Wie europäische Medien über die Bankenkrise berichteten
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Wie europäische Medien über die Bankenkrise berichteten
Wie europäische Medien über die Bankenkrise berichteten Gewöhnlich interessieren sich für die Berichterstattung über den Bankensektor nur Aktionäre und Investoren, weshalb sie meist auf den hinteren Seiten der Zeitungen ihren Platz findet. In den vergangenen Jahren aber hat es die Bankenindustrie – hauptsächlich mit negativen Schlagzeilen – sehr oft auf die Titelseiten geschafft. Gemeinsam mit Prime Research, einem Unternehmen für strategische Kommunikation, hat sich das Reuters Institute for the Study of Journalism in einer Studie mit der Frage beschäftigt, ob die Berichterstattung über den Banken- und Finanzsektor in Europa fair und angebracht war. Das Forscherteam analysierte, wie Leitmedien aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien zwischen Januar 2007 und Dezember 2013 generell über die Banken- und Finanzindustrie, aber auch über einzelne Banken berichteten. Es nahm damit die Berichterstattung vor und nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehmann Brothers im Jahr 2008 unter die Lupe. Insgesamt wurden 140.000 Artikel kodiert und ausgewertet. Die oft gehörten Behauptungen, dass Finanzjournalisten zwischen 2007 und 2013 extrem negativ gegenüber der Bankenindustrie eingestellt gewesen wären und es darauf angelegt hätten, die Bankenindustrie schlecht zu machen, entsprechen laut den Studienautoren nicht der Wahrheit: Trotz des Ausmaßes der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Anzahl der aufgedeckten Bankenskandale hatte nur ein Viertel (25 Prozent) der untersuchten Artikel einen „negativen“ Ton. Fast genauso viele Beiträge (24 Prozent) hatten laut der Forscher einen „positiven“ Ton. In drei Prozent der Artikel kamen negative und positive Aspekte vor und knapp die Hälfte der Berichterstattung wurde als „neutral“ bewertet. Die Studienautoren stellten zudem fest, dass mit steigender Anzahl an Artikeln über eine Bank auch der Ton der Berichterstattung negativer wurde. Banken, über die am meisten berichtet wurde, erzeugten auch die größte Anzahl schlechter Nachrichten. Am stärksten nahm die Finanzberichterstattung im ersten Quartal des Jahres 2008 zu. Im Vergleich zum Vorjahr stieg sie um 30 Prozent; Auslöser waren die Notverkäufe mehrerer US-Banken. Einen weiteren Höchststand erreichte sie im dritten Quartal des Jahres 2012 mit der Aufdeckung zahlreicher Bankenskandale. „Wenn alles gut verläuft, scheinen die Medien auch sehr daran interessiert, gute Nachrichten zu bringen. Über die Royal Bank of Scotland wurde sehr gut berichtet, bevor sie in Schwierigkeiten geriet. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Medien ihre Rolle weder darin sehen, den Banken in schlechten Zeiten den Rücken zu stärken, noch übermäßig kritisch zu sein“, sagt Robert G Picard, Forschungsleiter des Reuters Institute. Ein zentrales Ergebnis der Studie scheint wenig überraschend: Wenn eine Bank große Verluste erleidet, finanziell instabil oder in Skandale und gerichtliche Untersuchungen verwickelt ist, macht sie negative Schlagzeilen. Bedeutender dürfte jedoch die folgende Feststellung sein: Auch wenn das Interesse der Medien nach einiger Zeit nachlässt, kann einer Bank dieses negative Image noch Monate oder sogar Jahre anhaften. Es wurde die Berichterstattung über die Finanz- und Bankenindustrie folgender Zeitungen untersucht: Financial Times, The Times (Großbritannien); Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt (Deutschland); La Repubblica, La Stampa (Italien); Le Monde, Les Echos (Frankreich); Wall Street Journal Europe, Financial Times Europe, International Herald Tribune/International New York Times, The Economist (Europäische Publikationen). Zudem wurde die Berichterstattung über einzelne Banken folgender Medien untersucht: The Times, Financial Times London, Wall Street Journal Europe, Financial Times Europe, The Economist, Daily Telegraph, International Herald Tribune, Financial News, The Banker, Reuters, Breakingviews. Meera Selva ist eine der Autorinnen der Studie ,Media coverage of banking and financial news‘. Das Reuters Institute for the Study of Journalism gehört zum EJO-Netzwerk. Eine frühere Version dieses Beitrags (auf Englisch) wurde am 29. April 2014 auf der Website des RISJ veröffentlicht. Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels Bildquelle: EU Social / Flickr Cc Medientheorien – verkrustet oder zeitlos? Seit jeher ordnen Medienwissenschaftler die Medienbetriebe verschiedener Länder bestimmten Mediensystemen zu, erklären bestimmte Charakteristika im Kontext. Seit einigen Jahren dominieren in der internationalen Forschung die Konstrukte der Wissenschaftler Daniel Hallin und Paolo Mancini vom nordeuropäischen, demokratisch-korporatistischen System wie in Deutschland oder der Schweiz, vom mediterranen, polarisiert-pluralistischen System in Ländern wie Frankreich und Italien und vom nord-atlantischen, liberalen System in den USA und Großbritannien. Doch spiegeln diese theoretischen Konstrukte überhaupt die Realität, sind sie veraltet oder enthalten sie grundsätzliche Denkfehler? Die beiden Medienwissenschaftler Frank Esser und Andrea Umbricht von der Universität Zürich gingen dieser Frage nun nach, indem sie Medien aus den USA, Großbritannien, Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Italien in einer groß angelegten Studie untersuchten. Sie wählten bewusst jeweils zwei Vertreter der bisher beschriebenen Systemtypen aus, um ihre Berichterstattung zu analysieren. Ihr Fazit: Im Großen und Ganzen gehen Hallins und Mancinis Theorien auf. Doch im Detail müssen sie dringend überdacht und angepasst werden. Denn sowohl das Ideal der unabhängigen Berichterstattung im anglo-amerikanischen Raum als auch das meist etwas abschätzige Bild von den polarisierenden Medien in den südeuropäischen Ländern sind übertrieben. Umbricht und Esser orientieren ihre Studie an der Theorie, dass sich Medienunternehmen innerhalb einer Nation ähnlich entwickeln, weil sie ähnlichen politischen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen unterliegen. Vor diesem Hintergrund griffen die beiden Autoren, die sich auf Print-Produkte konzentrierten, jeweils eine regionale und eine überregionale Tageszeitung sowie eine Wochen-Zeitung pro Nation heraus (detaillierte Liste siehe unten) und bezogen sie kumuliert in ihre Untersuchung ein. Innerhalb ihrer Untersuchungswochen in den Jahren 1961/62 , 1972/73, 1994/95 und 2006/07 sammelten Umbricht und Esser insgesamt 6.525 politische Artikel, die sie auswerteten. Eine zeitliche Entwicklung zeigen sie in der Studie nicht auf, sie fassen stattdessen die Berichterstattung der verschiedenen Jahrzehnte zusammen. Die Wissenschaftler stellten dabei auf drei Kriterien ab, die häufig als Unterscheidungsmerkmale der bisher gezeichneten Medienmodelle genannt werden: Den Anteil meinungslastiger Artikel an der politischen Berichterstattung, der in den mediterranen Ländern als besonders hoch eingeschätzt wird; das Maß der Objektivität der Berichterstattung, das besonders im nord-atlantischen Raum als Wert hochgehalten wird; und den Anteil negativer Berichterstattung, der sich aus Sicht bisheriger Forschung aufgrund einer polarisierten Situation in der Gesellschaft (mediterrane Regionen) oder aufgrund von starkem ökonomischem Druck auf die Medien (USA, Großbritannien) in den verschiedenen Ländern erhöhen kann. Um den Meinungsanteil in der Berichterstattung zu ermitteln, untersuchten die Autoren, wie oft verschiedene Formate in ihren Samples auftraten, wobei sie harte Nachrichten und lange Hintergrundberichte mit Kontext als meinungsfreie Formate ansahen, Interpretationen und Analysen als Formen im Graubereich zwischen Meinung und Information werteten und Kommentare, Kolumnen und Editorials zur Sparte Meinung zählten. Wie bisherige Medientheorien erwarten lassen, macht Meinung in der Berichterstattung der USMedien laut der Untersuchung der Schweizer Wissenschaftler einen viel geringeren Anteil aus als in den anderen Ländern. Nur zehn Prozent der untersuchten Artikel sind in Kommentarform, als Kolumnen oder Editorials gehalten. In Großbritannien sind dies schon 16 Prozent, in Deutschland 18 Prozent und in Frankreich sogar 27 Prozent der Artikel – mehr als in Italien, das häufig als der Inbegriff der polarisierten Berichterstattung genannt wird. Allerdings fällt der Anteil der Nachrichtenstücke in den US-amerikanischen Medien vergleichsweise gering aus, mit 15 Prozent der Berichterstattung haben sie in den Staaten kaum mehr Gewicht als in Frankreich (9 Prozent) und in Italien (13 Prozent), wohingegen in Deutschland 29 Prozent aller untersuchten Stücke Nachrichten sind. „Auch wenn die ursprüngliche Hypothese durch unsere Ergebnisse bestätigt wird, ist bemerkenswert, dass die Trennlinie zwischen verschiedenen bisher definierten journalistischen Stilen weniger klar verläuft als die theoretischen Modelle erwarten lassen“, kommentieren die Autoren diesen Befund. Sie betonen, dass die US-Medien einen starken Fokus auf Hintergrundberichte und auf Analysen oder Interpretationsstücke legen, die 42 beziehungsweise 32 Prozent der Berichterstattung ausmachen. Damit liegen die US-Journalisten gar nicht so weit von den französischen und italienischen Medienmachern weg, die jeweils 39 Prozent beziehungsweise 27 Prozent ihrer Berichterstattung hintergründig ausrichten. Interpretation und Analyse machen in Frankreich dagegen lediglich 19 Prozent der Formate aus, in Italien immerhin noch 26 Prozent. An den Formaten Interpretation und Analyse wird häufig kritisiert, dass sie Journalisten Hintertüren öffnen, um doch Meinungselemente in die Berichterstattung einzuflechten und die politische Kommunikation zu lenken. Insofern verschiebt der große Anteil dieser Formen in den US-Medien die bisherigen Einschätzungen der Wissenschaft ein wenig, während die italienische und französische Berichterstattung eher durch die große Anteile von Hintergrundberichten überrascht. Die beiden Schweizer Autoren bewerten die Formate Interpretation und Analyse nicht weiter, sie geben lediglich mit Blick auf das idealisierte Bild des unabhängigen, liberalen anglo-amerikanischen Journalismus zu bedenken: „Dieses Bild scheint eine Kategorie mit sehr begrenztem, eher historischem Wert zu sein. In der Praxis erfüllen amerikanische und britische Journalisten diese Ideal-Vorstellungen nur mehr oder weniger erfolgreich, in keinem Fall jedoch durchgängig.“ Vor allem die britischen Medien zeigen in den Augen der Forscher auch einige Merkmale anderer Mediensysteme als denen des anglo-amerikanischen, da sie häufig polarisierende Elemente in ihre Berichterstattung einbauen. Diese Diskrepanz zwischen der Klassifikation der britischen Journalisten als besonders unabhängige, vorbildliche Reporter einerseits und der Realität der Medienarbeit andererseits zeigt sich noch stärker, wenn man das Maß an objektiver Berichterstattung betrachtet. Laut der Studie Umbrechts und Essers liegen die britischen und die französischen Medien in puncto Objektivität nur gleichauf. Dies ergibt sich aus einem speziell konzipierten Objektivitätsindex, dem die Forscher bestimmte Kriterien zugrunde gelegt haben. Sie hinterfragten bei der Codierung der Artikel etwa: Zitieren die Medien Experten? Stellen die Medien verschiedene Seiten und Blickwinkel zu einem Thema vor? Wie stark orientiert sich das Medium an Fakten und werden diese ordentlich von Meinungselementen getrennt? Die britischen Medien wandten diese Muster, die Näherungswerte für objektive Berichterstattung liefern sollen, offenbar recht selten an. Genauso wie ihre französischen Kollegen kommen sie nur auf etwas über die Hälfte der möglichen Objektivitätspunkte auf dem Index. Die deutschen Journalisten erreichten mit ihren Berichten hingegen 64 Prozentpunkte auf diesem Index, die US-Medien sogar 69 Prozent. Nur italienische Journalisten berichteten nach der Messung der Schweizer Wissenschaftler noch weniger objektiv als die Briten und Franzosen. Mit ihrer Arbeit betonen die Autoren auch die Bedeutung negativ ausgerichteter Berichterstattung für die Rolle, die Medien in einer Gesellschaft einnehmen. Ein negativer Tenor in der politischen Berichterstattung kann den Zynismus innerhalb der Bevölkerung steigern. In der bisherigen Forschung wird negativ konnotierte Berichterstattung eher den Medien im mediterranen Raum zugeschrieben, die demnach Konflikte zwischen politischen Lagern offen legen und teilweise zusätzlich betonen, um eine bestimmte Zielgruppe im Publikum anzusprechen. Tatsächlich zeigt auch Essers und Umbrechts Studie, dass die südeuropäischen Medienunternehmen häufig mit einem negativen Duktus berichten. Wiederum legen die Forscher diesem Merkmal einen Index mit gewissen Kriterien zugrunde: Werden Skandale um persönliche oder berufliche Verfehlungen von Politikern in den Mittelpunkt gerückt? Fokussieren sich die Medien auf die Misserfolge der Politiker und nennen Erfolge bewusst nicht? Betonen die Medien in der Berichterstattung die Konfliktlinien zwischen verschiedenen politischen Lagern? Die italienischen Medien erreichten in der Studie 54 Prozentpunkte auf diesem Index der negativen Grundhaltung, die französischen Medien liegen noch bei 52 Prozent, während das als konsensorientiert beschriebene Deutschland tatsächlich nur auf 38 Prozentpunkte kommt. Es liegt damit weit unter dem Wert der USA und Großbritannien, bei denen sich mit 43 beziehungweise 48 Prozent negativer Berichterstattung auf dem Index möglicherweise tatsächlich der hohe Konkurrenzdruck spiegelt. Besonders stark unterscheiden sich die Medien darin, inwiefern sie Konfliktlinien zwischen politischen Lagern und Gruppen in den Vordergrund stellen und so das Bild von einem politischen Apparat zeichnen, der vor lauter Streit zwischen den politischen Lagern beinahe handlungsunfähig ist: Die italienischen Medienberichte erreichen hier 74 Prozent auf dem Index der Forscher, die Kollegen in Frankreich liegen zehn Punkte darunter – offenbar beschreiben die meisten der Artikel dort verhärtete politische Fronten. Die Schweizer Medien verzeichnen nur 40 Prozent auf dem Index, während es in Großbritannien immerhin 52 Prozent sind. Beim Vereinigten Königreich fällt besonders auch die skandalfokussierte Berichterstattung auf, wie man sie etwa bei der Berichterstattung der ehemaligen News of the World Redaktion beobachten konnte. Für exklusive Informationen unternahm die mittlerweile aufgelöste Redaktion sogar Abhöraktionen. Großbritannien zählt inpuncto Skandalberichterstattung 27 Prozent auf dem Index der Forscher, nur in Frankreich gibt es mit 30 Prozentpunkten noch mehr Skandal-Berichte. Grundsätzlich sehen die Forscher die bisherigen Annahmen über die Medienunternehmen in den jeweiligen Ländern bestätigt. Doch sie mahnen, die idealisierten Bilder, die in der Wissenschaft vor allem über die britischen Medien nach wie vor kursieren, zu überdenken. Mit Verweis auf eine weitere eigene Längsschnittstudie, die Entwicklungen der einzelnen nationalen Medien im Verlauf der Zeit untersucht, schreiben die Autoren: „Nach und nach scheinen sich die britischen Printmedien immer stärker an die kontinental-europäischen Medien anzunähern und sich von den US-Zeitungen wegzuentwickeln.“ Sie empfehlen die Zuordnung der britischen Medien zu einem System neu zu überdenken, da das gemeinsame anglo-amerikanische Modell eher unpassend sei. Für künftige Studien dazu geben sie schon einmal einen Ausblick auf mögliche interessante Forschungsaspekte: „Besonders interessant ist, dass die britischen Zeitungen immer stärker auf polarisierende Elemente in ihrer Berichterstattung setzen.“ Was dies langfristig bedeute, müsse noch untersucht werden. Untersuchte Medien Liberales Mediensystem USA: New York Times, St. Luis Post-Dispatch, Time Magazine Großbritannien: The Times, Birmingham Mail, The Observer Demokratisch-korporatistisches Mediensystem Deutschland: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Rheinische Post, Spiegel Schweiz: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Berner Zeitung, Weltwoche Polarisiert-pluralistisches Mediensystem Frankreich: Le Monde, Ouest France, L’Express Italien: Corriere della Sera, Resto del Carlino, Espresso Esser, Frank; Umbricht, Andrea (2013): Competing models of journalism? Political affairs coverage in US, British, German, Swiss, French and Italian newspapers. In: Journalism, 14. Jg., H. 8, S. 9891007. Bildquelle: spotreporting/Flickr CC Die Rückkehr der Medienbarone In Osteuropa wächst der Einfluss von Medienbesitzern, die ihre Organe nutzen, um politische Macht zu gewinnen. Die jüngsten Deals in den USA und Deutschland sind weitere Anzeichen, dass auch im Westen die Medienbarone zurückkommen. Die derzeitigen Medienmärkte sind turbulent, und Geschäftsmodelle, mit denen Journalismus wieder profitabel werden könnte, sind noch nicht in Sicht. Wenn aber Medienunternehmen nicht mehr verlässlich Gewinn abwerfen, bedarf es anderer Gründe, um in sie zu investieren. Kein Wunder also, wenn unter solch instabilen Bedingungen in vielen Ländern Medienbarone das Heft in die Hand nehmen. Was ist ein Medienbaron? Der kanadische Medienexperte David Taras definiert ihn als „einen mächtigen Medieneigner, der sich selbst teilweise als Geschäftsmann, teilweise als Publizist und teilweise als Politiker sieht. Der Einfluss von Medienbaronen rührt nicht daher, dass sie kommerziellen Druck auf ihre Redaktionen ausüben, sondern dass sie sich direkt als journalistische Impresarios ins politische Kampfgewühl stürzen. Sie haben Zeitungen und Fernsehsender gekauft, gerade weil sie glühende politische Kombattanten sind.“ Welche Rolle Medienbarone spielen, lässt sich nicht losgelöst vom Konzentrationsprozess in der Medienbranche analysieren. Wenn die Gewinne von Medienunternehmen, die sich in Individualoder Familienbesitz befinden, zu schrumpfen beginnen, denken die Eigentümer oftmals an Verkauf. Mächtigere und finanzstärkere Rivalen nutzen dann diese Gelegenheit zu ihrem politischen und wirtschaftlichen Vorteil. Tendenzen auch in den USA Die Wiederkunft von Medienbaronen ist in jüngster Zeit nicht zuletzt in Amerika zu beobachten. Lange bevor Jeff Bezos die Washington Post und John Henry den Boston Globe gekauft haben, sah der Medienexperte der New York Times, David Carr, das eng mit der Krise der amerikanischen Zeitungsbranche verknüpft. Diese sei nur noch halb so groß wie vor sieben Jahren. „Wenn die meisten Zeitungen keinen Profit mehr versprechen, wer bleibt dann als Eigentümer übrig?“, fragt Carr. Als Antwort schiebt er hinterher: „Reiche Leute“, um dann zu präzisieren: „Nicht einfach Wohlhabende, sondern solche, die sich längst von den ökonomischen Realitäten des Alltagslebens abgekoppelt haben.“ Gewiss, da gebe es andere teure Hobbys. Aber wie viele Oldtimer oder wie viele hochherrschaftliche Landsitze aus dem 19. Jahrhundert könne man besitzen, ohne dass es langweilig werde? Carr prognostiziert, dass einige der neuen Eigentümer, die ihren Imperien Zeitungen als teure Sammlerstücke einverleibten, diese „potenziell für politische Ziele oder zur Unterstützung ihrer anderen Geschäftsinteressen“ nutzen würden. Die Situation in Europa ist komplizierter, weil Herkunft und Erscheinungsformen der Medienbarone heterogener sind als in den USA. In einigen Ländern wie Italien, Frankreich oder Großbritannien sind alteingesessene Tycoons seit Jahrzehnten ein Teil des Mediensystems. Rupert Murdoch hat seine Zeitungen und Sender benutzt, um diese oder jene Partei zu unterstützen, andere wie Silvio Berlusconi haben ihre Medien missbraucht, um sich selbst in mächtige politische Ämter zu befördern. Jesús de Polanco in Spanien, Hans Dichand in Österreich und Jahrzehnte zuvor Axel Springer und Rudolf Augstein in Deutschland sowie Alfred Harmsworth (Lord Northcliffe) und Robert Maxwell in Großbritannien pflegten die diskreten Formen der Machtausübung ebenso wie gelegentlich protziges Muskelspiel. Im Vergleich dazu sind die Medienbarone in Osteuropa ein neues Phänomen. Dort sind sie in kurzer Zeit so zahlreich und mächtig geworden, dass sie heute regelrecht mit postkommunistischen Gesellschaften assoziiert werden. Viele von ihnen wurden unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums zu einflussreichen politischen Akteuren. Neben Russland, wo einige Medienoligarchen ihre Macht wieder verloren, weil sie mit Wladimir Putins Regime in Konflikt gerieten, sind Medienbarone zum Beispiel in Serbien und Albanien oder in Rumänien und Bulgarien zu Machtfaktoren geworden. Weitere neue Barone betraten die Bühne, als sich westliche Investoren wie Mecom in Polen oder die WAZ-Gruppe in Serbien vom Markt zurückzogen. Sichtbare und Unsichtbare In Europa lassen sich heute drei Gruppen unterscheiden: „versteckte“, „sichtbar-aktive“ und „potenzielle“ Medienbarone. Versteckte finden sich besonders häufig im westlichen Balkan: Sie verbergen sich hinter Unternehmen, die im Ausland gegründet wurden. Ein kürzlich veröffentlichter Report des Serbischen Rats zur Korruptionsbekämpfung stellt fest, dass bei 18 von 30 der wichtigsten Medien des Landes die tatsächlichen Eigentümer nicht bekannt sind. Um ein Beispiel zu nennen: Zeljko Mitrovic gehören TV Pink und ein Anteil von knapp 5 Prozent an TV Avala. „Zusätzlich“, erklärt der Medienforscher Veselin Kljajic (Universität Belgrad), „gilt die österreichische Greenberg-Invest als eng mit Mitrovic verbandelt, der wiederum 48 Prozent der Anteile an TV Avala gehören. So wird in der Öffentlichkeit spekuliert, dass sich der Sender im Mehrheitsbesitz von Mitrovic befindet.“ In Albanien gibt es etwas mehr Transparenz, aber auch dort „hält sich hartnäckig der Verdacht, dass die juristischen Eigentümer nicht die wirklichen sind“, sagt Artan Fuga, Medienforscher an der Universität Tirana. „Die Gesamtzahl der Zeitungen und Fernsehkanäle ist im Verhältnis zur Bevölkerungszahl groß, und der Werbemarkt ist noch sehr klein. Somit ist es schwierig, im Mediensektor profitabel zu arbeiten.“ Die Eigentümer nutzten ihre Macht hauptsächlich, „um Druck auszuüben und sich die Politik gefällig zu machen“, sagt Remzi Lani, Direktor des Albanischen Medieninstituts. Ganz anders ist die Situation in Ländern wie Rumänien, Tschechien oder der Ukraine. Dort sind die Medienbarone für jedermann sichtbar, und die Medienkonzentration ist weit fortgeschritten. Rumänien könnte man als das Italien des Ostens bezeichnen. Dinu Patriciu und Dan Voiculescu sind die beiden herausragenden Medienbarone. Patriciu ist der einzige rumänische Milliardär, der auf der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt auftaucht – ein vormaliger Parlamentarier der Liberalen Partei und Eigentümer der Adevarul-Holding, eines Mischkonzerns, zu dem Pressetitel ebenso wie der Fernsehsender Adevarul TV gehören. Voiculescu, der den zweiten Platz in einem Ranking der einflussreichsten Rumänen einnimmt, ist ein Gründungsmitglied der Konservativen Partei. Inzwischen hat er zwar das Eigentum an der Intact Media Group auf seine Töchter Corina und Camelia überschrieben, aber die fünf Fernsehkanäle, vier Zeitungen sowie Zeitschriften und andere Medienprodukte „bleiben eng mit Voiculescus politischen Ambitionen verbunden“, sagt Alina Vasiliu, Journalistikprofessorin an der Andrei Saguna Universität in Constanta. In Tschechien bezeichnet sich Jaromir Soukup, der Eigentümer von Empresa Media und der Medienagentur Médea, als „tschechischen Berlusconi“. Er unterstützte bald die Grünen, bald die Sozialdemokraten und zuletzt den früheren Premierminister Jan Fischer bei den Präsidentschaftswahlen 2013. In der Ukraine ging die ökonomische Liberalisierung einher mit zunehmender Korruption und der Herausbildung von Finanz- und Industrieimperien in den Händen sogenannter Clans, die eng mit dem politischen Establishment verfilzt sind. Medien wurden für sie zu einem attraktiven Asset: Die reichsten Oligarchen wie Rinat Akhmetov und Victor Pinchuk sind auch die größten Medieneigner im Lande. Die Lage in Westeuropa Anderseits gilt es der Legende entgegenzuwirken, ausschließlich Oligarchen in Osteuropa seien Medienbarone. Einige der sichtbar profilierten Vertreter gibt es, wie gesagt, seit eh und je im Westen. In Italien war Silvio Berlusconi über Jahrzehnte hinweg der mächtigste von allen. Aber auch sein Wettbewerber Carlo De Benedetti und andere Wirtschaftsimperien in Familienbesitz haben Zeitungen in ihrem Portfolio – nicht um der Gewinne willen, sondern um politisch Einfluss nehmen zu können. In Frankreich hält Martin Bouygues, der Eigentümer der fünftgrößten Baufirma in Europa, einen 44-Prozent-Anteil an TF1, dem größten französischen Fernsehanbieter. Bouygues war Trauzeuge des vormaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy und von dessen erster Frau Cécilia und ist der Patenonkel ihres Sohnes Louis. Serge Dassault, der die französische Armee mit Kampfjets ausrüstet und lange Senator der rechtskonservativen UMP war, gilt als der neue Tycoon auf dem Medienmarkt. Ihm gehört die Figaro-Gruppe, die mit Le Figaro (über 300 000 Exemplare) die größte nationale Tageszeitung herausgibt. In Großbritannien ist Rupert Murdoch der sichtbarste Medienbaron. Ihm gehören The Times (400 000 Exemplare) und das Boulevardblatt The Sun (2,6 Millionen Exemplare) sowie knapp 40 Prozent der Fernsehsender BSkyB/Sky News. Es war bisher schwierig, ihm direkte Einflussnahme auf Politiker nachzuweisen – aber zuletzt hat der Leveson-Report hier mehr Klarheit gebracht. Dieser analysierte den Abhörskandal, in den Murdochs Blatt News of the World verwickelt war. In Westeuropa, aber auch in Polen gibt es zahlreiche Medieneigner, die zu den „potenziellen Baronen“ zählen: Unternehmer, die in ihren Ländern den Mediensektor dominieren, aber bisher noch keine derartigen politischen Ambitionen gezeigt haben. Deutschland und die Schweiz sind Beispiele für Länder, wo es kaum sichtbare Barone gibt. Weil aber die Medienkonzentration zunimmt und die führenden Medien an Profitabilität einbüßen, entsteht auch da der Nährboden für Medienbarone. Die beiden größten privaten Medienunternehmen in Deutschland, Bertelsmann (Jahresumsatz 2012: 16,6 Milliarden Euro) und Axel Springer (3,3 Milliarden Euro), werden von Erbinnen kontrolliert: Liz Mohn und Friede Springer gehören zu den einflussreichsten Medienunternehmerinnen der Welt. Sie leben aber eher zurückgezogen und suchen nicht das Rampenlicht. Ihre Konzerne sind dennoch gewichtige politische Machtfaktoren: Personell eng mit dem Konzern verbandelt, ist die Bertelsmann-Stiftung nicht nur eine Denkfabrik, sondern auch ein gut vernetztes politisches Powerhouse. Die politisch mächtigste Figur bei Springer ist vermutlich weder der CEO noch die Eigentümerin, sondern der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, der wie kein anderer in Deutschland über politische Karrierechancen entscheidet. Während in der Schweiz argwöhnisch der Einstieg von Christoph Blocher bei der Basler Zeitung und damit der Aufstieg des Politikers zum Medienbaron verfolgt wird, würde die Machtbalance im Lande wohl erst aus den Fugen geraten, wenn bei Tamedia oder Ringier ein nachrückendes Familienmitglied politische Ambitionen hätte. Auch in Polen haben wir es eher mit potenziellen als mit sichtbaren Medienbaronen zu tun. Nachdem sich die westlichen Investoren Orkla Media und Mecom zurückgezogen haben, steigen die neuen, regionalen Eigentümer nur zögerlich ins politische Geschäft ein. Das hat wohl mit der politischen Instabilität zu tun. Auch die mächtigeren Besitzer, darunter Zygmunt Solorz-Żak und die Familien Walter und Wejchert, welche die beiden nationalen privaten Fernsehsender Polsat und TVN kontrollieren, bemühen sich um politische Balance und ein gutes Geschäftsklima für ihre Medienaktivitäten. Während westliche Unternehmen sich teilweise aus dem Osten zurückzogen, ist zumindest ein russischer Oligarch in den Westen vorgedrungen: Alexander Lebedew wurde einer der Big Player auf dem britischen Zeitungsmarkt, als er zunächst den London Evening Standard (inzwischen ein Gratisblatt mit 500 000 Exemplaren) und den Independent (etwa 80 000 Exemplare) sowie den Sunday Independent (etwa 100 000) erwarb. Er und sein Sohn Evgeny haben inzwischen mit i eine weitere Zeitung (etwa 300 000) lanciert. Beide sind den potenziellen Baronen zuzuordnen. Wirtschaftliche Faktoren Medienbarone kommen in Europa in vielfältigen Facetten und Größen daher. Wie sie operieren, welche Ziele sie verfolgen, variiert von Land zu Land: Die politische Kultur, die Größe und die Ausprägungen des Medienmarkts beeinflussen ihr Verhalten – ebenso wie der Zustrom oder Abfluss ausländischen Kapitals. Es mag unmöglich sein, bestimmte Verhaltensmuster herauszuarbeiten. Aber es ist wohl unstrittig, dass Medienbarone in einer Vielzahl europäischer Länder zu Machtfaktoren geworden sind. Zunehmende Medienkonzentration und abnehmende Profitabilität im Mediensektor bereiten Investoren mit politischen Interessen den Nährboden. Ob dies auch im Fall von Jeff Bezos und Warren Buffett gilt, der sich in den USA eine Zeitung nach der anderen einverleibt, bleibt abzuwarten. Aus Schweizer und deutschen Beispielen und der amerikanischen Entwicklung lässt sich ein Szenario entwickeln: Nimmt die Profitabilität von Zeitungen ähnlich rapide ab wie in den USA, dann wird es weitere Insolvenzen und Schließungen geben, während andere Titel zur Beute neuer, populistischer Medienbarone werden könnten. Letztere werden nicht sogleich unkontrollierbaren politischen Einfluss wie Berlusconi in Italien gewinnen, aber bei hoher Medienkonzentration kann die Liaison oder gar Personalunion von populistischen Politikern und Medienbesitzern die „checks and balances“ einer Demokratie gefährden. Wir haben zugesehen, wie es in Osteuropa geschah. Sage keiner, dass es nicht auch im Westen Europas so kommen könnte. Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung vom 13. August 2013 Bildquelle: Christ Devers / Flickr Überall online – digitale Nachrichten im Jahr 2013 Das Publikum scheint endlich bereit zu sein, für digitale Nachrichten auf Computern, Tablet-PCs und Smartphones zu zahlen. Das zeigt der aktuelle Digital News Report 2013. Der Bericht vom Reuters Institute for the Study of Journalism, das Teil des EJO-Netzwerks ist, weist zudem darauf hin: Der Bedarf an qualitativem Journalismus bleibt hoch und vertrauenswürdige Medienunternehmen haben mehr Erfolg in der digitalen Welt. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat im Auftrag des Reuters Institute 11.000 Internetnutzer in neun Ländern via Online-Fragebogen befragt, und zwar in Deutschland, Brasilien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Spanien und den USA. 2012 hat das Reuters Institute seinen ersten Digital News Report herausgegeben; im vergangenen Jahr wurden nur Mediennutzer aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und den USA befragt. In diesen Ländern, Dänemark ausgenommen, ist dem Bericht zufolge die Anzahl der Nutzer, die für Online-Nachrichten zahlen, signifikant gestiegen. Dabei sind die Nutzungsmuster durchaus unterschiedlich: In den USA und Dänemark wird mehr Geld für digitale Abos ausgegeben, in Italien und Spanien sind die Nutzer eher bereit, für einzelne Apps oder Artikel zu zahlen. Insgesamt geben elf Prozent der Befragten an, dass sie im vergangenen Jahr für Online-Nachrichten bezahlt hätten – dies sind etwa ein Drittel mehr als in der Umfrage von 2012. Während allerdings 50 Prozent aller Befragten sagen, sie hätten in der vergangenen Woche eine Zeitung gekauft, geben nur fünf Prozent an, sie hätten im Vergleichszeitraum Geld für digitale Nachrichten ausgegeben. In allen neun Ländern ist die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen am ehesten bereit, für OnlineNachrichten zu zahlen. Von den Nutzern, die momentan nichts für Online-Nachrichten ausgeben, sind insgesamt etwa 14 Prozent bereit oder eher bereit, in der Zukunft für digitale Nachrichten zu zahlen. Zwar bleibt der Computer das Hauptendgerät, mit dem digitale Nachrichten empfangen werden, aber der Trend geht dem Bericht zufolge eindeutig zum Konsum über verschiedene Endgeräte. Ein Drittel aller Befragten in den neun Ländern nutzt mindestens zwei Endgeräte und neun Prozent nutzen mehr als drei. Auch die Zahlungsbereitschaft schwankt mit dem Endgerät: In den USA sind etwa Smartphone- und Tablet-Nutzer eher bereit für digitale Inhalte zu zahlen als Computer-Nutzer. Der Gebrauch von Tablets hat sich in den Ländern, die schon im Digital News Report 2012 untersucht wurden, im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Für Pendler bietet dem Bericht zufolge das Mobiltelefon den Hauptzugang für Nachrichten. In Dänemark lesen Mediennutzer, die in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, fast doppelt so häufig Nachrichten auf dem Smartphone (63 Prozent) wie in der gedruckten Zeitung (33 Prozent). In Großbritannien ist der Unterschied nicht ganz so groß: Während 48 Prozent der Befragten unterwegs Nachrichten auf ihrem Mobiltelefon lesen, liest ein Drittel (34 Prozent) lieber Zeitung; sechs Prozent nutzen Tablet-PCs. Denn auch wenn digitale Medien einen Einfluss auf traditionelle Medien haben, ersetzen sie diese noch nicht. Für die meisten Befragten stellen sie einfach eine weitere Option dar, auf Inhalte zuzugreifen. Trotz des steigenden Konsums von Online-Nachrichten halten sich viele der Befragten weiterhin an traditionelle Medien wie TV, Radio und Print. Die meisten der befragten Deutschen und Franzosen bevorzugen etwa traditionelle Medien, obwohl sie auch online verbunden sind. Fast sechs von zehn Deutschen (55 Prozent) geben an, dass sie jede Woche Zeitung lesen, während für die meisten Franzosen Fernsehen und Radio die bevorzugten Medien sind. Japaner und Amerikaner nutzen am ehesten Online-Nachrichtenseiten. Städtische Brasilianer favorisieren soziale Medien als Nachrichtenquelle. Die Befragung zeigt auch überraschende nationale Unterschiede in der Online-Partizipation. Die befragten Spanier (27 Prozent), Italiener (26 Prozent) und Amerikaner (21 Prozent) kommentieren Online-Nachrichten mehr als doppelt so häufig wie Briten (10 Prozent). Brasilianer in urbanen Ballungsgebieten kommentieren fünfmal so häufig wie Deutsche oder Japaner,. Live-Ticker sind eine beliebte Art der Berichterstattung für Sportveranstaltungen und andere Ereignisse geworden. Mehr als ein Drittel der befragten Japaner (35 Prozent) nutzt diese Art der Berichterstattung mindestens einmal die Woche. Auch die Franzosen (19 Prozent), die Italiener (16 Prozent) und die Spanier (16 Prozent) informieren sich des Öfteren über Live-Ticker. Dagegen nutzen nur acht Prozent der befragten Deutschen und Dänen Live-Ticker – sie bevorzugen längere Artikel (47 Prozent und 40 Prozent). Digitale Nachrichten bewegen sich auch immer mehr weg vom Artikel-Foto-Format, das in den vergangenen Jahren dominierte. Kurze Video-Clips und Radio- und TV-Streaming werden immer beliebter. Dem Digital News Report zufolge werden die meisten Videos von Amerikanern konsumiert (27 Prozent). Die Forscher vom Reuters Institute untersuchten auch, über welche Websites die Nutzer auf Nachrichten-Seiten gelangen. In Deutschland und Frankreich sind es Suchmaschinen – in den beiden Ländern werden sie doppelt so häufig benutzt wie in Großbritannien. In brasilianischen Städten lenken soziale Medien die meisten Menschen auf Nachrichten-Seiten – für 60 Prozent der Befragten sind sie einer der fünf wichtigsten Zugänge. In Spanien herrscht ein ähnliches Bild – dort lassen sich 45 Prozent über soziale Medien zu Nachrichten-Seiten führen; 40 Prozent der befragten Spanier nutzen Suchmaschinen. Japanische Nutzer dagegen finden Nachrichten eher über Portale, gefolgt von Suchmaschinen. Generell wird Nachrichten-Websites von traditionellen Medienmarken mehr Vertrauen entgegengebracht als Blogs und sozialen Medien. Die befragten Briten vertrauen den NachrichtenSeiten von Fernsehsendern am meisten (79 Prozent), gefolgt von den Websites von Zeitungen (etwas mehr als 60 Prozent). Die Online-Nachrichten-Angebote des bekannten britischen Fernsehsenders Sky News beispielsweise haben in Großbritannien einen Anteil von 15 Prozent im Internet und 25 Prozent auf Mobiltelefonen. Sein Erfolgsgeheimnis ist ein großes App-Angebot und Reklame vom TVSender. Web-Portale wie Yahoo und MNS, die ihren Nachrichten-Service nicht über Apps anbieten, scheinen auf der Strecke zu bleiben – zumindest in Großbritannien und den USA. Facebook (8 Prozent) und Twitter (9 Prozent) stellen im Gegensatz zu den traditionellen Medienmarken eher weniger vertrauenswürdige Quellen für die britischen Nutzer dar. Eine Ausnahme sind Menschen, die sich oft in sozialen Medien tummeln: Sie haben ein viel größeres Vertrauen in die Inhalte, auf die sie dort stoßen, da das Vertrauen in Medienmarken zunimmt, je öfter man sie nutzt. Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels Original-Artikel: Online: Everywhere. Digital News in 2013 Bildquelle: marcoderksen / Flickr CC „Nur bis zu einem gewissen Grad nützlich“ Eine Studie untersucht, wie die Ombudsleute der französischen Tageszeitung Le Monde und den Rundfunkunternehmen Radio France Internationale und France 3 von ihren Redaktionskollegen wahrgenommen werden. Ombudsleute sollen zwischen den Rezipienten und der Redaktion vermitteln. Sie sind Teil der Medienselbstkontrolle und verstehen sich als Anwälte der Nutzer. Sie sollen zudem die Transparenz und Glaubwürdigkeit von Medien stärken, indem sie als Beschwerdeinstanz fungieren, systematisch Fehlern nachspüren, Nutzerfragen beantworten und journalistische Entscheidungen erläutern. In Frankreich sind Ombudsleute, die sogenannten médiateurs und médiatrices, bei ihren Medien längst zu einer Institution geworden. Wie effektiv sie letztlich arbeiten können, hängt aber vor allem davon ab, wie sie in ihrer Umgebung wahrgenommen werden; sowohl in der Öffentlichkeit als auch innerhalb der Redaktion. Marc-François Bernier, Professor für Kommunikationswissenschaft und Journalismus an der Universität Ottawa, hat sich in seiner Untersuchung auf die Glaubwürdigkeit von Ombudsleuten innerhalb der Redaktion konzentriert und erforscht, wie die Ombudsleute in drei französischen Redaktionen von ihren Kollegen wahrgenommen werden: der überregionalen Tageszeitung Le Monde und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten France 3 und Radio France Internationale (RFI). Der Forscher aus Kanada arbeitete mit einem Online-Fragebogen, der aus einem quantitativen und einem qualitativen Teil bestand. Im Fragebogen kam eine 7-Punkt-Likert-Skala zum Einsatz (1=lehne stark ab; 7=stimme stark zu). *** Für die Wahrnehmung der Journalisten spiele es eine große Rolle, wie der Ombudsmann bestimmt werde, so Bernier. Während die Journalisten von Radio France Internationale die Aussage „Der Ombudsmann in meiner Redaktion wurde in einer objektiven Art und Weise von den Eigentümern oder den Managern bestimmt“ eher ablehnten, stimmten die Journalisten von France 3 und Le Monde der Aussage eher zu (3,8 bzw. 4,3 Punkte auf der 7-Punkte-Skala). In diesem Zusammenhang macht Bernier auf einen besonderen Umstand bei RFI zur Zeit der Studie aufmerksam: Der damalige Ombudsmann wurde entlassen, nachdem er in einem Radiobeitrag die Regierung Sarkozys kritisiert hatte. Die Besetzung des Nachfolgers wurde von den Journalisten äußerst kritisch betrachtet. So vermerkte ein Journalist im Fragebogen, dass der nachfolgende Ombudsmann nicht aus der Redaktion, sondern aus dem Management berufen worden sei. Ein internes Glaubwürdigkeitsproblem gebe es auch, wenn der Ombudsmann von seinen Redaktionskollegen als unfair und parteiisch wahrgenommen werde, so Bernier. In den drei untersuchten Redaktionen ist dies eher nicht der Fall. Der Aussage „Der Ombudsmann in meiner Redaktion behandelt nicht alle Journalisten gleich; einige werden bevorzugt und geschützt“ zeigten sich die Journalisten von RFI und Le Monde eher neutral (3,5 bzw. 3,1 Punkte auf der Skala); die Journalisten von France 3 lehnten die Aussage sogar mit durchschnittlich 2,4 Punkten eher ab. Vielen Medienunternehmen wird vorgeworfen, dass sie sich nur aus Image-Gründen einen Ombudsmann leisten. Auch einige befragte Journalisten teilen diese Ansicht. Die Journalisten von RFI stimmten der Aussage „Hauptaufgabe des Ombudsmann in unserem Medienunternehmen ist es, ein positives Bild des Medienunternehmens zu vermitteln“ am ehesten zu (4,3 Punkte), gefolgt von den Journalisten von France 3 (4,0 Punkte). Die Journalisten von Le Monde zeigten sich der Aussage gegenüber eher neutral (3,3 Punkte). „Die Tendenz, dass Ombudsmänner vor allem ein positives Bild des Medienunternehmens vermitteln, ist vorhanden”, sagte ein RFI-Journalist, und ein anderer drückt es noch drastischer aus: „Ombudsmänner sind ein wesentlicher Teil der Aufrechterhaltung des Image; ich denke nicht, dass sie objektiv agieren.“ Bei France 3 äußerten sich einzelne Journalisten positiver in Bezug auf die Aufgaben eines Ombudsmanns. So meinte ein Journalist, dass Ombudsmänner „zwar zum positiven Image eines Medienunternehmens beitragen, aber ihre Hauptfunktion ist doch eine andere.“ Ein Journalist von Le Monde wies die Aussage, dass Ombudsmänner hauptsächlich ein positives Image des Medienunternehmens vermitteln sollen, vehement zurück: „Nicht bei meiner Zeitung, in keinem Fall.“ Seine Kollegen sahen das teilweise anders: Auch wenn das nicht die Hauptaufgabe des Ombudsmanns sei, komme es doch ab und zu vor. Ein Journalist sagte, dass Ombudsmänner nicht nur das Image des jeweiligen Medienunternehmens, sondern der gesamten Medienbranche verbesserten, was auch „dringend nötig“ sei. Zwar stimmten die meisten Journalisten der Aussage „Die Beschäftigung eines Ombudsmanns zeigt, dass unser Medienunternehmen seine soziale Verantwortung ernst nimmt“ eher zu (im Durchschnitt 4,5 Punkte), dennoch kommentierten die meisten die Aussage nicht gerade positiv. Die Journalisten von RFI sind der Ansicht, dass die Position des Ombudsmanns „ein Trend” und „nur für die Wahrung des Scheins” ins Leben gerufen worden sei. Ein Journalist von France 3 betonte: „Wir nehmen unsere soziale Verantwortung ernst, aber nicht nur, indem wir einen Ombudsmann haben.“ Dennoch waren sich die Journalisten der drei untersuchten Redaktionen in einem Punkt relativ einig: „Alle Medienunternehmen sollten einen Ombudsmann haben.“ Die meisten Journalisten stimmten dieser Aussage zu (5,8 Punkte), wobei die Journalisten von Radio France Internationale diese Aussage am stärksten bejahten (6,0 Punkte). Während einige die Position des Ombudsmanns als „unverzichtbar“ ansahen, betonten andere, dass ein Ombudsmann „nur bis zu einem gewissen Grad nützlich“ sei. Vor allem bei der internen Kommunikation sei der direkte Kontakt zu Kollegen immer noch der beste Weg. Einige Journalisten machten auf die wichtige Rolle aufmerksam, die der Ombudsmann als Ansprechpartner für das Publikum spiele, dem er „Antworten auf seine Fragen, Reaktionen, Anregungen und Kritik“ gebe. Die Aussage „Das Publikum kann nicht die Probleme nachvollziehen, die mit der journalistischen Arbeit verbunden sind und ein Ombudsmann ist in diesem Zusammenhang keine Hilfe“ lehnten die Journalisten mit durchschnittlich 2,2 Punkten auf der Skala ab. Die Befragten waren der Ansicht, dass ein Ombudsmann der „Ignoranz“ einiger Rezipienten entgegenwirken könne. „Unser Publikum wird unsere Arbeit besser verstehen können, wenn sie ihnen vom Ombudsmann richtig erklärt wird“, sagte ein Journalist. Allerdings scheint die Position des Ombudsmanns für die befragten Journalisten selbst nicht besonders attraktiv zu sein. Die Aussage „Ich wäre selbst gern Ombudsmann“ lehnte der Großteil der Journalisten eher ab (2,9 Punkte), wobei die Journalisten von Le Monde die Aussage mit 2,3 Punkten am stärksten ablehnten. „Ich bin doch kein Masochist”, kommentierte ein Journalist von Le Monde die Aussage, ein anderer sagte: „Ich finde die Aufgabe sehr anstrengend“ und fügte hinzu, dass in seiner Redaktion die Position des Ombudsmanns nicht mit anderen Aufgaben vereinbar sei. „Ich möchte aber nicht aufhören, Artikel zu schreiben – nur die Kolumne des Ombudsmanns zu schreiben, würde mir nicht genügen.“ „Nie“ kommentierte ein Journalist von RFI kurz und knapp. Eine seiner Kolleginnen zeigte sich der Position gegenüber etwas aufgeschlossener: „Warum nicht”, meinte sie, „aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht als Sprachrohr des Managements ende und ich Dingen auf den Grund gehen kann.“ Interessierter waren dagegen die Journalisten von France 3. „Warum nicht, wenn Rolle und Funktionen klar definiert sind“, sagte ein Redakteur. Ein anderer kommentierte: „Ja, wenn die Position eine größere Anerkennung hätte und ein Ombudsmann wirklich unabhängig wäre.“ Ombudsmänner kosten Geld – und der Kostenfaktor sei einer der Gründe, warum das Konzept in der Praxis oftmals noch nicht etabliert sei, heißt es in der Studie. Die befragten Journalisten lehnten aber die spitz formulierte Aussage „Man sollte lieber in investigative Berichterstattung als in Ombudsmänner investieren“ eher ab (2,7 Punkte). „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagte ein Journalist. „Beides ist notwendig – Ombudsmänner und investigativer Journalismus.“ Zwar gebe es in den untersuchten Redaktionen einige „resistente“ Journalisten, die dem Konzept des Ombudsmanns nicht viel abgewinnen können, doch scheine es von der Mehrheit nicht gänzlich in Frage gestellt zu werden, fasst Bernier die Ergebnisse seiner Befragung zusammen und macht folgende Verbesserungsvorschläge: – Alle Beteiligten würden profitieren, wenn die Bestimmung/Wahl zum Ombudsmann offener, transparenter vonstattengehen würde. – Die Arbeit des Ombudsmanns sollte unter Journalisten und der Öffentlichkeit sichtbarer werden. – Dem Ombudsmann sollte der höchste Grad an Autonomie und Unabhängigkeit gewährleistet werden. Einige Journalisten schienen allerdings auch der Forschung über Ombudsleute gegenüber resistent zu sein: Von den 1052 Journalisten, die bei den drei Medien arbeiten, füllten nur 113 den Fragebogen aus; dies entspricht einer Rücklaufquote von 10,7 Prozent. *** Bernier, Marc-François (2012): “The internal legitimacy and credibility of press mediators in three French media: Le Monde, France 3 and Radio-France International (RFI)”, Vortrag im Rahmen der Konferenz “Journalism ethics: Individual, institutional or cultural?” am Reuters Institute for the Study of Journalism, University of Oxford, September 2012. Hype I: Fukushima War es die deutsche Bundeskanzlerin, oder haben die Journalisten die Energiewende herbeigeführt? An dieser Frage werden sich dereinst Historiker die Zähne ausbeißen, und sie wird sich vermutlich nie eindeutig beantworten lassen. Immerhin haben die Mainzer Medienforscher Hans Mathias Kepplinger und Richard Lemke die Medienberichterstattung zum Reaktorunglück in Fukushima unter die Lupe genommen – in Deutschland und der Schweiz sowie vergleichend in Frankreich und Großbritannien, wo es keine Energiewende gab. Sie haben dabei Erstaunliches herausgefunden. Um die Daten zwischen den vier Ländern vergleichbar zu machen, bezogen die Wissenschaftler jeweils zwei große Qualitäts-Tageszeitungen und die wichtigsten Fernsehnachrichten in ihre Analyse ein. Schon im Umfang der Berichterstattung stellten sie riesige Unterschiede fest. Die untersuchten deutsche Zeitungen und Fernsehnachrichten brachten in den vier Wochen nach dem Reaktorunfall 577 Beiträge über Fukushima, in der Schweiz waren es 521, während es in Frankreich 319 und in England nur 271 waren. Die britischen Journalisten widmeten dem Thema also noch nicht einmal halb so viel Aufmerksamkeit wie die deutschen. Nicht minder dramatisch sind die Unterschiede bei der Bewertung und Charakterisierung des Ereignisses. Während sich die britischen und französischen Medien intensiver mit dem Reaktorunfall in Japan selbst beschäftigten, haben die deutschen und Schweizer Medien vor allem die Relevanz des Reaktorunfalls fürs eigene Land beschrieben. 90 Prozent der untersuchten Beiträge diskutierten den möglichen Ausstieg aus der Kernenergie und ein Moratorium. „Fukushima wurde somit zum Menetekel, das Konsequenzen verlangt“, sagt Kepplinger. Den Forschern zufolge ließen die Journalisten vorwiegend jene Experten zu Wort kommen, die ihre eigene Meinung bestätigten. „Die untersuchten Staaten sind ähnlich weit von Japan entfernt und keinen vergleichbaren Naturkatastrophen ausgesetzt, die Kernkraftwerke in Europa besitzen ähnliche Sicherheitsstandards. Somit ist die negativ besetzte Berichterstattung nicht durch die ‘Natur des Ereignisses’ zu erklären”, betont Kepplinger. Vielmehr seien die Unterschiede in der Gewichtung und Charakterisierung der Reaktorkatastrophe mit hoher Wahrscheinlichkeit auf „langfristig gewachsene, vorherrschende Einstellungen und Meinungen im Journalismus“ in den vier Ländern zurückzuführen. Nachdenklich zur Fukushima-Medienhype stimmen auch folgende Zahlen, die Kepplinger zusätzlich ins Feld fühlt: Das Seebeben vor Japan habe im März 2011 zwei Katastrophen ausgelöst – „einen extremen Tsunami, dem vermutlich mehr als 30 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, und den Reaktorunfall in Fukushima, durch den bislang drei Menschen ums Leben gekommen sind und dessen Strahlung vermutlich zwischen 100 und 1 000 zusätzliche Krebstote verursachen wird.” Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxisseminars zur „Medienberichterstattung über Journalismus- und Medienforschung“ an der Universität Mainz entstanden. Erstveröffentlichung: Schweizer Journalist Nr. 8+9/2012 Deutsche Mediennutzer lesen lieber offline Im „Digital News Report 2012“ des Reuters Institute for the Study of Journalism werden die Nutzung von digitalen Nachrichtenformaten in Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich und den USA sowie ihre Auswirkungen auf die Medienindustrie analysiert. „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Medienlandschaft immer komplexer wird, digitale Medien aber keinesfalls die traditionellen Medien ersetzen, sondern für ein zusätzliches Angebot sorgen“, so Nic Newmann, Hauptautor des „Digital News Report 2012“. Dieser soll von nun an einmal jährlich erscheinen. Die Analyse zeigt, dass in allen untersuchten Ländern die digitale Technologie die Medienindustrie verunsichert hat. Das jeweilige Ausmaß dieser Verunsicherung und wie schnell neue Medien von den Nutzern angenommen werden, hänge aber von Medienstrukturen, Geografie und Kultur des jeweiligen Landes ab. Es sei immens wichtig, dass die Medienunternehmen diese Faktoren berücksichtigen, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Im Mittelpunkt des „Digital News Report“ steht eine Online-Befragung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov. Im Fokus dieser Umfrage standen Nutzer in Großbritannien. Um wichtige Themen international vergleichend analysieren zu können, wurden auch Mediennutzer in Deutschland, Dänemark, Frankreich und den USA befragt. In Großbritannien nahmen 2173, in Deutschland 970, in Frankreich 1011, in Dänemark 1002 und in den USA 814 Personen an der Befragung teil. Während in der US-amerikanischen Mediennutzung eine schnelle Umstellung von Print- zu Onlinemedien zu beobachten gewesen sei, verlaufe diese in den untersuchten europäischen Ländern deutlich langsamer, so Nic Newmann. Vor allem deutsche Nutzer zeigen sich traditionellen Lese- und Sehgewohnheiten verbunden und weisen im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern die niedrigste Internetnutzung auf. 68% der Befragten in Deutschland lesen jede Woche eine Zeitung oder Zeitschrift, um sich auf dem Laufenden zu halten. Auch Nachrichtensendungen im Radio (68%) und im Fernsehen (87%) wirken als Zuhörer- bzw. Zuschauermagneten. 61% der Befragten in Deutschland konsumieren mindestens einmal pro Woche Nachrichten im Internet. In den USA sind es 86 Prozent, in Großbritannien und Dänemark jeweils 82 Prozent und in Frankreich 77 Prozent. Als Gründe führen die Autoren der Studie die starken Wurzeln der deutschen Presse, geschützt durch Regulierung, sowie die gesetzliche Beschränkung von Online-Aktivitäten der Rundfunkveranstalter auf. In Großbritannien dagegen boomen die Websites von TV- und Radio- Anbietern – vor allem die BBC hat schon früh in den Ausbau ihrer Online-Präsenz investiert. Die Deutschen nutzen Nachrichtenmedien allerdings häufiger als die Briten: Während fast neun von zehn Deutschen einmal täglich ein Nachrichtenangebot (Print, Radio, TV oder Online) in Anspruch nehmen, tun dies in Großbritannien nur drei von vier. In Punkto Blogs und soziale Medien sind die Europäer generell zurückhaltender als die Amerikaner. Die Befragung zeigt, dass in den USA 36% der Mediennutzer Blogs und soziale Medien regelmäßig als Nachrichtenquellen nutzen, in den untersuchten europäischen Ländern sind es durchschnittlich 20%. Computer werden in allen untersuchten Ländern weiterhin am meisten genutzt, um online Nachrichten zu konsumieren, aber auch die Bedeutung von Smartphones nimmt zu: In Dänemark lesen 32% der befragten Mediennutzer Nachrichten auf ihrem Smartphone, in den anderen untersuchten Ländern sind es durchschnittlich 20% der Befragten. Tablet-PCs machen im Nachrichtenkonsum bislang nur einen kleinen Teil aus; auch hier sind die Dänen die eifrigsten Nutzer mit 13 Prozent. In Deutschland nutzen nur 5 Prozent der Befragten einen Tablet-PC, um auf Nachrichten zuzugreifen. Tablet-PCs seien aber auf dem Vormarsch, so Nic Newman, was sich positiv auf die Medienindustrie auswirken sollte, da Tablet-PC-Nutzer eher gewillt seien, für Online-Nachrichten zu zahlen. Eins haben die Medienkonsumenten der fünf analysierten Länder gemeinsam: den Widerwillen, für Online-Nachrichten Geld auszugeben. In Großbritannien haben nur 4 Prozent der Befragten jemals für Online-Nachrichten gezahlt, in Deutschland 6 Prozent, in Frankreich 8 Prozent, in den USA 9 Prozent und in Dänemark 12 Prozent. Hier geht es zum vollständigen Digital News Report 2012 (auf Englisch) auf der Website des Reuters Institute for the Study of Journalism