
der Stuten parallel zur Erhöhung
der Eierstockaktivität verbessert.
Bei Zuchtstuten wird beschrieben,
dass gerade nach dem Abfohlen
eine Energieunterversorgung der
Stute zu einer eingeschränkten
Aktivität der Eierstöcke wie einem
verzögerten Eintritt der Rosse führen kann.
Trächtigkeitsdauer bei den Stuten
führen, wobei das verminderte
Geburtsgewicht der Fohlen auf
Grund der verlängerten Tragezeit
in der Regel wieder kompensiert
wird.
Das andere Extrem einer sehr großen Energieüberversorgung ist
grundsätzlich ebenfalls zu vermeiden. Bei nicht laktierenden güsten
Stuten besteht leicht die Gefahr,
dass sie vor der Belegung sehr
stark an Gewicht zugenommen
haben und nicht mehr aufnehmen.
Man kann von einer regelrechten
„Maststerilität“ sprechen, die sich
in einer verminderten Rosse zeigt.
Diese Stuten müssen vor dem Belegen bereits im Herbst beginnend
durch eine Reduktion der Energieversorgung entsprechend an Gewicht verlieren.
Bei güsten Stuten mit Fohlen bei
Fuß besteht diese „Gewichtsgefahr“ nicht, da sämtliche Energie
in die Milchproduktion fließt und
die Stuten auf der Weide ausreichende
Bewegungsmöglichkeit
haben. Es entsteht im Gegenteil
eher ein Wettbewerb um die Energie zwischen der Milchproduktion
und der Eierstocksaktivität.
Bei einer großzügigen Energieüberversorgung zu Beginn der
Trächtigkeit geht man davon aus,
dass im Falle des Vorliegens einer
Zwillingsträchtigkeit einer der
Embryos nicht mehr abgestoßen
wird und dann die Zwillingsträchtigkeit weiter bestehen bleibt. In
den meisten Fällen von Zwillingsträchtigkeiten kommt es dann ab
dem 8. Trächtigkeitsmonat zu Aborten. Diese Stuten werden dann
kein weiteres Fohlen mehr bekommen können und sind für die aktuelle Zuchtsaison verloren.
Folglich kann die typische Flushingh-Fütterung, so wie sie bei
den Mutterschafen angewendet
wird, nicht 1:1 auf die Zuchtstuten
übertragen werden. Flushing hat
in der Praxis ausschließlich Bedeutung bei übergewichtigen Maidenstuten bzw. bei übergewichtigen
nicht
laktierenden
ausgewachsenen Stuten.
Die nicht laktierende güste bzw.
niedertragende Stute (1. bis 7.
Trächtigkeitsmonat) muss in der
Größenordnung des Erhaltungsstoffwechsels mit Energie und
Nährstoffen versorgt werden. Bei
entsprechender täglicher Arbeit
muss der Energiebedarf für diese
Leistung hinzu gerechnet werden.
Aus der Praxis wird berichtet, dass
ca. 2 bis 3 Wochen vor dem geplanten Decktermin häufig die
Kraftfuttermenge leicht um 20 bis
30% je nach Futterzustand der
Stute erhöht wird, um die Rosse
auszulösen. Dabei wird ein Effekt
wie bereits beschrieben in Abhängigkeit vom Futterzustand der
Stuten eher bei mageren Stuten
erreicht werden können.
Hat die Stute als Fohlenstute ein
Fohlen bei Fuß und ist wieder erfolgreich tragend geworden, muss
sie natürlich entsprechend der
Versorgungsempfehlungen für eine laktierende Stute gefüttert werden. Erst in der Hochträchtigkeit
(8. bis 11. Trächtigkeitsmonat)
steigt der Energiebedarf der Stuten
entsprechend an (Abbildung 1).
Für die Zuchtstuten ist es deshalb
grundsätzlich wichtig, wenn sie
Mecklenburger Pferde · Ausgabe 03/2008
Energieversorgungsempfehlungen für eine Warmblutstute (600 kg Körpergewicht)
in Anlehnung an die tgl. Versorgungsempfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) 1994
vor der Geburt (hochtragend) und
auch nach der Geburt (laktierend)
kontinuierlich die Menge an Energie erhalten, die sie auch wirklich
benötigen. Bei diesem optimalen
Futterzustand kann dann die Fohlenrosse nach der Geburt zügig
einsetzen und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wiederbelegung steigt.
Welche anderen Nährstoffe
haben noch einen Einfluss?
Neben der Energieversorgung
spielt sicherlich auch die adäquate
Versorgung mit verdaulichen
Rohprotein eine wichtige Rolle.
Bei Proteinmangel, verbunden mit
ausreichender
Energiezufuhr,
konnte eine negative Wirkung auf
die Eierstöcke festgestellt werden.
Grundsätzlich ist jedoch der Ei-
mehrten Aborten führen kann. In
weiteren Untersuchungen konnte
nachgewiesen werden, dass durch
eine verminderte Calciumaufnahme der Stute während der Trächtigkeit das Geburtsgewicht des
Fohlens negativ beeinflusst wurde.
Bei den Vitaminen muss das ßCarotin und das Vitamin E genannt werden. Wie in einem früheren
Fachartikel
bereits
beschrieben kann gerade ß-Carotin die Rosse einleiten bzw. verstärken. In Problembetrieben
konnte durch eine zusätzliche Fütterung von Vitamin E die Abfohlrate gesteigert werden.
Das Fruchtbarkeitsmanagement
kann durch eine ausgewogene
pferdegerechte Fütterung unterstützt werden. Dabei stehen neben
der energetischen Versorgung
auch die Versorgung mit verdaulichem Eiweiß bzw. Aminosäuren
und die Versorgung mit Mineralstoffen bzw. Vitaminen ganz vorn.
Die praktische Umsetzung der Fütterungsempfehlungen für die
Zuchtstuten wird an Rationsbeispielen in einem nachfolgenden
Beitrag genauer erläutert.
Foto: Anita Zander
Halswirbelsäulenerkrankungen bei Pferden
Sie werden mit zunehmender Häufigkeit
diagnostiziert. Die klinische Symptomatik
kann beträchtlich variieren.
ordergründig sind verminderte Halsbeweglichkeit, Stolpern, Ataxie,
Widersetzlichkeit, Unwilligkeit
beim Reiten und Vorhandlahmheiten mit unklaren diagnostischen Anästhesien zu beobachten.
Erkrankungen
der
Halswirbelsäule können über ein
unkomfortables Reitgefühl und
fehlende Turniererfolge hinaus
Reiter und Pferd gefährden,
wenn sie das Rückenmark betreffen.
V
Anatomische Bemerkungen
Die Halswirbelsäule des Pferdes
wird von sieben Halswirbeln gebildet. Jeder besteht aus dem Wirbelkörper, dem Wirbelbogen und
den Wirbelfortsätzen. Gemeinsam
bilden Wirbelkörper und Wirbelbogen den Wirbelkanal. Zwischen
den einzelnen Wirbelkörpern befinden sich die Zwischenwirbelscheiben, die als Puffer zwischen
zwei benachbarten Wirbelkörpern
liegen. Die einzelnen Halswirbel
werden brustwärts kürzer. Die ersten beiden Halswirbel, Atlas
(Kopfträger) und Axis (Kopfdreher), ermöglichen die Kopfbewegungen. Die Gelenkfortsätze der
Wirbelkörper
sind
durch
Zwischenwirbelfugen und die
Wirbelbögen durch paarige Facettengelenke (Schiebegelenke) miteinander verbunden. Sie sind von
weiten Gelenkkapseln umgeben,
so dass eine starke Beweglichkeit
der Halswirbelsäule ermöglicht
wird. Die Halsnerven (Spinalnerven) verlassen den Wirbelkanal
über weitlumige Zwischenwirbellöcher. Die Stabilität der Halswirbelsäule wird durch Muskeln und
Bänder gewährleistet.
Symptome bei Erkrankungen
Entsprechend der zahlreichen Ursachen und damit unterschiedlichen Lokalisationen ist das klinische Bild sehr variabel. Die
Mecklenburger Pferde · Ausgabe 03/2008
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Praxis
weiß- und damit auch der Aminosäurenstoffwechsel sehr stark mit
dem Energiestoffwechsel verknüpft.
In der Zuchtsaison ist aus verschiedenen Gründen oftmals bereits im Januar ein früher Belegungstermin erwünscht. Durch
eine Zulage von hochwertigem
Protein konnte die Rosse vorverlegt werden. Die Ursache hierfür
lag vermutlich in der zusätzlichen
Versorgung mit der schwefelhaltigen Aminosäure Methionin. Der
optimale Zeitpunkt der Zuchtnutzung liegt aus Fütterungsgründen
eher in den Monaten April bis
Mai, denn für die Versorgung mit
Aminosäuren ist ein längerer Weidegang der Stuten immer als positiv anzusehen.
Ist dies nicht möglich, sollte die
Zugabe eines speziellen Aminosäurenpräparates zur täglichen
Ration erfolgen.
Auch die ausgewogene Versorgung mit Mineralstoffen kann einen Einfluss auf das Fruchtbarkeitsgeschehen ausüben. Gerade
das Spurenelement Jod (J) kann in
Mangelsituationen zu einem unregelmäßigen Zyklus führen, während eine Unterversorgung mit
dem Spurenelement Selen (Se)
während der Trächtigkeit zu ver-