Fragen Antworten - Kantonsspital Baden
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Fragen aus der Praxis Antworten für die Praxis 2. Auflage Fragen und Antworten zur Antikoagulation Liebe Kolleginnen und Kollegen Die 1. Auflage von «Praktische Fragen – Praktische Antworten» erfreute sich grosser Beliebtheit. Sie war innert kürzester Zeit vergriffen, und wir haben viele Anregungen aus dem Leserkreis erhalten. Die «state of the art» der Antikoagu lation entwickelt sich ausserordentlich schnell weiter. Neue Produkte (Rivaroxaban, Dabigatran etc.), neue Indikationen (Fondaparinux), neue Studien und neue Guidelines sind in möglichst konziser Form zu integrieren. Wir haben dies in der vorliegenden, vollständig überarbeiteten und ergänzten Version versucht. Auf konsequente Kürze, gepaart mit weiterführender und aktualisierter Literatur für Interessierte wurde weiterhin geachtet. Wir danken unzähligen Kolleginnen und Kollegen für die konstruktiven Fragen und Ergänzungen, der Firma GSK/ Frau Dr. Rhême für die grosszügige Unter stützung im Rahmen eines «unrestricted educational grant». Prof. Jürg H. Beer Chefarzt Dept. Innere Medizin Kantonsspital Baden Dr. med. Béatrice Gay PD Dr. med. Marc Righini Leitende Ärztin Onkologie Universitätspital Lausanne Leitender Arzt Angiologie Universitätspital Genf Zweite Auflage: Baden, Mai 2010 Adresse für Korrespondenz: Prof. J. H. Beer, Chefarzt Department Innere Medizin Kantonsspital Baden Phone: 056 486 25 02 Fax: 056 486 25 09 E-mail: [email protected] 2 3 Inhaltsverzeichnis Epidemiologie 1. Wie hoch ist die Inzidenz einer venösen Thromboembolie (VTE)? 2. Wie gross ist das Rezidiv-Risiko einer VTE nach Absetzen der oralen Antikoagulation (OAK) (nach 3 Monaten Therapie)? 3. Welche Risikofaktoren erhöhen die Mortalität nach einem TE-Ereignis? 10 21. Diagnostik einer Rezidiv-TVT 22. Was sind mögliche Komplikationen einer TVT? 23. Welche Medikamente erhöhen die Thromboseneigung? 12 15 Allgemeines zur Therapie der TVT und LE Blutungsrisiko 4. Was ist eine schwere Blutung? Eine klinisch relevante Blutung? 5. Blutungsrisiko unter der oralen Antikoagulation? 6. Wie hoch ist das Blutungsrisiko in den ersten drei Monaten nach dem Start der oralen Antikoagulation? Gibt es ein «Blutungsrisikoscore»? 7. Wie hoch ist das Risiko einer schweren Blutung unter kombinierter Therapie mit OAK und Thrombozytenhemmern? 8. Gibt es ein Zusammenhang zwischen schwerer Blutung und Mortalität? 16 18 20 21 22 Andere Risikofaktoren und Diagnostik 9. Reisethrombose – Häufigkeit und Empfehlungen? 10. VTE beim Tumorpatienten 11. Welche VTE-Risikofaktoren gibt es bei Patienten mit Malignom? 12. Sollen Patienten mit Malignom eine VTE-Prophylaxe erhalten? 13.Was ist die optimale Antikoagulations-Therapie für Malignompatienten mit nachgewiesener TVT? 14. Wie ist das Verhältnis von proximalen zu distalen Venenthrombosen? 15. Warum ist die Diagnose einer proximalen TVT besonders wichtig? 16. Was sind die klinischen Zeichen einer TVT? 17. Was sind wichtige Differentialdiagnosen einer TVT? 18.Wie errechnet sich eine klinische Prä-Test-Wahrscheinlichkeit in der TVT-Diagnostik (vor D-Dimer und Ultraschall)? 19. Welche VTE-Risikofaktoren gibt es? 20. Diagnostik der TVT? 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 34 36 24. Welches sind die Ziele der Antikoagulation bei TVT? 25. Initiale Therapie der TVT? 26. Therapie der oberflächlichen Venenthrombosen? 27.Kontraindikationen für die Antikoagulation in therapeutischer Dosierung mit Heparin und Kumarinen? 28.Was unterscheidet Patienten mit einer TVT der unteren versus der oberen Extremität? 29. Bei welchen Patienten kann man eine TVT ambulant behandeln? 30. Welches sind die klinischen Zeichen einer Lungenembolie? 31. Was sind wichtige Differentialdiagnosen einer Lungenembolie? 32. Diagnostischer Algorithmus einer LE 33.Wann kann erwogen werden, eine Lungenembolie ambulant zu behandeln? 34. Indikationen zur Thrombolyse? 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 52 Therapie mit Heparin, NMH oder Fondaparinux sowie neue Antikoagulanzien 35.Soll man eine TVT eher mit unfraktioniertem Heparin (UFH), mit niedermolekularem Heparin (NMH) oder Fondaparinux behandeln? 36.Wirkungsweise des unfraktionierten Heparin (UFH) und praktische Hinweise? 37. Wirkungsweise des NMH und praktische Hinweise? 38. Wirkungsweise von Fondaparinux und praktische Hinweise? 39.Welche Dosierungen des NMH/Fondaparinux werden prophylaktisch und therapeutisch empfohlen? 53 54 56 57 59 5 Inhaltsverzeichnis 40.Gibt es einen Direktvergleich zwischen den verschiedenen NMH in der Prophylaxe? 41. Was sind die Nebenwirkungen der Heparine? 42. Kutane Reaktion nach niedermolekularer Heparin (NMH) Therapie? 43.Wieso muss bei einer VTE initial die OAK überlappend mit UFH bzw. NMH/Fondaparinux durchgeführt werden? 44.Sollen Heparinpräparate eher in den Bauch oder in den Oberschenkel appliziert werden? 45. Welche neuen Antikoagulantien gibt es? Stand September 2009 60 61 62 63 64 65 Therapie mit oralen Antikoagulanzien 46. Wie lange sollte die orale Antikoagulation (OAK) durchgeführt werden? 47. Welches ist der Ziel-INR-Wert? 48.Wirkmechanismus der Kumarine? 49.Nebenwirkungen der Kumarine? 50.Wie soll eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon (Tabl. à 3 mg), resp. mit Acenocoumarol (Tabl. à 1 bzw. 4 mg) begonnen werden? 51.OAK bei bakterieller Endokarditis und abakterieller, marantischer (thrombotischer) Endokarditis 52.Interaktionen mit Kumarinen: Medikamente und Diät. Worauf sollte geachtet werden? 53.Wie gross ist das Risiko von schweren Blutungen während gleichzeitiger Antibiotika- und Kumarintherapie? 54. Wie häufig soll eine INR-Wert Bestimmung mindestens erfolgen? 55.Bei welchen Zusatzerkrankungen sollte die INR-Wert-Bestimmung häufiger vorgenommen werden? 56.Wie kann eine stark schwankende INR-Einstellung bei sehr geringem Bedarf von Vitamin-K-Antagonisten verbessert werden? 57.Wie ist bei einer supratherapeutischen oralen Antikoagulation vorzugehen? 58.Woran ist beim antikoagulierten Patienten mit Rücken-, Kopfschmerzen oder Sehstörungen zu denken? 6 68 70 73 74 Perinterventionelles Management der Antikoagulation 59. Perinterventionelles Management der OAK/Bridging-Procedere 60. Zahnärztliche Eingriffe beim antikoagulierten Patienten 61. Risikoabwägungen bei der Aufhebung der OAK 62.Wie ist das Thromboembolierisiko bei kurzfristiger Unterbrechung der Antikoagulationstherapie? 63. Prozedere bei Vitamin K Gabe zur Aufhebung der Antikoagulation? 64.Konkretes Vorgehen bei oral antikoagulierten Patienten mit Standard VTE-Risiko (INR-Wert: 2.0–3.0) 65.Vorgehen bei oral antikoagulierten Patienten mit hohem VTE-Risiko (INR-Wert: 2.5–3.5) 86 87 88 89 90 92 94 Therapie in Spezialfällen 66.Wann kommt ein Vena cava-Filter in Betracht? 67.Wie behandelt man eine TVT in der Schwangerschaft? 96 97 75 77 78 79 80 Thrombophilieabklärung 68.Wie hoch ist das Risiko der ersten VTE während der Schwangerschaft und im Wochenbett bei Patienten mit thrombophilen Risikofaktoren? 69. Wie hoch ist das Risiko einer TVT bei Patienten mit Risikofaktoren? 70.Empfehlungen für die Thrombophilieabklärung 71.Zu welchem Zeitpunkt ist die Thrombophilieabklärung indiziert? 72.Welche Tests sollte ein Thrombophilieabklärung einschliessen? 98 99 100 101 102 81 82 83 85 Heparin-induzierte Thrombozytopenie 73.Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) – Wann zu vermuten? (vgl. 4 T, in Frage 74) 74.Wie wird eine HIT diagnostiziert? 75.Wie wird eine Therapie der HIT durchgeführt? 103 104 106 7 Inhaltsverzeichnis Nützliche Informationen Antikoagulation im Alter 76.VTE im Alter? 77.Welche Risikofaktoren führen zu einem erhöhten Blutungsrisiko während der Antikoagulation im Alter? 78.Relative Kontraindikationen für die Antikoagulation im Alter? 79.Spezielle Hinweise zur Antikoagulation beim älteren Menschen? Websites 109 112 113 114 •w ww.dvt.org: A center of outcome research mit Links auf andere Seiten und Verweisen auf Publikationen •w ww.inate.org: für Ärzte und Patienten •w ww.uptodate.com •w ww.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed •w ww.thrombosisjournal.com Literatur-Übersicht Chest-Übersicht 2008, 8th ed. ACCP Guidelines, 133, Suppl 6: 141-886. Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen, ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage Erklärungen zu den Empfehlungen Grad 1: Experten empfehlen diese Behandlung aufgrund einer positiven Nutzen/Risiko (Kosten)-Abwägung oder lehnen diese Behandlung aufgrund einer negativen Nutzen/Risiko (Kosten)-Abwägung ab. Grad 2: Nutzen/Risiko halten sich ungefähr die Waage. A:randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen liegen vor B:randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen mit wesentlichen Ein schränkungen oder sehr suggestive Ergebnisse aus Beobachtungsstudien. C:Nachweis über mindestens ein kritisches Ereignis aus Beobachtungsstudien, Fallserien oder randomisierten Studien mit Bias Beispiel: Grad 1A ist laut Experten die Behandlungsoption der Wahl. 8 9 1. Wie hoch ist die Inzidenz einer venösen Thromboembolie (VTE)? Generell gilt: 3 Verdachtsfälle pro 1’000 Einwohner pro Jahr, ein Fall pro 1‘000 Einwohner pro Jahr nachgewiesen. Inzidenz altersabhängig: Im Kindesalter sehr selten, mit zunehmendem Lebensalter stark steigend (0.01 % bis 18-jährig, 0.1 % bis 60-jährig, 1 % bei > 60-jährig). 1200 Male Female 800 Gründe: Hospitalisation: ca. die Hälfte der Patienten war 1 bis 3 Monate vor der VTE hospitalisiert. Prophylaxe: In einer internationalen Studie erhielten weniger als die Hälfte der hospitalisierten Patienten eine VTE-Prophylaxe. In der Schweiz sind die Zahlen höher (medizinische Patienten noch weniger als chirurgische), besonders nach schweren orthopädischen Eingriffen oder Abdominalchirurgie bei Krebserkrankungen. Die VTE-Inzidenz in der ambulanten Phase steigt an, wenn Patienten während der Hospitalisation keine Prophylaxe erhalten. Massnahmen: Im Spital eventuell Frage umkehren: welcher Patient braucht KEINE VTEProphylaxe. 600 400 200 0 0-14 20-24 30-34 40-44 50-54 60-64 70-74 80-84 15-94 25-29 35-39 45-49 55-59 65-69 75-79 >85 Age Group, y Silverstein et al., 2007 Annual Incidence per 100 000 1000 Ca. 75 % aller VTE treten bei ambulanten Patienten auf. Ambulant: viele Patienten profitieren von einer verlängerten VTE-Prophylaxe nach der Spitalentlassung, besonders nach schweren orthopädischen Eingriffen oder Abdominalchirurgie bei Krebserkrankungen. • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical pratice. Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • Van Ommen CH, Peters M: Venous Thromboembolic Disease in Childhood. Semin Thromb Hemost 2003; 29: 391-404. • Heit J: The epidemiology of venous thromboembolism in the community. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2008; 28: 370-2. • Silverstein RL, Bauer KA, Cushman M, Esmon CT, Ershler WB, Tracy RP: Venous thrombosis in the elderly: more questions than answers. Blood 2007; 110: 3097-3101. • Goldhaber SZ: Editorial: Outpatient venous thromboembolism. Arch Intern Med 2007; 167: 1451-2. • Spencer FA, Lessard D, Emery C, Reed G, Goldberg RJ: venous thromboembolism in the outpatient setting. Arch Intern Med 2007; 167: 1471-5. • Cohen AT, Tapson VF, Bergmann JF, Goldhaber SZ, Kakkar AK, Deslandes B, Huang W, Zayaruzny M, Emery L, Anderson Jr FA: Venous thromboembolism risk and prophylaxis in the acute hospital care setting (EN DORSE study): a multinational cross-sectional study. Lancet 2008; 371: 387-394. • Geerts WH, Bergqvist D, Pineo GF, Heit JA, Samama CM, Lassen MR, Colwell CW: Prevention of venous thromboembolism: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 381S-453S. 10 11 2. Wie gross ist das Rezidiv-Risiko einer VTE nach Absetzen der oralen Antikoagulation (OAK) (nach 3 Monaten Therapie)? Generell gilt: Das Rezidiv-Risiko ist am höchsten unmittelbar nach dem Ereignis und in den folgenden 3–6 Monaten, ist höher nach idiopathischer Thromboembolie (TE) (Faustregel: Rezidiv im ersten Jahr 5–10 %, folgende 5 Jahre: 20–30 %) als nach sekundärer TE (Faustregel: 3 %, bei Rezidiv 5 %/Jahr). Bemerkung: Determinierende Risikofaktoren für Rezidiv: • Steigt mit dem Alter (ca. 15–20 %/Jahrzehnt) • Patienten mit TVT haben öfter ein Rezidiv der TVT während LE-Patienten öfter ein Rezidiv in der Form einer erneuten LE erleiden • Dauer der oralen Antikoagulation: es tritt aber trotz OAK in bis zu 2.7 % der Fälle im 1. Jahr ein Rezidiv auf. Wenn ein Risikofaktor persistiert (Malignom, Antiphospholipidantikörper, etc.) ist das Risiko erhöht • Persistenz eines Restthrombus im venösen Segment oder erhöhte D-Dimere nach Absetzen der OAK* • Subtherapeutische INR in den ersten 3 Monaten der OAK • Patienten mit einer iliofemoralen Thrombose (2 × erhöhtes Risiko vs. femoro-poplitealen Ereignissen) • Männer > Frauen (odds ratio 3:1) • Rezidiv • Thrombophilie-Parameter im Labor (FVL und PT-Mutation etc…) haben evtl. bezüglich der VTE-Rezidivrate eine geringere Bedeutung als bisher angenommen Häufigkeit des Thromboembolie-Rezidives mit und ohne Antikoagulation resp. unter OAK mit verschiedener Intensität: 0.20 Placebo - PREVENT 0.15 0.10 INR 1.5-2.0 - PREVENT INR 1.5-1.9 - ELATE INR 2.0-3.0 - ELATE 0.05 0.00 0 1 2 Years 3 4 Ridker et al., 2004 Cumulative Event Rate 0.25 * Die D-Dimere-Messung zwischen 3 Wochen bis 2 Monaten nach Absetzen der OAK hat einen prädiktiven Wert für ein erstes unprovoziertes thromboembolisches Ereignis: • beim negativen D-Dimere-Test: 3.5 % Rezidivrate/Jahr • beim positiven D-Dimere-Test 8.9 % Rezidivrate/Jahr • Verhovsek M, Douketis JD, Yi Q, Shrivastava S, Campbell T, Baglin T, Poli D, Lim W: systematic review: D-dimer to predict recurrent disease after stopping anticoagulant therapy for unprovoket venous thromboembolism. Ann Intern Med 2008; 149: 481-90. 12 13 2. Wie gross ist das Rezidiv-Risiko einer VTE nach Absetzen der oralen Antikoagulation (OAK) (nach 3 Monaten Therapie)? Thromboembolische Ereignisse pro Jahr unter oraler Antikoagulation: 3. Welche Risikofaktoren erhöhen die Mortalität nach einem TE-Ereignis? • Alter • Malignom 4 • Adipositas • Herzinsuffizienz Prozent 3 • Chronische Lungen-, Nieren- und neurologische Krankheiten 2 • Nikotinabusus 0 Schulman 1997 Agnelli 2001 Kearon 1999 INR 2.0-3.0 Kearon 2003 Ridker 2003 Kearon 2003 INR 1.5-2.0 Ridker et al., 2004 1 • H irsh J, Hoak J: Management of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. A statement for healthcare professionals. Circulation 1996; 93: 2212-45. • Ridker PM: Long-term low-dose warfarin use is effective in the prevention of recurrent venous thromboem bolism: J Thromb Haemost 2004; 2: 1034-7. • Kyrle PA, Milnar E, Bialonczyk C, Hirshl M, Weltermann A, Eichinger S: The risk of recurrent venous throm boembolism in men and women. N Engl J Med 2004; 350: 2558-63. • Douketis JD, Crowther MA, Foster GA, Ginsberg JS: Does the location of thrombosis determine the risk of disease recurrence in patients with proximal deep vein thrombosis? Am J Med 2001; 110: 515-9. • Palareti G, Legnani C, Cosmi B, Guazzaloca G, Cini M, Mattarozzi S: Poor anticoagulation quality in the first 3 months after unprovoked venous thromboembolism is a risk factor for long-term recurrence. J Thromb Haemost 2005; 3: 955-61. • Palareti G, Cosmi B, Legnani C, Tosetto A, Brusi C, Iorio A, Pengo V, Ghirarduzzi A, Pettacini C, Testa S, Lensing AW, Tripodi A: D-Dimer testing to determine the duration of anticoagulation therapy. N Engl J Med 2006; 355: 1780-9. • Silverstein RL, Bauer KA, Cushman M, Esmon CT, Ershler WB, Tracy RP: Venous thrombosis in the elderly: more questions than answers. Blood 2007; 110: 3097-101. • Baglin T: Unprovoked deep vein thrombosis should be treated with long-term anticoagulation – no. J Thromb Haemost 2007; 5: 2336-9. • Kearon C: Indefinite anticoagulation after a first episode of unprovoked venous thromboembolism: yes. J Thromb Haemost 2007; 5: 2330-5. • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical pratice. Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • Ridker PM: Long-term low-dose warfarin use is effective in the prevention of recurrent venous thromboem bolism: J Thromb Haemost 2004; 2: 1034-7. 14 • S ilverstein RL, Bauer KA, Cushman M, Esmon CT, Ershler WB, Tracy RP: Venous thrombosis in the elderly: more questions than answers. Blood 2007; 110: 3097-101. • Rosendaal FR, van Hylckama Vlieg A, Doggen CJ: Venous thrombosis in the elderly. J Thromb Haemost 2007; 5: 310-7. 15 4. Was ist eine schwere Blutung? Eine klinisch relevante Blutung? Generell gilt: Die Klassifikation kann die Inzidenz schwerer Blutungen stark beeinflussen. Falsch klassifizierte Blutungen können deren Wichtigkeit und assoziierte Risiken unterschätzen/reduzieren. Vorhandene Klassifikationen: Für die thrombolytische Ära: • TIMI (Thrombolysis In Myocardial Infarction) und GUSTO (Global Use of Strategies To Open Coronary Arteries) sind typische Klassifikationen für akute Blutungen mit intravenösen antithrombotischen und fibrinolytischen Behandlungen. Für die Dauerantikoagulation: • ISTH-Scale (International Society on Thrombosis and Haemostasis) bezeichnet eine schwere Blutung als: • Fatale Blutung • Symptomatische Blutung in kritischen Organen (intrakraniell, intraspinal, intraokulär, retroperitoneal, intraartikulär, perikardial, intramuskulär) • Hb-Abfall > 20 g/L oder zu > 2 Transfusionen führend • EMEA-Scale (Dito ISTH + zu Therapie Unterbrechung führend) • ISCOAT (Italian Study of Complications Of Anticoagulant Therapy) «The Control of Anticoagulation Subcommittee» empfiehlt die folgenden Kriterien bei nicht chirurgischen Patienten: Schwere Blutung: • Tödliche Blutung • In ein kritisches Organ: retroperitoneale, intrakranielle, intraspinale, perikardiale oder intraokuläre Blutung • Blutung, welche eine Transfusion von ≥ 2 Erythrozytenkonzentraten erfordert • Blutung mit Hb-Abfall von ≥ 2 g/dl • Hospitalisationsbedürftige Blutung 16 Klinisch relevante Blutung: • Spontane Hämaturie • Hämodynamisch wirkende Blutung • Epistaxis > 5 Minuten, welche eine Intervention erfordert, mehrmals vorkommend • Spontane Zahnfleischblutung oder > 5 Minuten dauernd • Gastro-intestinale Blutung • Subkonjunktivale Blutung • Hämoptyse oder für den Patienten relevante Blutung • Subkutanes Hämatom > 25 cm2 oder > 100 cm2 nach Trauma • The van Gogh Investigators: Idraparinux vs. standard therapy for venous thromboembolic disease. N Engl J Med 2007; 357: 1094-104. • Turpie AG, Bauer KA, Eriksson BI, Lassen MR: Fondaparinux vs enoxaparin for the prevention of venous thromboembolism in major orthopaedic surgery. Arch Intern Med 2002; 162: 1833-40. • Eriksson BI, Kakkar AK, Turpie AG, Gent M, Bandel TJ, Homering M, Misselwitz F, Lassen MR: Oral rivaroxa ban for the prevention of symptomatic venous thromboembolism after elective hip and knee replacement. J Bone Joint Surg Br 2009; 91: 636-644. • Rao AK, Pratt C, Berke A, Jaffe A, Ockene I, Schreiber TL, Bell WR, Knatterud G, Robertson TL, Terrin TL: Thrombolysis in Myocardial infarction (TIMI) trial – phase I: hemorrhagic manifestations and changes in plasma fibrinogen and the fibrinolytic system in patients treated with recombinant tissue plasminogen activator and streptokinase. J Am Coll Cardiol 1988; 11: 1-11. • The GUSTO investigators: An international randomized trial comparing four thrombolytic strategies for acute myocardial infarction. N Engl J Med 1993; 329: 673-82. • Palareti G, Leali N, Coccheri S, Poggi M, Manotti C, D’Angelo A, Pengo V, Erba N, Moia M, Cravarella N, Devoto G, Berrattini M, Musolesi S: Bleeding complications of oral anticoagulant treatment: an inceptioncohort, prospective collaborative study. Lancet 1996; 348: 423-8. • Schulman S, Kearon C: Definition of major bleeding in clinical investigations of antihemostatic medicinal products in non-surgical patients. J Thromb Haemost 2005; 3: 692-4. • Serebruany VL, Atar D: Assessment of bleeding events in clinical trials – proposal of a new classification. Am J Cardiol. 2007; 99: 288-90. 17 5. Blutungsrisiko unter der oralen Antikoagulation? Bemerkung: Die Inzidenz einer schweren Blutung liegt im Bereich von 1–4 %/Jahr: intrazerebrale Blutung (0.4–1.5 % je nach Literatur und Risikopopulation, z.B. Alter > 75 Jahre). (Siehe Frage 4). Die Nutzen-Risikoanalyse der Antikoagulation soll nach spätestens 3 Monaten und in periodischen Abständen erneut evaluiert werden. Kriterien für die periodische Risikoabwägung: 1) Individuelles Blutungsrisiko 2) VTE-Rezidivrisiko 3) Stabilität der OAK (65 % der INR-Werte sollten im therapeutischen Bereich zwischen 2–3 liegen) 4) Klinische Situation der Patienten Erhöhtes Risiko für Blutungen: 1. Alter >75 Jahre, bei Komorbidität, bei Status nach Schlaganfall, bei Antirheumatika-Einnahme, bei Sturzgefahr etc. 2. Unterscheidet sich nach Indikation (entsprechend gross sind die in der Literatur angegebenen Bereiche): nach CVI 2–13 % (follow-up von 6–30 Monaten), nach mechanischen Klappenprothesen 1–8.3 %, bei Patienten mit Vorhofflimmern 0–6.6 %, nach ischämischer Herzkrankheit 0–19.3 %, nach TVT 0–16.7 % 3. B ei Niereninsuffizienz, auch bei nicht dialysepflichtigen Patienten 4. Um 2 × erhöht bei Kumarin-naiven Patienten, d.h. in der ersten Phase der begonnenen Antikoagulation 5. Mit steigendem CHADS-Score (Herzinsuffizienz, art. Hypertonie, Alter, Diabetes, CVI). Das Risiko kann bis 10-fach zwischen CHADS 0 bis CHADS ≥ 4 erhöht sein 6. Deutlich mit INR > 4 7. Komedikation mit Thrombozytenaggregationshemmer und NSAID 18 • Wyse DG: Bleeding while starting anticoagulation for thromboembolism prophylaxis in elderly patients with atrial fibrillation. Circulation 2007; 115: 2689-96. • Hylek EM, Evans-Molina C, Shea C, Henault LE, Regan S: Major hemorrhage and tolerability of warfarin in the first year of therapy among elderly patients with atrial fibrillation. Circulation 2007; 115: 2689-2696. • Fox KA, Bassand JP, Mehta AR, Wallentin L, Theroux P, Piegas LS, Valentin V, Moccetti T, Chrolavicius S, Afzal R, Yusuf S; OASIS 5 Investigators: Influence of renal function on the efficacy and safety of fonda parinux relative to enoxaparin in nonST-segment elevation acute coronary syndromes. 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RIETE Score: • Unter ASS allein: 3 %/Jahr • Unter ASS + Clopidogrel: 7 %/Jahr Basiert auf einem Register von > 19’000 Patienten mit akuter VTE Schwere kürzliche Blutungen Creatinin levels > 1.2 mg/dl (leider keine CCreat! gebraucht) 7. Wie hoch ist das Risiko einer schweren Blutung unter kombinierter Therapie mit OAK und Thrombozytenhemmern? 2 Punkte 1.5 Punkte Anämie: Hb < 13 g % 1 Punkt Malignom 1 Punkt Bestätigte Lungenembolie 1 Punkt Alter > 75 Jahre 1 Punkt • Unter ASS + OAK: 8 %/Jahr • Unter ASS + Clopidogrel + OAK: 9 %/Jahr Risiko für eine GI-Blutung: Increased risk of gastrointestinal bleeding Clopidogrel + NSAID Clopidogrel + ASA Warfarin + NSAID Warfarin + ASA NSAID ASA Clopidogrel Warfarin 1 • R uíz-Giménez N, Suárez C, González R, Nieto JA, Todoli JA, Samperiz AL, Monreal M; RIETE Investigators: Predictive variables for major bleeding events in patients presenting with documented acute venous thromboembolism. Findings from the RIETE Registry. Thromb Haemost 2008; 100: 26-31. • Dahri K, Loewen P: The risk of bleeding with warfarin: a systematic review and performance analysis of clinical prediction rules. Thromb Haemost 2007; 98: 980-7. • ACTIVE Writing Group of the ACTIVE Investigators, Connolly S, Pogue J, Hart R, Pfeffer M, Hohnloser S, Chrolavicius S, Yusuf S: Clopidogrel plus aspirin versus oral anticoagulation for atrial fibrillation in the Atrial fibrillation Clopidogrel Trial with Irbesartan for prevention of Vascular Events (ACTIVE W): a randomised controlled trial. Lancet 2006; 367: 1903-12. 20 Odds ratio (log) 10 Delaney et al., 2007 In den ersten drei Monaten: 0 Punkte = tiefes Risiko: 0.3 % (95 % CI 0.1–0.6) schwere Blutungen 1–4 Punkte = mittleres Risiko: 2.6 % (95 % CI: 2.3–2.9) schwere Blutungen > 4 Punkte = hohes Risiko: 7.3 % (95 % CI: 5.6–9.3) schwere Blutungen • S ørensen R, Hansen ML, Abildstrom SZ, Hvelplund A, Andersson C, Jørgensen C, Madsen JK, Hansen PR, Køber L, Torp-Pedersen C, Gislason GH: Risk of bleeding in patients with acute myocardial infarction treated with different combinations of aspirin, clopidogrel, and vitamin K antagonists in Denmark: a retrospective analysis of nationwide registry data. Lancet 2009; 374: 1067-74. • Delaney JA, Opatrny L, Brophy JM, Suissa S: Drug-drug interactions between antithrombotic medications and the risk of gastrointestinal bleeding. 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ACS-Patienten welche eine schwere Blutung erleiden, haben eine bis 5-fach erhöhte Mortalität. Neu findet man diesen Zusammenhang auch bei der VTE. Hypothesen, die dies erklären: Absetzen der antithrombotischen Therapie, Hypovolämie, Hypoxämie, Hypotonie, Transfusion. Damit empfehlen die neuen ESC- Guidelines (NSTE-ACS), die Blutungsgefahr in der Wahl einer Therapie und die Risikoanalyse, höher zu bewerten. 9. Reisethrombose – Häufigkeit und Empfehlungen? Das Risiko wird überschätzt: Ca. 4 TE pro 1 Mio. Reisenden mit Reisedauer > 5 Std. Generell kann eine Thromboseprophylaxe nur bei erhöhtem Risiko empfohlen werden: z.B. Status nach idiopathischer VTE, bei ausgeprägtem postthrombotischem Syndrom oder bei aktivem Malignom. 1. Bei Flügen > 8 Std. gelten die allgemeinen Massnahmen: • Hydratation • Muskelpumpe (aktive Bewegung) • Kompressionsstrümpfen der Klasse 2 • Kein Aspirin 2. Bei hohem Risiko kann als prophylaktische Gabe ein niedermolekulares Heparin (NMH) empfohlen werden: • 2 Std. vor der Reise • Bei längerem Flug > 8 Std.: evtl. eine 2. Dosis NMH oder 1 Dosis Fondaparinux (HWZ 17 Std. versus HWZ von 6 Std. für die NMH) • E ikelboom JW, Mehta SR, Anand SS, Xie C, Fox KA, Yusuf S: Adverse impact of bleeding on prognosis in patients with acute coronary syndromes. Circulation 2006; 114: 774-82. • Manoukian SV, Feit F, Mehran R, Voeltz MD, Ebrahimi R, amon M, Dangas GD, Lincoff AM, White HD, Moses JW, King SB 3rd, Ohman EM, Stone GW: Impact of major bleeding on 30-day mortality and clinical outcomes in patients with acute coronary syndromes.1) J Am Coll Cardiol 2007; 49: 1362-8. • Hylek EM, Evans-Molina C, Shea C, Henault LE, Regan S: Major hemorrhage and tolerability of warfarin in the first year of therapy among elderly patients with atrial fibrillation. 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Vena jugularis, Vena brachialis, Vena cava, Pfortader 11.Welche VTE-Risikofaktoren gibt es bei Patienten mit Malignom? Risikofaktoren: Mit dem Patienten assoziert • Alter • Komorbiditäten (Adipositas, Infekt, Nieren krankheit, Lungenkrankheit, arterielle TE) • V TE in der Anamnese • Erhöhte Thrombozytenzahl (> 350 000/ul) vor der Chemotherapie • Prothrombotische Mutationen Mit dem Malignom assoziert • Primärtumor (GI, Hirn, Lunge, gynäkologisch, Niere, hämatologisch) • In den ersten 6 Monaten nach der Diagnose • Metastatische Krankheit Mit der Behandlung assoziert • Grosse Operation kürzlich • Aktuell hospitalisiert • Aktive Chemotherapie • Aktive Hormontherapie • Aktuelle oder aktive Antiangiogenese Therapie (Thalidomide, Lenalidomide, Bevacizumab) • Aktuelle Erythropoesestimulation • Zentralvenenkatheter Inzidenz: 2–4/100 Patienten/6 Monate ca. 20 % der VTE finden sich bei Tumorpatienten Das Risiko einer VTE oder einem VTE-Rezidiv bei Tumorpatienten ist ~2× erhöht im Vergleich zu nicht-onkologischen Patienten. Das Risiko für ein unterliegendes Malignom bei Patienten mit idiopathischer VTE ist ~4 bis 9× erhöht im Vergleich zu Patienten mit sekundärer VTE. NMH als Therapie der Wahl, evtl. mit verbesserter Wirkung und Antitumoraktivität. Kaum Interaktionen mit Chemotherapie. Bessere Bioverfügbarkeit als UFH. Bei Hirnmetastasen individuelle Abwägung bei einer Therapie mit NMH. • B lom JW, Vanderschoot JP, Oostindier MJ, Osanto S, van der Meer FJ, Rosendaal FR: Incidence of venous thrombosis in a large cohort of 66 329 cancer patients: results of a record linkage study. J Thromb Haemost 2006; 4: 529-35. • Rickles FR, Levine MN: Epidemiology of thrombosis in cancer. Acta Haematol 2001; 106: 6-12. • Landaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com • Lecumberri R, Páramo JA, Rocha E: Anticoagulant treatment and survival in cancer patients. The evidence from clinical studies. 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Auch mit VTE-Prophylaxe ist das VTE-Risiko doppelt so hoch wie nicht-onkologischen Patienten. 13.Was ist die optimale Antikoagulations-Therapie für Malignompatienten mit nachgewiesener TVT? NMH ist die Therapie der Wahl, für mindestens 6 Monate oder sogar langfristig. Für Patienten mit ZNS-Malignomen ist die Antikoagulation bei nachgewiesener TVT empfohlen, soll jedoch individuell besprochen werden. Bei Tumorpatienten in der Chirurgie ist eine verlängerte VTE-Prophylaxe mit NMH bis 28 Tagen nach Spitalentlassung empfohlen (Grad 2A). B. Ambulante Patienten: Bei Tumorpatienten unter Chemotherapie oder Hormontherapie ist keine Routine VTE-Prophylaxe empfohlen. Obwohl viele Hinweise für eine Langzeit VTE-Prophylaxe bei Hochrisikopatienten sprechen, kann eine VTE-Prophylaxe zur Zeit nicht empfohlen werden. (ASCO und ACCP-Guidelines). Mehrere laufende Studien könnten diese Empfehlung besonders bei hoch-risiko Patienten bald ändern. • K horana AA, Francis CW, Culakova E, Kuderer NM, Lyman GH: Frequency, risk factors, and trends for venous thromboembolism among hospitalized cancer patients. Cancer 2007; 110: 2339-46. • Lyman GH, Khorana AA, Falanga A, Clarke-Pearson D, Flowers C, Jahanzeb M, Kakkar A, Kuderer NM, Levine MN, Liebman H, Mendelson D, Raskob G, Somerfield MR, Thodiyil P, Trent D, Francis CW: American Society of Clinical Oncology guideline: recommendations for venous thromboembolism prophylaxis and treatment in patients with cancer. J Clin Oncol 2007; 25: 5490-505. • Stein PD, Beemath A, Meyers FA, Skaf E, Sanchez J, Olson RE: Incidence of venous thromboembolism in patients hospitalized with cancer. Am J Med 2006; 119: 60-8. • Mismetti P, Laporte O, Darmon JY, Buchmüller A, Deconsus H: Meta-analysis of low molecular weight hepa rin in the prevention of venous thromboembolism in general surgery. 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CAVE: Dunkelziffer für die distalen Thrombosen. 15.Warum ist die Diagnose einer proximalen TVT besonders wichtig? • Assoziation mit anderen Erkrankungen (Malignom) • Gefahr von Progression und symptomatischen/fatalen Lungenembolien • Eine frühe, konsequente Antikoagulation hat eine bessere Langzeitprognose • Verhindern/vermindern des postthrombotischen Syndroms Proximale Venenthrombosen sind viel häufiger symptomatisch und gehen häufiger mit einer Lungenembolie einher. Bemerkung: Die distale TVT-Diagnostik ist stark Untersucher- und Technik-abhängig. Die Bedeutung der distalen TVT (im Unterschenkel und nicht bis zur Poplitea reichend) ist umstritten. Das Übergreifen auf die Vena Poplitea ist gefürchtet. Zwischen Beine einbinden, 10–30 Tage NMH und 3 Monate OAK variieren die Therapien-Empfehlungen. Schweizer Experten-Empfehlung bei distaler Thrombose: 1 Monat Antikoagulation (evtl. mit NMH), anschliessend erneute sonographische Kontrolle. • G eerts WH, Bergqvist D, Pineo GF, Heit JA, Samama CM, Lassen MR, Colwell CW; American College of Chest Physicians: Prevention of venous thromboembolism: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest 2008; 133 (Suppl 6): 381S-453S. 28 • Landaw S, Bauer K:Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com • Hirsh J, Hoak J: Management of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. A statement for healthcare professionals. Council on Thrombosis (in consultation with the council on Cardiovascular Radiology) American Heart Association. Circulation 1996; 93: 2212-45. 29 16.Was sind die klinischen Zeichen einer TVT? 17.Was sind wichtige Differentialdiagnosen einer TVT? • Ödem • Baker Zyste • Schmerz • Muskel- oder Sehnenruptur • Schwellung (Umfangsdifferenz) • Thrombophlebitis • Spannungsgefühl • Erysipel • Überwärmung • Cellulitis/Fascitis • Livide Verfärbung, vermehrte Venenzeichnung («Warnvenen») • Lymphödem • Vermindertes Ballottement • Chronische venöse Insuffizienz • Schmerzen bei Druck oder Zug • Ödem • Kutane Vaskulitis • Einseitige Stauung bei Rechtsherzinsuffizienz • H irsh J, Hoak J: Management of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. A statement for healthcare professionals. council on Thrombosis (in consultation with the council on Cardiovascular Radiology) American Heart Association. Circulation 1996; 93: 2212-45. • L andaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com 30 • Landaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com • Hirsh J, Hoak J: Management of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. A statement for healthcare professionals. council on Thrombosis (in consultation with the Council on Cardiovascular Radiology) American Heart Association. Circulation 1996; 93: 2212-45. 31 18.Wie errechnet sich eine klinische Prä-Test-Wahrscheinlichkeit in der TVT-Diagnostik (vor D-Dimer und Ultraschall)? Schweizer Experten empfehlen: Bei hoher und mittlerer Wahrscheinlichkeit/klinischem Verdacht auf eine VTE soll eine Antikoagulation noch vor den Ergebnissen der diagnostischen Untersuchungen erfolgen (Grad 1 C+). Die folgenden anamnestischen und klinischen Befunde haben sich im Wells Score bewährt. • Hohe Prä-Test-Wahrscheinlichkeit: 3 oder mehr Punkte • Mässige Prä-Test-Wahrscheinlichkeit: 1 oder 2 Punkte • Tiefe Prä-Test-Wahrscheinlichkeit: 0 oder weniger Punkte Bei einer hohen Wahrscheinlichkeit: Direkt zur Bildgebung ohne D-Dimer-Bestimmung. Beachte: Bei Vorliegen einer gültigen Alternative sind zwei Minuspunkte vorgesehen. Prätest Wahrscheinlichkeit einer TVT (Wells Score): Klinische Zeichen Karzinom (Pat.in Behandlung in den letzten 6 Monaten oder unter palliativer Behandlung) Lähmung, Parese, Gipsbehandlung der unteren Extremitäten Bettlägerigkeit für mind. 3 Tage oder grosser chirurgischer Eingriff mit Voll- oder Regionalanästhesie in den letzten 12 Wochen Lokalisierte Verhärtung entlang einer Vene Schwellung der gesamten Extremität Umfangsdifferenz von mind. 3 cm im Vergleich zur anderen Seite Einseitiges Oedem im symptomatischen Bein Oberflächliche kollaterale Venen Status nach TVT Andere Diagnose, die auch wahrscheinlich erscheint Score 1 1 1 1 1 1 1 1 1 -2 • L andaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com • Wells PS, Anderson DR, Rodger M, Forgie M, Kearon C, Dreyer J, Kovacs G, Mitchell M, Lewandowski B, Kovacs MJ: Evaluation of D-dimer in the diagnosis of suspected deep-vein thrombosis. 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Erworbene VTE-Risikofaktoren: Geschätztes relatives Risiko 50 15–19 Mittleres Risiko Faktor V Leiden (heterozygot) Prothrombin 20210A Erhöhter FXIII 3–5 Tiefes Risiko Erhöhter FIX Erhöhter FXI Erhöhter TAFI* Hyperhomocysteinämie * = thrombin activable fibrinolysis inhibitor Kein unabhängiger Risiko faktor, nur im Zusammen hang mit erhöhtem Faktor VIII Geschätztes relatives Risiko Grosser chirurgischer Eingriff oder Trauma Status nach TVT Antiphospholipid-Antikörper Karzinom Medizinische Erkrankung mit Hospitalisation Alter > 50 Jahre Alter > 70 Jahre Schwangerschaft Östrogene: Orale Kontrazeptiva (dosisabhängig) Östrogene: Orale Hormonersatz-Therapie Gestagene (je nach Generation 1–3) Adipositas Oestrogen-Rezeptor-Modulator: Tamoxifen Oestrogen-Rezeptor-Modulator: Raloxifen Nephrotisches Syndrom 5–200* 50 2–10 5 5 5 10 7 5 2 3–5 1–3 5 3 6.8 * das Risiko ist abhängig vom chirurgischen Eingriff und von der Art und Dauer der Prophylaxe, etc. • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical practice. 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Bei einer tiefen Probabilität und negativem D-Dimer Test: keine VTE Bei einer tiefen Probabilität und positivem D-Dimer Test: Bestätigung mit Bildgebung notwendig. 21.Diagnostik einer Rezidiv-TVT? Schwierigkeit: Alte postthrombotische Syndrome und akute Exazerbation mit frischer Rezidiv-TVT sind schwer differenzierbar. Sonographisch oft nur im Direktvergleich mit der Voruntersuchung (z.B. neu nicht komprimierbares Segment). Phlebographie in Ausnahmefällen. In Abwesenheit einer gleichzeitigen Antikoagulation kann bei negativem D-Dimer-Test die Diagnose mit grosser Sicherheit ausgeschlossen werden. 4.Bildgebung: • Duplex-Sonographie (Kompressionssonographie): Methode der 1. Wahl für TVT, bei Unsicherheit Wiederholung nach 2 bis 3 Tagen • Angio-CT oder Angio-MRI bei Verdacht auf Beckenvenenthrombose und LE • Phlebographie, Lungenangiographie (invasiv): wird nur selten angewandt • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical practice. Treatment of deep-vein thrombosis. 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Circulation 1996; 93: 2212-45. 37 22.Was sind mögliche Komplikationen einer TVT? • Lungenembolie • Grössenzunahme des Thrombus mit proximaler Ausdehnung • Postthrombotisches Syndrom • Chronische venöse Insuffizienz • Rezidiv • Selten: Bei massiven Thrombosen kann die Durchblutung kompromitiert sein (Phlegmasia coerulea dolens) Assoziation mit arteriellen Ereignissen: Im 1. Jahr nach der TVT-Diagnose: • RR 1.6 (CI 1.35–1.91) für einen Myokardinfarkt • RR 2.19 (CI 1.85–2.6) für einen CVI Patienten mit LE: • RR 2.6 (CI 2.14–3.14) für einen Myokardinfarkt • RR 2.93 (Cl 2.34–3.66) für einen CVI Die Risiken sind gleich, unabhänig davon, ob die venöse Thrombose sekundär oder idiopatisch war. • L andaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com • Lowe GD: Comment : Is venous thrombosis a risk factor for arterial thrombosis? 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Generation •V TE-Risiko ist oestrogendosis-abhängig und generationsabhängig bei den Gestagenen • Hormonersatztherapie: das Risiko bei einer transdermalen Anwendung ist weiterhin umstritten, scheint aber tiefer zu sein CAVE: je höher die Dosis der oralen Kontrazeptiva bzw. der Hormonersatz therapie, um so höher ist das VTE-Risiko • P rothrombinkomplex (Beriplex P/N® und Prothromplex®): • können das Risiko von TVT, LE, Myokardinfarkt, Schlaganfall und DIG erhöhen • sind Notfallmedikamente und müssen in die Nutzen-Risikoabwägung im Einzelfall einbezogen werden • Rekombinantes FVIIa (Novoseven®), einzelne Fälle von Myokardinfarkt • Thalidomid und Lenalidomid, vor allem in Assoziation mit Dexamethason • Chemotherapeutika: Abfall von Gerinnungsinhibitoren (Tamoxifen, Asparaginase, Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-FU), Endothel schädigung (Doxorubicin, Vincristin, Bleomycin, Mitomycin C, Cisplatin) • Erythropoietin • Neuroleptika (Clozapin etc.) • Antiangiogenese Therapie • B ombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002; 1. Auflage. • Rexrode KM, Manson JE: Are some types of hormone therapy safer than others? Lessons from the estrogen and Thromboembo lism Risk Study. Circulation 2007; 115: 820-2. • Canonico M, Oger E, Plu-Bureau G, Conard J, Meyer G, Lévesque H, Trillot N, Barrellier MT, Wahl D, Emmerich J, Scarabin PY; Estrogen and Thromboembolism Risk (ESTHER) Study Group: Hormone therapy and venous thromboembolism among post menopausal woman: impact of the route of estrogen administration and progestogens: the ESTEHER study. Circulation 2007; 115: 840-5. • Rosendaal FR, van Hylckama Vlieg A, Doggen CJ: Venous thrombosis in the elderly. 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Pharmakritik 2009; 2: 5-7. 39 24.Welches sind die Ziele der Antikoagulation bei TVT? 25.Initiale Therapie der TVT? • Vorbeugung der Ausdehnung des Thrombus • Hochlagerung, je nach Schmerzen/Schwellung • Verhinderung einer Lungenembolie • Straffes Einbinden • Vorbeugung einer Re-Thrombose (Rezidiv) • Keine Immobilisation • Vorbeugung von späteren Komplikationen: postthrombotisches Syndrom, pulmonale Hypertonie • Antikoagulation: Gewicht-adaptiertes NMH s.c. 1–2 × täglich und gleichzeitiger Beginn der oralen Antikoagulation. Behandlungsdauer mit NMH: mindestens 5 Tage.; als Alternative für die NMH steht Fondaparinux zur Verfügung (mit einfacher Dosierung: 1× tgl.: 7.5 mg für alle Patienten zwischen 50 und 100 kg, 5 mg bei < 50 kg und 10 mg bei > 100 kg) • Förderung der Rekanalisation • Nach Abschwellung Anpassung von Kompressionsstrümpfen der Klasse II INR OAK Beginn1,2 (beispielhafte Dosierung) Absetzen NMH (INR > 2,0 an 2 aufeinander folgenden Tagen) 2,0 1,0 -1 +1 +2 +3 +4 +5 +6 Diagnosesicherung • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical practice. Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • Mannucci PM, Poller L. Venous thrombosis and anticoagulant therapy. 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Gemäss einer oralen Präsentation der preliminären Resultate anlässlich des ASH Kongresses 2009 traten Lungenembolie, tiefe Venenthrombosen und andere potentiell fatalen Komplikationen bei Patienten, die über 45 Tage mit Fondaparinux (Arixtra®) 2,5 mg 1 mal täglich behandelt worden waren, signifikant seltener auf. Bemerkung: Mögliches Vorgehen/Varianten: 1. Mindestens 4 Wochen mit NMH in prophylaktischer, sub-therapeutischer oder therapeutischer Dosierung oder OAK für 4 Wochen 2.Bei genügender Distanz des oberen Thrombus-Endes (> 10 cm) zu der Saphena-Krosse kann mit einem lokalen Gel und Kompressionsbehandlung begonnen werden (eventuell in Kombination mit NSAID) • P randoni P, Tormene D, Pesavento R; Vesalio Investigators Group. High vs. low doses of low-molecularweight heparin for the treatment of superficial vein thrombosis of the legs: a double blind, randomized trial. J Thromb Haemost 2005; 3: 1149-51. • Superficial Thrombophlebitis Treatment By Enoxaparin (STENOX) Study Group. 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Absolut: • Aktive Blutung • Hämorrhagische Diathese oder Tc-Zahl zwischen 20’000–50’000/μl (je nach Risikoabwägung) • Neurochirurgischer Eingriff, intrazerebrale Blutung in den letzten 10 Tagen • Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT): Kontraindiziert für Heparine, nicht für Fondaparinux Relativ: • Milde Blutungsdiathese • Thrombopenie <80’000/μl oder bekannte Thrombopathie • Hirnmetastasen • Grosses Trauma vor kurzer Zeit • Grosser abdominaler Eingriff in den letzten 2 Tagen • Gastrointestinale oder urogenitale Blutung in den letzten 14 Tagen • Endocarditis (CAVE Embolisationsgefahr) • Schwere Hypertonie (syst. > 200 mmHg/diastol. > 120 mmHg) • Überempfindlichkeit auf Heparin (Alternativ: Fondaparinux) • Demenz oder schwere kognitive Beeinträchtigung • Eventuell häufige Stürze • Behandlungsbedürftige/proliferative Retinopathie • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical pratice. Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • L andaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com • B auer J, Sieber CC: Antikoagulation bei älteren Menschen. 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Bei akuten Oberbauchschmerzen: Gallenkolik, Ulkusperforation, Pankreatitis, Herzhinterwandinfarkt. Bei Hämoptyse: Blutung aus dem HNO-Bereich, Lungenkarzinom, Pneumonie. Diagnostik: • Blutgase: evtl. p02 und pC02 erniedrigt (isolierte Hypokapnie) • EKG: Veränderungen nur in 50 %: Sinustachykardie, SI-QIII, inkompletter Rechtsschenkelblock, präkordiale T-Negativierung (V1–V3), P-Pulmonale, Rhythmusstörungen (z.B. Extrasystolen, neu aufgetretenes VHFli) • Röntgen-Thorax: nur in 40 %: gestaute A. pulmonalis, einseitiger Zwerchfell hochstand, akute Herzvergrösserung, umschriebene Verschattung, kleiner Pleuraerguss • w ww.uptodateonline.com • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • Herold G: Innere Medizin 2009. Herausgeber G. Herold 2009. 46 • w ww.uptodateonline.com • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • Herold G: Innere Medizin 2009. Herausgeber G. Herold 2009. 47 32.Diagnostischer Algorithmus einer LE 33.Wann kann erwogen werden, eine Lungenembolie ambulant zu behandeln? 1. «Geneva prognostic score» bei der Low-Risk-Gruppe: «Geneva prognostic score» unter 2 würde eine ambulante Behandlung unterstützen. klinische Wahrscheinlichkeit Risikofaktoren niedrig oder mittel hoch D-Dimere negativ positiv Karzinom Herzinsuffizienz Status nach TVT Syst. BD-Wert < 100 mmHg PaO2 < 60 mmHg Nachgewiesene TVT in US Total Scores in Punkten 2 1 1 2 1 1 0–8 Ein Score = 2 bedeutet, ein geringes Risiko Komplikationen zu erleiden. Ein Score ≥ 3 bedeutet, ein hohes Risiko Komplikationen zu erleiden. Multi-Slice CT negativ keine Behandlung Dieser Score eignet sich vor allem für die Identifikation von Patienten mit geringem Risiko. positiv Patienten mit einem Score ≥ 3 mit zentralen und parazentralen LE sollten hospitalisiert werden, ebenfalls Patienten mit Komorbiditäten. Behandlung Adaptiert nach Righini et al. • British Thoracic Society guidelines for the management of suspected acute pulmonary embolism. Thorax 2003; 58: 470-83. • Goldhaber SZ: Pulmonary embolism. Lancet 2004; 363: 1295-305. • www.uptodate.com • Kucher N, Goldhaber SZ: Risk stratification of acute pulmonary embolism. SemIN Thromb Hem 2006; 32: 838-47. • Righini M, Perrier A, De Moerloose P, Bounameaux H. D-dimers for venous thromboembolism diagnosis: twenty years later.J Thromb Haemost. 2008 Jul;6(7):1059-71. 48 • Nendaz MR, Bandelier P, Aujesky D, Cornuz J, Roy PM, Bounameaux H, Perrier A: Validation of a risk score identifying patients with acute pulmonary embolism, who are at low risk of clinical adverse outcome. Thromb Haemost 2004; 91: 1232-6. • Wicki J, Perrier A, Perneger TV, Bounameaux H, Junod AF: Predicting adverse outcome in patients with acute pulmonary embolism: a risk score. 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PESI (Pulmonary Embolism Severity Index) Prognostische Faktoren Alter Männliches Geschlecht Komorbiditäten Krebs in der persönlichen Anamnese Herzinsuffizienz Chronische Atemwegserkrankung Klinische Faktoren Puls ≥ 110/Min BD < 100 mmHg Atemfrequenz ≥ 30/Min T < 36°C Bewusstseinstörung SaO2 < 90 % Punkte Alter in Jahren +10 +30 +10 +10 5 prognostische Klassen (total Punkte): • Klasse 1: < 65 Punkte = sehr geringes Risiko ➜ ambulante Behandlung kann erwogen werden • Klasse 2: 66–85 Punkte = geringes Risiko ➜ ambulante Behandlung kann erwogen werden • Klasse 3: 86–105 Punkte = mittleres Risiko • Klasse 4: 106–125 Punkte = hohes Risiko • Klasse 5: > 125 Punkte = sehr hohes Risiko Dieser Score hat den Vorteil, sich nur auf klinische Daten zu stützen. Er wurde in einer prospektiven Studie validiert. Punkte +20 +30 +20 +20 +60 +20 • Tapson VF: Acute pulmonary embolism. 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Phlegmasia coerulea dolens Evtl. massive proximale TVT (iliakal anhaftend) bei jungen Patienten ohne günsti ges Ansprechen auf gut eingestellte Heparintherapie (CAVE: HIT- Ausschluss). 8. ACCP Guidelines empfehlen: Frühzeitige Evaluation der Risk/Benefit Ratio einer thrombolytischen Therapie bei haemodynamisch instabilen Patienten. Bei nicht-massiver LE: keine thrombolytische Therapie • B ates SM, Ginsberg JS: Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • Hirsh J Lee AY: How we diagnose and treat deep vein thrombosis. Blood 2002; 99: 3102-10. • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • Büller HR, Agnelli G, Hull RD, Hyers TM, Prins MH, Raskob GE: Antithrombotic therapy for venous thromboembolic disease: the seventh ACCP Conference on antithrombotic and Thrombolytic Therapy. 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Empfehlung: NMH oder Fondaparinux > UFH, weil: • Wirksamkeit mind. gleich gut • Weniger Nebenwirkungen • Einfachere Anwendung • HIT- und Osteoporose-Wahrscheinlichkeit kleiner • Ambulante Behandlung leichter möglich • Mortalitätsreduktion • Risikoreduktion einer schweren Blutung • Für LE: NMH/Fondaparinux = UFH (Grad 1A) Vorteile von Fondaparinux > NMH: • Synthetisches Präparat, nicht tierischer Herkunft • Kein klinisches HIT-Risiko (kein Bedarf für Thrombozyten-Monitoring) • Einfache Dosierung und Anwendung • Offiziell zugelassen für die Behandlung von akuter LE • L evine M, Gent M, Hirsh J, Leclerc J, Anderson D, Weitz J, Ginsberg J, Turpie AG, Demers C, Kovacs M: A comparison of low-molecular-weight heparin administered primarily at home with unfractionated heparin administered in the hospital for proximal deep-vein thrombosis. 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Die Elimination erfolgt durch: • Die Bindung an Endothel, Makrophagen und diverse Plasmaproteine (CRP) • Die Enzyme im Plasma und in der Leber • Die glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion Kontrolle der Thrombozytenzahl 1–2 ×/Woche aufgrund der Gefahr von HIT während des ersten Monats, dann 1 ×/Monat Antagonisierbarkeit: Faustregel 1 mg Protamin antagonisiert ca. 1000 E Heparin (CAVE zu hoch dosierte Menge an Protamin kann gerinnungshemmend wirken). UFH und NMH können in der Schwangerschaft verabreicht werden, da diese nicht plazentagängig sind. Es gibt gute Hinweise, dass bei der Behandlung von TVT eine gewichtsadaptierte Fixdosis s.c. UFH genauso sicher und effizient ist, wie s.c. NMH ohne Monitoring. Erst bei höheren Heparindosen sind die Heparinbindungsstellen gesättigt, so dass die Dosis-Wirkungsbeziehung besser vorausschaubar verläuft und der therapeutische Spiegel erreicht ist. Praktische Hinweise: Eine sofortige antikoagulatorische Wirkung erfordert die Verabreichung eines Bolus (z.B. 5000 E i.v.) und einer Dauerinfusion von 400–600 E/kg/24 Std. Der Beginn einer Behandlung ohne Bolus würde eine verlängerte Dauer zum Erreichen einer wirksamen Antikoagulation (über 24 Std.) benötigen, was nicht empfehlenswert ist. Frühestens 4–6 Std. nach Verabreichung des Bolus sollte das 1. Monitoring durch die aPTT oder TZ sowie die Anti-Faktor-Xa-Aktivität erfolgen. Kontrolle des aPTT oder der TZ mindestens alle 24 Std., häufiger bei instabilen und nicht therapeutischen Situationen, Monitoring heute oft auch über Anti-Faktor-Xa Spiegel. Ziel-aPTT: idR 1.5–2.5 × verlängert vs. initial aPTT, TZ gemäss laborinternen Richtlinien. aPTT Reagenz: Vorteil: Stabilität des Reagenz; Nachteil: viele weitere Einflussfak toren des intrinsischen Systems, zum Teil auch Akutphase-Proteine (FVIII etc.) 54 • B ates SM, Ginsberg JS: Clinical pratice. Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • Hirsh J, Warkentin TE, Shaughnessy SG, Anand SS, Halperin JL, Raschke R, Granger C, Ohman EM, Dalen JE: Heparin and low-molecular-weight heparin, mechanisms of action, pharmacokinetics, dosing, monitoring, efficacy, and safety. Chest 2001; 119: 64S-94S. • Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban& Fischer 2001; 8. Auflage. • Kearon C, Ginsberg JS, Julian JA, Douketis J, Solymoss S, Ockelford P, Jackson S, Turpie AG, MacKinnon B, Hirsh J, Gent M; Fixed-dose Heparin (FIDO) Investigators: Comparison of fixed-dose weight-adjusted un fractionated heparin and low-molecular-weight heparin for acute treatment of venous thromboembolism. JAMA 2006; 296: 935-42. 55 37.Wirkungsweise des NMH und praktische Hinweise? 38.Wirkungsweise von Fondaparinux und praktische Hinweise? • NMH wirkt ebenfalls indirekt via Antithrombin, aber mit stärkerer Affinität zu Faktor-Xa als zu Thrombin (anti-IIa) verglichen mit UFH • Synthetisches Antithrombotikum – Pentasaccharid – mit definiertem Molekulargewicht (1.728 Dalton) • N MH vs. UFH: •W eniger Bindung an Plasmaproteine/Plättchen und Plättchenfaktor IV • Hohe Bioverfügbarkeit (gegen 100 %) • Die Wirksamkeit ist Antithrombin-vermittelt über eine selektive Hemmung des aktivierten Faktors X • IdR kein Monitoring nötig. Ausnahmen: • Niereninsuffizienz, Schwangerschaft, Klappenpatienten, Kinder und Patienten mit einem Körpergewicht von < 50 kg oder > 100 kg, da die therapeutisch notwendige, individuelle Dosis bei diesen Patienten schwierig voraussehbar ist • K eine Bindung an Plasmaproteine, Plättchen oder anderen Gerinnungsfaktoren • Kein Thrombozyten-Monitoring notwendig, da kein klinisches HIT-Risiko • 100 % Bioverfügbarkeit • HWZ ~ = 17 Std.; 1 × tgl. Gabe • Therapeutischer Zielbereich der Anti-Xa-Aktivität gemäss Angaben des Herstellers. Es gibt Unterschiede gemäss 1 × oder 2 × täglicher Applikation • Kein routinemässiges Anti-Xa Monitoring notwendig (Ausnahmefälle identisch wie bei NMH) • E s wird typischerweise 4 Std. nach der Injektion gemessen. z.B. für Nadroparin: • 0 .6 bis 1.0 U/ml bei 2 × tgl. Applikation, Messung 4 Std. nach 3. Injektion • 0.8 bis 1.6 U/ml bei 1 × tgl. Applikation, Messung 4 Std. nach 2. Injektion • Elimination renal Kontraindikation: • In prophylaktischer Dosierung (2.5 mg): CrCl < 20ml/Min • In therapeutischer Dosierung (5, 7.5 und 10 mg): CrCl < 30 ml/Min. Dosis-Anpassung: • Keine, ausser in der VTE-Prophylaxe bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance 20–30 ml/Min.: eine Dosierung von 1.5 mg 1 × tgl. oder 2.5 mg jeden 2. Tag • Spezielle Situation bei Klappenprothese in der Schwangerschaft: •m anche Experten raten ausschliesslich zu einer 2 × täglichen Applikation • Renale Elimination: • B ei Niereninsuffizienz und einer Kreatinin-Clearance von < 30 ml/min.: Entweder Umstellung auf UFH oder Anti-FXa Monitoring, dann gegebenenfalls Dosis anpassen • Kontrolle der Thrombozytenzahl 1–2 ×/Woche aufgrund der Gefahr von HIT während des ersten Monats, dann 1 ×/Monat • D unn AS, Coller B: Outpatient treatment of deep vein thrombosis: translating clinical trials into practice. Am J Med 1999; 106: 660-9. • Hirsh J, Warkentin TE, Shaughnessy SG, Anand SS, Halperin JL, Raschke R, Granger C, Ohman EM, Dalen JE: Heparin and low-molecular-weight heparin, mechanisms of action, pharmacokinetics, dosing, monitoring, efficacy, and safety. Chest 2001; 119: 64S-94S. • Thorevska N, Amoatend-Adjepong Y, Sabahi R, Schiopescu I, Salloum A, Muralidharan V, Manthous CA: Anticoagulation in hospitalized patients with renal insufficiency: a comparison of bleeding rates with unfractionated heparin vs enoxaparin. Chest 2004 ;125: 856-63. • Wuillemin WA, Wirz P, Welte S, Dörffler-Melly J, Bounameaux H: Prophylaxe venöser Thromboembolien, SMF 2007; 7: 198-204. 56 * Arzneimittel-Kompendium der Schweiz 2009. www.documed.ch 57 39.Welche Dosierungen des NMH/Fondaparinux werden prophylaktisch und therapeutisch empfohlen? VTE-Prophylaxe: Wirkstoff Präparat Nadroparin Calcium Fraxiparine Dalteparin Natrium Fragmin® Enoxaparin Natrium Clexane Sanofi-Aventis 20 mg, 40 mg s.c. 1 ×/T Fondaparinux Natrium Arixtra® GSK 1.5 mg, 2.5 mg* s.c. 1 ×/T Hersteller Physikalische Dosierung (gewicht-adaptiert) Intervall ® ® Hersteller Physikalische Dosierung (Risiko-adaptiert) Intervall GSK 0.2 ml, 0.3ml, 0.4 ml, 0.6 ml s.c. 1 ×/T Pfizer 2500 IE, 5000 IE s.c. 1 ×/T VTE-Therapie: Wirkstoff Präparat Nadroparin Calcium Fraxiparine GSK 0.1 ml /10 kg ➜ 0.6 ml, 0.8 ml, 1.0 ml s.c. 2 ×/T Nadroparin Calcium Fraxiforte® GSK 0.1 ml /10 kg ➜ 0.6 ml, 0.8 ml, 1.0 ml s.c. 1 ×/T Dalteparin Natrium Fragmin ® Pfizer 200 IE /kg ➜ 10000, 12500, 15000, 18000 IE s.c. 1 ×/T Enoxaparin Natrium Clexane ® Sanofi-Aventis 1 mg / kg ➜ 60 mg, 80 mg, 100 mg s.c. 2 ×/T Enoxaparin Natrium Clexane® Sanofi-Aventis 1.5 mg / kg ➜ 90 mg, 120 mg, 150 mg s.c. 1 ×/T** Fondaparinux Natrium Arixtra GSK 5 mg < 50 kg, 7.5 mg, 10 mg >100 kg s.c. 1 ×/T ® ® * Die 2.5 mg Dosierung ist auch für die Behandlung des ACS (Angina pectoris, NSTEMI und STEMI) zugelassen. ** A rzneimittel-Kompendium der Schweiz 2009. www.documed.ch Die 1x tägliche Verabreichung von Enoxaparin 1,5 mg/kg Körpergewicht steht nur als Alternative zu einer 2x 1 mg/kg Körpergewicht bei Patienten ohne komplizierte thromboembolische Probleme zur Verfügung. Bei adipösen Patienten und bei Krebsleiden zeigte sich eine verringerte Wirksamkeit mit Injektion einer einzigen Enoxaparin-Dosis täglich von 1,5 mg/kg Körpergewicht. Deshalb wird für diese Patienten die Applikation von Enoxaparin als zwei Injektionen täglich von 1 mg/kg Körpergewicht empfohlen. 58 59 40.Gibt es einen Direktvergleich zwischen den verschiedenen NMH in der Prophylaxe? Es liegen nur wenige Direktvergleichsstudien innerhalb der NMH vor. • Die doppelblinde, «double-dummy» Studie von Simmoneau et al. verglich 4000 IU (Clexane 40 mg) Enoxaparin mit 2850 IU (Fraxiparine 0.3 ml) Nadroparin in einer Patientengruppe (n =1288) mit Resektion eines Colon-Ca (Abdominalchirurgie) • Wirksamkeit-Endpunkte: kein Unterschied bezüglich asymptomatischen VTE oder proximalen TVT. Signifikant weniger symptomatische VTE unter Nadroparine (0.2 % vs. 1.4 %). Tendenz zu weniger distale TVT unter Enoxaparin, obwohl nicht signifikant • Sicherheit-Endpunkt: Signifikant weniger schwere Blutungen in der Nadroparin-Gruppe (7.3 % vs. 11.5 %, RRR -38 %) 41.Was sind die Nebenwirkungen der Heparine? • Blutungsrisiko (4–6 % vermehrte Blutungen unter Heparin in therapeutischer Dosierung nach 8 Tagen, abhängig vom Alter, Komedikation und Komorbidität) • Osteoporoserisiko (wahrscheinlich höher bei UFH als bei NMH) • Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) • Allergische Reaktionen • Heparin-induzierte Hautnekrose: allergische Reaktion vs HIT (siehe Fragen 42 + 43) • Haarausfall • Tendenz zu Kaliumerhöhung • Die Resultate sind nicht einfach zu interpretieren. Zusammenfassend kann man sagen, dass bei dieser Indikation Enoxaparin 40 mg und Nadroparine 0.3 ml gleich wirksam sind und Nadroparin 0.3 ml sicherer ist. • T osetto A: Enoxaparin vs. Nadroparin for venous thromboembolism prevention: too close to tell? J Thromb Haemos 2006; 4: 1691-2. • Simonneau G, Laporte S, Mismetti P, Derlon A, Samii K, Samama CM, Bergman JF: A randomized study comparing the efficacy and safety of nadroparin 2850 IU (0.3 ml) vs. enoxaparin 4000 IU (40 mg) in the prevention of venous thromboembolism after colorectal surgery for cancer. J Thromb Haemos 2006; 4: 1693-1700. 60 • N iederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale Antikoagulation: Praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-3. • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban& Fischer 2001; 8. Auflage. • A rzneimittelkompendium der Schweiz. www.kompendium.ch • Warkentin TE, Greinacher A, Koster A, Lincoff AM: American College of Chest Physicians: Treatment and prevention of heparin-induced thrombocytopenia: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition) Chest 2008; 133: 340-80. 61 42.Kutane Reaktion nach niedermolekularer Heparin (NMH)-Therapie? 43.Wieso muss bei einer VTE initial die OAK überlappend mit UFH bzw. NMH/Fondaparinux durchgeführt werden? Meist Allergietyp IV. Zumeist auch Reaktion auf alle NMH (Enoxaparin [Clexane®], Dalteparin [Fragmin®], Nadroparin [Fraxiparine®/Fraxiforte®]). Mit der OAK wird die Produktion normal funktionierender Vitamin K-abhängiger Faktoren (II, VII, IX, X sowie Protein C und S als Vorstufen) gehemmt. Möglichkeiten/Alternativen: 1. notfallmässig UFH i.v. 2. Fondaparinux (Arixtra®) 3. Hirudin (Refludan®)/Danaparoid (Orgaran®) 4. Gelegentlich gelingt der Wechsel auf ein anderes NMH Die volle antikoagulatorische Wirkung von OAK tritt erst nach einigen Tagen ein. Achtung!!! Eine Hautläsion an den Injektionsstellen kann auf eine HIT hindeuten! Die initiale INR-Erhöhung beruht auf einem Mangel an gebildetem FVII (wegen kurzer HWZ 6 Std.), wobei die anderen Faktoren noch normal vorhanden sind; Faktor II: (Halbwertszeit 60 Std.). Ebenfalls resultiert ein initial schneller Abfall in der verminderten Produktion von Protein C, da die HWZ ca. 6 Std. beträgt. Bei Mangel an Protein C, welches gerinnungshemmend wirkt, kann es initial zu einem erhöhten Thromboserisiko kommen, bis hin zur seltenen Kumarininduzierten Hautnekrose (Thrombose in der Mikrozirkulation). Die Heparinisierung sollte daher weiter durchgeführt werden, bis der INR an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im therapeutischen Bereich liegt (steady state). Die Heparinisierung darf aber frühestens nach 5 Tagen abgesetzt werden. • K löcker M: Subkutane Thromboseprophylaxe. Was tun bei einer Heparine-Allergie? Medical Tribune 2008; 7: 12. • Bircher AJ, Harr T, Hohenstein L, Tsakiris DA: Hypersensitivity reactions to anticoagulant drugs: diagnosis and management options. Allergy 2006; 61: 1432-40. 62 • N iederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale Antikoagulation: Praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-30. • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • K earon C, Kahn SR, Agnelli G, Goldhaber S, Raskob GE, Comerota AJ; American College of Chest Physicians: Antithrombotic therapy for venous thromboembolic disease: American College of Chest Physicians EvidenceBased Clinical Practice Guidelines (8th Edition), Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 454S-545S. 63 44.Sollen Heparinpräparate eher in den Bauch oder in den Oberschenkel appliziert werden? Wichtiger Hinweis zur Injektionstechnik: Eine langsame, 30-sekündige Injektion führt zu weniger Schmerzen und Hämatomen am Injektionsort, als eine 10-sekündige Injektion. Bemerkung: Bezüglich optimalen Applikationsort von Heparinpräparaten ist sich die Fachwelt heute nicht einig. Praxis-Empfehlung: Obwohl die Datenlage nicht gesichert scheint, wird die subkutane Injektion in den Oberschenkel bis zum Vorliegen anderslautender Daten empfohlen. Dadurch werden lebensbedrohliche Bauchdecken-Hämatome verhindert, welche selten sind, aber falls vorhanden schwerwiegende Folgen haben. Injektion in den Oberschenkel gilt besonders für Patienten mit folgenden Prädispositionen: Schwangerschaft, kachektische Patienten, ältere Patienten, spontane Hustenanfälle, plötzliche Bauchwandkontraktionen, COPD-Patienten und bei schlechter Injektionstechnik. Thrombozytenaggregationshemmer können zum Auftreten von Bauchwand hämatomen beitragen. Sämtliche klinische Studien und Pharmakokinetik Untersuchungen wurden mit subkutaner Injektion in den Bauch durchgeführt und entsprechend sind die offiziellen Empfehlungen abgefasst. Es gibt Hinweise, dass nach Injektion in den Oberschenkel die Pharmakokinetik bis 10 % unterschiedlich sein kann («Area under the curve»). 45.Welche neuen Antikoagulantien gibt es? Stand September 2009 1. Schon auf dem Schweizer Markt zugelassen: Seit 2002: Fondaparinux – ein selektiver, indirekter Faktor-Xa-Inhibitor: (für Wirkungsweise von Fondaparinux und praktische Hinweise, siehe Frage 38) Fondaparinux ist zugelassen und mit Grad 1A empfohlen für: • Die VTE-Prophylaxe nach elektivem Hüft- und Kniegelenksersatz und bei hüftnahen Frakturen, sowie in der Abdominalchirurgie und in der Inneren Medizin bei bettlägerigen Patienten • Die Behandlung von TVT und LE • Die Behandlung des ACS In der VTE-Prophlyaxe nach orthopädischen Eingriffen war Fondaparinux Enoxaparin überlegen mit vergleichbarer Sicherheit. Über allen Indikationen, erwies sich Fondaparinux als mindestens so oder wirksamer als die NMH, mit vergleichbarer Sicherheit. Rivaroxaban – ein selektiver, direkter oraler Faktor-Xa-Inhibitor: Seit Januar 2009 ist Rivaroxaban in der Schweiz in der VTE-Prophylaxe nach elektivem Hüft- und Kniegelenkersatz zugelassen. Verglichen mit Enoxaparin, erwies sich Rivaroxaban als wirksamer nach Knie- und Hüftendoprothetik mit vergleichbarem Blutungsrisiko. Beweisen muss sich aber Rivaroxaban noch in anderen Indikationen, in der langfristigen Behandlung sowie im Alltag bei polymorbiden Patienten mit und ohne Komedikation. Auf Interaktionen mit dem CYP3A4 muss wegen hepatischem Metabolismus geachtet werden. Der potentielle Nutzen dieses oralen Antikoagulans besteht darin, dass bei Behandlung mit therapeutischen Dosen grundsätzlich kein Monitoring nötig ist. Einige wiesen darauf hin, dass diese Tatsache auch ein Nachteil sein könnte, da ein regelmässiges Monitoring die Compliance der Patienten unter Dauer antikoagulation fördern kann. Das Problem der Compliance unter OAK ist bereits bekannt, auch wenn eine regelmässige Überwachung sie verbessert. • S täubli M, Suter J: Die Komplikationsliste der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin, Schweizerische Ärztezeitung 2004; 85: 106-16. • Bounameaux H; Abdominal wall hematoma in relation with subcutaneous injection of UFH/LMWH, written statement 2004. 64 65 45.Welche neuen Antikoagulantien gibt es? Stand September 2009 2. In der klinischen Entwicklung: Dabigatran – ein oraler direkter Thrombininhibitor: (zugelassen seit April 2008 in Europa in der VTE-Prophylaxe bei Hüftund Knie-Endoprothesen, aber noch nicht in der Schweiz) Dieses Präparat wird derzeit in klinischen Studien getestet. Die Studien in der Prophylaxe nach elektivem Hüft- und Kniegelenkersatz sind bereits abgeschlossen. Die Studien haben Non-inferiority vs. Enoxaparin 1 × täglich 40 mg perioperativ (europäisches Regime) und Inferiority vs. 2 × täglich 30 mg postoperativ (amerikanisches Regime) bewiesen. Die Studien zu anderen Indikationen (VTE-Behandlung, Vorhofflimmern und sekundäre Prävention nach ACS) sind zum Teil noch nicht abgeschlossen. In der kürzlich publizierten RE-LY-Studie war die Rate von CVI und systemischen Embolien unter Dabigatran 110 mg gleich wie mit Warfarin, mit einer kleineren Rate von schweren Blutungen. Dabigatran 150 mg vs. Warfarin zeigte eine kleinere Rate von CVI und systemischen Embolien und eine gleiche Rate an schweren Blutungen. Idraparinux – ein selektiver, indirekter Faktor-Xa-Inhibitor: Das methylierte Pentasaccharidmolekül hat eine Halbwertszeit zwischen 80–130 Std., die 1 × pro Woche subkutane Applikation könnte die LangzeitAntikoagulation vereinfachen. Wegen erhöhtem Blutungsrisiko und marginalem klinischem Nutzen dieser Behandlung in den Phase III-Studien, wird zurzeit ein biotinyliertes Idraparinux untersucht, dessen Wirkung antagonisiert werden könnte. (Adaptierte Kurve) Dabigatran wird zurzeit nicht untersucht in der Prophylaxe bei akut erkrankten Patienten, noch nach allgemeinchirurgischen Eingriffen oder nach Hüftfraktur. Rivaroxaban – (siehe auch oben): Dieses Präparat wird derzeit in weiteren klinischen Studien getestet. Die Studien zu anderen Indikationen (VTE-Behandlung, Vorhofflimmern und sekundäre Prävention nach ACS) sind noch nicht abgeschlossen. Rivaroxaban wird zurzeit nicht in der Prophylaxe nach allgemeinchirurgischen Eingriffen oder nach Hüftfraktur untersucht. Für Dabigatran, Rivaroxaban und Fondaparinux sind keine Antidote verfügbar. Bei diesen Präparaten könnte das rekombinante Faktor VIIa wirken (NovoSeven®). Bei gesunden Patienten, haben Rivaroxaban, Dabigatran und Fondaparinux eine HWZ von resp. 9, 13 und 17 Std. Für Dabigatran und Rivaroxaban gibt es noch keine Monitoring Methode; Fondaparinux lässt sich mit der Anti-Xa Aktivität kontrollieren. 66 • T urpie AG: Selective factor Xa inhibition with fondaparinux: from concept to clinical benefit. European Heart Jurnal Supplements 2008; 10: C1-C7.. • Weitz JI, Hirsh J, Samama MM: New anticoagulant drugs: the Seventh ACCP Conference on Antithrombotic and Thrombolytic Therapy. Chest 2004; 126: 265S-86S. • Bounameaux H, Vogel J: Les nouveaux anticoagulants. Schweiz Med Forum 2005; 5: 1143-6. • PERSIST-Investigators A novel long-acting synthetic factor Xa inhibitor (SanOrg34006) to replace warfarin for secondary prevention in deep vein thrombosis. A Phase II evaluation. J Thromb Haemost 2004; 2: 47-53. • Eriksson BI, Borris LC, Dahl OE, Haas S, Husiman MV, Kakkar AK, Muehlhofer E, Dierig C, Misselwitz F, Kálebo P; ODIXa-HIPStudy Investigators: A once-daily, oral, direct Factor Xa inhibitor, rivaroxaban (BAY 59-7939), for thromboprophylaxis after total hip replacement. Circulation 2006; 114: 2374-81. • The van Gogh Investigators : Idraparinux versus standard therapy for venous thromboembolic disease. N Engl J Med 2007; 357: 1094-104. • van Gogh Investigators, Buller HR, Cohen AT, Davidson B, Decousus H, Gallus AS, Gent M, Pillion G, Piovella F, Prins MH, Raskob GE: extended prophylaxis of venous thromboembolism with Idraparinux. N Engl J Med 2007; 357: 1105-12. • Gross PL, Weitz JI: New anticoagulants for treatment of venous thromboembolism. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2008; 28: 380-6. • Connolly SJ, Ezekowitz MD, Yusuf S, Eikelboom J, Oldgren J, Parekh A, Pogue J, Reilly PA, Themeles E, Varrone J, Wang S, Alings M, Xavier D, Zhu, Diaz J, Lewis BS, Darius H, Diener HC, Joyner CD, Wallentin L: Dabigatran verus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2009; 361: 1139-51. 67 46.Wie lange sollte die orale Antikoagulation (OAK) durchgeführt werden? Faktoren, die zur Entscheidung beitragen: •Sekundäre (provozierte) versus idiopatische (nicht provozierte) Thromboembolie • Erstereignis versus Rezidiv • Schweregrad des Ereignisses • Ungewöhnliche Lokalisation • Positive Familienanamnese Gemäss den 8. ACCP Guidelines: • 3 Monate: Erste Episode einer sekundären TVT oder LE, d.h. nach transientem, reversiblem Risikofaktor z.B. Gipsimmobilisation. (Grad 1A) • Mindestens 3 Monate: Erste Episode einer idiopathischen TVT oder LE (Grad 1A). Bereits nach diesen 3 Monaten sollte bei geringem Blutungsrisiko und falls vom Patienten erwünscht die Dauerantikoagulation erwogen werden (Grad 1C). • Dauerantikoagulation zu erwägen bei: • Erstem unprovoziertem Ereignis und geringem Blutungsrisiko, nach Rücksprache mit dem Patient (Grad 1A) • Patienten mit 2. unprovoziertem Ereignis (Grad 1A) • Patienten mit aktiver Neoplastie (Grad 1C) Wenn zusätzliche hereditäre prothrombotische Mutationen (Antithrombin-IIIMangel, Protein S-, Protein C-Mangel, Faktor-V-Leiden, Prothrombin G20210AGen-Mutation, hohe Faktor-VIII Konzentrationen [> 90. Perzentile des Normalen]) vorliegen, ist dies ein zusätzliches Argument für die Dauerantikoagulation, sollte aber mit dem Fachspezialist besprochen werden. Risk/Benefit Ratio der Dauerantikoagulation periodisch überprüfen (z. B. nach 6 Monaten, Grad 1C) 68 Bemerkung: Die Bestimmung des Plasma-D-Dimers 6 Wochen nach Absetzen und die Duplexsonographie helfen das Risiko der Rezidivthrombose abzuschätzen (Rest-Thrombus oder Auflösung?). Bei erhöhtem Rezidiv-Risiko, gibt es zwei Varianten: a) Weiterführung der Therapie unter laufender Risikoabwägung b) Weiterführung mit Bereich INR 1.5–2.0 (Grad 1A). Das Rezidivrisiko ist im 1. Jahr nach dem Absetzen am höchsten und nimmt über die folgenden Jahre ab (siehe Frage 2). Der Nutzen der Dauerantikoagulation bleibt bestehen. Das Blutungsrisiko nimmt nach 3 Monaten ab (siehe Frage 6). • Z acharski LR, Prandoni P, Monreal M: Warfarin versus low-molecular-weight heparin therapy in cancer patients. Oncologist 2005; 10: 72-9. • Prandoni P, Falanga A, Piccioli A: Cancer and venous thromboembolism. Lancet Oncol 2005; 6: 401-10. • Agnelli G, Prandoni P, Santamaria MG, Bagatella P, Iorio A, Bazzan M, Moia M, Guazzaloca G, Bertoldi A, Tomasi C, Scannapieco G, Ageno W: Wefarin Optimal Duration Italian Trial Investigators: Three months versus one year of oral anticoagulant therapy for idiopathic deep venous thrombosis. N Engl J Med 2001; 345: 165-9. • Kearon C, Ginsberg JS, Kovacs MJ, Anderson DF, Wells P, Julian JA, Math M, MacKinnon B, Jeffrey MSc, Crowther MA, Dolan S, Turpie AG, Geerts W, Solymoss S, van Nguyen P, Demers C, Kahn SR, Kassis J, Rodger M, Hambleton J, Gent M: Comparison of low-intensity warfarin therapy with conventional intensity warfarin therapy for long-term prevention of recurrent venous thromboembolism. N Engl J Med 2003; 349: 631-9. • B ounameaux H, Dörffler-Melly J, Lüscher T: Kommentar der Schweizer Expertengruppe zu den Empfehlungen: The seventh ACCP conference on antithrombotic therapy of the American College of Chest Physicians; Swiss Medical Forum 2005; 27: 1-48. • Palareti G, Cosmi B, Legnani C, Tosetto A, Brusi C, Iorio A, Pengo V, Ghirarduzzi A, Pattacini C, Testa S, Lensing AW, Tripodi A, PROLONG Investigators: D-dimer testing to determine the duration of anticoagula tion therapa. NEJM 2006; 355: 1780-9. • Baglin T: unprovoked deep vein thrombosis should be treated with long-term anticoagulation – no. J Thromb Haemost 2007; 5: 2336-9. • Kearon C: indefinite anticoagulation after a first episode of unprovoked venous thromboembolism: yes. J Thromb Haemost 2007; 5: 2330-5. • K earon C, Kahn SR, Agnelli G, Goldhaber S, Raskob GE, Comerota AJ; American College of Chest Physicians: Antithrombotic therapy for venous thromboembolic disease: American College of Chest Physicians EvidenceBased Clinical Practice Guidelines (8th Edition), Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 454S-545S. 69 47.Welches ist der Ziel INR-Wert? Bemerkung: Der Quick Wert in % gehört der Vergangenheit an, da die %-Werte von einem Labor zum anderen variieren, deshalb wurde der INR-Wert in den 80er Jahren eingeführt (INR = international normalized ratio). Allgemein gilt: Der INR-Zielwert liegt in den meisten Indikationen (Ausnahmen z.B. Herzklappenprothesen) bei 2.5 (Bereich 2–3), (Grad 1A). Höhere INR-Zielwerte sind nicht wirksamer und bergen das Risiko einer höheren Blutungsgefahr z.B. 3.1–4.0 (Grad 1A). Neu in den 8. ACCP Guidelines wird eine hohe Intensität der OAK-Therapie z.B. INR 3.1–4.0 abgelehnt. Der Bereich 1.5–2.0 kann allenfalls nach 3 bis 12 Monaten klassischer Antikoagulation erwogen werden, wenn das Blutungsrisiko hoch erscheint, die Fortführung der Antikoagulation notwendig ist und nach Absprache mit dem Patienten (Grad 2B). INR 1.7 (1.5–2.0): • Nach unprovozierter Thrombose und erst nach 3 Monaten OAK-Therapie (2.0–3.0) braucht eventuell weniger Monitoring, ohne die Therapie abzusetzen (Grad 1A) INR 2.5 (2.0–3.0): •T VT, LE (Grad 1A) •Vorhofflimmern mit Mitralstenose (Grad 1B) •Vorhofflimmern, paroxysmales Vorhofflimmern, Vorhofflattern: • mit Status nach TIA, systemischen Embolien (Grad 1A) • mit ≥ 2 Risikofaktoren (RF) (Alter > 75 Jahre, art. Hypertonie, Diabetes mellitus, EF 35–45 %, Herzinsuffizienz) (Grad 1A) • mit nur 1 RF: abwägen ob OAK (Grad 1A) oder Aspirin 75–325 mg/T (Grad 1B) • Morbus embolicus (Arterielle Embolien) • Myokardinfarkt und EF < 35–45 % (Grad 2A) • Herzwandaneurysma oder Thrombus 70 •Rheumatisches Mitralvitium im Sinus mit einem Durchmesser > 55 mm des linken Vorhofs (Grad 2C) CAVE < 55 mm: keine antithrombotische Therapie, wenn keine andere Indikation besteht (Grad 2C) •Rheumatisches Mitralvitium mit Vorhofflimmern oder Status nach systemi schen Embolien oder Thrombus im linken Vorhof (Grad 1A) •Rheumatisches Mitralvitium mit Vorhofflimmern und systemischen Embolien oder Thrombus im linken Vorhof trotz therapeutischen INR + Aspirin 50–100 mg (CAVE Blutungsrisiko) (Grad 2C). Alternative siehe unter INR 3.0 •Mitralklappenprolaps mit Vorhofflimmern oder nachgewiesenen systemischen Embolien oder rezidivierenden TIA’s trotz Aspirin (Grad 2C) • Mechanische aortale Carbo-Medics 2-Flügel-Prothese oder eine aortale Medtronic Hall Kippscheiben-Prothese im Sinus (Grad 1B) • Nach mitraler Bioklappeneinlage 3 Monate postoperativ (Grad 1B) Nach 3 Monaten falls im Sinus Aspirin 50–100 mg (Grad 1B) • Bioprothese mit Status nach systemischen Embolien für mindestens 3 Monate postoperativ. Danach neue Evaluation (Grad 1C) •Bioprothese mit Vorhofthrombus links während der Operation bis zur Thrombusauflösung (Grad 1C) •Bioprothese mit RF für Thromboembolien (Vorhofflimmern, Hyperkoagulabilität, tiefe EF) (Grad 1C) INR 2.5 (2.0–3.0) + Aspirin 50–100 mg (CAVE: wesentlich erhöhte Blutungsgefahr): •Mechanische Klappe mit Embolisation trotz therapeutischen INR und/oder Ziel-INR auf 3.0 erhöhen (Grad 2C) •Bioprothese mit RF für Thromboembolien (Vorhofflimmern, Hyperkoagulabilität, tiefe EF) und Status nach atherosklerotischer arterieller Krankheit (Grad 2C) INR 3.0 (2.5–3.5): • N ach peripherem infringuinalem Prothesenbypass (Grad 2A) oder Venenbypass (Grad 2B). Gemäss BOA-trial : Aspirin für Prothesenbypass, OAK für Venenbypass •Schwere arterielle Durchblutungsstörungen (falls kein ASS möglich). • Nach arterieller Embolectomie (Grad 2C) 71 47.Welches ist der Ziel INR-Wert? • Rheumatisches Mitralvitium mit Vorhofflimmern und systemischen Embolien oder Thrombus im linken Vorhof trotz therapeutischen INR (Grad 2C) • Kugelklappe («caged ball» oder «caged disk valves») (Grad 1B) • Mechanische aortale oder mitrale Klappe mit RF (Vorhofflimmern, Myokard infarkt, dilatierter linker Vorhof, Hyperkoagulabilität, tiefe EF) (Grad 1B) INR 3.0 (2.5–3.5) + Aspirin 50–100 mg (CAVE: wesentlich erhöhte Blutungsgefahr): • Mechanische Klappe mit RF (Vorhofflimmern, Hyperkoagulabilität, tiefe EF, atherosklerotische arterielle Krankheit) (Grad 1B) • Mechanische Klappe mit Embolisation trotz therapeutischen INR und/oder Ziel-INR auf 3.5 erhöhen (Grad 2C) Keine OAK empfohlen: • Bioprothese im Sinusrythmus ohne zusätzliche Indikation: Langzeitaspirin (Grad 1B) • Mitralklappenprolaps ohne RF • Verkalkung des Mitralanulus ohne thromboembolische Ereignisse (Grad 2C) • Valvuläre Aortenklappenerkrankung ohne zusätzliche RF oder andere Indikation für entsprechende Therapie (Grad 2C) Unterbruch der OAK bei Klappenpatientinnen in der Schwangerschaft: Überbrückung mit UFH oder NMH, mit Anti-Faktor-Xa-Monitorisierung. • B ounameaux H, Dörffler-Melly J, Lüscher T: Kommentar der Schweizer Expertengruppe zu den Empfehlungen: The seventh ACCP conference on antithrombotic therapy of the American College of Chest Physicians; Swiss Medical Forum; 2005: 27: 1-48. • N iederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale antikoagulation: Praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-30. • Bombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. • Salem DN, O›Gara PT, Madias C, Pauker SG; American College of Chest Physicians: Valvular and structural heart disease: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition) Chest 2008; 133: 593S-629S. • Kearon C, Kahn SR, Agnelli G, Goldhaber S, Raskob GE, Comerota AJ; American College of Chest Physicians: Antithrombotic therapy for venous thromboembolic disease: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition), Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 454S-545S. • Sobel M, Verhaeghe R; American College of Chest Physicians: Antithrombotic therapy for peripheral artery occlusive disease. American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest 2008 ; 133 : 815S-843S. • Bounameaux H, Dörffler-Melly J, Lüscher T: Kommentar der Schweizer Expertengruppe zu den Empfehlungen: The seventh ACCP conference on antithrombotic therapy of the American College of Chest Physicians; Swiss Medical Forum; 2005; 27: 1-48. • Dutch Bypass Oral anticoagulants or Aspirin (BOA) Study Group: Efficacy of oral anticoagulants compared with asprin after infringuinal bypass surgery (The Dutch Bypass Oral Anticoagulants or Aspirin Study): a randomized trial. Lancet 2000; 355 (9201):346-51. 72 48.Wirkmechanismus der Kumarine? Bemerkung: In der Schweiz stehen 2 Präparate zur Verfügung: Acenocoumarol (Sintrom®) und Phenprocoumon (Marcoumar®). In der Deutschschweiz wird Phenprocoumon, in der Romandie eher Acenocoumarol bevorzugt. Sie wirken als Vitamin K-Antagonisten, dadurch wird die Plasmakonzentration der funktionstüchtigen Vitamin-K-abhängigen Faktoren II, VII, IX und X, Protein C und S reduziert. Inzwischen gibt es die Evidenz, dass mit Phenprocoumon eine etwas stabilere Einstellung erreicht werden kann. Die HWZ der Präparate ist sehr unterschiedlich: Phenprocoumon 130–160 Std., Acenocoumarol 9 Std., der gewünschte, therapeutische Effekt wird nach 5–8 Tagen erwartet. Protein S hat eine HWZ von ca. 42 Std. und Protein C hat eine kurze HWZ von ca. 6 Std. Am Anfang sinkt deshalb die Konzentration von Protein C stark ab. Bedingt durch den starken Abfall der Inhibitorenrate zu Therapiebeginn, kann es zu einer erhöhten Thromboseneigung kommen, was die parallele Gabe von NMH erfordert. Kumarine sind > 98 % an Plasmaproteine gebunden. Sie werden in der Leber metabolisiert, die Ausscheidung erfolgt zu ca. 60 % renal und 40 % biliär. • N iederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale Antikoagulation: Praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-30. • Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban& Fischer 2001; 8. Auflage. 73 49.Nebenwirkungen der Kumarine? • Blutungen (2–10 % leichte Hämorrhagien, 1–4 % schwere bis bedrohliche Blutungen im Magen-Darm-Trakt und der Harnwege, 0.5–1.5 % potentiell tödliche intrakranielle Blutungen pro Jahr). • Risikofaktoren für Blutungen: Alter, schwankende INR, Blutungen in der Anamnese, Niereninsuffizienz, Diabetes, Hypertonie • Allergische Reaktionen (selten) • Nausea und Erbrechen (selten) • Haarausfall (selten relevant) • Vorübergehender Anstieg der Transaminasen (sehr selten: MarcoumarHepatopathie bis schweres Kumarin Leberversagen < 0.01 %) • Hautnekrose (3–8 Tage nach Behandlungsbeginn. Bei Verdacht: Kumarine absetzen und auf Heparin umstellen. Lokalisation: Oft an Brust, Gesäss und Oberschenkeln, Beginn mit Schmerzen und Rötung später Nekrose) • Embryo- und Fetopathien (siehe Frage 67) • Blue-Toe-Syndrom (blaurote Verfärbung an den Fusssohlen und den Zehenseiten, manchmal schmerzhaft, treten einige Wochen nach Therapie beginn auf. Diese deuten auf freigesetzte Cholesterinembolien aus throm bosierten Plaques der Aorta). 50.Wie soll eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon (Tabl. à 3 mg), resp. mit Acenocoumarol (Tabl. à 1 bzw. 4 mg) begonnen werden? CAVE: Zu hohe Initialdosis! Bemerkung: Um den INR-Wert langsam zu erhöhen (bzw. den Quick langsam zu senken), wurde auf hohe Anfangsdosen verzichtet; somit wird ein gefährlicher Abfall (Blutung) des FVII-Wertes verhindert. Bei Patienten ab 65 Jahren mit einem Ausgangs-Quick von 70 - 85%, sollte die Behandlung mit einer Dosis von 2 mg in den ersten 2 Tagen begonnen werden (Sintrom®). Für die anderen Patienten Behandlung mit einer Dosis von 3 mg in den ersten 2 Tagen beginnen. PHENPROCOUMON (Marcoumar®): Bei Patienten mit normaler Leber- und Nierenfunktion, normalem INR-Wert und wenig oder keiner Polymorbidität kann mit dem Schema Phenprocoumon 2-2-1 (erster Tag 2 Tabletten, zweiter Tag 2 Tabletten, dritter Tag 1 Tablette) oder 2-1-1 (erster Tag 2 Tabletten, zweiter Tag 1 Tablette, dritter Tag 1 Tablette) begonnen werden. Bei alten Patienten (> 70 Jahre) mit bereits nicht ganz normalem INR-Wert (z.B. INR 1.3) und gleichzeitiger Antibiotika-Therapie, Herzinsuffizienz, etc. soll mit niedrigerer Dosis, resp. direkt mit der Erhaltungsdosis begonnen werden, z.B. 1-½-½ (erster Tag 1 Tablette, zweiter Tag ½ Tablette, dritter Tag ½ Tablette). Genetische Teste zum Nachweis einer erhöhten Sensitivität sind verfügbar, werden jedoch in der Schweiz nicht routinemässig gebraucht. Diese Teste sind in den USA zugelassen. • N iederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale antikoagulation: praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-30. • Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban& Fischer 2001; 8. Auflage. • Schulman S, Beyth RJ, Kearon C, Levine MN; American College of Chest Physicians: Hemorrhagic complications of anticoagulant and thrombolytic treatment: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest 2008; 133: 257S-298S. 74 75 50.Wie soll eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon (Tabl. à 3 mg), resp. mit Acenocoumarol (Tabl. à 1 bzw. 4 mg) begonnen werden? ACENOCOUMAROL (Sintrom®): Beginn der Therapie: • Keine Ladedosis • Patient < 65 Jahre alt mit normalem INR • Tag 1 (Abend) 3 mg • Tag 2 (Abend) 3 mg • Tag 3 (Morgen) INR-Messung Erhaltungsdosis: • INR am 3. Tag • < 1.2 • 1.2–1.8 • 1.8–3.5 • > 3.5 • INR am 4. Tag • < 2.0 • 2.0–3.0 • > 3.0 Bei Patienten mit bakterieller Endokarditis sollte keine antithrombotische Therapie durchgeführt werden, ausser bei separaten Indikationen (Grad 1B). Bei Patienten, welche eine OAK bereits erhalten, sollte diese mit UFH substituiert werden. Wenn der Patient stabil, ohne Kontraindikation oder neurologische Komplikationen bleibt, kann die OAK wieder evaluiert werden (Grad 2C). Bei abakterieller, thrombotischer Endokarditis sollte die Therapie mit UFH oder NMH-Applikation durchgeführt werden (Grad 1C). ➞ Dosis erhöhen (+1 mg) ➞ Gleiche Dosis wie am Tag 1 und 2 ➞ Dosis reduzieren (-1 mg) ➞ Kein Sintrom® ➞ Dosis erhöhen ➞ Gleiche Dosis ➞ Dosis reduzieren • S chwarz UI, Ritchie MD, Bradford Y, Li C, Dudek SM, Frye-Anderson A, Kim RB, Roden DM, Stein CM: Genetic determinants of response to warfarin during initial anticoagulation. N Engl J Med 2008; 358: 999-1008. • L acut K, Larramendy-Gozalo C, Le Gal G, Duchemin J, Mercier B, Gourhant L, Mottier D, Becquemont L, Oger E, Verstuyft C: Vitamin K epoxide reductase genetic polymorphism is associated with venous throm boembolism: results from the EDITH Study. J Thromb Haemost 2007; 5: 2020-4. 76 51.OAK bei bakterieller Endokarditis und abakterieller, marantischer (thrombotischer) Endokarditis • S alem DN, O’Gara PT, Madias C, Pauker SG; American College of Chest Physicians: Valvular and structural heart disease: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition) Chest 2008; 133; 593-629. • Bounameaux H, Dörffler-Melly J, Lüscher T: Kommentar der Schweizer Expertengruppe zu den Empfehlun gen: The seventh ACCP conference on antithrombotic therapy of the American College of Chest Physicians; Swiss Medical Forum 2005; 27: 1-48. 77 52.Interaktionen mit Kumarinen: Medikamente und Diät. Worauf sollte geachtet werden? Medikamente, die die Pharmakokinetik beeinflussen: • Verminderung der Bioverfügbarkeit (z.B. Antacida oder Cholestyramin) • Steigerung des Abbaus durch Enzyminduktion (z.B. Rifampicin, Barbiturate) • Hemmung des Metabolismus durch Enzymhemmung (z.B. Cimetidin) • Verminderte Clearance (z.B. Metronidazol) Medikamente, die die Pharmakodynamik beeinflussen: • Verminderung der Vitamin K-Verfügbarkeit resp. Produktion durch Darmflora (z.B. Antibiotika) • Synthesesteigerung der Gerinnungsfaktoren (z.B. Corticosteroide) • Synthesehemmung der Gerinnungsfaktoren (z.B. Anabolika) • Steigerung des Metabolismus (z.B. Thyroxin) Allgemein: Bei Veränderung der Medikation, muss immer auf Schwankungen des INR geachtet werden. Kürzere Intervalle zur Steuerung sind anzustreben. 53.Wie gross ist das Risiko von schweren Blutungen während gleichzeitiger Antibiotika- und Kumarintherapie? Die Daten sind vor allem für Amoxicillin/Clavulanat und für Doxycyclin repräsentativ. Amoxicillin/Clavulanat: Inzidenzrate von 0.1 Episoden pro 100 Antibiotikazyklen (1:1000). Relatives Risiko ohne gleichzeitige Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika 4.4 (95 % CI 2.5–7.8). Doxycyclin: Inzidenzrate 0.05 Episoden pro 100 Antibiotikazyklen (1:2000). Relatives Risiko ohne gleichzeitige Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika 2.4 (95 % CI 1.2–4.8). Die schweren Blutungen waren zu 67 % gastrointestinale Blutungen und zu 27 % zerebrale Blutungen. Hepatischer Metabolismus: Viele Medikamente können mit Kumarinen interagieren (s.o.). Phenprocoumon wird hauptsächlich durch die Cytochrome 2C9 und 3A4 metabolisiert (viel weniger relevant für Acenocoumarol). Substanzen, die durch die gleichen Isoenzyme metabolisiert werden, können eine Interaktion aufweisen. Eine Verdrängung der Plasmaproteinbindung von Phenprocoumon kann zur vermehrten antikoagulatorischen Wirkung führen. Eine wesentliche synergistische Wirkung mit anderen Antikoagulanzien (Heparin, Acetylsalicylsäure) oder Antirheumatika führt gegebenenfalls zu einer vermehrten hämorrhagischen Diathese. Eine Vitamin-K-reiche oder -arme Diät beeinflusst die Antikoagulation. • A rzneimittelkompendium der Schweiz. www.kompendium.ch • Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban& Fischer 2001, 8. Auflage. • Niederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale antikoagulation: praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-30. • Wells PS, Holbrook AM, Crowther NR, Hirsh J: Interactions of warfarin with drugs and food. Ann Intern Med 1994; 121: 676-83. • Hylek EM, Heiman H, Skates SJ, Sheehan MA, Singer DE: Acetaminophen and other risk factors for excessive warfarin anticoagulation. JAMA 1998; 279: 657-62. 78 • P enning-van Beest FJ, Koerselman J, Herings RM: Risk of major bleeding during concomitant use of antibiotic drugs and coumarin anticoagulants. J Thromb Haemost 2008; 6: 284-90. 79 54.Wie häufig soll eine INR-Wert Bestimmung mindestens erfolgen? Allgemein gilt: Initial alle 2–3 Tage dann wöchentlich. Im steady state mindestens alle vier Wochen, bei Schwankungen und kritischen Ereignissen häufiger. 55.Bei welchen Zusatzerkrankungen sollte die INR-Wert Bestimmung häufiger vorgenommen werden? • Herzinsuffizienz • Lebererkrankungen • Fieber • Verminderte Zufuhr von Vitamin-K • Hyperthyreose • Malabsorption • Nephrotisches Syndrom • Malignome • Hyperlipidämie • Chronischer Aethylismus • Diarrhoe • Medikamentöse Neu-Einstellung • K earon C, Kahn SR, Agnelli G, Goldhaber S, Raskob GE, Comerota AJ; American College of Chest Physicians: Antithrombotic therapy for venous thromboembolic disease: American College of Chest Physicians EvidenceBased Clinical Practice Guidelines (8th Edition), Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 454S-545S. 80 • B ombeli Th: Management von Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002, 1. Auflage. 81 56.Wie kann eine stark schwankende INR-Einstellung bei sehr geringem Bedarf von Vitamin-K-Antagonisten verbessert werden? Die Regelmässige Gabe von Vitamin K, z.B. 100–150 ug/Tag Vit K (in einer speziellen vorbereiteten Lösung oder als Tablette) zusätzlich, stabilisiert die INR-Einstellung. 57.Wie ist bei einer supratherapeutischen oralen Antikoagulation vorzugehen? Generell gilt: für einen INR > 4: (0.5–1 mg) Konakion per os und auslassen einer Marcoumar- bzw. Sintrom-Dosis. Der Effekt kleiner Mengen von Vitamin K ist schwer voraussehbar und stark variabel. Allgemeine Richtlinien: • INR 4.0–5.0: Ohne Blutung 1–2 mg Konakion p.o. und Kumarinstopp • INR 5.0–9.0: Ohne Blutung, Kumarinstopp, tägliche INR Kontrolle evtl. Konakion auf 2–3 mg p.o. erhöhen • INR > 9.0: Keine oder leichte Blutungen, Kumarinstopp, 5 mg Konakion p.o., resp. i.v. • INR > 5 mit Blutung: Hospitalisation, Konakion i.v., evtl. FFP oder Prothromplex-Konzentrat, allenfalls Fibrinolysehemmer gemäss individueller Risikoabschätzung Generell: bei Vitamin K-Gabe daran denken, dass die Wirkung frühestens nach ca. 12 Std. in relevantem Masse eintreten kann. [Die Wirkung besteht in erster Linie darin, dass der Faktor VII ansteigt. Der hämostatisch relevante Faktor II steigt jedoch erst nach 2–3 Tagen an]. Ad FFP (Fresh Frozen Plasma): Ein Beutel enthält 200 ml. Je höher der INR um so schneller kann eine Korrektur mit einem Beutel erreicht werden, z.B.: Pre-Transfusions-INR • S conce E, Avery P, Wynne H, Kamali F: Vitamin K supplementation can improve stability of anticoagulation for patients with unexplained variability in response to warfarin. Blood 2007; 109: 2419-23. • Rombouts EK, Rosendaal FR, Van Der Meer FJM: Daily vitamin K supplementation improves anticoagulant stability. J Thromb Haemost 2007; 4: 2043-8. • Sconce E, Khan T, Mason J, Noble F, Wynne H, Kamali F: Patients with unstable control have a poorer dietary intake of vitamin K compared to patients with stable control of anticoagulation. Thromb Haemost 2005; 90: 872-5. 82 INR 1.3–1.7 INR 1.7–2.3 INR 2.4–2.9 INR 3.0–4.3 INR 4.4–20.0 Korrektur/FFP-Beutel 0.1 0.2 0.4 0.7 bis 3.5 Cave: Volumenbelastung! 83 57.Wie ist bei einer supratherapeutischen oralen Antikoagulation vorzugehen? Ad Prothromplex-Konzentrat: Eine Einheit pro kg erhöht den Quick um ca. 0.8 %. Rasche Wirkung, keine Volumenbelastung, wirkt prothrombogen (Myokardinfarkt, etc. sind beschrie ben). Am häufigsten wird die Dosis von 25–30 E/kg gebraucht, z.B. 2000E bei einem 70 kg schweren Patienten. 58.Woran ist beim antikoagulierten Patienten mit Rücken-, Kopfschmerzen oder Sehstörungen zu denken? Spontanblutungen bei supratherapeutischer OAK-Behandlung: • das spinale epidurale Hämatom (auch ohne Ausfälle bei Rückenschmerzen!) • das subdurale Hämatom • das retroperitoneale Hämatom (Zusammen mit Hüft- und Beinschmerzen) • die intraokuläre Blutung Faustregel für die Initialdosierung: 1 IE PPSB pro kg KG hebt die Aktivitäten der Faktoren VII und IX um 0.5–1 %, der Faktoren II und X um 1–2 % an. Initiale Bolusgaben von 20–25 IE pro kg KG werden im Falle schwerer Blutungen empfohlen. Die danach zu applizierenden Erhaltungsdosen heben die Aktivitäten um 1–2 % respektive 2–4 % an. Bei leichten Blutungen bzw. kleineren Verletzungen oder Eingriffen genügen Faktorenaktivitäten von 20–40 % (entspricht einem Quickwert von 30–50 %, INR ca. 1.6–2.4), bei schweren Verletzungen oder grösseren Operationen sind Faktorenaktivitäten von 50–60 % (entspricht einem Quickwert von 60–80 %, INR ca. 1.15–1.4) aufrechtzuerhalten. Einige Autoren empfehlen die folgende Dosisanpassung gemäss INR: INR 2–4 INR 4–6 INR > 6 25 E/kg 35 E/kg 50 E/kg • M arkis M, Watson HG: The management of coumarin-induced overanticoagulation. Annotation. Br J Haematol 2001; 114: 271-80. • P reston FE, Laidlaw ST, Sampson B, Kitchen S: Rapid reversal of oral anticoagulation with warfarin by a pro thrombin complex concentrate (Beriplex): efficacy and safety in 42 patients. Br J Haematol 2002; 116: 619-24. • Watson HG, Baglin T, Laidlaw SL, Makris M, Preston FE: A comparison of the efficacy and rate of response to oral an intravenous Vitamin K in reversal of over-anticoagulation with warfarin. Br J Haematol 2001; 115: 145-9. • Hanley JP: Review: Warfarin reversal. J Clin Pathol 2004; 57: 1132-9. • w ww.compendium.ch 84 • M arkis M, Watson HG: The management of coumarin-induced overanticoagulation. Annotation. Br J Haematol 2001; 114: 271-80. 85 59.Perinterventionelles Management der OAK/Bridging-Procedere Bemerkung: Nutzen/Risiko-Abwägung (individualisieren!): • Thromboembolierisiko vs. Blutungsrisiko im Rahmen eines Eingriffes unter OAK • Bei vielen kleineren Eingriffen (zahnärztlich, dermatologisch, ophthalmologisch z.B. Katarakt-OP, ORL, Gelenkspunktion, diagnostische Endoskopie) ist der Unterbruch nicht nötig und die kleineren Blutungen können mit lokalen Massnahmen behandelt werden (lokale Koagulation mittels Elektrokauter, Blutstillende Watte, Tranexamsäure-Ampullen 1:5 verdünnt z.B. Cyklokapron®Ampullen oder Brausetabletten zur Spülung) 60.Zahnärztliche Eingriffe beim antikoagulierten Patienten Die allermeisten zahnärztlichen Eingriffe können (gemäss zahnärztlichem Statement!) bei einem INR von 2–3 durchgeführt werden. Meist ist das Risiko bezüglich einer INR Absenkung (= Quickanhebung) grösser, als das Blutungs risiko während des zahnärztlichen Eingriffes. Das Risiko eines thromboembolischen Ereignisses ohne Heparinprophylaxe ist abhängig vom Risikoprofil. In einer Serie von 576 Patienten erlitten (0.95 %) eine thromboembolische Komplikation. Bezüglich Ziel-INR konnten Studien zeigen, dass ein INR ≤ 1.5 nicht mit einer erhöhten Blutungsrate bei grossen Operationen assoziert ist. Ein INR ≤ 1.75 ist bei kleinen Operationen genügend. Vor der Aufhebung eine OAK-Therapie müssen die folgenden Punkte in Frage 61 beachtet werden. • D unn AS, Turpie AG: Perioperative management of patients receiving oral anticoagulants. Arch Inter Med 2003; 163: 901-8. • Perry DJ, Noakes TJ, Helliwell PS; British Dental Society: Guidelines for the management of patients on oral anticoagulants requiring dental surgery. Br Dent J 2007; 203: 389-93. • Dunn AS, Spyropoulos AC, Turpie AG: Bridging therapy in patients on long-term oral anticoagulants who require surgery: the Prospective Peri-operative Enoxaparin Cohort Trial (PROSPECT). J Thromb Haemost 2007; 5: 2211-8. • O’Donnell MJ, Kearon C, Johnson J, Robinson M, Zondag M, Turpie I, Turpie AG: Brief communication: Preoperative anticoagulant activity after bridging low-molecular-weight heparin for temporary interruption of warfarin. Ann Intern Med 2007; 146: 184-7. 86 • M utzbauer TS, Imfeld T: Zahnärztliche Eingriffe bei antikoagulierten Patienten. Therapeutische Umschau 2008; 65: 111-4. • Wahl MJ: Myths of dental surgery in patients receiving anticoagulant therapy. J Am Dent Assoc 2000; 131: 77-81. • Al Mubarak S, Rass MA, Alsuwyed A, Alabdulaaly A, Ciancio S: Thromboembolic risk and bleeding in patients maintaining or stopping oral anticoagulant therapy during dental extraction. J Thromb Haemost 2006; 4: 689-91. • Bailey BM, Fordyce AM: Complications of dental extractions in patiens receiving warfarin anticoagulant therapy. A controlled clinical trial. Br Dent J 1983; 155: 308-10. • Greenberg MS, Miller MF, Lynch MA: Partial thromboplastin time as a predictor of blood loss in oral surgery patients receiving coumarin anticoagulants. J Am Dent Assoc 1972; 84: 583-7. • Blinder D, Manor Y, Martinowitz U, Taicher S, Hashomer T: Dental extractions in patients maintained on continued oral anticoagulant: comparison of local hemostatic modalities. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 1999; 88: 137-40. • Blinder D, Manor Y, Martinowitz U, Taicher S: Dental extractions in patients maintained on oral anti coagulant therapy: comparison of INR value with occurrence of postoperative bleeding. Int J Oral Maxillofac Surg 2001; 30: 518-21. 87 61.Risikoabwägungen bei der Aufhebung der OAK Risiko Bemerkung TE-Risiko entsprechend der Grundkrankheit Patienten, die ohne OAK ein hohes VTE- Risiko haben: akute venöse TE im 1. Monat nach Diagnose, rezidivierende VTE, Vorhof flimmern mit TE-Risiko in der Anamnese, mechanische Herzklappe, akute arterielle Thrombose oder Embolie < 1 Monat Konsequenzen einer TE Arterielle TE sind meistens gravierender als venöse: ca. 20 % enden tödlich und 40 % hinterlassen bleibende Schäden. Bei den venösen TE sind die entsprechenden Zahlen ca. 6 % resp. 2 % Individuelle TE-Risikofaktoren Eine venöse TE in den letzen 30 Tagen geht bei Absetzen mit einem besonders grossen Rezidivrisiko einher. Bei VHF sollen die klinischen und echokardiographischen Risikofaktoren für TE beachtet werden TE-Risikofaktoren Die Art (z.B. orthopädisch) und die Dauer verbunden mit dem Eingriff des Eingriffes erhöhen das venöse TE-Risiko Blutungsrisiko verbunden mit Die Gabe von Heparin i.v. über zwei Tage führt dem Eingriff unter Heparin bei ca. 3 % der Patienten zu Blutungen, davon sind wiederum ca. 3 % schwerwiegend Konsequenzen einer Blutung z.B. bei neurochirurgischem Eingriff in kritische Organe • R ighini M, de Moerloose Ph: Modulation de l’anticoagulation en cas de gestes invasifs. Méd et Hyg 2000; 58: 183-6. • Meyer B, Jende C, Rikli D, de Moerloose P, Wuillemin WA: Periinterventionelles Management der oralen Antikoagulation: Fallbeispiele und Empfehlungen. Swiss Med Forum 2003; 9: 213-8. 88 62.Wie ist das Thromboembolierisiko bei kurzfristiger Unterbrechung der Antikoagulationstherapie? Von 1293 Antikoagulationsunterbrechungen um ≤ 5 Tage erlitten 0.7 % (CI 95 %: 0.3–1.4 %) innert 30 Tagen ein thromboembolisches Ereignis. Keiner dieser Patienten hatte eine Bridging-Therapie mit Heparin bekommen. 1.7 % resp. 0.6 % erlitten eine klinisch signifikante oder schwere Blutung. 14 von diesen 23 Patienten mit Blutungsepisode hatten eine Bridging-Therapie mit Heparin bekommen. Eine Bridging-Therapie gemäss Guidelines ist kürzlich in der Alltags-Praxis an einer grossen Population überprüft worden und hat bezüglich Blutungen und Thromboembolien sehr gut abgeschnitten (1.2 % schwere Blutungen und 0.4 % Thromboembolien). • P engo V, Cucchini U, Denas G, Erba N, Guazzaloca G, La Rosa L, De Micheli V, Testa S, Frontoni R, Prisco D, Nante G, Iliceto S: Italian Federation of Centers for Diagnosis of Thrombosis and Management of Antithrombotic Therapies (FCSA). Standardized low-molecular-weight heparin bridging regimen in outpatients on oral anticoagulants undergoing invasive procedure or surgery: an inception cohort management study. Circulation 2009; 119: 2920-7. • Garcia DA, Regan S, Henault LE, Upadhyay A, Baker J, Othman M, Hylek EM: Risk of thromboembolism with short-term interruption of warfarin therapy. Arch Intern Med 2008; 168: 63-9. 89 63.Prozedere bei Vitamin K Gabe zur Aufhebung der Antikoagulation? Präoperativ: Patienten unter Acenocoumarol: • Vit. K-Gabe meist nicht nötig • Für Interventionen mit niedrigem oder mittlerem Blutungsrisiko: 2 Tage vor dem Eingriff absetzen. • Für Interventionen mit hohem Blutungsrisiko: 3 Tage vor dem Eingriff absetzen. Patienten unter Phenprocoumon: • 5 –7 Tage vor dem Eingriff absetzen • Vit. K-Gabe je nach INR (siehe unten) Postoperativ: Ab 6 Stunden (oder 24 bis 36 Std. später, Risikoabwägung mit Operateur zu diskutieren) kann das NMH mit 50–100 E/kg KG begonnen werden. Heparin i.v. kann als Alternative gebraucht werden. Variante bei kleinen Eingriffen und niedrigem VTE-Risiko: Die Dosierung des oralen Antikoagulans wird in der üblichen Weise postoperativ fortgesetzt. 24 Std. vor dem Eingriff nimmt der Patient (je nach Eingriff) 5–10 mg Konakion per os ein. INR-Kontrolle am Operationstag. Einige Tage postoperativ pendeln sich die INR-Werte im therapeutischen Bereich wieder ein. Somit entfallen die Wiedereinstellung und die Heparin/NMH-Bridging-Therapie (Dr. Matthias Koller, Privatklinik Bethanien, Zürich, mündliche Kommunikation). Orale Vit. K-Gabe bei Phenprocoumon: INR 24 Std. vor Eingriff < 1.5 1.5–2 2–3 > 3 Vitamin K-Dosis in mg 21 Std. vor dem Eingriff 0 3 mg 5 mg 10 mg Abend-Dosen von Phenprocoumon (mit Operateur besprechen): Tag vor Eingriff Eingriffstag Folgende Tage Gemäss Verordnung Doppelte gewöhnliche Tagesdosis (der vorhergehenden Woche) Gemäss Verordnung 90 • v an Geest-Daalderop JH, Hutten BA, Péquériaux NC, de Vries-Goldschmeding HJ, Räkers E, Levi M: Invasive procedures in the outpatient setting: managing the short-acting acenocoumarol and the long-acting phenprocoumon. Thromb Haemost 2007; 98: 747-55. • Ulrich S, Debrunner J, Stoll S, Rentsch K, Bachli EB: A single dose of oral vitamin K effectively reverses oral anticoagulation with phenprocoumon during heart catheterisation. Swiss Med Wkly 2006; 136: 691-5. • Garcia DA, Regan S, Henault LE, Upadhyay A, Baker J, Othman M, Hylek EM: Risk of thromboembolism with short-term interruption of warfarin therapy. Arch Intern Med 2008; 168: 63-9. • A nsell J, Hirsh J, Hylek E, Jacobson A, Crowther M, Palareti G; American College of Chest Physician: Pharmacology and management of the vitamin K antagonist. American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition) Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 166S-198S. • Niederer A, Wuillemin WA, de Moerloose P: Orale Antikoagulation: praktisches Vorgehen. Schweiz Med Forum 2001; 17: 425-30. 91 64.Konkretes Vorgehen bei oral antikoagulierten Patienten mit Standard VTE-Risiko (INR-Wert: 2.0–3.0) Häufige Indikationen: • Vorhofflimmern • Sekundärprophylaxe nach VTE (VTE > 1 Monat) • Andere (dilatative Kardiomyopathie, Status nach anteriorem Myokardinfarkt mit linksventrikulärer Dysfunktion, kongestive Herzinsuffizienz) Bei Anwendung von rückenmarksnahen Anästhesien sollte ein Abstand von 24 Stunden eingehalten werden. * In Abhängigkeit vom operationsbedingten und/oder Patienten bedingten (z.B. Alter, Niereninsuffizienz oder Adipositas) Blutungsrisiko können die Dosen einen Tag vor dem Eingriff und in den ersten 3 Tagen nach dem Eingriff je nach Blutungsrisiko geringer gewählt werden. Bei Verdacht: Anti-Xa bestimmen. Bei Patienten < 50 kg oder mit Niereninsuffizienz bitte Rücksprache mit Spital nehmen. ** Absetzen OAK ( )( )( ) ( ) Beginn OAK ( ) ( ) INR Bei INR <2, Beginn NMH 3.0 Es gibt Hinweise, dass eine elektive Operation sich mit tiefem VTE-Risiko, bei ambulanten Patienten mit tiefem oder mittlerem VTE-Risiko, mit kurzem Unterbruch der OAK ≤ 5 Tagen ohne Heparin-Bridging durchführen lässt. 2.0 * Bei INR >2 an 2 aufeinanderfolgenden Tagen, Absetzen NMH 1.0 -10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 +1 +2 +3 +4 +5 +6 +7 +8 +9 Operation Tage z.B. Nadroparin 100 IE/kg KG 1x pro Tag am Abend** o 1× pr .c Tag s . Körpergewicht ** 50–69 kg 0.6 ml (5700 IE Anti-Xa) 70–89 kg 0.8 ml (7600 IE Anti-Xa) ≥90 kg 92 Alternative Antikoagulation wie z.B. mit Nadroparin 1 ml (9500 IE Anti-Xa) • M eyer B, Jende C, Rikli D, de Moerloose P, Wuillemin WA: Periinterventionelles Management der oralen Antikoagulation: Fallbeispiele und Empfehlungen. Swiss Med Forum 2003; 9: 213-8. • Kearon C: Perioperative management of long-term anticoagulation. Sem Thromb Hemost 1998; 24: 77-83. • Righini M, de Moerloose Ph: Modulation de l’anticoagulation en cas de gestes invasifs. Méd et Hyg 2000; 58: 183-6. • Spyropoulos AC, Jenkins P, Bornikova L: A disease management protocol for outpatient perioperative bridge therapy with enoxaparin in patients requiring temporary interruption of long-term oral anticoagulation. Pharmacotherapy 2004; 24: 649-58. • H albritter KM, Wawer A, Beyer J, Oettler W, Schellong SM: Bridging anticoagulation for patients on long-term vitamin-K-antagonists. A prospective 1 year registry of 311 episodes. J Thromb Haemost 2005; 3: 2823-5. • Spyropoulos AC, Turpie AG: Perioperative bridging interruption with heparin for the patient receiving longterm anticoagulation. Curr Opin Pulm Med 2005; 11: 373-9. 93 65.Vorgehen bei oral antikoagulierten Patienten mit hohem VTE-Risiko (INR-Wert: 2.5–3.5) Häufige Indikationen: • V TE vor <1 Monat (Falls das thromboembolische Ereignis innerhalb von 15 Tagen aufgetreten ist und eine Kontraindikation für Heparin besteht, sollte ein Cavafilter als Alternative diskutiert werden) • Vorhofflimmern mit Risikofaktoren • Mechanischer Herzklappenersatz • Antiphospholipid-Antikörpersyndrom Absetzen OAK ( )( )( ) ( ) Bei Anwendung von rückenmarksnahen Anästhesien sollte ein Abstand von 24 Stunden eingehalten werden. * In Abhängigkeit vom operationsbedingten und/oder Patienten bedingten (z.B. Alter, Niereninsuffizienz oder Adipositas) Blutungsrisiko können die Dosen einen Tag vor dem Eingriff und in den ersten 3 Tagen nach dem Eingriff je nach Blutungsrisiko geringer gewählt werden. Bei Verdacht: Anti-Xa bestimmen. Bei Patienten < 50 kg oder mit Niereninsuffizienz bitte Rücksprache mit Spital nehmen. ** Beginn OAK ( ) INR Bei INR <2.5, Beginn NMH 3.0 * Bei INR >2.5 an 2 aufeinanderfolgenden Tagen, Absetzen NMH 2.0 1.0 -10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 +1 +2 +3 +4 +5 +6 +7 +8 +9 Operation Tage z.B. Nadroparin 200 IE/kg KG 1x pro Tag** o 1× pr .c Tag s . Körpergewicht ** 50–69 kg 0.6 ml (11400 IE Anti-Xa) 70–89 kg 0.8 ml (15200 IE Anti-Xa) ≥90 kg 94 Alternative Antikoagulation wie z.B. mit Nadroparin 1 ml (19000 IE Anti-Xa) • M eyer B, Jende C, Rikli D, de Moerloose P, Wuillemin WA: Periinterventionelles Management der oralen Antikoagulation: Fallbeispiele und Empfehlungen. Swiss Med Forum 2003; 9: 213-8. • Kearon C: Perioperative management of long-term anticoagulation. Sem Thromb Hemost 1998; 24: 77-83. • Righini M, de Moerloose Ph: Modulation de l’anticoagulation en cas de gestes invasifs. Méd et Hyg 2000; 58: 183-6. • Spyropoulos AC, Jenkins P, Bornikova L: A disease management protocol for outpatient perioperative bridge therapy with enoxaparin in patients requiring temporary interruption of long-term oral anticoagulation. Pharmacotherapy 2004; 24: 649-58. • H albritter KM, Wawer A, Beyer J, Oettler W, Schellong SM: Bridging anticoagulation for patients on long-term vitamin-K-antagonists. A prospective 1 year registry of 311 episodes. J Thromb Haemost 2005; 3: 2823-5. • Spyropoulos AC, Turpie AG: Perioperative bridging interruption with heparin for the patient receiving long-term anticoagulation. Curr Opin Pulm Med 2005; 11: 373-9. 95 66.Wann kommt ein Vena cava-Filter in Betracht? Indikation: • Rezidivierende Thromboembolien trotz «adäquater» Antikoagulation • Patienten mit nachgewiesener VTE und Kontraindikationen für OAK (Thrombopenie, Blutungen etc.) • Komplikation einer Antikoagulantien-Therapie Nutzen, Abwägung von Vena cava-Filter über 8 Jahre: • Reduktion der symptomatischen Lungenembolien von 15 % (ohne Filter) auf 6 % (mit Filter) mit gleichzeitiger Erhöhung der tiefen venen Thrombose (TVT) (36 % vs. 28 %). Bei Filter vs. kein Filter ergab sich kein Unterschied betreffend schwerer Blutungen und Mortalität Komplikationen mit Filter (bis 20 %): • Thrombose des Filters • Filtermigration • Perforation der Vena cava oder von benachbarten Organen Zu beachten: sogenannte optionale Filter, die entweder langfristig implantiert oder bis zu 4–6 Wochen nach ihrer Einlage entfernt werden können, sind oft eine elegante Lösung bei absoluten Kontraindikationen für die Antikoagulation und bei akuter kürzlich erlittener VTE. • P REPIC Study Group: Eight-year follow-up of patients with permanent vena cava filters in the prevention of pulmonary embolism; the PREPIC (Prévention du Risque d’Embolie Pumonaire par Interruption Cave) randomized study. Circulation 2005; 112: 416-22. • Streiff MB: Vena cava filters: a comprehensive review. Blood 2000; 95: 3669-77. • Crowther MA: Inferior vena cava filters in the management of venous thromboembolism. Am J Med 2007; 120: 13-17. 96 67.Wie behandelt man eine TVT in der Schwangerschaft? Das VTE-Risiko ist erhöht in der Schwangerschaft, vor allem postpartal. In westlichen Ländern bleibt die peripartale Lungenembolie die Hauptursache der mütterlichen Mortalität. Die TVT hat ebenfalls eine bedeutsame mütterliche Morbidität zur Folge. (siehe Frage 68) Bemerkung: • Behandlung mit Heparin (UFH oder NMH), wobei auch in der Schwangerschaft NMH das UFH ersetzt hat (weniger Osteoporose und andere Nebenwirkungen) • Kumarine, welche Plazenta gängig sind, sollten im 1. Trimenon und am Ende der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Sie beeinflussen die Teratogenese und können zu grösseren Blutungen beim Fetus führen. Bei Anwendung, sorgfältige Risikoabwägung im mittleren Trimenon der Schwangerschaft • Oft wird NMH durch die ganze Schwangerschaft angewandt. Etwa 2 Wochen vor dem Geburtstermin sollte eher auf UFH oder auf NMH 2 × tgl., anstatt einmal täglich, gewechselt werden (zwecks besserer Steuerbarkeit) • Nach der Geburt kann auf Kumarine gewechselt werden, da sie nicht milchgängig sind. Als Vorsichtsmassnahme sollte dem Säugling 1–2 mg Vitamin K 2–3 × pro Woche verabreicht werden • Greer IA, Nelson-Piercy C: Low-molecular-weight heparins for thromboprophylaxis and treatment of venous thromboembolism in pregnancy: a systematic review of safety and efficacy. Blood 2005; 106: 401-7. • G reer IA: Thrombosis in pregnancy: maternal and fetal issues. Lancet 1999; 353:1258-65. • A rzneimittelkompendium der Schweiz, www.kompendium.ch • James AH: Prevention and management of venous thromboembolism in pregnancy. Am J Med 2007; 120: 26-34. 97 68.Wie hoch ist das Risiko der ersten VTE während der Schwangerschaft und im Wochenbett bei Patienten mit thrombophilen Risikofaktoren? Studie mit insgesamt 260 Patienten: 104 mit Faktor V Leiden (heterozygot), 104 mit Prothrombin G20210A Mutation, 52 doppelt-heterozygote Carriers. 69.Wie hoch ist das Risiko einer TVT bei Patienten mit Risikofaktoren? Starkes Risiko VTE-Risiko bei nicht-Carriers: 0.4 % AntithrombinMangel VTE-Risiko bei Carriers: 1.0 bis 1.8 % Protein C-Mangel Jährliches Risiko Geschätztes Risiko eines einer ersten TVT relatives Risiko Rezidives 1.52–1.9% 15–19 nach 5 Jahren -40% nach 10 Jahren -55% 0.34–0.49% 3–5 nach 5 Jahren -11% nach 10 Jahren -25% Protein S-Mangel Details: • doppelter heterozygoter Faktor V Leiden und Prothrombin G20210A-Mutation: 1.8 % der Schwangerschaften: 1.8 % (95 % CI 0.5–6.3) • Faktor V Leiden: 1.5 % (95 % CI 0.5–6.3) • Prothombin G20210A Mutation: 1% (95 % CI 0.2–3.6) • Nicht-Carriers: 0.4 % (95 % CI 0–2.5) Kommentar: Die Zahlen sind klein (1–3 Thromboembolien). Doppelte Mutationen sind nicht deutlich gefährlicher als einfache Mutationen. Interessanterweise passierten sämtliche Thromboembolien im Wochenbett, keine während der Schwangerschaft. Mittleres Risiko Faktor V Leiden (heterozygot) Prothrombin 20210A Erhöhter FXIII Tiefes Risiko Erhöhter FIX Erhöhter FXI Erhöhter TAFI* Kein unabhängiger Risikofaktor, nur im Zusammenhang mit erhöhtem Faktor VIII Hyperhomocysteinämie * = thrombin activable fibrinolysis inhibitor •Martinelli I, Battaglioli T, De Stefano V, Tormene D, Valdrè L, Grandone E, Tosetto A, Mannucci PM; GIT (Gruppo Italiano Trombofilia): on the behalf of the GIT (Gruppo itliano). The risk of first venous thromboembolism during pregnancy and puerperium in double heterozygotes for factor V Leiden and prothrombin G20210A. J Thromb Haemost 2008; 6: 494-8. 98 • L ijfering WM, Brouwer JL, Veeger NJ, Bank I, Coppens M, Middeldorp S, Hamulyák K, Prins MH, Büller HR, van der Meer J: Selective testing for thrombophilia in patients with first venous thrombosis: results from a retrospective family cohort study on absolute thrombotic risk for currently known thrombophilic defects in 2479 relatives. Blood 2009 ; 113: 5314-5322. • Makris M : Thrombophilia : grading the risk. Blood 2009 ; 113: 5038-9. 99 70.Empfehlungen für die Thrombophilieabklärung Bei belasteter persönlicher Anamnese: • Bei Thromboembolien, vor allem idiopatisch in jüngeren Jahren (Alter < 50) • Bei rezidivierenden Thromboembolien • Bei aussergewöhnlicher Lokalisation (z.B. Nierenvenenthrombose ohne Neoplasie) • Bei lebensbedrohlichen Thromboembolien Bei positiver Familienanamnese (erstgradiger Verwandter): • Bei positiver Familienanamnese und erwünschter Schwangerschaft • B ei bekannter prothrombotischer Mutation in der Familie mit Thromboembolien • Bei gehäuften Spontanaborten mit der Frage nach PhospholipidAntikörpersyndrom • Bei kumarin-induzierten Hautnekrosen (Protein S/C-Mangel) 71.Zu welchem Zeitpunkt ist die Thrombophilieabklärung indiziert? Eine Spiegelbestimmung von Protein C und S soll bei Patienten unter einer wirksamen Kumarintherapie nicht durchgeführt werden, da deren Konzentrationen im Fall einer Behandlung mit Vit K-Antagonisten stark erniedrigt und daher nicht interpretierbar sind. Ebenso kann die Antikoagulation mit intravenös verabreichtem Heparin die Antithrombinspiegel verfälschen. Bemerkung: Bei Bedarf können in der Akutphase die genetischen Faktoren Faktor-V-Leiden Mutation, Prothrombinmutation G20210A und die Phospholipid-Antikörper (Kontrolle nach sechs Monaten!) sowie das Homozystein bestimmt werden. • B auer KA: The Thrombophilias: well-defined risk factors with uncertain therapeutic implications. Ann Intern Med 2001; 135: 367-73. • Bezemer ID, van der Meer FJ, Eikenboom JC, Rosendaal FR, Doggen CJ: The value of family history as a risk indicator for venous thrombosis. Arch Int Med 2009; 169: 610-5. • Dalen JE: Should patients with venous thromboembolism be screened for thrombophilia ? Am J Med 2008; 121: 458-63. • Warkentin TE: Heparin-induced thrombocytopenia. Hematol Oncol Clin North Am 2007; 21: 589-607. 100 101 72.Welche Tests sollte ein Thrombophilieabklärung einschliessen? • Faktor-V-Leiden Mutation • Prothrombinmutation G20210A 73.Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) – Wann zu vermuten ? (vgl. 4 T, in Frage 74) Bei jedem Abfall der Plättchenzahl um 30–50 % des Ausgangswertes, mit und ohne arterielle/venöse TE oder klinische Verschlechterung der Thrombose, unter Heparintherapie. • Protein S • Protein C • Antithrombin • Erhöhter Faktor VIII • «Anti-Phospholipid-Antikörper» Test: a) Anti-Cardiolipin-Antikörper (IgG, IgM) b) Anti-B2 Glykoprotein (IgG, IgM) c) Lupus-Antikoagulans-aPTT • Homocystein (letztlich wieder in Frage gestellt) • Routine-Gerinnung und Hämatologie • Vitamin B12 bei hohem Homocystein NB: Schlüsse können von Methylentetrahydrofolsäure-Reduktase (MTHFR)Polymorphismen oder vom Polymorphismus PAI-I (G4/5) nicht gezogen werden; deren Bestimmung wird nicht empfohlen. Definition: HIT Typ I ist eine durch Heparin ausgelöste, leichte Verminderung der Thrombo zytenzahl (um 20–30 % des Ausgangswertes, selten unter 100’000/µl), die meist 1 bis 5 Tage nach der Heparingabe auftritt. HIT Typ I tritt zwar häufig auf, ist aber ungefährlich.Thrombosen werden durch diese Erscheinung nicht ausgelöst. Es ist auch nicht notwendig mit der Heparingabe aufzuhören. HIT Typ II ist ein seltenes, aber ernsthaftes klinisches Ereignis mit schlechter Prognose HIT Typ II ist eine Immun-vermittelte Reaktion, die auftritt, nach Kontakt mit UFH oder NMH. Die Bindung von HIT-Antikörpern an einem Komplex von Heparin und Plättchenfaktor 4 (PF4) produziert eine Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten, was zur Bildung von Thromben entweder im venösen oder arteriellem System führen kann. Spezifische Antikörper wie beim HIT Typ II lassen sich beim Typ I im Blut nicht finden. Auftreten erst nach 5 bis 14 Tagen der Heparintherapie. CAVE: Early-onset HIT: Bei Patienten die schon vor mehreren Tagen (< 100 Tagen) Heparinkontakt hatten: schlagartiger Abfall des Thrombozytenzahl schon nach 30 Minuten möglich. Bei Verdacht auf HIT Typ II: Unmittelbares Absetzen der Heparingabe (UFH oder NMH) und Ersatzantikoagulation beginnen (siehe Frage 75). •Bombeli Th: Thrombosen und Blutungen. Ein klinisches Vademecum. Verlag Hans Huber 2002. •Landaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com •Arzneimittelkompendium der Schweiz. www.kompendium.ch •Warkentin TE, Greinacher A, Koster A, Lincoff AM; American College of Chest Physicians: Treatment and Prevention of heparin-induced thrombocytopenia: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition) Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 340S-380S. •Hassell K: Heparin-induced thrombocytopenia: diagnosis and management. Thromb Res 2008; 123: 16-21. 102 103 74.Wie wird eine HIT diagnostiziert? Die Anwesenheit von HIT-Antikörpern ist für eine HIT-Diagnostik zwingend, aber nicht genügend. HIT Typ II wird diagnostiziert wenn: • n achweisbare HIT-Antikörper +Thrombozytopenie 30–50 % des Ausgangswertes • nachweisbare HIT-Antikörper + venöse od. arterielle Thrombose unter Heparintherapie • nachweisbare HIT-Antikörper + Thrombozytopenie 30–50 % des Ausgangswertes + venöse od. arterielle Thrombose unter Heparintherapie Bei Verdacht auf HIT ist die «Prä-Test Wahrscheinlichkeit mit den 4 T’s» nützlich. Punkte Thrombozytopenie 2 > 50 % Abfall oder Nadir bei 20–100 Tsd/μl Timing des Beginn ca. 5–10 Tage Tc-Abfalls nach Heparinbeginn oder innerhalb ≤ 1. Tag (wenn vorherige Heparinexposition in den letzten 100 Tagen) Thrombose Nachgewiesene TVT, oder andere Hautnekrose oder Manifestation akute systemische Reaktion nach Heparin AlTernative Keine andere Ursache Ursache für eine die Tc-penie Tc-penie 104 1 0 30–50 % Abfall oder Nadir bei 10–19 Tsd/μl > 10 Tage oder unklar aber konsistent mit HIT < 30 % Abfall oder Nadir < 10 Tsd/μl ≤ 1. Tag (ohne vorherige Heparin Exposition) Zunehmende oder wiederkehrende TVT, erythematöse Läsionen, vermutete TVT (noch nicht nachgewiesen) Mögliche andere Ursache für eine Tc-penie Keine Sichere andere Ursache für eine Tc-penie Punktezahl und Wahrscheinlichkeit: 6–8 = Hoch Stop Heparin, Alternativbehandlung 4–5 = Mittel Entscheidung durch den Arzt ≤ 3 = Tief Weiter mit Heparin Labor-Monitoring für HIT-Antikörper: Antigen-Tests zum Nachweis von HIT-Antikörpern im Blut Zwei Solid-Phasen Immunoassays stehen zur Verfügung: 1.Schnelltest (sog. ID-PaGIA Heparin/PF4 Antikörpertest, Fa. Diamed): Test ist notfallmässig durchführbar, braucht wenig Vorbereitung, hat aber eine etwas eingeschränkte Sensitivität. Spezifität ist gut. 2.HPIA-ELISA der Asserachrom-Linie von STAGO: generell Standardtest; ein ELISA dauert länger, hat wahrscheinlich eine etwas bessere Sensitivität als PaGIA. Plättchenaktivierungs-Tests SRA: Serotonine Release Assay ist der Gold Standard, ist aber selten verfügbar und sehr aufwändig. Wichtig ist der prinzipielle Unterschied zwischen diesen Tests: mit dem Antigen-Test weist man das Vorhandensein der HIT-Antikörper nach, mit den Plättchenaktivierungs-Tests weist man funktionelle Parameter nach. •Martel N, Lee J, Wells PS: Risk of heparin-induced thrombocytopenie with unfractionated and low-molecular-weight heparin thromboprophylaxis: a meta-analysis. Blood 2005; 106: 2710-15. •Bounameaux H, Dörffler-Melly J, Lüscher T: Kommentar der Schweizer Expertengruppe zu den Empfehlun gen: The seventh ACCP conference on antithrombotic therapy of the American College of Chest Physicians; Swiss Medical Forum 2005; 28: 1-48. •Hassell K: Heparin-induced thrombocytopenia: diagnosis and management. Thromb Res 2008; 123: 6-21. 105 75.Wie wird eine Therapie der HIT durchgeführt? In der Schweiz sind zwei Medikamente für die Behandlung der HIT offiziell registriert: Lepirudin und Danaparoid. Lepirudin (Refludan®) (Grad 1C): Problematisch bei Niereninsuffizienz wegen Kumulationsrisiko bei renaler Aus scheidung. HWZ 80 Minuten. Selten Anaphylaxie bei Re-exposition. Therapie empfehlung: Dosis siehe Tabelle. Kontrolle durch aPTT oder TZ oder chromogene Anti-IIa Aktivität. Engmaschige Kontrolle, gehört in die Hände des Spezialisten. Empfohlene aPTT: 1.5–2–(3). CAVE: bei > 60–70 sec. gibt die aPTT ein Plateau aber der Hirudin-Effekt kann noch zunehmen, deshalb Empfehlung: funktioneller Hirudintest (Ecarin-clotting-time) gebrauchen oder die Dosis gemäss Konzentration anpassen: angestrebte Konzentration zwischen 0.15–1.5 μg/ml. Es mehren sich die Hinweise, dass die offiziellen im Kompendium vorhandenen Dosierungsempfehlungen etwas zu hoch liegen. Die tägliche Erfahrung konnte zeigen, dass die Diagnose einer HIT früher im Verlauf gestellt wird, häufig vor dem Auftreten einer Thrombose. In den ACCP Guidelines empfiehlt Greinacher et al. – ausser bei lebensbedrohlichen Thrombosen – den Bolus wegzulassen. Es konnte festgestellt werden, dass bei ähnlicher Wirksamkeit das hämorrha gische Risiko gesenkt werden konnte. Inzwischen bestätigen Studien, dass deutlich niedrigere Dosen genügen, um eine therapeutische Antikoagulation mit Lepirudin zu erzielen. Dosierung für die Behandlung mit Refludan (zusammengefasst aus Greinacher et al., JTH 2005; Warkentin et al., Chest 2008; Tschudi et al., Blood 2009) Indikation HIT mit Thrombose • Kreat-clearance > 60 ml/min • Kreat-clearance 30–60 ml/min • Kreat-clearance < 30 ml/min HIT mit lebensbedrohlicher Thrombose Dialyse alle 2 Tage Continuous veno-venous hemofiltration TVT-Prophylaxe bei Patienten mit früherer HIT Kontinuierliche Infusion Bolus/andere Hinweise 0.08 mg/kg/h 0.04/kg/h 0.01–0.02 mg/kg/h wie oben Kein Bolus Kein Bolus Kein Bolus evtl. Bolus 0.2 mg/kg 0.1 mg/kg i.v. vor der Dialyse 0.005 mg/kg/h 15 mg s.c. 2 × tgl. oder ein nichtHeparin Präparat CAVE: Die Zubereitung von Lepidurin ist etwas aufwendig, die speziellen Anweisungen des Herstellers sind zu beachten. Fondaparinux (Arixtra®) (Grad 2C) ist ein synthetisches Pentasaccharid, das selektiv Faktor-Xa hemmt. Es ist nicht offiziell für diese Indikation zugelassen, jedoch stellt es eine attraktive Behandlungsalternative dar. Es liegen zahlreiche Case Reports in der Literatur zu den erfolgreichen Einsatz von Arixtra bei HIT-Patienten vor. Es gibt auch 2 Case Reports von Patienten die eine HIT-ähnliche Krankheit unter Arixtra entwickelt haben. In beiden Fällen konnte keine Kausalität bestätigt werden. Arixtra wird in der Schweiz in vielen Spitälern in dieser Indikation eingesetzt. 106 107 75.Wie wird eine Therapie der HIT durchgeführt? Danaparoid (Orgaran®) (Grad 1B): in ca. 10–20 % kann eine Kreuzreaktivität auftreten. HWZ: 24 Std., wird renal ausgeschieden. Therapie: Bolus 2500 E i.v. (1250 E wenn < 55 kg; 3750 E wenn > 90 kg), dann 400 E/Std. für 4 Stunden, dann 300 E/Std. für 4 weitere Stunden, dann auf 200 E/Std reduzieren. Kontrolle durch Anti-Xa-Aktivität. (Orgaran spezifischer Anti-Faktor-Xa-Aktivitätstest). Fortsetzung der Therapie einer HIT: OAK sollten erst eingesetzt werden, wenn sich die Tc-Zahl wieder weitgehend im Normbereich z.B >100–150’000 /μl befindet. OAK können nach Stabilisierung der akuten Phase mit Lepirudin, Fondaparinux oder Danaparoid als Langzeitthe rapie eingesetzt werden. 75.VTE im Alter? 1. Epidemiologie: Mortalitätsrate 30 Tage nach TVT: 5–10 % Mortalitätsrate 30 Tage nach LE: bis 30 % LE präsentiert sich in 25 % der Patienten als plötzlicher Tod In Autopsiegruppen bis 50 % der Todesfälle präsentieren eine TVT oder LE (CAVE: selektioniertes Patientengut) Bei den überlebenden Patienten: • 30 % kommt es zu einem Rezidiv innerhalb 10 Jahren • 30–50 % leiden an einem postthrombotischen Syndrom innerhalb 10 Jahren Nach einer HIT ist eine therapeutische Antikoagulation während 3 Monaten empfohlen (auch wenn keine VTE vorlag). Daran denken: Bei Austritt des Patienten Allergiepass aushändigen! •Warkentin TE, Greinacher A, Koster A, Lincoff AM; American College of Chest Physicians: Treatment and Prevention of heparin-induced thrombocytopenia: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest 2008; 133 (6 Suppl.): 340S-380S. •Bounameaux H, Dörffler-Melly J, Lüscher RF: Kommentar der Schweizer Expertengruppe zu den Empfehlun gen: The seventh ACCP conference on antithrombotic therapy of the American College of Chest Physicians; Swiss Medical Forum 2005; 28: 1-48. •Kovacs MJ: Successful treatment of heparin induced thrombocytopenie (HIT)with fondaparinux. Thromb Haemost 2005; 93: 999-1000. •Harenberg J, Jörg I, Fenyvesi T. Treatment of heparin-induced thrombocytopenia with fondaparinux. Haematologica 2004; 89: 1017-8. •Lobo B, Finch C, Howard A, Minhas S: Fondaparinux for the treatment of patients with acute heparin-in duced thrombocytopenia. Thromb Haemos 2008; 99: 208-14. •Warktentin TE, Maurer BT, Aster RH: Heparin-induced thrombocytopenia associated with fondaparinux. N Engl J Med 2007; 356: 2653-5. •Lubenow N, Eichler P, Lietz T, Greinacher A, Hit Investigators Group: Lepirudin in patients with heparin-in duced thrombocytopenia - results of the third prospective study (HAT-3) and a combined analysis of HAT-1, HAT-2, and HAT-3. J Thromb Haemost 2005; 3: 2428-36. •Tschudi M, Lämmle B, Alberio L. Dosing lepirudin in patients with heparin-induced thrombocytopenia and normal or impaired renal function: a single-center experience with 68 patients. Blood 2009; 113: 2402-9. 108 •Silverstein RL, Bauer KA, Cushman M, Esmon CT, Ershler WB, Tracy RP: Venous thrombosis in the elderly: more questions than answers. Blood 2007; 110: 3097-101. •Rosendaal FR, van Hylckama Vlieg A, Doggen CJ: Venous thrombosis in the elderly. J Thromb Haemost 2007; 5: 310-7. •Segal JB, Streiff MB, Hofman LV, Thornton K, Bass EB: Management of venous thromboembolism: a systematic review for a practice guideline. Ann Intern Med 2007; 146: 211-22. 109 76.VTE im Alter? 2. Indikation für OAK: Anzahl Patienten steigt mit zunehmendem Alter (EF < 30 %, Vorhofflimmern, TVT und/oder LE in der Vorgeschichte, etc.). Zunehmender physiologischer prothrombo tischer Zustand, welcher mit gleichzeitig vorkommenden anderen Risikofaktoren zu einer TE führen kann. Parallel dazu steigt auch das Blutungsrisiko. Vor allem bei INR ≥ 3.5 und im 1. Jahr nach Beginn der OAK. 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 0 100 153 319 117 277 200 Days on Warfarin 102 240 300 96 223 400 92 214 Age ≥80 Age <80 Hylek et al., 2007. Cumulative Proportion with Major Hemorrhage Age <80 Age ≥80 •Hylek EM, Evans-Molina C, Shea C, Henault LE, Regan S: Major hemorrhage and tolerability of warfarin in the first year of therapy among elderly patients with atrial fibrillation. Circulation 2007; 115: 2689-96. •Bauer J, Sieber CC: Antikoagulation bei älteren Menschen. Swiss Med Forum 2004; 4: 824-31. •Di Minno G, Tufano A: Challenges in the prevention of venous thromboembolism in the elderly. J Thromb Haemost 2004; 2: 1292-8. •Wyse DG: Bleeding while starting anticoagulation for thromboembolism prophylaxis in elderly patients with atrial fibrillation. Circulation 2007; 115: 2684-6. •Baglin T: Unprovoked deep vein thrombosis should be treated with long-term anticoagulation – no. J Thromb Haemost 2007; 5: 2336-9. •Kearon C: Indefinite anticoagulation after a first episode of unprovoked venous thromboembolism: yes. J Thromb Haemost 2007; 5: 2330-5. 110 3. Häufige Risikofaktoren: • Herzinsuffizienz in den letzten 6 Monaten • COPD • Hospitalisation im letzten Monat • Chirurgischer Eingriff während der Hospitalisation • Krebserkrankung in den letzten 6 Monaten • Immobilisation • Cerebrovaskulärer Insult in den letzten 6 Monaten • Paresen • Myokardinfarkt in den letzten 6 Monaten • Hüft-OP in den letzten 3 Monaten • B auer J, Sieber CC: Antikoagulation bei älteren Menschen. Swiss Med Forum 2004; 4: 824-31. • Di Minno G, Tufano A: Challenges in the prevention of venous thromboembolism in the elderly. J Thromb Haemost 2004; 2: 1292-8. • Torn M, Bollen WL, van der Meer FJM, van der Wall EE, Rosendaal FR: Risks of oral anticoagulant therapy with increasing age. Arch Intern Med 2005; 165: 1527-32. • Silverstein RL, Bauer KA, Cushman M, Esmon CT, Ershler WB, Tracy RP: Venous thrombosis in the elderly: more questions than answers. Blood 2007; 110: 3097-101. 111 77.Welche Risikofaktoren führen zu einem erhöhten Blutungsrisiko während der Antikoagulation im Alter? Allgemein: Bei guter Indikation im Alter, wird die Antikoagulation zu selten verabreicht (z.B. Vorhoffflimmern). Risikofaktoren: • Alter > 75 Jahre • Anämie • Malignom • Diabetes mellitus • Wiederholte Stürze • Noncompliance (unregelmässige Einnahme von Vitamin K mit darauffolgend fluktuierenden INR) • Niereninsuffizienz • Lebererkrankung • Komorbidität z.B. Herzinsuffizienz (Leberstauung, Darmwandödem) • Andere zerebrale Erkrankungen können die Blutung begünstigen, z. B. cerebrale Amyloidose • Arterielle Hypertonie • Vorausgegangener zerebro-vaskulärer Insult • Komedikation: • z.B. häufig verordnete Medikamente im Alter können das Blutungsrisiko erhöhen (NSAR, Amiodarone und Antibiotika [Metronidazol, INH, Cotrimoxazol, Makrolide, usw.], Aspirin/Clopidogrel) und können mit dem Kumarinmetabolismus interferieren. • Poly-Medikation auch ohne Interaktion mit OAK • Unregelmässige Ernährung •Bauer J, Sieber CC: Antikoagulation bei älteren Menschen. Swiss Med Forum 2004; 4: 824-31. • Di Minno G, Tufano A: Challenges in the prevention of venous thromboembolism in the elderly. J Thromb Haemost 2004; 2: 1292-8. • Silverstein RL, Bauer KA, Cushman M, Esmon CT, Ershler WB, Tracy RP: Venous thrombosis in the elderly: more questions than answers. Blood 2007; 110: 3097-101. • Rosendaal FR, van Hylckama Vlieg A, Doggen CJ: Venous thrombosis in the elderly. J Thromb Haemost 2007; 5: 310-7. 112 78.Relative Kontraindikationen für die Antikoagulation im Alter? Siehe auch Frage 27 Spezielle Gewichtung der folgenden Punkte: • Soziale oder psychologische Instabilität • Demenz oder schwere kognitive Beeinträchtigungen • Häufige Stürze (> 3 im zurückliegenden Jahr, zu relativieren je nach Thromboembolie-Risiko. Der Sturz wird gelegentlich als zu hohe Gefahr eingestuft im Vergleich zur Thromboemboliekomplikation) • Behandlungsbedürftige proliferative Retinopathie • Relativ: Regelmässige Einnahme von Corticosteroiden oder NSAR (ACHTUNG: nur in Kombination mit Protonenpumpenhemmern) • Bauer J, Sieber CC: Antikoagulation bei älteren Menschen. Swiss Medical Forum 2004; 4: 824-31. • Bates SM, Ginsberg JS: Clinical practice. Treatment of deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2004; 351: 268-77. • Landaw S, Bauer K: Approach to the diagnosis and therapy of suspected deep vein thrombosis. www.uptodate.com 113 79.Spezielle Hinweise zur Antikoagulation beim älteren Menschen? Generell benötigen ältere Patienten kleinere Dosen an Kumarinen. Bei alten Patienten mit bereits reduziertem Ausgangsquick (z.B. INR 1.3) und gleichzeitiger Antibiotika-Therapie, Herzinsuffizienz, etc. soll mit niedriger Dosis, respektiv direkt mit der Erhaltungsdosis Phenprocoumon begonnen werden, z.B. 1-½-½ (erster Tag 1 Tablette à 3 mg, zweiter Tag ½ Tablette, dritter Tag ½ Tablette) mit Phenprocoumon. Mit Acenocoumarol: 2 mg-2 mg. CAVE: Tabletten à 1 bzw. 4 mg beachten! Ältere Patienten brauchen verhältnismässig mehr INR-Kontrollen, um Schwankungen vorzubeugen. Erklärung des Sponsors Die beiliegende Broschüre «Fragen aus der Praxis – Antworten für die Praxis» wurde durch die Autoren Beer, Gay und Righini völlig unabhängig erarbeitet. GlaxoSmithKline hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt genommen. Die Empfehlungen können inhaltlich von den Informationen in den behördlich genehmigten Fachinformationen der er wähnten Arzneimittel abweichen. GlaxoSmithKline empfiehlt keine Anwendung ihrer Arzneimittel ausserhalb der zugelas senen Indikationen und Dosierungen. Die Broschüre wird den Ärzten und weiteren interessierten Eine Langzeitantikoagulaiton mit NMH kann erwogen werden, wenn Kontra indikationen für Kumarine oder wenn ernsthafte Interaktionen mit wichtigen anderen Medikamenten bestehen (allenfalls auch Phasen mit unregelmässiger Nahrungszufuhr). Fachpersonen auf spezifischen Wunsch und zur eigenverant wortlichen Verwendung überlassen. Die Abgabe wurde von GlaxoSmithKline nicht mit promotionellen Aussagen zu nicht zugelassenen Indikationen und Dosierungen verbunden. Unter Langzeit-Heparin-Therapie besteht das Risiko der Osteopenie und der Wirbelköperfraktur (Osteoporose-Risiko unter UFH > NMH > Fondaparinux). • Bauer J, Sieber CC: Antikoagulation bei älteren Menschen. Swiss Med Forum 2004; 4: 824-31. • Di Minno G, Tufano A: Challenges in the prevention of venous thromboembolism in the elderly. J Thromb Haemost 2004; 2: 1292-8. • Torn M, Bollen WL, van der Meer FJM, van der Wall EE, Rosendaal FR: Risks of oral anticoagulant therapy with increasing age. Arch Intern Med 2005; 165: 1527-32. • van Walraven C, Oake N, Wells PS, Forster AJ: Burden of potentially avoidabel anticoagulant-associated hemorrhagic and thromboembolic events in the elderly. Chest 2007; 131: 1508-15. 114 115