Holsteiner Züchter

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Holsteiner Züchter
UVP 9,95 €
Wulf-Heiner Kummetz
2011
Holsteiner
Züchter
Seite 1
Holsteiner Züchter
Züchterportraits & Haltungs-Tipps
!whk Verlag
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Holsteiner
Züchter
Stutenfütterung vor
und nach der Belegung
Die Fütterung der Stuten in diesem Zeitabschnitt kann einen großen
Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben. Von Dr. Ernst Stephan, Elmshorn
Es ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass
neben der Fütterung auch andere Faktoren wie
die Haltung von entscheidender Bedeutung sind.
Licht und Bewegung sind auch für angehende
Mütter äußerst wertvoll und fördern die Fruchtbarkeit. Dabei spielt die Weide eine entscheidende
Rolle. Hier haben die Stuten die nötige Bewegung
und erhalten gleichzeitig auch eine wertvolle
­Futtergrundlage. Problematisch ist jedoch, dass
die Geburtstermine der Fohlen immer weiter in
den Winter vorverlegt werden und damit zwangsläufig auch die Belegungstermine. Innerhalb der
Fütterung haben dabei die Energieversorgung und
die Versorgung mit verdaulichem Rohprotein bzw.
den Aminosäuren sowie die Mineralstoff- und
Vitaminversorgung den höchsten Stellenwert.
Das Fütterungsmanagement bietet für den
Zuchtbetrieb durchaus die Möglichkeit, einen
positiven Einfluss auf die Fruchtbarkeit der Stuten
zu nehmen. Dabei müssen Änderungen längerfristig geplant und auch praktisch umgesetzt werden.
Relativ kurzfristige Erfolge sind in der Regel selten
zu erwarten, wenn man davon ausgeht, dass „vor
der Trächtigkeit“ auch immer gleichzeitig auch ein
„nach der Trächtigkeit“ bedeutet.
Wie sieht die Energieversorgung bei
unseren Zuchtstuten aus?
Bei den Wildpferden ist die Eierstockaktivität der
Stuten u.a. von der Tageslichtlänge und damit
von der Jahreszeit abhängig (saisonal). Durch
den beginnenden Grasaufwuchs im Frühjahr wird
bei den Wildpferden grundsätzlich die Energieund Nährstoffgrundlage der Stuten parallel zur
Erhöhung der Eierstockaktivität verbessert. Stuten,
die zur Belegung anstehen, haben in der Regel
verschiedene Leistungsanforderungen und auch
Nahrungsbedingungen durchlebt. Sie haben alle
eine unterschiedliche ­„Geschichte“, haben aber
alle das gleiche Ziel der erfolgreichen Belegung.
Bei Zuchtstuten wird beschrieben, dass gerade
nach dem Abfohlen eine Energieunterversorgung
der Stute zu einer eingeschränkten Aktivität der
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Eierstöcke wie einem verzögerten Eintritt der Rosse
führen kann. Auch nach dem erfolgreichen Belegen ist eine energetische Unterversorgung durch
einen abrupten Futterwechsel im Frühjahr (z.B.
Anweiden) bzw. eine eingeschränkte Futteraufnahme gerade am Anfang der Trächtigkeit sehr negativ.
In dieser Zeit ist die Gefahr sehr groß, dass der Embryo abstirbt, denn erst im Alter von 6 Tagen ist der
kleine Pferdeembryo in der Gebärmutter angekommen, wo er mit dem eigentlichen Größenwachstum
beginnen kann.
Untergewichtige Stuten müssen in
den optimalen Futterzustand
Güste Stuten, die auf Grund einer energetischen
Unterversorgung bzw. hohen Leistungsanforderungen stark an Gewicht verloren haben, müssen
bereits bis zu zwei Monate vor dem geplanten
Belegungstermin wieder an Gewicht zu gelegt
haben, um zur Belegung in einem optimalen Futterzustand zu erscheinen. Dabei ist nicht nur auf eine
ausreichende Energieversorgung, sondern auch auf
eine ausgewogene Versorgung mit verdaulichem
Rohprotein bzw. Aminosäuren zu achten.
Eine Unterversorgung mit Energie während der
gesamten Trächtigkeit kann zu einer verlängerten
Trächtigkeitsdauer bei den Stuten führen, wobei
das verminderte Geburtsgewicht der Fohlen auf
Grund der verlängerten Tragezeit in
der Regel wieder kompensiert wird.
Übergewichtige oder auch mastige
Stuten müssen „abspecken“
Das andere Extrem einer sehr großen
Energieüberversorgung ist grundsätzlich ebenfalls zu vermeiden. Leere
oder auch güste Stuten, die belegt
werden sollen, können sich aktuell in
Energieversorgungsempfehlungen für eine Warmblutstute
(600 kg Körpergewicht) in Anlehnung an die täglichen
Versorgungsempfehlungen derGesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) 1994
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verschiedenen Leistungsstadien befinden.
Bei einer güsten Stute, die kein Fohlen bei Fuß hat
und nicht gearbeitet wird, besteht grundsätzlich
immer die Gefahr, dass sie zur Belegung stark
übergewichtig vorgestellt wird und nicht aufnimmt.
Man kann von einer regelrechten „Maststerilität“
sprechen, die sich in einer verminderten Rosse
zeigt. Diese Stuten müssen vor dem Belegen
bereits im Herbst beginnend durch eine Reduktion
der Energieversorgung entsprechend an Gewicht
verlieren oder täglich gearbeitet werden. Bei einem
Warmblutpferd mit einer zusätzlichen täglichen
leichten Arbeit kann gegenüber dem Erhaltungsbedarf schnell ein Kilogramm Hafer „abtrainiert“
werden. Wird die Stute dennoch stark übergewichtig vorgestellt, ist sie häufig für die aktuelle
Decksaison verloren, da eine Gewichtsreduktion
immer über einen Zeitraum von ca. drei Monaten
erfolgen sollte.
Zum geplanten Belegungstermin muss die Stute
wieder einen optimalen Futterzustand erreicht
haben. Sie darf auf keinen Fall ins andere Extrem
verfallen und als magere Stute belegt werden.
Bei güsten Stuten mit Fohlen bei Fuß besteht diese
„Gewichtsgefahr“ nicht, da sämtliche Energie in
die Milchproduktion fließt und die Stuten auf der
Weide ausreichende Bewegungsmöglichkeit haben.
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Es entsteht im Gegenteil eher ein Wettbewerb um
die Energie zischen der Milchproduktion und der
Eierstockaktivität. Bei einer großzügigen Energieüberversorgung zu Beginn der Trächtigkeit geht
man davon aus, dass im Falle des Vorliegens einer
Zwillingsträchtigkeit einer der Embryos nicht mehr
abgestoßen wird und dann die Zwillingsträchtigkeit
weiter bestehen bleibt. In den meisten Fällen von
Zwillingsträchtigkeiten kommt es dann ab dem
achten Trächtigkeitsmonat zu Aborten. Diese Stuten
werden dann kein weiteres Fohlen mehr bekommen können und sind für die aktuelle Zuchtsaison
verloren.
Oft wird in der Praxis der Stutenfütterung der
Begriff der „Flushing“-Fütterung verwendet. Dieser
englischsprachige Begriff stammt ursprünglich aus
der Fütterungspraxis von Schafen. Güste Mutterschafe werden in der Zeit vom Absetzen bis zum
nächsten Belegen eher verhalten, sprich knapp
gefüttert, wobei Gewichtsverluste einkalkuliert
werden. Eine anschließende zusätzliche Nährstoffversorgung vor dem Belegen soll die Ovulationsrate
erhöhen. Die typische Flushingh-Fütterung, so wie
sie bei den Mutterschafen angewendet wird, kann
nicht 1:1 auf die Zuchtstuten übertragen werden.
Flushing kann in der Praxis ausschließlich Bedeutung bei übergewichtigen Maidenstuten bzw. bei
übergewichtigen, nicht laktierenden ausgewachsenen Stuten haben. Die güste, nicht laktierende
bzw. die niedertragende Stute (erster bis siebter
Trächtigkeitsmonat) muss in der Größenordnung
des Erhaltungsstoffwechsels mit Energie und
Nährstoffen versorgt werden. Bei entsprechender
täglicher Arbeit wird der Energiebedarf für diese
Leistung hinzu gerechnet.
Aus der Praxis wird berichtet, dass circa zwei bis
drei Wochen vor dem geplanten Decktermin häufig
die Kraftfuttermenge leicht um 20 bis 30 Prozent je
nach Futterzustand der Stute erhöht wird, um die
Rosse auszulösen. Dabei wird ein Effekt wie bereits
beschrieben in Abhängigkeit vom Futterzustand der
Stuten eher bei mageren Stuten erreicht werden
können.
Hat die Stute als Fohlenstute ein Fohlen bei Fuß
und ist wieder erfolgreich tragend geworden,
muss sie natürlich entsprechend der Versorgungsempfehlungen für eine laktierende Stute gefüttert
werden. Erst in der Hochträchtigkeit (8. bis 11.
Trächtigkeitsmonat) steigt der Energiebedarf der
Stuten entsprechend an (Abbildung 1).
Für die Zuchtstuten ist es deshalb grundsätzlich
wichtig, wenn sie vor der Geburt (hochtragend) und
auch nach der Geburt (laktierend) kontinuierlich die
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Menge an Energie erhalten, die sie auch wirklich
benötigen. Bei diesem optimalen Futterzustand
kann dann die Fohlenrosse nach der Geburt zügig
einsetzen und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wiederbelegung steigt an.
Welche anderen Nährstoffe haben
noch einen Einfluss?
Neben der Energieversorgung spielt sicherlich auch
die adäquate Versorgung mit verdaulichen Rohproteinen eine wichtige Rolle. Bei Proteinmangel,
verbunden mit ausreichender Energiezufuhr, konnte
eine negative Wirkung auf die Eierstöcke festgestellt werden. Grundsätzlich ist jedoch der Eiweißund damit auch der Aminosäurenstoffwechsel sehr
stark mit dem Energiestoffwechsel verknüpft.
In der Zuchtsaison ist aus verschiedenen Gründen
oftmals bereits schon im Januar ein früher Belegungstermin erwünscht. Durch eine Zulage von
hochwertigem Protein konnte die Rosse vorverlegt
werden. Die Ursache hierfür lag vermutlich in der
zusätzlichen Versorgung mit der schwefelhaltigen
Aminosäure Methionin. Der optimale Zeitpunkt der
Zuchtnutzung liegt aus Fütterungsgründen eher in
den Monaten April bis Mai, denn für die Versorgung
mit Aminosäuren ist ein längerer Weidegang der
Stuten immer als positiv anzusehen. Ist dies nicht
möglich, sollte die Zugabe eines speziellen Aminosäurenpräparates zur täglichen Ration erfolgen.
Auch die ausgewogene Versorgung mit Mineralstoffen kann einen Einfluss auf das Fruchtbarkeitsgeschehen ausüben. Gerade das Spurenelement
Jod (J) kann in Mangelsituationen zu einem
unregelmäßigen Zyklus führen, während eine Unterversorgung mit dem Spurenelement Selen (Se)
während der Trächtigkeit zu vermehrten Aborten
führen kann.
In weiteren Untersuchungen konnte nachgewiesen
werden, dass durch eine verminderte Calciumaufnahme der Stute während der Trächtigkeit das
Geburtsgewicht des Fohlens negativ beeinflusst
wurde. Bei den Vitaminen muss das ß-Carotin und
das Vitamin E genannt werden. Gerade ß-Carotin
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kann die Rosse einleiten bzw. verstärken. In
Problembetrieben konnte durch eine zusätzliche
Fütterung von Vitamin E die Abfohlrate gesteigert
werden. Während der Decksaison treffen ein
geringes ß-Carotin-Angebot über die Futtermittel
und der höchste Bedarf aufeinander. Muss der
Decktermin vorverlegt werden und es steht noch
nicht genügend Weide zur Verfügung, soll an eine
Warmblutstute täglich 400 bis 500 mg ß-Carotin
in Form eines speziellen ß-Carotin-Präparates vor
dem geplanten Decktermin und bis acht Wochen
danach verfüttert werden.
Das Fruchtbarkeitsmanagement kann durch eine
bedarfsgerechte Fütterung unterstützt werden.
Dabei stehen neben der energetischen Versorgung
auch die Versorgung mit verdaulichem Rohprotein
bzw. Aminosäuren und die Versorgung mit Mineralstoffen bzw. Vitaminen im Vordergrund.