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University of Zurich Zurich Open Repository and Archive Winterthurerstr. 190 CH-8057 Zurich http://www.zora.uzh.ch Year: 2008 Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) Meier, T O; Donati, O F; Tschirch, F F; Weishaupt, D; Hug, U; Giovanoli, P; Schiller, A Meier, T O; Donati, O F; Tschirch, F F; Weishaupt, D; Hug, U; Giovanoli, P; Schiller, A (2008). Thoracic-outlet-Syndrom (TOS). gefaessmedizin.net, 4(4):18-83. Postprint available at: http://www.zora.uzh.ch Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich. http://www.zora.uzh.ch Originally published at: gefaessmedizin.net 2008, 4(4):18-83. ISSN 1614-9009 4. Jahrgang Heft 4/2008 gefaessmedizin.net Interdisziplinäre Zeitschrift für Gefäßkrankheiten Herausgeber: B. R. Amann-Vesti, C. Diehm, M. Goyen, E. Gröchenig (Schriftleiter), R. Koppensteiner, K. Kröger, E. P. M. Lorenz, R. B. Zotz ORGAN DES Deutschland EUR 4,95 / Schweiz sFr 9,70 BERUFSVERBAND DEUTSCHER INTERNISTEN E.V. – SEKTION ANGIOLOGIE – Schwerpunktthema I Die PAVK braucht eine Antiaggregation oder Antikoagulation Pharmakologie Niedermolekulares oder unfraktioniertes Heparin in der postoperativen Thromboseprophylaxe ABW·Wissenschaftsverlag 18 T. O. Meier, O. F. Donati, F. F. Tschirch, D. Weishaupt, U. Hug, P. Giovanoli, A. Schiller Schwerpunktthemen Schwerpunktthema II CME Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) Allgemeines Einleitung Das Thoracic-outlet-Syndrom oder neurovaskuläre Schultergürtel-Kompressi onssyndrom ist ein schwierig diagnostizierbares und therapierbares Krank heitsbild. Dies beruht darauf, dass verschiedene anatomische Strukturen, das heißt Arterien, Venen und Nerven, im Bereich dreier physiologischer Engpässe (kostoklavikulärer Raum, subkorakoidaler Raum [Pectoralis-minor-Raum], Ska lenuslücke) durch verschiedene ossäre und bindegewebige Anomalien kompri miert werden können. Dies führt zu einer großen Vielfalt an Symptomen und Befunden, so dass keine einzelne Untersuchung die Diagnose im Sinne eines „Goldstandard-Tests“ sichern kann. Entsprechend groß ist die Differenzialdiag nose. Das therapeutische Vorgehen richtet sich nach der komprimierten Struk tur, der Ursache, dem Ausmaß der Symptome und dem Allgemeinzustand des Patienten. Hinzu kommt, dass bei einem operativen Vorgehen das Komplika tionsrisiko aufgrund der komplexen Anatomie erhöht ist. Der vorliegende Artikel soll einen praxisnahen Überblick über das Krankheits bild, die Diagnostik und die Therapiemöglichkeiten geben. Definition Unter dem Begriff des Thoracic-outlet-Syndroms versteht man ein ein- oder dop pelseitiges neurovaskuläres Kompressionssyndrom der oberen Thoraxapertur. Es beinhaltet einen variablen Komplex an Befunden und dazu passenden Symp tomen infolge der Kompression des Plexus brachialis und/oder der A. subclavia und/oder der Vena subclavia. Im Gegensatz zum Thoracic-outlet–Syndrom bezeichnet das Thoracic-outlet-Phä nomen den alleinigen Befund der neurovaskulären Kompression an der oberen Thoraxapertur ohne entsprechende Beschwerden. Klassifikation Historisch wird das TOS nach der Lokalisation der Kompression gemäß der drei physiologischen Engpässe in ein kostoklavikuläres Syndrom, ein Scalenus-ante rius-Syndrom und ein Pectoralis-minor-Syndrom unterteilt. Da eine klinische Diffe renzierung zwischen den einzelnen Syndromen meist nicht möglich ist, hat sich der Oberbegriff Thoracic-outlet-Syndrom durchgesetzt. Heute gebräuchlich ist die Einteilung gemäß der komprimierten anatomischen Struktur (siehe nachstehen de Tabelle): Das vaskuläre TOS ist Folge der Kompression der Subklavia-Gefäße und umfasst entsprechend eine arterielle und eine venöse Form. Beim neuro genen oder neurologischen TOS treten die Symptome meistens (90 % der Fälle) aufgrund einer Plexusirritation ohne funktionelle Störungen auf und es sind keine gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen objektivierbaren klinischen elektrodiagnostischen oder radiologischen Befunde nachweisbar. Man spricht vom „disputed type“ des neurologischen TOS, da diese Diagnose „umstritten“ ist (Bonnard 1996; Cherington et al. 1995; Pang und Wes sel 1988; Wilbourn 1990). Der Neurologe Wilbourn betont, dass bei diesen Patien ten ein sekundärer Krankheitsgewinn, eine psychologische Störung, bilaterale Armbeschwerden mit unklarer Pathogenese oder unspezifische Symptome vorlie gen. Eine operative Therapie ist bei diesem Krankheitsbild typischerweise mit schweren Komplikationen verbunden. Die andere, viel seltenere Form des neuro logischen TOS (weniger als 10 %) ist der „true or classic neurologic type“, bei dem funktionelle Störungen aufgrund der Plexuskompression auftreten und objekti vierbare neurologische Zeichen wie Muskelatrophie oder elektroneuromyogra phische Veränderungen oder aber anatomische Abnormalitäten nachweisbar sind. Selten tritt eine Mischform, das neurovaskuläre TOS, auf. Einteilung des TOS nach komprimierter Struktur Vaskuläres TOS Neurologisches TOS (94–97 %) Arterielles TOS (1–2 %) True Type (10 %) Venöses TOS (2–3 %) Disputed Type Mischformen Topographische Verhältnisse Die obere Thoraxapertur (Synonym: Apertura thoracis superior, thoracic inlet oder thoracic outlet) zeichnet sich durch den speziellen Verlauf der vaskulären und neuralen Strukturen in diesem Bereich aus (siehe nachstehende Abbil dung). Die Nervenwurzeln treten aus den Intervertebralräumen aus und bilden im Bereich der Skalenuslücke den oberen, mittleren und unteren Truncus. Die A. subclavia und die Nervenbündel durchqueren die Skalenuslücke (Dreieck zwischen M. scalenus anterior und medius und der 1. Rippe), während die V. subclavia ventral des M. scalenus anterior verläuft. Erst weiter distal verlaufen Arterie, Vene und die Äste des Plexus brachialis zusammen zwischen der Cla vicula und der 1. Rippe, wobei sie dorsal der Clavicula durch den M. subclavius unterpolstert werden (kostoklavikulärer Raum) und im weiteren Verlauf unter den Ansatz des M. pectoralis mi nor am Processus coracoideus (subkorakoidales Gebiet) ziehen. Weitere wichtige Strukturen in diesem Gebiet sind die A. circum flexa humeri, die aus der dista len A. axillaris abgeht und der N. axillaris, der zwischen Humerus kopf und dem M. pectoralis mi nor liegt. Bei Armabduktion kön nen die A. circumflexa humeri und der N. axillaris komprimiert werden, was man als Quadrilate ral-Space-Syndrom bezeichnet (Reekers et al. 1993). gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Topographische Verhältnisse im Bereich der oberen Thoraxapertur: 1. Skalenuslücke, 2. kostoklavikulärer Raum, 3. subkorakoidaler Raum. 19 20 Schwerpunktthemen Historie 1821 wurden von Sir Ashley Cooper, Guy’s Hospital London, erstmals die ver schiedenen positionsabhängigen Armbeschwerden als Kompressionssyndrom beschrieben (Cooper 1821). Als Ursache des Kompressionssyndroms stand Mit te des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Halsrippe im Vor dergrund. Entsprechend wurde der Begriff „cervical rib syndrome“ geprägt (Murphy 1910) und die Halsrippenresektion war die Therapie der Wahl zur De kompression. Sie wurde 1861 von Coote, St. Bartholomew’s Hospital London, im Lancet bei einem Subklavia-Aneurysma beschrieben, das über einer Halsrippe lag (Coote 1861). Die Zunahme von Röntgenuntersuchungen führte dazu, dass die Halsrippe häufiger diagnostiziert und als Ursache des TOS erkannt wurde. Gemäß Halsted (1916) waren zwei Drittel der Fälle mit Halsrippen in der Litera tur mit vaskulären Symptomen assoziiert. Erst Anfang des letzten Jahrhunderts wurden nicht ossäre Ursachen für das Kompressionssyndrom erstmals erkannt. Stopford und Telford beschrieben 1919, dass bei zehn Patienten die Skalenoto mie, kombiniert mit der Resektion der ersten Rippe, zur Linderung von Schulter schmerzen führte (Stopford und Telford 1919). Ende der 1920er Jahre wurde die alleinige Skalenotomie gegenüber der Rippenresektion favorisiert (Adson und Coffey 1927). In dieser Zeit wurde zwischen den drei Kompressionssyndromen mittels ver schiedener Provokationsmanöver differenziert: Der Adson-Test zur Diagnose einer Verengung der Skalenuslücke wurde 1947 und der Wright-AbduktionsTest zum Nachweis des kostoklavikulären Syndroms und des Pectoralis-minorSyndroms wurden 1945 beschrieben (Adson 1947; Thomas et al. 1978). 1956 wurde der Begriff „Thoracic-outlet-Syndrom“ als Sammelbezeichnung für alle neurovaskulären Kompressionssyndrome geprägt (Peet et al. 1956). Die bis da hin benutzte Einteilung nach Kompressionslokalisation wurde zunehmend ver lassen zugunsten einer Einteilung gemäß der komprimierten Strukturen. Seit her gilt die spontane Armvenenthrombose (von Sir James Paget 1875 und Leo pold von Schröter 1884 erstmals beschrieben und von Oliver 1960 als EffortThrombose bezeichnet) als Komplikation eines venösen TOS. Epidemiologie Die Inzidenz des TOS wird auf 1 : 1 Mio. Einwohner geschätzt (Tilki et al. 2004). Diese Zahlen beziehen sich auf operativ therapierte Patienten. Nach den Erfah rungen aus der Sprechstunde der Wiederherstellungschirurgie am Universitäts spital Zürich werden nur etwa 15 % der zugewiesenen Patienten operiert; somit wird die effektive Inzidenz in der westlichen Bevölkerung deutlich höher liegen. Hinzu kommt eine Dunkelziffer infolge falscher Diagnosen bei unspezifischer Symptomatik. Der Anteil des neurogenen TOS beträgt 94 bis 97 %, wobei die Disputed-Form die häufigste, aber auch am schwierigsten zu diagnostizierende Form ist (Brantigan und Ross 2004a). Die venöse Kompression ist mit 2 bis 3 % ungefähr doppelt so häufig wie die arterielle Kompression (Atasoy 2004; Sanders und Pearce 1989; Sellke und Kelly 1988). Der Anteil an Mischformen ist unklar, dürfte aber relativ hoch sein. Beim arteriellen und neurogenen TOS sind meist Frauen im jüngeren bis mittleren Alter betroffen. Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern be gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen trägt 2 bis 3 : 1. Das venöse TOS tritt bei Männern etwa viermal häufiger auf als bei Frauen (Degeorges et al. 2004; Fulford et al. 2001; Green et al. 1991; Han et al. 2003; Leffert und Perlmutter 1999). Ätiologie Unabhängig von der komprimierten Struktur können angeborene und erworbe ne Knochen- (90 %) und Weichteilanomalien (10 %) im Bereich der drei oben ge nannten physiologischen Engpässe zu einem TOS prädisponieren (Makhoul und Machleder 1992). Die weitaus häufigste komprimierende Strukturanomalie beim TOS ist die Halsrippe (66–80 % der arteriellen TOS, > 80 % der venösen TOS) (Brantigan und Roos 2004b). Die Prävalenz der Halsrippe liegt bei 0,5 bis 1 % in der Bevölkerung, aber nur selten, das heißt in ca. 5 bis 10 % der Halsrip pen, tritt ein TOS auf (Green 1998). 50 % der Halsrippen sind bilateral. Sie ent springen immer vom Processus transversus des HWK7 und ziehen durch den M. scalenus medius. Sie können frei enden oder als komplette Halsrippe mit der 1. Rippe auf Höhe des Tuberculum scalenii oder dem Manubrium sterni verbunden sein. Eine inkom plette „rudimentäre“ Halsrippe, die nicht über das Tuberculum scalenii der 1. Rippe hinaus reicht, führt zu keinem TOS. Die Halsrippe wirkt nur in der Skalenuslücke komprimierend und führt daher nie zu einem venösen TOS. Der Nachweis der Halsrippe kann mittels Palpation vermutet und radiologisch mittels Thoraxröntgen in zwei Ebenen oder HWS-Röntgen in 4 Ebe nen diagnostiziert werden. Die zweithäufigste Ursache für ein TOS ist eine Anomalie der 1. Rippe mit Steilbzw. Hochstand, Hyper- oder Exostosen (Rignault et al. 1976). Diese Anomalie wirkt im kostoklavikulären Raum komprimierend und kann so auch zu einem venösen TOS führen. Kongenitale fibromuskuläre Bänder im Sinne von fibrösen Verdickungen von Muskelsehnen oder isolierten Bändern zwischen dem Pro cessus transversus des 6. oder 7. HWK und der Pleura werden intraoperativ oder mittels MRI diagnostiziert. Ihre Bedeutung bezüglich des TOS ist jedoch unklar. Anomalien der Skale nusmuskulatur (Aufsplitterung des M. scalenus anterior um die Wurzel C5 oder 6, M. scale nus minimus zwischen Proces sus transversus von HWK6 oder 7 auf die 1. oder 2. Rippe durch die Skalenuslücke, Ska lenusmuskelfibrosen und Ver narbungen nach Trauma, Ska lenusmuskelspasmen, Hyper trophie bei Athleten) führen zu gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Röntgenbild der oberen Thoraxapertur: rechtsseitige Halsrippe. Postaktinische Thoraxdeformität bei einer Patientin mit arteriellem TOS. 21 22 Schwerpunktthemen einer zusätzlichen Beeinträchtigung im Bereich der Skalenuslücke (Sanders et al. 1990). Zu den typischen erworbenen Ursachen zählen die hypertrophe Kallusbildung der Clavicula und der 1. Rippe nach disloziierten Frakturen (Garnier et al. 2003; Bargar et al. 1984; Durham et al. 1995). Seltene erworbene Ursachen sind De formationen der oberen Thoraxapertur durch Traktionstraumata (z. B. bei Mo torradunfällen) oder durch postaktinische Schädigung. Die Hyperextensions-/Flexions-Whiplash-Verletzung wird von einigen Autoren als erworbene TOS-Ursache infolge von Muskelverspannungen und Muskel ödem genannt (Brantigan und Roos 2004a; Kai et al. 2001; Cina et al. 1994). Typisch ist, dass Patienten mit anatomischen Anomalien häufig über viele Jahre beschwerdefrei bleiben und sich erst viel später durch veränderte Lebensge wohnheiten (Brantigan und Roos 2004b; Sanders und Hammond 2004a) Symp tome entwickeln. Muskeltraining mit konsekutiver Skalenushypertrophie, durch Alter und Inaktivität bedingte Körperfehlhaltung („relaxed position“ mit ante flektiertem Kopf, verminderter oder aufgehobener zervikaler Lordose, thoraka ler Kyphose, abduzierter Skapula und hängenden Schultern (Kendall et al. 1993) sowie stereotype unergonomische Bewegungen können bei anatomischer Prä disposition zur Auslösung der Beschwerden führen. Typische auslösende Tätig keiten mit erhobenen Armen wie Schirm tragen, Wäsche aufhängen, Fenster putzen, Haare kämmen, aber auch Lasten tragen mit herabhängendem Arm, Schlafen mit erhobenem Arm, das Tragen eines Rucksacks oder Steuern eines Autos (Brantigan und Roos 2004b. Das vaskuläre Thoracic-outlet-Syndrom Die klinischen Manifestationen des vaskulären TOS sind entweder direkte Fol gen der intermittierenden Gefäßkompression im Schultergürtel oder Folge ei ner persistierenden Komplikation der Gefäßkompression. Beim arteriellen TOS kommt es zur positionsabhängigen arteriellen Verschluss krankheit des Arms durch Kompression der A. subclavia in der Skalenuslücke, im kostoklavikulären Raum oder im Bereich des M.-pectoralis-minor-Ansatzes am Processus coracoideus. Das häufigste Symptom ist dabei eine rasche Ermü dung des Arms im Sinne einer Armclaudicatio bei Elevation (Gelabert und Machleder 1997). Seltener findet sich ein reversibles, akutes Ischämiesyndrom mit den typischen Zeichen wie Schmerz, Blässe, Pulslosigkeit, Kribbeln, Kältege fühl und Hypästhesie. In der Fossa supraclavicularis und weniger deutlich in der Fossa infraclavicularis der betroffenen Seite lässt sich ein positionsabhängiges Strömungsgeräusch auskultieren, das in die Axilla ausstrahlt und das bei weite rer Armelevation infolge eines totalen Arterienverschlusses wieder verschwin det bei gleichzeitigem Verschwinden des Radialis- und Ulnarispulses. In Neutral stellung des betroffenen Arms kann die klinische Gefäßuntersuchung normal sein. Als Folge der wiederholten Reizung sympathischer Nervenfasern perivas kulär oder im Truncus inferior des Armplexus kann ein Raynaud-Phänomen auftreten, das in der Literatur als zweithäufigste Manifestation mit rund 30 % der vaskulären TOS angegeben wird (Gelabert und Machleder 1997; Cormier et al. 1989). Nach unserer Erfahrung ist das Raynaud-Phänomen in diesem Zusam menhang viel seltener. Treten persistierende klinische Zeichen des arteriellen TOS auf, sind sie Folgen arterieller Komplikationen (Cormier et al. 1989). Sie treten mit einer Häufigkeit gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen 23 Offen für das Leben Ilomedin® für verbesserten Blutfluss* J J J J repariert und schützt Gefäße und Gewebe1)2) steigert die Heilung von trophischen Läsionen3) reduziert den Ruheschmerz und vasospastische Attacken3) senkt die Amputationsrate3) * Ilomedin® ist zugelassen für fortgeschrittene Thrombangiitis obliterans (Buerger-Krankheit) mit schweren Durchblutungsstörungen in Fällen, bei denen eine Revaskularisierung nicht angezeigt ist. 1) Meyer-Kirchrath, J., Biochem. Pharmacol. 67; 757-765, 2004 2) Rose, F. et al, Thromb. Haemost. 90 (6); 1141-1149, 2003 3) Fiessinger, J. N. et al, Lancet 335 (8689); 555-557, 1990 Ilomedin® 20 μg/1 ml. Wirkstoff: Iloprost. Eine 1-ml-Ampulle enthält 20 μg Iloprost (als 0,027 mg Iloprost-Trometamol). Verschreibungspflichtig. Anw. Fortgeschr. Thrombangiitis obliterans (Buerger-Krankheit) mit schweren Durchblutungsstör. in Fällen, b. denen eine Revaskularisierung nicht angez. ist. Hinw. Eine dringend angezeigte Amput. sollte nicht zugunsten eines Behandlungsvers. mit Ilomedin 20 μg/1 ml zurückgestellt werden. Der Pat. sollte nachdr. angehalten werden, das Rauchen einzustellen. Gegenanz. Überempfindl. gegen Iloprost oder einen der Hilfsst.; Sit., in denen die Wirk. v. Iloprost auf die Thrombozyten Blutungskomplikationen erwarten lässt (z.B.florides Magengeschwür, Polytrauma, intrakranielle Blutungen); schw. koronare Herzkrankh. bzw. instabile Angina pectoris; Zustand n. Myokardinfarkt innerhalb der letzten sechs Mon.; akute o. chron. Herzinsuffizienz (NYHA II - IV); Verdacht auf Lungenstauung, prognostisch relevante Herzrhythmusstör., Schwangerschaft, Stillzeit. Nebenw. Sehr häufig: Gesichtsrötung (Flush) (58%), Kopfschmerz (68,8%), gastrointestinalen Symptomen (29,7%) und Schwitzen. Häufig: Anorexie, Schwindel, Par- und Hyperästhesie, Brennen, Kribbeln, Pochen, Ruhelosigkeit, Agitation, Sedation, Benommenheit, Apathie, Schläfrigkeit, Hypotonie, Bradykardie, Diarrhoe, abdominelle Beschwerden, lokale und allgemeine Schmerzen, Kiefer- und Kaumuskelschmerz, Trismus, Myalgie, Arthralgie, Schwäche, Fieber, erhöhte Körpertemperatur, allgemeines Hitzegefühl, allgemeines Krankheitsgefühl, Schüttelfrost, Müdigkeit, Erschöpfung, Durst und Reaktionen an der Einstichstelle (Erythem über der Vene, Schmerz, Phlebitis). Gelegentl.: Tremor, Angst, Depression, Halluzinationen, Migräne, Synkopen, Sehstör., Augenirritationen und Augenschmerzen, Arrhythmie, Extrasystolen, Schlaganfall, Ischämie, Myokardinfarkt, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Asthma, Dyspepsie, Tenesmus, Obstipation, Aufstoßen, Dysphagie, hämorrhagische Diarrhoe, rektale Blutungen, trockener Mund, veränderte Geschmackswahrnehmung, Ikterus, Pruritus, Tetanie, Muskelkrämpfe, erhöhter Muskeltonus, Nierenschmerzen, schmerzhafter spastischer Harndrang, Urinveränderungen, Dysurie und Harntrakterkrankungen. Selten: vestibuläre Stör., Husten und Proktitis, sehr selten Krämpfe, Verwirrung, Blutdruckanstieg, Tachykardie und allergische Reaktionen und in Einzelfällen Dyspnoe. B. älteren Patienten mit fortgeschritt. Arteriosklerose wurden in Einzelfällen Herzinsuffizienz und Lungenödem beobachtet. Insbesondere b. koronarer Herzkrankheit kann Angina pectoris hervorgerufen werden. Von hypotonen Episoden bei Verabreich. niedrig. Iloprostdosen wurde berichtet. Die genannten Nebenw. beruhen auf gepoolten Studien- und Anwendungsdaten u. schließen auch solche ein, die b. älteren, multimorb. Patienten mit pAVK (III/IV) beobachtet wurden. Art d. Anwend. Ilomedin 20 μg/1 ml wird nach vorschriftsmäß. Verdünnung intravenös verabreicht. Die pro Zeiteinheit zugeführte Dosis richtet sich nach der individuellen Verträglichkeit. Soweit nicht anders verordnet, werden 0,5 bis 2,0 ng Iloprost/kg KG pro Min. über 6 Stund. tägl. infundiert. Zu Beginn der Infus. u. nach jeder Dosissteigerung sind Blutdruck- und Herzfrequenzkontrollen erforderl. B. Dialysepatienten und Patienten mit Leberzirrhose ist eine Dosisreduktion erforderl. Bei Dauerinfusi. über mehrere Tage Entwicklung e. Tachyphylaxie der Thrombozytenwirk. und eine Rebound-Hyperaggregabilität der Thrombozyten mögl. Um die Sterilität zu gewährleisten, Infusionslös. jeden Tag frisch zubereiten. Ausführl. Angab. zur Dosierung und Anwend. entnehmen Sie bitte den speziellen Druckschriften. Wechselw. Verstärk. der blutdrucks. Wirk. v. ‡-Rezeptorenblockern, Kalziumantagonisten u. anderen gefäßerweiternden Arzneimitteln (Vasodilatatoren) sowie v. ACE-Hemmern möglich. B. unerwünscht starker Blutdrucks. sollte die Dos. v. Ilomedin 20 μg/1 ml reduziert werden. B. gleichz. Behandl. mit anderen Thrombozytenaggregationshemmern, Heparin oder Antikoagulantien vom Cumarin-Typ ist das Blutungsrisiko erhöht. Beim Auftreten v. Blutungen ist die Infusion abzubrechen. Bes. Hinw. Die Behandl. soll nur unter strenger Kontr. in Krankenhäusern o. in Arztpraxen durch angiol. erfahrene Ärzte erfolgen, die mit modernen Möglichk. zur laufenden Überwach. der Herz- und Kreislauffunkt. vertraut sind u. über eine entspr. Ausstattung verfügen. B. Patienten mit niedrigem Blutdruck, die b. strenger Indikationsstell. Ilomedin 20 μg/1 ml benötigen, sollten entspr. Vorsichtsmaßn. getr. werden, damit ein weiterer Blutdruckabf. vermied. wird. Patienten mit klinisch relevanten Herzerkrank. sollten engmaschig überwacht werden. Die IloprostAusscheidung bei Patienten mit Leberfunktionsstörung und bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz ist vermindert. Bei Patienten mit zerebrovaskulärem Insult [z. B. transitorische ischämische Attacke, Schlaganfall] innerhalb der letzten drei Monate sind Nutzen und Risiko sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Hilfsstoffe Trometamol, Ethanol 96% (V/V), Natriumchlorid, Salzsäure 3,65%, Wasser für gefaessmedizin.net Injektionszwecke. Dieses Arzneimittel enthält•kleine Mengen an Ethanol (Alkohol), weniger als 100 mg Anwend. Stand: April 2008, Bayer Vital GmbH, D-51368 Leverkusen, www.bayervital.de, www.ilomedin.de 4. Jahrgang Heft 4/2008 © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • pro www.abw-verlag.de 24 Schwerpunktthemen von 4 bis 12 % der arteriellen TOS auf. Die häufigste Komplikation des arteriellen TOS ist eine fixierte Stenose der A. subclavia als Folge der chronisch repetitiven Intima-Traumatisierung. Zeichen sind eine Blutddruckdifferenz von mehr als 10 mmHg zugunsten der gesunden Seite, eine verminderte Pulsstärke sowie ein positionsunabhängiges supraklavikuläres Strömungsgeräusch. Die zweithäu figste arterielle Komplikation ist die Embolisation (4–5 % der arteriellen TOS), die zu einer akuten Ischämie einzelner Finger, der Hand oder des ganzen Arms führen kann (Gelabert und Machleder 1997). Infolge repetitiver Media-Trauma tisierung oder infolge einer poststenotischen Dilatation kann sich ein Aneurys ma der A. subclavia entwickeln, das sich gelegentlich als pulsierende Masse supraklavikulär palpieren lässt (Green 1998; Cormier et al. 1989). Das Aneurys ma prädisponiert genauso wie Stenosen zu Thrombosen und peripheren Embo lien. Subtraktionsangiographie der proximalen Armarterien: Aneurysma der rechten A. subclavia mit Embolisation. Der Verschluss der A. subclavia ist typischerweise dank einer guten Kollaterali sation häufig asymptomatisch oder nur mit einer leichten Armclaudicatio ver bunden (Robb und Standeven (1958). Da der Verschluss der A. subclavia typi scherweise distal des Abgangs der A. vertebralis lokalisiert ist, gehört das Sub clavian-steal-Phänomen nicht zur TOS-Symptomatik. Sehr selten können retro grade Appositionsthromben den Abgang der A. vertebralis oder der A. carotis miterfassen und zu zerebralen Embolien führen, die Symptome der posterioren Zirkulation oder Hemiplegien verursachen können (Gelabert und Machleder 1997; Fields et al. 1986; Matsen et al. 2003). Die venöse Form des TOS, auch „thoracic inlet syndrome“ genannt, ist mit 2 bis 3 % aller TOS etwa doppelt so häufig wie die arterielle und betrifft typischerwei se gesunde Männer vor dem 50. Lebensjahr (Sanders und Pearce 1989; Sellke und Kelly 1988; Hurlbert und Rutherford 1995). Die Kompression der V. subcla gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen via im kostoklavikulären Raum und seltener unter dem Ansatz des M. pectoralis minor führt zu einem intermittierenden positionsabhängigen Stase-Syndrom des Arms. Eine teils schmerzhafte Armschwellung, eine livide Verfärbung und eine verstärkte Venenzeichnung am Arm stehen im Vordergrund. Bei Kompres sion der V. jugularis unter der Clavicula zeigt sich eine einseitige Halsvenenstau ung, die in Ruhestellung des Arms beim sitzenden Patienten rasch verschwin det. Die wichtigste und gefürchteste Komplikation des venösen TOS ist die akute Subklavia-Venenthrombose (Synonyme: spontane axillosubklaviale Venenthrom bose, Thrombose par effort oder Paget-von-Schroetter-Syndrom) zu nennen (sie he nachstehende Abbildungen) (Paget 1875). Bei 25 % der akuten Subklavia-Venenthrombosen findet sich ein venöses TOS (Aburahma et al. 1991). Typischerweise treten die Symptome innerhalb von 24 Stunden nach einem auslösenden Ereignis wie Krafttraining, Lastentragen oder Tennisspielen auf. Die Thrombose par effort ist ein seltenes Ereignis, kann aber zu einer erheblichen Behinderung vor allem bei jüngeren Patienten führen. Sie ist nur sehr selten mit einer Lungenembolie (< 10 %) oder einem postthromboti schen Syndrom (< 1 %) assoziiert (Tilney et al. 1970). Angiologische Diagnostik Die Diagnose des vaskulären TOS kann schwierig und herausfordernd sein. Oft sind mehrere verschiedene Untersuchungen notwendig. Es gibt keinen einzel nen klinischen oder apparativen Test im Sinne eines Goldstandards. Die Diag nostik beruht im Wesentlichen auf vier Kriterien: Nachweis eines symptomatischen Kompressionseffekts Nachweis einer strukturellen Anomalie Nachweis einer vaskulären Komplikation Ausschluss einer neurologischen Störung des Arms Der Nachweis einer Strukturanomalie oder einer vaskulären Komplikation ist für die Diagnose nicht zwingend. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 65-jährige, sportliche Patientin mit akuter Subklavia-Venenthrombose rechts ohne Einbezug der V. jugularis: verstärkte oberflächliche Venenzeichnung (links). Duplexsonographie der V. subclavia bei derselben Patientin (rechts): Patho logisches, d. h. nicht pulsund atemmoduliertes, kontinuierliches Flussmus ter; sichtbare Wandthromben. 25 26 Schwerpunktthemen Der symptomatische Kompressionseffekt im Bereich der A. subclavia lässt sich mittels der unten beschriebenen Provokationsmanöver bei gleichzeitiger Ins pektion der Haut, Palpation der Unterarmpulse, supraklavikulären Auskultation, Oszillographie und Bildgebung der Gefäße der oberen Extremitäten (vorzugs weise Duplexsonographie der A. und V. axillaris) nachweisen (Garnier et al. 2003; Becker und Terriat 1999). Dabei ist zu beachten, dass die Befunde zu den Symptomen passen müssen (Johansen und Thomas 2002a, b). Ein isoliertes Strömungsgeräusch oder ein isolierter Pulsverlust genügen für die Diagnose nicht. Der Nachweis einer strukturellen Anomalie erfolgt mittels Bildgebung der oberen Thoraxapertur, vorzugsweise mittels Röntgenbild und MRT von Thorax und Hals. Als Provokationsmanöver haben sich folgende langsam geführte Bewegungen bewährt (siehe auch nachstehende Abbildungen) (Garnier et al. 2003): Adson-Test, bei dem bei hängendem Arm, Kopfreklination und gleichzeitiger Kopfrotation zur kranken Seite während tiefer Inspiration die Skalenuslücke verengt wird (Adson 1947) Der Kostoklavikular-Test, auch Eden-Test oder Halstead-Manöver genannt, bei dem bei hängenden Armen während einer Minute die Schulter nach hinten und der Brustkorb nach vorn gedrückt werden (Thomas et al. 1978; Sanders et al. 1979) Der Hyperabduktions-Test bei 90° und 120° (auch Manöver nach Wright genannt) besteht in einer Abduktion und Außenrotation des Arms um 90° bei gleichzeitig flektiertem Ellbogengelenk und Kopfrotation zur kranken oder gesunden Seite. Dabei wird die Pectoralis-Lücke getestet. Durch gleichzeitiges rasches Öffnen und Schließen der Faust für 3 Minuten während des Hyperabduktions-Tests kann die Aussagekraft gesteigert werden (Roos-Stresstest) (Thomas et al. 1978; Roos 1979) Provokationsmanöver zur Diagnose des vaskulären TOS. Adson-Test (links), Eden-Test (Mitte), WrightTest (rechts). Die Positivität eines Provokationstests ist nicht allgemein verbindlich definiert bzw. standardisiert. Daher ergeben die verschiedenen Untersuchungen bezüg lich der Wertigkeit der Provokationstests eine relativ hohe Zahl an falsch positi ven Resultaten. In der Normalbevölkerung haben unter Provokation circa 60 % (25–83 %) Strömungsgeräusche und eine Pulsabschwächung (Rayan und Jensen 1995; Plewa und Delinger 1998; Warrens und Heaton 1987). Dies begründet auch die unterschiedlichen Angaben hinsichtlich der Sensitivität und Spezifität der einzelnen Provokationstests. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen 27 A ngiologische s ommerAkAdemie c Astello P Asquini Castiglioncello, Toskana 20.– 24. Mai 2009 liebe kolleginnen und kollegen, die angiologische Sommerakademie 2009 bietet Ihnen einen interaktiven Erfahrungsaustausch auf höchstem Niveau zu ausgewählten angiologischen und phlebologischen Themen. Neben „State of the art“-Lectures zu aktuellen Themen stehen Workshops in kleinen Gruppen im Mittelpunkt, die sich in diesem Jahr sowohl mit der angiologischen Basisdiagnostik als auch mit der klinischen Interpretation moderner Schnittbildverfahren beschäftigen. In einer angenehmen mediterranen Umgebung erwartet Sie an einem aussergewöhnlichen Tagungsort inmitten der Toskana ein spannendes Wissenschafts-, Sport- und Rahmenprogramm. Frischen Sie Ihr Wissen auf, lernen Sie Neues kennen und profitieren Sie von Kursen in kleinen Gruppen. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung. PD Dr. med. Knut Kröger Dr. med. Ernst Gröchenig Schwerpunktthemen aus Angiologie | Prof. Dr. med. Renate Koppensteiner Phlebologie | Dr. med. Walty Bayard Hämostaseologie | Prof. Dr. med. Andreas Huber Workshops | Dr. med. Peter Klein-Weigl Rahmenprogramm | Dr. med. Pietro Amantea Tagungspräsident | PD Dr. med. Knut Kröger Anmeldung und weitere informAtionen: Dr. med. Ernst Gröchenig | Kantonsspital Aarau | Tellstraße 1 | 5001 Aarau, Schweiz telgefaessmedizin.net .: +41 62 838 9601 | e-mAil: [email protected] | www.vascular-summer-academy.ch www.vascular-sum4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 28 Schwerpunktthemen Ein Provokationstest wird als positiv bezeichnet, wenn neben den vaskulären Kompressionsbefunden, wie Blässe, Verschwinden des Pulses, Nulllinie im Oszil logramm, Auftreten und Verschwinden eines Strömungsgeräusches oder Nach weis einer Stenose in der Duplexsonographie, auch die entsprechenden Symp tome einer Armischämie oder venösen Stase auftreten. Die Kombination von verschiedenen Tests steigert die Aussagekraft der Untersuchung (Gillard et al. 2001). Als bester isolierter Test wird der Roos-Stresstest mit einer Sensitivität von 60 % und einer Spezifität von 80 bis 88 % genannt. Eine vaskuläre Komplikation wie Stenose oder Aneurysma oder Thrombose lässt sich duplexsonographisch oder (MR-)angiographisch nachweisen und soll te bei jedem Verdacht auf ein vaskuläres TOS gesucht werden (Green 1998). In jedem Fall muss klinisch und elektroneuromyographisch eine neurologische Störung am Arm ausgeschlossen werden. Mögliche Begleiterkrankungen des TOS sind rheumatologische Erkrankungen, wie die Epikondylitis und die Periar thropathia humeroscapularis, sowie andere Nervenkompressionssyndrome, wie zervikale Nervenkompressionssyndrome, das Karpaltunnelsyndrom und das Sulcus-ulnaris-Syndrom, die ebenfalls gesucht werden müssen (Kline und Hudson 1995). Die Bedeutung der Duplexsonographie bei der Diagnose des TOS Die Duplexsonographie der A. subclavia und der proximalen Armvenen (V. sub clavia, V. axillaris) in Neutralstellung sowie unter geführter Armabduktion bis 180° ist eine Standarduntersuchung im Rahmen der Abklärung des vaskulären TOS. Die diagnostischen Kriterien für eine arterielle Kompression sind der Nach weis einer funktionellen Obstruktion der A. subclavia oder der Nachweis einer Gefäßwandalteration (siehe nachstehende Tabelle und Abbildung). Bei einer ve nösen Kompression lassen sich ein gestörtes Flussmuster und möglicherweise ein Thrombus nachweisen (siehe nachstehende Tabelle). Die Bedeutung der Duplexsonographie zur Diagnostik des arteriellen TOS wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Als alleinige diagnostische Untersu chung bzw. zum Screening wird die Duplexsonographie wegen vieler falsch po Duplexsonographische Kriterien Diagnostische Kriterien einer arteriellen Kompression Während des Provokationsmanövers Nachweis einer Stenose oder eines Verschlusses der A. subclavia Fehlender Fluss Verdoppelung der Peak Systolic Velocity (PSV) gegenüber der Neutralstellung Poststenotisches Flussmuster Poststenotische Dilatation Nachweis von Gefäßwandalterationen Wandunregelmäßigkeit Wandverdickung Thrombotische Veränderungen Aneurysma Diagnostische Kriterien einer signifikanten Venenkompression Während des Provokationsmanövers fehlender Fluss oder Verlust der Pulsatilität und/oder Atemphasizität Nachweis eines Thrombus gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Duplexsonographischer Befund im Bereich der A. subclavia und A. axillaris in Neutralposition des Arms und bei zunehmender Armabduktion bis 120°. Im Bereich der Kompressionsstelle nimmt mit zunehmender Kompression die maximale Flussgeschwindigkeit (PSV) bis zum 2- bis 3fachen der Norm zu und im präokklusiven Stadium wieder ab. Bei maximaler Hyperabduktion ist kein Fluss mehr nachweisbar; distal der Kompressionsstelle zum Beispiel in der A. axillaris zeigt sich mit zunehmender Armabduktion eine Abnahme der PSV bis zum Sistieren des Flusses. sitiver Resultate als ungeeignet angesehen. Es gibt jedoch keine guten Studien: Die Patientenzahl ist jeweils klein und die Arbeiten liegen zum Teil über zehn Jahre zurück, so dass die heute deutlich optimierten Geräte noch nicht berück sichtigt sind. Verschiedene Studien bei Patienten mit neurovaskulärem TOS konnten zeigen, dass der Einsatz der Duplexsonographie die Spezifität der Provokationstests von 84 auf 93 % steigern kann (Gillard et al. 2001; Longley et al. 1992). Die Sen sitivität wird nicht beeinflusst. Zudem ermöglicht die Duplexsonographie die Diagnose einer fixierten vaskulären Läsion mit einer Sensitivität und Spezifität von 92 % bzw. 95 % (Longley et al. 1992). Die Rate falsch positiver Resultate bei der duplexsonographischen Detektion arterieller Kriterien wird mit 20 % und venöser Kriterien mit 10 % angegeben (Wadhwani et al. 2001). Diese hohe Rate an falsch positiven Resultaten lässt sich mit der Häufigkeit von Kompressi onsphänomenen unter Provokation in der Bevölkerung erklären und spiegelt wider, dass die Befunde in der Bildgebung nur in Kombination mit dem Auftre ten von Symptomen verwertbar sind. Bei der Diagnostik des venösen TOS ist die Duplexsonographie besser etabliert. Es wird eine Sensitivität von 92 % und eine Spezifität von 97 % erreicht (Falk und Smith 1987; Prandoni et al. 1997; Haire et al. 1991a, b). Die Duplexsonographie eignet sich sehr gut zur Verlaufskontrolle nach chirurgi scher Behandlung des TOS (Longley et al. 1992; Grassi und Polak 1990). Die Vorteile der Duplexsonographie, wie fehlende Invasivität, Unabhängigkeit von Kontrastmittel und Strahlen, Einfachheit der Durchführung am Patientenbett so wie kostengünstiger Einsatz sprechen für sich. Dem gegenüber stehen die Un tersucherabhängigkeit und die schwierige Beurteilung bei Adipositas und des Kostoklavikulärraums (Napoli et al. 1993). Differenzialdiagnose des vaskulären TOS Die häufigste Differenzialdiagnose des arteriellen TOS ist die arteriosklerotisch bedingte A.-subclavia-Stenose, die typischerweise abgangsnah liegt, meist asymp tomatisch ist und selten zu einer Armclaudicatio führt, jedoch ein Subclavian- gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 29 30 Schwerpunktthemen steal-Syndrom verursachen kann. Eine vaskulitisbedingte Stenose der A. subcla via ist selten, betrifft mittlere und distale Armarterienabschnitte und in der Regel sind systemische Symptome wegweisend. Eine seltene Differenzialdiagnose ist die Coarctatio aortae. Bei einem Raynaud-Phänomen sind neben der häufigen pri mären Form eine Kollagenose oder andere sekundäre Ursachen auszuschließen. Differenzialdiagnosen des venösen TOS sind die – meist bilaterale – Halsvenen stauung im Rahmen einer Überwässerung, einer oberen Einflussstauung bei Kavaobstruktion, einer Herzinsuffizienz oder einer Perikardtamponade, die Armvenenthrombose bei liegendem zentralvenösem Katheter oder einer Throm bophilie sowie das Lymphödem und das artifizielle Armödem. Beim Quadrilateral-space-Syndrom kommt es zu einer Kompression der A. circmflexa humeri oder des N. axillaris im Raum zwischen M. teres minor (oben), Humerusschaft (lateral), M. teres major (kaudal) und langem Kopf des M. triceps (medial). Es tritt typischerweise bei Athleten des Wurfsports auf und zeigt die gleiche klinische Präsentation wie das TOS. Es führt bei Anteflexion, Außenrota tion und Abduktion des Arms zu nicht dermatomassoziierten Schmerzen und Parästhesien, Druckdolenz im quadrilateralen Raum, zur Atrophie des M. delto ideus (im MR-Tomogramm auch M. teres minor) und in der dynamischen Angio graphie zur Kompression der A. circumflexa humeri (Dugas und Weiland 2000; Stanz et al. 2001). Therapie des vaskulären TOS Die Behandlungsstrategie des arteriellen TOS basiert auf dem Ausmaß der Krankheit. Bei Fehlen von TOS-assoziierten Komplikationen wie Arterienwand veränderungen oder Embolien genügt eine konservative Therapie (siehe nach stehende Tabelle) (Mackinnon und Novak 2002; Crosby und Wehbe 2004; No vak et al. 1995). Die Ziele der konservativen Therapie sind eine Verminderung der Kompression auf das neurovaskuläre Bündel, die Wiederherstellung eines normalen Bewegungsumfangs im Schultergelenk und der Halswirbelsäule und eine Korrektur des Ungleichgewichts in der Schultergürtelmuskulatur. Dies wird mit einer Patientenschulung, einer Haltungs- und Lagerungskorrektur im Liegen und Sitzen mittels Hilfsmitteln, einer Physiotherapie und einem Aerobicconditioning-Programm erreicht. Die Patientenschulung sollte in erster Linie darauf abzielen, dass der Patient im Alltag die auslösenden Bewegungen oder Haltungen umgeht (Kendall et al. 1993). Eine Korrektur der Körperhaltung im Liegen während des Schlafs und im Sitzen wird mit weichen Nackenrollen, Len denstützen und Sitzkissen erreicht (Nakatsuchi et al. 1995). Das Physiotherapieprogramm beginnt mit Dehnungs- und Lockerungsübungen der verkürzten und verkrampften Schultergürtelmuskulatur. Sobald damit eine Schmerzkontrolle und Beweglichkeit der Schulterblätter erreicht ist, kann mit kräftigenden Übungen der Schultermuskeln begonnen werden. Diese Übungen müssen teils supervisiert durchgeführt und zu Hause während sechs Monaten fortgesetzt werden. Ein Gehtraining mit korrekter Atemtechnik, das sogenannte Aerobic-conditioning-Programm, kommt hinzu. Bei Mammahypertrophie wird das Tragen eines spezieller Büstenhalters, der im Rücken und weniger suprakla vikulär abstützt, empfohlen. Eine Brustreduktionsoperation kann hilfreich sein. Darüber hinaus ist eine eventuelle Gewichtsreduktion anzustreben. Es gibt keine Studiendaten über den Erfolg dieser konservativen Maßnahmen beim arteriellen TOS. Behandlungserfolge beim neurologischen TOS werden in gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Konservative Therapie beim TOS Patientenschulung Pathophysiologie des TOS Integration der richtigen Körperhaltung und Vermeiden von auslösenden Armbewegungen im Alltag (Arbeit, Freizeit, Schlaf) Haltungs- und Lagerungskorrektur im Liegen und Sitzen mit Hilfsmitteln Nackenrollen, Lendenstützen, Ellbogenkissen Physiotherapie Dehnungs- und Lockerungsübungen der Schultergürtelmuskulatur (oberer Trapeziusmuskel, M. levator scapulae, Mm. scalenii, M. sternocleidomastoideus, Mm. pectorales) Kräftigungsübungen der Schultergürtelmuskulatur (mittlerer und unterer Trapezius-Muskel, Mm. rhomboidei, M. serratus anterior) Aerobic-conditioning-Programm Gehtraining Atmungsübungen Therapie bei Mammahypertrophie Spezieller Büstenhalter Eventuell Reduktionsplastik der Literatur mit 50 bis 90 % der Fälle angegeben (Peet et al. 1956; Kenny et al. 1993; Aligne und Barral 1992; Walsh 1994). Eine angiologische Verlaufskon trolle empfehlen wir nach sechs Monaten, danach alle zwei Jahre. Treten Komplikationen auf, ist eine multimodale Therapie indiziert (Coletta et al. 2001). Neben den oben erwähnten Allgemeinmaßnahmen wird eine Thrombo zytenaggregationhemmung (Aspirin oder Clopidogrel) oder bei peripherer Em bolisation eine Antikoagulation begonnen. Eine kathetertechnische oder chirur gische Rekanalisation der Arterie ist bei Auftreten eines akuten Ischämiesyn droms nötig. Bei Fingerarterienverschlüssen können Prostaglandininfusionen (Ilomedin i.v.) verabreicht werden; eine Sympathektomie oder Sympathikolyse wird nur sehr selten empfohlen. Eine chirurgische Dekompression sollte inner halb von drei Monaten nach der Rekanalisation erfolgen (Gelabert und Machle der 1997). Der optimale Zeitpunkt hierfür wird in der Literatur kontrovers dis kutiert und variiert je nach Autor zwischen fünf Tagen und drei Monaten nach erfolgter Rekanalisation. Eine vaskuläre Rekonstruktion kann bei persistieren der Ischämie, Armclaudicatio oder Embolisationsgefahr notwendig sein und wird nach der Dekompression durchgeführt: Stenosen der A. subclavia werden mittels perkutaner transluminaler Angioplastie mit oder ohne Stentimplantation behandelt, Subklavia-Aneurysmata mit einem Durchmesser von > 2-mal der Norm oder nach Embolisation können reseziert oder mittels Implantation eines Gefäßgrafts oder Bypasses ausgeschlossen werden (Gelabert und Machleder 1997; Cormier et al. 1989). Verschiedene Fallserien haben gezeigt, dass die multimodale Therapie eine ef fektive Behandlungsstrategie des arteriellen TOS ist. In einer Fallserie mit zehn Patienten (1 Verschluss, 8 Stenosen) blieben nach einem Follow-up von 38 (1274) Monaten neun Patienten asymptomatisch (Coletta et al. 2001). In der Arbeit von Durham et al. betrug bei 34 Patienten die sekundäre Offenheitsrate nach 31 Monaten 100 % (Durham et al. 1995). gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 31 32 Schwerpunktthemen Die Behandlungsstrategie des venösen TOS richtet sich ebenfalls nach dem Auf treten von Komplikationen. Beim venösen TOS ohne Thrombose wird grundsätz lich eine konservative Therapie, wie sie bei der Therapie des arteriellen TOS beschrieben wurde, durchgeführt. Bei Versagen der konservativen Therapie nach mindestens sechs Monaten mit Persistenz eines im Alltag inakzeptablem Armödems kann eine Dekompressionstherapie erwogen werden (Sanders und Hammond 2005). Beim venösen TOS mit Thrombose gibt es kein standardisiertes Vorgehen, da gute vergleichende Studien fehlen. Ziel einer Thrombosetherapie ist die Verhin derung des postthrombotischen Syndroms, die Förderung einer adäquaten Kol lateralisation sowie die Verhinderung einer Embolisation, die allerdings beim venösen TOS sehr selten auftritt. Es gibt grundsätzlich zwei therapeutische Stra tegien: die multimodale Therapie und die rein konservative Therapie. Letztere besteht aus einer Antikoagulation (für mindestens drei Monate, Ziel-INR 2–3), kombiniert mit Allgemeinmaßnahmen bei Venenthrombosen (Kompressions therapie, Hochlagerung) (Aburahma et al. 1991). Bei der multimodalen Therapie erfolgt zusätzlich eine Rekanalisation der throm bosierten V. subclavia, eine chirurgische Dekompression und allenfalls eine vas kuläre Rekonstruktion (Coletta et al. 2001; Hood et al. 1997). Der ideale Patient für ein multimodales Vorgehen ist jung, aktiv, leidet an ausgeprägten venösen Stauungssymptomen, hat keine schweren Begleiterkrankungen und das Ereig nis liegt weniger als zwei bis vier Wochen zurück (Urschel und Razzuk 2000). Die venöse Rekanalisation erfolgt mittels lokaler Thrombolyse über 48 bis 72 Stunden, eventuell kombiniert mit einer kathetertechnischen Thrombenaspira tion (siehe nachstehende Abbildung). Kathetertechnische Rekanalisation mittels lokaler Lyse mit Urokinase. SubklaviaVenenthrombose vor (links) und nach Lyse (rechts). In der Regel wird anschließend an die Rekanalisation eine Dekompression, das heißt eine chirurgische Behebung des Engpasses, durchgeführt. Der Zeitpunkt für die Dekompression variiert von Zentrum zu Zentrum zwischen fünf Tagen und drei Monaten nach der Rekanalisation (Coletta et al. 2001; Schneider et al. 2004). Molina et al. konnten zeigen, dass ein zeitliches Intervall zwischen Reka nalisation und Dekompression von mehr als zwei Wochen keinen Vorteil bringt. Die Offenheitsrate bei frühzeitiger Dekompression nach der Lyse war 100 % (97 Patienten) und die Komplikationsrate gering (eine Blutungskomplikation: Lun genblutung). Sieben Patienten zeigten innerhalb der ersten sechs Monate eine Restenose, die kathetertechnisch angegangen wurde. In der Gruppe, bei der mit der Dekompressionsoperation zwei bis drei Wochen gewartet wurde, war die V. subclavia in 70 % der Fälle (12 von 17) verschlossen, so dass nur 30 % der Pati enten schließlich einer Dekompressionsoperation zugeführt wurden (Molina et al. 2007). gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Falls sich in der angiologischen Kontrolle (Duplexsonographie, Phlebographie) innerhalb der ersten postoperativen Wochen und vor Beendigung der Antiko agulation eine fibrosebedingte Stenose, eine Rethrombose oder eine symptoma tische Schwellung zeigen, ist eine Katheterintervention im Sinne einer vaskulä ren Rekonstruktion zu erwägen. Selbstverständlich erfolgt eine eventuelle Im plantation eines Stents erst nach erfolgreicher Dekompressionsoperation, an sonsten käme es zu einer Stentfraktur und einem vollständigen Gefäßverschluss. Der Einsatz von Stents im Bereich der V. subclavia ist sehr heikel, da die Langzeit offenheitsrate unbekannt ist und selbst die Kurzzeitoffenheitsrate gemäß einer kleinen Fallserie, die im Jahr 2001 publiziert wurde, nur 84 % beträgt (Kreien berg et al. 2001). Eine reine perkutane transluminale Angioplastie (PTA) ohne Stentimplantation bei venöser Stenose ist mit einer hohen Reobstruktionsrate der Vena subclavia verbunden (Schneider et al. 2004). Eine Alternative zur ka thetertechnischen Behandlung der venösen Obstruktion nach erfolgreicher De kompression ist die Venotome mit Patchplastik (Molina et al. 2007). Bildgebung bei Patienten mit Thoracic-outlet-Syndrom Einführung Die Bildgebung spielt in der Diagnostik und Evaluation von Patienten mit Ver dacht auf ein Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) eine entscheidende Rolle (Bahm 2006). Die radiologische Abklärung trägt sowohl zur Diagnostik als auch – in Zusammenhang mit der jeweiligen Symptomatik – wesentlich zur Differenzie rung der verschiedenen TOS-Typen (arteriell, venös oder neurogen) bei. Zur Operationsplanung ist eine optimale Bildgebung unerlässlich. Konventionelles Röntgen Konventionelle Röntgenaufnahmen sollten bei Patienten mit Verdacht auf ein TOS als erstes durchgeführt werden. Diese Aufnahmen ermöglichen den Ausschluss von Knochenanomalien, wie beispielsweise einer kompletten oder inkompletten Halsrippe, eines verlängerten Processus transversus von C7, Exostosen oder post traumatischen Knochenveränderungen der Clavicula oder der ersten Rippe (siehe nachstehende Abbildung). Obschon die meisten der knöchernen Veränderungen auf konventionellen Röntgenbil dern der Halswirbelsäule so wohl im posteroanterioren (pa) als auch im anteroposterioren (ap) Strahlengang ermittelt wer den können, erachten wir eine Zielaufnahme des zervikothora kalen Übergangs im ap-Strah lengang als die am besten geeig nete Technik bei dieser Frage stellung. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Das konventionelle Röntgenbild der oberen Thorax apertur im ap-Strahlengang zeigt eine linksseitige Halsrippe (Pfeilspitzen) sowie einen rechtsseitig verlängerten Processus transversus von C7. 33 34 Schwerpunktthemen Konventionelle Arteriographie und Venographie Die Bedeutung der konventionellen Arteriographie (oder digitale Subtraktions angiographie, DSA) bzw. der Venographie (Phlebographie) zur Evaluation von Patienten mit Verdacht auf TOS vaskulären Ursprungs ist hinreichend bekannt. Die Untersuchung erfolgt beim Patienten einerseits mit den Armen in Neutral stellung und andererseits mit den Armen in Hyperabduktionsstellung (Positions manöver). Sowohl die konventionelle Arteriographie als auch die DSA können das Ausmaß und die Lokalisation einer arteriellen Kompression anschaulich demonstrieren. Angiographische Zeichen eines arteriellen TOS bei Durchfüh rung der Untersuchung mit den Armen in Neutralstellung beinhalten eine post stenotische Dilatation der distalen Arteria subclavia bzw. der proximalen Arte ria axillaris (das häufigste Zeichen), einen abnormalen Verlauf der distalen Arte ria subclavia, eine Stenose oder Aneurysma (Lang 1983; Valji 2006). In Hyper abduktionsstellung wird die Kompression der Arterie mit resultierenden, typi scherweise bandartigen oder konzentrischen Stenosen unterschiedlicher Schweregrade beschrieben. Anhand der Lokalisation und der Art der Stenose können Rückschlüsse auf die einengenden Strukturen gezogen werden. So weist eine furchenartige Eindel lung des Unterrands der Arteria subclavia, gefolgt von einer Impression des Ar terienoberrands, auf eine Einengung sowohl in der Skalenuslücke als auch im kostoklavikulären Raum hin. Der Nachweis von Blutfluss distal der Einengung über antegrade Kollateralgefäße ist ein Hinweis auf eine hämodynamisch rele vante Stenose. Am Ort der Stenose besteht die Gefahr einer Ausbildung von Wandthromben, die nach distal embolisieren und hier zu einem Komplettver schluss des distalen Ausflusses führen können (Haimovici und Caplan 1966). Eine Stärke der konventionellen Angiographie ist die mögliche Darstellung mul tipler koexistierender Läsionen und die Möglichkeit zur Intervention mittels Lyse oder Embolektomie bei stattgefundener Thrombose oder Embolisation. Die Venographie kann sowohl das Ausmaß als auch die Lokalisation einer venö sen Obstruktion bei Patienten mit Verdacht auf ein venöses TOS darstellen. Au ßerdem ermöglicht die Venographie eine therapeutische Intervention im Sinne einer Thrombolyse, Ballonangioplastie oder eines Stenting. Einschränkungen sowohl der konventionellen Arteriographie, der DSA als auch der Venographie sind, dass es sich um invasive Methoden handelt, die eine In jektion mit iodhaltigem Kontrastmittel voraussetzen. Zusätzlich besteht ein – wenn auch geringes – Blutungsrisiko. Der Nachteil dieser Verfahren ist die Tat sache, dass keinerlei Aussage bezüglich der anatomischen Verhältnisse der Strukturen, welche die Gefäße auf Höhe der drei anatomischen Kompartimente/ Engpasszonen (Skalenuslücke, kostoklavikulärer Raum, dorsal M. pectoralis mi nor) umgeben, möglich ist. Aus diesen Gründen wird diese Untersuchung zuneh mend durch nicht invasive Methoden wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) ersetzt. Computertomographie Verschiedene Autoren schlagen die CT ohne oder mit zusätzlicher CT-Angiogra phie (CTA) zur radiologischen Abklärung bei Patienten mit Verdacht auf TOS vor. Die Einführung der Multidetektor-Spiral-CT-Technik hat die CT und insbesonde gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen re die CTA durch die hohe zeitliche und örtliche Auflösung revolutioniert. Die hohe örtliche Auflösung ermöglicht die Akquisition von isotropen Datensätzen. Diese erlauben eine Rekonstruktion der in transaxialer Ebene akquirierten Bild daten in jeder beliebigen Raumrichtung. Bei Patienten mit etablierten TOS wird die CT einerseits zur detaillierten Beur teilung von ossären Abnormitäten eingesetzt, die ursächlich am TOS beteiligt sind. Die exakte Bilanzierung der ossären Verhältnisse des oberen Thoraxaper tur ist bei Patienten mit TOS, wo die ossären Befunde im konventionellen Rönt genbild unschlüssig sind, oder zur präoperativen Planung vor chirurgischer Resektion der Abnormität notwendig (siehe nachstehende Abbildung). VRT-Rekonstruktion mit den Armen in Hyperabduktion von dorsal rechts betrachtet bei einem 42-jährigen Patienten mit Verdacht auf ein arterielles TOS. Halsrippe rechts (Pfeil) mit Gelenk (langer Pfeil) und ossärer Fusion zur ersten Rippe (Pfeilspitze). Die Scapula rechts wurde entfernt. Clavicula (C). In der diagnostischen Abklärung des vaskulären TOS kann die CT mit CTA zum Nachweis des Vorhandenseins oder des Ausmaßes der vaskulären Kompression eingesetzt werden. Aktuelle CT-Protokolle zur Evaluation von Patienten mit Ver dacht auf ein TOS vom vaskulären Typ beinhalten die Akquisition von zwei CTASerien: Die eine Serie wird mit den Armen in Neutralstellung, die zweite Serie nach dem Positionsmanöver (mit außenrotierten, hyperabduzierten Armen) ak quiriert. Basierend auf diesen axialen Datensätzen werden sagittale Reformatie rungen oder dreidimensionale volumengerenderte Bilder der oberen Thorax apertur rekonstruiert (Mastora et al. 2004). Zur Darstellung der Gefäße wird ein iodhaltiges Kontrastmittel verabreicht. Es muss in die Kubitalvene auf der Ge genseite der zu untersuchenden oberen Thoraxapertur gespritzt werden, damit die kontrastierten Aa. subclavia und axillaris nicht durch venöse Artefakte über lagert werden. Normalerweise werden ca. 90 ml eines iodhaltigen Kontrastmit tels verabreicht und die Messung ca. 15 bis 20 Sekunden nach Injektion gestar tet. Ähnlich wie die konventionelle Angiographie stellt die CTA morphologische Ab normalitäten der distalen Subklavia- und proximalen Axillaris-Gefäße detailliert dar. In den Weichteil- und Knochenfenstern aus der CT-Untersuchung können die anatomischen Verhältnisse des zervikothorakalen Übergangs detailliert be trachtet und die Stellungs- und Lageverhältnisse der vaskulären Strukturen an den drei erwähnten anatomischen Kompartimenten/Engpasszonen evaluiert werden. Mit dem Positionsmanöver kann die Verschmälerung in diesen Kom partimenten nach Hyperabduktion der Arme quantifiziert und eine eventuelle, positionsbedingte Kompression der Gefäße visualisiert werden. Damit ist die CT gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 35 36 Schwerpunktthemen mit CTA eine nützliche Modalität zur Evaluation einer arteriellen oder venösen Form des TOS (Remy-Jardin et al. 2000a). Die Sensitivität und Spezifität der CTA in der Beurteilung von Stenosen der Arteria axillaris beträgt 68 % bis 76 % bzw. 82 % bis 100 % (Bilbey et al. 1989; Gillard et al. 2001; Remy-Jardin et al. 2000b). Hierbei wurde gezeigt, dass die höchste Sensitivität und Spezifität durch Be trachtung der volumengerenderten Rekonstruktionen erreicht wurden (RemyJardin et al. 2000b). Eine venöse Kompression der Vena subclavia und Vena axillaris muss vorsichtig interpretiert werden, da eine gewisse Kompression der Vena axillaris/subclavia auch bei einem signifikanten Anteil von asymptomatischen Freiwilligen nach ausgeführtem Positionsmanöver auftritt (Demondion et al. 2000). Venöse Thrombosen in der Vena subclavia können in der CTA zuverlässig nachgewie sen werden, stellen jedoch lediglich die späte Konsequenz einer venösen Kom pression dar (Demondion et al. 2003). Die CTA dient im Wesentlichen der Dar stellung der anatomischen Verhältnisse zwischen ossären Strukturen und Gefä ßen (siehe nachstehende Abbildung). CT-Angiographie bei Patienten mit Verdacht auf arterielles TOS rechts. Die präoperative CTA (links) zeigt eine signifikante Stenose der A. subclavia rechts (Pfeil), die zwischen Clavicula (C) und Halsrippe (H) komprimiert wird. Regelrechte Kontrastierung der peripheren V. subclavia/ axillaris (Pfeilspitze). Die postoperative CTA (rechts) nach Resektion der Halsrippe rechts, Interponat in der A. subclavia sowie Osteotomie und anschließende Osteosynthese der Clavicula (C) mittels Rekonstruktionsplatte (OSM) zeigt eine regelrechte Kontrastierung der A. axillaris ohne Kompression (Pfeil). Neben den generellen Nachteilen der CT, namentlich der Strahlenbelastung so wie dem Gebrauch von iodhaltigem Kontrastmittel, ist die CT auch eingeschränkt bezüglich der Darstellung des Plexus brachialis, einer wichtigen anatomischen Struktur bei Evaluation von Patienten mit Verdacht auf neurologisches TOS. Ein weiterer Nachteil, den die CTA mit der MR-Angiographie gemeinsam hat, ist, dass die Untersuchungen bei liegendem Patienten durchgeführt werden müs sen. Angiographische Studien haben gezeigt, dass 32 % der falsch negativen Re sultate auf die liegende Position der Patienten während der Untersuchung zu rückzuführen waren (Scherrer et al. 1979). Magnetresonanztomographie (MRT) Die MR-Tomographie ist wahrscheinlich die nützlichste nicht invasive Modalität zur Evaluation von Patienten mit Verdacht auf TOS. Der ausgezeichnete Weich teilkontrast der MRT erlaubt die Beurteilung der neurovaskulären Strukturen an allen drei anatomischen Engpasszonen, die für eine vaskuläre oder neurale Kompression verantwortlich sein können. In der MRT stellen sich die drei Eng passzonen, die für das TOS entscheidend sind, folgendermaßen dar: Die Skalenuslücke, die durch die Musculi scaleni anterior, medius und posterior sowie kaudal durch die erste Rippe begrenzt wird. Die Musculi scaleni posterior und medius können dabei häufig nicht voneinander abgegrenzt werden (siehe nachstehende Abbildung). gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Der kostoklavikuläre Raum, der anterior durch den dorsalen Rand der medialen Clavicula und posteromedial durch die erste Rippe begrenzt wird (siehe nachstehende Abbildung). Der Raum dorsal des Musculus pectoralis minor, der anterior durch die Dorsalbegrenzung des Musculus pectoralis minor und posterior durch den Musculus subscapularis begrenzt wird (siehe nachstehende Abbildung). Darstellung der anatomischen Verhältnisse auf Höhe der Skalenuslücke in Neutralstellung und Elevation mittels MRT. T1gewichtete, sagittale MRT in der linken Abbildung mit Armen in Neutralstellung und in der rechten Abbildung mit den Armen in Hyperabduktion. 1 = Clavicula, 2 = A. subclavia, 3 = V. subclavia, 4s = Truncus superior des Plexus brachialis, 4m = Truncus medius des Plexus brachialis, 4i = Truncus inferior des Plexus brachialis, 5 = erste Rippe, 6 = M. scalenus anterior, 7 = M. scalenus medius, 8 = A. dorsalis scapulae, 9 = Lunge. Darstellung der anatomischen Verhältnisse auf Höhe des kostoklavikulären Raums in Neutralstellung und Elevation mittels MRT. T1-gewichtete, sagittale MRT in der linken Abbildung mit Armen in Neutralstellung. Linke Abbildung: 1 = Clavicula, 2 = A. subclavia, 3 = V. subclavia, 4l = Truncus lateralis des Plexus brachialis, 4m = Truncus medialis des Plexus brachialis, 4p = Truncus posterior des Plexus brachialis, 5 = erste Rippe, 6 = M. subclavius, 7 = M. pectoralis major, 8 = M. pectoralis minor, 9 = M. serratus anterior, 10 = Lunge. In der rechten Abbildung mit den Armen in Hyperabduktion: 1 = Clavicula, 2 = A. subclavia, 3 = V. subclavia, 4 = Faszikel des Plexus brachialis, 5 = erste Rippe, 6 = M. subclavius, 7 = Lunge. Darstellung der anatomischen Verhältnisse auf Höhe des M. pectoralis minor in Neutralstellung und Elevation mittels MRT. T1-gewichtete, sagittale MRT mit Darstellung des Raumes dorsal des M. pectoralis minor in der linken Abbildung mit Armen in Neutralstellung. Linke Abbildung: 1 = Clavicula, 2 = A. axillaris, 3 = V. axillaris, 4l = Truncus lateralis des Plexus brachialis, 4m = Truncus medialis des Plexus brachialis, 4p = Truncus posterior des Plexus brachialis, 5 = Scapula, 6 = M. subclavius, 7 = M. pectoralis major, 8 = M. pectoralis minor, 9 = M. subscapularis, 10 = Lunge. In der rechten Abbildung mit den Armen in Hyperabduktion: 1 = Processus coracoideus, 2 = A. axillaris, 3 = V. axillaris, 4l = Truncus lateralis des Plexus brachialis, 4m = Truncus medialis des Plexus brachialis, 4p = Truncus posterior des Plexus brachialis, 5 = M. pectoralis minor, 6 = M. serratus anterior, 7 = M. subscapularis, 8 = Lunge. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 37 38 Schwerpunktthemen Wie bei anderen bildgebenden Methoden wird auch in der MRT ein Positions manöver durchgeführt. Es werden Serien durchgeführt mit den Armen in Neut ralstellung sowie mit den Armen in Hyperabduktion und Außenrotation. Die sa gittale Schichtführung hat sich zur Beurteilung der anatomischen Verhältnisse der oberen Thoraxapertur als besonders geeignet erwiesen (Demondion et al. 2000, 2003; Blair et al. 1987; Panegyres et al. 1993). Das MR-Protokoll beinhal tet T1-gewichtete Sequenzen der oberen Thoraxapertur (Demondion et al. 2003) und eine kontrastmittelverstärkte MR-Angiographie (Dymarkowski et al. 1999; Hagspiel et al. 2000) in koronarer und sagittaler Schichtführung (siehe nachste hende Abbildung). Beide Untersuchungen erfolgen mit Positionsmanöver der Arme. Bei der T1-gewichteten Sequenz beinhaltet die Auswertung der Bilder die Beurteilung jeglicher vaskulärer oder neuraler Kompression entweder in der Skalenuslücke, kostoklavikulär oder dorsal des Musculus pectoralis minor. Bei dieser Untersuchungstechnik gilt das Vorhandensein jeglicher vaskulärer oder neuraler Kompression als signifikant im Hinblick auf die Differenzierung zwi schen symptomatischen und asymptomatischen Patienten. In einer Vergleichs studie zwischen symptomatischen Patienten und asymptomatischen Freiwilli gen konnten Demondion et al. (2003) eine arterielle oder neurale Kompression in 72 % bzw. 7 % der Patienten, jedoch bei keinem der asymptomatischen Freiwil ligen nachweisen. Besonders zu beachten gilt, dass bei dieser Studie eine arteri elle oder neurale Kompression nur in der Skalenuslücke sowie kostoklavikulär nachgewiesen wurde. Dorsal des Musculus pectoralis minor wurde weder eine arterielle noch neurale Kompression nachgewiesen. 23-jährige Patientin mit klinischem Verdacht auf ein vaskuläres TOS links. Sagittale, T1-gewichtete Sequenzen zeigen normale Verhältnisse bei Armen in Neutralstellung (links oben). Bei Haltung der Arme in Hyperabduktion zeigt sich eine Kompression der A. subclavia (Pfeil) und der V. subclavia (Pfeilspitze) (rechts oben). C = Clavicula, R = erste Rippe. Maximum Intensity Projection (MIP) einer kontrastmittelverstärkten MR-Angiographie der Thoraxapertur mit Armen in Neutralstellung zeigt eine normale Darstellung der Arteria subclavia beidseits. V. subclavia rechts bereits kontrastiert (Pfeilspitze, links unten). Bei Haltung der Arme in Hyperabduktion zeigt sich eine Stenose der Arteria subclavia links (Pfeilspitze) (rechts unten). MR-tomographisch kann eine vaskuläre Kompression bei Patienten mit Verdacht auf TOS sowohl mit als auch ohne die Verwendung von Kontrastmittel dargestellt werden. Mit Hilfe des durchgeführten Positionsmanövers kann mit der MRT eine Darstellung der Gefäße wie bei der konventionellen Angiographie erreicht wer den. Bezüglich des Nachweises von Stenosen in der Arteria subclavia mittels der gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen MR-Angiographie wird eine Sensitivität von 90 % und eine Spezifität von 95 % be schrieben (Cosottini et al. 2000). Die MR-Angiographie stellt besonders auch even tuell vorhandene poststenotische Aneurysmata oder venöse Thrombosen zuver lässig dar. Die zusätzlich zur MR-Angiographie durchgeführten T1-gewichteten MR-Sequenzen vor Kontrastmittelapplikation dienen dazu, die die Gefäße umge benden anatomischen Strukturen zu beurteilen. Hier interessieren insbesondere sogenannte fibröse Bänder, die bei den Patienten von einer Halsrippe oder von ei nem verlängerten Processus transversus von C7 entspringen. Auch Anomalien oder Hypertrophie der Skalenusmuskulatur können mit der MRT zuverlässig abge grenzt werden. Die fibrösen Bänder sowie auch der Plexus brachialis können am besten auf koronaren Schichten nachgewiesen werden (Demondion et al. 2003; Panegyres et al. 1993). Nach unserer Erfahrung jedoch korrelieren die MRT-Be funde bezüglich dieser Bänder nicht immer mit den intraoperativen Befunden. Fazit Die radiologische Untersuchung ist sowohl zur Diagnosestellung als auch zur Operationsplanung bei Patienten mit Verdacht auf TOS von Bedeutung. Nach unserer Erfahrung sollte das radiologische „work-up“ bei klinischem Verdacht auf ein TOS und erfolgtem Ultraschall mit Duplexsognographie sowohl aus ei nem konventionellen Röntgenbild des zervikothorakalen Übergangs als auch aus einer MRT mit Positionsmanöver bestehen. Das konventionelle Röntgenbild dient zur Beurteilung der ossären Strukturen, die MRT ermöglicht eine exakte Visualisierung aller anatomischen Strukturen, die das „thoracic outlet“ bilden und kann somit auch eine eventuelle Kompression neurovaskulärer Strukturen nachweisen. Eine Kompression der venösen Strombahn sollte vorsichtig inter pretiert werden, da sie auch bei asymptomatischen Freiwilligen häufig nachge wiesen werden konnte (Demondion et al. 2003). Der sichere Nachweis von fi brösen Bändern bleibt selbst bei hochauflösender MRT schwierig. Operative Dekompression im Rahmen der Therapie des Thoracic-outlet-Syndroms Die Indikation zur operativen Dekompression beim Thoracic-outlet-Syndrom muss unter Berücksichtigung des klinischen Verlaufs sowie der komprimierten und der komprimierenden Strukturen auf den Einzelfall ausgerichtet werden. Dabei soll, wann immer möglich, ein mindestens sechs Monate dauernder kon servativer Versuch mit Physiotherapie erfolgen. Aus neurologischer Sicht füh ren physiotherapieresistente Schmerzen und Parästhesien oder aber perma nente Fühlstörungen bzw. progrediente Muskelatrophien zur Operation. Vasku läre Fälle werden – vereinfacht dargestellt – bei physiotherapieresistenten Be schwerden oder bei Auftreten von Komplikationen einem Eingriff zugeführt. Grundsätzlich stehen zwei verschiedene chirurgische Ansätze zur Dekompres sion beim Thoracic-outlet-Syndrom zur Diskussion: Die Resektion der ersten Rippe als gemeinsamer Nenner der Skalenuslücke und des kostoklavikulären Winkels. Die Entfernung von anatomischen Anomalitäten, die sich in Fällen mit angeborenem TOS in aller Regel im Bereich der Skalenuslücke befinden (Halsrippen, fibröse Bänder, [Ansatz-] Anomalien der Skalenusmuskulatur etc.) gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 39 40 Schwerpunktthemen Erworbene Fälle weisen meist ossäre Veränderungen nach in Fehlstellung ver heilten Clavicula-Frakturen oder Frakturen der ersten Rippen auf und entziehen sich der üblichen Therapieplanung. Konkret empfehlen wir bei radiologischem Nachweis von anatomischen Anoma lien in der Skalenuslücke die Entfernung dieser Anomalie über eine supraklavi kuläre Schnittführung. Sollte eine venöse Kompressionskomponente vorliegen, so ist zusätzlich die erste Rippe zu entfernen (Exartikulation im Sternokostalge lenk). In der Literatur wird empfohlen, in all diesen Fällen auch eine Skalenek tomie des M. scalenus anterior vorzunehmen. Bei fehlendem Nachweis von ana tomischen Anomalien bzw. bei „Disputed“-Fällen ist nach unserer Meinung die transaxilläre Resektion der ersten Rippe über eine „smiling incision“ am Unter rand der Axillarbehaarung die Methode der Wahl. Die meisten Fallserien zeigen zusammengefasst postoperative Erfolgsraten mit guten und exzellenten Resultaten von ca. 70 %, mäßigen Resultaten von ca. 20 % und Misserfolgen in ca. 10 %. Leider gibt es nur sehr wenige Studien mit einem Follow-up von mehr als fünf Jahren, diese zeigen aber eine klare Tendenz zu Rezidiven mit einem Gipfel ungefähr zwei Jahre postoperativ (Hug et al. 2006). Einzelne Autoren berichten von deutlich verringerten Rezidivraten bei Kombi nation der beiden Eingriffe (Resektion der ersten Rippe und der anatomischen Anomalität bzw. der M. scalenus anterior). Da es hierzu wiederum widersprüch liche Daten gibt und beide Eingriffe für sich chirurgisch anspruchsvoll und mit erheblichem Komplikationspotenzial behaftet sind, raten wir von dieser Kombi nation ab (Atasoy 2004; Sanders und Hammond 2004b). Abklärung und Differenzialdiagnose des neurogenen Thoracic-outlet-Syndroms Einleitung Schwäche, Missempfindungen und Schmerzen der Arme sind häufige Beschwer den in der klinischen Praxis. Das neurogene Thoracic-outlet-Syndrom (NTOS) stellt eine sehr seltene Ursache dieser Symptome dar. Eine sorgfältige Diagnos tik und der Ausschluss anderer, häufiger Pathologien ist entscheidend. Es werden drei Formen des Thoracic-outlet-Syndroms (TOS) unterschieden: das vaskuläre TOS das neurogene TOS, wobei das sehr seltene posttraumatische TOS hier eine Untergruppe darstellt das unspezifische, in der Literatur als disputed TOS bezeichnet, das kontrovers diskutiert (Roos 1990) und von manchen Autoren nicht als Entität akzeptiert wird (Wilbourn 1990) Das neurogene Thoracic-outlet-Syndrom wird durch eine Kompression des unte ren Armplexus, der Wurzeln C8 – und im überwiegenden Anteil der Th1 – bzw. im Bereich deren Vereinigung zum Truncus inferior verursacht. Die häufigste Ursache dieser sehr proximalen, unteren Armplexuskompression sind fibröse Bänder zwischen Halsrippen oder Processi transversi und der Clavicula bzw. seltener auch der ersten Rippe. Seltenere Ursachen sind Anomalien der Scale nus-anterior- oder der Scalenus-medius-Muskeln und ossäre Anomalien, wie eine Halsrippe oder Kallusbildungen nach alten Klavikulafrakturen (Wilbourn gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen 1999). Das neurogene Thoracic-outlet-Syndrom wurde vor knapp 40 Jahren von Gilliatt erstmals beschrieben (Gilliatt 1970). Auf das disputed TOS wird in hier nur kurz eingegangen. Wir diskutieren die klinische und elektrodiagnostische Abklärung dieses seltenen Krankheitsbilds. Symptome und klinische Befunde Die häufigsten Symptome sind diffuse, belastungsabhängige Schulter- und Arm schmerzen sowie intermittierende Missempfindungen im Bereich der ulnaren Unterarme, des Hypothenars und der Ring- und Kleinfinger. Seltener konsultie ren Patienten einen Arzt aufgrund einer progredienten Handschwäche, wie dies in der Originalarbeit von Gilliat beschrieben wurde. Dies waren die häufigsten Symptome von zwei retrospektiven operativen NTOS-Serien (König et al. 2005; Donaghy et al. 1999). Donaghy et al. beurteilen überwiegend nächtliche Sympto me als starkes Argument gegen das Vorliegen eines NTOS. In einer anderen chirurgischen Serie von 59 operierten Patienten mit NTOS wurden in erster Li nie Symptome wie von supraklavikulär ausstrahlende Armschmerzen, Schwä che und Sensibilitätsstörungen sowie Kopfschmerzen bei 50 % der Patienten genannt (Nannapaneni und Marks 2003). Letzteres konnten wir bei unseren eigenen Patienten allerdings nicht beobachten. Bei diesen sehr unspezifischen Symptomen kann auch gut nachvollzogen werden, dass die mittlere Dauer zwi schen Auftreten der Erstsymptomatik und operativer Therapie bei unseren eige nen operierten NTOS-Patienten bei 77 Monaten lag (Hug et al. 2006). Klinisch findet sich eine Schwäche und nicht selten bereits eine Atrophie der intrinsischen Handmuskulatur, hauptsächlich des Thenars. Weiter besteht häu fig auch schon eine Parese der langen Fingerbeuger. Es kann oft eine Hypästhe sie des ulnaren Unterarms, des Hypothenars und des Ring- und Kleinfingers ob jektiviert werden. Nicht selten können durch Abduktion der Arme Armschmer zen und Dys- und Parästhesien im Bereich des ulnaren Unterarms provoziert werden (Wilbourn et al. 1982; Dawson et al. 1999). Obschon vom Konzept her einleuchtend, hat sich gezeigt, dass die klassischen Provokationsmanöver in der Diagnostik des NTOS heute keine zentrale Rolle mehr spielen sollten: Diese Provokationsmanöver, wie der Roos-Test, das AdsonManöver, kostoklavikuläre Manöver und supraklavikuläre Druckmanöver, sind zu unspezifisch und fallen häufig auch bei Normalpersonen pathologisch aus. Dies wurde in zwei klinischen Arbeiten bestätigt (Nord et al. 2008; Plewa und Delinger 1998). In den zwei operierten NTOS-Serien wurden die Provokations manöver, auch in Kombination mehrerer Manöver, als nicht genügend spezi fisch beurteilt (König et al. 2005; Donaghy et al. 1999). Beim umstrittenen un spezifischen TOS hingegen können klinisch und elektrodiagnostisch keine pa thologischen Befunde objektiviert werden (Wilbourn 1990). Differenzialdiagnose des neurogenen Thoracic-outlet-Syndroms Häufige Imitatoren eines NTOS sind in erster Linie das Karpaltunnelsyndrom, Kompressionsneuropathien des N. ulnaris am Ellenbogen oder der Loge de Guy on (siehe nachstehende Tabelle). Zervikale Radikulopathien (vor allem der C8Wurzel) können sich seltener mit ähnlichen Symptomen präsentieren. In der Differenzialdiagnose müssen auch rheumatologische Beschwerden mitberück sichtigt werden (Dawson et al. 1999). gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 41 42 Schwerpunktthemen Häufig vorkommende, für die Differenzialdiagnose eines neurogenen Thoracic-outlet-Syndroms relevanten Pathologien Pathologien des N. medianus Karpaltunnelsyndrom Pronator-teres-Syndrom Neuropathien des N. ulnaris Kompression am Ellbogen Kompression in der Loge de Guyon Zervikoradikuläre Syndrome Rheumatologische Erkrankungen Fibromyalgie Seltenere Pathologien sind in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst. Es handelt sich dabei um Plexopathien nach medianer Sternotomie (Levin 1998), neoplastische Plexusinfiltrationen (Pancoast-Syndrom) oder postradiatische Ple xopathien, wobei hier die Anamnese wenig Schwierigkeiten in der Differenzie rung bereiten dürfte. Weiter wurden Syringomyelien, zervikale Myelopathien oder zervikale myeläre Tumoren oder degenerative Motoneuronenerkrankun gen mit „fokalem Aspekt“ beschrieben (Dawson et al. 1999). Isolierte Neuropa thien des N. cutaneus brachii medialis oder antebrachii medialis, beispielsweise nach Lymphknotenbiopsien axillär oder am medialen Oberarm, können eben falls abduktionsinduzierte Armschmerzen verursachen. Ferner wird in der Lite ratur ein Fall einer fokalen Handdystonie, die nach Operation eines NTOS regre dient war, beschrieben (Quartarone et al. 1998). Seltenere Pathologien als Differenzialdiagnose des neurogenen Thoracic-outlet-Syndroms Motoneuronenerkrankungen mit fokaler Klinik Plexopathien nach medianer Sternotomie (segmentale Ausfälle überwiegend C8, häufig bilateral) Neoplastische Plexusinfiltrationen Pancoast-Syndrom Postradiatische Plexopathien Degenerative zervikale Myelopathien Zervikale myeläre Raumforderungen Syringomyelie Traumatische Plexusschädigungen nach Biopsien Neuropathien des N. cutaneus antebrachii medialis oder brachii medialis nach Lymphknotenbiopsien axillär postoperativ Raumforderungen im Plexusbereich (Schwannome) Demyelinisierende Erkrankungen des Zentralnervensystems gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Es wurde vermutet, dass das NTOS im Sinne der Double-crush-Hypothese in Kombination mit anderen Nervenkompressionssyndromen auftreten kann. In einer Arbeit wurde eine auffällige Häufung von Karpaltunnelsyndromen bei Pa tienten mit TOS vermutet (Schnyder et al. 1994); dies konnte allerdings in einer späteren Arbeit nicht bestätigt werden (Seror 2005). Elektrodiagnostik Die Elektrodiagnostik stellt eine wichtige Zusatzuntersuchung in der Abklärung eines NTOS dar, weil der große Teil der Differenzialdiagnose Nervenkompressi onssyndrome oder andere neurologische Krankheiten darstellt, die elektrodiag nostisch gut unterschieden werden können. Der typische elektrodiagnostische Befund eines NTOS ist eine axonale, senso motorische Schädigung des Truncus inferior. Dabei sind überwiegend die moto rischen Anteile der ersten thorakalen Nervenwurzel (Th1) betroffen, dies ent spricht im Wesentlichen der radialen Thenarmuskulatur. Pathophysiologisch wird dies durch die größere Spannung der Th1- als der C8-Nervenfaszikel über das fibröse Band zwischen der Clavicula und der Halsrippe erklärt (Levin et al. 1998). Hier sind, wie schon klinisch, die motorischen Befunde deutlicher ausge prägt als die sensiblen (Dawson et al. 1999). In der motorischen Medianusneurographie wird ein erniedrigtes Muskelsum menpotenzial mit einer normalen distal motorischen Latenz abgeleitet (Ablei tung mit Oberflächenelektroden vom lateralen Thenar: M. abductor pollicis bre vis). Bei der sensiblen Medianusneurographie wird ein normaler Befund erwar tet, was die Unterscheidung zu einem Karpaltunnelsyndrom ermöglicht. Dies erklärt sich anatomisch durch die Versorgung der sensiblen Medianusanteile (C6 und C7) über die oberen Armplexusanteile, die durch ein NTOS nicht betrof fen sind. Die Amplitude des motorischen Ulnarispotenzials (Ableitung vom Mus culus abductor digiti minimi) ist, wie auch das sensible Nervenaktionspotenzial (SNAP) des N. ulnaris, vom Kleinfinger reduziert. Dies ist die klassische elektro diagnostische Konstellation, wie sie von Gilliat beschrieben worden ist (Gilliatt et al. 1970) und immer noch in Übereinstimmung mit den allgemein akzeptierten elektrodiagnostischen Kriterien eines NTOS gelten (Wilbourn 1982). Ein neuerer und spezifischerer Test ist die sensible Neurographie des N. cutane us antebrachii medialis. Dieser rein sensible Nerv geht direkt aus dem unteren Armplexus, dem medialen Faszikel, ab. Technisch geht es dabei um den Nach weis einer Reduktion der Amplitude bzw. Fehlen des sensiblen Nervenaktions potenzials (Seror 2004; Le Forestier et al. 1998). Diese Untersuchung kann mit Oberflächenelektroden mit relativ geringem Aufwand abgeleitet werden und er möglicht bei grenzwertigen Befunden der übrigen Neurographien ein wichtiges Argument für das Vorhandensein einer postganglionären Schädigung des Trun cus inferior oder des Fasciculus medialis. Dieser Test wurde als die sensitivste Neurographie für die Diagnose eines TOS beschrieben (Levin et al. 1998). Durch die nadelelektromyographische Untersuchung wird die Elektrodiagnostik kom plettiert. Es werden dabei neurogene Veränderungen über den Truncus inferior (Th1-innervierte Muskeln sind häufiger betroffen als C8) in ulnaris- und media nusinnervierten Muskeln gesucht. Häufig untersuchte Muskeln für diese Frage stellung sind der M. abductor pollicis brevis, der M. abductor digiti minimi, der M. interosseus dorsalis I, der M. extensor indicis proprius und die langen Finger beuger. Beim seltenen posttraumatischen TOS, was gelegentlich bei alten, hyper gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 43 44 Schwerpunktthemen trophen Klavikulafrakturen vorkommen kann, ist selten auch eine Kompression des gesamten Armplexus möglich (England und Tiel 1999). Zusätzliche elektrodiagnostische Tests Im Folgenden werden weitere Tests vorgestellt, die nicht routinemäßig in der TOS-Diagnostik eingesetzt werden. Viele dieser Tests zeigen erst bei bereits vor handenen Atrophien pathologische Werte, weshalb ihre Wertigkeit daher gera de bei der frühen Diagnostik im klinischen Alltag limitiert ist. F-Wellen Die minimale F- Wellenlatenz ist eine einfache Untersuchung und kann im Rah men der Routinediagnostik abgeleitet werden. Die minimale F-Wellen-Latenz kann beim NTOS verlängert sein. Sie kann sich postoperativ normalisieren. Ei nige Autoren erklärten dies mit einem reversiblen Leitungsblock im proximalen Segment des Nervs (Wulff und Gilliatt 1979). Andere Autoren bestätigten diese Befunde, fanden allerdings, dass eine F-Wellen-Latenzverlängerung in der Regel erst bei fortgeschrittenen, neurogenen Veränderungen (Atrophien) nachgewie sen werden kann (Cakmur et al. 1998). Elektrische Stimulation der zervikalen Nervenwurzeln Felice et al. haben bei einer Patientin mit intraoperativ verifiziertem NTOS bila terale, elektrische, monopolare Stimulationen der C8-Wurzel durchgeführt. Sie konnten zusätzlich zur elektromyographisch determinierten, chronisch neuro genen Schädigung in C8- und Th1-innervierten Muskeln eine proximale, demye linisierende Schädigung nachweisen. Dies wurde als Hinweis auf ein gewisses postoperatives Regenerationspotenzial interpretiert. Die Autoren konnten diese Befunde bei Patienten mit vermutetem unspezifischem TOS nicht nachweisen (Felice et al. 1999). Magnetstimulation der zervikalen Nervenwurzeln Oge et al. haben magnetische Stimulationen der zervikalen Nervenwurzeln bei Patienten mit verschiedenen Plexuspathologien durchgeführt. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Untersuchung im Fall des NTOS (12 untersuchte Patienten mit 14 betroffenen Extremitäten) zwar den axonalen Schaden doku mentiert, aber keine zusätzlichen Informationen bezüglich Lokalisation oder Schweregrad der Plexuspathologie liefert (Oge et al. 1997). Misawa et al. unter suchten mittels Magnetstimulation des Plexus brachialis die Muskelsummenpo tenziale vom M. abductor pollicis brevis und vom M. abductor digiti minimi. Sie verglichen die betroffenen Seiten mit den normalen Seiten bei TOS-Patienten mit dem Ergebnis, dass die Latenzen bei TOS-Patienten signifikant verlängert waren (Misawa et al. 2002). Zervikale Magnetstimulationen sind – im Gegen satz zu den elektrischen Wurzelstimulationen – nicht schmerzhaft. Diese Unter suchungstechnik hat in Zukunft durch technische Verbesserung der Magnetsti mulatoren ein interessantes Entwicklungspotenzial. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP) Bei einigen Patienten mit NTOS konnte bei durch Stimulation des N. ulnaris ab geleiteten somatosensorisch evozierten Potenzialen (SSEP) ein fehlendes oder stark erniedrigtes N13-Potenzial (Hinterhorn/Nucleus cuneatus) bei normalem N9-Potenzial (distaler Plexus brachialis) dokumentiert werden. Gelegentlich fin den sich leicht verspätete N9-Potenziale mit oder ohne Abnormitäten des N13oder N20-Potenzials. In einem Fall konnte eine markante Amplitudenreduktion des N20-Potenzials dokumentiert werden (Aminoff et al. 1988). In der klini schen Routine sind die SSEP von geringer Aussagekraft für die Diagnose eines neurogenen TOS und bringen auch keine neuen Aspekte in der Diagnostik der nicht neurogenen TOS-Variante (Yannikas et al. 1983; Komanetsky et al. 1996; Aminoff und Eisen 1998). Obschon SSEP in der direkten Diagnostik des NTOS keine wesentliche Rolle spielen, können sie zur Differenzialdiagnose anderer Erkrankungen, wie beispielsweise demyelinisierende Erkrankungen des Zent ralnervensystems oder stenosierende zervikale Myelopathien, relevante Infor mationen liefern. Motorisch evozierte Potenziale (MEP) Haghighi et al. konnten bei einem von zwei Patienten mit neurogenem TOS eine Reduktion des kortikalen somatosensorischen evozierten Potenzials messen. In den motorisch evozierten Potenzialen (MEP) konnten sie einen signifikanten Ab fall der Amplitude nach forcierter Abduktion des Arms der betroffenen Seite nachweisen. Nach Einnahme der Neutralstellung war die MEP-Amplitude wie der normal. Bei dieser Untersuchung handelte es sich um zwei Einzelfallberich te (Haghighi et al. 2005). Diese Technik bedarf weiterer Studien; insbesondere müsste geklärt werden, warum nur die Amplitude verkleinert und nicht die La tenz des Potenzials verlängert war. Elektrokardiogramm In einem kürzlich erschienenen Fallbericht wird ein Patient mit neurogenem TOS und positionsabhängiger Tachykardie bei Ausführen des Roos-Tests be schrieben (Kaymak et al. 2004). Die Autoren vermuten eine Kompression bzw. Irritation des Ganglion stellatum. Die Tachykardie war postoperativ regredient. In einem anderen Fallbericht wird ein Patient mit NTOS mit signifikanter STStreckenhebung mit Angor bei Armabduktion beschrieben. Letztere konnten auf einen angiographisch verifizierten Koronarspasmus bei Armabduktion zu rückgeführt werden. Diese ST-Segment-Veränderungen waren nach Lokalinfil tration des Ganglion stellatum nicht mehr vorhanden. Die Autoren vermuten eine lageabhängige Sympathikusaktivierung mit reversiblem Koronarspasmus (Yoshikawa et al. 1998). Fallbericht Eine 33-jährige Rechtshänderin stellte sich wegen intermittierender, belastungs abhängiger Kribbelmissempfindungen im linken Arm vor. Diese Beschwerden waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr vorhanden. Im Alter von 23 gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 45 46 Schwerpunktthemen Jahren war die Patientin wegen eines NTOS auf der rechten Seite operiert wor den. In der klinischen Untersuchung fanden sich rechts Atrophien und Paresen der intrinsischen Handmuskulatur und der langen Fingerbeuger und eine leich te Sensibilitätsstörung des ulnaren Unterarms und des Ring- und Kleinfingers. Auf dem Thoraxröntgenbild (siehe nachstehende Abbildung) war, bei Status nach Exzision rechts, eine persistierende Halsrippe links zu erkennen. In den nachstehend abgebildeten elektroneurographischen Befunden zeigt sich der ty pische elektrodiagnostische Befund eines NTOS auf der rechten Seite. Auf der linken Seite sind die Neurographien bis auf eine leicht reduzierte Amplitude des sensiblen Nervenaktionspotenzials des N. cutaneus antebrachii medialis nor mal. Beurteilung Obschon eine intermittierende, belastungsabhängige Reizung des Plexus brachi alis links durch die Halsrippe wahrscheinlich war, entschied man sich bei der durch die Symptome wenig gestörten und zum Zeitpunkt der Untersuchung am linken Arm asymptomatischen Patientin und dort normalem klinischem Befund für ein konservatives Vorgehen mit regelmäßigen klinischen und elektrodiag nostischen Verlaufskontrollen. Im bisherigen Verlauf von zwölf Monaten seit der Untersuchung war die Patientin weiterhin beschwerdefrei. Fazit Eine Halsrippe ist auch bei typischen TOS-Beschwerden per se keine zwingende Operationsindikation. Entscheidend sind die Klinik und die elektrodiagnosti schen Befunde. Röntgen-Thorax. Auf der rechten Seite zeigt sich der Befund nach Resektion, links eine persistierende Halsrippe. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche operative Therapie des NTOS ist eine Patientenselektion durch eine korrekte Diagnostik (Hug et al. 2006). Dies ist, wie bereits oben beschrieben, nicht immer einfach. Durch die Elektrodiagnostik kann die wesentliche und häufigste Differenzialdiagnose ausgeschlossen wer den. Der Nachteil der aktuell angewendeten elektrodiagnostischen Tests liegt darin, dass sie meist erst pathologische Werte zeigen, wenn bereits eine axonale Schädigung der komprimierten Nervenstrukturen vorhanden ist. Aus diesem Grund werden in Zukunft sensitivere Tests benötigt, mit denen die Patienten mit einem NTOS identifiziert werden können, bevor es zu einer irreversiblen Ple xusschädigung gekommen ist. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de Schwerpunktthemen Motorische Medianus-Neurographie links: Normalbefund: Ableitung über dem M. abductor pollicis brevis, Stimulation am Handgelenk, kubital und am Oberarm (oben). Motorische Medianus-Neurographie rechts: pathologisch, kein Muskelsummenpotenzial über dem M. abductor pollicis brevis ableitbar (links). Sensibel-antidrome Medianus-Neurographie rechts und links: auf beiden Seiten Normalbefund. Sensibel-antidrome Neurographie des N. cutaneus antebrachii medialis rechts: pathologisch, kein sensibles Potenzial. Sensibel-antidrome Neurographie des N. cutaneus antebrachii medialis links: amplitudengemindertes Potenzial, normale Nervenleitgeschwindigkeit. Der Ausschlag am Anfang der Ableitung entspricht dem Stimulationsartefakt. gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 47 48 Schwerpunktthemen Zusammenfassung Durch die Elektrodiagnostik können die differenzialdiagnostisch relevanten Pa thologien gesucht bzw. ausgeschlossen und die Schädigung lokalisiert werden. Sie kann auch als objektiver Verlaufsparameter Verwendung finden. Die unspe zifischen Provokationstests sollten in der präoperativen Abklärung eines NTOS nicht als Kriterium im Entscheidungsprozess für eine operative Therapie heran gezogen werden. Bei einer Inzidenz des NTOS von ungefähr 1 pro Million/Jahr (Gilliatt 1984) müssen atypische klinische Präsentationen von häufig vorkom menden Krankheiten ausgeschlossen werden. Eine detaillierte klinische Unter suchung mit kompletter Elektrodiagnostik ist die Voraussetzung für eine erfolg reiche Therapie des NTOS. Literatur Aburahma AF, Sadler DL, Robinson PA. Axillary subclavian vein thrombosis. Changing patterns of etiology, diagnostic, and therapeutic modalities. Am Surg 1991; 57 (2): 101–107. Adson AW, Coffey JR. Cervical Rib: A method of anterior approach for relief of symptoms by division of the scalenus anticus. Ann Surg 1927; 85 (6): 839–857. Adson AW. Surgical treatment for symptoms produced by cervical ribs and the scalenus anticus muscle. Surg Gynecol Obstet 1947; 85: 687–700. Aligne C, Barral X. Rehabilitation of patients with thoracic outlet syndrome. Ann Vasc Surg 1992; 6 (4): 381–389. Aminoff MJ, Goodwin DS, Parry Gj, Raskin NH. 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Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de News Autoren der Beiträge Schwerpunktthema I: Die PAVK braucht eine Antiaggregation oder Antikoagulation Priv.-Doz. Dr. med. Knut Kröger Universitätsklinikum Essen Klinik und Poliklinik für Angiologie Hufelandstraße 55 D-45147 Essen Tipps: Motorradfahren nach Beinamputation – Traum oder Wirklichkeit? Willi Költgen Költgen GmbH Systems For Handicapped Mobility Oberbenrader Straße 407 D-47804 Krefeld Schwerpunktthema II: Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) Allgemeines Dr. med. Thomas O. Meier Universitätsspital Zürich Klinik für Angiologie Rämistraße 100 CH-8091 Zürich Priv.-Doz. Dr. med. Knut Kröger Universitätsklinikum Essen Klinik und Poliklinik für Angiologie Hufelandstraße 55 D-45147 Essen Das vaskuläre TOS Dr. med. Thomas O. Meier Universitätsspital Zürich Klinik für Angiologie Rämistraße 100 CH-8091 Zürich Bildgebung bei Patienten mit TOS Dr. med. Olivio F. Donati Dr. med. Frank F. Tschirch Prof. Dr. med. Dominik Weishaupt Universitätsspital Zürich Institut für Diagnostische Radiologie Rämistraße 100 CH-8091 Zürich Operative Dekompression Dr. med. Urs Hug Luzerner Kantonsspital Abteilung für Hand- und Plastische Chirurgie Spitalstrasse CH-6000 Luzern 16 Abklärung und Differentialdiagnose des neurogenen TOS Dr. med. Andreas Schiller Prof. Dr. med. Pietro Giovanoli Universitätsspital Zürich Klinik für Wiederherstellungschirurgie Rämistraße 100 CH-8091 Zürich Grundlagen: Optionale Cavafilter Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Pfammatter Universitätsspital Zürich Institut für Diagnostische Radiologie Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich Pharmakologie: Niedermolekulares oder unfraktioniertes Heparin in der postoperativen Thromboseprophylaxe bei Patienten mit Gefäßerkrankungen – eine Analyse Prof. Dr. med. Eike Sebastian Debus M. S. Winkler Dr. med. Harald Daum Dr. med. H. Diener Asklepios Klinik Harburg Abt. Allgemein-, Gefäß- und Visceralchirurgie Eißendorfer Pferdeweg 52 21075 Hamburg Priv.-Doz. Dr. med. Axel Larena-Avellaneda Chirurgische Universitätsklinik Oberdürrbacherstr. 2 97080 Würzburg Für Sie gelesen Prof. Dr. med. Curt Diehm Klinikum Karlsbad-Langensteinbach Akademisches Lehrkrankenhaus der Univiversität Heidelberg Guttmannstraße 1 D-76307 Karlsbad Dr. med. Roger W. Simon Universitätsspital Zürich Klinik für Angiologie Rämistraße 100 CH-8091 Zürich Gefäßmedizin in den Medien Dr. med. Ernst Gröchenig Kantonsspital Aarau Abteilung für Angiologie Tellstraße 1 CH-5001 Aarau gefaessmedizin.net 4. Jahrgang Heft 4/2008 • © 2008 ABW Wissenschaftsverlag GmbH • www.abw-verlag.de 83